24.03.2016 Aufrufe

2014 14 impuls

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Trachtiges hoch drei<br />

Hermann Lunger aus Längenfeld trat<br />

in die Fußstapfen seiner Vorfahren<br />

Tracht ist „in“. Wer in Dirndl<br />

oder Lederhose erscheint, folgt<br />

dem momentanen Trend nach<br />

Ursprünglichkeit und Traditionsbewusstsein.<br />

Allerdings gefallen<br />

sich diese mitunter auch in<br />

neckischen stylischen Interpretationen.<br />

Der traditionellen Tiroler Tracht<br />

dagegen verschrieben hat sich Hermann<br />

Lunger aus Längenfeld.<br />

Nachdem er das Modehaus Lunger<br />

in Längenfeld als eines der führenden<br />

Häuser im Bezirk etabliert -<br />

geschäftstüchtig mit Gastrotex,<br />

dem Kinderland in Imst, einem<br />

Handarbeitszentrum und der<br />

Mann-Herrenmode in Sölden ausgedehnt<br />

hat -, widmet er sich seit<br />

seiner Pensionierung ganz seiner<br />

eigentlichen Profession – der<br />

Trachten-Schneiderei. Die Nachfrage<br />

ist enorm. Schützen- und<br />

Trachtenvereine, Sänger, Musikanten<br />

wie Privatpersonen vertrauen<br />

auf seine hohe Kunstfertigkeit und<br />

vierzigjährige Erfahrung.<br />

Bis so ein edles Stück ausgeführt<br />

werden darf, steht freilich ein langer<br />

Prozess bevor. Vom Eruieren<br />

des Kundenwunsches, dem sorgfältigen<br />

Maßnehmen, Schnitt,<br />

Naht und Endfertigung braucht so<br />

ein heimatliebender Ötztaler<br />

Gentleman schon a bissele Geduld.<br />

Hermann Lunger hat sich<br />

vornehmlich auf die individuelle<br />

Konfektion für den Herrn der<br />

Schöpfung spezialisiert und ist in<br />

der Branche längst tirolweit ein<br />

Begriff. „Die Arbeit macht nach<br />

wie vor Spaß, und lässt mir die<br />

Freiheit und Kreativität, die ich<br />

brauche.“<br />

Und so „Ruhestand“ nicht zum<br />

Vokabular eines Hermann Lunger<br />

gehört, hat der heute 67-Jährige<br />

mit 65 nochmals ein Gewerbe als<br />

Trachtenschneider angemeldet.<br />

Ganz im Sinne seiner Vorfahren.<br />

„Wir haben in der Familie nahezu<br />

eine hundertjährige Schneidertradition.<br />

Mein Großvater begann<br />

1904, mein Vater folgte 1949 und<br />

ich 1974. Eine Maßschneiderei in<br />

der dritten Generation ist hierzulande<br />

eine Rarität. Das hätte sich<br />

Großvater Jakob Lunger, als er im<br />

Gasthof Stern seine Maßschneiderei<br />

anfing, wahrscheinlich auch<br />

nicht gedacht…“, so der Schneidermeister<br />

nicht ohne Stolz.<br />

Eigenkreationen<br />

War ehedem eine Tracht nicht nur<br />

zu Feiertagen en vogue, sondern<br />

auch im Alltagsleben verankert,<br />

bedauert der Längenfelder deren<br />

Wandel hin zu feierlichen Anlässen.<br />

Dabei sei man mit einer<br />

Tracht stets perfekt gekleidet, sagt<br />

er. Lederhose samt Träger, Ranzen,<br />

Stutzen und Joppe unterstreichen<br />

charmant die Persönlichkeit und<br />

machen den Träger zu einer solchen.<br />

Zudem lässt sie sich zeitgemäß<br />

interpretieren, weiß einer, der<br />

selbst kaum ohne zu sehen ist und<br />

damit beweist, dass Hemd oder<br />

Joppe kombiniert mit Jeans durchaus<br />

freizeittauglich sind. „Da es<br />

fürs Ötztal keine eigene Joppe gibt,<br />

habe ich eine in Leichtloden, in<br />

den Farben der original Ötztaler<br />

Tracht Braun mit Rot, entworfen.<br />

Dazu passend eine rote Weste mit<br />

dem Tiroler Adler“, pflegt Lunger<br />

das heimische Brauchtum. Infolgedessen<br />

hat er auch eine Joppe aus<br />

heimisch angebautem Flachs gefertigt,<br />

die dem örtlichen Heimatmuseum<br />

einverleibt wurde.<br />

Im Laufe der Jahre ist Hermann<br />

Lunger aufgrund seines diversen<br />

Engagements selbst zur Institution<br />

geworden. Unter anderem war er<br />

als Obmann des TVB, Gemeinderat,<br />

Funktionär in der Wirtschaftskammer<br />

stets als kritischer Geist<br />

bekannt. Besondere Verdienste erwarb<br />

er sich um das Längenfelder<br />

Bad: „1986 begann ich, mich intensiver<br />

mit der Geschichte von<br />

Bad Längenfeld zu beschäftigen.<br />

Daraus wurde ein Langzeitprojekt<br />

bis mit der Quellerschließungsgemeinschaft<br />

1995 (deren Obmann<br />

Hermann Lunger war, Anm. d.<br />

Red.) schließlich das Bauernbadl<br />

aus der Taufe gehoben werden<br />

konnte. Somit stecken da die Kraft<br />

und der Einsatz von zwanzig Jahren<br />

darin.“ Der intensive Bezug zu<br />

allem, das Thema Wasser tangierend,<br />

ist geblieben. Dessen Faszination<br />

lässt ihn in nah und fern<br />

dieses fesselnde Metier erkunden –<br />

wenn nicht am heimischen Herd<br />

die Nähmaschine surrt.<br />

Durch sein Traditionsbewusstsein<br />

hat sich auch ein praktiziertes<br />

Nahverhältnis zum Althergebrachten<br />

ergeben. Welches sich auch im<br />

Wohnbereich äußert. Das zu den<br />

ältesten Gebäuden von Längenfeld<br />

zählende (erstmals urkundlich erwähnt<br />

1727), unter Denkmalschutz<br />

stehende, ehemalige Frühmesnerhaus<br />

wurde von ihm von<br />

Grund auf saniert und daraus ein<br />

erlesenes Domizil geschaffen.<br />

(leva)<br />

Stilvolles Ambiente zeichnet die Arbeiten von Maßschneider Hermann Lunger aus Längenfeld zeitlebens aus.<br />

Fotos: privat<br />

9. September <strong>20<strong>14</strong></strong> 61

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!