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gangart 6

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DIE<br />

FREIHEIT,<br />

die ich meine ...<br />

Mit Werner Wallinger einmal um den<br />

Einberg herum<br />

Ein Beitrag von Wolfgang Tonninger<br />

Als Gott die Zeit<br />

schuf, schuf er<br />

viel davon.<br />

Keltische Weisheit<br />

Seine Sätze enden oft mit einem Undundund ... Das<br />

ist eine der Eigenarten des Werner Wallinger, wenn es<br />

zur Sache geht. Da kann es schon passieren, dass er<br />

einmal um die Welt herum muss, um auf den Punkt<br />

zu kommen.<br />

Wir sitzen bei ihm in der Küche und trinken Kaffee.<br />

Er mahlt ihn selber mit einer Handmühle, während er<br />

spricht. Dazwischen rührt er am Ofen sein Müsli an<br />

oder er sucht nach einem Zitat, das er in einem Buch<br />

gefunden hat. Bei soviel Offline-Multitasking wundert<br />

es nicht, dass er das Internet ablehnt. Auch Fernsehen<br />

gibt es hier keines. „Ich versuch mich, auf das Wesentliche<br />

zu konzentrieren“, meint er. Was das genau ist, darauf<br />

bleibt er die Antwort schuldig. Nicht absichtlich,<br />

eher zufällig. Weil alles mit jedem zusammenhängt<br />

und ihn die Gedanken weitertreiben. Das Eine das<br />

Andere ergibt. Wie es halt so ist im Leben.<br />

Aufgewachsen ist der Werner Wallinger im Wallingwinkl,<br />

gleich bei den Lammeröfen. Am Oberwallingerhof,<br />

um genau zu sein. Manfred Wallinger, der mir<br />

hier heroben am berüchtigten Einberg Begleitschutz<br />

gibt, nickt bedächtig, während er mit einem kleinen<br />

Löffel den Schnaps in seinen Tee schaufelt. Ihm<br />

scheint gar nicht aufzufallen, wie es hier in der Stube<br />

„wallert“. Was den Einberg so speziell macht, das<br />

ist nicht nur seine erhabene Lage – auf halbem Weg<br />

zur Postalm – das sind auch die Menschen, die sich<br />

hier angesiedelt haben. Sonderlinge, Revoluzzer – so<br />

beschreibt man sie gern, weiter unten im Dorf. Was es<br />

damit auf sich hat, frag ich den Werner: „Na ja, eigen<br />

sind sie schon, da heroben.“ Und ich sehe an seinem<br />

verschmitzten Lächeln, dass er „wir“ meint, wenn er<br />

„sie“ sagt.<br />

Vom Wallingwinkl hinauf auf den Einberg sind es in<br />

Wirklichkeit ein paar Kilometer. Für den Werner war<br />

es nicht mehr als ein großer Schritt. Die Initiation<br />

geschah, als er sechs Jahre alt war. Als sein<br />

Großvater den Buben auf die Seite nahm und<br />

meinte: „Und du, du wirst a Kropfei!“ Das hat sich<br />

in seinen Kopf gebrannt und wurde allmählich<br />

zur Bestimmung, der er sich nicht entziehen<br />

konnte. Auch wenn rundherum die Leute die<br />

Hände über den Kopf zusammenschlugen, als der<br />

knapp 20-Jährige beschloss, hier herauf auf den<br />

Kropfhof zu ziehen, in eine Wohngemeinschaft<br />

mit seiner Großmutter; ein Einberger zu werden,<br />

mit allem, was dazugehört.<br />

Den Dickschädel dazu hatte man ihm in die Wiege<br />

gelegt und das Brachiale, das ihm hier heroben<br />

das Überleben sichert, das kommt vom Vater:<br />

„Mein Vater, der Toff, war ein sensibler Mann,<br />

aber der konnte auch reinhauen. Der kannte kein<br />

Erbarmen, auch mit sich nicht. Wie ein Viech ist<br />

er hineingegangen in das Holz oder in den Stein:<br />

„Bua, ziag o!“ – hat er mir zugerufen und dann hat<br />

er Urlaute ausgestoßen und das Ding bewegt. Egal,<br />

ob es 50 Kilo wog oder eine Tonne. Das hat mich<br />

fasziniert als Kind und fasziniert mich heute noch.<br />

Dieser Zugang zu einer Kraft, die den meisten Menschen<br />

verborgen bleibt.“<br />

Und trotzdem: Wie ein sesshaft Gewordener wirkt<br />

er nicht. Und wie ein Bauer ebenso wenig – mit<br />

seinen langen Haaren und dem keltischen Sonnensymbol<br />

auf seinem T-Shirt. Werner lacht und<br />

wischt mit einer Handbewegung die Kategorien<br />

vom Tisch, die ich vor ihm aufstelle, um ihn aus<br />

der Reserve zu locken. „Das interessiert doch niemanden,<br />

was die Leute sagen. Die zerreißen sich ja<br />

sowieso immer das Maul, egal, was ich mache. Damals,<br />

als ich raufgezogen bin, haben die auch gemeint,<br />

dass ich das Sacherl gleich wieder verkaufen<br />

24 <strong>gangart</strong>

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