Einheit - SIFAT Heft 1/2024-Leseprobe
Wenn man Hazrat Inayats Text „Einheit und Einheitlichkeit“ liest, dann kann man nur staunen, mit welcher Klarheit er die Probleme der Menschheit in unserer Zeit vorausschauend beschreibt. Unsere Welt ist gekennzeichnet von Zerrissenheit, polarisierenden und rivalisierenden Gruppierungen bis zur Zerstörung von Mensch und Umwelt. Folgt man Hazrat Inayat Khan, dann wird deutlich, dass das wahre Verständnis von der Vielfalt des EINEN in dem EINEN verloren gegangen ist und die Menschheit im Streben nach vermeintlichem Fortschritt einen zerstörerischen Weg eingeschlagen hat.
Umso wichtiger erscheint uns daher zu DEM, was uns eint und was eigentlich nicht in Worte zu fassen ist, eine Vielfalt von Gedanken und Worten vorzustellen, die jeweils zu umschreiben versuchen, was diese EINHEIT ist. Hidayat Inayat Khan zum Beispiel beschreibt den Weg „Dem Einen entgegen …“ als einen Prozess des Vergessens, eine mystische Erfahrung der Transzendenz des eigenen Bewusstseins.
Es geht um einen inneren Weg, Frieden im eigenen Sein zu finden. Die letzten Zeilen des Gebets von Hazrat Inayat Khan „Saum“ machen das sehr deutlich: „Ziehe uns näher zu Dir in jedem Augenblick unseres Lebens, bis in uns sich widerspiegelt Deine Gnade, Deine Herrlichkeit, Deine Weisheit, Deine Freude und Dein Frieden.“ Dann haben wir das Ziel erreicht.
Aus den Gedanken zur Einheit ergibt sich folgerichtig eine Richtschnur, die das Miteinander der Menschen betrifft: die Bruder- und Schwesternschaft oder auch Geschwisterlichkeit im Rahmen einer einzigen Menschenfamilie, auch Kinship genannt. Wenn wir alle teilhaben an dem einen Bewusstsein und genährt werden aus ein und derselben Quelle, dann ist eine Trennung in Freund und Feind nicht möglich. Du und ich verschmelzen letztlich miteinander. Mitgefühl bestimmt dann den Umgang untereinander.
Wenn man Hazrat Inayats Text „Einheit und Einheitlichkeit“ liest, dann kann man nur staunen, mit welcher Klarheit er die Probleme der Menschheit in unserer Zeit vorausschauend beschreibt. Unsere Welt ist gekennzeichnet von Zerrissenheit, polarisierenden und rivalisierenden Gruppierungen bis zur Zerstörung von Mensch und Umwelt. Folgt man Hazrat Inayat Khan, dann wird deutlich, dass das wahre Verständnis von der Vielfalt des EINEN in dem EINEN verloren gegangen ist und die Menschheit im Streben nach vermeintlichem Fortschritt einen zerstörerischen Weg eingeschlagen hat.
Umso wichtiger erscheint uns daher zu DEM, was uns eint und was eigentlich nicht in Worte zu fassen ist, eine Vielfalt von Gedanken und Worten vorzustellen, die jeweils zu umschreiben versuchen, was diese EINHEIT ist. Hidayat Inayat Khan zum Beispiel beschreibt den Weg „Dem Einen entgegen …“ als einen Prozess des Vergessens, eine mystische Erfahrung der Transzendenz des eigenen Bewusstseins.
Es geht um einen inneren Weg, Frieden im eigenen Sein zu finden. Die letzten Zeilen des Gebets von Hazrat Inayat Khan „Saum“ machen das sehr deutlich: „Ziehe uns näher zu Dir in jedem Augenblick unseres Lebens, bis in uns sich widerspiegelt Deine Gnade, Deine Herrlichkeit, Deine Weisheit, Deine Freude und Dein Frieden.“ Dann haben wir das Ziel erreicht.
Aus den Gedanken zur Einheit ergibt sich folgerichtig eine Richtschnur, die das Miteinander der Menschen betrifft: die Bruder- und Schwesternschaft oder auch Geschwisterlichkeit im Rahmen einer einzigen Menschenfamilie, auch Kinship genannt. Wenn wir alle teilhaben an dem einen Bewusstsein und genährt werden aus ein und derselben Quelle, dann ist eine Trennung in Freund und Feind nicht möglich. Du und ich verschmelzen letztlich miteinander. Mitgefühl bestimmt dann den Umgang untereinander.
Zeitschrift für Universalen Sufismus52. Jg.Heft 1März 2024Einheit
- Seite 2 und 3: Sufismusist eine uralte Weisheit un
- Seite 4 und 5: Vorwort der RedaktionLiebe Leserinn
- Seite 6 und 7: Hazrat Inayat Khan: Einheit und Ein
- Seite 8 und 9: Hazrat Inayat Khan: Einheit und Ein
- Seite 10 und 11: Hazrat Inayat Khan: Die Persönlich
- Seite 12 und 13: Pir Vilayat Inayat Khan: Sufi-Konfe
- Seite 14 und 15: Impressum | Mitteilungen vom Verlag
- Seite 16: Al-Ahad - Die EinheitDesign: Reshat
Zeitschrift für Universalen Sufismus
52. Jg.
Heft 1
März 2024
Einheit
Sufismus
ist eine uralte Weisheit und zugleich eine Methode der geistigen Schulung, die
Menschen befähigt, diese Weisheit in ihrem täglichen Leben zu verwirklichen.
Der Universale Sufismus
nach Hazrat Inayat Khan ist nicht auf bestimmte Dogmen, Rituale oder
spirituelle Techniken festgelegt.
Der Universale Sufismus baut eine Brücke über die Unterschiede und Grenzen,
die Menschen und Religionen voneinander trennen. Er ermöglicht auch, die
eigene Religion besser zu verstehen und zu leben, weshalb jeder diesen Weg
gehen kann, unabhängig von der Religionszugehörigkeit.
Hazrat Inayat Khan
wurde am 5. Juli 1882 in der indischen Stadt
Baroda geboren. Seine hoch angesehene Familie
war durchdrungen vom Geist mystischer Religiosität
und von der Liebe zur klassischen indischen
Musik. Inayat Khan war von Kind auf in Kontakt
mit den geistigen Traditionen des Islam wie des
Hinduismus, in einer Atmosphäre freundlicher
Toleranz über alle konfessionellen Grenzen hinweg.
Im Jahre 1910 bekam er von seinem spirituellen
Lehrer, Abu Hashim Madani, der der Sufi-
Tradition der Chishtis angehörte, den Auftrag,
den Sufismus in den Westen zu bringen. Hier
wurde er der Begründer und das geistige Oberhaupt
(Pir-o-Murshid) der Sufi-Bewegung und ihrer esoterischen Schule, des
Sufi-Ordens (heute Inayatiyya), und er schuf den Universellen Gottesdienst.
Längere Zeit lebte er in Suresnes bei Paris, von wo er oft zu Reisen in die
ganze westliche Welt aufbrach. Seine Vorträge füllen die 13 Bände seiner „Sufi-
Botschaft“. Er starb am 5. Februar 1927 in New Delhi.
Hazrat Inayat Khans Lehre und die seiner Nachfolger ist geprägt von einer
umfassenden Toleranz, einer Verehrung und Liebe zu allen Prophetinnen und
Propheten und Heiligen der Menschheit und einem Verständnis gegenüber der
Vielfalt der religiösen Traditionen und Lebenserscheinungen.
Inhaltsverzeichnis
Einheit
Vorwort der Redaktion 4
Hazrat Inayat Khan: Der erste Sufigedanke 5
Hazrat Inayat Khan: Einheit und Einheitlichkeit 6
Hazrat Inayat Khan: Die Persönlichkeit als Tropfen im Wasser 9
Pir Vilayat Inayat Khan: Sufi-Konferenz zur Einheit 11
Hidayat Inayat Khan: Ohne jeden Wunsch oder Begierde 14
Pir Zia Inayat Khan: Gebet der Einheit 16
Annemarie Schimmel: Ibn ‘Arabi, der Magister Magnus 17
Wali van der Zwan: Dem Einen entgegen 20
Nico Salar Kluwer: Die Idee der Einheit 21
Abu Bakr al-Kalabadhi: Die Sufi-Lehre der Einheit 25
Lex Hixon: Es gibt nur das Eine – Plotin und die Metaphysik
der spirituellen Suche 27
Swami „Papa“ Ramdas: Gott ist überall 31
Bede Griffiths: Das Universum aus der Sicht des Ostens 32
Christian Röther: Die Religion der Einheit 35
Thich Nhat Hanh: Intersein 37
Martin Buber: Das Gebot der Liebe 39
Paul Chaim Eisenberg: Wer ein Menschenleben rettet, rettet die ganze Welt 40
Willigis Jäger: Die wahre Einheit der Religionen 42
Albert Schweitzer: „Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben,
das leben will.“ 45
Mevlana Jelaluddin Rumi: Sag ich bin Du 48
Mevlana Jelaluddin Rumi: Das Gasthaus 49
Mevlana Jelaluddin Rumi: Wenn der Stein zum Rubin wird 50
Texte aus den Heiligen Schriften der Weltreligionen 52
Blick aus dem Fenster: Shagraf / Singing Hearts –
Sufismus im Theater an der Ruhr 56
Blick aus dem Fenster: M-LISADA 57
Buchbesprechung: Llewellyn Vaughan-Lee:
Ein verborgener Pfad – Geschichten für eine lebendige Zukunft 59
Buch: Hazrat Inayat Khan: Die Einheit der religiösen Ideale 61
Impressum 62
Hazrat Inayat Khan: Worte zur Einheit 63
SIFAT 1 | 2024 – Einheit 3
Vorwort der Redaktion
Liebe Leserinnen und Leser,
wenn man Hazrat Inayats Text „Einheit und Einheitlichkeit“ liest, dann kann
man nur staunen, mit welcher Klarheit er die Probleme der Menschheit in unserer
Zeit vorausschauend beschreibt. Unsere Welt ist gekennzeichnet von Zerrissenheit,
polarisierenden und rivalisierenden Gruppierungen bis zur Zerstörung
von Mensch und Umwelt. Folgt man Hazrat Inayat Khan, dann wird deutlich,
dass das wahre Verständnis von der Vielfalt des EINEN in dem EINEN verloren
gegangen ist und die Menschheit im Streben nach vermeintlichem Fortschritt
einen zerstörerischen Weg eingeschlagen hat.
Umso wichtiger erscheint uns daher zu DEM, was uns eint und was eigentlich
nicht in Worte zu fassen ist, eine Vielfalt von Gedanken und Worten vorzustellen,
die jeweils zu umschreiben versuchen, was diese EINHEIT ist. Hidayat
Inayat Khan zum Beispiel beschreibt den Weg „Dem Einen entgegen …“ als
einen Prozess des Vergessens, eine mystische Erfahrung der Transzendenz des
eigenen Bewusstseins.
Es geht um einen inneren Weg, Frieden im eigenen Sein zu finden. Die letzten
Zeilen des Gebets von Hazrat Inayat Khan „Saum“ machen das sehr deutlich:
„Ziehe uns näher zu Dir in jedem Augenblick unseres Lebens, bis in uns sich
widerspiegelt Deine Gnade, Deine Herrlichkeit, Deine Weisheit, Deine Freude
und Dein Frieden.“ Dann haben wir das Ziel erreicht.
Aus den Gedanken zur Einheit ergibt sich folgerichtig eine Richtschnur,
die das Miteinander der Menschen betrifft: die Bruder- und Schwesternschaft
oder auch Geschwisterlichkeit im Rahmen einer einzigen Menschenfamilie,
auch Kinship genannt. Wenn wir alle teilhaben an dem einen Bewusstsein und
genährt werden aus ein und derselben Quelle, dann ist eine Trennung in Freund
und Feind nicht möglich. Du und ich verschmelzen letztlich miteinander. Mitgefühl
bestimmt dann den Umgang untereinander.
Mögen also die Texte des vorliegenden Heftes uns helfen, in diesen aufgewühlten,
unruhigen Zeiten erst recht den Weg nach innen zu beschreiten und
zu lernen, unsere innere Kraft, unser Mitgefühl und unseren Frieden zu finden,
zu halten und in die Welt auszustrahlen.
Wir wünschen unserer Leserschaft viel Inspiration bei der Lektüre und auch
Ermutigung, dem EINEN weiterhin entgegenzugehen.
Die Redaktion:
Hans-Peter Baum, Claudia Nüssen, Regina Armaiti Winkler-Reber
4 SIFAT 1 | 2024 – Einheit
Hazrat Inayat Khan: Der erste Sufigedanke
Hazrat Inayat Khan
Der erste Sufigedanke 1
Es gibt den einen Gott, den Ewigen, das Einzige Sein.
Nichts existiert außer Gott.
Der Gott der Sufis ist ein Gott aller Glaubensrichtungen und ein Gott für
alle Menschen. Im Namen sehen die Sufis keine Unterschiede – Allah,
Gott, Dieu, Khuda 2 oder Bhagwan 3 . Diese Namen und noch viele mehr sind
die Namen des Gottes der Sufis, und doch ist Gott für die Sufis erhaben über
jegliche Einschränkung durch Namen. Die Sufis sehen Gott in der Sonne, im
Feuer, in Idolen, die von verschiedenen Sekten verehrt werden. Sufis erkennen
Gott in allen Formen und Gestalten des Universums und wissen zugleich, dass
Gott über jeglicher Form steht. Gott ist in allem, und alles ist in Gott. Gott ist
das Sichtbare und das Unsichtbare, das Einzige Sein. Gott ist für die Sufis nicht
Inhalt einer aufgezwungenen religiösen Überzeugung, sondern das höchste
Ideal, das der menschliche Geist erfassen kann.
Die Sufis vergessen ihr Selbst und streben danach, ihr göttliches Ideal zu erreichen.
Sie sind ständig während ihres ganzen Lebens auf dem Weg der Liebe und
des Lichts. In Gott sehen sie die Vollkommenheit von allem, das in Reichweite
der menschlichen Wahrnehmung liegt, und wissen zugleich, dass Gott jenseits
der Reichweite des Menschen steht. Die Sufis schauen auf Gott, wie Liebende
auf ihre Geliebten schauen. Sie betrachten alle Dinge im Leben als von Gott
kommend und nehmen sie in vollkommener Ergebung an. Die heiligen Namen
Gottes sind für die Sufis wie Medizin für Patienten. Der Gedanke an Gott ist ihr
Kompass, mit dem sie ihr Schiff an das Ufer der Unsterblichkeit steuern. Das
Gottesideal ist für Sufis wie ein Fahrstuhl, der sie zum ewigen Ziel emporhebt.
Dieses Ziel zu erreichen, das ist der einzige Zweck ihres Lebens.
Zit. nach: Die Sufi-Botschaft von Hazrat Inayat Khan, Das Innere Leben,
Centennial Edition Bd. 1, Verlag Heilbronn 2018, S. 18f
1 Zeitschrift „Sufi“ (London, Sufi Publishing Society) Band III, Nr. 2, Juli 1918, 7
2 Khuda ist die mittelpersische Bezeichnung für „Gott“ oder „Herr“. Khuda hafiz ist ein
geläufiger Abschiedsgruß mit der Bedeutung „Möge Gott dein Beschützer sein“.
3 Bhagwan ist in Indien ein Ausdruck für Gesegnete(r), Erhabene(r), Verehrungswürdige(r),
Gott.
SIFAT 1 | 2024 – Einheit 5
Hazrat Inayat Khan: Einheit und Einheitlichkeit
Hazrat Inayat Khan
Einheit und Einheitlichkeit
E
inheit und Einheitlichkeit verwechseln wir oft miteinander. Tatsächlich ist es
der Geist der Einheit, der die Einheitlichkeit als etwas Schönes und Schutzgewährendes
hervorbringt. Zu allen Zeiten gab es beides: die Einheit als inneres
Wesen jeder Seele und als einzigen Zweck des Lebens auf der einen Seite, und
andererseits die Einheitlichkeit als Hilfe, um diesen Zweck erfüllen zu können.
Die Einheit ist das Ziel, und die Einheitlichkeit ist das Mittel, dieses Ziel zu
erreichen. Aber oft hat das Mittel den Zweck verdunkelt. Durch alle Zeitalter
hindurch haben sich die verschiedenen Religionen, die dem Menschen zu seiner
geistigen Entfaltung gegeben wurden und deren einziges Ziel ist, die Einheit
hervorzubringen, allmählich nach der Art von Gemeinschaften und Staatsreligionen
organisiert. Viele Menschen, die einer Kirche angehören, bejahen
deren Dogmen, beanspruchen einen bestimmten Namen für ihre Religion und
betrachten alle anderen Kinder Gottes als von sich getrennt. Aber dabei gehen
gerade sie jener Saat der Wahrheit verlustig, für deren Entfaltung eine Religion
gegeben worden ist. Diesen Irrtum haben die Menschen von Anfang an begangen,
sodass sie schließlich nicht mit dem wahren Geist in Berührung kamen,
sondern sich von der Wirklichkeit entfernten, weil sie etwas Falsches anstrebten.
Religiöse Meinungsverschiedenheiten haben der Menschheit zahllose Kriege
und Katastrophen beschert. Solches geschah, wenn der Geist der Einheit nicht
beachtet, die Einheitlichkeit dagegen überbewertet wurde. In unserem Zeitalter,
in dem der Geist der Religion auf einem Tiefpunkt angelangt ist und nur noch
äußere Gleichförmigkeit Gewicht hat, geschieht es zunehmend, dass die verschiedenen
Menschengruppen sich voneinander entfernen und Zwietracht aller
Art entsteht: eine Partei oder Klasse gegen die andere; überall dominiert der
Geist der Rivalität, der Missgunst und der Zerstörung. Und eine Folge davon
ist, dass der Mensch nicht zur wahren Erkenntnis Gottes kommt. Nur wenige
erkennen Ihn wirklich. Die ganze Menschheit leidet unter einer tiefen Unruhe.
Die Menschen denken, dass sie sich weiter entfalten. In Wirklichkeit entwickeln
sie sich auf eine immer größere Ruhelosigkeit hin.
Wahren Fortschritt kann es niemals geben, solange Nationen, Reiche und
Völker gespalten sind; denn, wenn die Völker erst einmal gespalten sind, dann
geht der Spaltungsprozess weiter, und die Parteien und Klassen werden ebenfalls
uneins; sogar die Familien brechen auseinander. Es ist dieser Geist der Zerstörung,
der allzeit tätig ist. Die Einheit scheint aus den Herzen der Menschen
6 SIFAT 1 | 2024 – Einheit
Hazrat Inayat Khan: Einheit und Einheitlichkeit
ausgerottet zu sein. Beispiele brauche ich nicht zu geben; wer seine Augen offen
hat, kann überall auf der Welt diesen Zustand der Menschheit und unseres
Lebens erkennen. Suchen wir nach der Ursache dafür, entdecken wir, dass ein
eigentlich richtiges Prinzip falsch angewendet worden ist. Einheitlichkeit ist
kein Fehler, sie hat in der Tat einen großen Wert. Beispielsweise ist der gemeinschaftliche
Wunsch, zu heilen und in Notzeiten Dienste anzubieten, überhaupt
nichts Falsches. Wenn aber das Gottesideal verschwunden ist, dann sind solche
Bestrebungen wie ein unbeseelter Körper, und wie bei einem Leichnam endet
es mit Zersetzung und Schmutz. Wie lebendig und wohlhabend die Welt auch
erscheinen mag, wirkliches Leben hat nur das Lebendige; wenn das lebendige
Sein aber vergessen wird, ist es wie Licht unter einem Scheffel. Von der Jagd
nach dem Geld wird der Mensch so gefesselt und berauscht, und er wird derart
gleichgültig gegenüber Glück und Harmonie anderer Menschen und blind für
die Harmonie seines eigenen Daseins, dass er letztlich Zerstörung bewirkt. Wir
brauchen nur an die Kriege zu denken, die die Menschheit erlebt hat, besonders
an den letzten mit all seinen Schrecken, um diese Wahrheit zu erkennen. Alles
beweist, dass der Fortschritt in die falsche Richtung geht und dass überall die
Einheit fehlt. Alle heiligen Schriften, die den Juden, den Muslimen, den Parsen,
den Hindus und den Buddhisten gegeben worden sind. enthalten die Botschaft
der Einheit als ihre zentrale Wahrheit: aber die Menschen haben sich so sehr
vom schönen Wortlaut dieser Schriften fesseln lassen, dass ihnen deren innere
Botschaft entfallen ist.
Würden wir aber die innere Botschaft vernehmen, kämen wir zu der
Erkenntnis, dass die Worte aller dieser verschiedenen heiligen Schriften
von ein und derselben Stimme gesprochen worden sind. Manche vernehmen
diese Stimme, die anderen hören nur die Worte - so wie beim Anblick der Natur
die einen nur Zweige erblicken, während die anderen auch die Wurzeln eines
Baumes wahrnehmen. All die verschiedenen heiligen Schriften, alle Formen der
Verehrung und Kontemplation Gottes haben nur diesen einen Zweck: die Verwirklichung
der Einheit. In der Einheit liegen für den Menschen sein Glück
und seine Erleuchtung verborgen, in ihr findet er die Richtschnur für sein
Leben. Den Begriff der Einheit kennen wir alle, aber die meisten von uns verstehen
darunter nur Einheitlichkeit. Jahrtausende lang haben die Veden in ihren
Gebeten und heiligen Worten dieses zentrale Thema der Einheit ertönen lassen:
dass alles eins ist. Der Koran enthält inmitten aller seiner ernsten Mitteilungen
eine wichtige Sure, die vom Sein Gottes aussagt, dass es allem Unsichtbaren und
genauso allem Sichtbaren als gemeinsamer Strom zugrunde liegt. Und die Bibel
SIFAT 1 | 2024 – Einheit 7
Hazrat Inayat Khan: Einheit und Einheitlichkeit
verkündet, dass wir nur in Gott leben, uns bewegen, nur in Ihm existieren.
Von den vielen Millionen Menschen, die an Gott glauben, macht vielleicht nur
einer Gott zur Realität seines Lebens. Das Gottesbild eines Menschen ist ebenso
begrenzt wie er selbst. Die Gotteserkenntnis geschieht jenseits der Begrenzungen
des Verstandes. Der Mensch nimmt nur die Dinge wahr, die er auch wahrnehmen
kann. Seine Vorstellungskraft kann die ihr vertrauten Grenzen nicht
überschreiten, und er kann auch nicht über seine Vorstellung hinaus in jenen
Raum vordringen, wo das Sein Gottes ist. Das Geheimnis Gottes ist in der
Erkenntnis der Einheit verborgen. Der Mensch denkt vielleicht: „Was kann die
Einheit mir geben? Bringt sie mir das Glück? Was bedeutet sie im Innersten?“
Die Antwort kann ihm aufleuchten, sobald er das Leben intensiver beobachtet
und erforscht. Welche Atmosphäre kann von zehn Menschen geschaffen werden,
die in Harmonie verbunden sind! Zehn Menschen haben eine machtvollere
Liebesausstrahlung und einen größeren Einfluss, als ein einzelner Mensch es
haben kann. Welch ein Segen wäre es für die Menschheit, wenn die Nationen,
Kulturen und Gemeinschaften wirklich vereint wären!
Ohne Zweifel kann uns die Einheitlichkeit vieles über die Einheit lehren,
aber dann darf sie nicht an irdische Zwecke gebunden sein; denn so wird sie
destruktiv. Die großen Weisen aller Zeitalter haben sich tief in das Geheimnis
des Lebens versenkt, um in sich selbst zur Einheit vorzudringen und dann die
Einheit zu verbreiten. Im gewöhnlichen Leben führt jeder Mensch Klage über
irgendetwas, weil ihm etwas fehlt oder weil ihn etwas stört. Aber das sind nur
äußerliche Erklärungen. In Wirklichkeit ist der Mensch nicht in Einklang mit
seinem eigenen Wesen. Wie können wir Harmonie um uns herum verbreiten,
wenn in uns selbst Disharmonie herrscht! Wenn Geist und Körper miteinander
streiten, möchte die Seele etwas ganz anderes: Seele und Geist werden vom
Körper irgendwohin gezogen, oder Körper und Geist von der Seele; so entsteht
Disharmonie. Ist der Mensch mit sich selbst in Einklang, so ist er es auch mit
allen anderen. Dann erzeugt er Harmonie, gibt sie an alle weiter und strahlt sie
ständig aus.
Auf die Frage, mit der wir uns hier befassen, können wir die Antwort finden,
wenn wir unsere Beziehung zu Gott wirklich verstehen. Das Innerste Sein
des Menschen ist das wahre Sein Gottes; der Mensch ist immer mit Gott verbunden.
Könnte er nur einsehen, dass er seine Verbundenheit mit Gott erfährt,
wenn er Harmonie in seiner eigenen Seele entstehen lässt! Alle Meditationen
und Kontemplationen werden allein mit der Absicht gelehrt, dass wir unser
innerstes Sein so mit Gott in Einklang bringen, dass Er es ist, der durch uns
8 SIFAT 1 | 2024 – Einheit
Hazrat Inayat Khan: Die Persönlichkeit als Tropfen im Wasser
sieht, hört und denkt, und dass unser Sein nichts anderes ist als ein Strahl von
seinem Licht. Dann sind wir Gott näher als selbst die Fische dem Ozean, in dem
sie leben. Meistens ist es irgendein weltliches Interesse, das die Menschen wegen
eines erhofften Gewinnes zusammenführt. Welche Kraft aber könnte freigesetzt
werden, wenn die Menschheit sich in wahrer Brüderlichkeit vereinen würde!
Solange diese Wahrheit wie unter einem Scheffel verborgen ist, können alle
Maßnahmen der Einheitlichkeit keinen echten Nutzen bringen; sie haben kein
Leben. Und so leidet die Welt, auch wenn sie noch so viele Erfolge vorweisen
kann, an der falschen Verwendung eines an sich richtigen Prinzips.
Wir erreichen nicht das wahre Leben, bevor wir nicht zur Einheit gelangt
sind. Es ist die Aufgabe der Religion, über die Erkenntnis Gottes und die Liebe
zu Ihm, dem alle Anbetung gebührt, den Geist der Einheit zu fördern. Viele
Menschen streben nach übersinnlichen, magischen und magnetischen Kräften.
Dies ist aber nicht der Zweck der Religion; solche Fähigkeiten entfalten sich
von selbst. Wo Leben und Liebe ist, dort gibt es auch magnetische Kräfte. Die
Liebe selbst ist eine heilende Kraft und ein Mittel gegen jeden Schmerz. Alle
okkulten Kräfte stammen aus dem göttlichen Leben. Der Mensch aber sollte
ein natürliches Leben führen und sich das Wesen Gottes vergegenwärtigen. Nur
solche Übungen sind von Wert, die zur Erkenntnis Gottes führen, zur Einheit
mit Gott und mit dem eigenen Selbst und somit allem. Es ist nicht notwendig,
dass uns unsere Entwicklungsschritte vom jemand anderem bestätigt werden;
wir werden es selber spüren, wenn unser Herz voranschreitet. Durch Lieben,
Vergeben und Dienen wird unser ganzes Leben zu einer einzigartigen Vision
von Gottes vollendeter Schönheit.
aus: Hazrat Inayat Khan: Die Einheit der religiösen Ideale.
East-West Publications, o. J., S. 15-19
Hazrat Inayat Khan
Die Persönlichkeit als Tropfen im Wasser
U
nsere Persönlichkeit ist wie ein Tropfen im Wasser. Die Wahrscheinlichkeit,
dass ein Tropfen, der sich im Meer aufgelöst hat, wieder als dieselbe Menge
und Zusammensetzung des Wassers, aus dem er ursprünglich bestand, aus dem
Meer auftaucht, ist gering. Ebenso gering ist die Wahrscheinlichkeit, dass die
Seele, wenn sie sich einmal im Meer des Bewusstseins aufgelöst hat, wieder
hervortritt als Form, die aus genau denselben Anteilen von Bewusstsein besteht
SIFAT 1 | 2024 – Einheit 9
Hazrat Inayat Khan: Die Persönlichkeit als Tropfen im Wasser
wie zuvor. Es kann sein, dass der Tropfen an denselben Ort zurückfließt, und
er kann aus derselben Menge Wasser bestehen oder völlig anders zusammengesetzt
sein. Möglicherweise enthält er als zweiter Tropfen nur die Hälfte seiner
ursprünglichen Wassermenge oder einen noch kleineren Anteil, vermischt mit
einem gewissen Anteil zusätzlichen Wassers.
Wir könnten einen Tropfen, wenn er aus dem Wasser auftaucht, Herr Johannes,
den anderen Herr Thomas und noch einen anderen Frau Elisabeth nennen.
Aber sie bestehen alle aus demselben Wasser. Wenn wir das Wasser Herr Johannes
nennen, dann sind alle anderen ebenfalls Herr Johannes. Es ist alles derselbe
Geist, dasselbe Leben, das in den verschiedenen Formen und Namen zum
Ausdruck kommt. Aus dieser Perspektive gesehen, gibt es im Licht der Wirklichkeit
kein Ich, kein Du, kein Er, keine Sie, kein Es. Alle sind lediglich die
Unterschiede eines Augenblicks. Jeder Tropfen verliert, sobald er sich im Wasser
auflöst, entweder seine Reflexionen oder jegliche Eigenschaften, die er während
seiner Existenz besaß. Und selbst wenn er mit der Wahrscheinlichkeit von eins
zu tausend in genau derselben Zusammensetzung zurückkäme, so hätte er doch
nicht seine vorherigen Eigenschaften beibehalten.
Genau dasselbe gilt für das Bewusstsein. Da Bewusstsein von vornherein
eine noch geringere Dichte und Stabilität als Wasser besitzt, gibt es keinen
Grund für die Annahme, dass derselbe Teil des Bewusstseins ohne Zusätze
oder Verluste in der Konsistenz tatsächlich wieder auf der Oberfläche erscheint.
Aber selbst, wenn dies geschehen würde, wäre es immer noch völlig unmöglich,
dass die Eigenschaften und Eindrücke aus der Bewusstsein und Persönlichkeit
Vergangenheit beibehalten werden können. Denn durch das Versinken in das
Meer des Bewusstseins wird dieser Bewusstseinstropfen vollkommen von allen
vorherigen Eigenschaften und Eindrücken gereinigt.
Wenn sogar ein Tropfen Tinte seine Eigenschaften im Meer verliert, wieso
sollte nicht das Meer des Bewusstseins sein eigenes Element von allen anderen
Elementen, die ihm fremd sind, reinigen? Im Hinduismus wird der Glaube vermittelt,
dass ein einmaliges Bad im Sangam 4 , wo zwei Ströme zusammenfließen,
die Menschen von den Sünden ihres ganzen Lebens befreien kann. Wie könnte
es dann geleugnet werden, dass die Seele, wenn sie auch nur ein einziges Mal in
das Meer des Bewusstseins eintaucht, von allen Eigenschaften, die sie während
ihres vorangegangenen Lebens entwickelt hat, gereinigt wird? Das völlige Auf-
4 Sangam (Sanskrit) ist der Ort des Zusammenflusses der Ströme Ganga (Ganges) und
Yamuna, wo der unsichtbare Saraswati-Fluss als Segen von oben herabfließt.
10 SIFAT 1 | 2024 – Einheit
Pir Vilayat Inayat Khan: Sufi-Konferenz zur Einheit
gehen im göttlichen Geist bedeutet wesensmäßig eine Reinigung vom materiellen
Zustand des Seins, und es liegt im Wesen der Manifestation, dass die Seele
ganz neu und frisch darin auftaucht
aus: Hazrat Inayat Khan, Centennial Edition Band 3, Die Kunst der Persönlichkeit,
Verlag Heilbronn 2020, S. 179f
Hazrat Inayat Khan (1882-1927) kam auf seinen Reisen zur
Verbreitung der Botschaft von „Liebe, Harmonie und
Schönheit“ mehrmals nach Kalifornien.
Pir Vilayat Inayat Khan
Sufi-Konferenz zur Einheit
Im Vorwort zu seinem letzten Buch erklärt Pir Vilayat:
„In diesem ungewöhnlich konzipierten Buch präsentiere ich einige der zentralen
Ideen und Aphorismen bekannter Sufi-Mystiker aus vergangenen Jahrhunderten.
Wie es unter Sufis der Brauch ist, erscheine ich selbst als Teilnehmer in dieser Reihe
von Dialogen, und ich nehme daher auf meine Anwesenheit unter den Sufi-Mystikern
in der dritten Person Bezug. Wenn wir mit den Sufi-Mystikern ins Gespräch
kommen und ihre Erfahrungen und ihr Verständnis deutlicher werden lassen, können
wir Hinweise entdecken, die uns bei unserer eigenen Sinnsuche helfen können,
die Wirklichkeit besser zu verstehen.“
BISTAMI: Zwölf Jahre lang war ich der Schmied meines Egos, dann fünf Jahre
lang der Spiegel meines Herzens. Und während eines weiteren Jahres erblickte
ich, was zwischen mir und meinem Herzen lag. Ich entdeckte einen Keuschheitsgürtel,
der mich von außen behinderte, und es dauerte zwölf Jahre, ihn zu
zerreißen. Dann entdeckte ich einen inneren Keuschheitsgürtel, und es kostete
mich fünf Jahre, mich davon zu befreien. Schließlich hatte ich einen Moment
der Erleuchtung. Ich betrachtete die Schöpfung und begriff, dass sie ein Leich-
SIFAT 1 | 2024 – Einheit 11
Pir Vilayat Inayat Khan: Sufi-Konferenz zur Einheit
nam geworden war; und ich vollzog die Begräbnisriten für sie. La ilaha illa ‘llah,
es gibt nichts außer IHM.
PIR VILAYAT: [erklärt den Murids] Bistami erfährt den Zustand, welcher alama,
die „Wolke des Nichtwissens“ oder die „göttliche Dunkelheit“ genannt
wird.
JILI: Erinnere dich: Einheit ist die essentielle einzigartige Manifestation, wohingegen
in der göttlichen Dunkelheit alle Arten der Offenbarung, obgleich immer
noch real, unter der Macht der essentiellen Offenbarung GOTTES vernichtet
sind.
MURID: [zu Bistami] Wie brachten Sie diese Verschiebung in Ihrer Identität
zustande?
BISTAMI: Ich streifte mein Ego ab, wie eine Schlange ihre Haut abstreift.
IBN ‘ARABI: [sich Bistami zuwendend] Die meisten derer, die sich bemühen,
GOTT zu erkennen, hören auf zu existieren und beenden dann dieses Aufhören
als Bedingung dafür, Kenntnis von GOTT zu erlangen, und das ist ein
Fehler und ein Versehen. Es ist nicht deine Existenz, die aufhört, sondern deine
Unwissenheit.
PIR VILAYAT: Unsere Existenz muss nicht aufhören; es kommt aber darauf an,
dass das Bewusstsein von ihr dem GOTTES-Bewusstsein nicht im Wege steht.
MURID: Was meinen die Sufis mit Einsamkeit der Einheit? Einzigkeit [unicity]
– Vielheit [multiplicity]! Vielheit scheint mir eine Eigenschaft der Welt zu
sein, in der ich lebe. Wenn man also sagt, GOTT ist allein, dann ist SIE nicht
in der Welt zu finden.
JAMI: Stelle dir GOTT nicht als von der Welt getrennt vor. Die Welt in GOTT
ist GOTT, und GOTT in der Welt ist nicht anders als die Welt.
AL-HALLADSCH: [zu Bistami] Indem du dich von der ganzen Existenz isolierst
und dich weigerst, die Attribute GOTTES im Menschen zu sehen, tust
du genau das, wofür Iblis, der gefallene Erzengel, verdammt wurde. Sprich:
„Es gibt keinen anderen Adam als DICH“ – es war Iblis, der den Unterschied
postulierte.
PIR VILAYAT: [zum Murid] Sehen Sie, Bistami wurde beschuldigt, GOTT
nicht überall sehen zu können, gerade so, wie Iblis angeklagt wurde wegen seiner
Weigerung, GOTT im Menschen zu sehen. Aus Sicht der Sufis: Wenn der
12 SIFAT 1 | 2024 – Einheit
Pir Vilayat Inayat Khan: Sufi-Konferenz zur Einheit
Mystiker den Fokus seines Bewusstseins von der Perspektive der existentiellen
Welt fortverlagert, erlebt er ein Gefühl der Einheit. Diese Einheit hebt sich von
der Vielfalt der Qualitäten ab (welche die Sufis „Attribute“ nennen), die denjenigen
erscheinen, die in der Perspektive der existentiellen Welt versunken sind.
Die Mystikerin isoliert sich daher in der Einsamkeit der Einheit.
MURID: Was ist der Unterschied zwischen Einheit [unity] und Einzigkeit
[unicity]?
IBN ‘ARABI: Wer in die Vorstellung der Vielheit versunken ist, befindet sich in
der Welt und blickt auf die göttlichen Attribute. Wer in die Einheit versunken
ist, befindet sich bei GOTT, erfasst von der Einheit GOTTES, ungeachtet der
Welten.
JILI: Jede Qualität ist in der Einheit (ahadiyah), in welcher nichts manifestiert
ist, ausgelöscht, wohingegen Einzigkeit (wahidiyah) eine Offenbarung der
Essenz ist, die wegen der Unterschiede der Qualitäten GOTTES als Synthese
erscheint.
JAMI: Die Tatsache, dass die Erscheinung des EINEN WESENS in Attribute
gekleidet ist, impliziert keine Vielheit im EINEN WESEN. Das Erscheinen
und Verschwinden von Seinsweisen verursacht keine Änderung im Reich des
Absoluten. Wenn man sagt, dass der WIRKLICHE alle Wesen umfasst, dann
ist damit gemeint, dass ER sie als eine Ursache einschließt, dass ER ihre Folgen
einschließt, und nicht, dass ER ein Ganzes ist, das sie als SEINE Teile enthält.
Der Theologe Mullah Abu Bakr Muhammad Kalabadhi spricht.
KALABADHI: In einem ersten Schritt sieht der Mystiker Einheit in der Vielheit.
In einem folgenden Stadium sieht der Mystiker Vielheit in der Einheit.
AL-HALLADSCH: [zu Bistami] Wenn man sich von der Welt isoliert, um die
Einsamkeit der Einheit zu begreifen, wird man in seinem eigenen persönlichen
Selbst eingekapselt sein und dieses für GOTT halten. Wer durch die Macht der
Liebe in GOTT aufgegangen ist, der isoliert sich nicht von der Welt, sondern
wird von GOTT eingeladen, an der Einsamkeit SEINER Einheit teilzuhaben.
Gib es auf, dich von der ganzen Schöpfung zu isolieren, und dann ist es GOTT,
der dich in SEINE Einheit hineinzieht.
aus: Pir Vilayat Inayat Khan: Auf der Suche nach dem verborgenen Schatz
– Eine Sufi-Konferenz. edition nada, 2011, S. 90-93
SIFAT 1 | 2024 – Einheit 13
Impressum | Mitteilungen vom Verlag Heilbronn
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SIFAT – Zeitschrift für Universalen Sufismus
ISSN 1420-1712
Gegründet 1972 von Karima Sen Gupta, von 1997 - 2016 von Marita Ischtar Dvořák und
Wolfgang Huraksh Meuthen herausgegeben
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Heft 3 / 2023 – Freude
Heft 2 / 2023 – Abschied
Heft 1 / 2023 – Freiheit
Heft 3 / 2022 – Frieden
Heft 2 / 2022 – Angst ausatmen – Mut einatmen
Heft 1 / 2022 – Hoffnung
Heft 3 / 2021 – Nächstenliebe
Heft 2 / 2021 – Heilung
Heft 1 / 2021 – Klangbrücken
Heft 3 / 2020 – Kraftquellen
Heft 2 / 2020 – AUFeinander achten
Heft 1 / 2020 – Die Erde lieben
Heft 3 / 2019 – Religion und Wissenschaft II
Heft 2 / 2019 – Religion und Wissenschaft
Heft 1 / 2019 – Glaube und Zweifel
Heft 3 / 2018 – Mutige Frauen – Gelebte Spiritualität
Heft 2 / 2018 – Sonderheft: Noor-un-Nisa Inayat Khan
Heft 1 / 2018 – Sehnsucht der Seele
Heft 3 / 2017 – Geschwisterlichkeit • Heft 2 / 2017 – Gerechtigkeit • Heft 1 / 2017 – Opfer u. Opfern
Heft 2 / 2016 – Religion und Liebe • Heft 1 / 2016 – Ein menschenfreundlicher Islam
62 SIFAT 1 | 2024 – Einheit
Hazrat Inayat Khan : Worte zur Einheit
Hazrat Inayat Khan
Worte zur Einheit
Weizenkörner, warum steht ihr so eng aneinandergedrängt? – Einigkeit ist
unsere Stärke; darum sucht ihr in uns eure Lebensnahrung. (657)
Wer den Begriff Einheit nicht erfassen will, wird eines Tages von der Einheit
erfasst werden. (979)
Das Leben beginnt mit dem Wissen um die Vielheit. Aber im Bewusstsein der
Einheit ist der Höhepunkt des Lebens. (1025)
Im Einssein zweier liebender Herzen ist die Einheit Gottes. (1043)
Alle Namen und Formen sind Hüllen und Decken, unter denen das eine
Leben verborgen ist. (2. Januar)
Mystiker streben danach, nahe bei der Idee der Einheit zu bleiben und herauszufinden,
wo wir uns vereinen. (24. April)
Die wirkliche Einheit ist weit größer als die Einheit in der Vielfalt. (6. Mai)
Es braucht Nachsicht, Geduld und Toleranz, um zwei individuelle Herzen
zusammenzuhalten. (5. Juni)
Die Gotteserkenntnis geschieht jenseits der Grenzen des menschlichen Verstandes.
Das Geheimnis Gottes ist in der Erkenntnis der Einheit verborgen.
(11. Oktober)
Die Seele von allem ist eine Seele und die Wahrheit ist eine Wahrheit, unter
welcher Religion sie auch verborgen ist. (18. November)
aus: Gayan, Vadan, Nirtan (Zahl). Verlag Heilbronn, 1996
bzw. 365 Tage Sufi-Weisheit (Datum). Verlag Heilbronn, 2018
SIFAT 1 | 2024 – Einheit 63
Al-Ahad – Die Einheit
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