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Das Bienensterben ist auch in Tirol ein Thema<br />
Erschwerte Haltung von Bienen im Tiroler Oberland und was dahinter steckt<br />
Thomas Weiskopf sieht sich systematisch die einzelnen Mittelwände, welche von den Bienen zu den fertigen Waben ausgebaut werden, an. Es wird zwischen Brutzellen<br />
und Honigzellen unterschieden, die beide regelmäßig kontrolliert werden müssen. Wo ist die Königin? Tipp: Um sie später leichter ausfindig zu machen, wird jede junge<br />
Königin gekennzeichnet, bevor sie in ein Volk gesetzt wird - diese Königin wurde 2013 gezeichnet, und wie alle Königinnen dieses Jahrgangs mit rotem Blättchen.<br />
Fotos: Privat/Weiskopf<br />
Thomas Weiskopf lebt mit seinen<br />
vier Kindern und seiner Frau<br />
Christiane in Pians. In seinem<br />
Haus wohnen auch die Eltern –<br />
Vater und Imkerkollege Gottfried<br />
Weiskopf und Mutter Irmgard.<br />
Zusammen beherbergen sie<br />
außerdem Millionen von Bienen<br />
in mittlerweile rund 160 Bienenstöcken,<br />
von denen etwa die<br />
Hälfte zur Bioimkerei zählen.<br />
2012 erregte der Schweizer Regisseur<br />
Markus Imhoof mit seinem<br />
Dokumentarfilm "More than<br />
Honey" das Aufsehen der Öffentlichkeit.<br />
Das Thema Bienen war<br />
somit in aller Munde. Jedoch noch<br />
nicht in dem Ausmaß, in welchem<br />
Thomas, der wie sein Vater mit<br />
Leib und Seele Imker ist, es sich<br />
wünschen würde. Impuls führte<br />
mit ihm zu dieser Thematik folgendes<br />
Interview.<br />
Wie viele Prozent der Bienenstöcke<br />
konnten bei euch in letzter Zeit pro<br />
Jahr überwintert werden?<br />
Bei uns konnten dieses Jahr glücklicherweise<br />
rund 98 % überwintert<br />
werden. Wichtig ist, dass im Volk<br />
kein Futtermangel herrscht und<br />
gute Königinnen vorhanden sind.<br />
Manche Völker sterben während<br />
des Winters allerdings aus unerklärlichen<br />
Gründen.<br />
Wie aktuell ist das Thema Bienensterben<br />
im Tiroler Oberland?<br />
In den Obstbauregionen (z.B. Genussregion<br />
Stanser Zwetschke) gibt<br />
es nach wie vor starke Flugbienenverluste.<br />
Zwischen Ende April<br />
und Anfang Mai werden dort von<br />
den Obstbauern pflegerische Maßnahmen<br />
unternommen. Diverse<br />
Spritzungen von Pestiziden, welche<br />
gegen die Pflaumensägewespe und<br />
Wickler sein sollten und als ungefährlich<br />
für die Bienen eingestuft<br />
sind, werden ausgebracht, was allerdings<br />
subletale Effekte mit sich<br />
bringt. Das bedeutet, dass diese<br />
Stoffe ausreichen, um den Orientierungssinn<br />
der Bienen zu beeinträchtigen,<br />
was wiederum bewirkt,<br />
dass die Flugbienen nicht zurück<br />
in ihren Bienenstock finden und<br />
somit die Anzahl im Stock dras -<br />
tisch vermindert wird. In der Zulassung<br />
dieses Mittels wurde zwar<br />
berücksichtigt, dass die Biene nicht<br />
direkt an diesem Stoff stirbt. Allerdings<br />
führt die Orientierungslosigkeit<br />
des Insekts zu dessen Tod! Betroffen<br />
sind natürlich nicht nur<br />
unsere Bienen, sondern auch<br />
Schmetterlinge, Hummeln und<br />
weitere Bestäuber. Auch viele Vogelarten,<br />
welche in der Nahrungskette<br />
als nächste kommen, sind<br />
von diesem Umweltverbrechen betroffen.<br />
Wie können ImkerInnen dem Bienensterben<br />
präventiv entgegenarbeiten<br />
bzw. was wird im Tiroler<br />
Oberland bereits unternommen?<br />
Durch intensives Beobachten unserer<br />
Bienen an verschiedenen<br />
Standorten haben wir einen direkten<br />
Vergleich und merken schnell,<br />
wenn an einem Bienenstand etwas<br />
nicht in Ordnung ist. Dann schaffen<br />
wir die Völker frühzeitig aus<br />
der Gefahrenzone.<br />
Außerdem ist es von großer Bedeutung,<br />
dass man ein Behandlungskonzept<br />
findet, das den Parasiten<br />
Varroamilbe, welche vorrangig<br />
die Brut der Bienen überfällt<br />
und somit Missbildungen erzeugt,<br />
effektiv reduziert. Wir wählten vor<br />
vielen Jahren die Ameisensäurebehandlung,<br />
welche wirklich ausgezeichnet<br />
funktioniert, als Gegenmittel<br />
aus.<br />
In unserer Region werden Imker<br />
per SMS aufgerufen, innerhalb<br />
eines Zeitraumes zu behandeln.<br />
Mit diesem Vorgehen erzielten wir<br />
deutlich weniger Völkerverluste<br />
und machten somit positive Erfahrungen.<br />
Wir achten in unserer Imkerei außerdem<br />
besonders auf die Zucht!<br />
Von Völkern, welche vitale und robuste<br />
Bienen haben, züchten wir<br />
weiter. Dabei verwenden wir Biowachs<br />
und geben Acht, dass keine<br />
alten Waben verwendet werden.<br />
Wir versuchen also, den Bienen<br />
die besten Entwicklungsmöglichkeiten<br />
zu bieten.<br />
Was kann der Durchschnittstiroler<br />
konkret tun?<br />
Er soll Bienenprodukte wie Honig,<br />
Wabenhonig, Propolis, Pollen etc.<br />
von heimischen Imkern erwerben<br />
und vermehrt biologisch angebaute<br />
Früchte und auch Gemüse<br />
aus der Region kaufen.<br />
Mit Kindern kann man Bienenhotels<br />
für Wildbienen bauen, es gibt<br />
diverse Anleitungen dazu in Büchern<br />
und Internet. Mit einem<br />
Bienenhotel im Garten lassen sich<br />
die kleinen Insekten auch gut beobachten,<br />
man wird auch sensibel<br />
und sieht, wenn mit ihnen etwas<br />
nicht stimmt.<br />
Noch eine wichtige Botschaft an<br />
die <strong>impuls</strong>-Leser?<br />
Ja, der Imker kann als Barometer<br />
für die Umweltsünden gesehen<br />
werden. Ihnen ist daher Nachhaltigkeit<br />
sehr wichtig. Das Thema<br />
Bienensterben ist auch für den<br />
Obstbau eine Herausforderung,<br />
aber auch eine Chance, nachhaltiger<br />
und biologisch zu produzieren.<br />
Auch der Konsument spielt hier<br />
eine wichtige Rolle - Angebot und<br />
Nachfrage.<br />
Mir liegt es sehr am Herzen, dass<br />
Menschen wie du und ich aufstehen<br />
und auch die Politik kritisch<br />
hinterfragen, beispielsweise was zu<br />
welchem Preis geschieht und dass<br />
etwa diverse altzugelassene Spritzmittel<br />
mit neuen wissenschaftlichen<br />
Erkenntnissen verglichen<br />
werden sollen. Den Dokumentarfilm<br />
"More than Honey" empfehle<br />
ich sehr, wie auch das bereits 1962<br />
erschienene Sachbuch "Silent<br />
Spring" von Rachel Carson, welches<br />
häufig als Ausgangspunkt der<br />
weltweiten Umweltbewegung betrachtet<br />
wird. Hat man diese<br />
Werke gesehen bzw. gelesen, so<br />
kann man sich auch als Laie sehr<br />
gut ein Bild von dieser Thematik<br />
machen.<br />
(lewe)<br />
26 9. September <strong>20<strong>14</strong></strong>