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ENGEL NO 1<br />
Bodenbeschaffenheit, Steigungswinkel und<br />
klimatische Verhältnisse: Der Gröndalberg bringt<br />
beste Voraussetzungen für den Weinanbau mit.<br />
Die Winzerin<br />
vom Gröndalberg<br />
Die Unternehmerin Melanie Engel über Patina,<br />
Spott und die Lust an der Unabhängigkeit<br />
Zwischen den Reben fühlt Melanie Engel<br />
sich wohl – setzt bei der Weinlese<br />
allerdings viele weitere Helfer ein.<br />
41<br />
„Nicht weil es schwer ist, wagen wir es<br />
nicht, sondern weil wir es nicht wagen,<br />
ist es schwer“<br />
steht auf dem Stein neben dem Eingang des Wohnhauses<br />
auf dem Ingenhof. Sich nicht an Vorhaben<br />
heranzutrauen, weil man glaubt, dass sie zu schwer<br />
für einen sein könnten – dieser Gedanke ist wahrscheinlich<br />
den meisten vertraut. Melanie Engel ficht<br />
das nicht an. Im Gegenteil: Dieser Haltung, die vom<br />
römischen Philosophen Seneca beschrieben wurde,<br />
bietet die Hausherrin und Betreiberin des Hofes in<br />
der Holsteinischen Schweiz erfolgreich die Stirn.<br />
2011 hat sie den Hof, der seit 1948 von<br />
ihrer Familie bewirtschaftet wird, von<br />
ihren Eltern übernommen: insgesamt<br />
rund 250 Hektar, auf denen vor allem<br />
Erdbeeren und Himbeeren angebaut<br />
werden und Landwirtschaft betrieben<br />
wird. Man verkauft die Früchte an<br />
Selbstpflücker und über drei Dutzend<br />
mobile Verkaufsstellen. In einem<br />
Feldcafé gibt es selbst gebackenen<br />
Kuchen und Marmeladen. Ein weiterer<br />
Geschäftszweig auf dem Ingenhof<br />
ist das Vermieten von Wohnungen.<br />
Dort, wo sich früher Schweine gesuhlt<br />
haben, sind geschmackvolle Ferienappartements<br />
entstanden, die vor<br />
allem von Familien bis in den Herbst<br />
hinein genutzt werden. „Sanfter Tourismus<br />
ist in. Und davon profitieren<br />
auch wir“, verrät Melanie Engel.<br />
Vor sechs Jahren hat sie dann ein für<br />
schleswig-holsteinische Verhältnisse<br />
aberwitziges Vorhaben gestartet: Sie<br />
begann auf dem Südhang des Gröndalbergs<br />
in der Nähe von Malkwitz,<br />
rund 13.500 Rebstöcke zu pflanzen.<br />
Kurz zuvor hatte sie die dafür notwendigen<br />
Rebrechte erhalten. Schleswig-Holstein<br />
hatte diese Rechte von<br />
Rheinland-Pfalz übertragen bekommen<br />
– für insgesamt <strong>10</strong> Hektar Weinanbau.<br />
Über die Vergabe entschieden<br />
wurde nach Bodenbeschaffenheit,<br />
Steigungswinkel des Berges und<br />
klimatischen Kriterien. Melanie Engel<br />
bewirtschaftet mit ihrem Team die<br />
mit rund drei Hektar größte zusammenhängende<br />
Weinanbaufläche des<br />
Landes. Und sie ist die einzige Frau<br />
unter den Winzern im nördlichsten<br />
Bundesland.<br />
„Anfangs habe ich viel<br />
Spott geerntet und<br />
wurde belächelt.“<br />
„Doch mittlerweile hat sich das<br />
geändert“, sagt die 37-Jährige.<br />
Anders als andere Winzer im Norden<br />
– die den Großteil der Weinernte<br />
in den Süden transportieren – verarbeitet<br />
Melanie Engel die Trauben vor<br />
Ort. Hierfür waren Investitionen in<br />
Kellertechnik nötig, Tanks, Abbeermaschine,<br />
Weinpresse und Weinnetze<br />
mussten angeschafft und zwei neue<br />
Mitarbeiter eingestellt werden, die<br />
sich mit Kellermeister Jan Carstens<br />
um das Thema Wein kümmern. Als<br />
Winzerin ist die studierte Agrarwissenschaftlerin<br />
eine echte Autodidaktin.<br />
„Ich habe mir viel angelesen und<br />
mir zudem immer wieder bei Patrick<br />
Balz, einem Winzer aus Rheinhessen,<br />
Rat geholt“, erklärt sie. Angebaut sind<br />
auf den Flächen überwiegend die<br />
weiße Solaris-Traube und daneben<br />
Wirtschaftsland <strong>2016</strong>