24.03.2016 Aufrufe

2014 14 impuls

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Die Liebe zum Holz erst spät entdeckt<br />

Im Sommer Hirte auf der Kalbenalm, im Winter Schnitzer aus Leidenschaft<br />

Das Herz von Klaus Schrott aus<br />

Jerzens muss wohl aus Zirbenholz<br />

sein. - Wie ist es sonst zu erklären,<br />

dass er es in nur drei Jahren<br />

zu einer Perfektion im<br />

Schnitzen gebracht hat, die nicht<br />

nur seinen Schnitzlehrer in Staunen<br />

versetzt?<br />

Der 38-jährige Jerzener ist ein Naturbursch<br />

durch und durch, und<br />

diese Naturverbundenheit macht<br />

er nach und nach immer mehr zu<br />

seinem Lebensinhalt. Seit nunmehr<br />

fünf Jahren übernimmt er als<br />

Mitarbeiter der örtlichen Agrargemeinschaft<br />

anfallende Arbeiten<br />

wie Waldpflege oder das Räumen<br />

der Weide. Von Mai bis Oktober<br />

kümmert er sich außerdem um gut<br />

100 Stück Vieh im Schigebiet<br />

hoch über Jerzens.<br />

Nicht nur, dass er täglich nach den<br />

ihm anvertrauten Kälbern, Alm -<br />

ochsen und dem Galtvieh sieht, er<br />

bewirtet außerdem gemeinsam mit<br />

seiner Mutter und drei guten Geistern<br />

auf der Kalbenalm vorbei<br />

kommende Wanderer. Wer die<br />

Hochzeiger Bergbahnen für den<br />

Aufstieg nutzt, hat keinen allzu anstrengenden<br />

Fußmarsch mehr vor<br />

sich, und so bietet sich dieses Ausflugsziel<br />

auch für Kinder und solche,<br />

die eine gemütliche Wanderung<br />

bevorzugen, an. Freuen sich<br />

besonders die Kleinen an den Pferden<br />

und Ponys, die unmittelbar<br />

über der Hütte weiden, und an<br />

den Kaninchen, die gerne auch gestreichelt<br />

werden, so kann sich<br />

jeder Gast ein erstes Bild vom Talent<br />

des Hüttenwirts machen,<br />

denn zahlreiche selbst geschnitzte<br />

Kunstwerke zeugen rund um die<br />

Hütte von einer wahrlich besonderen<br />

Gabe.<br />

Überraschendes Talent<br />

Dabei war ihm bis vor kurzem<br />

noch nicht einmal bewusst, dass er<br />

über dieses erstaunliche Talent verfügt.<br />

Auch wenn er seiner Mutter<br />

ein gewisses künstlerisches und<br />

kreatives Gen zu verdanken hat, so<br />

versuchte sich der gelernte Maurer<br />

erst vor drei Jahren zum ersten Mal<br />

am Werkstoff Holz. Bis dahin interessierte<br />

er sich überhaupt nicht<br />

für diesen Rohstoff und die damit<br />

zusammenhängende Schnitzerei.<br />

Doch erst einmal Feuer gefangen,<br />

ließ ihn dieses neu entdeckte<br />

Handwerk nicht mehr los, und so<br />

brachte er sich in stundenlanger<br />

Arbeit mit viel Geduld und Akribie<br />

die wichtigsten Fertigkeiten<br />

und Kniffe selbst bei. Als Vorlage<br />

dienten ihm dabei Modelle, die er<br />

nachschnitzte und zur Orientierung<br />

für Maße und Proportionen<br />

nutzte. „Zum Glück habe ich<br />

einen 3D-Blick und ich kann mir<br />

das fertige Werk schon zu Beginn<br />

perfekt vorstellen“, verrät der Vater<br />

eines Sohnes sein Erfolgsrezept.<br />

Um sein Können aber noch zu<br />

perfektionieren, absolvierte er an<br />

Klaus Schrott verbringt seine Zeit am<br />

liebsten in freier Natur. Fotos: U. Millinger<br />

der Schnitzschule Elbigenalp während<br />

zweier Winter Schnitzkurse,<br />

in denen er den Profis über die<br />

Schulter schauen konnte und<br />

deren Fachwissen und Tipps dankbar<br />

aufsaugte. In dieser Zeit reifte<br />

bereits sein Vorsatz, etwas ganz Besonderes,<br />

Einmaliges zu schaffen,<br />

auch wenn ihm seine Lehrer rieten,<br />

sich erstmal kleinere Dinge<br />

vorzunehmen.<br />

Der rekordverdächtige Adler, gefertigt aus einem 500 kg schweren Zirbenholzrohling,<br />

hat eine Spannweite von drei Metern und ist ein beliebtes Fotomotiv.<br />

Rekordadler<br />

Aber es wäre nicht der vielseitige<br />

Pitztaler, hätte er sich von seinem<br />

einmal gefassten Plan abbringen<br />

lassen. Und so präsentierte er 400<br />

Arbeitsstunden später den österreichweit,<br />

wenn nicht sogar international,<br />

größten handgeschnitzten<br />

Adler, der seit dem Frühjahr<br />

diesen Jahres auf Jerzens hinabblickt<br />

und mit erstaunlichen<br />

Maßen beeindruckt: Klaus Schrott<br />

fertigte aus einem 500 kg schweren<br />

Zirbenholzrohling einen<br />

König der Lüfte, der mit einer<br />

Spannweite von drei Metern und<br />

einem Endgewicht von 120 Kilogramm<br />

weltweit seinesgleichen<br />

sucht. „Mein Lehrer aus der<br />

Schnitzschule hat nur den Kopf<br />

geschüttelt, als er meinen Adler<br />

persönlich begutachtet hat“, freut<br />

sich das Naturtalent über Lob und<br />

Erstaunen aus der Profiliga.<br />

Deshalb verwundert es natürlich<br />

nicht, dass er zukünftig seine Zeit<br />

vermehrt der Schnitzerei widmen<br />

möchte. Und so wird er im Rahmen<br />

seines Kunstgewerbes mit<br />

weiteren, dann auch verkäuflichen<br />

Schnitzereien aufhorchen lassen,<br />

die vornehmlich natürlich in den<br />

Wintermonaten entstehen werden.<br />

Schließlich ist doch der Sommer ja<br />

wieder für die Kalbenalm reserviert,<br />

wo er sich dann von den<br />

Schönheiten der Natur inspirieren<br />

lassen wird. Und sollte der geprüfte<br />

Pyrotechniker zwischendurch<br />

das Bedürfnis haben, Hirn<br />

und Händen eine kleine Abwechslung<br />

zu gönnen, dann wird er sich<br />

die Schier anschnallen oder als<br />

Schauspieler auf der Pitztaler Dorfbühne<br />

Jerzens überzeugen. – Also<br />

langweilig wird dem bescheidenen<br />

Multitalent so schnell bestimmt<br />

nicht.<br />

(ulmi)<br />

9. September <strong>20<strong>14</strong></strong> 13

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!