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HANSE ZUM ANFASSEN<br />

Eintauchen in eine<br />

Europäisches Hansemuseum Lübeck<br />

Das 2015 eröffnete<br />

Europäische Hansemuseum<br />

lädt Besucher jeden Alters<br />

zu einer Zeitreise ein.<br />

wirtschaftliche Blütezeit<br />

Die Fassade des Neubaus wirkt beeindruckend, aber nicht unbedingt einladend. Eher trutzig wie<br />

bei einer Burg, die es zu erobern gilt. Doch dieser erste Eindruck ist schnell vergessen im aufregenden<br />

Inneren des Europäischen Hansemuseums, einer der bundesweit größten Museumsneugründungen<br />

der Nachkriegszeit und neuer Leuchtturm im Unesco-Weltkulturerbe Lübecker Altstadt.<br />

Der Chip in der Eintrittskarte bietet die<br />

Wahl zwischen vier Sprachen (Deutsch,<br />

Englisch, Schwedisch, Russisch), vier<br />

Themen und 50 Hanse städten in 16<br />

Ländern. Den größten Reiz üben die<br />

Großdioramen aus, lebensecht nachgestaltete<br />

Szenerien, in denen man<br />

historische Schauplätze und Situationen<br />

auf sich wirken lassen kann.<br />

Die erste dieser kulissenhaften<br />

Szenen zeigt eine Flusslandschaft mit<br />

Schilf und eine Kogge beladen mit<br />

Holzfässern. 1193, so erfährt man an<br />

der Hörstation, wählten Kaufleute am<br />

Ufer des Flusses Newa im Nordwesten<br />

Russlands einen Ältermann, der<br />

für die Dauer ihrer Handelsreise ihre<br />

gemeinsamen Interessen vertreten<br />

sollte – ein erster Schritt hin zu dem<br />

Bündnis, dem zeitweilig mehr als 200<br />

Binnen- und Hafenstädte zwischen<br />

Nowgorod und Brügge angehörten.<br />

Weiter geht es ins Jahr 1361, in ein<br />

Warenhaus im flandrischen Brügge.<br />

Eine Besucherin streicht über einen<br />

Tuchballen. „Das fühlt sich echt an,<br />

war bestimmt teuer. Das konnten sich<br />

damals nur Reiche leisten“, stellt sie<br />

mit Kennermiene fest.<br />

Ob reich oder arm: Die Pest, die damals<br />

in Europa und Lübeck wütete,<br />

betraf alle. Das haben die Ausstellungsmacher<br />

drastisch-düster mit<br />

Rattenkadaver und Grabsteinen<br />

inszeniert. Entvölkerung und Angst<br />

führten zur Wirtschaftskrise. Die ist um<br />

1500 in London, der nächsten Station,<br />

längst überwunden. In der florierenden<br />

Handelsmetropole unterhält die<br />

Hanse mit dem Stalhof eine bedeutende<br />

Niederlassung.<br />

Beeindruckend ist auch der nachgebaute<br />

Hansesaal im Lübecker Rathaus.<br />

Die Tagesordnung des Hansetagstreffens<br />

1518 dokumentiert die<br />

Streitigkeiten. Mit dem Bündnis geht<br />

es bergab. Als das Hansekontor in<br />

Bergen 1764 norwegisch wird, ist die<br />

große Zeit der Hanse vorbei.<br />

20<br />

Der Ort steckt voller Geschichte(n).<br />

In der Ausstellung dreht sich alles um<br />

die Hanse, jenes zwischen Mittelalter<br />

und Neuzeit mächtige Wirtschafts- und<br />

Städtebündnis. Lübeck war Führungsmacht<br />

und ein Nabel der Weltpolitik.<br />

Aufstieg und Niedergang, Alltag,<br />

Macht und Mythos dieses über dreieinhalb<br />

Jahrhunderte erfolgreichen<br />

Netzwerks sowie seine Wirkungen bis<br />

in die Gegenwart vermittelt das neue<br />

Museum in einem Mix aus herkömmlicher,<br />

multimedialer und szenischer<br />

Darstellung. Vitrinen mit Urkunden,<br />

Münzen, Schmuck und historischen<br />

Dokumenten wechseln sich ab mit<br />

Räumen, in denen Informationen über<br />

Bildschirme, Monitore und Hörstationen<br />

abgerufen werden können.<br />

Im nächsten der inszenierten Räume<br />

kehrt man zurück nach Lübeck im<br />

Jahr 1226: Hansekaufleute lassen<br />

ihre Häuser neuerdings aus Backsteinen<br />

statt aus Holz bauen, an der<br />

Trave wird Boden entwässert, um die<br />

Stadt-Insel zu vergrößern, und es werden<br />

Stadtmauern und Befestigungsanlagen<br />

angelegt. Die Luft ist staubig,<br />

die Werkzeuge der Bauhandwerker<br />

liegen herum wie gerade hingeworfen.<br />

Viel Atmosphäre bei gleichzeitig<br />

hoher Informationsdichte.<br />

Religion spielte eine wichtige Rolle in<br />

jener Epoche. Darauf verweisen die<br />

15 Mönche aus Wachs, die einem ein<br />

Gebet murmelnd im Gang begegnen.<br />

Sie wirken verblüffend lebensecht.<br />

Das könnte auch für die Hanse-Bürgermeister<br />

im alten Burgkloster<br />

gelten, wären diese nicht deutlich<br />

überlebensgroß. Im „Hanselabor“<br />

kann man zuletzt noch die Wirkungsgeschichte<br />

der Hanse studieren. Die<br />

schlägt sich heute in zahllosen Pro-<br />

21<br />

duktnamen nieder, ist in vielen Hansestädten<br />

in der Identität der Menschen<br />

fest verwurzelt. Lübeck ohne Hanse?<br />

Undenkbar. Das Europäische Hansemuseum?<br />

In Lübeck am richtigen Ort<br />

und eine Attraktion für Hansestädter,<br />

Hanse-Interessierte und jeden, der<br />

ein besonderes Museumserlebnis zu<br />

schätzen weiß. (sas)<br />

Das Europäische Hansemuseum<br />

Eröffnung: Mai 2015<br />

Betreiber: Europäisches Hansemuseum<br />

gemeinnützige GmbH<br />

Finanzierung: 40 Mio. Euro<br />

Possehl-Stiftung, <strong>10</strong> Mio. Euro<br />

Land Schleswig-Holstein<br />

Architekt: Andreas Heller<br />

Architects and Designers, HH<br />

Wissenschaftl. Konzept:<br />

Prof. Rolf Hammel-Kiesow mit<br />

Team, Lübeck<br />

Grundstückseigentümer:<br />

Hansestadt Lübeck<br />

Adresse:<br />

Europäisches Hansemuseum<br />

An der Untertrave 1<br />

23552 Lübeck<br />

Tel. 0451 809099-0<br />

www.hansemuseum.eu<br />

Die Zeitreise beginnt in einem<br />

gläsernen Fahrstuhl, der hinab in<br />

den Keller fährt – wo den Besucher<br />

eine kleine Eiszeit erwartet. „In der<br />

archäologischen Grabungsstätte<br />

wird nicht geheizt“, erklärt der junge<br />

Museumsmitarbeiter. Tatsächlich ist<br />

der Raum kühl, aber auch faszinierend<br />

mit Zeugnissen aus 1.200 Jahren<br />

Geschichte. Legt man die Eintrittskarte<br />

auf die interaktiven Stationen,<br />

leuchten an den Mauern Jahreszahlen<br />

und Erläuterungen auf: Der Brunnenschacht<br />

entstand in der Frühzeit der<br />

Stadt, die Stützwand dahinter erst bei<br />

den Arbeiten für das neue Museum,<br />

das neben dem Neubau auch das<br />

historische Burgkloster einbezieht.<br />

Öffnungszeiten: tgl. <strong>10</strong>–17 Uhr,<br />

außer Heiligabend<br />

Eintritt: 11,50 Euro Erwachsene,<br />

Kombiticket „Denkmal Burgkloster“<br />

14,50 Euro, ermäßigt<br />

u. a. für Schüler und Familien<br />

Gastronomie: Restaurant „Nord“<br />

Wirtschaftsland <strong>2016</strong>

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