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Ein menschenfreundlicher Islam - SIFAT Heft 1/2016 - Leseprobe

Sufismus ist eine uralte Weisheit und zugleich eine Methode der geistigen Schulung, die den Menschen befähigen soll, diese Weisheit in seinem täglichen Leben zu verwirklichen. Wer dem Universalen Sufismus folgen will, wie ihn Hazrat Inayat Khan und seine Nachfolger gelehrt haben und lehren, ist nicht auf bestimmte Dogmen, Rituale oder spirituelle Techniken festgelegt. Der Universale Sufismus baut eine Brücke über die Unterschiede und Grenzen hinweg, die die Menschen und Religionen voneinander trennen. Er ermöglicht jedem Menschen auch, seine eigene Religion besser zu verstehen und zu leben, weshalb jeder diesen Weg gehen kann, unabhängig von seiner Religionszugehörigkeit. Weitere Informationen: www.verlag-heilbronn.de

Sufismus ist eine uralte Weisheit und zugleich eine Methode der geistigen Schulung, die den Menschen befähigen soll, diese Weisheit in seinem täglichen Leben zu verwirklichen.
Wer dem Universalen Sufismus folgen will, wie ihn Hazrat Inayat Khan und seine Nachfolger gelehrt haben und lehren, ist nicht auf bestimmte Dogmen, Rituale oder spirituelle Techniken festgelegt. Der Universale Sufismus baut eine Brücke über die Unterschiede und Grenzen hinweg, die die Menschen und Religionen voneinander trennen. Er ermöglicht jedem Menschen auch, seine eigene Religion besser zu verstehen und zu leben, weshalb jeder diesen Weg gehen kann, unabhängig von seiner Religionszugehörigkeit. Weitere Informationen: www.verlag-heilbronn.de

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Zeitschrift für Universalen Sufismus<br />

Samarkand<br />

44. Jg.<br />

<strong>Heft</strong> 1<br />

April <strong>2016</strong><br />

<strong>Ein</strong> <strong>menschenfreundlicher</strong> <strong>Islam</strong>


<strong>SIFAT</strong> 1 / <strong>2016</strong><br />

<strong>SIFAT</strong> Impressum 1 / <strong>2016</strong><br />

Sufismus<br />

ist eine uralte Weisheit und zugleich eine Methode der geistigen Schulung,<br />

die den Menschen befähigen soll, diese Weisheit in seinem täglichen Leben<br />

zu verwirklichen.<br />

Wer dem Universalen Sufismus<br />

folgen will, wie ihn Hazrat Inayat Khan und seine Nachfolger gelehrt<br />

haben und lehren, ist nicht auf bestimmte Dogmen, Rituale oder spirituelle<br />

Techniken festgelegt.<br />

Der Universale Sufismus baut eine Brücke über die Unterschiede und<br />

Grenzen hinweg, die die Menschen und Religionen voneinander trennen. Er<br />

ermöglicht jedem Menschen auch, seine eigene Religion besser zu verstehen<br />

und zu leben, weshalb jeder diesen Weg gehen kann, unabhängig von seiner<br />

Religionszugehörigkeit.<br />

Hazrat Inayat Khan<br />

wurde am 5. juli 1882 in der indischen Stadt Baroda<br />

geboren. Seine hoch angesehene Familie war durchdrungen<br />

vom Geist mystischer Religiosität und von<br />

der Liebe zur klassischen indischen Musik. Inayat<br />

Khan war von Kind auf in Kontakt mit den geistigen<br />

Traditionen des <strong>Islam</strong> wie des Hinduismus, in einer<br />

Atmosphäre freundlicher Toleranz über alle konfessionellen<br />

Grenzen hinweg. Im Jahre 1910 bekam er<br />

von seinem spirituellen Lehrer, Abu Hashim Madani,<br />

der der Sufi-Tradition der Chishtis angehörte,<br />

den Auftrag, den Sufismus in den Westen zu bringen. Hier wurde er der<br />

Begründer und das geistige Oberhaupt (Pir-o-Murshid) der Sufi-Bewegung<br />

und ihrer esoterischen Schule, des Sufi-Ordens, und er schuf den Universellen<br />

Gottesdienst. Längere Zeit lebte er in Suresnes bei Paris, von wo er oft<br />

zu Reisen in die ganze westliche Welt aufbrach. Seine Vorträge füllen die 13<br />

Bände seiner „Sufi Message“. Er starb am 5. Februar 1927 in New Delhi.<br />

Hazrat Inayat Khans Lehre und die seiner Nachfolger ist geprägt von einer<br />

umfassenden Toleranz, einer Verehrung und Liebe zu allen Propheten und<br />

Heiligen der Menschheit und einem Verständnis gegenüber der Vielfalt der<br />

religiösen Traditionen und Lebenserscheinungen.<br />

2


<strong>SIFAT</strong> 1 / <strong>2016</strong><br />

Inhaltsverzeichnis<br />

<strong>Ein</strong> <strong>menschenfreundlicher</strong> <strong>Islam</strong><br />

Vorwort der Herausgeber 4<br />

Wir nehmen Abschied 4<br />

Hazrat Inayat Khan: <strong>Ein</strong>e mystische Sicht des <strong>Islam</strong> 6<br />

Navid Kermani: Gott ist schön – Der Koran<br />

als Klang und Poesie 15<br />

Navid Kermani. Der <strong>Islam</strong> als Gesetzesreligion<br />

oder als mystischer Weg 22<br />

Reza Aslan: Die Zukunft des <strong>Islam</strong> 26<br />

Katajun Amirpur: Über Amina Wadud und die<br />

Geschlechtergerechtigkeit im Koran 29<br />

Mouhanad Khorchide: Gott glaubt an den Menschen 37<br />

Jan Kuhlmann: Religiöse Erkenntnis ist immer wandelbar –<br />

Der Reform-<strong>Islam</strong> von Abdolkarim Sorush 48<br />

Gemeinsame Friedensarbeit von Muslimen und Juden<br />

im „Elternkreis – Familienforum“ 50<br />

Mahmoud Darwisch: Denk an die andern 54<br />

Friedemann Magaard: „Zu Gast in Abrahams Zelt“ –<br />

<strong>Ein</strong> gelingender interreligiöser Dialog 55<br />

Toleranz anstelle von Gewalt – Die indonesische Alternative 56<br />

Bekenntnis zu den Grundrechten des Menschen –<br />

Der Liberal-<strong>Islam</strong>ische Bund 57<br />

Impressum & Kontakte 58<br />

Projekte und Hinweise auf Veranstaltungen 59<br />

3


Vorwort der Herausgeber<br />

<strong>SIFAT</strong> 1 / <strong>2016</strong><br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

Wie Ihnen schon der Titel unseres <strong>Heft</strong>es verrät, sind wir dieses Mal<br />

von unserer üblichen Struktur abgewichen. Während wir sonst – gemäß<br />

der universalen Ausrichtung der Sufi-Lehre von Hazrat Inayat Khan –<br />

zu jedem gewählten Thema Autoren und Autorinnen aus den verschiedenen<br />

Weltreligionen zu Wort kommen lassen, setzen wir im vorliegenden <strong>Heft</strong><br />

den Fokus auf eine einzige Religion: die Religion des <strong>Islam</strong>.<br />

Täglich präsentieren uns die Medien niederdrückende Beispiele unmenschlichen<br />

Verhaltens, das mit einem verzerrten fundamentalistischen <strong>Islam</strong>verständnis<br />

einhergeht. Deshalb war es uns ein Anliegen, in diesem <strong>Heft</strong><br />

eine exemplarische Auswahl von Texten islamischer Lehrer und Autorinnen<br />

zusammenzustellen, die sich um eine Interpretation des <strong>Islam</strong> bemühen, die<br />

unserer Zeit angepasst ist und die menschenfreundliche Seite dieser Religion<br />

betont. Die Zahl der Muslime und Musliminnen wächst, die ein Bild des<br />

<strong>Islam</strong> entwerfen, das mit den Menschenrechten vereinbar und tolerant Andersgläubigen<br />

gegenüber ist. Sie beanspruchen für sich die Freiheit der Koraninterpretation<br />

und setzen sich für die Rechte von Frauen ein. Sie nehmen<br />

mutig den Kampf mit den orthodoxen geistlichen und weltlichen Autoritäten<br />

auf und verbinden sich mitten im Krieg mit ihren sogenannten Feinden, um<br />

gemeinsam für den Frieden zu arbeiten.<br />

Das Lesen und Sammeln solcher Beiträge, von denen Sie einige im vorliegenden<br />

<strong>Heft</strong> finden, hat in uns die Hoffnung genährt, dass die Erneuerungsphase,<br />

durch die der <strong>Islam</strong> gegenwärtig geht, sich letztendlich segensreich<br />

auf die angespannte Situation in der Welt auswirken wird. Diese Zuversicht<br />

möchten wir mit Ihnen teilen.<br />

Es grüßt herzlich das <strong>SIFAT</strong>-Redaktionsteam<br />

Marita Ischtar Dvořák, Wolfgang Huraksh Meuthen und Michael Nüssen<br />

✳ ✳ ✳<br />

Wir nehmen Abschied<br />

Im Jahre 1970 erschien das erste <strong>SIFAT</strong>-<strong>Heft</strong>. Die Idee dazu und der Name<br />

stammten von Karima Sen Gupta aus dem Sufi-Movement, die dann zusammen<br />

mit einigen treuen Mitarbeitern 26 Jahre lang die kleine Sufi-Zeitschrift,<br />

anfänglich noch mit der Schreibmaschine geschrieben, herausgab.<br />

1997 bot Karima uns beiden – Ischtar und Huraksh – als Mitgliedern des<br />

Sufi-Ordens die Übernahme des <strong>SIFAT</strong>-Projekts an. So kam ungefähr die<br />

4


<strong>SIFAT</strong> 1 / <strong>2016</strong><br />

Wir nehmen Abschied<br />

gleiche Anzahl von AbonnentInnen aus dem Sufi-Orden hinzu und etliche<br />

auch aus dem Sufi-Ruhaniat. Wir verstanden <strong>SIFAT</strong> daher als Brücke zwischen<br />

den drei auf Murshid zurückgehenden Sufi-Gruppen. Weiterhin war<br />

es unser Wunsch, mit den <strong>SIFAT</strong>-Themen vor allem den Leitern und Cherags<br />

bei der Vorbereitung ihrer Meditationsabende und Universellen Gottesdienste<br />

Material und Anregungen für ihre Arbeit und den Murids Inspiration auf<br />

ihrem Weg anzubieten.<br />

In den 19 Jahren unserer Publikation von <strong>SIFAT</strong> hat sich jedoch die Leserschaft<br />

wesentlich erweitert. Mehr und mehr Menschen, die keine Mitglieder<br />

einer Sufi-Gemeinschaft waren, aber Interesse an spirituellen und vor allem<br />

interreligiösen Themen hatten, kamen hinzu. Es war uns eine große Freude,<br />

uns dreimal im Jahr intensiv mit spirituellen Themen zu befassen, die uns bewegten,<br />

und wahrscheinlich haben wir von unserer Arbeit am meisten profitiert.<br />

<strong>Ein</strong>e noch größere Freude aber war der lebendige Kontakt mit unseren<br />

AbonnentInnen, die uns in ihren Rückmeldungen bestätigten, dass unsere<br />

<strong>Heft</strong>e auch ihr Interesse ansprachen und für sie bereichernd und anregend<br />

waren. Für die freundliche Resonanz und die langjährige Abo-Treue danken<br />

wir ganz, ganz herzlich.<br />

Seit einiger Zeit spüren wir deutlich, dass es Zeit ist, <strong>SIFAT</strong> jüngeren Menschen<br />

anzuvertrauen, und wir sind glücklich, dass wir jetzt drei sehr kompetente<br />

und motivierte Nachfolger gefunden haben: Michael Nüssen, den wir<br />

schon während der letzten <strong>SIFAT</strong>-Ausgaben einarbeiten konnten, Hans-Peter<br />

Baum und Detlef Qalbi Marzke, alle drei aus dem Raum Hamburg-Bremen.<br />

Ihnen wünschen wir viel Erfolg und ebenso viel Freude an der Arbeit, wie<br />

wir sie hatten.<br />

Unser Dank gilt Uta Maria Baur und Josef Ries vom Verlag Heilbronn, die<br />

uns schon für diese unsere letzte <strong>SIFAT</strong>-Ausgabe Druck und Versand abgenommen<br />

haben und diese Arbeit auch mit unseren Nachfolgern weiterführen<br />

werden. Wegen der Übergabe haben wir unser <strong>SIFAT</strong>-Konto geschlossen<br />

und bitten alle AbonnentInnen, sich wegen der Bezahlung<br />

und weiterer Fragen an den Verlag<br />

Heilbronn zu wenden<br />

0881-9275351 oder<br />

Mail: info@verlag-heilbronn.de<br />

Weiterhin viel Freude an <strong>SIFAT</strong><br />

wünschen<br />

Marita Ischtar Dvořák und Wolfgang Huraksh Meuthen<br />

5


<strong>Ein</strong>e mystische Sicht des <strong>Islam</strong> <strong>SIFAT</strong> 1 / <strong>2016</strong><br />

Hazrat Inayat Khan<br />

<strong>Ein</strong>e mystische Sicht des <strong>Islam</strong><br />

Der Gott des <strong>Islam</strong><br />

Zu allen Zeiten hat es Menschen gegeben, die die Vorstellung von einem<br />

Gott jenseits aller Formen heilig gehalten haben. Das Wort für diese<br />

Vorstellung ist „<strong>Islam</strong>“. Es bedeutet Frieden. Manchmal verschwand diese<br />

Idee aus dem Bewusstsein der Menschen, aber dann tauchte sie bei den verschiedenen<br />

Propheten wieder auf. Während der Zeit Mohammeds wurde sie<br />

voll verwirklicht, als sich nämlich eine Nation formte, die zum Hüter einer<br />

Religion mit genau dieser zentralen Idee wurde; und diese Religion erhielt<br />

denselben Namen: <strong>Islam</strong>.<br />

Uns Menschen fällt es schwer, ein Verständnis für die Wirklichkeit Gottes<br />

zu entwickeln, ohne Ihm gleichzeitig eine Form zu geben. Dennoch besteht<br />

die höhere Stufe der Gotteserkenntnis darin, Ihn jenseits aller Formen zu<br />

erkennen. Im <strong>Islam</strong> wird deshalb Gott durch Seine Eigenschaften verständlich<br />

gemacht. Man stellt sich Ihn vor als Schöpfer, als Vater, als Mutter, als<br />

Erhalter aller Dinge, als Richter und als Verzeihender; als Ursprung und Ziel<br />

der ganzen Schöpfung; als denjenigen, der seinen Geschöpfen immer nahe<br />

ist, innen wie außen, und der all ihre Gefühle, Gedanken und Taten kennt;<br />

der die Lebenslinie des Menschen schreibt und vor den der Mensch einmal<br />

treten muss, um Rechenschaft abzulegen. Alles das ist der Gott des <strong>Islam</strong>.<br />

Der <strong>Islam</strong> glaubt an einen einzigen Gott, der viele Eigenschaften hat und<br />

dennoch jenseits aller Eigenschaften existiert; unsichtbar und alles menschliche<br />

Begreifen übersteigend, allmächtig und unvergleichlich; neben dem<br />

niemand wirkliche Macht hat; allwissend, rein und frei von allen Verunreinigungen,<br />

losgelöst von allen Dingen und ihnen doch niemals fern. Alles<br />

lebt in Ihm, und Er lebt in allem. Die Hauptlehre des <strong>Islam</strong>, Kalamat genannt,<br />

zielt darauf ab, die <strong>Ein</strong>heit Gottes unmissverständlich klarzumachen.<br />

Und trotzdem werden die Eigenschaften Gottes betont, nicht um Gott zu<br />

erklären, sondern mit dem Ziel, Gott für den menschlichen Geist verständlicher<br />

zu machen.<br />

Diese Eigenschaften Gottes bilden sozusagen die äußere und dem Menschen<br />

begreifbare Schicht Gottes, Sifat genannt. Jener Aspekt des göttlichen<br />

Seins, der hinter den Eigenschaften verborgen ist und vom menschlichen<br />

Geist nicht mehr verstanden werden kann, heißt Zat, das wahre Sein Gottes.<br />

Das wesentliche Anliegen des <strong>Islam</strong> ist es, das Herz des Menschen von solchen<br />

Vorstellungen zu befreien, mit denen Gott begrenzt und aufgespalten<br />

6


<strong>SIFAT</strong> 1 / <strong>2016</strong><br />

<strong>Ein</strong>e mystische Sicht des <strong>Islam</strong><br />

wird, und unser Herz aus der Vorstellung der Dualität herauszuführen, die<br />

die Basis unseres illusorischen Weltbildes ist; dadurch soll der Mensch zum<br />

<strong>Ein</strong>ssein mit Gott geführt werden, dem wahren Ziel und der wahren Absicht<br />

aller Religionen.<br />

Formen der Gottesverehrung im <strong>Islam</strong><br />

Im islamischen Gottesdienst finden wir einen Fortschritt in der menschlichen<br />

Entwicklung gegenüber älteren Formen der Anbetung. Für den <strong>Islam</strong><br />

ist Gott in der Natur allgegenwärtig, und deshalb ist für den <strong>Islam</strong> die Natur<br />

bedeutsamer als die Kunst.<br />

Der Ruf des Muezzin zum Gebet vor Sonnenaufgang, sein Ruf zu dem<br />

Zeitpunkt, an dem die Sonne den Zenit erreicht hat, sein Ruf bei Sonnenuntergang,<br />

die Gebete am Nachmittag, am frühen Abend und um Mitternacht,<br />

sie alle erinnern die einsichtsvollen Betenden daran, dass die Offenbarung<br />

Gottes durch die Sprache der Natur an uns ergehen soll. Im Koran heißt es:<br />

„Rufe laut den Namen deines Herrn, des überaus Gütigen, der in Seiner Schöpfung<br />

mit so kunstvoller Schrift den Menschen alles gelehrt hat, was dieser nicht<br />

wusste.“ Das soll heißen: Gott hat diese Welt wie ein Buch geschrieben, und<br />

die Natur ist seine Feder.<br />

Wenn man das Heilige Buch lesen möchte, sollte man das in der Natur tun.<br />

Mehrere Suren unterstützen diesen Gedanken. Es heißt im Koran: „Siehe die<br />

Nacht, die alles verhüllt, und den Tag, der alles erstrahlen lässt, und das, was<br />

Mann und Frau hervorgebracht haben! Wahrlich, eure Wege sind unterschiedlich.“<br />

Wir lesen im Buch der Natur, dass die Verschiedenheiten naturgegeben<br />

sind. Das Verhüllen und das Aufleuchten des Lichtes in der Natur und der<br />

Unterschied zwischen Mann und Frau zeigen uns, dass unsere Wege und<br />

Ziele verschieden sein sollten.<br />

Im <strong>Islam</strong> werden die Reinheitsgebote genau befolgt. Niemand sollte seine<br />

Gebete darbringen, ohne sich vorher der rituellen Waschung unterzogen zu<br />

haben. Die Waschung gilt als ein vorbereitender Teil des Gottesdienstes.<br />

Der islamische Gottesdienst ist von einer zu allen Zeiten gültigen Haltung<br />

der Demut geprägt. In allen Teilen der Welt gibt es den Brauch, sich vor dem<br />

einzig Seienden zu verneigen oder tief zu verbeugen oder sich auf den Boden<br />

niederzuwerfen; Ihm allein und niemandem sonst gebührt diese Haltung.<br />

In diesem Brauch liegt eine tiefe Schönheit. Von allen Geschöpfen hat der<br />

Mensch ja den größten Egoismus. Er versucht, sich vor Gott zu verbergen,<br />

vor dem vollkommenen Selbst im eigenen Innern, indem er dieses wahre<br />

Selbst verhüllt mit seinem unvollkommenen Selbst, das sein falsches Ego ge-<br />

7


<strong>Ein</strong>e mystische Sicht des <strong>Islam</strong><br />

<strong>SIFAT</strong> 1 / <strong>2016</strong><br />

formt hat. Wenn ein Mensch aber in tiefer Demut vor Gott steht und sich vor<br />

dem allermächtigsten Wesen verneigt oder tief verbeugt oder auf den Boden<br />

wirft, berührt er mit seinem Kopf, den er als höchsten Punkt seines Wesens<br />

betrachtet, den Boden unter seinen Füßen. So reinigt er sich im Laufe der<br />

Zeit von den dunklen Flecken seines falschen Egos, und allmählich kann das<br />

Licht der Vollkommenheit sichtbar werden. Dies ist der einzige Weg, vor das<br />

Angesicht Gottes, des göttlichen Ideals, zu treten. Wenn das kleine Selbst<br />

einmal völlig ausgelöscht ist, dann bleibt nur noch Gott, in der inneren wie<br />

in der äußeren Wirklichkeit, und niemand existiert dann außer Ihm.<br />

Die Pflichten der Gläubigen im <strong>Islam</strong><br />

Der <strong>Islam</strong> nennt vier Pflichten für die Gläubigen. Die Zahl Vier deutet<br />

für den Mystiker auf die Ausgewogenheit des Quadrates hin.<br />

Die erste Pflicht ist Salát, die fünfmal am Tage zu sprechenden Gebete.<br />

Sie führen zu einem andauernden Gleichgewicht zwischen Tätig-Sein und<br />

Ruhe, besonders der Ruhe in Gott, in dem allein jede Seele ihre Ruhe findet.<br />

Das Leben in der Welt nimmt jeden Augenblick der Zeit des Menschen in<br />

Anspruch, und die in jeder Seele brennende Sehnsucht nach Frieden wird<br />

nie gestillt. Weil das Leben in der Welt die Seele so weit von Gott entfernt, ist<br />

es nicht übertrieben, fünfmal am Tage die Gebete zu sprechen. Ich möchte<br />

sagen, dass auch hundertmal am Tage eigentlich noch zu wenig wäre.<br />

Die zweite Pflicht ist Zakát, das Almosengeben. Wie fromm und gottesfürchtig<br />

ein Mensch auch sein mag und wieviel Zeit seines Lebens er der<br />

Frömmigkeit widmet, er ist des göttlichen Segens nicht würdig, solange er<br />

nicht anderen Menschen Gutes tut; denn Nächstenliebe ist der einzig echte<br />

Test für Selbstlosigkeit. Jede Liebe und jede Freundschaft werden im Dienen<br />

und Verzichten erprobt. Da aber das eigene Selbst die einzige Schranke ist,<br />

die den Menschen von Gott trennt, ist die Selbstlosigkeit das einzige Mittel,<br />

um diese Schranke niederzureißen, damit der Mensch vor Gottes Angesicht<br />

treten kann.<br />

Der Prophet wurde einmal gefragt: „Wer erfährt den größeren Segen: derjenige,<br />

der viel betet, oder derjenige, der fastet, oder derjenige, der die Pilgerfahrt<br />

macht, oder der Wohltätige?“ Und der Prophet gab zur Antwort:<br />

„Der Wohltätige; denn dieser kann beten und zugleich auch eine Moschee<br />

bauen, damit andere darin beten können; er kann fasten und zugleich den<br />

anderen beim Fasten helfen, indem er ihnen Frieden und Ruhe gewährt und<br />

für die von ihnen abhängigen Familien sorgt; er kann die Pilgerfahrt machen<br />

und auch vielen anderen die Pilgerfahrt ermöglichen. Deshalb ergießt sich<br />

8


<strong>SIFAT</strong> 1 / <strong>2016</strong><br />

<strong>Ein</strong>e mystische Sicht des <strong>Islam</strong><br />

aller Segen aus den vier anderen Quellen auf denjenigen, der Gutes tut.“<br />

Die dritte Pflicht des Gläubigen ist Roza, das Fasten. Der Mensch ist so<br />

abhängig vom Essen, dass er sogar in seiner Kindheit, wenn er noch wie ein<br />

Engel ist und in seinem inneren Königreich lebt, nach Nahrung hungert.<br />

Das beweist, dass für ihn die Nahrung das Notwendigste im Leben ist. Er<br />

wird notfalls Diamanten, Gold und alle Schätze hergeben, wenn er kein Brot<br />

mehr hat. Deshalb ist der Verzicht auf die Nahrung wie ein Verzicht auf das<br />

Liebste im Leben. Es fühlt sich so an, als ob man jede Behaglichkeit, jede<br />

Freude, jede Beruhigung und jedes Glück zum Opfer brächte. Da aber der<br />

Verzicht auf die niedrigen Dinge der einzige Weg ist, um zu höheren Zielen<br />

zu gelangen, gibt es für das geistige Leben kaum ein geeigneteres Hilfsmittel<br />

als das Fasten. Es überwindet nicht nur das Verlangen nach Nahrung, sondern<br />

es wirkt auch auf die tieferen Ursachen unserer Begierden, die unsere<br />

Seele, diesen Paradiesvogel, in den niederen Dimensionen der Erde festhalten.<br />

Jesus ging in die Wüste und fastete vierzig Tage lang; am Ende dieses<br />

Fastens siegte er über die Versuchungen des Teufels.<br />

Die vierte Pflicht der Gläubigen ist Hajj, die Pilgerfahrt nach Mekka. Im<br />

Koran wird berichtet, dass Abraham, der Stammvater vieler Völker und die<br />

Quelle, aus der solche Ströme wie Moses, Jesus und Mohammed entsprungen<br />

sind, aus seinem tief betrübten Herzen ein Gebet sprach, als er seinen<br />

Sohn Ismael in der öden Wüste Arabiens zurückließ: „O Herr, segne dieses<br />

Land, damit es einmal zu einem Anziehungspunkt für die ganze Welt werden<br />

möge.“ Und lange Zeit danach geschah es, dass das „Wort Gottes“ erneut<br />

unter den Nachfahren Ismaels geboren wurde: in Gestalt Mohammeds,<br />

der den Namen des Gottes Abrahams mit lauter Stimme verherrlichte. Die<br />

Worte wurden bis in die Tiefen der Erde und bis in den höchsten Himmel<br />

vernommen, und sie hallten<br />

wider vom Nordpol bis zum<br />

Südpol; sie ließen die Völker<br />

erbeben und erreichten alle<br />

Rassen; sie drangen so tief<br />

in die Menschenherzen, dass<br />

die Wüste, die keine Frucht<br />

hervorbringt, keine Schätze<br />

birgt, die nicht schön anzusehen<br />

ist und kein angenehmes<br />

Klima hat, zum Anzie-<br />

9


<strong>Ein</strong>e mystische Sicht des <strong>Islam</strong> <strong>SIFAT</strong> 1 / <strong>2016</strong><br />

hungspunkt für unzählige Menschen geworden ist. Sie kommen aus allen<br />

Teilen der Welt und versammeln sich in diesem gesegneten Land. Könige<br />

und Bettler stehen Schulter an Schulter und erfahren so die Gleichheit aller<br />

Menschen vor Gott. Starke und Schwache, Reiche und Arme, Hohe und<br />

Niedrige, Gebildete und Ungebildete, alle kommen Jahr für Jahr auf der<br />

Wallfahrt nach Mekka in dieses Land. Sie sind mit einem einzigen Stück<br />

Stoff bekleidet, damit sie alle gleich aussehen. Damit bezeugen sie vor Gott<br />

und der Menschheit, dass in der Gemeinschaft alle den gleichen Wert haben.<br />

Das ist Hajj.<br />

Die vier Grade des Wissens im <strong>Islam</strong><br />

Im <strong>Islam</strong> gibt es keine Kasten und Klassen, da diese Botschaft die ganze<br />

Menschheit zu einer einzigen Bruderschaft vereinigen sollte. Und doch<br />

erschien es nötig, die einzelnen Menschen entsprechend ihrer im Leben erreichten<br />

geistigen Entwicklung zu unterweisen. Diese Unterweisung erfolgte<br />

in vier Stufen: Shariat, Tariqat, Haqiqat und Marefat.<br />

Als in der islamischen Welt die nationalen und sozialen Angelegenheiten<br />

immer mehr in den Vordergrund traten, richteten die religiösen Autoritäten<br />

ihre Aufmerksamkeit fast ausschließlich auf Shariat. Nur wenige Gläubige<br />

wandten sich Tariqat zu. <strong>Ein</strong>ige davon suchten Zugang zu den Sufis, weil sie<br />

die <strong>Ein</strong>weihung in das innere Licht anstrebten, das die beiden letzten Stufen,<br />

Haqiqat und Marefat, ausfüllt. Die Sufis, die zur Zeit des Propheten lebten,<br />

wurden durch seine Gegenwart genauso bereichert wie durch ihre im Sufismus<br />

entfaltete Inspiration. Das erlangt man auch, wenn man auf dem Weg<br />

von Shariat, Tariqat, Haqiqat und Marefat voranschreitet.<br />

Shariat bezeichnet das für die Allgemeinheit gültige Gesetz, das es jedermann<br />

ermöglichen soll, mit den Menschen seiner Umgebung wie auch mit<br />

dem eigenen inneren Selbst in Harmonie zu leben. Obwohl die Theologen<br />

des <strong>Islam</strong> dieses Gesetz zunehmend auf verschiedene Verbote eingeschränkt<br />

haben, kann man doch an tausend Stellen im Koran und in den Hadithen<br />

entdecken, dass dieses Gesetz Veränderungen zulässt, damit es zu anderen<br />

Zeiten und in anderen Ländern ebenfalls anwendbar ist. Im Unterschied zu<br />

anderen religiösen Gesetzen befasst sich Shariat mit allen Aspekten des Lebens.<br />

Deshalb musste auch der Prophet des <strong>Islam</strong> persönlich alle Aspekte des<br />

Lebens zunächst selber erfahren, als Waise, Kämpfer, Politiker, Kaufmann,<br />

Hirte, Herrscher, Ehemann, Vater, Bruder und Sohn, um die Fähigkeit zu<br />

erlangen, dieses göttliche Gesetz zu verkünden.<br />

Tariqat bezeichnet das Verstehen des Gesetzes, nicht nur das bloße Befol-<br />

10


<strong>SIFAT</strong> 1 / <strong>2016</strong><br />

<strong>Ein</strong>e mystische Sicht des <strong>Islam</strong><br />

gen des Gesetzes. Das bedeutet, dass wir den inneren Sinn hinter den Geboten<br />

und Verboten eingesehen haben und nicht mehr das Gesetz einfach<br />

nur befolgen, ohne es zu verstehen. Von Menschen, die nicht weit genug<br />

entwickelt sind, wird Glauben und Gehorsam gegenüber dem Gesetz erwartet.<br />

Das Gesetz ist für alle notwendig, die nicht jene Wirklichkeiten einsehen<br />

können, die über den Verstand hinausgehen.<br />

Haqiqat bedeutet, dass wir unser wahres Sein und die inneren Gesetze der<br />

Natur kennen. Unser Herz wird dadurch ganz weit geöffnet. Wenn jemand<br />

die Wahrheit des Seins erkannt hat, hat er das eine Sein erkannt. Dann erlebt<br />

er sich nicht mehr verschieden oder getrennt von den anderen, er ist eins mit<br />

allen. Das ist die Ebene, auf der die Religion endet und der Sufismus beginnt.<br />

Marefat ist die volle Erkenntnis und Verwirklichung Gottes, des einzigen<br />

Seins, jenseits aller Zweifel.<br />

Wenn diese vier Stufen erklommen sind, ist der Sufismus voll erblüht. Sufi<br />

kommt von Sáf, was rein bedeutet; nicht nur rein von allen Verschiedenheiten<br />

und Unterscheidungen, sondern sogar rein von allem, was gelernt und<br />

erkannt wurde. Das ist der Seinszustand Gottes, des <strong>Ein</strong>en in seiner Reinheit<br />

und Vollkommenheit.<br />

Das Gebet im <strong>Islam</strong><br />

Nimaz, das Gebet, ist eine natürliche Ausdrucksform jeder Seele. Das<br />

Herz eines Menschen wird von dem eingenommen, der oder das ihm besonders<br />

schön erscheint, besser als er selbst und sehr kostbar. Er gibt sich<br />

ihm hin im Bewusstsein der eigenen Unvollkommenheit und im Wissen<br />

um seine Abhängigkeit von diesem machtvollen Ding oder Wesen. Deshalb<br />

werden so viele verschiedene Objekte verehrt, seien es Sonne, Mond und<br />

Planeten, Tiere und Vögel, Geistwesen und Menschen. Diese Hingabe ist ein<br />

Ausdruck der geistigen Entwicklung und der Wünsche der jeweiligen Menschen.<br />

Vom Anfang der Welt aber haben alle erleuchteten Seelen erkannt,<br />

dass die Dinge und Wesen, vor denen man sich verneigt, zwar ihrer äußeren<br />

Erscheinung nach viele, aber in Wirklichkeit alle nur eins sind. Deshalb wird<br />

dieses <strong>Ein</strong>e als das höchste Sein idealisiert, als Herr beider Welten, als Gott.<br />

Während die Menschen eine Vielzahl von Wesen zu verehren scheinen, beteten<br />

die Erleuchteten nur den <strong>Ein</strong>en an. In welcher religiösen Tradition sie<br />

auch standen, stets haben sie diese eine Wahrheit gelehrt, und sie verneigten<br />

sich vor jenem <strong>Ein</strong>en, der allein alle Anbetung verdiente.<br />

Weil es auf der Welt so viele verschiedene Menschen gibt und so viele verschiedene<br />

Gewohnheiten und Umgangsformen, unterscheiden sich überall<br />

11


<strong>Ein</strong>e mystische Sicht des <strong>Islam</strong><br />

<strong>SIFAT</strong> 1 / <strong>2016</strong><br />

auch die Formen, in denen man sich verneigt. In dem einen Land verbeugen<br />

sich die Menschen tief, in einem anderen falten sie die Hände, die einen<br />

knien, die anderen werfen sich zu Boden. Nimaz ist eine Form des Gebets,<br />

die geeignet ist, alle diese Formen zu versöhnen und in einer gemeinsamen<br />

Ausdrucksweise der Anbetung zu vereinen. Denn die Menschen sollen nicht<br />

wegen der Form ihres Betens miteinander streiten, weil sie ja in Wirklichkeit<br />

alle denselben Gott anbeten.<br />

Um das Ziel bei einem Vorhaben zu erreichen, ist es wichtig, dass die Gegensätze<br />

von ganz oben und ganz unten sich berühren. Unsere Seele, die aus<br />

ihrer himmlischen Existenz herabgestiegen ist und sich zeitweilig ganz mit<br />

diesem irdischen Körper identifiziert hat, erhebt sich von neuem zu ihrer<br />

eigentlichen Größe, nachdem sie ihr Höchstes zur Erde gebeugt und dort<br />

niedergelegt hat. Auch wird unser Organismus in Ordnung gehalten, wenn<br />

ein regelmäßiger Atem alle Teile des<br />

Körpers durchströmt und das Blut regelmäßig<br />

im ganzen Körper zirkuliert.<br />

All das wird in angemessener Weise<br />

gefördert, wenn man den höchsten<br />

Teil des Körpers, den Kopf, bis zum<br />

Boden hinunterbeugt.<br />

Weil das eine Ich viele Formen annimmt<br />

und zu vielen Ichs wird, besteht<br />

die Welt der Lebewesen aus<br />

vielen Egos. In dieser Vielfalt der Egos beansprucht jedes für sich Vollkommenheit,<br />

denn das entspricht ja tatsächlich seinem wahren Selbst im Innern.<br />

Bei näherem Hinschauen zeigt jedes Ego aber seine Unvollkommenheit, weil<br />

es eben nur ein unvollkommenes Teilstück des vollkommenen Ichs ist. Das<br />

unvollkommene Ich kann die Vollkommenheit nur erreichen, wenn es die<br />

Anbetung übt und wenn es ein Leben von solcher Bescheidenheit, Demut<br />

und Güte führt, dass sich schließlich die falsche Anmaßung des unvollkommenen<br />

Ichs auflöst. Was dann übrigbleibt, ist das vollkommene Ich. Nimaz<br />

ist die erste Lektion auf dem Weg zu diesem Ziel.<br />

Shaqq-i Sadr: die Öffnung der Brust des Propheten<br />

In der arabischen Welt gibt es die Erzählung, dass Engel vom Himmel auf<br />

die Erde herabgestiegen seien und die Brust des Propheten geöffnet hätten.<br />

Sie sollen etwas daraus entfernt und dann den ursprünglichen Zustand seiner<br />

Brust wiederhergestellt haben. Das ist eine symbolische Darstellung, die<br />

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<strong>SIFAT</strong> 1 / <strong>2016</strong><br />

<strong>Ein</strong>e mystische Sicht des <strong>Islam</strong><br />

einem Sufi das Geheimnis des menschlichen Lebens entschlüsselt. Die Tore<br />

unseres Herzens werden zugeschlagen, wenn in uns Gefühle der Furcht,<br />

Verwirrung, Verzweiflung, Boshaftigkeit, Entmutigung, Enttäuschung und<br />

Gewissensqual vorherrschen. Wenn uns solche Empfindungen aber verlassen<br />

haben, öffnen sich die Tore unseres Herzens wieder. Mit dem Öffnen der<br />

Brust ist in Wirklichkeit das Öffnen des Herzens gemeint. In einem offenen<br />

Herzen können alle <strong>Ein</strong>drücke, die von außen kommen, widerhallen; und<br />

genauso ist das offene Herz jener Ort in unserem Innern, in dem die Stimme<br />

des göttlichen Geistes erklingt. <strong>Ein</strong> offenes Herz verleiht unseren Äußerungen<br />

Kraft und Schönheit. <strong>Ein</strong> Mensch mag noch so gelehrt sein, aber mit<br />

einem verschlossenen Herzen kann er seine Erkenntnisse nicht wirklich an<br />

andere Menschen weitergeben.<br />

Diese symbolische Darstellung zeigt uns auch, was im Leben eines Menschen<br />

nötig ist, damit die Pflanze der göttlichen Liebe im Herzen wachsen<br />

kann. Alles, was bittere Gefühle im Herzen wachhält, muss entfernt werden.<br />

Im Menschenherzen, das doch ein Tempel Gottes sein soll, gibt es ein<br />

Gift ähnlich wie im Stachel des Skorpions und in den Zähnen der Schlange.<br />

Wenn das Herz durch das eigene Gift gleichsam gestorben ist, kann Gott in<br />

diesem Schrein nicht erweckt werden. Erst muss es gereinigt und zu einem<br />

lebendigen Herzen gemacht werden, bevor Gott darin wohnen kann. Die<br />

Seele Mohammeds, der auf die Erde gekommen war, um alle Menschen in<br />

seinem Mitgefühl zu umfangen, wurde auf ihre Sendung vorbereitet, indem<br />

zuerst jener Gifttropfen aus ihr entfernt wurde, der immer wieder zu Gefühlen<br />

der Verachtung, des Grolls und der Abneigung führen kann.<br />

Viele reden von der Reinigung des Herzens, aber nur wenige wissen, was<br />

es wirklich bedeutet. Man kann sagen, dass Reinheit darin besteht, frei von<br />

allen bösen und bitteren Gefühlen gegenüber anderen Menschen zu sein.<br />

Niemand, der auch nur etwas Vernunft und Verstand besitzt, würde freiwillig<br />

einen Tropfen tödlichen Gifts in seinem Körper dulden. Deshalb ist es so<br />

unklug, wenn Menschen in ihren Herzen bittere Gedanken gegenüber ihren<br />

Mitmenschen hegen und wachhalten. Wenn schon ein Tropfen Gift einen<br />

Menschen töten kann, so ist es viele Male gefährlicher, im Herzen selbst den<br />

leisesten Gedanken des Grolls festzuhalten. In dieser Legende bedeutet die<br />

Öffnung der Brust dasselbe wie das Aufbrechen des Egos, das wie eine Schale<br />

das Herz umgibt. Und was da bei Mohammed herausgenommen worden<br />

ist, waren alle Gedanken und Gefühle, die sich gegen die Mitmenschen richteten.<br />

Danach war die Brust, das heißt das Herz, nur noch von Liebe erfüllt,<br />

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<strong>Ein</strong>e mystische Sicht des <strong>Islam</strong><br />

<strong>SIFAT</strong> 1 / <strong>2016</strong><br />

vom wahren göttlichen Leben.<br />

Miraj: der Traum des Propheten<br />

Der <strong>Islam</strong> bewahrt die Geschichte von einem Traum des Propheten,<br />

der auf eine <strong>Ein</strong>weihung in die höheren Sphären hinweist. Die Sichtweise des<br />

Mystikers gibt uns eine Erklärung dieser geheimnisvollen Geschichte.<br />

Es wird berichtet, dass der Prophet nach Jerusalem und von dort in den<br />

Friedenstempel gebracht worden sei, womit ausgedrückt wird, dass er vom<br />

äußeren Tempel, Dar-e Salam, in den inneren Tempel des Friedens gelangte.<br />

Als Reittier wurde dem Propheten ein Buraq gegeben, und der Engel<br />

Jibril (Gabriel) begleitete und führte ihn auf dieser Reise. Buraq gilt als ein<br />

Himmelstier; es hat Flügel, den Körper eines Pferdes und das Antlitz eines<br />

Menschen und ist ein Symbol für die Verbindung von Körper und Geist. Die<br />

Flügel stehen für den Geist und der Körper des Buraq für den menschlichen<br />

Körper; das Antlitz aber ist ein Bild der Vollkommenheit. Buraq ist zugleich<br />

auch ein Symbol für den Atem, der in einem Augenblick von der äußeren in<br />

die innere Welt führt. Jibril vertritt in dieser Geschichte die Vernunft.<br />

Weiter erzählt diese Geschichte, dass der Prophet auf seiner Reise Adam<br />

traf, der lächelnd zu der einen Seite schaute und weinend zur anderen. Damit<br />

soll ausgesagt werden, dass die menschliche Seele, die wahrhaft menschliche<br />

Gefühle entfaltet hat, sich auf der einen Seite über die Fortschritte der<br />

Menschheit freut und auf der anderen Seite deren Entartung beklagt. Der Buraq<br />

vermochte nicht, den Propheten weiter als bis zu einer bestimmten Stelle<br />

zu tragen. Das heißt, dass uns der Atem nur eine bestimmte Strecke weit auf<br />

unserem Wege zur geistigen Vollendung tragen kann. Und kurz vor Erreichen<br />

des Zieles musste auch Jibril zurückbleiben, an jener Grenze, die für<br />

unsere menschliche Vernunft unüberschreitbar ist.<br />

Dann näherte sich der Prophet jenem Vorhang, der<br />

das Göttliche vom Menschlichen trennt. Dort rief<br />

er laut den Namen Gottes und sprach: „Niemand<br />

existiert außer Dir!“ Und die Antwort kam: „Wahrlich,<br />

so ist es.“ Das war der Moment der höchsten<br />

<strong>Ein</strong>weihung, von dem aus die Entfaltung der prophetischen<br />

Sendung Mohammeds ihren Ausgang<br />

nahm.<br />

Aus: Hazrat Inayat Khan, Die <strong>Ein</strong>heit der religiösen Ideale,<br />

Weisheit der Sufis, East-West Publications, Den Haag, o.J.,<br />

S. 227 ff. und 268 ff.<br />

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<strong>SIFAT</strong> 1 / <strong>2016</strong><br />

Gott ist schön – Der Koran als Klang und Poesie<br />

Navid Kermani<br />

Gott ist schön – Der Koran als Klang und Poesie<br />

D<br />

er größte unter den Dichtern Arabiens war Labid ibn Rabia. Die Blätter<br />

mit seinen Gedichten hingen, als Zeichen seines Triumphes, an den<br />

Türen der Kaaba. Keiner seiner Dichterkollegen wagte es, die Herausforderung<br />

anzunehmen und seine Verse neben die Labids zu hängen. <strong>Ein</strong>es Tages<br />

jedoch näherten sich einige Anhänger Mohammeds, der unter den heidnischen<br />

Arabern jener Zeit als obskurer Zaubermann und geistesgestörter Poet<br />

verschrien war. Sie befestigten ein Stück aus der zweiten Sure des Koran am<br />

Tor und forderten Labid auf, es vorzutragen. Der Dichterkönig lachte ob dieser<br />

Anmaßung. Mehr aus Zeitvertreib oder vielleicht auch aus Spott ließ er<br />

sich darauf ein, die Verse zu rezitieren. Überwältigt von ihrer Schönheit bekannte<br />

er sich an Ort und Stelle zum <strong>Islam</strong>.<br />

In der islamischen Literatur sind unzählige solcher und ähnlicher Geschichten<br />

aufgezeichnet, Geschichten, die von der unglaublichen Wirkung<br />

der koranischen Rezitation auf die Zeitgenossen Mohammeds berichten,<br />

von Menschen, die sich beim Hören eines Koranverses bekehren, die weinen,<br />

schreien, in Verzückung geraten oder ohnmächtig werden. Nimmt man<br />

sie zur Grundlage, hat der Koran Anhänger wie Gegner begeistert, beglückt,<br />

erschüttert oder entsetzt, jedenfalls tief bewegt, oft geradezu hypnotisiert, in<br />

Ekstase versetzt und im Extremfall getötet.<br />

In der koranischen Rezeptionsgeschichte fast noch auffälliger als die „vom<br />

Koran Getöteten“ sind jedoch die Konversionen. „Dem, der ihn hörte, blieb<br />

nichts anderes übrig, als sich dem Koran unweigerlich hinzugeben“, erklärte der<br />

Ägypter Mustafa Sadiq ar-Rafii (gest. 1937) dieses von muslimischen Gelehrten<br />

gern thematisierte Phänomen und begründete es folgendermaßen:<br />

„Alle <strong>Ein</strong>zelteile seines Geistes wurden angerührt vom reinen Laut der<br />

Sprachmusik, und Abschnitt für Abschnitt, Ton für Ton nahm er ihre Harmonie,<br />

die Vollkommenheit ihrer Ordnung, ihrer Formvollendung auf. Es war<br />

weniger, als ob ihm etwas rezitiert würde, sondern eher, als ob sich etwas in<br />

ihn eingebrannt hätte.“<br />

Gewiss ist die Authentizität solcher Bekehrungsgeschichten zweifelhaft; unverkennbar<br />

haben sie oft apologetischen Charakter. Darin unterscheiden sich<br />

die muslimischen Missionsberichte, Wundererzählungen und Prophetentraditionen<br />

allenfalls graduell von denen aus anderen Religionen. Trotzdem<br />

sind sie für den Forscher nicht wertlos. Über die Rolle, die der Koran im Bewusstsein<br />

der muslimischen Gemeinde spielt, über die Sicht der Gemeinde<br />

15


Gott ist schön – Der Koran als Klang und Poesie<br />

<strong>SIFAT</strong> 1 / <strong>2016</strong><br />

auf die Offenbarung und die eigene Heilsgeschichte sagen sie sehr viel aus.<br />

Die Art der Wunder, die erzählt werden, ist aufschlussreich für den jeweiligen<br />

Glaubenshorizont. Und das größte, später zum Dogma erklärte Wunder<br />

des <strong>Islam</strong> ist die Schönheit des geoffenbarten Textes.<br />

Würde man in westlichen Abhandlungen zur Geschichte des <strong>Islam</strong> eher<br />

weltanschauliche, politische, psychologische, soziale oder militärische Gründe<br />

für den Erfolg von Mohammeds prophetischer Mission finden, so erkennen<br />

muslimische Autoren aller Zeiten in der literarischen Qualität des Koran<br />

einen entscheidenden Faktor dafür, dass der <strong>Islam</strong> unter den Arabern des<br />

siebten Jahrhunderts Verbreitung gefunden hat. Berichte über die Verzückung,<br />

das Staunen, die Ekstase, die Mohammeds Rezitationen bei ihren ersten<br />

Hörern hervorgerufen haben sollen, zieren noch heute jede gute orthodoxe<br />

Abhandlung über den Koran und werden von muslimischen Autoren<br />

als der überzeugendste Beweis für seinen göttlichen Ursprung vorgebracht.<br />

„Gott, der Erhabene, stand Mohammed mit etwas bei, mit dem er noch keinem<br />

Weltenbewohner beigestanden hatte, und er zeichnete ihn mit besonderen<br />

Eigenschaften aus, die über das Maß der Wundertaten, die den Propheten<br />

eigen sind, und der Rangstufen, welche den Heiligen zukommen, hinausgehen“,<br />

schreibt Abu Nuaym al-Isfahani (gest. 1038).<br />

Die Authentizität der Berichte über die Rezeption des Koran in frühislamischer<br />

Zeit in Frage zu stellen, die von Muslimen behauptete Faktizität der<br />

koranischen Wirkung zu bezweifeln, ist so berechtigt wie banal. Aber dass sie<br />

einen Zugang eröffnen zu dem Spezifischen, wie sich Offenbarung, Glaube<br />

und Heilsgeschichte für Muslime darstellen, bleibt dabei übersehen.<br />

Die Araber, ein Volk, das Poesie atmet<br />

Zur Zeit des Koran hatten die Araber einen Grad der Beredsamkeit erlangt,<br />

den sie in ihrer Geschichte bislang nicht gekannt hatten. Alles, was<br />

zuvor war, waren Epochen, in denen sich die Sprache noch entwickelte, in<br />

denen sie verbessert und an ihr gefeilt wurde und in denen sie die Gebräuche<br />

der Gesellschaft zu prägen begann. Unter ihnen hatte sich das Reich der<br />

Sprache (dawlat al-kalam) etabliert, doch war es ohne König geblieben, bis<br />

der Koran zu ihnen kam. Zum Bild der eigenen Geschichte gehört auch, dass<br />

das Niveau, auf das die Araber ihre Sprachkunst gebracht hatten, als Mohammed<br />

sie durch die Eloquenz seiner Verkündigung für sich gewann, seitdem<br />

nie mehr übertroffen wurde.<br />

Dass der Glaubensbeweis des <strong>Islam</strong> ein sprachpoetischer ist, steht also in<br />

engem Zusammenhang mit dem überragenden Stellenwert, welcher der po-<br />

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Impressum & Kontakte<br />

<strong>SIFAT</strong> 1 / <strong>2016</strong><br />

Impressum<br />

<strong>SIFAT</strong> – Zeitschrift für Universalen Sufismus<br />

ISSN 1420-1712<br />

Gegründet 1972 von Karima Sen Gupta<br />

Herausgeber und Redaktion:<br />

Marita Ischtar Dvořák marita.dvorak@arcor.de 04131-7757291<br />

Wolfgang Huraksh Meuthen wolfgang.meuthen@arcor.de 04131-221186<br />

<strong>SIFAT</strong><br />

Preise:<br />

erscheint dreimal jährlich zum Selbstkostenpreis<br />

€ 15,00 pro Jahr für 3 <strong>Heft</strong>e inkl. Versand – Abonnement<br />

€ 20,70 pro Jahr für 3 <strong>Heft</strong>e als Printausgabe und als eBook<br />

€ 3,80 als eBook <strong>Ein</strong>zelkauf über unseren Shop<br />

€ 5,00 zzgl. Versandkosten für <strong>Ein</strong>zelhefte, soweit lieferbar<br />

Zahlbar in Euro: Konto Verlag Heilbronn, Postbank Stuttgart<br />

IBAN: DE49 6001 0070 0099 9367 07 BIC: PBNKDEFF600<br />

Vertrieb, Bestellungen und Abonnentenverwaltung:<br />

Verlag Heilbronn, Josef Ries, Kaiser-Heinrich-Straße 37, D-82398 Polling<br />

info@verlag-heilbronn.de www.verlag-heilbronn.de<br />

Tel. 0049 (0)881-9275351 Fax 0049 (0)881-9275352<br />

Bestellungen über unsere Homepage: www.verlag-heilbronn.de<br />

Email oder per Brief – bitte vollständige und deutliche Absenderangaben<br />

Abbestellungen sind jederzeit möglich<br />

Titelbild: Samarkand, Fotolia<br />

Hergestellt in Deutschland<br />

✳ ✳ ✳<br />

Adressen für alle weiteren Informationen<br />

Internationaler Sufi-Orden:<br />

Deutschland: +49 (0)7127 349 8297, www.sufiorden.de, sekretariat@sufiorden.de<br />

dort ist auch das Jahresprogramm erhältlich<br />

Schweiz: +41(0)56 427 20 21, www.sufismus.ch, paranandi@bluewin.ch<br />

Österreich: +43 (0)1 319 53 93, sufiorden@gmx.de, franzkrejs@aon.at<br />

Sufi Movement: www.sufimovement.org, germany@sufimovement.org<br />

Ruhaniat (SRI): www.ruhaniat.org und www.sufiruhaniat.eu<br />

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<strong>SIFAT</strong> 1 / <strong>2016</strong><br />

Projekte & Veranstaltungen<br />

Das Hope Project in Basti / New Delhi<br />

Trotz der wachsenden Zahl von Menschen, die verzweifelt auf unsere Hilfe angewiesen<br />

sind, konnten wir den meisten helfen. Von der Kinderkrippe über die Schule bis zu unseren<br />

Ausbildungsprogrammen nehmen wir <strong>Ein</strong>fluss auf das Leben der unterprivilegierten<br />

Menschen im Stadtteil Basti. Wir sind zutiefst dankbar für alle Spenden.<br />

www.hope-project.de; Spendenkonten des Dargah Hazrat Inayat Khan Hope Projects:<br />

Deutschland: Verein Lebenshilfe Indien, IBAN DE32 4726 0121 27110445 00<br />

„Spende für Hope Project“<br />

Niederlande: Stichting Hazrat Inayat Khan Dargah, „Hope Project“<br />

21.24.84.001, Triodos Bank<br />

Schweiz: Förderverein „Hope Projekt“, CH11 8009 7000 0064 8430 7<br />

Raiffeisenbank Laufental-Thierstein, 4242 Laufen<br />

Österreich: Indienhilfe, Konto-Nr. 03220137570 (BLZ 14000), BAWAG<br />

„Spende für Hope Project“<br />

Die Sufi-Saint-School in Ajmer / Indien<br />

Seit 25 Jahren vermittelt die Sufi-Saint-School Bildung und universelle ethische Werte<br />

für eine bessere Zukunft der Kinder, insbesondere auch für die Förderung von Mädchen.<br />

Dank der Unterstützer ist die Sufi-Saint-School eine „Privatschule für Arme“, denn die<br />

Schulgebühren sind gering und entfallen bei den ganz armen Eltern. Alle Spenden<br />

werden zu 100% zum Wohle der SchülerInnen eingesetzt.<br />

www.sufi-saint-school-ev.de. Spendenkonto: „Förderverein Sufi-Saint-School e.V.“<br />

Kto.-Nr.:4026679400, BLZ: 43060967 (GLS Bank), IBAN DE09 4306 0967 4026 6794 00<br />

Hinweise auf einige Veranstaltungen<br />

18. – 21. Mai Federation-Treffen Berlin <strong>2016</strong> gemeinsam veranstaltet von Sufi-<br />

Bewegung, Sufiorden u. Ruhaniat. Thema: Auf den Ursprung besinnen<br />

www.federationsufimessage.org Tel 030-8265453 (Petra Schildbach)<br />

02. – 09. Juli Ruhaniat Sommerschule, Proitzer Mühle nahe Uelzen<br />

Thema: Der pfadlose Pfad<br />

Info: www.sufiruhaniat.eu Tel. 030-47036783 (Qadima Brandt)<br />

13. – 24. Juli Summer School der Sufibewegung in Katwijk / NL<br />

Thema: The living heart<br />

Info: www.sufimovement.org<br />

15. – 17. Juli Dr. Ha Vinh Tho aus Bhutan – Seminar im Caduceus Ztr. Bevensen<br />

Thema: Achtsamkeit als Weg zum (BruttoSozial-) Glück<br />

Info: www.caduceus.de<br />

25.07. – 20.08. Zenith Sufi Sommercamp in Olivone/Tessin mit Pir Zia I. Khan u.a.<br />

Thema: Jeder Moment ist die Chance Ihres Lebens (Pir Vilayat I.K)<br />

Info: www.zenithinstitute.com<br />

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Hazrat Inayat Khan<br />

Die zehn Sufi-Gedanken<br />

1. Es gibt nur einen Gott, den Ewigen, das einzige Sein; nichts besteht<br />

außer Ihm.<br />

2. Es gibt nur einen Meister, den Geist, der allen Seelen den Weg weist<br />

und der alle, die Ihm folgen, unablässig dem Licht entgegenführt.<br />

3. Es gibt nur ein heiliges Buch, das heilige Manuskript der Natur, die<br />

einzige universelle heilige Schrift, die den Leser erleuchten kann.<br />

4. Es gibt nur eine Religion, den unentwegten Fortschritt in der rechten<br />

Richtung, dem göttlichen Ideal entgegen, das den Lebenszweck jeder<br />

Seele erfüllt.<br />

5. Es gibt nur ein Gesetz, das Gesetz der Gegenseitigkeit, das von einem<br />

selbstlosen Gewissen zusammen mit einem erwachten Gerechtigkeitsgefühl<br />

erfüllt werden kann.<br />

6. Es gibt nur eine Familie, die Menschheitsfamilie, die unterschiedslos<br />

die Kinder der Erde vereint in Gott, dem Vater und der Mutter.<br />

7. Es gibt nur eine Moral, die Liebe, die der Selbstverleugnung entspringt<br />

und in Akten der Wohltätigkeit aufblüht.<br />

8. Es gibt nur einen Gegenstand der Verherrlichung, die Schönheit, die<br />

die Herzen ihrer Verehrer durch alle Erscheinungen hindurch vom<br />

Sichtbaren zum Unsichtbaren erhebt.<br />

9. Es gibt nur eine Wahrheit, die wahre Kenntnis unseres inneren und<br />

äußeren Wesens, die die Essenz aller Weisheit ist.<br />

10. Es gibt nur einen Weg, die Auflösung des falschen im wahren Selbst,<br />

die die Sterblichen zur Unsterblichkeit erhebt und in der alle Vollkommenheit<br />

liegt.

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