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Winfried Mogge<br />

„Wir hingegen in<br />

gedachten städtlein<br />

gebohren und gezogen seyn ...“<br />

Auf den Spuren der Juden <strong>von</strong> Rothenfels am Main<br />

Königshausen & Neumann


Winfried Mogge<br />

———<br />

„Wir hingegen in gedachten städtlein<br />

gebohren und gezogen seyn ...“


Beiträge zur Geschichte <strong>von</strong> Rothenfels am Main<br />

1


Winfried Mogge<br />

„Wir hingegen in gedachten städtlein<br />

gebohren und gezogen seyn ...“<br />

Auf den Spuren der Juden <strong>von</strong> Rothenfels am Main<br />

Königshausen & Neumann


Umschlagbild:<br />

Blick <strong>von</strong> der Burgtreppe auf die Stadt Rothenfels<br />

mit Rathaus (1598/99), Juliusspital (1597/99) und Kirche (1610/11, Turm 1750),<br />

an der Treppe Kreuzwegstation (1753) und „Judenbildstock“ (1752)<br />

Innentitel:<br />

Rothenfelser Grabstein vom Jüdischen Friedhof Laudenbach<br />

(5579/1818)<br />

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek<br />

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen<br />

Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet<br />

über http://dnb.d-nb.de abrufbar.<br />

© Verlag Königshausen & Neumann GmbH, Würzburg<br />

2., verbesserte Auflage 2016 (online-Ausgabe)<br />

Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier<br />

Umschlag: skh-softics / coverart<br />

Umschlagabbildung: Günter Giessler, Rothenfels<br />

Layout: Winfried Mogge, Berlin<br />

Alle Rechte vorbehalten<br />

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt.<br />

Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist<br />

ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere<br />

für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung<br />

und Verarbeitung in elektronischen Systemen.<br />

Printed in Germany<br />

ISBN 978-3-8260-5870-7<br />

www.koenigshausen-neumann. de<br />

www.libri.de<br />

www.buchhandel.de<br />

www.buchkatalog.de


Inhalt<br />

Prolog 7<br />

1. Erinnerungen und Quellen 7<br />

2. Anfänge der Siedlung Rothenfels 9<br />

3. Nathan <strong>von</strong> Rothenfels und seine Zeit 11<br />

4. Spuren der ersten jüdischen Gemeinde 13<br />

5. Sprünge der Würzburger Judenpolitik 17<br />

6. Neubeginn und erste Namen 19<br />

7. Konflikte und Ausweisungen 21<br />

8. Ausgrenzungen und Anpassungen 27<br />

9. Schritte zur Emanzipation 31<br />

10. Leben und Arbeiten in Rothenfels 35<br />

11. Leben und Arbeiten in Berg<strong>rothenfels</strong> 37<br />

12. Häuser der Juden 42<br />

13. Streit um die Synagoge 48<br />

14. Unterricht und Kultus 50<br />

15. Das Ende der Kehillah Rothenfels 57<br />

16. Verstreut, verschollen, ermordet 59<br />

Epilog 59<br />

Anhang<br />

1 Schutz<strong>juden</strong> im Amt Rothenfels (17. bis 18. Jh.) 61<br />

2 Juden im Herrschaftsgericht Rothenfels (19. bis 20. Jh.) 62<br />

3 Juden im Herrschaftsgericht Rothenfels (1833) 63<br />

4 Seelen-Register 1743 64<br />

5 Jüdische Familien in Rothenfels (17. bis 19. Jh.) 66<br />

6 Jüdische Familien in Berg<strong>rothenfels</strong> (18. und 19. Jh.) 67<br />

7 Stammtafel Männlein / Freudenberger 68<br />

8 Stammtafel Isack / Heil 69<br />

9 Stammtafel Kahn / Völker 70<br />

10 Personenstandsregister 1829-1875 71<br />

11 Jüdische Wohnstätten in Rothenfels und Berg<strong>rothenfels</strong> 74<br />

Literatur und Quellen 75<br />

Abbildungsnachweis 80<br />

Dank 80<br />

Abkürzungen 81<br />

Personenregister 81<br />

Ortsregister 84<br />

Nachwort und Nachträge 85


Rothenfels<br />

Stahlstich nach einer Zeichnung <strong>von</strong> Fritz Bamberger (1814-1873), 1847


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 7<br />

Prolog<br />

Im März 1749 schreiben Nathan Hirsch und Moyses<br />

Berl aus Rothenfels am Main der Hochstiftischen Regierung<br />

zu Würzburg einen flehentlichen Brief. Der<br />

kurz zuvor verstorbene Fürstbischof Anselm Franz<br />

<strong>von</strong> Ingelheim hatte auf Antrag <strong>von</strong> Bürgermeister und<br />

Rat der Stadt Rothenfels ihre sofortige Ausweisung<br />

aus diesem Ort verfügt. Die beiden würzburgischen<br />

Schutz<strong>juden</strong> haben sich nichts zuschulden kommen<br />

lassen; ihr einziges Vergehen besteht darin, dass sie<br />

Juden sind und mit landesherrlicher Genehmigung in<br />

dem Ort wohnen und in dem umliegenden Landamt<br />

ihre Handelsgeschäfte betreiben. Allerdings hat sich<br />

mit ihnen die Zahl der traditionell in der Stadt zugelassenen<br />

jüdischen Familien <strong>von</strong> zwei auf vier verdoppelt.<br />

Aus Sicht der Ratsherren ist das nun eine<br />

unerträgliche Konkurrenz für die alteingesessenen<br />

Kaufleute, gar die existenzielle Gefährdung <strong>von</strong> Handel<br />

und Wandel in dem armen Städtlein. Die betroffenen<br />

Juden hingegen kämpfen mit Bittschriften um ihr<br />

verbrieftes Aufenthaltsrecht. Sie beklagen die ihnen<br />

drohende Eliminierung als Vertreibung aus ihrem Lebens-<br />

und Arbeitsbereich, und das meint nicht nur den<br />

wirtschaftlichen Ruin, sondern auch den Verlust der<br />

Heimat: [...] wir hingegen in gedachten städtlein gebohren<br />

und gezogen seyn. 1<br />

1. Erinnerungen und Quellen<br />

Der Vorgang <strong>von</strong> 1749 ist beispielhaft. Er wiederholt<br />

sich mehrmals in Rothenfels und unzählige Male in<br />

anderen Orten. Das Beispiel steht für die allzeit gefährdete<br />

Existenz einer religiösen Minderheit als ein<br />

schrilles Leitmotiv der deutschen Geschichte.<br />

Für zahlreiche Orte und Regionen sind die Schicksale<br />

der jüdischen Gemeinden inzwischen dokumentiert<br />

und Bestandteil der „Erinnerungskultur“, so auch<br />

in Unterfranken und Bayern. 2 Für die Kleinststadt Rothenfels<br />

am Main und das seit Jahrhunderten zugehörige<br />

Dorf Berg<strong>rothenfels</strong> wollen die folgenden Seiten<br />

ein erster Versuch sein, dieses fast unbekannte und<br />

erstmals 1992 auf wenigen Seiten thematisierte Kapitel<br />

ihrer Geschichte darzustellen. 3<br />

Es gab hier eine jüdische Gemeinde bereits im<br />

1 StAWt-R Rep. 65g Nr. 47 (darin Korrespondenzen und Resolutionen<br />

<strong>von</strong> 1749, unpaginiert, teils undatiert). Ausführlich dazu<br />

unten S. 24 f. – Zitate aus Quellen werden in der vorliegenden<br />

Arbeit in Kursivschrift ohne Anführungszeichen wiedergegeben.<br />

2 Vgl. D. Rosenstock, Literatur zur jüdischen Geschichte Unterfrankens<br />

(2003); F. Wiesemann, Judaica bavarica (2007). Laufend<br />

aktualisierte Literaturlisten finden sich auf der Homepage<br />

des Johanna-Stahl-Zentrums für jüdische Geschichte und Kultur<br />

in Unterfranken (www.johanna-stahl-zentrum.de) und in der<br />

Datenbank Alemannia Judaica (www.alemannia-judaica.de).<br />

3 Vgl. P. Kolb, Chronik (1992), S. 105-107, 158, 371 f Anm. 381<br />

und 383; ders., Berg<strong>rothenfels</strong> (1997), S. 35 f.<br />

Mittelalter, die in unbekannter Zeit unterging – vertrieben<br />

oder umgebracht wurde. Seit der Mitte des 17.<br />

Jahrhunderts sind dann Juden in der Stadt und dem<br />

würzburgischen Amt Rothenfels wieder nachweisbar.<br />

Es gab hier wie anderenorts Phasen friedlichen Zusammenlebens<br />

<strong>von</strong> Christen und Juden, überwiegend<br />

jedoch Zeiten der misstrauischen Beobachtung und<br />

rücksichtslosen Vertreibung der Minderheit durch<br />

Nachbarn und Obrigkeiten; die Ausgrenzung der stets<br />

nur geduldeten Andersgläubigen war auch nach endlich<br />

errungener bürgerlicher Emanzipation im 19.<br />

Jahrhundert nicht überwunden.<br />

Die Geschichte der jüdischen Gemeinde <strong>von</strong> Rothenfels<br />

und Berg<strong>rothenfels</strong> endet bereits vor 1900<br />

durch Überalterung und Abwanderung. Die letzte katastrophale<br />

Phase im Nationalsozialismus fehlt dank<br />

dieser historischen Zufälle an diesem Ort; es besteht<br />

kein Grund zu der Annahme, sie hätte hier anders verlaufen<br />

können als fast überall. Einige noch in dem<br />

Mainstädtchen geborene Jüdinnen und Juden sind in<br />

Frankfurt am Main nachweisbar; sie wurden 1940 und<br />

1942 deportiert und in Vernichtungslagern umgebracht.<br />

In Rothenfels und Berg<strong>rothenfels</strong> sind die Spuren<br />

des jahrhundertelangen jüdischen Lebens verweht. Es<br />

gibt unter den heutigen Bewohnern der Stadt und des<br />

Dorfes kaum noch Erinnerungen an diese Minderheit.<br />

Ein schmales Gässchen in der Stadt mit der inoffiziellen<br />

Bezeichnung Judenwinkel ist den Ältesten noch<br />

geläufig. Die Existenz <strong>von</strong> Synagogen und die Lage<br />

einiger Wohnungen ist nach mühsamer Suche aus urkundlichen<br />

Nachrichten zu erschließen. Ein ehemaliges<br />

Judenbad wurde vor fast 40 Jahren beim Umbau<br />

eines Privathauses in Berg<strong>rothenfels</strong> für kurze Zeit<br />

sichtbar. Über den versunkenen Judenkirchhof der<br />

mittelalterlichen Gemeinde nördlich der Altstadt <strong>von</strong><br />

Rothenfels geben spätere Steuerakten und Katasterkarten<br />

Auskunft; im Gelände ist nichts mehr da<strong>von</strong> zu sehen.<br />

Einige neuzeitliche Grabsteine für Rothenfelser<br />

Juden stehen auf dem jüdischen Verbandsfriedhof<br />

Laudenbach bei Karlstadt. Kultgegenstände aus den<br />

Betstuben oder aus Wohnhäusern sind derzeit nicht<br />

nachweisbar, familiäre Traditionen nicht gewärtig.<br />

In der veröffentlichten Dokumentation der Rothenfelser<br />

Stadt- und Dorfgeschichte finden sich einige<br />

Textseiten und Quellennachweise über jüdische Familien,<br />

ergeben aber kein zusammenhängendes Bild. 4 In<br />

der inzwischen reichen Literatur zur Geschichte der<br />

Juden in Bayern und Unterfranken und im heutigen<br />

Main-Spessart-Kreis ist Rothenfels kaum bekannt und<br />

wird meist nur der Mangel an schriftlichen Quellen<br />

und realen Zeugnissen festgestellt. 5<br />

4 P. Kolb (wie Anm. 3).<br />

5 Auf eine Anhäufung <strong>von</strong> Literaturstellen, die sich meist aufeinander<br />

und auf dieselben Quellen beziehen, wird in dieser Arbeit<br />

verzichtet. – Als Hintergrund für die gesamte Arbeit dienten die<br />

Standardwerke <strong>von</strong> J. F. Battenberg (1990, 2001) zur jüdischen<br />

Geschichte. Als Übersichtsdarstellungen und zur Einführung


8 Winfried Mogge<br />

Leider sind die als Geschichtsquelle so wichtigen<br />

Amtsprotokolle der in der Burg Rothenfels residierenden<br />

fürstbischöflichen Verwaltung bis auf einige Extracte<br />

verloren gegangen. Die alten Ratsprotokolle der<br />

Stadtverwaltung bieten nur vereinzelte Mitteilungen<br />

über die jüdischen Bewohner. Recherchen vor allem in<br />

den Staatsarchiven Würzburg und Wertheim und im<br />

Stadtarchiv Rothenfels förderten jedoch umfangreiches,<br />

bisher nur zum geringen Teil oder überhaupt<br />

nicht beachtetes Material zutage. Es sind viele verstreute<br />

Informationen vor allem aus amtlichen Korrespondenzen<br />

und Protokollen, Gemeinderechnungen<br />

und Grundsteuerakten, die sich schließlich zu einem<br />

Bild fügen. Die jüdische Gemeinde <strong>von</strong> Rothenfels<br />

und Berg<strong>rothenfels</strong> bekommt damit Namen und Daten,<br />

bekommt ein Gesicht und eine wenn auch bruchstückhaft<br />

bleibende Geschichte.<br />

Es ist keine große Gemeinde und keine spektakuläre<br />

Geschichte. Während in einigen Dörfern des Landamtes<br />

Rothenfels zahlenmäßig beachtliche Gruppen<br />

<strong>von</strong> Juden wohnten, waren es in dem stättlein nur wenige:<br />

meist zwei bis vier, selten mehr Familien, ebenso<br />

im zugehörigen Dorf auf dem berg, dazu eine wechselnde<br />

Zahl <strong>von</strong> Einzelpersonen. Das bisherige Bild<br />

umstürzende neue Aspekte zur Entwicklung der fränkischen<br />

Judenschaft sind <strong>von</strong> Rothenfels nicht zu erwarten,<br />

wohl aber einige regionale Differenzierungen<br />

und Korrekturen.<br />

So lässt sich beispielhaft zeigen, wie sich die fürstbischöflich-würzburgische,<br />

dann königlich-bayerische<br />

Religions- und Judenpolitik in einer solchen Randlage<br />

in der Provinz umsetzte. Und es tritt die durchaus charakteristische<br />

Existenz einiger jüdischer Generationen<br />

in einer unterfränkischen Kleinststadt hervor, zu betrachten<br />

und zu verstehen vor dem Hintergrund der jeweiligen<br />

Zeit und Politik – eine Geschichte, die es vor<br />

wurden benutzt: Die Ortschafts- und Einleitungsartikel in Germania<br />

Judaica Bde. I-III (1963-2003); L. Scherg / M. Harth,<br />

Marktheidenfeld (1993); R. Flade, Würzburger Juden (²1996);<br />

L. Scherg, Jüdisches Leben (2000); G. Christ, Lohr (2007). Die<br />

Einleitung <strong>von</strong> K. Müller zu dem monumentalen Werk über die<br />

Grabsteine vom jüdischen Friedhof in Würzburg (2011) wird<br />

hier nicht zitiert, sondern die ausführlichere Darstellung: K.<br />

Müller, Würzburger Judengemeinde (2004). Außerdem die Beiträge<br />

<strong>von</strong> K. Arnold und L. Scherg in der <strong>von</strong> P. Kolb und E. G.<br />

Krenig herausgegebenen Unterfränkischen Geschichte (1992,<br />

1999, 2002) und <strong>von</strong> H. P. Baum, U. Gehring-Münzel und K.<br />

Müller in der <strong>von</strong> U. Wagner herausgegebenen Geschichte der<br />

Stadt Würzburg (2001, 2004, 2007); dort finden sich jeweils<br />

umfangreiche Literaturhinweise. Als neuere Spezialuntersuchungen<br />

wurden vor allem genutzt: J. F. Harris, The People<br />

Speak! (1994); I. König, Judenverordnungen (1999); D. Rosenstock,<br />

Judenmatrikeln (2008); B. Rösch, Judenweg (2009); R.<br />

Mehler, Matrikelbestimmungen (2011). Kurzfassungen zu einzelnen<br />

Orten mit weiterführenden Hinweisen bietet die Online-<br />

Dokumentation www.alemannia-judaica.de. Im Aufbau befindlich<br />

(und derzeit noch ohne Hinweise zu Rothenfels) ist die<br />

„Biographische Datenbank jüdisches Unterfranken“ bei wwwland<strong>juden</strong>tum-unterfranken.de.<br />

Einen kurzen, reich bebilderten<br />

Überblick bietet das Begleitheft zur Wanderausstellung „Mitten<br />

unter uns. Land<strong>juden</strong> in Unterfranken vom Mittelalter bis ins<br />

20. Jahrhundert“ (2013).<br />

Ort zu erspüren, aus den Schatzkammern der Archive<br />

zu heben, zu rekonstruieren und zu erinnern gilt.<br />

An der Stelle sei ein Exkurs über die Namensgebungen<br />

der Juden eingebracht. Die jüdischen Namen<br />

machen es oft nicht leicht, familiäre Zusammenhänge<br />

zu erkennen. Üblich ist zunächst die Verwendung nur<br />

eines Namens, wobei die direkten Herleitungen <strong>von</strong><br />

biblischen Personen besonders beliebt sind: in Rothenfels<br />

Abraham, David, Isaak, Joseph, Moses, Nathan.<br />

Auch allegorische Tiernamen sind gebräuchlich: Bär<br />

für Isaschar, Hirsch für Naphtali, Wolf für Benjamin,<br />

ebenso Eindeutschungen wie Meier oder Mayer für<br />

Meïr, Hermann für Chaim. Häufig begegnen Verkleinerungen<br />

wie Hirschlein oder Hirschle; sehr fränkisch<br />

klingen Verniedlichungen wie Berla oder Perla für<br />

Berlein oder Perlein. 6 Die Schreibweise ist – wie allgemein<br />

üblich – willkürlich, auch kommen alle denkbaren<br />

Varianten vor, zum Beispiel Moyses, Moises,<br />

Moizes, Mossel, Moschel für Moses. 7<br />

In der Mitte des 18. Jahrhunderts gehen auch in<br />

Rothenfels die Juden zu der hebräischen Tradition<br />

über, den Namen mit dem Vaternamen zu kombinieren.<br />

So schreibt sich ein bisheriger Moyses nun Moyses<br />

Lazarus, sein Sohn Mayer nun Mayer Moyses.<br />

Amts- und Ratsschreiber bereiten den späteren Leserinnen<br />

und Lesern Verwirrung, indem sie gelegentlich<br />

beide Namensteile einzeln verwenden. Bei den ersten<br />

Schritten zur bürgerlichen Emanzipation wird die Annahme<br />

unveränderlicher, vererbbarer Familiennamen<br />

zur Pflicht – im ehemaligen Hochstift Würzburg nach<br />

dem Übergang an Bayern ab 1816. Die Rothenfelser<br />

Juden kommen dazu schon 1811 anlässlich der kurzen<br />

Zugehörigkeit <strong>von</strong> Teilen des alten Landamtes zum<br />

Großherzogtum Frankfurt. 8 Sie wählen Familiennamen<br />

wie Heil und Freudenberger, die auch bei Glaubensgenossen<br />

in Nachbarorten gängig sind.<br />

Überhaupt begegnet eine Anzahl gleicher Namen –<br />

zum Beispiel Nathan Freudenberger – auch in anderen<br />

Orten. Nur in wenigen, genau zu prüfenden Fällen<br />

darf dabei auf identische Personen oder Verwandtschaften<br />

geschlossen werden.<br />

Auch bei der Zuordnung <strong>von</strong> Namen zu den Konfessionen<br />

ist genaues Hinsehen geboten. Heil, Herrmann<br />

und Hirschlein können hier christliche und<br />

jüdische Familien heißen. Eine traditionsreiche Rothenfelser<br />

Familie Jud ist christlich; dasselbe gilt für<br />

die „typisch jüdischen“ Familiennamen Bernstein und<br />

Salomon. Ein Vorname wie David lässt ebenfalls noch<br />

keine Rückschlüsse auf die Religionszugehörigkeit<br />

seines Trägers zu.<br />

6 Ausführlich zur Geschichte der jüdischen Namen: E. H. und H.<br />

W. Guggenheimer, Etymologisches Lexikon.<br />

7 In der vorliegenden Arbeit werden die Namen bei Zitaten aus<br />

Quellen buchstabengetreu, ansonsten in der häufigsten Variante<br />

oder der <strong>von</strong> den Trägern selbst bevorzugten Schreibweise wiedergegeben.<br />

8 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8663 fol. 258; vgl. D.<br />

Rosenstock, Judenmatrikeln, S. 34, 191.


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 9<br />

2. Anfänge der Siedlung Rothenfels<br />

Der erste namentlich bekannte Einwohner <strong>von</strong> Rothenfels<br />

am Main ist ein Jude. Er nennt sich Nathan<br />

de Rotenvels und taucht 1222 und 1234 als Zeuge in<br />

zwei Würzburger Urkunden auf. 9<br />

Solche Zufälle der schriftlichen Überlieferung sind<br />

Glücksfälle für die historische Forschung. Es gibt keine<br />

urkundlichen, baulichen oder archäologischen<br />

Zeugnisse für die Anfänge <strong>von</strong> Rothenfels. Jäger und<br />

Fischer werden die ersten gewesen sein, die hier den<br />

Wald und den Fluss und die Bäche nach Nahrung absuchten.<br />

Zweifellos waren sie im Namen und Auftrag<br />

der nahegelegenen Benediktinerabtei Neustadt unterwegs.<br />

Denn der umliegende Grund vom Main bis weit<br />

in den Spessart hinein gehörte seit karolingischer Zeit<br />

diesem als adelige Familienstiftung entstandenen<br />

Kloster. Für eine Siedlung an der Stelle der späteren<br />

Stadt Rothenfels unten im Tal und des Dorfes Berg<strong>rothenfels</strong><br />

oben auf der Anhöhe gibt es jedoch keine<br />

Nachweise und auch keine Wahrscheinlichkeit, bevor<br />

überhaupt auf dem roten Felsen über dem Main die<br />

Burg entstand. 10<br />

Der fränkische Adelige Marquard II. <strong>von</strong> Grumbach<br />

(um 1113/1125-1171), Vogt des Klosters Neustadt<br />

und enger Mitarbeiter der ersten staufischen<br />

Könige, baute seine Burg ab 1150 als einen <strong>von</strong> meh-<br />

9 Vgl. Anm. 28 und 29.<br />

10 Ausführlich dazu W. Mogge, Anfänge <strong>von</strong> Rothenfels; ders.,<br />

Stadt Rothenfels.<br />

reren Familiensitzen und künftiges Herrschaftszentrum<br />

der Region. In einem ausführlichen Vertrag vom<br />

8. Juli 1150 zwischen dem Abt und dem Aristokraten<br />

wurden die Konditionen für das aufwändige Projekt<br />

genau geregelt. Der mächtige Herr <strong>von</strong> Grumbach<br />

nahm die starcke veste burgk mit zugehörigem Land<br />

vom Kloster zu Lehen. Dabei ist noch keine Rede <strong>von</strong><br />

bereits vorhandenen Höfen oder Häusern, geschweige<br />

denn einer Ansiedlung. Die wird erst zeitgleich mit der<br />

Burg aus Versorgungshöfen der neuen Befestigung<br />

entstanden sein. 11<br />

Aus wenigen Mosaiksteinen urkundlicher Überlieferungen<br />

ergibt sich eine ungefähre Vorstellung der<br />

Anfänge <strong>von</strong> Rothenfels. Die ersten Vorkommen des<br />

Ortsnamens, zum Beispiel <strong>von</strong> 1159, betreffen stets<br />

nur die Burg, nicht die Siedlung. 12 Im Jahr 1282 – inzwischen<br />

haben die Grafen <strong>von</strong> Rieneck die Herren<br />

<strong>von</strong> Grumbach beerbt – ist in einem Friedensvertrag<br />

zwischen dem Grafenhaus und dem Hochstift Würzburg<br />

zum ersten Mal <strong>von</strong> einem Amt zu Rotenvels die<br />

Rede. 13 Zu der Zeit haben die Fürstbischöfe das ehemals<br />

reichsfreie Kloster Neustadt längst unter ihre<br />

weltliche und geistliche Herrschaft gezwungen und<br />

verfügen auch über dessen Lehen. In einer Beschrei-<br />

11 Ausführlich dazu W. Mogge, Dies uralt Haus, S. 10-12, 36-42,<br />

107-112; ders., Burg Rothenfels im Hochmittelalter (dort S. 6<br />

farbige Abbildung der Urkunde vom 8. 7. 1150).<br />

12 W. Mogge, Dies uralt Haus, S. 29, 40, 272 f.<br />

13 StAWü WU 8620 (Urkunde vom 17. 1. 1282). Vgl. Th. Ruf,<br />

Grafen <strong>von</strong> Rieneck, Teil I, S. 149, 381; W. Mogge, Dies uralt<br />

Haus, S. 46, 51.


10 Winfried Mogge<br />

bung des Rothenfelser Lehens (feodum) aus dem Jahr<br />

1317 werden die Klostervogtei (advocacia) und zugehörige<br />

Güter (bona), die Burg (castrum) und das Gericht<br />

(cent) im Zusammenhang genannt. 14 Somit wird<br />

hier eine bereits ausgebildete Herrschafts- und Verwaltungsstruktur<br />

sichtbar.<br />

Dank einiger weniger Hinweise scheinen nun Beamte<br />

nicht nur in der Burg, sondern auch im Ort auf:<br />

ein Schultheizz als Vertreter des Landesherrn (1319) 15 ,<br />

ein Priester als Rector der Kirche (1341) 16 . Ein sicheres<br />

Datum ist dann das Jahr 1342: Rothenfels wird<br />

zum ersten Mal in Urkunden stat (Stadt) genannt, und<br />

zwar in einem Vertragswerk vom 12. November zwischen<br />

Kaiser Ludwig IV. dem Bayern (1314-1347)<br />

und seinen Söhnen und dem Würzburger Fürstbischof<br />

Otto II. <strong>von</strong> Wolfskeel (1333-1345) über die Verteilung<br />

des Erbes der Grafen <strong>von</strong> Rieneck-Rothenfels,<br />

die kurz zuvor ausgestorben waren (1333). 17<br />

In jenem Jahr 1342 bestand hier also schon ein<br />

verfasstes Gemeinwesen im Schutz der Burg, und das<br />

konnte kaum innerhalb kurzer Zeit aus dem Boden gestampft<br />

werden, sondern musste schon länger gewachsen<br />

sein. Ein Gründungsdatum oder eine formelle<br />

Erhebung zur Stadt ist, wie so oft im Mittelalter, für<br />

Rothenfels nicht bekannt. Auch über die Zusammensetzung<br />

und die Tätigkeiten der Bewohner erfährt man<br />

zu der Zeit noch nichts. Indirekt wird jedoch mitgeteilt<br />

und darf man schließen: Es gab an diesem Ort eine arbeitsteilige<br />

Bürgerschaft mit Selbstverwaltung und<br />

Gerichtsbarkeit, mit Befreiung <strong>von</strong> der Leibeigenschaft,<br />

Steuererleichterungen und der Pflicht, eine<br />

Mauer zu bauen und zu erhalten. Denn das sind einige<br />

Merkmale des Rechtsgebildes Stadt, und die werden<br />

durch die zeitlich folgenden Nachrichten für Rothenfels<br />

bestätigt. 18<br />

Die ersten schriftlichen Unterlagen über Umfang<br />

und Verwaltung, Einnahmen und Ausgaben, Menschen<br />

und Berufsgruppen der hochmittelalterlichen Stadt lassen<br />

noch länger auf sich warten, was wiederum den<br />

Zufällen der Überlieferung geschuldet ist. Sie setzen<br />

ein mit zwei <strong>von</strong> der Forschung bisher nicht ausge-<br />

14 H. Hoffmann, Ältestes Lehenbuch, Teilband 1, S. 113 (Nr.<br />

1090).<br />

15 C. H. v. Lang / M. v. Freyberg, Regesta, Bd. V, S. 418 (Urkunde<br />

vom 26. 11. 1319). Die Interpretation erfolgt mit Vorbehalt:<br />

Möglicherweise ist der in der gräflichen Urkunde genannte<br />

Gottfrid Schultheizz dicto Rotenvels als ein Beamter vor Ort<br />

und der Name als Amtsbezeichnung zu verstehen. Vgl. P. Kolb,<br />

Chronik, S. 25 und 57.<br />

16 StAWt-R US 1341 Juni 8. In der Privaturkunde über eine Stiftung<br />

handelt Henricus de windauwe (Windau, Windheim) sacerdos<br />

Rector Ecclesie in Rotenfels (Rektor der Kirche in<br />

Rothenfels), die es also schon vorher gegeben haben muss. Vgl.<br />

P. Kolb, Chronik, S. 238.<br />

17 Bayerische Akademie der Wissenschaften, Monumenta Boica,<br />

Bd. 40, S. 429-438 (Nr. 195/1-3); teils nachgedruckt bei P.<br />

Kolb, Chronik, S. 335-337. Weitere Quellen zu dem Vorgang<br />

bei W. Mogge, Dies uralt Haus, S. 374 Anm. 203-208.<br />

18 Vgl. Th. Ruf, Quellen und Erläuterungen, S. 35 f; P. Kolb,<br />

Chronik, S. 24 ff, 56 ff, 139 f und oft; W. Mogge, Dies uralt<br />

Haus, S. 90 ff.<br />

werteten Zins- und Gültbüchern des Ritters Eitel Voit<br />

<strong>von</strong> Rieneck aus dem Jahr 1450. 19 Dessen in Mainfranken<br />

verbreitete und erfolgreich wirtschaftende Familie<br />

– nicht zu verwechseln mit den Grafen <strong>von</strong><br />

Rieneck – hatte eine Menge Eigen- und Pfandbesitz<br />

auch um Rothenfels gesammelt und in solchen Büchern<br />

ihre Einkünfte daraus verzeichnet. Es folgt eine<br />

erste Bestandsaufnahme der Zinß und gulte zu Rotenfels<br />

(1474), überliefert im ältesten Würzburger Salund<br />

Lagerbuch, das Fürstbischof Rudolf II. <strong>von</strong> Scherenberg<br />

(1466-1495) gleichermaßen für alle damaligen<br />

Landämter des Hochstifts in Auftrag gegeben hatte. 20<br />

Wiederum einige Jahre später ließ der fürstbischöfliche<br />

Amtmann die Weistümer des Amtes Rothenfels<br />

aufzeichnen, also die bislang nur mündlich überlieferten<br />

Rechte und Pflichten und Abgaben der Bürger verschriftlichen<br />

(1494). 21<br />

Aus all diesen Aufzeichnungen lassen sich Informationen<br />

zu den rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen<br />

der Stadt und der Amtsdörfer ziehen. Doch<br />

erst im folgenden Jahrhundert setzen die wirklich ergiebigen<br />

städtischen Schriftquellen ein: Protokollbücher<br />

(Rats- und Stadtgerichtsprotokolle ab 1531 22 ) und<br />

Steuerlisten (Bede-Register <strong>von</strong> 1531 23 ). Eine Fülle<br />

<strong>von</strong> Namen und Daten eröffnet nun Einblicke in die<br />

Verwaltung, die soziale Schichtung und das Alltagsleben<br />

des Ortes, der vom Ackerbürgerstädtchen aufsteigt<br />

zu einem bescheidenen Handels- und Gewerbezentrum<br />

der Region. 24<br />

Dicht verschleiert sind für heutige Betrachter die<br />

Anfänge des Dorfes Berg<strong>rothenfels</strong>. Es liegt nahe, auf<br />

der weiten Hochfläche hinter der Burg und nicht im<br />

engen Flusstal die ersten Versorgungshöfe der Grumbacher<br />

und Rienecker Burgherren und dann einen<br />

großen Bauhof als Eigenbetrieb des Hochstifts Würzburg<br />

anzulegen. 25 Die Heuser hinter dem Schlos Rottenfels<br />

uff dem Berg oder auff dem Berg tzu Rotenuels<br />

oder einfach nur uff dem berg heißt diese Ansiedlung<br />

in den ersten erhaltenen Schriftquellen aus dem 15.<br />

19 StAWt-G Rep. 102 Nr. 2433 (unpaginiert); Rep. 54 Nr. 101 fol.<br />

2-7. Einige Daten aus letzterem bei P. Kolb, Chronik, S. 57, 366<br />

Anm. 182.<br />

20 StAWü Salbuch Nr. 1 fol. 281-314. Vgl. D. Rödel, Erstes Salbuch,<br />

S. 38-41. Eine „Ortsstatistik“ bietet G. Christ, Lohr, S.<br />

314-328.<br />

21 StadtAR II 1/1 (Stadtbuch B, bezeichnet Anno 1413, tatsächlich<br />

eine Sammlung <strong>von</strong> Urkundenkopien des 15. bis 17. Jhs.,<br />

nach dem ersten Text fälschlich auf 1413 datiert), S. 1-8; StA-<br />

Wü Salbuch Nr. 136 (zusammengestellt 1540), Nr. 137 (zusammengestellt<br />

etwa 1596), Nr. 138 (Zusammenfassung mehrerer<br />

älterer Salbücher und Konzepte, 1683); StAWt-R S 2 Nr. 474<br />

(1683-1724); S 2 Nr. 522 (1732/33). Ausführliche Beschreibung<br />

der Quellen bei W. Mogge, Dies uralt Haus, S. 91 ff, 386 Anm.<br />

387-391.<br />

22 StadtAR II 2/1 (Ratsprotokolle 1531-1553), II 2/2 (Ratsprotokolle<br />

1590-1594), II 2/3 (Ratsprotokolle 1592-1616), II 2/4<br />

(Ratsprotokolle 1594-1595).<br />

23 StadtAR II 7/1 (Beth-Register 1531).<br />

24 Ausführlich dazu P. Kolb, Chronik, S. 91-110, 164-183 und oft.<br />

25 Ausführlich dazu W. Mogge, Dies uralt Haus, S. 36-44, 107-<br />

112.


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 11<br />

Würzburger<br />

Urkunde,<br />

März 1222<br />

In der Zeugenreihe,<br />

vorletzte Zeile:<br />

natan de rotenuelse<br />

Jahrhundert. 26 Seit dem Beginn der Aufzeichnungen<br />

erscheint Berg<strong>rothenfels</strong> als ein Teil der Stadt, und die<br />

Bewohner des Dorfes genießen die Bürgerrechte; nur<br />

für 150 Jahre, <strong>von</strong> 1822 bis 1972, gehen die Kommunen<br />

getrennte Wege. 27 Die jüdische Gemeinde, um ein<br />

Ergebnis der Untersuchung vorwegzunehmen, wird im<br />

Lauf der Zeit aus dem ummauerten Bereich der Stadt<br />

in das offene Dorf verdrängt.<br />

Angesichts der relativ späten Nachrichten über die<br />

Anfänge <strong>von</strong> Rothenfels erscheint es geradezu sensationell,<br />

dass wir über den Juden Nathan bereits aus der<br />

ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts Kunde <strong>von</strong> der<br />

Existenz des Ortes haben und auch den Namen eines<br />

Bewohners kennen. Galten bisher die Grafen <strong>von</strong><br />

Rieneck-Rothenfels (1243-1333) zu Recht als planmäßige<br />

Förderer der Siedlung und des Amtes, so rücken<br />

nun schon die Herren <strong>von</strong> Grumbach (1150-1243) als<br />

mögliche und wahrscheinliche Gründer eines Dorfes<br />

oder Marktes ins Blickfeld. Mehr lässt sich dazu aus<br />

den Dokumenten <strong>von</strong> 1222 und 1234 aber nicht herauslesen,<br />

ohne in Spekulationen zu verfallen.<br />

26 StAWt-R Rep. 54 Nr. 101 fol. 5‘; StAWü Salbuch Nr. 136 fol.<br />

5‘, 10-18‘, 31‘; Salbuch Nr. 137 fol. 10-16, 228-233.<br />

27 Zum 1. 10. 1822 lösten sich Berg<strong>rothenfels</strong> und Windheim aus<br />

dem Gemeindeverband Rothenfels; mit dem 1. 1. 1972 wurde<br />

Berg<strong>rothenfels</strong> in die Stadt Rothenfels wieder eingegliedert.<br />

Ausführlich dazu P. Kolb, Berg<strong>rothenfels</strong>, passim.<br />

3. Nathan <strong>von</strong> Rothenfels und seine Zeit<br />

Worum geht es in diesen für die Rothenfelser Geschichte<br />

so willkommenen Würzburger Urkunden? Es<br />

handelt sich um Privatgeschäfte, wie sie in allen Städten<br />

alltäglich abgeschlossen und „mit Brief und Siegel“<br />

rechtskräftig werden. Beim ersten verpfändet der<br />

Ritter (und Würzburger Bürger) Billung der Jüngere<br />

<strong>von</strong> Pleichfeld dem Juden joseph de wertheim einen<br />

Weinberg in Unterdürrbach, einem heutigen Vorort der<br />

Stadt. Die Urkunde ist ausgestellt vom Schottenkloster<br />

St. Jakob, in der stattlichen Zeugenreihe findet sich<br />

natan de rotenuelse. 28 Beim zweiten Dokument geht<br />

es um Vererbung und Verkauf eines Hauses in Würzburg<br />

und der Einkünfte daraus zwischen jüdischen Familien.<br />

Hier sind Verwandte des Zeugen Joseph de<br />

Wertheim direkt beteiligt. Aussteller ist das Domkapitel,<br />

das Geschäft bezeugen mehrere Kanoniker und<br />

Laien und eine Reihe <strong>von</strong> Juden, darunter wieder Nathan<br />

de Rotenuels. 29<br />

28 StAWü WU 6507 (Urkunde ohne Tagesangabe, März 1222).<br />

Regest: C. H. v. Lang, Regesta, Bd. II, S. 127. Ohne Quellenangabe<br />

genannt bei F. Hundsnurscher / G. Taddey, Jüdische Gemeinden,<br />

S. 294.<br />

29 StAWü WU 7746 (Urkunde ohne Tagesangabe, März 1234).<br />

Regest: W. Engel, Urkundenregesten zur Geschichte der Stadt<br />

Würzburg, S. 30 f (Nr. 19). Druck: Bayerische Akademie der


12 Winfried Mogge<br />

Bemerkenswert an diesen Vorgängen ist, dass<br />

christiani ac iudei selbstverständlich neben- und miteinander<br />

handeln und hochrangige Kleriker und auch<br />

christliche Adelige und Bürger die Geschäfte der Juden<br />

bezeugen. 30 Die beiden Urkunden, zwölf Jahre<br />

auseinander liegend, dürften zufällig erhaltene Stücke<br />

einer ganzen Serie sein. Joseph und Nathan haben offensichtlich<br />

als angesehene Männer Kontakte zu führenden<br />

Kreisen in Würzburg. Sie bewegen sich frei<br />

und fern <strong>von</strong> ihren Heimatorten, leben vielleicht schon<br />

länger in der Hauptstadt, wo sie ihren Herkunftsnamen<br />

bekommen haben. 31 Wir erfahren nichts über ihre beruflichen<br />

und wirtschaftlichen Verhältnisse; wahrscheinlich<br />

sind sie vermögende Kaufleute, die sich<br />

Immobilienbesitz leisten können und flüssiges Geld zu<br />

verleihen haben. Einige Juden aus Wertheim, vielleicht<br />

aus der Familie des Joseph, wurden auf dem<br />

Friedhof der mittelalterlichen Würzburger Gemeinde<br />

beerdigt. 32 Möglicherweise hat auch Nathan <strong>von</strong> Rothenfels<br />

seinen Lebensmittelpunkt und sein Ende in<br />

der Bischofsstadt gefunden; aber das darf nicht mehr<br />

als eine Vermutung sein.<br />

Die Metropole am Main ist zu der Zeit der Mittelpunkt<br />

des fränkischen Judentums. 33 Es ist das „goldene<br />

Zeitalter“ in der Geschichte der Würzburger Juden,<br />

eine Zeit des Friedens für mehrere Generationen zwischen<br />

Wellen <strong>von</strong> Vertreibung und Vernichtung: „Nie<br />

wieder erleben sie später eine so lange Periode relativer<br />

Sicherheit, wirtschaftlicher und kultureller Blüte<br />

und religiöser Intensität.“ 34 Eine organisierte Gemeinde<br />

<strong>von</strong> etwa 700 Personen mit differenzierter Berufsstruktur<br />

lebt in einem offenen Stadtviertel um den jetzigen<br />

Marktplatz, baut ihre Hauptsynagoge an der<br />

Stelle der heutigen Marienkapelle, unterhält eigene soziale<br />

und kulturelle Einrichtungen. Ihre Kaufleute und<br />

Unternehmer sind wohlmögende Nachbarn der Christen<br />

und auch am fürstbischöflichen Hof angesehen. In<br />

Würzburg leben und arbeiten in jener Zeit bedeutende<br />

Wissenschaften, Monumenta Boica, Bd. 45, S. 77 f (Nr. 46).<br />

Die Urkunde trägt auf der Rückseite mehrere Signaturen und<br />

eine hebräische Schriftzeile: Schulden bei Raw [Herrn] Joseph.<br />

30 Zitat aus der Urkunde <strong>von</strong> 1234 (wie Anm. 29).<br />

31 Mehrere Autoren werten die Urkunde <strong>von</strong> 1234 als Beweis für<br />

den Zuzug <strong>von</strong> Juden nach Würzburg im 13. Jh. u. a. aus Rothenfels<br />

und Wertheim (K. Müller, Würzburger Judengemeinde,<br />

S. 44; H.-P. Baum, R. Leng und R. Meier, Kehillot Keddoschot,<br />

S. 7). Weitere Spuren des Nathan <strong>von</strong> Rothenfels außer den Urkunden<br />

<strong>von</strong> 1222 und 1234 sind in Würzburg nicht nachweisbar<br />

(freundliche Mitteilung des Stadtarchivs Würzburg).<br />

32 K. Müller, S. Schwarzfuchs und A. Reiner, Grabsteine, Bd. 2<br />

Teil 1, S. 319 f (Stein Nr. 192) und 954 f (Stein Nr. 647). Die<br />

Angabe bei K. Müller, Würzburger Judengemeinde, S. 44 Anm.<br />

9 (Grabsteine Nr. 519 und 1212) ist zu korrigieren (freundliche<br />

Mitteilung <strong>von</strong> Prof. Dr. Dr. Karlheinz Müller, Würzburg). –<br />

Der Würzburger Grabstein Nr. 647 (datiert zwischen 1241 und<br />

1260) ist der eines Knaben Schim'on, des Sohnes des Herrn<br />

[…] aus Wertheim. Raw (Herr) wird auch Joseph <strong>von</strong> Wertheim<br />

auf der Rückseite der Urkunde <strong>von</strong> 1234 tituliert (vgl. Anm.<br />

29).<br />

33 Vgl. K. Müller, Würzburger Judengemeinde, S. 43.<br />

34 R. Flade, Würzburger Juden, S. 6.<br />

Rabbiner und jüdische Gelehrte, deren theologische<br />

und juristische Werke und Entscheidungen im gesamten<br />

Reich gelesen und gefragt werden. 35<br />

Der Sonderstatus der deutschen Juden als religiöse<br />

Minderheit mit eigenem Recht und besonderem<br />

Schutz ist scheinbar gesichert durch reichsweit geltende<br />

Garantien der Könige und die Landfriedensgesetzgebung<br />

seit Beginn des 12. Jahrhunderts. Der<br />

Königsschutz, teuer bezahlt durch regelmäßige und außerordentliche<br />

Abgaben an die Kammer des Herrschers,<br />

wird allerdings im Lauf des 13. Jahrhunderts<br />

an Landesherren, Adelige und Städte verkauft oder<br />

verpfändet. Und so geraten die königlichen Kammerknechte,<br />

wie die Juden seit 1236 allgemein genannt<br />

werden, auch in der Stadt und im Hochstift Würzburg<br />

ab 1247 in die Abhängigkeit <strong>von</strong> Fürstbischöfen, dann<br />

auch Domkapiteln, Klöstern, Grafen und sogar<br />

Reichsrittern. Der Judenschutz wird zum finanziell<br />

einträglichen und politisch interessanten Regal territorialer<br />

Mächte. 36<br />

Der Rechtsschutz der Minderheit ist brüchig in<br />

Zeiten sozialer Unruhen in den Städten; er versagt<br />

meist dann, wenn hysterische religiöse Massenbewegungen<br />

das Land heimsuchen. Die erste große Katastrophe<br />

dieser Art wirkte sich in Würzburg zunächst<br />

nur indirekt aus. In der Vorbereitungsphase des ersten<br />

Kreuzzuges (1096-1099) zur „Befreiung“ Jerusalems<br />

und des Heiligen Landes <strong>von</strong> den „Ungläubigen“ waren<br />

ungeordnete, fanatisierte Kolonnen durch das<br />

Rheinland gezogen, hatten tausende nun als „Gottesmörder“<br />

stigmatisierte Juden getötet und ihre alten<br />

Zentren zerstört. Überlebende Flüchtlinge konnten<br />

sich nach Franken retten und um das Jahr 1100 in<br />

Würzburg eine neue Gemeinde gründen.<br />

Zu Beginn des zweiten Kreuzzuges (1147-1149)<br />

gelang es dem <strong>juden</strong>freundlichen Würzburger Bischof<br />

Siegfried <strong>von</strong> Truhendingen (1146-1150) nicht, seine<br />

Schutzbefohlenen vor dem verbrecherischen Tatendrang<br />

der in seiner Stadt lagernden Kreuzfahrer zu bewahren;<br />

unter dem Vorwand, die Juden hätten einen<br />

jungen Christen umgebracht, war es am 24. Februar<br />

1147 zu einem Pogrom gekommen.<br />

Danach aber gab es, trotz zahlreicher Übergriffe an<br />

vielen Orten auch in Franken, in Würzburg die zitierte<br />

Friedens- und Blütezeit für die jüdische Gemeinde.<br />

Die Wende kam schlagartig mit dem Jahr 1298, dem<br />

Beginn der großen Judenverfolgungen des Hochmittelalters.<br />

Die nun einsetzenden Ereignisse betrafen<br />

nicht nur die Residenzstadt, sondern auch die ländlichen<br />

Orte des Hochstifts. 37<br />

35 Ausführlich dazu K. Müller, Würzburger Judengemeinde, S.<br />

29-62, 85-95.<br />

36 Ausführlich dazu I. König, Judenverordnungen, S. 11-29, 45 f;<br />

K. Müller, Würzburger Judengemeinde, S. 63-84.<br />

37 Ausführlich dazu Germania Judaica, Bd. I S. 475-496; Bd. II/1,<br />

S. 928-936; K. Müller, Würzburger Judengemeinde, S. 17-29,<br />

96-111. Dort jeweils weiterführende Literaturlisten und Quellennachweise.


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 13<br />

Würzburger Urkunde,<br />

März 1234,<br />

und anhängendes Siegel<br />

des Domkapitels<br />

In der Zeugenreihe,<br />

vierte Zeile <strong>von</strong> unten:<br />

Nathan de Rotenuels<br />

4. Spuren der ersten jüdischen Gemeinde<br />

Die guten Jahrzehnte der Würzburger Juden dürften<br />

auch die Blütezeit der mittelalterlichen Siedlung in<br />

Rothenfels gewesen sein. Das entspräche jedenfalls<br />

der allgemeinen Entwicklung in der Region. Jüdisches<br />

Leben ist in Orten des heutigen bayerischen Regierungsbezirks<br />

Unterfranken teils schon im 12., dann<br />

vielfach im 13. Jahrhundert nachweisbar, im näheren<br />

Umkreis um unsere künftige Stadt namentlich in Arnstein,<br />

Gemünden, Homburg, Karlstadt, Lohr und<br />

Rieneck. 38 Rothenfels zählt mit seinen Nachrichten<br />

<strong>von</strong> 1222 und 1234 zu den frühesten Belegen.<br />

Wir wissen nicht, wie es den Rothenfelser Juden<br />

während der Pogrome des Mittelalters erging. Es gibt<br />

für diese Zeit keine urkundlichen Nachrichten oder<br />

zeitgenössischen Berichte aus unserem Ort. In den damaligen<br />

Memorbüchern – Totengedenkbüchern für die<br />

Opfer der Verfolgungen ab 1298 – ist Rothenfels nicht<br />

vertreten. 39 Das kann ein Hinweis auf die Unvollständigkeit<br />

dieser besonderen Art <strong>von</strong> Quellen sein. Es ist<br />

38 Vgl. L. Scherg, Jüdisches Leben; Germania Judaica, Bd. II/1, S.<br />

23, 275 f, 387 f, 429 f; Bd. II/2, S. 701. Dazu auch A. Haverkamp,<br />

Geschichte der Juden, Teil 2 (Ortsartikel), Teil 3<br />

(Karten). Fortlaufend ergänzte Ortsartikel in der Online-Dokumentation<br />

www.alemannia-judaica.de.<br />

39 Vgl. S. Salfeld, Martyrologium; A. Pomerance, Memorbücher.<br />

unwahrscheinlich, dass der würzburgische Grenzort<br />

<strong>von</strong> dem „neue(n) Phänomen der sich epidemieartig<br />

ausbreitenden Judenverfolgungen“ 40 verschont blieb.<br />

Das erste in Frage kommende Ereignis dieser Art<br />

wäre die Rintfleisch-Verfolgung <strong>von</strong> 1298 gewesen.<br />

Die inzwischen in Deutschland und Europa grassierende,<br />

religiös begründete Judenfeindschaft entzündete<br />

sich zu der Zeit meist an dem Vorwurf des<br />

„Hostienfrevels“. Eine solche angebliche Schändung<br />

einer gestohlenen konsekrierten Hostie führte zunächst<br />

in Röttingen im Taubertal zu einem Massenmord an<br />

Juden; <strong>von</strong> hier aus setzte sich ein König Rintfleisch<br />

genannter Anführer an die Spitze fanatisierter Massen<br />

und zerstörte vor allem in Franken zahlreiche jüdische<br />

Gemeinden. Allein in der Stadt Würzburg, wohin sich<br />

auch Juden aus der Umgebung geflüchtet hatten, wurden<br />

etwa 900 Menschen ermordet. 41<br />

Ähnliche Vorgänge wiederholten sich 1336/37, als<br />

ein Ritter Arnold <strong>von</strong> Uissigheim genannt Armleder<br />

Bauern und städtisches Proletariat zum Vernichtungsfeldzug<br />

gegen Juden in und um Franken anführte; in<br />

diesem Fall konnten Bürger und Rat <strong>von</strong> Würzburg<br />

40 K. Müller, Würzburger Judengemeinde, S. 96.<br />

41 Zusammenfassende neuere Literatur: R. Flade, Würzburger Juden,<br />

S. 19-36; K. Arnold, Abweichung im Glauben, S. 337-346;<br />

K. Müller, Jüdische Gemeinde, S. 515-534;


14 Winfried Mogge<br />

wenigstens die Einwohner der Stadt schützen. Die<br />

Hauptforderung der Armleder-Erhebung war die<br />

„Schuldentilgung“ durch gewaltsam erzwungene Herausgabe<br />

aller Schuldscheine jüdischer Gläubiger; dies<br />

zeigt überdeutlich die Verquickung religiös verbrämter<br />

und amtskirchlich geförderter antijüdischer Massenbewegungen<br />

mit wirtschaftlichen Interessen. 42<br />

Die ultimative Katastrophe für das mittelalterliche<br />

Judentum in Deutschland kam dann in der Folge der<br />

sprunghaften Ausbreitung des Schwarzen Todes, der<br />

Beulenpest, in den Jahren 1347 bis 1352. Die Schuld<br />

an der damals unerklärlichen und unentrinnbaren Seuche<br />

wurde kollektiv den „Brunnenvergiftungen“ durch<br />

Juden zugeschoben. Wo es in Franken noch jüdische<br />

Gemeinden gab, wurden diese ausgerottet. Die meisten<br />

Würzburger Juden kamen in der Nacht vom 20.<br />

zum 21. April 1349 ums Leben, ermordet <strong>von</strong> ihren<br />

Nachbarn. 43<br />

Jedes dieser Ereignisse hätte das Ende der jüdischen<br />

Gemeinde auch im Städtchen Rothenfels bedeuten<br />

können, das sich vor den Heimsuchungen der<br />

nahegelegenen Hauptstadt und umliegender Orte nicht<br />

verstecken, geschweige denn gegen einen etwaigen<br />

Ansturm rache- und beutehungriger Massen verteidigen<br />

konnte oder wollte. Die schriftlichen Quellen geben<br />

keine Auskunft, ob und wann hier die Juden<br />

vertrieben oder umgebracht wurden oder vielleicht<br />

fliehen konnten.<br />

Allen Katastrophen zum Trotz hat es im Spätmittelalter<br />

wieder jüdische Bewohner in Rothenfels gegeben.<br />

Dafür finden sich nur wenige verstreute, indirekte<br />

Nachweise – Informationen aus Rechtsgeschäften an<br />

anderen Orten, deren Inhalt hier nicht weiter interessiert,<br />

die jedoch einige Namen und Daten für unseren<br />

Zusammenhang bieten:<br />

– 1329 gewinnt ein Jude Jacob <strong>von</strong> Rotenfels vor<br />

dem Landgericht Würzburg einen Streit um den Kauf<br />

eines Gutes gegen die Adelsfamilie <strong>von</strong> Dettelbach. 44<br />

Der Herkunftsname lässt aufhorchen – da ist zu jener<br />

Zeit ein jüdisches Umfeld in Rothenfels zu vermuten.<br />

– In dem bereits zitierten Vertrag <strong>von</strong> 1342 zwischen<br />

Kaiser Ludwig IV. und Fürstbischof Otto II.<br />

wird das Eigentum an den vormals rieneckischen Burgen<br />

und Städten Rothenfels und Gemünden geteilt,<br />

einschließlich der Rechte an neu hinzukommenden<br />

Bürgern, ez wern kristen oder <strong>juden</strong>. 45 Das mag eine<br />

42 Wie Anm. 41.<br />

43 Die schriftlichen Quellen dazu sind ediert: H. P. Baum, Quellen<br />

zu Judenverfolgungen. Kritisch zur bisherigen Literatur K.<br />

Müller, Würzburger Judengemeinde, S. 96-137. Letzterer widerspricht<br />

der Theorie vom kollektiven Freitod der Würzburger<br />

Juden in ihren brennenden Häusern beim Pogrom <strong>von</strong> 1349, der<br />

in der Literatur, älteren Chronisten und zeitgenössischer Propaganda<br />

folgend, stereotyp behauptet wird.<br />

44 M. Schäfer, Würzburger Landgericht, Teil II Nr. 529 (17. 10.<br />

1329), dazu auch Nr. 474 (14. 9. 1327); B. Kreutz, Quellen,<br />

Bm. Würzburg Nr. 294 (27. 6. 1329).<br />

45 Bayerische Akademie der Wissenschaften, Monumenta Boica,<br />

Bd. 40, S. 431 (vgl. Anm. 17).<br />

formelhafte Bestimmung sein, kann aber auch zeigen,<br />

dass man damals Juden in dem würzburgischen Amtsort<br />

auf der Rechnung hatte.<br />

– Aus dem Jahr 1486, also mit einem großen zeitlichen<br />

Sprung, stammt die nächste (und nach derzeitigem<br />

Wissensstand letzte) Nachricht für Rothenfels aus<br />

dem Spätmittelalter. Die gemeine Judenschaft der<br />

Reichsstadt Frankfurt am Main distanziert sich hier<br />

<strong>von</strong> einer verurteilten und geächteten Jüdin namens<br />

Bestian. Wir erfahren nicht, worum es in diesem<br />

Rechtsstreit ging, erhalten aber die Information, die<br />

Frau sei „wohnhaft zu Rothenfels unter dem Bischof<br />

<strong>von</strong> Würzburg“. 46 Das tat sie zweifellos nicht allein,<br />

sondern mindestens mit einer familiären Einbettung.<br />

Selbstverständlich reichen die wenigen Daten und<br />

Namen nicht aus, die Existenz einer kontinuierlichen<br />

jüdischen Gemeinde im mittelalterlichen Rothenfels<br />

am Main zu behaupten. Man kann allenfalls vermuten,<br />

dass jener Nathan <strong>von</strong> 1222 und 1234 nicht allein in<br />

dem aufstrebenden kleinen Ort am westlichen Rand<br />

des Hochstifts lebte, dass er dort eine Familie und ein<br />

jüdisches Umfeld hatte, bevor er möglicherweise ganz<br />

nach Würzburg ging. Den Sprüngen der landesherrlichen<br />

Politik im Wechsel <strong>von</strong> Vertreibung und Duldung<br />

unterworfen, haben sich Juden wohl mehrmals neu in<br />

Rothenfels niederlassen können – so eine mögliche<br />

und einleuchtende Interpretation der höchst lückenhaften<br />

Überlieferung.<br />

Über das Ende der älteren Gemeinde schweigen<br />

sich die Archive aus. Wo die Daten fehlen, blühen die<br />

Vermutungen, und so gibt es in der Literatur unterschiedliche<br />

Angebote vom 13. bis 16. Jahrhundert. 47<br />

Beweise dazu werden in keinem Fall genannt. Spätestens<br />

im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts, so viel darf<br />

man nach der Aktenlage feststellen, leben in Rothenfels<br />

keine Juden mehr: 1531 setzen die hiesigen<br />

Ratsprotokolle und Grundsteuerregister ein, und die<br />

enthalten noch lange keine Mitteilungen über jüdische<br />

Bewohner. 48 Ein weiteres Indiz: Die Quellen berichten<br />

in jenem Jahr über eine Begräbnisstätte der ehemaligen<br />

Gemeinde nur noch in der Vergangenheitsform.<br />

Es gab im mittelalterlichen Rothenfels einen eigenen<br />

jüdischen Kirchhof – ein gewichtiges Argument<br />

für die Existenz einer Gemeinde. Auch dieser Nachweis<br />

gelingt nur indirekt. Das „Haus der Ewigkeit“,<br />

das jeder jüdische Friedhof sein soll, ist hier schon mit<br />

dem Ausgang des Mittelalters aufgelassen worden und<br />

verschwunden, vielleicht im Rahmen einer Vertreibung.<br />

Aber der eindeutige Flurname Judenkirchhof<br />

lebt in den Akten und im alltäglichen Sprachgebrauch<br />

fort.<br />

46 D. Andernacht, Regesten, Teil 2 Nr. 2303 (18. 10. 1486).<br />

47 B. Z. Ophir, Pinkas Hakehillot, Karte bei S. 376 (mit vagen, unbelegten<br />

Datierungen zu Berg<strong>rothenfels</strong> und Rothenfels); I.<br />

Schwierz, Steinerne Zeugnisse, S. 118 (Untergang der jüdischen<br />

Gemeinde „am Ende des 13. oder am Anfang des 14.<br />

Jahrhunderts“).<br />

48 Vgl. S. 10.


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 15<br />

Seite aus dem Rothenfelser Bede-Register <strong>von</strong> 1531<br />

Vorletzte Zeile: … garten genant der Jüden Kirchoff<br />

Die frühesten feststellbaren Hinweise finden sich<br />

im ältesten erhaltenen Grundsteuerregister <strong>von</strong> Rothenfels<br />

<strong>von</strong> 1531. Dort sprechen zwei Einträge über<br />

jährliche Zahlungen für sich: III d <strong>von</strong> eÿnem garten<br />

genant der Jüden Kirchoff und XV d vom rod, und Juden<br />

Kirchoff ober der stadt. 49 Das deckt sich mit der<br />

Notiz in einer späteren Würzburger Zusammenstellung<br />

der Zinsen und Güldt zu Statt- und Berg Rottenfels;<br />

dort heißt es: 3 d Zins <strong>von</strong> ungefehr 4/4 morgen<br />

Wiesgartten am Juden Kirchhoff genandt. 50 Der Name<br />

hält sich in den Grundsteuerlisten bis ins 19. Jahrhundert.<br />

51 Der Verfasser des 1882 begonnenen Rothenfelser<br />

Pfarrbuches wusste noch Bescheid: Der Garten<br />

genannt Judenkirchhof [...] lag rechts <strong>von</strong> der Wiebelsteige<br />

am Anfang des Mittelweges. 52<br />

49 StadtAR II 7/1 S. 22 und 44. Die Abkürzung d bedeutet denar<br />

(Pfennig). Rod ist ein durch Rodung gewonnenes Landstück, in<br />

der Quelle <strong>von</strong> 1531 häufig in verschiedenen Fluren genannt.<br />

Die beiden Steuerzahler des Zitats sind Hanß Weber Schiffman<br />

und Heintz Mynner.<br />

50 StAWü Salbuch Nr. 138 S. 196.<br />

51 StadtAR II 7/2 S. 57, 60, 80, 96 f, 101, 123, 131, 134, 141, 146,<br />

155 f, 165, 181, 187 f. Gelegentlich taucht die Bezeichnung Judenkirchhoff<br />

bei Grundstücksverkäufen und -versteigerungen<br />

auf, z. B. StadtAR II 2/11 S. 598 f (13. 9. 1774). Oft befinden<br />

sich die Parzellen über mehrere Generationen in Familienbesitz.<br />

52 PfarrAR Pfarrbuch (Chronik II, begonnen 1882 <strong>von</strong> Pfarrer<br />

Franz Anton Bauer), S. 298. Entsprechend die teils auf der<br />

Ausschnitt aus der Uraufnahme <strong>von</strong> 1843<br />

Oben Mitte: Flurbezeichnung Iudenkirch-Hof<br />

Mit bestmöglicher Eindeutigkeit gibt die „Uraufnahme“<br />

der Rothenfelser Gemarkung Auskunft über<br />

den gesuchten Ort. Auf dieser Karte, im Jahr 1843 vermessen<br />

und gezeichnet als Unterlage zum bayerischen<br />

„Grundsteuerkataster“, ist nördlich der Stadt ein Flurstück<br />

mit der Bezeichnung Iudenkirch-Hof zu entdecken.<br />

Dazu gehörte auch ein Teil der anschließenden<br />

Flur namens Hasengarten. 53 Das Gelände ist heute<br />

noch genau auszumachen und einzugrenzen: ein ebener,<br />

<strong>von</strong> Süd nach Nord verlaufender keilförmiger<br />

Streifen zwischen der den Main begleitenden Landstraße<br />

und dem in nördliche Richtung zum Landwehrgraben<br />

führenden Mittleren Weg. Auf der Westseite<br />

steigen die Steilhänge zum Halleberg an, gegen Norden<br />

gibt es Erweiterungsmöglichkeiten. Der Wiebel,<br />

auf der Karte Steig und Oberer Steig genannt, die alte,<br />

Pfarrchronik beruhende Stadtchronik: StadtAR IV 3/3, Chronik<br />

der Stadtgemeinde Rothenfels (begonnen 1925 <strong>von</strong> Oberlehrer<br />

Georg Max Fuß), Bd. I S. 202. – Pfarrchronik und Stadtchronik<br />

sind immer dann brauchbar, wenn die Verfasser (leider meist<br />

ohne Quellenangaben) auf ältere Protokollbücher zurückgreifen<br />

oder selbst als Zeitzeugen berichten. Die dortigen unkritischen<br />

Sammlungen <strong>von</strong> Abschriften und Regesten aus Würzburger<br />

Urkunden und Salbüchern bzw. Rothenfelser Protokoll- und<br />

Rechnungsbüchern mit zahlreichen Lesefehlern ersetzen keinesfalls<br />

den Zugriff auf die Originale.<br />

53 Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung<br />

(München), NW.085.62b.


16 Winfried Mogge<br />

Rothenfels:<br />

Das Gelände des mittelalterlichen<br />

jüdischen<br />

Friedhofs heute<br />

(Blick nach Norden)<br />

seit jeher gepflasterte Verbindungsstraße vom Tal hoch<br />

zur Burg und zum Dorf Berg<strong>rothenfels</strong>, liegt mit einer<br />

scharfen Kehre tatsächlich etwas weiter südlich als in<br />

der Pfarrchronik beschrieben; er beginnt bei dem heute<br />

nicht mehr sichtbaren ehemaligen Hafen und Stapelplatz<br />

der Stadt.<br />

Die Karte <strong>von</strong> 1843 zeigt das Gelände des Judenkirchhofs<br />

auffällig zerstückelt in 18 Parzellen. Die dort<br />

eingetragenen Ziffern sind keine Flurnummern, sondern<br />

verweisen auf die damaligen Grundstücke und<br />

Häuser in der Stadt, denen sie so zugeordnet werden<br />

können. Dank des 1847 angelegten Grundsteuerkatasters<br />

lassen sich 14 Haus- und Grundbesitzer und die<br />

Kommune selbst als Inhaber identifizieren. Auch die<br />

damalige Nutzung des Geländes geht aus den Bezeichnungen<br />

der Steuerlisten hervor: Judenkirchhofgarten<br />

mit Wiese, Acker, Garten oder Gemüsegarten. 54<br />

Als Rothenfelser Bürger hier ihre Gärtchen bewirtschafteten,<br />

den urkundlichen Nachrichten zufolge bereits<br />

im 16. Jahrhundert, war der Friedhof nur noch<br />

eine Erinnerung. 1880/81 entstand dann auf dem Gelände<br />

der Bahndamm für die Eisenbahnlinie, der wiederum<br />

110 Jahre später nicht mehr gebraucht und im<br />

Bereich der Stadt zu einer Hochwasserschutzanlage<br />

mit Umgehungsstraße umgebaut, ansonsten zu einem<br />

Radwanderweg eingeebnet wurde. Heute befindet sich<br />

das Areal des ehemaligen Judenfriedhofs vollständig<br />

im Besitz der Kommune und präsentiert sich als gepflegte<br />

Wiese mit einem kleinen Feuchtbiotop und ei-<br />

54 StAWü GrStKat Rothenfels, Grund- Saal- und Lagerbuch, Bde.<br />

I-IV, fol. 2, 135, 155, 183, 309, 432, 500, 590, 559, 598, 689,<br />

728, 876, 976 (alte Plannummern 451, 457-468, 475). Vgl. B.<br />

Rösch, Judenweg, S. 100-106, 158 f, 404 f. Die Autorin kennt<br />

das Grundsteuerkataster, nicht aber die zugehörige Karte der<br />

„Uraufnahme“.<br />

nem Pavillon als Rastplatz für Wanderer. 55 Überreste<br />

der historischen Anlage, etwa wiederverwendete<br />

Grabsteine, sind bisher nie aufgetaucht.<br />

Es muss eine vermögende Gemeinschaft gewesen<br />

sein, die sich das Grundstück für einen solchen Friedhof<br />

leisten konnte: wie üblich außerhalb des Ortes,<br />

aber nicht versteckt, sondern gut sichtbar in prominenter<br />

Lage. Weitere Einrichtungen dieser älteren jüdischen<br />

Gemeinde <strong>von</strong> Rothenfels – etwa eine Synagoge<br />

als eigenes Gebäude oder nur ein Versammlungsraum<br />

oder ein Bad – und Wohnhäuser ihrer Mitglieder lassen<br />

sich mit den neuzeitlichen Akten und Karten nicht<br />

orten.<br />

Zwischen der mittelalterlichen und der neuzeitlichen<br />

Judenschaft <strong>von</strong> Rothenfels liegen fünfzehn oder<br />

mehr Jahrzehnte, da gibt es keine Kontinuitäten. Jedenfalls<br />

bleibt der Ort ein weißer Fleck auf der reformationszeitlichen<br />

Landkarte, was die Nachweise <strong>von</strong><br />

jüdischen Bewohnern betrifft. Anderenorts wehren<br />

sich damals Stadträte gegen die Zuweisung <strong>von</strong><br />

Schutz<strong>juden</strong> und halten Pfarrer Hasspredigten gegen<br />

die Andersgläubigen, so in Lohr am Main 1559 und<br />

1571, was dort die allmähliche Wiederansiedlung dieser<br />

Minderheit bezeugt. 56 Für Rothenfels gibt es solche<br />

Zeugnisse nicht, und auch die Ratsprotokolle und Jahresrechnungen<br />

schweigen sich hier lange aus, bis sie<br />

ab der Mitte des 17. Jahrhunderts sporadisch über Alltagsangelegenheiten<br />

wie Handelsgeschäfte, Geldzah-<br />

55 Die alten Flurstücke sind integriert in die neuen, größeren Flurnummern<br />

618 und 618/35 (freundliche Auskunft der Stadtverwaltung<br />

Rothenfels).<br />

56 G. Christ, Lohr, S. 74 f; Th. Ruf, Quellen und Erläuterungen, S.<br />

165 f. In Lohr, unter der Herrschaft der Grafen <strong>von</strong> Rieneck<br />

kirchlich reformiert, handelt es sich um den evangelischen Pfarrer<br />

Matthias Tinctorius, der 1571 suspendiert wurde.


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 17<br />

lungen und Bestrafungen <strong>von</strong> Juden berichten. 57 Erst<br />

in den neuzeitlichen Schriftquellen – obrigkeitlichen<br />

Statistiken ab der Mitte des 17., umfangreichen Aktenbildungen<br />

seit Beginn des 18. Jahrhunderts – zeichnet<br />

sich ein Bild ab.<br />

Irritierend wirken angesichts dieser Feststellungen<br />

gehäufte Mitteilungen seit der Mitte des 15. Jahrhunderts<br />

über eine Familie mit dem Beinamen Jud oder<br />

Jüde, die um Rothenfels und in den zugehörigen Dörfern<br />

Zimmern und Windheim Gärten, Weingärten,<br />

Wiesen und Äcker besitzt und im Hafenlohrtal eine<br />

Mühle betreibt. 58 In diesem Fall handelt es sich jedoch<br />

nicht um die übliche klarstellende oder diskriminierende<br />

Bezeichnung für jüdische Männer, sondern um<br />

einen alten deutschen, christlichen Beinamen. 59 Der<br />

kommt, abgeleitet <strong>von</strong> dem mehrfach besetzten biblischen<br />

Namen Judas, in jener Zeit auch in Franken vor<br />

– so im Amt Rothenfels. 60<br />

5. Sprünge der Würzburger Judenpolitik<br />

Dass sich in Rothenfels nur zeitweise jüdische Familien<br />

ansiedeln und halten können, ist zweifellos ein Ergebnis<br />

der Judenpolitik der Würzburger Fürstbischöfe<br />

seit dem späten Mittelalter. Die ist zwar sprunghaft<br />

und für jede Amtszeit sehr differenziert zu betrachten,<br />

aber im Zeitraffer sind doch einige Grundlinien zu erkennen.<br />

61<br />

– Nach dem Pogrom <strong>von</strong> 1349 lassen sich nur zögerlich<br />

Juden wieder in der Hauptstadt Würzburg nieder,<br />

wo sie zunächst geduldet und mit landesherrlichen<br />

Schutzbriefen (das heißt: Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen)<br />

ausgestattet werden. Zugleich beginnt<br />

ein lang andauernder historischer Prozess, dessen Ur-<br />

57 StadtAR II 2/1 ff (wie Anm. 22).<br />

58 Im Zins- und Gültbuch des Eitel Voit v. Rieneck <strong>von</strong> 1450<br />

(StAWt-G Rep. 102 Nr. 2433, unpaginiert) ist als Einnahme aus<br />

Windaw verzeichnet: Item die Mülle X. malter korns beeerbt<br />

Hans Jüde. Im ältesten Grundsteuer-Register <strong>von</strong> Rothenfels<br />

<strong>von</strong> 1531 (StadtAR II 7/1 fol. 11, 28, 133, 134, 137, 139, 143,<br />

155, 157) versteuert Hans Jüde (Hanns Jud, Hanns Jud Muller)<br />

zahlreiche Besitzungen und die Einnahmen <strong>von</strong>n der Muelenn<br />

in Windaw; außer ihm werden Heintz Jud und Paul Jud genannt.<br />

Ein Würzburger Salbuch <strong>von</strong> 1540 (StAWü Salbuch Nr.<br />

136 fol. 7' und 8) nennt Weingärten in Zimmern benachbart Juden<br />

Hansen. Im Ratsprotokollbuch derselben Zeit (StadtAR II<br />

2/1) wird Hans Jud zwischen 1535 und 1546 laufend genannt<br />

(fol. 9-69), u. a. als Hanns Jud der Muller zu windaw (fol. 28).<br />

– B. Rösch (Judenweg, S. 333) hält Hans Jud irrigerweise für<br />

einen Juden.<br />

59 In der erst ab 1606/07 erhaltenen Rothenfelser Pfarrmatrikel<br />

werden mehrere Mitglieder der Familie Jud aus Zimmern als<br />

verstorben genannt, u. a. 1629 Eva Jüdin, Hans Jüden zu Zimmern<br />

Uxor. PfarrAR ohne Signatur, Pfarrmatrikelkartei (Abschrift<br />

des ältesten Matrikelbuches in Karteiform <strong>von</strong> Josef<br />

Hepp, 1990).<br />

60 Vgl. E. Nied, Fränkische Familiennamen, S. 80; A. Heintze / P.<br />

Cascorbi, Familiennamen, S. 283 f.<br />

61 Als Hintergrund für das gesamte Kapitel, differenziert nach den<br />

Episkopaten bis zu Julius Echter <strong>von</strong> Mespelbrunn: K. Müller,<br />

Würzburger Judengemeinde.<br />

sachen in der Forschung noch nicht geklärt sind: die<br />

Ansiedlung <strong>von</strong> Juden in Kleinstädten und auf dem<br />

Lande. Im Würzburg benachbarten Heidingsfeld und<br />

in den Residenzen und Dörfern der unabhängigen Grafen<br />

und Ritter finden jüdische Migranten geschützte<br />

Lebensmöglichkeiten. 62<br />

– Trotz einer Serie <strong>von</strong> kollektiven und individuellen<br />

Freibriefen und Verträgen der Fürstbischöfe im 15.<br />

Jahrhundert gibt es noch lange keine Rechtssicherheit<br />

für die Juden. Die Existenz dieser Minderheit ist abhängig<br />

<strong>von</strong> der religiösen Gesinnung und den wirtschaftlichen<br />

Interessen und vor allem den politischen<br />

Handlungsspielräumen des jeweiligen Landesherrn.<br />

Phasen <strong>von</strong> Tolerierung und sogar Förderung werden<br />

durch mehr oder weniger konsequent umgesetzte Verweisungen<br />

aus dem Hochstift zunichte gemacht. 63<br />

– Die fürstbischöflichen Regierungen erfinden oder<br />

übernehmen nach Vorbildern aus der Reichsgesetzgebung<br />

stets neue Restriktionen für die Juden, wenn sie<br />

denn im Land geduldet werden: Kleidervorschriften<br />

und das Tragen besonderer Kennzeichen, Berufsverbote<br />

für nahezu alle Erwerbszweige außer Kleinhandel<br />

und Geldleihe, Ausschluss <strong>von</strong> der Zunftorganisation,<br />

Beschränkungen auf oft ghettoähnliche Wohnverhältnisse,<br />

Verbot <strong>von</strong> Landerwerb und Erschwerung <strong>von</strong><br />

Hausbesitz – und immer neue Sonderbesteuerungen, je<br />

nach Bedarf der Staatskasse auch Enteignungen. 64<br />

– Die Fürstbischöfe des 16. Jahrhunderts erscheinen<br />

als Vollstrecker einer allgemeinen antijüdischen Bewegung.<br />

Die findet ihre Legitimation und Verschärfung<br />

in der Gegenreformation, dem „Ausschluss <strong>von</strong><br />

Mehrkonfessionalität im Bistum Würzburg“ 65 , beginnend<br />

in der Amtszeit des Lorenz <strong>von</strong> Bibra (1495-<br />

1519). Der <strong>von</strong> religiösem Eifer getriebene Friedrich<br />

<strong>von</strong> Wirsberg (1558-1573) weist seit dem Jahr 1560<br />

wiederholt die seinen massiven Bekehrungsversuchen<br />

trotzenden Juden aus der Hauptstadt und dem ganzen<br />

Hochstift aus. Sein Versuch, auch die unter adeligem<br />

Schutz stehenden Juden aus dem Land zu vertreiben,<br />

scheitert am Widerstand der fränkischen Ritterschaft<br />

und am Eingreifen des noch immer in letzter Instanz<br />

für den Judenschutz verantwortlichen Kaisers Maximilian<br />

II. (1564-1576). 66<br />

62 Vgl. I. König, Judenverordnungen, S. 92-102, 149-154, 157 f; J.<br />

F. Battenberg, Aus der Stadt auf das Land?, bes. S. 14, 32-35.<br />

Letzterer widerspricht der in Literatur vorherrschenden These,<br />

das Land<strong>juden</strong>tum sei durch Vertreibung aus den Städten entstanden,<br />

und beschreibt die „Verländlichung der Juden“ als vielschichtigen<br />

Vorgang <strong>von</strong> der Mitte des 14. bis zum Anfang des<br />

17. Jahrhunderts.<br />

63 Vgl. H. P. Baum, Jüdische Geschichte, S. 762-770; K. Müller,<br />

Würzburger Judengemeinde, S. 138-209; I. König, Judenverordnungen,<br />

S. 20-28, 33-37, 96-105; R. Ries, Verfolgung, S. 50<br />

ff.<br />

64 Vgl. R. Flade, Würzburger Juden, S. 36-58; I. König, Judenverordnungen,<br />

S. 61-76, 87-96, 124-140, 154-167, 171-175, 192,<br />

230-235 und oft.<br />

65 K. Müller, Würzburger Judengemeinde, S. 210.<br />

66 Vgl. I. König, Judenverordnungen, S. 105-117, 143-148; K.<br />

Müller, Würzburger Judengemeinde, S. 269-277. – B. Rösch


18 Winfried Mogge<br />

– Der Nachfolger auf dem<br />

Fürstbischofsstuhl, der in Würzburg<br />

bis heute als fürsorglicher<br />

Landesvater hagiografisch überhöhte<br />

Julius Echter <strong>von</strong> Mespelbrunn<br />

(1573-1617), will dem zum<br />

frühabsolutistischen Staat entwickelten<br />

Hochstift endgültig die<br />

konfessionelle Einheit wiedergeben<br />

und verfolgt mit kompromissloser<br />

Härte Lutheraner wie Juden.<br />

Seine radikale Judenpolitik begründet<br />

er allerdings mit wirtschaftlichen<br />

Argumenten. Gleich<br />

zu Beginn seiner Amtszeit erneuert<br />

und verschärft Julius Echter die<br />

Mandate seiner Vorgänger gegen<br />

Aufenthalt und Kontakt, Handel<br />

und Geldleihe der Juden in seinem<br />

Herrschaftsbereich. Das hätte für<br />

lange Zeit das Aus für diese Minderheit<br />

im Würzburger Großraum<br />

bedeutet, hätten nicht Grafen und<br />

Reichsritter ein starkes ökonomisches<br />

Interesse an den steuer- und<br />

schutzgeldzahlenden Juden gehabt<br />

– und zugleich die Gelegenheit<br />

wahrgenommen, dem Landesherrn<br />

durch Aufnahme <strong>von</strong> Flüchtlingen<br />

ihre Unabhängigkeit zu demonstrieren.<br />

Der wiederum muss gegen<br />

Ende seiner Amtszeit die zunehmende<br />

Ansiedlung <strong>von</strong> Adels<strong>juden</strong><br />

akzeptieren und auch das Handels-, Aufenthalts- und<br />

Durchreiseverbot im Fürstbistum lockern. 67<br />

– Julius Echters Nachfolger stehen vor der Aufgabe,<br />

das im Dreißigjährigen Krieg verwüstete Land zu<br />

reorganisieren. Die Fürstbischöfe wie auch die wechselnden<br />

Besatzer brauchen die Juden und deren Handelsbeziehungen<br />

und bedienen sich hemmungslos<br />

ihrer Kredite und Vermögen. Doch nach wie vor geschehen<br />

Ausweisungen <strong>von</strong> Juden aus der Stadt oder<br />

dem ganzen Hochstift Würzburg, so 1637, 1642 und<br />

ein letztes Mal 1673. In den ländlichen Orten aber<br />

lässt sich die Entwicklung nicht mehr umkehren, sondern<br />

nur noch steuern – mit einer Vielzahl landesherrlicher<br />

Verordnungen über Leben und Arbeit der<br />

nunmehr geduldeten Minderheit. 68 Allen Hindernissen<br />

(Judenweg, S. 86) meint, die Vertreibung aus Würzburg <strong>von</strong><br />

1560 könnte auch Juden in Karlstadt und Rothenfels betroffen<br />

haben, und beruft sich für Rothenfels auf P. Kolb (Chronik, S.<br />

105). Dort sowie in den Rothenfelser Quellen findet sich jedoch<br />

kein Hinweis auf dieses Datum und diesen Zeitraum.<br />

67 Vgl. A. Wendehorst, Bistum Würzburg, S. 145, 196-204, 222;<br />

K. Müller, Würzburger Judengemeinde, S. 278-344; I. König,<br />

Judenverordnungen, S. 117-124, 173.<br />

68 Vgl. I. König, Judenverordnungen, S. 36 f, 171-235 und das<br />

dortige Quellenverzeichnis.<br />

zum Trotz entfaltet sich das fränkische Land<strong>juden</strong>tum<br />

mit seinen eigenen Organisationsstrukturen und seiner<br />

in steinernen Zeugnissen noch eindrucksvoll sichtbaren<br />

Kultur. 69<br />

– Im 18. Jahrhundert gibt es keine landesweiten<br />

Vertreibungen <strong>von</strong> Juden aus dem Hochstift Würzburg<br />

mehr. Mehr oder weniger stillschweigend verschwinden<br />

auch manche Belastungen wie das zwangsweise<br />

Tragen eines gelben Ringes an der Kleidung als diskriminierende<br />

Kennzeichnung. Auch mehren sich die regierungsamtlichen<br />

Bestimmungen zum Schutz der<br />

Juden vor Schmähungen und Übergriffen aus der<br />

christlichen Bevölkerung. Die absolutistischen Landesherren<br />

rücken <strong>von</strong> der Verfolgungs- und Verbotsideologie<br />

ihrer Vorgänger ab und verlegen sich<br />

stattdessen auf eine restriktive Ansiedlungs- und Bevölkerungspolitik.<br />

Ein 1719 gegründetes, der Regierung<br />

zugeordnetes Judenamt und eine Judenordnung<br />

<strong>von</strong> 1750 sollen die Angelegenheiten der jüdischen<br />

Menschen in geordneten Bahnen regeln und kontrollieren.<br />

Wenn die Fürstbischöfe nach Julius Echter Ju-<br />

69 Vgl. L. Scherg, Epoche des Land<strong>juden</strong>tums, S. 227-237; L.<br />

Scherg, Jüdisches Leben; I. Schwierz, Steinerne Zeugnisse; H.<br />

P. Baum, R. Leng und R. Meier, Kehillot Keddoschot.


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 19<br />

den im Hochstift weitgehend dulden, dann ist das freilich<br />

keine Toleranz im modernen Sinne. Der Vorgang<br />

ist vielmehr wirtschaftlich kalkuliert, die Anzahl der<br />

zugelassenen Familien reguliert, ihr Aufenthaltsrecht<br />

nach wie vor <strong>von</strong> willkürlichen landesherrlichen Entscheidungen<br />

abhängig. 70 Erst nach der Säkularisierung<br />

der geistlichen Staaten Ende 1802 und dem Übergang<br />

Unterfrankens an Bayern beginnt der lange Weg zur<br />

bürgerlichen Gleichberechtigung. Erst die Reichsverfasung<br />

<strong>von</strong> 1871 verwirklicht die Emanzipation der<br />

Juden. 71<br />

Dank seiner territorialen Zersplitterung zählt der<br />

spätere Regierungsbezirk Unterfranken bis in das 20.<br />

Jahrhundert zu den Regionen mit der dichtesten jüdischen<br />

Besiedlung in Deutschland. 72 Im ehemaligen<br />

Untermainkreis gibt es im Stichjahr 1817 insgesamt<br />

217 jüdische Wohnorte. 73 Oder, um die Region um Rothenfels<br />

enger einzugrenzen: Im alten „Waldsassengau“,<br />

speziell der Mainlandschaft zwischen Würzburg,<br />

Gemünden, Lohr und Marktheidenfeld, scheinen in<br />

unterschiedlichen Perioden in 40 bis 60 Ortschaften<br />

historische Kehillot auf. Allein im heutigen Main-<br />

Spessart-Kreis lassen sich bis 1933 in 24 Städten und<br />

Dörfern jüdische Gemeinden nachweisen, <strong>von</strong> denen<br />

acht bereits vor 1900 eingehen, alle anderen während<br />

der nationalsozialistischen Herrschaft vernichtet werden.<br />

74 Das historische Amt Rothenfels mit seinen bis<br />

zu 19 Orten kennt jüdische Gemeinden in Karbach,<br />

Greußenheim und Rothenfels/Berg<strong>rothenfels</strong> und einzelne<br />

Familien zeitweise in Birkenfeld und Zimmern.<br />

6. Neubeginn und erste Namen<br />

Vor diesem Hintergrund ist die Geschichte der Juden<br />

in Rothenfels und Berg<strong>rothenfels</strong> zu sehen und zu verstehen.<br />

Der Neubeginn der hiesigen kleinen Gemeinde<br />

dürfte während des Dreißigjährigen Krieges anzusetzen<br />

sein, was sich mit der allgemeinen Entwicklung in<br />

der Region decken würde. Die ersten amtlichen Datierungen<br />

für Rothenfels stammen zwar aus der Nachkriegszeit;<br />

eine Nennung im Jahr 1646 und einige<br />

Formulierungen in den Akten lassen aber auf einen<br />

schon früheren Zuzug <strong>von</strong> Juden schließen.<br />

Leider fehlen für Rothenfels die vom Hochstift<br />

ausgegebenen Schutzbriefe, die genaue Auskunft über<br />

Personen und Daten geben würden. Der erste Name<br />

70 Vgl. I. König, Judenverordnungen, S. 83 f, 171-178, 220 f, 223-<br />

226, 300 f.<br />

71 Vgl. H. P. Baum, Jüdische Geschichte, S. 770-772; L. Scherg,<br />

Epoche des Land<strong>juden</strong>tums, S. 237 f; A. Brämer, Der lange<br />

Weg, S. 80 ff.<br />

72 L. Scherg, Jüdische Gemeinden, S. 156 f, 249.<br />

73 Mitten unter uns, Karte S. 2-3 (mit weiteren Karten S. 6 und<br />

14).<br />

74 B. Rösch, Judenwege, S. 82-93 (mit Karten und Auswertung<br />

der bisherigen Literatur); L. Scherg, Jüdisches Leben, S. 3-11<br />

(mit Karte S. 2).<br />

erscheint so eher zufällig in einem Vorgang des Rothenfelser<br />

Julius-Spitals: 1646 vermietet die fürstbischöfliche<br />

Stiftung dem Juden Jöstlein ein ihr<br />

gehörendes Häuschen für drei Jahre. 75 Wir erfahren<br />

sonst nichts über diesen Mann und sein Umfeld, auch<br />

nicht, woher er kommt und wie lange er in dem Ort<br />

gelebt hat; in den bald folgenden Würzburger Statistiken<br />

ist er jedenfalls nicht vertreten.<br />

Die nächsten – und ersten aussagekräftigen – Namen<br />

verdanken wir zwei Bestandsaufnahmen der landesherrlichen<br />

Administration. Die fordert noch in<br />

Kriegszeiten in unregelmäßigen Abständen bei allen<br />

Amtmännern genaue Informationen über die in ihren<br />

Amtsbezirken wohnhaften schutzverwandten Juden<br />

an. Die ersten Statistiken dieser Art sind für 1621 und<br />

1623 erhalten, in den folgenden <strong>von</strong> 1655 und 1675 ist<br />

Rothenfels dabei. 76<br />

Gefragt wird nach den familiären und wirtschaftlichen<br />

Verhältnissen, und die Aufstellungen dazu sind<br />

so aufschlussreich, dass sie eine nähere Betrachtung<br />

verdienen. Demnach leben 1655 im Amt (und hier in<br />

der Stadt) Rothenfels nur zwei Juden, Joseph und<br />

Mendlein, jeweils mit großen Familien. 77 Joseph ernährt<br />

seinen Anhang mit einem gemengten Kremlein<br />

<strong>von</strong> Barchet, Weiß unndt Schwartz wüllen Tuch, Bender<br />

und dergleichen, dessen aktuellen Warenwert er<br />

auf 50 Reichstaler veranschlagt. 78 Auch Mendlein handelt<br />

mit Tuchen, außerdem mit Ertz vor die Heffner<br />

unndt etzlicher gemeiner eÿsenwahr, mit einem Bestand<br />

im Wert <strong>von</strong> 120 Reichstalern, dazu 84 Gulden<br />

Bargeld. 79<br />

Beide Männer kombinieren ihren Handel mit dem<br />

Kleinkreditgeschäft, und das interessiert die Administration<br />

so sehr, dass sie eine genaue Aufstellung mit<br />

Namen, Orten und Beträgen verlangt. Joseph Judt listet<br />

Außenstände <strong>von</strong> durchschnittlich 2,8 Gulden bei<br />

124 Schuldnern in zwölf Amtsorten sowie in (Markt-)<br />

75 P. Kolb, Juliusspital-Stiftung, S. 147. Das 1597-99 erbaute und<br />

1601 offiziell gestiftete Rothenfelser Julius-Spital verfügte über<br />

umfangreichen Grund- und Hausbesitz, hatte jedoch, im Unterschied<br />

zu der großen Würzburger Spitalstiftung, keine Schutz<strong>juden</strong><br />

(freundliche Mitteilung <strong>von</strong> Dr. Peter Kolb, Würzburg).<br />

76 StAWü Administrationsakten 8318 (unpaginiert), hier die Vorgänge<br />

1655 und 1675. Die Erhebungen <strong>von</strong> 1621 und 1623 listen<br />

insgesamt 56 Familien unter hochstiftischem Schutz im<br />

Fürstbistum Würzburg auf.<br />

77 Wie Anm. 76 (5. 7. 1655). Josephs Ehefrau heißt Ester. Das<br />

Paar hat acht Kinder, <strong>von</strong> denen fünf noch bei den Eltern wohnen,<br />

und drei Stiefkinder, <strong>von</strong> denen zwei verheiratet sind und<br />

auswärts wohnen. Mendleins Ehefrau heißt Beeß (auch Besse),<br />

sie haben sieben Kinder, die alle noch unverehelicht bei den Eltern<br />

leben. Gemeinsam bezahlen beide Familien einen Lehrer<br />

Habriel.<br />

78 Reichstaler: Der 1566 als reichsweite Währungsmünze eingeführte<br />

silberne Taler, auch im Fürstbistum Würzburg neben dem<br />

weiterhin gebräuchlichen Gulden gängig. Vgl. W. Mogge, Dies<br />

uralt Haus, S. 119 f.<br />

79 Gemengtes Kremlein: Gemischtwarenhandel, hier als reisender<br />

Händler; Barchet: grober Leinenstoff; Ertz: Erz, metallhaltiges<br />

Mineralgemenge; Heffner: Häfner, Töpfer, auch Kachelofenbauer.


20 Winfried Mogge<br />

Heidenfeld und Wertheim auf, insgesamt knapp über<br />

349 Gulden. Mendlein Judt nennt 94 Schuldner im<br />

selben Umkreis, meist mit ähnlich geringen Beträgen,<br />

seine Forderungen addieren sich auf 506 Gulden. Beider<br />

Kunden und Schuldner sind ein repräsentativer<br />

Teil der Bevölkerung, vor allem Handwerker und Bauern,<br />

aber auch der Rothenfelser Centgraf (das ist der<br />

Vorsitzende der Dorfgerichtsorganisation), der Stadtschreiber,<br />

der Schulmeister, der Wildmeister, mehrere<br />

Schultheißen und das Kloster Neustadt. 80 Bei einer jederzeit<br />

möglichen Ausweisung hätte den so gefragten<br />

wie ungeliebten Kreditgebern wohl der Verlust ihrer<br />

Außenstände gedroht.<br />

Zwanzig Jahre nach dem Stichdatum 1655 haben<br />

sich die Verhältnisse derselben Personen erheblich<br />

verändert. Joseph ist soeben verwitwet. Seine Nahrung<br />

bestehet in einem sehr schlechten Crämlein, <strong>von</strong><br />

wenigen gewürtz, Wüllen und Leinen Tuch, alles weniger<br />

als 50 Taler wert. Er hat sich mit aussteuern seiner<br />

Kinder so weith verblutet, dass er sich under die armen<br />

einschreiben lassen, wie er dan auch ist. 81 Mendlein<br />

ist verstorben. Seine Witwe hat die erwachsenen<br />

ledigen Söhne Maÿer und Perlein bei sich. Die Familie<br />

führt das Handelsgeschäft fort mit einem Cram <strong>von</strong><br />

Gewürtz, Leinen und wullen Tuch, Eißen, Leder, rohen<br />

Heuten, undt andern den Bauern tauglichen wahren.<br />

Der Warenwert wird auf 400 Taler berechnet, hinzu<br />

kommen etwa 600 Taler Außenstände. Und Nehren<br />

sich zimblich wohl, bekennen auch uber diß 300 fl<br />

[Gulden] Paargeldt [Bargeld] zu haben. 82<br />

Die hier genannten Warengruppen sind ein Ausschnitt<br />

aus dem Sortiment, mit dem Juden zu der Zeit<br />

umherziehen dürfen. Die Beispiele zeigen zugleich die<br />

wichtige Rolle der jüdischen Händler bei der Versorgung<br />

der Landbevölkerung mit Kleidung und Gebrauchsgegenständen.<br />

83<br />

In der Meldung <strong>von</strong> 1675 werden zwei weitere<br />

80 Wie Anm. 76 (5. 7. 1655). Joseph und Mendlein vergeben fast<br />

ausschließlich Kleinkredite, Ausnahmen sind zwei Einzelbeträge<br />

<strong>von</strong> 34 und 168 fl (Gulden), letzterer an einen Bürger <strong>von</strong><br />

(Markt-)Heidenfeld. – Rothenfelser Bürger nehmen Zinsgelt bei<br />

Juden schon lange auf, bevor das vor Ort möglich ist. Gelegentlich,<br />

in strittigen Fällen, erscheint das in den Rats- bzw. Stadtgerichtsprotokollbüchern;<br />

zum Beispiel: 1593 streiten sich der<br />

Flößer Hans Endres und ein Kollege wegen der Rückzahlung<br />

eines Darlehens <strong>von</strong> 50 fl bei den Franckforder Juden (StadtAR<br />

II 2/2 S. 64). 1594 wird der Wirt und Bierbrauer Hans Lang genannt<br />

Stockstatter <strong>von</strong> Johel Juden zu Franckfurth zum Birnbaum<br />

und Aaron Juden zum Frölichen Mann in Franckfurth<br />

beim Stadtgericht Rothenfels wegen mangelnder Tilgung <strong>von</strong><br />

Darlehen verklagt; es geht um 223 und 426 fl (StadtAR II 2/4<br />

S. 92 f, 144-147).<br />

81 Wie Anm. 76 (20. 7. 1675). Nach dem Tod der Ehefrau vor vier<br />

Wochen wohnen Josephs Sohn Moÿses und dessen Frau Maria<br />

in der Trauerzeit vorübergehend bei ihm in Rothenfels. Moÿses<br />

ist Schutzjude der Herren <strong>von</strong> Hutten in Steinbach bei Lohr. Bei<br />

Joseph lebt sein vierzehnjähriges Töchterlein Rachel als Dienst<br />

Mägdtlein.<br />

82 Wie Anm. 76 (20. 7 1675). Zum Haushalt gehört auch eine<br />

Dienst Magdt namens Elle.<br />

83 Vgl. I. König, Judenverordnungen, S. 56-58, 192-199.<br />

hochstiftische Juden benannt, die offensichtlich neu<br />

im Amt Rothenfels zugelassen sind:<br />

In Karbach lebt Feÿferl mit seiner großen Familie,<br />

der einen Schulmeister seiner Kinder, sonst aber keine<br />

Ehalten noch andere befreunde oder frembte bei sich<br />

hat. Seine Nahrung ist <strong>von</strong> allerhandt Handelschafft<br />

und Crämereÿ under der Bawerschafft gebreuchig,<br />

<strong>von</strong> Leinen und schlechtem Wullen Tuch, Eÿsen, Leder,<br />

Wollen, gemeinen Zeugen, gewürtz, zu Zeiten mit<br />

Viehe, und was dergleichen vorkombt. Seinen aktuellen<br />

Warenwert aestimirt er auf etwa 200 Gulden, und<br />

er hat rund 200 Gulden Außenstände bei seinen Debitoren,<br />

dazu 100 Taler Bargeld. Er nehret sich sonsten<br />

wohl, trotz der Beeinträchtigung des Gewerbes in dießenn<br />

unruhigen Zeiten. Seine Abführungen an die organisierte<br />

hochstiftische Judenschaft werden nach<br />

einem Vermögen <strong>von</strong> 500 Talern berechnet. 84<br />

Dem Kollegen in Greußen (Greußenheim) hingegen<br />

geht es schlecht. Ambsell mit seiner nur kleinen<br />

Familie hat kein gesindt unnd niemandts frembts beÿ<br />

sich; er handelte vor dießem mit Viehe, ist aber anitzo<br />

dergestalt erarmbt, das er Kaum das Brod vor sich<br />

und seine Kinder hat. 85 Es gibt also erhebliche Unterschiede<br />

im wirtschaftlichen Status der hier ansässigen<br />

Juden, die sich allerdings untereinander stützen,<br />

durchreisende Händler beherbergen und beköstigen<br />

und auch wandernde Bettel<strong>juden</strong> aufnehmen. Die in<br />

der Literatur üblichen pauschalen Aussagen über die<br />

katastrophale Verarmung der fränkischen Land<strong>juden</strong><br />

sind zu relativieren: In Rothenfels (zum Beispiel) und<br />

den zugehörigen Amtsdörfern gibt es zwar Armut,<br />

aber auch einkömmlichen Verdienst und sogar bescheidenen<br />

Wohlstand jüdischer Familien. 86<br />

Ein weiteres für Rothenfels aufschlussreiches Zahlenwerk<br />

stammt aus dem Jahr 1699; es verdankt sich<br />

einer erneuten Anordnung der fürstbischöflichen Hofkammer,<br />

alle im Hochstift ansässigen Juden zu verzeichnen,<br />

was selbstverständlich der Kontrolle der<br />

Abgaben dienen soll. Im Amt Rothenfels sind es 11<br />

Mann, 11 Weiber, 39 Kinder, 5 Dienstbotten, insgesamt<br />

66 Köpfe, dazu in Karbach ein Räba [Rabbiner] oder<br />

Lehrer mit seiner Familie. Da<strong>von</strong> leben vier Familien<br />

in der Stadt Rothenfels: Moÿses, Behrlein, Maÿer und<br />

Jöstlein, insgesamt 22 Personen. Sie alle außer dem<br />

Rabbiner sind im Besitz würzburgischer Schutzbriefe;<br />

zwei weitere Familien wohnen in Karbach im Stettenberger<br />

Freihof im Schutz der Herren <strong>von</strong> Sickingen. 87<br />

84 Wie Anm. 76 (20. 7. 1675). Feÿferl und seine Ehefrau Lea haben<br />

drei Söhne (Aaron, Jacob und Menlein) und zwei Töchter<br />

(Judith und Gutradt). Der Schulmeister Davit ist aus Mahren<br />

gebürtig.<br />

85 Wie Anm. 76 (20. 7. 1675). Ambsell und seine Ehefrau Zinia<br />

haben zwei Buben (Liebman und Abraham) und ein Maÿtlein<br />

(Jentlein).<br />

86 Vgl. Anm. 125. Zu Armut und Bettel<strong>juden</strong> vgl. E. Schubert,<br />

Arme Leute, S. 151-178.<br />

87 StAWü Gebrechenamtsakten VI W 273 (unpaginiert). In dem<br />

zu Rothenfels gehörenden Zimmern lebt Wölfflein mit Weib,<br />

zwei Kindern und einer Dinstmaydt.


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 21<br />

Diese Angaben werden hier so ausführlich referiert,<br />

weil sie guten Aufschluss geben über Umfang,<br />

Familienstand und Erwerbstätigkeit der Land<strong>juden</strong> im<br />

Amt Rothenfels. Über die Herkunft dieser ersten Familien<br />

erfahren wir daraus nichts. Es gibt auch keine<br />

Selbstzeugnisse, die Auskunft geben könnten über ihre<br />

vorherigen Schicksale und Wanderungen. Sicher ist<br />

nur, dass sie oder ihre Vorfahren <strong>von</strong> der fürstbischöflichen<br />

Regierung im Hochstift zugelassen und zur<br />

Niederlassung auf die Orte verteilt wurden.<br />

Die zitierten Daten aus Würzburger Akten aus der<br />

zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts stimmen überein<br />

mit Rothenfelser Schriftquellen aus derselben Zeit. Zu<br />

nennen sind vor allem die Gotteshausrechnungen der<br />

katholischen Kirchengemeinde. Hier werden in der<br />

Rubrik Kirchennotdurft Lieferungen einheimischer<br />

und auswärtiger jüdischer Händler für die Pfarrkirche<br />

verbucht: Wachs und Dochte für Kerzen, Tuche und<br />

Schnüre für Mess- und Ministrantengewänder, Bretter<br />

und Nägel für das Kirchendach, Blei für Sakristeifenster<br />

und zum neuen Orgelwerk. So ergibt sich eine Reihe<br />

<strong>von</strong> Daten, die freilich lückenhaft bleibt und auch<br />

nicht erklärt, ob es sich jeweils um einen oder mehrere<br />

Träger eines Namens handelt. Oft fehlen namentliche<br />

Angaben und werden Auszahlungen nur dem Jud oder<br />

underschiedlichen Christen und Juden zugeordnet.<br />

Immerhin, die Belege sind für unsere Geschichte<br />

höchst willkommen.<br />

Als hiesiger Lieferant für Wachs wird 1669 zunächst<br />

der Jude Joseph genannt. Nach einer längeren<br />

Überlieferungslücke sind es ab 1682 für rund zwanzig<br />

Jahre Perlein (Behrlein, Perl, Berl), Moyses, Maÿer<br />

und Samuel, dann ab 1720 Hirschlein. 88 Während Judt<br />

Samuel dahier nur kurzzeitig in Rothenfels auftaucht,<br />

werden die anderen Männer noch häufig begegnen. Es<br />

handelt sich wohl um Söhne und Nachfolger der älteren<br />

Joseph und Mendlein.<br />

Aus wiederum anderen Unterlagen geht hervor,<br />

dass die Rothenfelser Juden während der Sommermonate<br />

auch als Viehhändler mit ihren Herden unterwegs<br />

sind. 89 Außer dem bereits bekannten Joseph treten in<br />

diesem Zusammenhang wiederum die Namen Moyses,<br />

Meyerlein und Perlein hervor. 1680 werden genau diese<br />

drei als Beisassen in Rothenfels verzeichnet, das<br />

heißt als Bewohner mit Aufenthaltsrecht, aber ohne<br />

Bürgerrechte, die Bestandgeld an die Stadt zahlen<br />

88 PfarrAR Gotteshausrechnungen 1563 ff (mit Lücken vor allem<br />

für 1570-1589, 1673-1680, 1623-1665; darin ab 1669 Nachrichten<br />

über jüdische Lieferanten, ausgewertet für die vorliegende<br />

Arbeit bis 1749). Ein Doppel der Jahresrechnung für 1687/88<br />

befindet sich im Stadtarchiv Rothenfels (StadtAR III 7/1). Die<br />

Belege zu den Gotteshausrechnungen sind nicht erhalten. –<br />

Zum Zuge kommen in Rothenfels auch auswärtige jüdische<br />

Händler vor allem aus Karbach. Bei den Materiallieferungen<br />

geht es fast alljährlich um größere Mengen Wachs, dann auch<br />

um Reparaturen an der 1612 errichteten Stadtpfarrkirche, die<br />

1686 eine neue Orgel bekommt; vgl. P. Kolb, Chronik, S. 243 f,<br />

248.<br />

89 StAWü Gebrechenamtsakten VI W 273 (unpaginiert).<br />

müssen. 90 Auch später, im 18. Jahrhundert und darüber<br />

hinaus, lassen sich mithilfe des Beisassengeldes – zuletzt<br />

Judengeld genannt – die nächsten Generationen<br />

in der Stadt und im Dorf namentlich verfolgen. 91<br />

7. Konflikte und Ausweisungen<br />

In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ändert sich<br />

die Szene durch Generationenwechsel und kommen<br />

neue Namen hinzu. Die schriftliche Überlieferung<br />

wird dichter, bleibt aber in Bezug auf die Juden bruchstückhaft.<br />

Die aus den Akten – Briefen, Protokollen,<br />

Erlassen – zu ziehenden Informationen werden ergänzt<br />

und bestätigt durch Datenmaterial der Bevölkerungsstatistiken,<br />

die anlässlich der Erbhuldigungen entstehen.<br />

Hinter diesem Begriff steckt die Einschwörung<br />

aller Bürger des Hochstifts auf einen neugewählten<br />

Fürstbischof bei dessen Antrittsreise durch das Land.<br />

Die Amtleute vor Ort organisieren jeweils die Zeremonien<br />

und liefern aktuelle Namenslisten der Einwohner.<br />

Dabei werden die Juden mal gesondert aufgeführt, mal<br />

vernachlässigt; ab 1720 sind Rothenfelser mit jeweils<br />

drei bis vier Familien in der Stadt und ein bis zwei<br />

Haushalten im Dorf dabei.<br />

In der Stadt erscheinen die Männer Nathan, Hirsch<br />

und Moÿses, bald kommt ein Perlein (Behrlein) hinzu.<br />

Die folgenden ein bis zwei Generationen tragen die<br />

Namen Maÿer, Berlein oder Perlein, Männlein und<br />

Hirsch, teils schon in Kombination mit dem Vaternamen,<br />

wobei die verwandtschaftlichen Zusammenhänge<br />

nicht immer eindeutig zu erkennen sind. 92<br />

90 StadtAR II 2/6 S. 347 (23. 1. 1680). Jud Moÿses zahlt jährlich 3<br />

fl, Jud Meÿerlein 3½ fl, Jud Perlein 3½ fl Beisassengeld. Zuvor<br />

waren es je 4 fl pro Familie, bald darauf wird nach Regierungsanordnung<br />

wieder auf den alten Betrag erhöht (S. 421, 25. 1.<br />

1687). Als Meyerlein einmal um Ermäßigung bittet, wird ihm<br />

auf Ratsbeschluss mitgeteilt, er solle in Ermangelung seiner Eigen<br />

Mitteln solches gelt mit schnurren samblen, oder seinen ufenthalt<br />

anderstwo ausser der statt suchen (S. 571, 9. 2. 1706).<br />

Später, nachdem die Juden auf Stadt und Dorf neu verteilt und<br />

die Ratsherren mit der Beschränkung ihrer Zahl wohl zufrieden<br />

sind, ist man nicht mehr so streng: 1755 und 1757 wird Jud<br />

Hirsch die Hälfte des Beisassengeldes ex gratia und in Anbetracht<br />

seiner Armut und Wohlverhaltens erlassen; StadtAR IV<br />

3/5 S. 4, 11.<br />

91 StadtAR III 11/3 (Bürgermeisterrechnung 1734/35) bis III<br />

11/77 (Gemeinderechnung 1832/33), jeweils unter Einnahmen<br />

in der Rubrik Beisassengeld, später in der Rubrik Bürgerrechte<br />

als Judengeld. Ab 1833/34 sind Judengelder nicht mehr im<br />

Plan. Bis dahin zahlt eine Familie jährlich 4 fl, zuletzt 5 fl, eine<br />

Witwe 2 fl. Solange Berg<strong>rothenfels</strong> als Ortsteil zu Rothenfels<br />

gehört, werden die Beisassengelder aus dem Dorf im Haushalt<br />

der Stadt vereinnahmt.<br />

92 StAWü Standbuch Nr. 933 fol. 519 (1720), Nr. 935 fol. 805<br />

(1725), Nr. 937 fol. 1603 (1731), Nr. 942 S. 248 (1748); StAWt-R<br />

J 2 Nr. 8 (Übersicht über die erbhuldigungspflichtigen Personen<br />

im Amt Rothenfels, darin Verzeichnis der Schutz<strong>juden</strong>,<br />

unpaginiert, undatiert [um 1731]. Vgl. die Tabelle S. 64. Der<br />

letzte erhaltene Vorgang dieser Art vor 1720 ist Standbuch Nr.<br />

929 (1623) und enthält noch keine Angaben über Juden im Amt<br />

Rothenfels.


22 Winfried Mogge<br />

Erste Konflikte der jüdischen Minderheit mit der<br />

christlichen Bevölkerung (oder, weil so in den Akten<br />

greifbar: mit Bürgermeister und Rat der Stadt) lassen<br />

nicht lange auf sich warten. Jetzt und in der Folgezeit<br />

laufen sie stets darauf hinaus, die Juden als Konkurrenz<br />

im Handel und auf dem Wohnungsmarkt anzuprangern;<br />

die Stadtoberen suchen stereotyp nach einer<br />

formalistischen Lösung der angeblichen oder tatsächlichen<br />

Probleme durch landesherrlich zu verfügende<br />

Ausweisungen. Dabei berufen sie sich auf Zusagen<br />

gleich mehrerer Fürstbischöfe, nicht mehr als jeweils<br />

zwei Schutz<strong>juden</strong> in Rothenfels zuzulassen. Diese<br />

willkürlich festgelegte Zahl wird dank ständiger Wiederholungen<br />

auch bei den Würzburger Regierungen<br />

bald nicht mehr hinterfragt. Tatsächlich decken sich<br />

die Rothenfelser Ereignisse mit einem Grundzug der<br />

landesherrlichen Politik seit dem 17. Jahrhundert, die<br />

jüdische Bevölkerung, wenn sie denn geduldet wird,<br />

möglichst gering zu halten. 93<br />

Ein aktenkundig gewordener Vorgang aus Rothenfels<br />

zeigt beispielhaft, welche grundsätzlichen Konfliktstoffe<br />

hinter den eher kleinlichen alltäglichen<br />

Auseinandersetzungen lauern und jederzeit hervortreten<br />

können. Am 18. Dezember 1675 verhandelt ein<br />

fürstbischöflicher Beamter im Rathaus über Klagen<br />

aus der Bürgerschaft gegen die Judenschaft des Städtchens.<br />

Vordergründig geht es darum, dass an Sonnund<br />

Feiertagen etliche Pfarrkindter und speziell das<br />

Bauersvolckh angeblich den Gottesdienst oder die Predigt<br />

versäumen, um die Judten Häußer im Städlein anzulaufen<br />

und dort Handtel undt Wandtel zu treiben. Im<br />

Verhör räumen der Stadtpfarrer und die Ratsherren<br />

ein, dass diese früher zu beobachtende Unsitte längst<br />

durch Verbote abgeschafft wurde, dass im Gegenteil<br />

die Juden peinlich genau darauf achten, sich besonders<br />

zu christlichen Gottesdienstzeiten unauffällig zu verhalten.<br />

94<br />

Dann aber packen die Ratsverwandten die eigentlichen<br />

Beschwerden aus – es ist das Leitmotiv der Konkurrenzangst<br />

und das Stereotyp des Wuchers. Die<br />

jüdischen Händler, so der Vortrag der Beschwerdeführer,<br />

beeinträchtigen die ohnehin notleidenden einheimischen<br />

Gewerbe und Krämer und nehmen dem<br />

gemeinen Bürgersmann die Nahrungsgrundlage. Besonders<br />

in den Dorfschaften handeln die wucherhafften<br />

Juden erfolgreich. Abhilfe sei nötig und möglich,<br />

wannen die hierzu schädlige Judtenschafft zum theil<br />

odter gäntzlichen auß der Statt amovirt und außgesetzt<br />

würdte. 95<br />

Der Zeitpunkt für diesen Vorstoß ist wohl kein Zufall.<br />

1675 ist ein „Jahr ohne Sommer“: Drei Monate<br />

93 Vgl. I. König, Judenverordnungen, S. 41, 235.<br />

94 Zu den Einschränkungen der Bewegungsfreiheit für Juden und<br />

den Verboten <strong>von</strong> Handel und Wandel an Sonn- und christlichen<br />

Feiertagen, auch allgemein zum „Schutz der christlichen<br />

Religion“ vor nahen Juden vgl. I. König, Judenverordnungen,<br />

S. 175-178, 195 f, 299 f.<br />

95 StAWü Judenschaft Nr. 81.<br />

lang, <strong>von</strong> Juni bis August, liegt Mitteleuropa unter<br />

kühl-feuchter Atlantikluft, mit schlimmen Folgen in<br />

Form verzögerter oder verdorbener Ernte und anschließender<br />

Teuerung der Lebensmittel. 96 In den Rothenfelser<br />

Schriftquellen werden zwar nicht<br />

ausdrücklich die Juden dafür verantwortlich gemacht,<br />

aber die Schuld an Naturkatastrophen und Missernten<br />

sucht die hilflose Bevölkerung oft bei ungeliebten<br />

Minderheiten. 97<br />

Bald nach der zitierten Grundsatzdiskussion folgt<br />

ein erster Versuch der Stadt Rothenfels, eine jüdische<br />

Familie auszuweisen. Mit Ratsbeschluss vom 10. Juli<br />

1676 wird dem Juden Perlein barsch mitgeteilt, daß<br />

er â dato innerhalb 2 monathen mit seinem weib die<br />

gemeine statd reümen solle, weilen gemeine statd keinen<br />

Juden mehr anzunehmen gedagt ist. 98 Der Vorgang<br />

ist schwer durchschaubar, weil ohne Genehmigung der<br />

Regierung eigentlich nicht denkbar; vielleicht war das<br />

ein versuchter Alleingang der Stadtoberen. Mit seinem<br />

Würzburger Schutzbrief muss Perlein es geschafft haben,<br />

diese Ausweisung zu umgehen; jedenfalls ist er<br />

noch mehr als vier Jahrzehnte lang in Rothenfels ansässig<br />

und aktiv. Wiederholt appelliert der Stadtrat an<br />

den jeweils regierenden Fürstbischof, nach Perleins<br />

künftigem Ableben keinen Nachrücker einzuweisen,<br />

was zwar zugestanden, aber nicht eingehalten wird.<br />

Die Zahl der Schutz<strong>juden</strong> für Rothenfels erhöht sich<br />

zeitweise sogar auf fünf, wogegen die Stadt immer<br />

wieder und schließlich mit Erfolg protestiert. 99<br />

Im Lauf des 18. Jahrhunderts bricht der Streit um<br />

die Juden in Rothenfels mehrmals offen aus. Vordergründig<br />

geht es dabei nach wie vor um die Anzahl der<br />

in der Stadt aufzunehmenden jüdischen Menschen.<br />

Die Juden erstreben nicht mehr und nicht weniger als<br />

die Zulassung erwachsen gewordener Söhne und ihrer<br />

Familien; die Stadtoberen wehren sich dagegen mit<br />

ökonomischen Erwägungen. Bei näherem Hinsehen<br />

geht es jedoch prinzipiell um das Existenzrecht der<br />

nach mehreren Generationen noch immer als Bedrohung<br />

für die Christengemeinde betrachteten Andersgläubigen.<br />

In der Rückschau stellt sich der Ablauf dar<br />

wie eine stufenweise Eskalation mit dramatischer Steigerung<br />

der Argumente.<br />

Die erste Stufe wird durch einen Zuzug provoziert.<br />

1702 oder kurz zuvor kommt ein Jude Aaron nach Rothenfels;<br />

seine Herkunft geht aus den Akten nicht hervor,<br />

möglicherweise stammt er aus einer Karbacher<br />

Familie. Fürstbischof Johann Philipp <strong>von</strong> Greiffenclau<br />

gibt einem sofort eingereichten Begehren des Stadtra-<br />

96 Ch. Pfister, Wetternachhersage, S. 156 f.<br />

97 In den Ratsprotokollen der Zeit (StadtAR II 2/6) findet sich<br />

dazu kein Vorgang.<br />

98 StadtAR II 2/6 S. 322 (10. 7. 1676).<br />

99 StAWü Gebrechenamtsakten IV R 153 (unpaginiert; 1719/20,<br />

dazu Kopien <strong>von</strong> Resolutionen und Dekreten <strong>von</strong> 1702, 1704,<br />

1719); StAWt-R Rep. 65g Nr. 47 (unpaginiert; 1749/51, dazu<br />

Kopien <strong>von</strong> Resolutionen, Dekreten und Protokollen ab 1702).<br />

Abschriften der Vorgänge auch in: StadtAR II 2/7 S. 161-165.


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 23<br />

Ausschnitt aus dem Rothenfelser Ratsprotokoll 1676<br />

tes mit erstaunlicher Eile nach, erklärt den vorliegenden<br />

Schutzbrief des Aaron für null und nichtig und<br />

verfügt die unverzügliche Emigration des Mannes,<br />

den er doch selbst erst zugelassen hat. Die Stadt bittet<br />

darum, sie künftig und generell nicht mehr mit dergleichen<br />

verderblichen Gesindt, zumahlen Bettel<strong>juden</strong>,<br />

zubeladen. Weitergehende Beschwerden seiner<br />

treuen Underthanen über die bereits in Rothenfels sitzenden<br />

Schutz<strong>juden</strong> verspricht der Landesherr gründlich<br />

untersuchen zu lassen. 100 Das ist der Auftakt einer<br />

ganzen Serie <strong>von</strong> Vorgängen dieser Art.<br />

Der nächste Akt ist bereits bekannt. 1719, wohl<br />

gleich nach dem ungeduldig erwarteten Tod des Juden<br />

Perlein, beantragen Bürgermeister und Rath zur Statt<br />

Rothenfelß, künftig nicht nur den Kindern ihrer bisherigen<br />

Schutz<strong>juden</strong> die Nachfolge zu verweigern, sondern<br />

überhaupt keinen anderen mehr zuzulassen – also<br />

einen nach dem anderen folgents gar außsterben zulassen.<br />

Damit finden sie aber weder bei Johann Philipp<br />

<strong>von</strong> Greiffenclau (1699-1719) noch bei dessen<br />

Nachfolger Johann Philipp Franz <strong>von</strong> Schönborn<br />

(1719-1724) gnädiges Gehör. Die Landesherren lassen<br />

sich offensichtlich nicht in ihre Praxis hineinreden,<br />

über das neue, zentrale Judenamt und nach eigener,<br />

letztinstanzlicher Entscheidung Schutzbriefe auszugeben<br />

und deren Inhaber auf die Landorte einzuweisen.<br />

101<br />

100 StAWü Gebrechenamtsakten IV R 153 (unpaginiert; Anlagen<br />

1702/04); StAWt-R Rep. 65g Nr. 47 (unpaginiert, Anlagen<br />

1702/04); dazu auch StadtAR II 2/7 S. 160 (Kopie des Dekrets<br />

vom 7. 12. 1702). Die zitierte weitere Klage gegen Ein- und<br />

andern daselbst in den Schutz sitzenden Juden liegt dem Aktenstück<br />

nicht bei. Zwischen Aaron und dem Amtskeller auf Burg<br />

Rothenfels gibt es noch einen strittigen Vorgang wegen der<br />

Aushändigung des annullierten Schutzbriefes und der Erstattung<br />

des Schutzgeldes.<br />

101 Über das Verfahren vgl. I. König, Judenverordnungen, S. 39-44,<br />

83 f.<br />

Aufschlussreich ist bei diesem Fall die auch später<br />

stets wiederkehrende ausschweifende Argumentation<br />

der Ratsherren. Das am Fuß des Berges eng eingeschlossene<br />

Städtlein, schreiben sie, verfüge nur über<br />

wenige eigene Feldgüter, so dass die Bürger sich mühsam<br />

mit Gewerben ernähren müssen. Da komme <strong>von</strong><br />

den Juden erheblicher Eintrag und Schaden [...] in der<br />

Gewerbschafft sowohl, als mit Ihrer Viehe Handtlung.<br />

Die wenigen Viehweiden würden im Sommer <strong>von</strong> den<br />

umherziehenden Herden der Juden geschwächt und<br />

beschädigt. Zudem mache sich im Ort ein Mangel an<br />

Wohnraum bemerkbar und wisse man bald nicht mehr,<br />

ob die Kinder hier noch leben und bleiben können –<br />

die Juden helfen, die Wohnungen klemb zu machen.<br />

Nun hoffe man auf endliche Erfüllung der wiederholten<br />

Bitten, <strong>von</strong> weiteren Schutz<strong>juden</strong> verschont zu<br />

bleiben und so der Stadt zu ermöglichen, auch künftig<br />

ihre Schatzung und Steuer an die Landesherrschaft zu<br />

zahlen.<br />

Dieser Supplikation <strong>von</strong> 1719 ist nur ein Teilerfolg<br />

beschieden: Ein Nachfolger für Perlein, verfügt die<br />

fürstbischöfliche Regierung, soll nicht nach Rothenfels<br />

eingewiesen, das geschwächte arme Städtlein fortan<br />

nur mit zwei jüdischen Haushaltungen beschwert<br />

werden. Die <strong>von</strong> den Ratsherren erhoffte Ausweisung<br />

aller gegenwärtigen Juden oder die gänzliche Verhinderung<br />

<strong>von</strong> Zuzügen steht jedoch in Würzburg nicht<br />

zur Diskussion. 102<br />

Die nächsten Betroffenen, nun in der folgenden<br />

Generation, sind die Familien <strong>von</strong> Nathan und Perlein<br />

(auch Berlein oder Berla, ein weiterer Träger dieses<br />

102 StAWü Gebrechenamtsakten IV R 153 (unpaginiert; 1719/20);<br />

StAWt-R Rep. 65g Nr. 47 (unpaginiert; 1749 mit Anlagen<br />

1702/04, 1719). Ein weiterer Beschwerdepunkt in derselben<br />

Bittschrift <strong>von</strong> 1719 betrifft die Eichelmast im Spessartwald,<br />

die den Bürgern neuerdings vom fürstlichen Hofmetzger streitig<br />

gemacht werde.


24 Winfried Mogge<br />

beliebten Namens). Ersterer wird bereits in den Erbhuldigungsdaten<br />

<strong>von</strong> 1720 genannt, letzterer ist dessen<br />

Schwager. Im Jahr 1734, in dem die nächste Aktion<br />

spielt, ist Nathan tot und Perlein zum Umzug aus der<br />

Stadt Rothenfels in das zugehörige Dorf Berg<strong>rothenfels</strong><br />

gezwungen worden, letzteres ein Erfolg der Ratsherren<br />

und ihrer unablässigen Eingaben an die<br />

Landesherrschaft. Der Ausgewiesene aber kämpft zunächst<br />

weiter für seinen Verbleib in der Stadt und hat<br />

dafür ein neues Argument: Nathans Witwe hat sich<br />

wieder verheiratet und will nach Arnstein ziehen, vier<br />

unmündige Kinder sollen bei Perlein in Rothenfels<br />

aufgezogen werden, der älteste Sohn, ebenfalls Perlein<br />

genannt, das Handelsgeschäft des verstorbenen<br />

Vaters übernehmen. Die Regierung des Fürstbischofs<br />

Friedrich Karl <strong>von</strong> Schönborn (1729-1746) bleibt hart<br />

– der Schutzbrief für Nathan ist mit dem Tod des Familienoberhauptes<br />

und dem Wegzug der Witwe erloschen<br />

und wird nicht auf die Kinder übertragen, aus<br />

Gnaden verstattet man ihnen den Aufenthalt auf dem<br />

Berg oder bei anderen Verwandten. 103<br />

Rigoros ist zwei Jahre später der Umgang mit dem<br />

noch minderjährigen jungen Perlein und seinem Erbe<br />

in Rothenfels, einem bürgerlichen Haus, das sein Vater<br />

Nathan laut Darstellung der Ratsherren und des<br />

Amtskellers mit geldt Herschießung (Geldverleih) an<br />

sich gebracht und ohne herrschaftlichen consens zeithero<br />

in Besitz gehabt. Unter Berufung auf das juris retractus<br />

– ein Wiederkaufsrecht der Christen für <strong>von</strong><br />

Juden erworbene Häuser – wollen einige Einwohner<br />

die damalige Kaufsumme für das Haus erlegen und<br />

das Anwesen übernehmen. Die Bürgerschaft, so die<br />

Begründung, würde damit <strong>von</strong> sehr vielen Beschwehrnissen<br />

liberiret, auch dem einen oder anderen ohnbewohnten<br />

Bürger seine harte gewerbschafft mit einem<br />

obdach erleichtert.<br />

Erneut argumentieren die Stadtoberen mit der wirtschaftlichen<br />

Not der Bevölkerung und dem Wohnungsmangel<br />

in der Stadt. Weitere Duldungen <strong>von</strong><br />

Juden oder gar Neuaufnahmen, schreiben sie, werden<br />

unausweichlich zum gäntzlichen Verderben dero Bürgerschafft<br />

und notgedrungen zu Auswanderungen <strong>von</strong><br />

Einheimischen führen. Amtsverwaltung und Regierung<br />

übernehmen diese Begründung, lassen die Einlösung<br />

des Hauses zu und verweisen den jungen Perlein<br />

zu seinen Verwandten nach Berg<strong>rothenfels</strong> oder an<br />

einen anderen Schutzort. 104<br />

Ähnlich – und nun wohl erstmals mit physischer<br />

Gewaltanwendung – ergeht es zur selben Zeit Männlein,<br />

Abkömmling einer der alten Judenfamilien und<br />

Hauseigentümer in Rothenfels. Hatte Nathan seinen<br />

Hausbesitz bei einem zweifellos legalen, wohl aber<br />

die Verschuldung seiner Gläubiger nützenden und ent-<br />

103 StAWt-R Rep. 65g Nr. 47 (unpaginiert; Anlagen 1734-36).<br />

Über den tatsächlichen weiteren Verbleib der Kinder Nathans<br />

geben die Akten keine Auskunft.<br />

104 StAWt-R Rep. 65g Nr. 47 (unpaginiert; Anlagen 1736).<br />

sprechend verhassten Zinskreditgeschäft erlangt, so<br />

war Männleins Wohnhaus schon in dritter Generation<br />

im Familienbesitz. Aus einem Schriftverkehr <strong>von</strong> 1736<br />

geht hervor: Fürstbischof Friedrich Karl <strong>von</strong> Schönborn<br />

hatte seinem unterthänigst gehorsambsten<br />

Männlein Jud <strong>von</strong> Rothenfels, wie dieser selbst unterschreibt,<br />

den Schutzbrief und damit das Aufenthaltsrecht<br />

in der Stadt entziehen lassen. Die Akten nennen<br />

keine Begründung; dahinter dürfte das bekannte Ausweisungsbegehren<br />

<strong>von</strong> Bürgermeister und Rat stehen.<br />

Die Stadt hatte die Enteignung des Hauses <strong>von</strong> Männlein<br />

eingeklagt, der Landesherr zur eussersten Bestürtzung<br />

des bisherigen Bewohners zugestimmt. 105 Auch<br />

dieser Willkürakt wird mit dem im Hochstift geltenden<br />

Auslösungsrecht begründet. 106<br />

Nun beklagt sich Männlein in einem bitteren Brief<br />

an den Fürstbischof über die an mir verübten Verfolgungen<br />

durch die Stadtoberen. Die hatten in seiner<br />

Abwesenheit sein Haus gewalthetig erbrochen und die<br />

darinnen befindliche Mobilien und effecten herauswerffen<br />

lassen, ihm auch keine Frist zur ordentlichen<br />

Räumung gelassen. Männlein und seine Geschwister<br />

befürchten den völligen Verlust ihres Haab und Guth<br />

und klagen auf Satisfaction. Sogar das seinerzeit für<br />

den Schutzbrief bei der Fürstlichen Hofkammer eingezahlte<br />

und nun bei der Amtskellerei deponierte Bargeld,<br />

immerhin 300 Gulden, hat der Stadtrat für<br />

Arbeiten am Haus und für mögliche Prozesskosten<br />

sperren lassen. Wenigstens die volle Auszahlung dieses<br />

Geldes gesteht die fürstbischöfliche Administration<br />

dem Ausgewiesenen zu. 107 Er begegnet dann<br />

wieder als Beisasse, Familienvater und Hausbesitzer<br />

in Berg<strong>rothenfels</strong>. 108<br />

Der Streit um die für Rothenfels zugelassene Zahl<br />

der Juden ist damit nicht beendet, die Stadtoberen<br />

bleiben bei der Landesregierung vorstellig. 1749 soll<br />

die Ausweisung Nathan Hirsch und Moyses Berl treffen.<br />

109 Die beiden sind in dem städtlein gebohren und<br />

105 Wie Anm. 104. In Männleins Beschwerdebrief (undatierte Abschrift,<br />

1736) wird die juristische Argumentation der Stadt als<br />

erga prostationem [richtig: praestationem] praestandorum zitiert.<br />

106 Zum Auslösungs- oder Einstandsrecht vgl. G. Döllinger, Sammlung,<br />

Anhang S. 27; I. König, Judenverordnungen, S. 231-235.<br />

Diese (an vielen Orten zur schleichenden Vertreibung der Juden<br />

genutzte) Praxis wird mit der Würzburger Judenordnung vom<br />

1. 6. 1750 begründet. Tatsächlich besteht das „ewige Auslösungsrecht“<br />

der Christen an jüdischen Besitzungen schon vorher.<br />

Es wird 1750 modifiziert, indem Häuser ausgenommen<br />

werden, die sich vor dem Stichjahr 1709 in jüdischem Besitz<br />

befanden, und 1765 mit einer dreijährigen Auslösungsfrist eingeschränkt.<br />

Diese Frist gilt jedoch nicht für Häuser, die ohne<br />

fürstbischöfliche Genehmigung <strong>von</strong> Juden erworben wurden.<br />

Mit diesem zweifelhaften Argument arbeiten die Rothenfelser<br />

Stadtoberen bereits bei den Enteignungen <strong>von</strong> 1736 und 1749.<br />

107 StAWt-R Rep. 65g Nr. 47 (unpaginiert; Anlagen 1736).<br />

108 StAWt-R Rep. 82l Nr. 473 (unpaginiert).<br />

109 Eine Neuerung bei der jüdischen Namensgebung: Die beiden<br />

zeichnen mit zweiteiligen Namen, werden aber nach bisheriger<br />

Sitte auch als Hirsch oder Hirschlein und Berl oder Berlein geführt.


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 25<br />

Rothenfels: Gastwirtschaft „Zum Rothen Ochsen“<br />

gezogen 110 , stammen also aus den bereits seit längerem<br />

hier lebenden Familien. Sie können hochstiftische<br />

Schutzbriefe vorweisen, der eine ausgestellt <strong>von</strong> Fürstbischof<br />

Friedrich Karl <strong>von</strong> Schönborn (1729-1746),<br />

der andere <strong>von</strong> Anselm Franz <strong>von</strong> Ingelheim (1746-<br />

1749). 111 Die Stadtverordneten zeigen sich verbittert<br />

über diese relativ frisch ausgegebenen Aufenthaltsgenehmigungen<br />

– sie haben seinerzeit gemäßigte als<br />

wohl gegründete beschwerde gegen diese und alle<br />

Neuzugänge eingelegt und sind deshalb sogar für Rebellen<br />

und wiederspänstige unterthanen angesehen<br />

worden, und sie durften bei Strafandrohung und Verlust<br />

der hochfürstlichen Gnade nichts weiter gegen<br />

jene Juden und deren erschlichenen Schutz unternehmen.<br />

Jetzt aber, so der Vortrag aus Rothenfels, sind die<br />

Folgen unübersehbar und muss zur Rettung der Stadt<br />

gehandelt werden, und zwar nicht nur mit der sofortigen<br />

Eliminierung <strong>von</strong> Hirsch und Berl, sondern auch,<br />

daß ferner hin kein anderer Judt mehr dahin aufgenomen<br />

werden solle. 112<br />

Bürgermeister und Räte wie auch sambtliche bürgerschaft<br />

zu Rottenfels lassen nun jede Zurückhaltung<br />

fahren. Zwei ausführliche Eingaben, hier in Kurzform<br />

zusammengefasst, lassen in unbeschönigter Deutlich-<br />

110 Wie Anm. 1.<br />

111 Die Schutzbriefe sind nicht erhalten. Für 1743 gibt es in den<br />

Akten einen bruchstückhaften Vorgang wegen Zulassung des<br />

Juden Hirsch (StAWt-R Rep. 65g Nr. 47, Anlagen).<br />

112 StAWt-R Rep. 65g Nr. 47 (1749 mit Anlagen 1702, 1704, 1719,<br />

1734, 1736, 1743).<br />

keit und gehässiger Diktion den <strong>juden</strong>feindlichen Gehalt<br />

jener Kontroversen erkennen. Die Juden, heißt es<br />

dort, sind das Verderben jeder christlichen Gemeinde,<br />

wo immer sie sich einschleichen und einnisten. Mit ihrer<br />

Handelschaft und ihrem Wucher verdrängen und<br />

ruinieren sie die bürgerlichen Kaufleute und die einheimischen<br />

Gewerbe. Die schadhaffte Vermehrung eines<br />

so wucherischen Volkes kann nicht im Sinne der<br />

hochfürstlichen Regierung sein, weil deren christliche<br />

Untertanen sich gegen die finanzstarken Geschäftspraktiken<br />

der Juden nicht behaupten können<br />

und an den Bettelstab gebracht werden.<br />

Als die haupt- und wahre ursach der Beschwerden<br />

schildern die Rothenfelser einmal mehr die Wohnungsnot<br />

in ihrer Stadt. Hier, so schreiben sie, gibt es<br />

inzwischen so wenig Wohnraum, dass nicht einmal<br />

alle Bürger eigene Häuser erlangen können, sondern<br />

viele sich mit kümmerlichen bestandt quartiren (Mietwohnungen)<br />

behelfen und in Einzelfällen schon nach<br />

Berg<strong>rothenfels</strong> ausweichen müssen. Umso schädlicher,<br />

so die anders nicht zu erwartende Schlussfolgerung,<br />

ist die Aufnahme mehrerer Juden, die überall,<br />

wo sie zugelassen werden, bekantlich also baldt nach<br />

Häusern streben und andere Interessenten durch Ausnützen<br />

der Notlage verschuldeter Bürger und Bezahlen<br />

überhöhter Preise ausstechen. Auf diese Weise habe<br />

vor wenigen Jahren der Judt Mossel das Haus eines<br />

Bürgers an sich gebracht, so eines <strong>von</strong> denen besten<br />

und gelegensten Häusern im orth, und zwar ein<br />

schildtberechtigtes wirthshaus gewesen – nämlich das<br />

alte Ochsenwirthshaus gleich gegenüber der Stadtpfarrkirche.<br />

Diese Transaktion erregt die Stadtoberen noch immer<br />

in höchstem Maße. Da sei der bürgerlichen Gewerbschaft<br />

eines der besten Objekte verloren<br />

gegangen, und die Bürgerschaft müsse das täglich mit<br />

wehmüthigsten augen ansehen. Auch bekomme die<br />

Hochfürstliche Hofkammer statt der bisherigen jährlichen<br />

mehr als 50 Gulden aus den Erträgen des Wirtsund<br />

Gasthauses nur noch wenige Gulden Schutzgeld –<br />

mit diesem finanziellen Argument soll wohl die Landesregierung<br />

empört werden. Und als ein besonderer<br />

Scandal der Christenheith wird beklagt, dass die beiden<br />

dort nun wohnenden Judenfamilien <strong>von</strong> ihren<br />

Fenstern aus den christlichen Gottesdienst mithören<br />

und bei geöffneten Kirchentüren auch mitten in die<br />

Kirch hinein sehen können. Fazit: Der Fürstbischof<br />

kann und darf nicht hinnehmen, seine unterthänigst<br />

treu devotigsten Burgerschaft [...] <strong>von</strong> diesen denen<br />

Christen ohnehin so gehässig als schädlichen Juden<br />

gesinndel aus ihren besten Häuseren sich verdrengt zu<br />

sehen. 113<br />

Auf geradezu atemberaubende Weise werden mit<br />

dieser Argumentation nicht nur allgemein die antisemitischen<br />

Klischees bedient, sondern konkret auch die<br />

tatsächlichen Abläufe dieses Hauskaufes verdreht –<br />

113 StAWt-R Rep. 65g Nr. 47 (unpaginiert; undatiert, 1749).


26 Winfried Mogge<br />

fünf Jahre zuvor hatte sich bei einer Versteigerung unter<br />

den Augen der landesherrlichen Amtsleitung kein<br />

anderer Interessent gefunden. 114<br />

Die <strong>von</strong> der Abschaffung betroffenen Hirsch und<br />

Berl geben trotz des wohl kaum erträglichen öffentlichen<br />

Zornes nicht so schnell auf. Ihre Klage über den<br />

drohenden Verlust der Heimat und der wirtschaftlichen<br />

Existenz wurde einleitend zitiert. Sie berufen<br />

sich auf ihre legale Anwesenheit in Rothenfels – und<br />

sind damit zunächst erfolgreich. Die Beschlusslage ist<br />

verwirrend. Die Ausweisung hatte noch der am 9. Februar<br />

1749 verstorbene Fürstbischof Anselm Franz<br />

<strong>von</strong> Ingelheim verfügt. In der Vakanzzeit verhandeln<br />

die ungleichen Rothenfelser Streitparteien mit dem regierenden<br />

Domkapitel; das Gremium akzeptiert die<br />

Argumente <strong>von</strong> Hirsch und Berl und kippt den vorherigen<br />

Befehl. 115 Doch der am 14. April 1749 gewählte<br />

Karl Philipp <strong>von</strong> Greiffenclau, <strong>von</strong> den Stadtverordneten<br />

mit neuer Petition und fuesfälligsten Bitten traktiert,<br />

stellt die alte Ordnung wieder her und dekretiert:<br />

Rothenfels muss generell nicht mehr als zwei Judenhaushalte<br />

aufnehmen; die beiden überzähligen Juden<br />

sollen abgeschafft werden, Hirsch soll seine Wohnung<br />

nach Berg<strong>rothenfels</strong> verlegen, Berl in das nahegelegene<br />

Amtsdorf Karbach. 116<br />

Über den weiteren Verlauf des Verfahrens enthalten<br />

diese Akten nichts außer mehreren Anfragen der<br />

Würzburger Administration bei der Rothenfelser<br />

Amtsleitung nach dem Vollzug der Anordnungen. Tatsächlich<br />

verlassen die beiden Familien im Jahr 1750<br />

die Stadt und gehen nach Berg<strong>rothenfels</strong>, Berl erst<br />

später nach Karbach. 117<br />

Die <strong>von</strong> allen Beteiligten als dramatisch erlebte<br />

114 Vgl. unten S. 42.<br />

115 StAWt-R Rep. 65g Nr. 47 (unpaginiert; undatiert und 6. 3., 7.<br />

3., 5. 4. 1749). Der Amtskeller zu Rothenfels wird umgehend<br />

angewiesen, den Beschluss des Domkapitels umzusetzen.<br />

Hirsch und Berl wiederum beantragen, das Dekret des Domkapitels<br />

und nicht nur den zuvor <strong>von</strong> der Bürgerschaft erschlichenen<br />

Ausweisungsbeschluss in das Amtsprotokoll einzutragen<br />

und auf dem Rathaus ordentlich zu publizieren. Denn sie befürchten,<br />

es mögten nach einiger zeit die rottenfelser inwohnere<br />

die sach anwiederumb hervorsuchen und unß auf das neue allerhand<br />

tricas verursachen. – Der zitierte Beschluss des (ansonsten<br />

traditionell <strong>juden</strong>feindlichen) Domkapitels hat wahrscheinlich<br />

sehr handfeste finanzielle Gründe: Beim Tod eines<br />

Fürstbischofs werden alle Schutzbriefe der hochstiftischen Juden<br />

ungültig und routinemäßig <strong>von</strong> dem regierenden Gremium<br />

erneuert, das dafür ein besonderes Interregnumsgeld kassiert.<br />

Vgl. I. König, Judenverordnungen, S. 70 f.<br />

116 StAWt-R Rep. 65g Nr. 47 (unpaginiert; undatiert und 13. 6.<br />

1749); dazu StadtAR II 2/7 S. 371, 384. Die Ausweisung <strong>von</strong><br />

Hirsch und Berl wird in einer Bürgerversammlung am 9. 4.<br />

1749 diskutiert und befürwortet. Im Ratsprotokoll vom 24. 6.<br />

1749 ist notiert, dass der fürstbischöfliche Ausweisungsbeschluss<br />

der gesamten Bürgerschaft vorgelesen wurde und eine<br />

Kopie beim Amtsprotokoll verwahrt wird.<br />

117 StAWt-R Rep. 82l Nr. 473 (unpaginiert; Akten 1772/73); Stadt-<br />

AR III 11/3 (Bürgermeisterrechnung 1734/35) S. 8 und III 11/4<br />

(Bürgermeisterrechnung 1753) S. 46. Aus den <strong>von</strong> der Stadtkasse<br />

vereinnahmten Beisassengeldzahlungen für Berg<strong>rothenfels</strong><br />

geht hervor, dass die Ausweisungen vollzogen wurden.<br />

Kontroverse <strong>von</strong> 1749 hat ein Nachspiel. Zwei Jahre<br />

später sehen sich Bürgermeister und Rat genötigt, ihren<br />

Protest gegen jede Aufstockung der ihnen zugewiesenen<br />

jüdischen Haushalte erneut vorzutragen. Der<br />

Anlass: Der in der Stadt verbliebene Moschel möchte<br />

seinen neunzehnjährigen Sohn Nathan in Rothenfels<br />

ansässig machen. Der junge Mann, bisher schon ausgestattet<br />

mit einem gültigen Schutzbrief, will die Witwe<br />

des in Karbach gesessenen und verstorbenen Jud<br />

Samuel heiraten und dem über 50 Jahre alten gehbehinderten<br />

Vater in Rothenfels beim Handelsgeschäft<br />

helfen. Der Fall wird vor dem Oberamtmann Joseph<br />

Christian Lochner <strong>von</strong> Hüttenbach (1749-1789) verhandelt<br />

und beschieden: Lässt man nun den Nathan in<br />

Rothenfels zu, dann werden bald weitere Judensöhne<br />

folgen und sich in dem armen Städtlein einnisten. Die<br />

vorgebliche Hülffleistung für den Vater kann Nathan<br />

ebenso gut <strong>von</strong> Karbach aus erbringen, zumal Moschel<br />

ein Mann beÿ seinen noch geruhsamen Jahren,<br />

wohlbemittelt und ohnehin mit einen Knecht versehen<br />

ist. So wird also Nathan in das benachbarte Amtsdorf<br />

eingewiesen, aus dem seine künftige Frau stammt. Das<br />

Verfahren entspricht, so der Oberamtmann, der bekannten<br />

Intention des Regenten, daß der dem gemeinen<br />

weesen jederzeit mehr schädlich als nützliche<br />

Juden Anwachsen vielmehr vergringeret alß vermehret<br />

werden solle. 118<br />

Nach diesen Aktionen in der Mitte des 18. Jahrhunderts<br />

spielt das Thema Ausweisungen in Rothenfels<br />

keine Rolle mehr. Innerhalb der Stadtmauern<br />

wohnen in eigenen Häusern jetzt nur noch der alt gewordene<br />

Moschel (Moyses Lazarus) und sein Sohn<br />

Mayer (Mayer Moyses), später der aus dem Dorf in<br />

die Stadt umgezogene Nathan Isack (Nathan Heil) und<br />

seine Erben. 119 Mit diesen Familien hat man sich offensichtlich<br />

abgefunden, auch wenn die alte Konkurrenzangst<br />

immer wieder geschürt wird.<br />

118 StAWt-R Rep. 65g Nr. 47 (unpaginiert; undatiert und 28. 1., 30.<br />

1. und 8. 2. 1751). – Der Vorgang zeigt die Möglichkeit des Erwerbs<br />

eines Schutzbriefes durch Verzicht eines bereits etablierten<br />

Schutzbriefinhabers. In diesem Fall tritt 1749 der relegirte<br />

Jud Löwelein (Löblein) aus Veitshöchheim sein auf Rothenfels<br />

umgeschriebenes Patent an Moschels Sohn Nathan ab. Auf dieselbe<br />

Weise macht 1825 Nathan Heil seinen Sohn Joseph in Rothenfels<br />

ansässig; vgl. S. 38.<br />

119 StadtAR II 7/2 S. 58; dazu auch StAWt-R Rep. 82l Nr. 473 (unpaginiert;<br />

Akten 1772/73). – Moschel wird 1751 als über 50<br />

Jahre alt bezeichnet. 1773 ist er 78 Jahre alt, also 1694/95 geboren.<br />

Von 1753 bis 1795 zahlt er bzw. sein Sohn Bede (Grundsteuer)<br />

für sein Haus (vgl. Anm. 242), <strong>von</strong> 1753 bis 1781<br />

Beisassengeld (StadtAR III 11/4 bis 11/26). Offensichtlich ist<br />

sein Sohn Mayer als Hausbesitzer, Geschäftsinhaber und Steuerzahler<br />

nachgefolgt, ohne dies im Grundsteuerbuch korrigieren<br />

zu lassen. Mayer wird als Zahler <strong>von</strong> Beisassengeld <strong>von</strong> 1769<br />

bis 1793 genannt (StadtAR III 11/18 bis 11/35), 1798 seine Witwe<br />

(StadtAR III 11/37, S. 23). 1799 tritt ein Isack Mayer –<br />

wahrscheinlich ein Sohn – bei einem Rechtsstreit auf (Stadt AR<br />

II 2/14, S. 21-29). Zur Familie Heil vgl. S. 35 f, 43, 45, 58 f. –<br />

Die Angaben in der Stadtchronik über die letzten Juden in Rothenfels<br />

sind unvollständig (StadtAR IV 3/3 S. 202; IV 3/5 S.<br />

18; IV 3/7 Bl. 10).


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 27<br />

Rothenfels um 1800<br />

Anonyme Zeichnung (Bleistift und Feder) aus der Pfarrchronik<br />

Die <strong>von</strong> den Stadtoberen so oft dramatisierte Wohnungsnot<br />

in Rothenfels muss bei Betrachtung der für<br />

jene Zeit vorliegenden demografischen Daten relativiert<br />

werden. Es trifft zu, dass die Kleinststadt in der<br />

ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, nach quälend langsamer<br />

Erholung <strong>von</strong> den wirtschaftlichen Folgen des<br />

Dreißigjährigen Krieges, einen bescheidenen Aufschwung<br />

nimmt. Die Bevölkerung wächst zwischen<br />

etwa 1700 und 1750 allerdings stark <strong>von</strong> 66 auf 98<br />

Haushalte (Bürger, Mann, Mannschaften oder Hofstätten<br />

genannt). 120 Der Amtskeller zählt für das Jahr 1743<br />

in der Stadt 82 Hofstätten und 472 Einwohner. 121 1748<br />

sind es 98 Haushalte 122 , 1754 als vorläufiger Höhepunkt<br />

125 123 . Der älteste Stadtplan <strong>von</strong> Rothenfels <strong>von</strong><br />

1843 zeigt eine drangvolle Enge mit rund 130 Wohnhäusern,<br />

Ställen und Scheunen innerhalb der Mauern<br />

und etlichen Anwesen darüber hinaus. 124 Hundert Jahre<br />

zuvor war die Bebauung noch nicht so dicht, da gab<br />

120 Vgl. P. Kolb, Chronik, S. 107 f, 183; G. Christ, Lohr, S. 338-<br />

341; W. Mogge, Dies uralt Haus, S. 96 f, 314 f.<br />

121 StAWt-R R 76, Amtsrechnung Jg. 1743/44, S. 280 f; vgl. die<br />

Abbildungen im Anhang S. 62 f. Dazu W. Mogge, Dies uralt<br />

Haus, S. 97, 315.<br />

122 StAWü Standbuch Nr. 942 S. 231-243. Vgl. W. Mogge, Dies uralt<br />

Haus, S. 314.<br />

123 StadtAR II 4/1 (Bürger-Matric 1754). Dort sind die Haushalte<br />

und Witwen für Rothenfels, Berg<strong>rothenfels</strong>, Windheim und<br />

Zimmern aufgelistet, mit einem Zählfehler 276 (statt richtig<br />

277).<br />

124 Vgl. die Abbildung S. 39.<br />

es sogar Platz für landwirtschaftliche Betriebe in der<br />

Stadt; auch sorgten familiär und beruflich bedingte<br />

Wegzüge sowie Todesfälle stets für Wechsel und neu<br />

verfügbaren Wohnraum.<br />

Angesichts dieser Zahlen und Fakten kann die immer<br />

wieder vorgetragene Bedrohung der Existenz der<br />

Stadtbevölkerung durch einige wenige jüdische Familien<br />

nur als maßlose Übertreibung und Zweckpropaganda<br />

verstanden werden. Jedenfalls gehört sie zum<br />

bewährten Programm der Dämonisierung und Ausgrenzung<br />

dieser Minderheit.<br />

8. Ausgrenzungen und Anpassungen<br />

Am 4. Januar 1750 tagt im Rothenfelser Rathaus der<br />

Stadtrat in großer Besetzung: Bürgermeister und zwölf<br />

Ratsherren in Anwesenheit des fürstbischöflichen<br />

Oberamtmanns, des Amtskellers und eines Vertreters<br />

des Stadtpfarrers. Ein Tagesordnungspunkt mit hoher<br />

Priorität: Es gibt Beobachtungen und Beschwerden,<br />

dass durch die Schloder- oder Bettel Juden gefährliche<br />

und ansteckende Krankheiten in die Bürgerschaft gebracht<br />

worden sind. Also ist solches denen dahiesigen<br />

Juden sowohl als auch der Maynfährung bey unnachlessiger<br />

straff eines guldtens verbotten worden, das<br />

weder gedachte Juden derley bettel gesindel beherbergen,<br />

noch auch ermelte Maynfehrer undter obiger<br />

straff solche uber den Mayn hieher führen [...]. Einzi-


28 Winfried Mogge<br />

ge Ausnahme ist die Überfahrt <strong>von</strong> Juden, die ein<br />

Cammer Zeichen – einen Passierschein für zugelassene<br />

Händler und Reisende – vorweisen können. 125<br />

Mit diesem Ratsbeschluss wird ein bitterernstes soziales<br />

Problem der Zeit angesprochen. Noch Jahrzehnte<br />

nach dem Dreißigjährigen Krieg, nach Pogromen<br />

vor allem in osteuropäischen und habsburgischen Ländern<br />

leben im 18. Jahrhundert auch in Franken ungezählte<br />

heimatlose und verarmte Juden buchstäblich auf<br />

der Straße, ohne Chance, einen Schutzbrief zu erwerben<br />

oder Arbeit und Obdach zu bekommen. Sie vermehren<br />

das ungeordnete Heer des rechtlosen<br />

fahrenden Volkes. Ihre Stigmatisierung als Überträger<br />

ansteckender Krankheiten – vor allem der gefürchteten<br />

Pest – lässt auch im Hochstift Würzburg die Obrigkeiten<br />

nicht ruhen, alle möglichen Grenz- und<br />

Flusspassagen zu schließen. Nun wird in Rothenfels<br />

wie allerorts den ansässigen Juden sogar die <strong>von</strong> ihrem<br />

Glauben vorgeschriebene Beherbergung durchziehender<br />

Religionsgenossen verboten. 126<br />

Der Vorgang <strong>von</strong> 1750 ist kein Rothenfelser Einzelfall.<br />

Mit Grenzüberwachungen und Verboten, verkündet<br />

in einer kaum überschaubaren Menge <strong>von</strong><br />

Mandaten, versuchen die fränkischen Landesherrschaften<br />

und Städte mehr oder weniger erfolgreich,<br />

die Bettel<strong>juden</strong> <strong>von</strong> ihren Territorien fernzuhalten. Dabei<br />

wissen sie sich übrigens einig mit den Organisationen<br />

der ansässigen Juden, die einerseits mit der<br />

finanziellen Belastung durch die Versorgung der Armen<br />

überfordert sind, andererseits unter der diskriminierenden<br />

Gleichsetzung mit Schloderern und<br />

Schnorrern zu leiden haben. In jener Zeit bleibt es bei<br />

restriktiven Abwehrmaßnahmen; die Ursachen der<br />

massenhaften Verelendung <strong>von</strong> Juden werden erst <strong>von</strong><br />

Autoren und Obrigkeiten der späten Aufklärungszeit<br />

erkannt und thematisiert. 127<br />

Für die Rothenfelser Schutz<strong>juden</strong> wird die panische<br />

Angst der christlichen Bevölkerung vor den entwurzelten<br />

Fremden eine weitere Belastung des<br />

Verhältnisses zu den Nachbarn und verschärfte Ausgrenzung<br />

bedeutet haben. Ohnehin ist es schwer nachvollziehbar,<br />

wie sich das alltägliche Zusammenleben<br />

auf so engem Raum einer Kleinststadt erträglich gestalten<br />

ließ – bei so aggressiver Feindseligkeit, wie sie<br />

namentlich <strong>von</strong> den Bürgermeistern und Ratsherren<br />

als Repräsentanten der Bürgerinnen und Bürger vorgetragen<br />

wurde. Die wenigen jüdischen Familien, so<br />

scheint es, haben dies mit Anpassung und Unauffälligkeit<br />

versucht und mit unerschöpflicher Leidensfähigkeit<br />

geschafft.<br />

125 StadtAR II 2/7 S. 428 f. Mit der <strong>von</strong> der Würzburger Hofkammer<br />

organisierten Ausgabe <strong>von</strong> Kammerzeichen wird versucht,<br />

die zugelassenen Händler und Reisenden <strong>von</strong> den Massen der<br />

Bettler zu trennen. Vgl. dazu Anm. 150.<br />

126 Vgl. E. Schubert, Arme Leute, S. 156-158, 168-173; B. Rösch,<br />

Judenweg, S. 253-261.<br />

127 Vgl. E. Schubert, Arme Leute, S. 171-173; I. König, Judenverordnungen,<br />

S. 45 f, 181-184, 298 f.<br />

Ein Spiegelbild für Ausschnitte aus dem Alltagsleben<br />

sind die (ab 1531 erhaltenen) Ratsprotokolle. Da<br />

die Ratsherrenversammlung zugleich das für ortsinterne<br />

Vergehen und Streitfälle zuständige Stadtgericht<br />

bildet, lässt sich aus diesen Dokumenten auch ablesen,<br />

wie die Menschen miteinander umgehen. Das Bild ist<br />

freilich einseitig, weil diese Quellen nicht über das<br />

friedliche Zusammenleben berichten, sondern über die<br />

justiziablen Zwischenfälle. Und so stellt sich die<br />

kleinstädtische katholische Gesellschaft hier dar als<br />

eine höchst streit- und rauflustige Gruppe untereinander<br />

missgünstiger Nachbarn. An der Tagesordnung<br />

sind vor allem Beleidigungen und Verleumdungen,<br />

Schlägereien und Körperverletzungen, Diebstähle,<br />

Verkaufs- und Erbschaftsstreitigkeiten, Streit um Wasser-<br />

und Weidenutzungen. 128 Von der exzessiven Denunziationslust<br />

zur Zeit der Hexenprozesse unter den<br />

Fürstbischöfen Julius Echter <strong>von</strong> Mespelbrunn und<br />

Philipp Adolph <strong>von</strong> Ehrenberg soll hier ganz geschwiegen<br />

werden. 129 Im Vergleich zu ihren christlichen<br />

Nachbarn sind die Juden vor Gericht geradezu<br />

auffallend unauffällig, und das nicht nur wegen ihrer<br />

geringen Zahl.<br />

Man muss lange suchen, bis man ihnen in den Protokollbüchern<br />

als Frevlern begegnet. 1679 werden<br />

Perlein und Meierlein mit Geldstrafen wegen Verwendung<br />

falscher Gewichte belegt. 130 Das ist keine jüdische<br />

Spezialität, sondern eine häufige Übung auch<br />

christlicher Händler und Gegenstand permanenter obrigkeitlicher<br />

Überwachung und Ahndung. 131 Ansonsten<br />

kommen eher kuriose Straftaten vor. 1699 muss Jöstlein<br />

zwei Gulden zahlen, weil er einen Bürger als verlogenen<br />

gesellen gescholten hat, und er geht für zwei<br />

Stunden ins Gefängnis, weil er mit dem Hut auf dem<br />

Kopf die Ratsstube betrat. 132 1764 zahlt Jud Männleins<br />

Sohn vom Berg zwei Gulden Strafe, weil er aus<br />

einem Garten Birnen aufgelesen und die erboste Eigentümerin<br />

auch noch beleidigt hat. 133 Dieses Vergehen<br />

ist zeitlos: 1849 wird Benjamin Freudenberger<br />

angezeigt, nachdem er einen verbotenen Weg begangen<br />

und Äpfel aufgesammelt hat. 134 Männlein und Nathan<br />

machen sich 1771 strafbar, indem sie über einen<br />

Zaun des Pfarrers steigen oder durch die Centwiese<br />

laufen. 135<br />

Eine Ausnahme <strong>von</strong> der gepflegten Unauffälligkeit<br />

passiert in einer Winternacht des Jahres 1732, als Teil-<br />

128 Ausgewertet wurden die Ratsprotokolle StadtAR II 2/1 (1531-<br />

1553), II 2/6 (1642-1725), II 2/10 (1763-1770). Vgl. P. Kolb,<br />

Chronik, S. 75-79.<br />

129 Vgl. W. Mogge, Dies uralt Haus, S. 73-75.<br />

130 StadtAR IV 3/3 S. 202. Der Autor der Stadtchronik nennt keine<br />

Quellen; im Ratsprotokollbuch der Zeit (StadtAR II 2/6) findet<br />

sich dazu kein Vorgang.<br />

131 StadtAR II 1/1 S. 3-6, 9 f; IV 3/3 S. 173-178), IV 3/4 S. 74 f<br />

(Vorschriften für Maße, Gewichte und Preise).<br />

132 StadtAR II 2/6 S. 539; vgl. IV 3/3 S. 298.<br />

133 StadtAR II 2/10 S. 238-243; vgl. IV 3/5 S. 23.<br />

134 StadtAR II 1/4 (unpaginiert), 3. 9. 1849.<br />

135 StadtAR II 2/11 S. 128, 131.


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 29<br />

nehmer einer wohl allzu temperamentvollen Beschneidungsfeier<br />

vor dem Haus eines Glaubensgenossen im<br />

Städtchen randalieren, Tür und Fenster beschädigen<br />

und die christlichen Nachbarn aus dem Schlaf reißen;<br />

derlei insolenz wird mit Geldbußen geahndet. 136 Andererseits<br />

kann es geschehen, dass das Stadtgericht den<br />

tätlichen Übergriff <strong>von</strong> Christen auf ein jüdisches<br />

Kind mit einer empfindlichen Geldstrafe ahndet. 137<br />

Untereinander verhalten sich die Glaubensgenossen<br />

nur selten unfriedlich. 1680 werden Moÿses aus<br />

Rothenfels und Feiferlein aus Karbach angeklagt, weil<br />

sie wegen einer Vormundschaft mit schlägen über einander<br />

kommen und der Jud Feiferlein am maul gebluet.<br />

Sie bekommen beide eine Rugstrafe – der eine,<br />

weil er provoziert und in des Gegners Haus tumultuirt,<br />

der andere, weil er allzu heftig zugeschlagen hat. 138<br />

1773 und 1775 stehen zwei streitbare Berg<strong>rothenfels</strong>er<br />

Juden vor dem Stadtgericht: Männlein gegen Löblein<br />

<strong>von</strong> Urspringen 139 , dann Nathan gegen Löb <strong>von</strong> Greußenheim<br />

140 ; in beiden Fällen waren schon länger<br />

schwelende Streitigkeiten und Beleidigungen in blutige<br />

Schlägereien übergegangen, was allen Beteiligten<br />

nun Geldstrafen und Abmahnungen einbringt.<br />

Relativ häufig holen Juden sich Geldbußen ab,<br />

weil sie ihre Kühe und Ochsen auf gemeindeeigenen<br />

Wiesen oder in fremden Baumgärten grasen ließen.<br />

Auch damit stehen sie nicht allein. Wohl jeder christliche<br />

Haushalt in der Stadt, vom Dorf ganz zu schweigen,<br />

hält eine Kuh oder Ziegen und Schweine und<br />

Federvieh, und wohl jede Familie riskiert Grenzüberschreitungen<br />

bei der Freilandfütterung. Einmal im Jahr<br />

tagt ein Ausschuss des Stadtrates als Ruggericht und<br />

verteilt dutzendweise an zahlreiche Einwohner die<br />

Geldstrafen vor allem für die im Lauf der Monate <strong>von</strong><br />

Feldhütern, Revierjägern oder Mitbürgern angezeigten<br />

illegalen Viehweiden. 141<br />

Wenn die Juden das Stadtgericht in eigener Sache<br />

in Anspruch nehmen, dann geht es fast ausschließlich<br />

um säumige Schuldner bei Kreditvergaben oder um<br />

ungetreue Handelspartner beim An- und Verkauf <strong>von</strong><br />

Vieh. In allen in den Quellen aufgefundenen Fällen<br />

endet das Verfahren zugunsten der klagenden Juden<br />

oder mit einem Vergleich, dem sie zustimmen – ein<br />

Hinweis übrigens auf das allgegenwärtige Risiko bei<br />

136 StadtAR II 2/7 S. 3. Die Feier findet im Haus <strong>von</strong> Moschel<br />

statt, der tumult vor dem Haus <strong>von</strong> Perl; Festteilnehmer sind außerdem<br />

die hießigen Hirschle und Schlummell sowie frembde<br />

Juden.<br />

137 StadtAR II 2/7 S. 230-234. Hier ein Urteil vom 25. 8. 1743,<br />

nachdem christliche Geschäftsleute die Tochter des Juden<br />

Hirsch des Diebstahls bezichtigt und geschlagen hatten.<br />

138 StadtAR II 2/6 S. 351 f.<br />

139 StadtAR II 2/11 S. 516-519, 534-540, 544.<br />

140 StadtAR II 2/11 S. 631-636. Es handelt sich wohl um Nathan,<br />

den Sohn Männleins.<br />

141 Ausgewertet wurden StadtAR II 2/6 (Ratsprotokolle 1642-<br />

1725), II 2/8 (Ratsprotokolle 1751-1755), II 2/10 (Ratsprotokolle<br />

1763-1770), II 2/11 (Ratsprotokolle 1770-1776), III 11/10<br />

(Bürgermeisterrechnung 1760), III 11/19 (Bürgermeisterrechnung<br />

1770).<br />

Geld- und Handelsgeschäften. 142 Der Stadtrat, auch<br />

wenn selbst als Kreditnehmer betroffen, achtet auf<br />

korrekte Abwicklung. Sogar auf Kompromisse lässt<br />

man sich ein: Als 1761 der hiesige Schutzjude Moÿßel<br />

der Stadt einen durch sein Versehen verjährten Schuldschein<br />

präsentiert, wird beschlossen, ihm aus Kulanz<br />

noch die Hälfte des Geldbetrages anzuerkennen und<br />

auszuzahlen. 143<br />

Hin und wieder ist auch der in der Burg Rothenfels<br />

residierende Amtmann mit Rechtsangelegenheiten der<br />

Juden befasst. Dabei geht es zum Beispiel um den<br />

Viehtrieb in hochstiftischen Wäldern, einen Dauerkonflikt<br />

nicht nur mit den jüdischen Viehhändlern. 144 Da<br />

die Amtsprotokolle verloren gegangen und nur wenige<br />

Auszüge daraus in anderen Aktenüberlieferungen erhalten<br />

sind, lässt sich nichts über die Häufigkeit solcher<br />

Vorgänge sagen. Gelegentlich werden auch die<br />

Gremien der fürstbischöflichen Regierung in Würzburg<br />

bemüht, wenn es zum Beispiel darum geht, einem<br />

Rothenfelser Juden zu seinem Recht gegen<br />

säumige Schuldner zu verhelfen. 145<br />

Im Hintergrund zahlreicher Stadtgerichtsverfahren<br />

schwelt, ausgesprochen oder unausgesprochen, stets<br />

die auf Konkurrenzangst gegründete pauschale Verdächtigung,<br />

„die Bürger“ würden durch „die Juden“ in<br />

Geld- und Handelsgeschäften beschwehret, betrogen<br />

und dardurch gar verderbt werden. Der Stadtrat lässt<br />

deshalb die Waren der jüdischen Händler nach Herkunft<br />

und Wert streng kontrollieren. 146 Umgekehrt fällt<br />

auf, dass Juden vermehrt als Kläger vor das Stadtgericht<br />

ziehen, was wohl ein Indiz für wachsendes<br />

Selbstbewusstsein und zunehmende Rechtssicherheit<br />

der Minderheit ist. –<br />

Den Aufenthalt im Hochstift Würzburg und in<br />

Rothenfels müssen die Juden mehrfach und teuer bezahlen.<br />

Der Schutzbrief des Fürstbistums, die lebensnotwendige<br />

Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung,<br />

kostet beim Erwerb eine große einmalige Summe und<br />

bringt der Hofkammer zudem Gebühren für die alljährliche<br />

Verlängerung ein. Beim Tod eines Fürstbi-<br />

142 Ausgewertet wurden StadtAR II 2/6 (Ratsprotokolle 1642-<br />

1725) S. 417, 441, 511; II 2/8 (Ratsprotokolle 1751-1755) S.<br />

179 f, 237, 256-258, 270-272, 281, 331, 621 f, 729-731; II 2/10<br />

(Ratsprotokolle 1763-1770) passim; II 2/11 (Ratsprotokolle<br />

1770-1776) S. 38-41, 172-174, 271 f, 611-616; II 2/14<br />

(Ratsprotokolle 1799-1802) S. 21-29, 36 f.<br />

143 StadtAR IV 3/5 S. 20. Es geht um ein Darlehen <strong>von</strong> 23 Stück<br />

Karolin (eine süddeutsche Goldmünze) für die Gemeinde. Mit<br />

eindeutigem Tonfall kommentiert der Autor der Stadtchronik,<br />

Oberlehrer Georg Max Fuß (1867-1939), später den Vorgang:<br />

den Juden hätte ich mögen die dicken Hände reiben sehen!<br />

(StadtAR IV 3/7 Bl. 10).<br />

144 StAWt-R Rep. 26h Nr. 21 (1752).<br />

145 StAWt-F Rep. 229 Nr. 31 (Inhalt: Klage des Moyses Jud zu<br />

Rottenfels gegen den Schmiedemeister Melchior Albert zu<br />

Trennfeld wegen säumiger Zahlungen für Darlehen, Vieh- und<br />

Weinkauf, 1745/46); StAWt-R Rep. 82l Nr. 473 (Inhalt: Jud<br />

Männlein <strong>von</strong> Berg, Amts Rothenfels verklagt Andreas Beck aus<br />

Kredenbach auf Ausgleich <strong>von</strong> Forderungen für Darlehen und<br />

Viehverkäufe, 1764).<br />

146 StadtAR II 2/7 S. 66.


30 Winfried Mogge<br />

schofs muss die zusätzliche Erneuerung mit einem Interregnumsgeld<br />

bezahlt werden. Beim Ableben eines<br />

Schutzbriefinhabers gelten die erworbenen Rechte nur<br />

für die Witwe, nicht aber für die Kinder fort, und müssen<br />

<strong>von</strong> den Söhnen neu beantragt und gekauft werden.<br />

147 Nach der Säkularisation besteht übrigens die<br />

nunmehr löwensteinische Herrschaft auf der Fortzahlung<br />

der Schutzgelder als eine Domainen Revenue. 148<br />

An die Kommune geht ein jährliches Beisassengeld<br />

<strong>von</strong> in der Regel vier Gulden pro jüdischer Familie.<br />

Obschon sie keine Bürgerrechte besitzen, müssen<br />

die Juden die ortsüblichen Frohnden leisten. Alle im<br />

Amt wohnenden oder handelnden Glaubensgenossen<br />

zahlen dem Amtmann und dem Keller ein Neujahrsgeld<br />

und etliche Gerichts- und Verwaltungsgebühren –<br />

die Judengulden oder Judenabgaben gehören zu den<br />

zahlreichen Akzidenzien der würzburgischen, dann löwensteinischen<br />

Beamten. Auch der katholische Geistliche<br />

– in Rothenfels der Stadtpfarrer – bekommt<br />

paradoxerweise ein Neujahrsgeld <strong>von</strong> den Juden, begründet<br />

als Ersatz für entgangene Stolgebühren bei<br />

nicht ausgeübten Amtshandlungen. 149<br />

Besonders erfindungsreich ist die Würzburger Hofkammer<br />

bei der Erhebung <strong>von</strong> Zöllen. Rothenfels ist<br />

eine <strong>von</strong> vielen Zollstationen, der hiesige Zollverwalter<br />

arbeitet sich durch einen ständig wachsenden Wust<br />

<strong>von</strong> Vorschriften und Tarifen. Unterschiedliche Gebühren<br />

zahlt man für alle möglichen über die kleinräumigen<br />

Grenzen hinweg geführten Waren und für Vieh.<br />

Die meisten Juden, für ihren Lebensunterhalt auf Handelsgeschäfte<br />

verwiesen, müssen viel reisen; sie schulden<br />

den Leibzoll, mit dem sie selbst bei der<br />

Überschreitung <strong>von</strong> Landesgrenzen wie eine Ware<br />

verzollt werden. Auch auswärtige oder ritterschaftli-<br />

147 Vgl. I. König, Judenverordnungen, S. 39-44, 62 f, 160 f, 207-<br />

209. Im Hochstift Würzburg kostet das jährliche Schutzgeld für<br />

Familien lange Zeit im Schnitt zehn Gulden in den Dörfern,<br />

zwölf Gulden in den Landstädten, letzteres auch in Berg<strong>rothenfels</strong><br />

und Rothenfels (StAWü Judenschaft Nr. 1; StAWt-R Rep.<br />

79h Nr. 19). 1792/93 bis 1800/01 werden in Rothenfels und<br />

Berg<strong>rothenfels</strong> jährlich zwischen zwei und drei Gulden rheinischer<br />

Währung für Schutz- und Extra Gelder berechnet (StAWü<br />

Rechnung 39.022).<br />

148 StAWt-R Rep. 79h Nr. 19. Die Fürstliche Regierung zu Wertheim<br />

beauftragt am 27. 3. 1803 die Amtskellerei Rothenfels mit<br />

einem Bericht, wie die zahlreichen ordinären und extraordinären<br />

Contributionen der wenigen Schutz<strong>juden</strong> im Amt Rothenfels<br />

durch einen einheitlichen mäßigen Schatzungsfuß zu<br />

ersetzen seien. Zu dieser kleinen Reform kommt es nicht, sondern<br />

zur allmählichen und langwierigen Verweigerung und Abschaffung<br />

der zahlreichen Abgaben.<br />

149 StAWü Standbuch Nr. 799, Bestallungen und Accidentia der<br />

Rothenfelser Oberamtmänner, Keller usw. (vgl. W. Mogge,<br />

Dies uralt Haus, S. 103, 310, 312); Statistische Sammlung Nr.<br />

280 fol. 232 f. 1804 werden in Rothenfels die Neujahrsgelder<br />

für den Oberamtmann abgeschafft, weil diese Stelle nicht mehr<br />

besetzt wird (StAWt-R Rep. 12i Nr. 35, Rep. 41e Nr. 2). Die<br />

Neujahrsgelder an den Stadtpfarrer gehören 1833 zu den Beschwerdepunkten<br />

der jüdischen Gemeinde (vgl. unten S. 34).<br />

Sie werden in Bayern generell erst 1881 im Rahmen der entschädigungslosen<br />

Abschaffung aller persönlichen Sonderabgaben<br />

der Juden aufgehoben (vgl. unten S. 35).<br />

che Juden müssen Freizeichen kaufen, wenn sie hochstiftisches<br />

Land passieren oder hier handeln wollen. 150<br />

Bei Verheiratungen wird ein Brautzoll für die Durchreise<br />

der Verlobten kassiert, bei der Überführung Verstorbener<br />

zum Friedhof Totenzoll. Wenn ein Jude<br />

einen Sohn oder eine Tochter außer Land verheiratet,<br />

muss er für das mitgegebene Heiratsgut (die Heimsteuer)<br />

eine Nachsteuer zahlen. 151<br />

Neben solchen individuellen Abgaben wird auch<br />

die sambtliche <strong>juden</strong>schafft des Hochstifts, die sich<br />

um die Mitte des 17. Jahrhunderts in einer Interessenvertretung<br />

namens Altwürzburger Land<strong>juden</strong>schaft organisiert<br />

hat, kollektiv zu besonderen Zahlungen<br />

herangezogen – die wiederum auf die Kultusgemeinden<br />

und deren Mitglieder umzulegen sind. Einen Eindruck<br />

dieser Belastungen vermittelt eine Bittschrift<br />

der Abgeordneten der Judenschaft <strong>von</strong> 1749 an den<br />

Fürstbischof. Etliche vorangegangene gravamina und<br />

die Ergebnisse einer Audienz beim neu gewählten Regenten<br />

Karl Philipp <strong>von</strong> Greiffenclau sind in dieses<br />

Papier eingeflossen. Demnach muss zu jener Zeit ein<br />

jährliches korporatives Schutzgeld <strong>von</strong> 800 Gulden<br />

und zu jedem Jahreswechsel ein Neujahrsgeld <strong>von</strong><br />

1.000 Talern an die Hofkammer gezahlt werden. Diese<br />

und andere Forderungen, so die Delegierten, können<br />

viele Juden schon jetzt nicht mehr aufbringen, weshalb<br />

ihnen Verarmung und völliges Verderben droht. 152<br />

Die Kosten für das 1719 <strong>von</strong> der Regierung als<br />

Mittler- und Kontrollinstanz gegründete Judenamt<br />

werden ebenfalls auf die Kultusgemeinden umgelegt.<br />

Selbstverständlich müssen diese ihre eigenen Einrichtungen<br />

wie Synagoge und Schule, Friedhof und Armenfürsorge,<br />

ihre Ortsrabbiner und Lehrer und<br />

sonstigen Angestellten selbst finanzieren, ebenso das<br />

Gehalt und die Auslagen für den Oberrabbiner, der<br />

nicht nur das gelehrte Oberhaupt der Judenschaft, sondern<br />

auch für die Aufsicht und Rechtsprechung in innerjüdischen<br />

Angelegenheiten zuständig ist. 153<br />

Zur Einordnung solcher Informationen muss man<br />

wissen, dass im Fürstbistum Würzburg – und das<br />

heißt: in den Landämtern – zu jener Zeit nur zwischen<br />

422 und 466 Schutz<strong>juden</strong> des Hochstifts, der Stifte<br />

und Klöster leben. 154 (Mit solchen Zahlen sind nicht<br />

150 StAWt-R Rep. 99b Nr. 55 (1803), Nr. 70 (1805-16), Nr. 83<br />

(1808/09). Darin u. a. Verordnungen zum Leibzoll, Muster der<br />

verschiedenen Zollzeichen, Abrechnungen des Rothenfelser<br />

Zollverwalters, Namenslisten der im Amt Rothenfels handelnden<br />

Juden (z. B. 1803: 62 Personen allein aus dem hochstiftischen<br />

Umland). Der 24 Stunden gültige, täglich neu<br />

einzulösende Leibzoll kann durch einen Jahrzoll ersetzt werden.<br />

151 StAWt-R Rep. 41e Nr. 1. Vgl. I. König, Judenverordnungen, S.<br />

63-68, 210-219. Die Nachsteuer sind Juden und Christen generell<br />

bei Vermögenstransfer in andere Staaten schuldig. Die Juden<br />

werden jedoch in der Regel mit höheren Prozentsätzen<br />

abkassiert und bekommen keine Befreiungen.<br />

152 StAWü Gebrechenamtsakten VI W 256. Zu diesen und weiteren<br />

korporativen Abgaben I. König, Judenverordnungen, S. 68-73.<br />

153 Vgl. I. König, Judenverordnungen, S. 68-72, 76-78, 82-84, 227-<br />

229.<br />

154 StAWü G 16.727 fol. 5 und 5'. Die Zahlen der dortigen kleinen


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 31<br />

die Personen, sondern die Haushalte gemeint.) Die<br />

<strong>von</strong> Adeligen und anderen Korporationen Abhängigen<br />

werden <strong>von</strong> ihren Schutzherren auf ähnliche Weise abgeschöpft.<br />

Die Rothenfelser und Berg<strong>rothenfels</strong>er Juden haben<br />

ihren Teil der Belastungen wohl stets auf sich genommen<br />

und aufgebracht, um unbehelligt in ihrer<br />

Heimat bleiben zu können. In der zweiten Hälfte des<br />

18. Jahrhunderts macht sich ihr Zuwachs an Rechtssicherheit<br />

in einer zunehmenden Anzahl <strong>von</strong> Klagen<br />

beim Stadtgericht bemerkbar. Nun kommen in Rothenfels<br />

auch keine Vertreibungen oder Ausweisungsanträge<br />

mehr vor. Während aus manchen Orten des<br />

Hochstifts Würzburg pogromähnliche Stimmungen<br />

der Bevölkerung und Ausschreitungen gegen Juden zu<br />

verzeichnen sind 155 , gibt es hier keine Berichte dieser<br />

Art. Schlussendlich scheint es in Rothenfels eine Zeit<br />

friedlicher Koexistenz zwischen Christen und Juden<br />

gegeben zu haben.<br />

9. Schritte zur Emanzipation<br />

Der Beginn des 19. Jahrhunderts bringt für das würzburgische<br />

Unterfranken umwälzende Neuerungen des<br />

politischen und gesellschaftlichen Systems. Auch für<br />

die Juden ergeben sich daraus veränderte Lebensbedingungen.<br />

Zum Verständnis der staatlichen und administrativen<br />

Zuständigkeiten, die in den historischen<br />

Akten begegnen, muss ein Blick auf die Neuordnung<br />

der politischen Landkarte geworfen werden. 156<br />

Am Anfang steht die vom napoleonischen Frankreich<br />

diktierte Säkularisation der deutschen geistlichen<br />

Staaten Ende 1802. Das bisherige Hochstift Würzburg<br />

fällt dem Kurfürstentum Bayern zu. Für wenige Jahre<br />

wird es an die neuen Fürstentümer Würzburg und<br />

Aschaffenburg aufgeteilt – ein Zwischenspiel während<br />

der Verschiebung <strong>von</strong> Ländermassen unter den großen<br />

deutschen Staaten. Auch die Fürsten <strong>von</strong> Löwenstein-<br />

Wertheim-Rochefort (später Rosenberg genannt) holen<br />

bei der Säkularisation für sich als Entschädigung für<br />

Verluste auf dem linken Rheinufer einige würzburgische<br />

und mainzische Ämter und Klöster heraus, darunter<br />

das bisherige Amt Rothenfels.<br />

Statistiken sind aus den Judenschutzgeldrechnungen gezogen.<br />

Addiert werden Schutz<strong>juden</strong> des Hochstifts: 358 (1719), 351<br />

(1745), 377 (1749), 355 (1754), 388 (1763), der Stifte und<br />

Klöster: 72 (1719), 65 (1745), 72 (1749), 75 (1754), 78 (1763),<br />

insgesamt: 430 (1719), 422 (1745), 449 (1749), 430 (1754),<br />

466 (1763). Die Schutz<strong>juden</strong> der Adeligen und anderer Korporationen<br />

sind in der Quelle nicht enthalten. – Weitere statistische<br />

Daten bei L. Scherg, Land<strong>juden</strong>tum, S. 229-231.<br />

155 Beispiele aus Franken bei E. Schubert, Arme Leute, S. 158-160<br />

und zugehörige Anmerkungen.<br />

156 Zu den Entwicklungen in Deutschland: E. R. Huber, Verfassungsgeschichte,<br />

Bd. I S. 25-85, 314-322. Die verwaltungsrechtlichen<br />

Strukturen u. a. des Amtes Rothenfels und ihre<br />

Veränderungen im 19. Jh. detailliert bei: G. Christ, Lohr, S.<br />

348-394, 396-400, 409-418.<br />

Die löwensteinischen Fürsten werden bald darauf<br />

<strong>von</strong> der fortschreitenden politischen Flurbereinigung<br />

selbst getroffen – 1806 werden sie mediatisiert, verlieren<br />

die Souveränität über ihre weit verstreuten Länder,<br />

kommen unter die Hoheit der umliegenden, neu konstruierten<br />

Territorien. Für die Region um Rothenfels<br />

heißt das: Die auf der rechten Mainseite gelegenen<br />

Besitzungen der Löwensteiner gehören nun zum Staat<br />

des Fürstprimas Karl Theodor <strong>von</strong> Dalberg (1802-<br />

1813), der 1803 sein altes Erzstift Mainz in das Fürstentum<br />

Aschaffenburg, ab 1810 Großherzogtum<br />

Frankfurt retten konnte. Die linksmainischen Teile gehen<br />

an das Großherzogtum Baden, das hier ein kurzlebiges<br />

Amt Steinbach einrichtet.<br />

Dieser Zustand währt nur bis 1814, bis zur Auflösung<br />

und Neuverteilung der Würzburger und Frankfurter<br />

Großherzogtümer. Das ehemalige Hochstift<br />

Würzburg fällt zum zweiten Mal und nun endgültig an<br />

das 1806 zum Königreich erhobene Bayern. Das betrifft<br />

auch Rothenfels: Seit dem 3. Juni 1814 sind die<br />

Burg, die Stadt und die rechtsmainischen Teile des<br />

Amtes staatsrechtlich bayerisch. 1819 kommen nach<br />

einem Gebietstausch auch die alten Amtsteile auf der<br />

linken Mainseite wieder hinzu.<br />

In der Folgezeit sind die Gewinner der Mediatisierung<br />

bestrebt, ihre alten und neuen Herrschaften zu<br />

modernen Flächenstaaten zusammenzufügen. Das<br />

heißt, sie müssen ein Gemenge verschiedenster Territorien,<br />

Rechtssysteme und Verwaltungsformen entwirren<br />

und vereinheitlichen. Der Vorgang wird erschwert<br />

durch die Tatsache, dass die mediatisierten Fürsten<br />

keinesfalls <strong>von</strong> der politischen Bildfläche verschwinden.<br />

Sie behaupten weiterhin eine Reihe <strong>von</strong> Herrschaftsrechten,<br />

Einkünften und Privilegien. Die<br />

souveränen Staaten behalten sich die Gesetzgebung,<br />

die oberste Gerichtsbarkeit, die obere Polizeigewalt,<br />

die militärische Konskription und die Besteuerung<br />

vor; den Fürsten hingegen stehen weiterhin alle Besitzungen,<br />

Zehnten und Feudaleinkünfte als Patrimonialoder<br />

Privateigentum zu, außerdem etliche Herrschaftsrechte,<br />

vor allem die Zivil- und Kriminalgerichtsbarkeit<br />

in niederer Instanz.<br />

Mit dieser komplizierten Art einer Unterherrschaft<br />

haben, wie alle Untertanen, auch die Juden ihre Not –<br />

die Gesetzgebung kommt aus Bayern, vertreten durch<br />

die königliche Kreisregierung in Würzburg, die Ausführung<br />

und Überwachung obliegt den fürstlichen Behörden<br />

in Wertheim und Rothenfels, dann Neustadt,<br />

die nach wie vor auch eine Vielzahl <strong>von</strong> Abgaben beanspruchen;<br />

da sind Zuständigkeitsprobleme vorprogrammiert.<br />

Nach dem staatlichen Übergang an Bayern wird<br />

die löwensteinische Verwaltungs- und Justizbehörde<br />

Rothenfels, die frühere würzburgische Amtskellerei,<br />

zum Herrschaftsgericht. Eine tiefgreifende Veränderung<br />

der rechtlichen Verhältnisse kommt jedoch erst<br />

mit dem Jahr 1848. Als ein Ergebnis der bürgerlichen<br />

Revolution und mit der Politik des reformorientierten


32 Winfried Mogge<br />

Königs Maximilian II. (1848-1864) fällt endlich und<br />

endgültig auch die alte Grundherrschaft in Bayern.<br />

Das bedeutet die Trennung <strong>von</strong> Justiz und Verwaltung,<br />

die Übertragung der grundherrlichen Gerichtsbarkeit<br />

und Polizei auf den Staat. Die Folgen für Rothenfels<br />

sind die Umwandlung des fürstlichen Herrschaftsgerichts<br />

in ein königliches Landgericht (1853), das heißt<br />

die völlige Lösung des Justizwesens <strong>von</strong> der Standesherrschaft,<br />

und die Ablösung des mittelalterlichen Systems<br />

der Grundlasten durch eine einheitliche<br />

Besteuerung. 157<br />

Vor diesem zeitgeschichtlichen Hintergrund vollzieht<br />

sich die bayerische Judenpolitik auch in Unterfranken.<br />

Sie führt, um das Ergebnis eines langen<br />

Prozesses vorwegzunehmen, im 19. Jahrhundert zur<br />

bürgerlichen Emanzipation und rechtlichen Gleichstellung<br />

der religiösen Minderheit.<br />

Der in der gesamten Bevölkerung zunehmende Widerstand<br />

gegen das im Zeitalter der Aufklärung diskreditierte<br />

Feudalsystem macht sich im Amt Rothenfels<br />

zunächst bei den Abgaben und Dienstleistungen bemerkbar.<br />

Schon in den letzten Jahren der fürstbischöflichen<br />

Herrschaft mehren sich Verweigerungen <strong>von</strong><br />

Bürgern und Bauern. In der Region wird, wie überall,<br />

auch die Judenschaft mutig. Ihr Protest setzt zuerst bei<br />

den Neujahrsgeldern an, die nicht nur die im Amt Rothenfels<br />

lebenden, sondern auch alle dort handelnden<br />

Juden dem würzburgischen Oberamtmann und seinen<br />

Beamten zahlen müssen. 158<br />

Bald werden auch Leibzoll und Viehzoll nicht mehr<br />

widerstandslos entrichtet. Die jüdischen Händler aus<br />

Urspringen und Laudenbach, aus den ritterschaftlichen<br />

Enklaven Steinbach und Wiesenfeld und aus der Grafschaft<br />

Wertheim beschäftigen die nunmehr löwensteinischen<br />

Behörden jahrelang mit Eingaben und<br />

Zahlungsverweigerungen; sie erreichen zunächst Zugeständnisse<br />

<strong>von</strong> der Ablösung des Leibzolls durch ein<br />

pauschales jährliches Taschengeleit bis zur völligen<br />

Befreiung <strong>von</strong> diesen Kosten. Die Verhandlungen gestalten<br />

sich schwierig, weil man es jeweils mit Bittstellern<br />

und Gegnern zu tun hat, die unterschiedlichen<br />

und wechselnden souveränen Staaten unterstehen –<br />

Königreich Bayern, Großherzogtum Baden, Großherzogtum<br />

Würzburg und Fürstprimatiat. 159 Fast gleichzeitig<br />

fällt 1807 und 1808 in den genannten Ländern<br />

dieses <strong>von</strong> den Betroffenen und nun auch <strong>von</strong> den Regierungen<br />

als menschenunwürdig empfundene System<br />

der Personalbesteuerung. 160 Die schrittweise Abschaffung<br />

weiterer Rezeptions- und Schutzgelder braucht in<br />

Bayern noch einige Jahrzehnte. 161<br />

157 Vgl. W. Mogge, Dies uralt Haus, S. 82-90.<br />

158 StAWt-R Rep. 12i Nr. 35 (1800), Rep. 41e Nr. 2 (1804); vgl.<br />

Anm. 149.<br />

159 StAWt-R Rep. 99b Nr. 37 (1806-09), Nr. 49 (1803), Nr. 55<br />

(1803), Nr. 56 (1803), Nr. 65 (1804), Nr. 83 und 84 (1807-09).<br />

160 G. Döllinger, Sammlung, S. 229-232; I. König, Judenverordnungen,<br />

S. 63-66.<br />

161 G. Döllinger, Sammlung, S. 238-245.<br />

Ein Meilenstein auf dem Weg zur Judenemanzipation<br />

ist das Edikt über die Verhältnisse der jüdischen<br />

Glaubensgenossen im Königreiche Baiern vom 10.<br />

Juni 1813. 162 Es gibt den Juden ansatzweise Bürgerrechte,<br />

erlaubt ihnen die freie Wahl fast aller Berufe<br />

und Gewerbe, ermöglicht den freien Erwerb <strong>von</strong> Häusern<br />

und Grundstücken zur eigenen Bewohnung und<br />

Bewirtschaftung. Unverkennbar ist in den Hauptbestimmungen<br />

des Judenedikts eine erzieherische Absicht:<br />

Es gilt, die Juden <strong>von</strong> ihren bisherigen ebenso<br />

unzureichenden als gemeinschädlichen Erwerbsarten<br />

abzuleiten und sie zu allen bürgerlichen Nahrungszweigen,<br />

als Feldbau, Handwerken, Treibung <strong>von</strong> Fabriken<br />

und Manufakturen und des ordentlichen<br />

Handels zuzulassen. Erlaubt wird bei entsprechender<br />

Qualifikation und Konzession und bei ausreichendem<br />

Vermögen auch die Betätigung im ordentlichen Wechsel-,<br />

Groß- und Detailhandel, gänzlich verboten soll<br />

künftig aller Hausier-, Noth- und Schächerhandel<br />

sein. 163<br />

Weitere in das bisherige Leben eingreifende Bestimmungen<br />

des Gesetzeswerkes sind vor allem: Die<br />

bisherigen eigenen jüdischen Korporationen und Sonderrechtsgemeinden<br />

werden aufgelöst; die Juden sollen<br />

an ihren Wohnorten künftig zur politischen<br />

Kommune zählen und dort dieselben Rechte haben<br />

wie die Christen. Und: Den jüdischen Glaubensgenossen<br />

im Königreiche wird vollkommene Gewissensfreiheit<br />

gesichert; ihre Kultusgemeinden gelten künftig<br />

als Privat-Kirchengesellschaften. Organisation und<br />

Arbeit der Kirchengemeinden und die Ausbildung der<br />

Rabbiner und Lehrer unterliegen nun der staatlichen<br />

Aufsicht und Qualitätskontrolle. 164<br />

So progressiv diese und weitere Bestimmungen<br />

auch sind, so erfreulich für die Juden der relativ gesicherte<br />

rechtliche Status auch ist – die freie Wahl des<br />

Aufenthaltsortes bleibt ihr Wunschtraum. Die neuen<br />

bürgerlichen Rechte und Vorzüge werden nur denjenigen<br />

gewährt, die als Staatsbürger an ihren bisherigen<br />

Wohnorten ausdrücklich zugelassen, das heißt bei den<br />

Polizeibehörden in besondere Matrikeln eingetragen<br />

werden. Dazu muss man frühere Schutzbriefe, Konzessionen<br />

und Aufenthaltsgenehmigungen vorlegen,<br />

die Familienverhältnisse offenlegen und ein Mindestvermögen<br />

nachweisen. Damit verbunden ist die verpflichtende<br />

Annahme gleichbleibender, vererblicher<br />

Familiennamen. Und es gilt die alles entscheidende<br />

Einschränkung: Die Zahl der Juden-Familien an den<br />

162 Benutzte Veröffentlichung des Judenediktes: K. Weber, Neue<br />

Gesetz- und Verordnungen-Sammlung, Bd. 1 (1880), S. 417-<br />

423. Mit zahlreichen anderen die Juden betreffenden bayerischen<br />

Verordnungen auch bei G. Döllinger, Sammlung, Bd. 6<br />

(1838), S. 1-7.<br />

163 Judenedikt (wie Anm. 162), §§ 14 bis 20, Zitate §§ 15, 19, 20.<br />

Zahlreiche weitere Verordnungen zu Gewerbsbetrieb und Handelsbetrieb<br />

bei G. Döllinger, Sammlung, S. 79-140.<br />

164 Judenedikt (wie Anm. 162), §§ 21 bis 31, Zitat § 23. Zahlreiche<br />

weitere Verordnungen zu Religions- und Kirchen-Verhältnisse<br />

bei G. Döllinger, Sammlung, S. 141-198.


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 33<br />

Burg Rothenfels,<br />

Amtskellerei:<br />

Sitz des fürstlichen<br />

Herrschaftsgerichts,<br />

dann königlichen<br />

Landgerichts<br />

Orten, wo sie dermal bestehen, darf in der Regel nicht<br />

vermehrt werden, sie soll vielmehr nach und nach vermindert<br />

werden, wenn sie zu groß ist. 165<br />

Erst 1861, nach vielen vergeblichen publizistischen<br />

und politischen Vorstößen, fallen diese <strong>von</strong><br />

Juden und Bürgerrechtlern als diskriminierend empfundenen<br />

Matrikelparagraphen. Auch weitere rechtliche<br />

Beschränkungen und drückende Sonderabgaben<br />

hat der Erlass <strong>von</strong> 1813 noch nicht beseitigt: Stoff für<br />

die Kämpfe der nächsten Jahrzehnte. 166<br />

Im ehemaligen Hochstift Würzburg, im nachmaligen<br />

Untermainkreis, und so auch im früheren Amt Rothenfels<br />

gilt das Judenedikt erst seit dem staatlichen<br />

Übergang an Bayern. Eine entsprechende Verordnung<br />

vom 5. Dezember 1816 wird im folgenden Jahr zügig<br />

umgesetzt. 167 Vorher schon gibt es ähnliche Gesetzgebungen<br />

über die Bürgerrechte der Israeliten in den<br />

beiden Großherzogtümern Frankfurt und Würzburg,<br />

und so gehen die kurzzeitig zu diesen Staaten gehörenden<br />

neuen bayerischen Untertanen einige formale<br />

Schritte zur Emanzipation gleich doppelt. 168<br />

Für die Juden in Rothenfels und Berg<strong>rothenfels</strong> bedeutet<br />

die Einführung der Matrikeln nicht nur keinen<br />

Fortschritt in Richtung Freizügigkeit, sondern im Gegenteil<br />

eine Verengung der früheren Zulassungen an<br />

ihren Wohnorten. Die Stadt bekommt nur eine Matri-<br />

kelstelle zugeteilt, das Dorf zwei. Familiengründungen<br />

und Zuzug neuer Familien scheinen so ausgeschlossen<br />

zu sein. Allerdings wird die Schärfe des Judenedikts in<br />

der Praxis der Ansässigmachung unterlaufen: Es gibt<br />

zahlreiche Ausnahmeregelungen für einzelne Personen<br />

und Orte und etliche Immatrikulationen über die<br />

Normzahl hinaus, und es besteht die (auch in unserem<br />

Ort wahrgenommene) Möglichkeit, als Beisasse oder<br />

mit einer außerordentlichen Judenschutzerteilung in<br />

der politischen Gemeinde zum temporären Aufenthalt<br />

zugelassen zu werden, was immerhin eine Wohn- und<br />

Arbeitsgenehmigung bedeutet, wenn auch ohne Bürgerrecht.<br />

169<br />

Bayern ist seit dem Religionsedikt <strong>von</strong> 1803 der<br />

Vorreiter unter den deutschen Ländern, was die volle<br />

Gleichberechtigung der christlichen Konfessionen betrifft.<br />

170 Die Gleichstellung der Juden hingegen geht<br />

nur langsam voran. Die vom Geist der Aufklärung geprägten<br />

Regierungen hemmen sich dabei selbst durch<br />

den im Judenedikt sichtbaren Generalplan, die Emanzipation<br />

der Israeliten nur schrittweise unter Abarbeitung<br />

eines Erziehungsprogramms zur Assimilation und<br />

Integration in die bürgerliche Gesellschaft zu gewähren.<br />

Sie scheitern aber auch und immer wieder im<br />

bayerischen Landtag mit ihren Regierungsvorlagen,<br />

den umstrittenen Erlass <strong>von</strong> 1813 ganz oder teilweise<br />

165 Judenedikt (wie Anm. 162), §§ 1 bis 13, Zitat § 12.<br />

166 Vgl. S. 35. – Die restriktive bayerische Ansiedlungs- und Familienpolitik<br />

gilt nicht nur für Juden: Freizügige Ansässigkeit in<br />

Bayern gibt es auch für Christen noch nicht, wenn es ihnen an<br />

Vermögen mangelt. Als Alternative bleibt für Juden und Christen<br />

oft nur Abwanderung und Auswanderung.<br />

167 G. Döllinger, Sammlung, S. 7-13.<br />

168 G. Döllinger, Sammlung, S. 233-238. Die vergleichsweise progressive<br />

Verordnung des Großherzogtums Frankfurt über die<br />

rechtliche Gleichstellung der Juden und die Ablösung aller Lasten<br />

datiert vom 7. 2. 1811.<br />

169 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8511; Statistische<br />

Sammlung Nr. 617 (Ansässigmachungen im Untermainkreis<br />

1817-1834/35, dabei solche über die Normalzahl in Berg<strong>rothenfels</strong>,<br />

Rothenfels, Greußenheim und Karbach). Allgemein dazu<br />

G. Döllinger, Sammlung, S. 31-76; R. Mehler, Matrikelbestimmungen,<br />

S. 149-155. Letzterer widerspricht der in der Literatur<br />

vorherrschenden Meinung, die Matrikelbestimmungen seien generell<br />

restriktiv gewesen, und verweist auf die oft liberale Praxis<br />

der Vergabe <strong>von</strong> Matrikelstellen und Ausnahmeregelungen<br />

(S. 163-178).<br />

170 M. Spindler, Handbuch, Bd. IV/1 S. 51.


34 Winfried Mogge<br />

zu revidieren. 171 Diese Versuche werden vorbereitet<br />

und begleitet durch einen zunehmenden politischen<br />

und publizistischen Kampf jüdischer und christlicher<br />

Intellektueller, die <strong>von</strong> der Gleichheit aller Menschen<br />

träumen und die Ausgrenzungen einer jahrhundertelang<br />

verfolgten Minderheit als Skandal empfinden.<br />

Nach der Julirevolution 1830 in Frankreich und im<br />

„Vormärz“, den Jahren vor der Märzrevolution <strong>von</strong><br />

1848, werden die Rufe nach völliger Gleichberechtigung<br />

auch der Juden unüberhörbar. 172<br />

Immerhin räumen die bayerische Verfassung <strong>von</strong><br />

1818 und das Gemeindeedikt aus demselben Jahr den<br />

Juden in den Kommunen volle Rechte als Gemeindebürger<br />

ein. 173 Und immerhin starten in Bayern flächendeckende<br />

Aktionen, die Verhältnisse der jüdischen<br />

Glaubensgenossen zu erfassen und zu begutachten<br />

und so die Revision des Judenedikts vorzubereiten.<br />

Für unsere Region heißt das: Die Königliche Regierung<br />

des Untermainkreises in Würzburg fordert zunächst<br />

den unteren Behörden jährliche Berichte über<br />

die demografischen Zahlen und die wirtschaftlichen<br />

und kulturellen Verhältnisse der Juden ab. Die israelitischen<br />

Gemeinden, wie sie jetzt heißen, beantworten<br />

selbst umfangreiche Fragebögen, die 1833 zu einem<br />

Zahlenwerk zusammengefügt werden. Ausdrücklich<br />

vorgesehen und nachgefragt sind dabei auch Beschwerden<br />

und Verbesserungsvorschläge der Betroffenen<br />

zu ihren bürgerlichen Verhältnissen. 174 Diese<br />

Rückmeldungen werden, wenn auch in jahrelanger zäher<br />

Arbeit, sorgfältig registriert und in Reformvorschläge<br />

umgesetzt. 175<br />

Aus Berg<strong>rothenfels</strong> kommt ein bemerkenswerter<br />

Katalog <strong>von</strong> konkreten Beschwerdepunkten, der zugleich<br />

ins Grundsätzliche geht. In den Orten, die ehe-<br />

171 Vgl. R. Mehler, Matrikelbestimmungen, S. 7-15. Der Autor,<br />

neuerer Forschungsliteratur folgend, unterscheidet zwei historische<br />

Wege bei der Judenemanzipation: den liberal-revolutionären,<br />

der die rechtliche Gleichstellung vollständig gewährt<br />

und die weitere Integration dem freien Spiel der gesellschaftlichen<br />

und ökonomischen Kräfte überlässt (z. B. Frankreich), und<br />

den aufgeklärt-etatistischen mit schrittweisem Vorgehen und<br />

Erziehungsanspruch der Regierung (z. B. Bayern).<br />

172 Vgl. U. Gehring-Münzel, Emanzipation, S. 61-142.<br />

173 Vgl. G. Döllinger, Sammlung, S. 77 f.<br />

174 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8663 (Berichte des<br />

Herrschaftsgerichts Rothenfels 1816 ff); Statistische Sammlung<br />

Nr. 279 (Fragebogen mit Beschränkung auf die Familien mit<br />

Matrikeleintrag), Nr. 280 (fol. 221-227: Fragepunkte über die<br />

allgemeinen und bürgerlichen Verhältnisse der Israeliten; fol.<br />

228-237: Erklärungen <strong>von</strong> Nathan Freudenberger zum Fragebogen<br />

für die israelitische Gemeinde Berg<strong>rothenfels</strong> und Rothenfels,<br />

7. 1. 1833). Ein hier nicht zu referierender Teil der<br />

Ausführungen Freudenbergers ist eine mehrseitige Darstellung<br />

der Grundsätze des jüdischen Glaubens. Die ebenfalls vorgegebene<br />

Frage nach der Errichtung einer obersten kirchlichen Behörde<br />

der israelitischen Glaubens Angelegenheiten beantwortet<br />

er nicht, während die Karbacher Gemeinde die Einführung einer<br />

solchen Behörde fordert.<br />

175 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8540, 8541 (Anordnungen,<br />

Korrespondenzen, Berichte und Zusammenfassungen<br />

der Verhältnisse und Beschwerden der israelitischen Glaubensgenossen,<br />

1833-36).<br />

mals zum Hochstift Würzburg gehörten, so heißt es in<br />

dem <strong>von</strong> Nathan Freudenberger unterzeichneten Papier<br />

vom 7. Januar 1833, bestehen noch immer Verordnungen<br />

aus dem Zeitalter der religions Intoleranz<br />

und der Knechtschaft, deren Anwendung im Widerspruch<br />

zur Reichsverfassung steht, indem die Verfassung<br />

des Reichs einem jeden Staatsbürger ohne<br />

Rücksicht auf Religion gleichartige Behandlung in der<br />

Rechtspflege zusichert. Dabei geht es vor allem um die<br />

noch immer bestehende Ungleichbehandlung <strong>von</strong> Israeliten<br />

und Nicht-Israeliten bei Geld- und Handelsgeschäften.<br />

176<br />

Auch andere Belastungen und Widersinnigkeiten<br />

werden genannt und zur Abschaffung vorgeschlagen:<br />

die Neujahrsgeldzahlungen an den katholischen Stadtpfarrer,<br />

die Fronleistungen und Beisassengelder an die<br />

Kommune und die Schutzgeldforderungen des fürstlich-löwensteinischen<br />

Rentamtes. Das alles, betont der<br />

Verfasser, läuft noch immer weiter, obwohl die Juden<br />

längst ordentliche Gewerbe ausüben und normale<br />

Steuerzahler sind. Die Pflichten lasse man sie erfüllen,<br />

doch <strong>von</strong> den staatsbürgerlichen Rechten schließe man<br />

sie aus. Besonders unerträglich sind dem Schreiber die<br />

Hindernisse bei der Niederlassung und Familiengründung,<br />

also die Einschränkungen durch die Matrikelbestimmungen:<br />

Wenn schon der Israelit allen Gesetzen vollen Genüge<br />

geleistet, hat er seinen gesetzlichen Militär-<br />

Dienste überstanden, und hat er alle Mitteln und<br />

Fähigkeiten, sich bürgerlich zu ernähren, so kann er<br />

seine Ansäßigmachung doch nicht erlangen, so die<br />

Normal-Zahl überschritten werden soll. Außerdem<br />

wird mit Recht als Beschwerde angeführt, daß alle<br />

Israeliten <strong>von</strong> Staatsämtern ausgeschlossen sind.<br />

Fazit: Wir tragen gehorsamst darauf an, uns den uebrigen<br />

Staatsbürger[n] des Königreichs so wohl in der<br />

Rechtspflege als wie in der Ansäßigmachung und<br />

zwar in allen Orten wo auch bisher keine Israeliten in<br />

denselben wohnten gleich zustellen und uns die Pforte<br />

zur Zulassung der Staatsämter zu öffnen, und uns gnädigst<br />

ein zulassen. 177<br />

176 Konkret geht es um die 1623 und erneut 1699 verordnete Beurkundungspflicht<br />

<strong>von</strong> Darlehensgeschäften und Handelsverträgen.<br />

Demnach müssen Verträge <strong>von</strong> Juden mit Christen<br />

gerichtlich angezeigt und protokolliert werden. Anderenfalls<br />

können Geldforderungen <strong>von</strong> den Schuldnern bestritten und<br />

vom Gericht abgewiesen werden. Einige Lockerungen wie die<br />

Ausnahme <strong>von</strong> Beträgen unter 12 bzw. 25 Gulden ändern nichts<br />

an der Belastung durch diese Vorschriften. – Ein anderer Punkt<br />

der Rothenfelser Beschwerden ist das Verbot der (jahrhundertelang<br />

zu beiderseitigem Nutzen praktizierten) Haltung <strong>von</strong><br />

Halbvieh. Das heißt: Tiere jüdischer Händler wurden gegen<br />

Preisnachlass oder Nutzungsrecht und abschließende Teilung<br />

des Ertrages zur Fütterung und Aufzucht bei christlichen Bauern<br />

eingestellt. – Beide Verordnungen gelten als Civilrechtliche<br />

Ausnahmegesetze der israelitischen Glaubensgenossen im Königreich<br />

Bayern im Gebiet des ehemaligen Hochstifts Würzburg<br />

zunächst fort. Vgl. G. Döllinger, Sammlung, Anhang S.<br />

11-16, 21-23; I. König, Judenverordnungen, S. 56, 185-191,<br />

199-201.<br />

177 StAWü Statistische Sammlung Nr. 280 fol. 223, 230'-233.


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 35<br />

So fällt aus dem kleinen Rothenfels am Main, verkörpert<br />

in der Person des jüdischen Gemeindesprechers<br />

Nathan Freudenberger in Berg<strong>rothenfels</strong>, eine<br />

vom Geist des „Vormärz“ geprägte Stimme in den<br />

Chor der Emanzipationsforderungen ein. Dass der so<br />

mühsam erkämpfte Prozess der Integration in die bürgerliche<br />

Gesellschaft auch einschneidende Strukturveränderungen<br />

des Land<strong>juden</strong>tums bis hin zur<br />

Auflösung zahlreicher Gemeinden mit sich bringen<br />

wird, ist zu dieser Zeit und an diesem Ort kein Thema.<br />

178<br />

1833 also werden in Bayern Daten erhoben und<br />

Reformvorschläge gesammelt. Die aus dem ganzen<br />

Land gebündelten Anträge werden nur langsam umgesetzt:<br />

1849 mit der erstmaligen Wahl <strong>von</strong> Juden in die<br />

bayerische Abgeordnetenkammer, 1850 mit einer zunächst<br />

zurückgenommenen, im folgenden Jahr erfolgreichen<br />

zivilrechtlichen Gleichstellung, endlich (durch<br />

Landtagsabschied vom 10. November 1861) mit der<br />

Aufhebung der Matrikelbestimmungen über Ansässigmachung<br />

und Gewerbebetrieb. Es bedarf noch einer<br />

ganzen Serie <strong>von</strong> Landes- und übergeordneten Bundesgesetzen<br />

zur Freizügigkeit der Juden und zur<br />

Gleichberechtigung der Konfessionen, bis mit dem<br />

Beitritt Bayerns zur Verfassung des Deutschen Reiches<br />

am 13. Mai 1871 die Israeliten tatsächlich<br />

Staatsbürger mit vollen Rechten sind. 179<br />

Alle diese Schritte zur Emanzipation gehen nicht<br />

reibungslos <strong>von</strong>statten, sondern werden <strong>von</strong> heftigen<br />

politischen, publizistischen und populistischen Protestbewegungen<br />

konservativer Gruppierungen und zunehmend<br />

antisemitisch begründeten Ausschreitungen<br />

begleitet. In Bayern treten bürgerliche und kirchliche<br />

Kreise 1849 einen Adressensturm los – organisierte<br />

Proteste gegen die Judenemanzipation. Das Innenministerium<br />

sammelt die Petitionen und wertet sie statistisch<br />

aus, verlangt auch <strong>von</strong> den örtlichen Obrigkeiten<br />

Berichte über die öffentliche Stimmung betr. Gleichstellung<br />

der Israeliten. So sind wir über den Umfang,<br />

die Urheber und die Motivationen der Bevölkerung in<br />

den meisten Orten informiert. 180<br />

Aus dem ehemaligen Amt Rothenfels berichtet<br />

Joseph Georg Häcker als Leiter der Königlichen Gerichts-<br />

und Polizeibehörde. Demnach wurden aus seinem<br />

(19 Orte umfassenden) Bezirk nur zwei Adressen<br />

gegen die Judenemanzipation abgesandt: aus Karbach,<br />

organisiert vom Vorsteher der Nachbargemeinde<br />

Marktheidenfeld, und aus Pflochsbach, ausgehend<br />

178 Zum Emanzipationsprozess und seinen Folgen für das fränkische<br />

Land<strong>juden</strong>tum vgl. L. Scherg, Jüdische Gemeinden, S.<br />

149-154.<br />

179 Vgl. U. Gehring-Münzel, Würzburger Juden, S. 499-523. Dazu<br />

Judenedikt (wie Anm. 162), hier die Anmerkungen des Herausgebers<br />

S. 418. Erst durch Gesetz vom 26. 3. 1881 werden in<br />

Bayern die letzten für Juden noch bestehenden persönlichen<br />

Sonderabgaben aufgehoben.<br />

180 Vgl. J. F. Harris, The People Speak!, bes. S. 159-187 (Regierungsbezirk<br />

Unterfranken).<br />

vom dortigen Pfarrer. Man verhält sich in dieser Frage<br />

überwiegend passiv: In keiner Gemeinde giebt sich<br />

eine günstige Stimmung für die Judenemanzipation<br />

kund. […] Doch wird aus diesem Anlaß weder eine<br />

Feindseligkeit gegen die Juden verübt, noch sonst die<br />

Ordnung in irgend einer Art gestört. 181<br />

Die Vorbehalte, soweit sie überhaupt artikuliert<br />

werden: Man befürchtet den Aufstieg <strong>von</strong> Juden in öffentliche<br />

Ämter. Scharfe antisemitische Töne leistet<br />

sich hier nur der katholische Pflochsbacher Pfarrer Johann<br />

Adolph Kraus: So lange die Kinder Israels noch<br />

auf ihr mosaisches Gesetz, oder ihren Talmud beharren,<br />

kann keine bürgerliche und politische Gleichstellung<br />

derselben <strong>von</strong> den hiesigen Einwohnern<br />

gewünscht werden; lieber eine gänzliche Entfernung<br />

derselben aus Deutschland nach Palästina, ihrer Herkunft.<br />

182<br />

Es gibt keine Selbstzeugnisse, wie die Juden <strong>von</strong><br />

Berg<strong>rothenfels</strong> und Rothenfels diese Kämpfe empfinden<br />

und kommentieren. Sicher ist jedoch: Sie nehmen<br />

die endlich erlangte Gleichstellung mit allen Rechten<br />

für sich in Anspruch, in der Kommune wie im Staat.<br />

Bei den Gemeindeversammlungen wie bei den Landtagswahlen<br />

sind sie – jedenfalls die volljährigen steuerzahlenden<br />

Männer – dabei. 183<br />

10. Leben und Arbeiten in Rothenfels<br />

Am 10. Oktober 1817 legt Nathan Isack vor dem<br />

Herrschaftsgericht im Amtshaus der Burg Rothenfels<br />

den Unterthans Eid auf den König und das Königreich<br />

Bayern ab und bekommt die begehrte erste und einzige<br />

Matrikelstelle für die Stadt. 184 Seinen neuen Familiennamen<br />

Heil hat er bereits 1811 angenommen, als ein<br />

Teil des alten würzburgischen Amtes Rothenfels für<br />

wenige Jahre zum Großherzogtum Frankfurt gehörte.<br />

Nathan Heil ist nun 64 Jahre alt und kann einen Würzburger<br />

Schutzbrief <strong>von</strong> 1796 vorweisen. Er ist verheiratet,<br />

hat vier Söhne und vier Töchter, die Großfamilie<br />

181 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken, Präsidialakten 325 (unpaginiert).<br />

182 Wie Anm. 181 (Rothenfelser Bericht vom 21. 1. 1850, Anlagen<br />

vom 18. und 19. 1. 1850). Die Adresse aus Pflochsbach, heißt es<br />

in dem Bericht, wurde allerdings vom Pfarrer ohne jeden Auftrag<br />

selbst gefertigt und nur <strong>von</strong> wenigen Einwohnern unterzeichnet.<br />

Johann Adolph Kraus, 1847-1886 Pfarrer in<br />

Pflochsbach am Main, trat auch als Kirchenhistoriker hervor,<br />

u. a. mit einer Darstellung der Benediktinerabtei Neustadt am<br />

Main (1856).<br />

183 StadtAR 41-3, 41-4 (undatiert). Die vorliegenden Berg<strong>rothenfels</strong>er<br />

Urwahllisten verzeichnen als Nachweis für die Wahlberechtigung<br />

Steuerveranlagungen bis 1865/66, es handelt sich<br />

also um die bayerische Landtagswahl 1866. Wahlberechtigt<br />

sind hier die Bürger israelitischen Glaubens Nathan Freudenberger,<br />

Hille Hamburger, Abraham Heil, David Heil und Benjamin<br />

Herrmann.<br />

184 Den Staatsbürgereid legen Israeliten im Beisein eines Rabbiners<br />

zunächst auf die Bibel ab. Seit 1823 werden sie generell<br />

nach jüdischem Ritus auf die Thora vereidigt. Vgl. G. Döllinger,<br />

Sammlung, S. 24, 286 f.


36 Winfried Mogge<br />

ernährt sich mit Vieh- und Warenhandel. 185 Vier Jahre<br />

zuvor ist Nathan vom Berg ins Tal umgezogen und hat<br />

dort ein Haus erworben. Während seine Söhne David<br />

und Abraham später wieder in das Dorf gehen und als<br />

Landwirte und Viehhändler arbeiten, bleibt Joseph als<br />

Handelsmann in der Stadt. 186<br />

1825 zieht Nathan sich aus dem aktiven Geschäft<br />

zurück; er tritt dem Sohn Joseph zur Ansässigmachung<br />

in Rothenfels seinen Schutzbrief, die mit 600<br />

Gulden bewertete Hälfte seines Wohnhauses und<br />

1.200 Gulden als Heimsteuer ab und stellt weitere 600<br />

Gulden Bargeld in Aussicht. Josephs Einbürgerung<br />

und die Geschäftsübernahme gelingen allerdings erst<br />

im dritten Anlauf – der Stadtrat setzt der Konkurrenz<br />

für die christlichen Krämer hartnäckigen Widerstand<br />

mit immer neuen Verzögerungen entgegen. 187 1831<br />

müssen dann Nathans Erben den umfangreichen<br />

Nachlass des Patriarchen unter sich aufteilen. 188<br />

Die Familie Heil gewinnt dank neuer Gruppen <strong>von</strong><br />

Schriftquellen Profil. Das sind zum einen zahlreiche<br />

Einträge in den Grundsteuerkatastern, die die bayerische<br />

Regierung zur Vereinheitlichung des Steuerwesens<br />

landesweit anlegen lässt. 189 Zum anderen ist eine<br />

sehr spezielle Quelle zur Rothenfelser Handelsgeschichte<br />

erhalten – das <strong>von</strong> der Stadtverwaltung geführte<br />

Vieh-Protokollbuch, zwar nur ein Stück aus<br />

einer ehemals längeren Reihe, aber doch fast 50 Jahre<br />

des 19. Jahrhunderts abdeckend. 190 In solchen Viehkontraktenbüchern<br />

werden die Verkäufe <strong>von</strong> Nutzund<br />

Schlachttieren genau protokolliert und treten anschauliche<br />

Details zur Wirtschafts- und Bevölkerungsstruktur<br />

eines Ortes oder einer Region hervor. 191<br />

Im Fall Rothenfels sind die in unregelmäßigen Abständen,<br />

oft an zwei Terminen im Monat, abgeschlossenen<br />

Geschäfte verzeichnet, stets mit Ort und Datum,<br />

185 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8663 fol. 255 ff; vgl.<br />

D. Rosenstock, Judenmatrikeln, S. 191.<br />

186 Vgl. S. 43.<br />

187 StadtAR II 9/2 (Kontraktenbuch 1818-1833, unpaginiert), 20.<br />

10. 1825; II 2/16 (Ratsprotokolle 1818-1823), 13. 6. und 1. 8.<br />

1819; II 2/17 (Ratsprotokolle 1823-1828), 23. 10. und 30. 11.<br />

1823. – Seit 1819 beantragt Nathan Heil die Ansässigmachung,<br />

Schutzerteilung und Verehelichung seines Sohnes Joseph in Rothenfels.<br />

Der Stadtrat häuft die Bedenken: Das Haus der Familie<br />

Heil sei als offener Laden nicht geeignet, die Höhe der<br />

Heimsteuer nicht gewiss, Joseph habe nur bei der Landwehr<br />

und nicht beim Militär gedient, die Zahl der Judenfamilien in<br />

der Stadt dürfe nicht vermehrt werden, es bestehe kein Bedarf<br />

für ein weiteres Handelsunternehmen in der Stadt. Die Genehmigung<br />

wird schließlich auf den Handel mit Ellenwaren (Stoffen,<br />

Tuchen) beschränkt; Joseph Heil hatte auch die Erlaubnis<br />

für rauhe Viehhäute und andere Landesprodukte beantragt. Erst<br />

Jahre später zahlt er in Rothenfels 15 fl Bürgereinzugsgeld;<br />

StadtAR III 11/77 (Gemeinderechnung 1832/33) S. 143.<br />

188 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8663 (unpaginiert; 19.<br />

4. 1831); StadtAR II 9/2 (25. 10. 1831). Von 1813 bis 1829/30<br />

zahlt Nathan Heil in Rothenfels Beisassengeld bzw. Judengeld,<br />

1830/31 und 1832/33 stehen Nathan Heils Erben dafür ein<br />

(StadtAR III 11/50 bis 11/77).<br />

189 Vgl. S. 40.<br />

190 StadtAR II 9/1 (Vieh-Protokollbuch 1814-1861).<br />

191 Vgl. B. Weinhold, Viehkontraktenbücher, passim.<br />

Ausschnitt aus dem Rothenfelser Kontraktenbuch:<br />

Vertrag der Erben Nathans Heils, 25. 10. 1831.<br />

Unterschriften: Hajum Heß (in hebräischen Schriftzeichen),<br />

Michael Kahn, David Heil für sich und<br />

Joseph Heil, Abraham Heil, Giedel (hebräisch)), Giedel<br />

Heil; zur Beglaubigung: Schleicher, Vorsteher.<br />

Angabe der anwesenden Zeugen (in der Regel des<br />

Stadtvorstehers), Namen des Käufers und des Verkäufers,<br />

Beschreibung des Tieres, Preis, Barkauf oder<br />

Zahlungsziel, Nachlass nach Landes Brauch und sonstigen<br />

Konditionen. Gekauft und verkauft werden hier<br />

keine Herden, sondern jeweils nur einzelne Tiere:<br />

Kühe, Kälber und Ochsen; Pferde spielen in dieser armen<br />

Gegend als Arbeitstiere fast keine Rolle. Käufer<br />

sind Handwerker und Bauern aus Rothenfels und den<br />

umliegenden Orten, Verkäufer meist jüdische, aber<br />

auch christliche Händler aus der Stadt, aus Berg<strong>rothenfels</strong>,<br />

Karbach, Ansbach, Erlenbach, Greußenheim,<br />

Urspringen und Laudenbach, also dem Bereich des alten<br />

Landamtes und darüber hinaus. In der Zeit <strong>von</strong><br />

1815 bis 1830 ist Nathan Heil (auch mit Verwendung<br />

seines alten Namens Nathan Isack Heil) im örtlichen<br />

Viehgeschäft dominant. Seine Söhne David und Abraham<br />

treten die Nachfolge an. 192<br />

Der Viehhandel ist jahrhundertelang eine der Existenzgrundlagen<br />

der fränkischen Land<strong>juden</strong>, bedingt<br />

durch ihre Ausschließung <strong>von</strong> fast allen Berufen und<br />

192 StadtAR II 9/1 (nur teilweise paginiert).


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 37<br />

begünstigt durch ihre landesweiten Vernetzungen. 193<br />

Für Rothenfels gibt es einige wenige Hinweise, die etwas<br />

aussagen über frühere Dimensionen des Handels<br />

und auch über Probleme bei der Ausübung dieser Arbeit.<br />

1752 werden Hirschlein <strong>von</strong> Berg<strong>rothenfels</strong>,<br />

Moyses <strong>von</strong> Rothenfels und Pfeuffer <strong>von</strong> Karbach<br />

vom fürstbischöflichen Revierjäger zu Greußenheim<br />

angezeigt, weil sie ihr Vieh zur Mast in hochfürstliche<br />

Waldungen getrieben haben. Es handelt sich um Herden<br />

<strong>von</strong> jeweils 60 und 30 Stück. 194 Männlein <strong>von</strong><br />

Berg<strong>rothenfels</strong> und seine Söhne holen sich mehrmals<br />

Rugstrafen ab, weil sie nicht nur einzelne Tiere, sondern<br />

auch mal 14, 15 oder 28 Stück Vieh in der Flur<br />

weiden ließen. 195<br />

Konkurrenzkämpfe mit den Einwohnern um Viehweiden<br />

und Viehwege, anderenorts an der Tagesordnung,<br />

deuten sich in Rothenfels bei den geschilderten<br />

Bemühungen der Stadtoberen zur Ausweisung der Juden<br />

an. Der Viehhandel, der ein besonderes Vertrauensverhältnis<br />

der Vertragspartner erfordert und zudem<br />

obrigkeitlich scharf kontrolliert wird, verläuft hier<br />

weitgehend konfliktfrei; nur selten kommt es zum<br />

Streit etwa wegen eines kranken Tieres. 196 Für den Fall<br />

einer gerichtlichen Auseinandersetzung gibt es besondere<br />

Eidesformeln: Der christliche Vertragspartner<br />

schwört zu gott und seinen lieben Heiligen, der jüdische<br />

auf Adonaÿ Ewiger allmächtiger gott ein Herr<br />

über alle Melachim ein eintziger gott meiner Vätter,<br />

der du uns die heilige Thora gegeben hast. 197<br />

In anderen für Juden bislang zugänglichen Handelssparten<br />

wird es zunehmend eng und sorgen die<br />

christlichen Kleinunternehmer für die Ausschaltung<br />

der Konkurrenz. Das wird deutlich bei einem Vorgang<br />

<strong>von</strong> 1804/08, als sich zunächst Jüdlein Salomon aus<br />

Karbach und dann sämtliche Krämer und Juden dieses<br />

Ortes bei der nunmehr fürstlich-löwensteinischen Regierung<br />

beschweren, weil ihnen der bisherige Seifen-,<br />

Lichter- und Ölhandel in der Stadt Rothenfels verboten<br />

wurde. Salomon beklagt gar den völligen Verlust<br />

seines Einkommens. Ihm wird kühl mitgeteilt, dass die<br />

Seifensiederei in Rothenfels als zünftiges Gewerbe<br />

193 Vgl. I. König, Judenverordnungen, S. 201 f; B. Rösch, Judenwege,<br />

S. 204-221.<br />

194 StAWt-R Rep. 26h Nr. 71.<br />

195 StadtAR II 2/11 S. 226, 496 f, 650, 658, 662.<br />

196 StadtAR II 2/11 S. 23.<br />

197 StadtAR II 2/10 S. 24-26. Es handelt sich im konkreten Fall um<br />

eine Klage des Juden Oscher aus Karbach gegen Joseph Roth<br />

aus Rothenfels wegen eines Ochsenkaufes, verhandelt vor dem<br />

Stadtgericht am 12. 4. 1763. Der Streit wird zugunsten <strong>von</strong><br />

Oscher entschieden. Wortlaut des Judeneides bei P. Kolb, Chronik,<br />

S. 371 f Anm. 381. – Der mit drastischen Formulierungen<br />

nicht eben sparsame Judeneid gipfelt in dem Satz über Strafen<br />

im Falle eines unrechten oder betrügerischen Schwures: […] so<br />

seÿe ich beraubt aller gnadten des ewigen gottes und mir werden<br />

aufferlegt alle straffen die und fluch die gott denen Verfluchten<br />

Judten aufferlegt hat [...].Dieser Satz hält sich noch in<br />

der Eidesformel für Juden im Königreich Bayern: Mir sollen<br />

auferlegt werden alle Strafen und Flüche, die Gott den verfluchten<br />

Juden auferlegt hat. Vgl. G. Döllinger, Sammlung, Anhang<br />

S. 9.<br />

verfasst wurde, zu dem er als Jude nicht zugelassen<br />

sei. 198<br />

Der Ausschluss <strong>von</strong> der Zunftorganisation ist also<br />

nach wie vor das erprobte Mittel, Juden <strong>von</strong> Handwerksberufen<br />

fernzuhalten. Auch das herkömmliche<br />

Kreditgeschäft, das ihnen so lange den Ruf und Hass<br />

als Wucherer eingetragen hat, mussten die Juden<br />

längst an christliche Unternehmer abgeben. In den Rothenfelser<br />

Unterlagen ist im 19. Jahrhundert jedenfalls<br />

keine Rede mehr <strong>von</strong> jüdischen Geldverleihgeschäften,<br />

ausgenommen die Gewährung <strong>von</strong> Kleinkrediten<br />

bei Viehverkäufen. Das Judenedikt <strong>von</strong> 1813 schneidet<br />

diese und andere traditionelle Erwerbszweige ab –<br />

und eröffnet zugleich ein weites Feld neuer Betätigungen,<br />

das für die aussterbenden Rothenfelser Juden<br />

aber kaum noch in Frage kommt.<br />

Zur Erfassung der allgemeinen und bürgerlichen<br />

Verhältnisse der Juden in Bayern lässt die Regierung,<br />

wie bereits berichtet, 1833 umfangreiche statistische<br />

Daten sammeln. Für die Stadt Rothenfels wird in diesem<br />

Stichjahr nur noch eine Familie und ein einziges<br />

jüdisches Kleinunternehmen – ein Kramhandel im offnen<br />

Laden – gemeldet. 199 Das Bild ändert sich gegen<br />

Ende des 19. Jahrhunderts noch einmal kurz und eher<br />

kläglich. Ganze drei für wenige Jahre gemeldete kleine<br />

Gewerbe haben sich hier auf Schnittwaren (Textilien)<br />

verlegt. Die Handlung <strong>von</strong> Joseph Heil wird 1874<br />

geschlossen, die eines Abraham Heil (nicht identisch<br />

mit Josephs gleichnamigem Bruder) 1879, beide wegen<br />

Todes der Inhaber und <strong>von</strong> den Witwen nicht fortgeführt.<br />

Das Geschäft <strong>von</strong> David Grünewald endet<br />

1887 wegen Wegzugs der Familie nach Karbach. 200<br />

Die Lage ist eindeutig: Für jüdische Bewohner ist<br />

dieser Ort nicht mehr attraktiv, auch eine israelitische<br />

Kultusgemeinde hat hier keine Existenzgrundlage<br />

mehr. 201<br />

11. Leben und Arbeiten in Berg<strong>rothenfels</strong><br />

Wann die erste jüdische Familie im Dorf Berg<strong>rothenfels</strong><br />

ankommt, lässt sich nicht feststellen. Die für die<br />

Stadt Rothenfels so nutzbringend herangezogenen<br />

Zahlenwerke des 17. Jahrhunderts schweigen sich hier<br />

aus, ebenso die Ratsprotokollbücher. Die erste bekannte<br />

und sozusagen amtliche Nachricht stammt aus<br />

dem Jahr 1720, aus der Auflistung aller Einwohner des<br />

Hochstifts Würzburg anlässlich der Erbhuldigung des<br />

Fürstbischofs Johann Philipp Franz <strong>von</strong> Schönborn.<br />

Da wird für Berg<strong>rothenfels</strong> ein Jud Wolff genannt,<br />

198 StAWt-R Rep. 100e Nr. 38, Nr. 47.<br />

199 StAWü Statistische Sammlung Nr. 279. In einem zeitgleichen<br />

Formular im selben Vorgang (Nr. 280) wird in Rothenfels überhaupt<br />

kein jüdischer Betrieb registriert. Zutreffend ist ein Betrieb:<br />

Joseph Heil wird für seine Handelschaft zur Steuer<br />

veranlagt.<br />

200 StadtAR IV 8/5, IV 8/6, II 10/3; vgl. unten S. 58.<br />

201 Vgl. unten S. 57 f.


38 Winfried Mogge<br />

über den sonst nichts zu erfahren ist. 202 Zehn Jahre<br />

später werden die Namen Schlomm und Behrlein aufgeführt,<br />

bald darauf noch Itzig. 203 Die Szene ändert<br />

sich rasch durch Wegzug und Tod.<br />

Die Zahl der Berg<strong>rothenfels</strong>er Juden vermehrt sich<br />

schlagartig durch die Ausweisungen <strong>von</strong> Perlein<br />

(1734), Männlein (1736), Moyses Berl und Nathan<br />

Hirsch (1749/50) aus Rothenfels. 204 Als sie nicht gänzlich<br />

fortgejagt, sondern zu gnadten noch auf den berg<br />

transmittiret werden, behalten sie ihren Status als<br />

Schutz<strong>juden</strong>. 205 Im Dorf ziehen sie nicht nur ihre eigenen<br />

Nachkommen groß, sondern auch minderjährige<br />

Kinder verstorbener Verwandter. 206 Für kurze Zeit<br />

(1763) tritt hier außerdem ein Schutzjude Sender oder<br />

Sendter auf, der mit Streitigkeiten um Geld- und Holzgeschäfte<br />

aktenkundig wird. 207<br />

Als eine Folge des Einschnittes <strong>von</strong> 1750 bilden<br />

die Berger ihre eigene, <strong>von</strong> den Glaubensgenossen in<br />

der Stadt abgelöste Kultusgemeinde. 208 Diese neue<br />

Konstellation erhellt aus einem Vorgang <strong>von</strong> 1772/73,<br />

als es strittig um die Judenschulen in der Stadt und im<br />

Dorf geht. 209 Zu diesem Zeitpunkt leben in Berg<strong>rothenfels</strong><br />

vier Familien mit Würzburger Schutzbriefen:<br />

Schlommel (oder Schlummel), Männlein (jetzt in zweiter<br />

Generation, auch Moises Männlein genannt) und<br />

des letzteren Söhne Nathan und Abraham. 210 Sie alle<br />

ernähren sich vom Waren- und Viehhandel; Schlommel<br />

gilt als verarmt und wird <strong>von</strong> Männlein unterstützt,<br />

alle anderen sind vermögend. Von Konflikten<br />

mit der christlichen Bevölkerung wissen die schriftlichen<br />

Quellen der Zeit nichts zu berichten.<br />

Der politische Umsturz <strong>von</strong> 1802/03 und der<br />

schrittweise Übergang der unterfränkischen Region an<br />

Bayern macht sich selbstverständlich auch für die Juden<br />

in Berg<strong>rothenfels</strong> bemerkbar. Das Judenedikt <strong>von</strong><br />

1813 gilt in den neuerworbenen bayerischen Landes-<br />

202 StAWü Standbuch Nr. 933 fol. 519. – Die handschriftliche<br />

Ortsgeschichte <strong>von</strong> Berg<strong>rothenfels</strong> (1913 begonnen <strong>von</strong> Volksschullehrer<br />

Anton Göpfert), kennt nur vereinzelte Hinweise auf<br />

Juden ohne Quellenangaben (StadtAR 43-2, S. 21). Vgl. die allgemeinen<br />

Bemerkungen zur Stadt- und Pfarrchronik in Anm.<br />

52.<br />

203 StAWü Standbuch Nr. 937 fol. 1603 (1731); StAWt-R J 2 Nr. 8<br />

(um 1731); StAWt-R Rep. 5g Nr. 2 (1750).<br />

204 Vgl. S. 24-26, 67.<br />

205 StAWt-R Rep. 65g Nr. 47 (19. 1. 1736); StAWü Gebrechenamtsakten<br />

VI W 292 (1751).<br />

206 StAWt-R Rep. 65g Nr. 47 (unpaginiert; Anlagen 1734-36).<br />

207 StadtAR II 2/10 S. 17-19, 28-32, 48 f, 104.<br />

208 Vgl. S. 48.<br />

209 Vgl. S. 48 f.<br />

210 StAWt-R Rep. 5g Nr. 2. Dazu StAWü Gebrechenamtsakten VI<br />

W 292 (unpaginiert, 1751): Die Namen werden bestätigt durch<br />

eine Verhandlung vor dem Oberamtmann Joseph Christian<br />

Lochner <strong>von</strong> Hüttenbach. Der verlobte Jud Nathan hiesiger<br />

Schutz Jud (es handelt sich wohl um den Sohn Männleins) hatte<br />

den Stadtschultheißen zu Wertheim und einige dortige junge Juden<br />

verklagt, die ihm bei einem Verwandtenbesuch in Wertheim<br />

gewaltsam einen ungerechtfertigten Brautzoll abgenommen hatten.<br />

Zu den religionsgeschichtlichen Hintergründen werden gehört:<br />

Israël Kohn hiesiger Reba und Judten Schulmeister und<br />

Judt Schlumel und Männlein beede Schutz Judten <strong>von</strong> Berg.<br />

teilen erst ab 1816. Die mögliche Freude über diesen<br />

ersten Schritt hin zur bürgerlichen Gleichstellung wird<br />

stark getrübt durch die Einführung der Matrikeln im<br />

folgenden Jahr, erlebt als restriktive Maßnahme zur<br />

Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Juden. 211<br />

Berg<strong>rothenfels</strong> bekommt nur zwei Matrikelstellen<br />

zugeteilt. Am 10. Oktober 1817 werden deren Inhaber<br />

auf König und Vaterland vereidigt und ihre familiären<br />

und finanziellen Verhältnisse abgefragt und protokolliert.<br />

Eine Kuriosität der Bürokratie: In die Liste werden<br />

die beiden bereits verstorbenen Familienväter<br />

eingetragen. Ihre neuen Familiennamen hatten sie<br />

schon 1811 bei der Vereidigung auf das Großherzogtum<br />

Frankfurt angenommen. Nathan Hirsch hieß seitdem<br />

Nathan Herrmann und Moises Männlein wurde<br />

zu Moises Freudenberger. Vor dem Herrschaftsgericht<br />

erscheinen nun als Vertreter der Familien deren älteste<br />

Söhne zur Zeremonie. 212<br />

Isaak Nathan (Herrmann) teilt den Tod seiner Eltern<br />

mit. Er ist 26 Jahre alt und der älteste <strong>von</strong> zwei<br />

Brüdern und vier Schwestern. Die Familie besitzt<br />

einen fürstbischöflichen Schutzbrief <strong>von</strong> 1773 und betreibt<br />

Warenhandel.<br />

Nathan Moises (Freudenberger), 30 (?) Jahre alt,<br />

hat eine 64jährige Mutter und zwei (wahrscheinlich<br />

unverheiratete) Schwestern im Hause. 213 Mit einem<br />

Schacherhandel (Hausier- und Tauschhandel) ernährt<br />

er die Familie, die einen Würzburger Schutzbrief <strong>von</strong><br />

1782 vorweist. Nathan Freudenberger fällt in den<br />

nächsten Jahrzehnten auf als gewandter Sprecher der<br />

kleinen jüdischen Gemeinde <strong>von</strong> Berg<strong>rothenfels</strong> und<br />

Rothenfels und unerschrockener Vorkämpfer für die<br />

Bürgerrechte seiner Glaubensgenossen.<br />

Falls die Familien Herrmann und Freudenberger<br />

ihre Eintragung in die Matrikeln gefeiert haben sollten,<br />

wäre dies verfrüht gewesen. Einige Tage nach der<br />

Zeremonie gibt es eine Korrektur durch die Königliche<br />

Kreisregierung in Würzburg. Die alten fürstbischöflichen<br />

Schutzbriefe, so der Befund, nun<br />

Voraussetzung für die neue Qualität als Staatsbürger,<br />

galten und gelten üblicherweise auch für die Witwen<br />

der Verstorbenen, nicht aber für die Kinder. Fazit: Die<br />

Matrikeleinträge für Nathan Hirsch (Herrmann) und<br />

Moises Männlein (Freudenberger) werden für ungültig<br />

erklärt, stattdessen wird allein die Witwe Giedel<br />

Männlein (Freudenberger) eingetragen und vereidigt.<br />

Alle anderen Angehörigen bleiben immerhin als Beisassen<br />

im Dorf akzeptiert. 214<br />

Die Behörden beobachten und reglementieren die<br />

211 Vgl. R. Flade, Würzburger Juden, S. 71 f; D. Rosenstock, Judenmatrikeln,<br />

S. 13-23.<br />

212 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8663 fol. 255 ff; vgl.<br />

D. Rosenstock, Judenmatrikeln, S. 192.<br />

213 Demnach wäre Nathan 1787 geboren. Laut Personenstandsregister<br />

ist er 1868 mit 84 Jahren gestorben, also 1784 geboren<br />

(StAWü Jüdische Standesregister 114).<br />

214 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8663 fol. 263 f; Stadt-<br />

AR 311-6 ff (Jahresrechnungen 1823/24 ff).


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 39<br />

weitere Entwicklung der Verhältnisse der<br />

Juden selbstverständlich auch in Berg<strong>rothenfels</strong>.<br />

Die bereits zitierte Statistik für<br />

das Herrschaftsgericht (das frühere Amt)<br />

Rothenfels ergibt: Im Stichjahr 1833 leben<br />

hier in vier Orten 38 israelitische Familien<br />

(oder 182 Seelen), da<strong>von</strong> nur eine<br />

in Rothenfels (drei Seelen) und drei in<br />

Berg<strong>rothenfels</strong> (15 Seelen). In der Stadt<br />

wird in der Zeit nur noch ein jüdischer<br />

Handelsbetrieb registriert, im Dorf gibt<br />

es einen selbstständigen landwirtschaftlichen<br />

Betrieb, einen Groß- und Detailhandel<br />

und einen Hausierhandel. 215 Die<br />

Zahlen sind insofern irritierend, als in<br />

Berg<strong>rothenfels</strong> weitere Familien und<br />

Einzelpersonen zugezogen sind und geduldet werden.<br />

Die Namen der Familienvorstände oder Beisassengeld<br />

zahlenden jüdischen Männer im Dorf lauten zu<br />

der genannten Zeit: Nathan Freudenberger; David<br />

Heil; Amsel (Anschel), Benjamin, Löb (Löw, Leb) und<br />

Oschel Hamburger sowie Benjamin, Isaak, Jakob und<br />

Nathan Herrmann. 216 Außerdem wohnen hier einige<br />

Waisen, Witwen und ledige Verwandte, die weder zur<br />

politischen noch zur jüdischen Gemeinde zählen. Die<br />

Verwandtschaftsverhältnisse gehen aus den wenigen<br />

überlieferten Daten nicht immer hervor. 217 Zu den erklärten<br />

Zielen der bayerischen Judenpolitik zählt es,<br />

die Israeliten zu bürgerlichen Nahrungszweigen zu erziehen<br />

und <strong>von</strong> dem ihnen bislang aufgezwungenen<br />

Noth- und Hausirhandel abzubringen. 218 Die Obrigkeiten<br />

führen auch im Amt Rothenfels genaue Aufzeichnungen<br />

über die jährlich vergebenen Konzessionen für<br />

215 StAWü Statistische Sammlung Nr. 280; vgl. die Tabellen S. 60<br />

und 61.<br />

216 StAWü Statistische Sammlung Nr. 280 fol. 228'; Regierung <strong>von</strong><br />

Unterfranken Nr. 8663 (19. 4. 1831). Das volle Gemeindebürgerrecht<br />

hat zu der Zeit in Berg<strong>rothenfels</strong> und Rothenfels nur<br />

David Heil, der Betreiber der selbstständigen Ökonomie (das<br />

heißt: eines landwirtschaftlichen Betriebes). Die Familien Freudenberger,<br />

Heil, Hamburger und Herrmann sind in den Berg<strong>rothenfels</strong>er<br />

Jahresrechnungen als Steuerzahler vielfach genannt:<br />

StadtAR 311-5 (1822/23) bis 311-33 (1850/51), dazu auch die<br />

Urkunden zu den Jahresrechnungen: StadtAR 312-1 (1819/20)<br />

bis 312-13 (1833/34). – Nathan Freudenberger wird mehrmals<br />

noch mit seinem Vaternamen Moses bezeichnet. Die jüdische<br />

Familie Herrmann ist nicht zu verwechseln mit gleichzeitigen<br />

gleichnamigen christlichen Familien in Berg<strong>rothenfels</strong>.<br />

217 StAWü Jüdische Standesregister 114; dazu die Jahresrechnungen<br />

StadtAR 311-5 bis 311-33 und die Heberegister StadtAR<br />

IV 9/10 bis IV 9/18. Nachweisbar sind mit Hilfe der Beisassengelder<br />

außerdem Löb Hamburgers Witwe Giedel (1835/36 bis<br />

1848/49) und Löb Hamburgers Kinder (1849/50). – In Berg<strong>rothenfels</strong><br />

zahlt jeder jüdische Haushalt jährlich 4 Gulden, ab<br />

1824/25 nach rheinischer Währung 1 Gulden 40 Kreuzer. Die<br />

für fast drei Jahrzehnte verzeichneten Beisassen- oder Judengelder<br />

hören generell 1851 auf. Danach ist nur noch ein jüdischer<br />

Neuzugang (Nathan Kahn 1870) mithilfe der<br />

Bürgeraufnahmegelder bzw. Heimathgebühren nachweisbar;<br />

vgl. Anm. 343.<br />

218 Zur wechselvollen Geschichte des jüdischen Hausierhandels im<br />

Hochstift Würzburg zwischen Verbot und Zwang vgl. I. König,<br />

Judenverordnungen, S. 53-58, 196-199.<br />

Verhältnisse im Herrschaftsgericht Rothenfels (1822-1825)<br />

1822/23 1823/24 1824/25<br />

Judenfamilien im Bezirk ansässig 36 37 36<br />

Seelen 171 178 184<br />

Hausierpatente erteilt 21 18 14<br />

Schulpflichtige Kinder 25 22 34<br />

Jünglinge in Handwerkslehre 4 6 7<br />

Jünglinge in Gesellenausbildung - - 4<br />

Quelle: StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8663<br />

Hausierer – und erste Erfolgsmeldungen über jüdische<br />

Lehrlinge und Gesellen in Handwerksberufen. 219 Bis<br />

zur Umsetzung der berufsbezogenen Bestimmungen<br />

des Edikts <strong>von</strong> 1813 soll noch viel Zeit vergehen, und<br />

auch die Berg<strong>rothenfels</strong>er Familien werden mehrmals<br />

ausdrücklich auf die Verbote des Hausierhandels und<br />

der Mäckelei und Unterkäuferei verwiesen und verpflichtet.<br />

220<br />

Die Einschränkung traditioneller Erwerbszweige<br />

betrifft hier freilich bald niemanden mehr – die hiesigen<br />

Juden haben sich auf Landwirtschaft und im Sinne<br />

der Gesetzgebung erlaubten Handel verlegt. 221 Nur die<br />

Familien Hamburger und Herrmann handeln noch als<br />

Reisende mit Ellenwaren (Stoffen). 222 Aus dem Rahmen<br />

fällt Hänlein (Hille, Hila) Hamburger, der letzte<br />

seiner Familie in Berg<strong>rothenfels</strong>, der als gelernter<br />

219 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8663; dazu auch Stadt-<br />

AR II 8/3 S. 153. Dazu passt zeitlich und inhaltlich ein Bericht<br />

des Pflegschaftsausschusses der Gemeindeverwaltung <strong>von</strong><br />

Berg<strong>rothenfels</strong> an das Fürstliche Herrschaftsgericht vom 15. 9.<br />

1830 über die beruflichen Verhältnisse der Israelitten; gemeldet<br />

wird ein Ackerbauer, nebenher Viehhändler [David Heil] und<br />

ein schulentlassener Handwerker, der in Kleinwallstadt zum<br />

Buchbinder ausgebildet wird [Hänlein Hamburger] (StadtAR<br />

21-1 S. 686 f). – Die Hausierpatente werden jährlich gegen<br />

Vorlage <strong>von</strong> Leumunds- und Vermögenszeugnissen überprüft<br />

und erneuert. Bei der Konzessionserteilung gibt es zunächst<br />

Übergangsregelungen für Familienväter, die nichts anderes gelernt<br />

haben als den Hausierhandel. Eine kleine Statistik <strong>von</strong><br />

1824/25 (StAWü Statistische Sammlung Nr. 617 fol. 74) zeigt,<br />

dass der Klein- und Kramhandel als Broterwerb der Land<strong>juden</strong><br />

noch länger dominiert. Die im Berichtsjahr zur Ansässigmachung<br />

im bayerischen Untermainkreis zugelassenen 77 Juden<br />

sind: Händler und Krämer (22), Feldbauern (16), Metzger (11),<br />

Seifensieder und Lichterzieher (8), Schneider (4), Tuchmacher<br />

(3), Rotgerber (3), Schuster (2), Weber (2), Kürschner (1),<br />

Weißgerber (1), Sattler (1), Privatlehrer (2), Vorsänger (1).<br />

220 StadtAR 21-3 (19. 10. 1845), 24-5 (14. 11. 1855); vgl. P. Kolb,<br />

Berg<strong>rothenfels</strong>, S. 35 f. Die Verordnungen des Landgerichts<br />

werden jeweils der gesamten Gemeindeversammlung vorgelesen,<br />

dann gesondert den Israeliten und <strong>von</strong> diesen im Protokollbuch<br />

der Gemeindeverwaltung unterschrieben.<br />

221 Vgl. S. 40.<br />

222 StAWü Statistische Sammlung Nr. 618 (Verzeichnis der hausierenden<br />

Juden). Die letzten Konzessionen (für Benjamin Herrmann<br />

und Löb Hamburgers Witwe Giedel) für den<br />

Hausierbezirk Rothenfels stammen <strong>von</strong> 1831 und 1833.


40 Winfried Mogge<br />

Buchbinder arbeitet. 223 Mit angemeldetem Gewerbe<br />

kommt regelmäßig der koschere Metzger Maier Freudenreich<br />

aus Urspringen ins Dorf. 224 Erhebliche Probleme<br />

jedoch bereiten den Behörden ortsfremde<br />

Hausierer namentlich aus Karbach und Urspringen,<br />

die ohne Konzession mit Schnitt- und Ellenwaaren<br />

und überhaupt mit Waaren angeblich gegen Bestellung<br />

auch im Rothenfelser Bezirk umherziehen; das Königliche<br />

Landgericht droht mit Polizeiarrest und Beschlagnahme<br />

und verpflichtet die Gemeindevorsteher<br />

zur scharfen Aufsicht. 225<br />

Das bayerische Edikt hat den Juden unter anderem<br />

die (fast) freie Berufswahl und den Erwerb <strong>von</strong> Grund<br />

und Boden eröffnet. Die Familien Freudenberger und<br />

Heil nutzen diese neuen Möglichkeiten alsbald und<br />

kaufen Häuser und Land vor allem in Berg<strong>rothenfels</strong>.<br />

226<br />

Die ersten Juden, die hier als Oeconomen – das<br />

heißt selbstständige Landwirte – arbeiten, sind David<br />

und Abraham Heil. David zieht 1826 <strong>von</strong> der Stadt<br />

hinauf ins Dorf, erwirbt hier die zu der Zeit einzige<br />

vergebene Matrikelstelle, Abraham folgt 1846.<br />

Berg<strong>rothenfels</strong> hat sich 1822 aus dem Gemeindeverband<br />

mit Rothenfels und Windheim gelöst und eine eigene<br />

Kommune gebildet; der junge David Heil muss<br />

also als erster den neuen Gemeinderat überzeugen,<br />

dass er bereits über Haus- und Grundbesitz im Dorf<br />

und ein beträchtliches Geldvermögen verfügt und so<br />

alle Voraussetzungen für das Bürgerrecht nach dem<br />

Judenedikt erfüllt. Er hat Feldgüter nicht nur angekauft,<br />

sondern auch selbst bewirtschaftet und durch<br />

seinen Fleiß bewiesen, daß er sich als Bauersmann<br />

ernähren kann. 227 Der jüngere Bruder, zum Start eben-<br />

223 StadtAR 48-5 (unpaginiert), 24. 3. 1887. Am 23. 3. 1887 stirbt<br />

der ledige Buchbinder Hila Hamburger, geboren am 18. 10.<br />

1814, Sohn <strong>von</strong> Löb und Giedel Hamburger (VG Marktheidenfeld,<br />

Standesamt Berg<strong>rothenfels</strong>, Sterberegister Bd. II). Im selben<br />

Monat werden Hänlein Hamburgers Mobilien versteigert<br />

(StadtAR 41-45, Versteigerungs-Anzeige für den 31. 3. 1887).<br />

224 StadtAR 48-5 (unpaginiert), 19. 9. 1889 und 26. 3. 1890 mit<br />

Abmeldung des Gewerbes in Berg<strong>rothenfels</strong>.<br />

225 StadtAR II 8/3. In dem Erlass vom 16. 9. 1860 heißt es: Dieser<br />

Unfug beeinträchtigt die ordentlichen Gewerbsberechtigten<br />

und belästigt die Einwohner, sowie auch in der Regel Uebervortheilungen<br />

mit unterlaufen.<br />

226 Vgl. S. 43, 45 f.<br />

227 StadtAR 21-1, S. 547-550 (18. und 20. 10. 1826). Der Gemeinderat<br />

hat zunächst Bedenken gegen die Aufnahme nach Berg<strong>rothenfels</strong>,<br />

weil dadurch die Anzahl der jüdischen Familien im<br />

Ort vermehrt wird, stellt jedoch fest, dass die Vermögensausstattung<br />

des Antragstellers und seine Absicht, als Bauersmann<br />

zu arbeiten, dem Sinne des Judenedikts entspricht. David Heils<br />

Grundvermögen wird auf 1.485 fl 30 kr beziffert; es wurde ihm<br />

vom Vater Nathan Heil als Heimsteuer übertragen. Der Pflegschaftsausschuss<br />

<strong>von</strong> Rothenfels bestätigt, Davids Aufführung<br />

sei undatelhaft. Vom Militärdienst wurde er 1823 dispenciert.<br />

Ab 20. 11. 1826 ist er Bürger und Ortsnachbar <strong>von</strong> Berg<strong>rothenfels</strong><br />

(StadtAR 21-1 S. 163, 254 f, 548-550). 1829 plant er die<br />

Verehelichung mit Lea Stern aus Rottenbauer (heute Ortsteil<br />

<strong>von</strong> Würzburg), die aus ungenannten Gründen nicht zustande<br />

kommt. Am 17. 8. 1831 heiratet er die Handelsmanntochter Rosetta<br />

(Rosel) Stern aus Miltenberg, die 800 fl als Mitgift in die<br />

Ehe einbringt (StadtAR 21-1 S. 163, 254 f; StAWü Jüdische<br />

falls <strong>von</strong> der Familie mit Grundstücken und Kapital<br />

ausgestattet, hat dann keine Mühe, die Ansässigmachung<br />

zu erreichen. Der Gemeinderat stellt lobend<br />

fest: Abraham Heil hat in diesem Frühjahre [1846]<br />

mit besonderem Fleiße seinen Grundbesitz bestellt,<br />

sich selbst thätig bewiesen, geackert gesäet etc. und<br />

blos dabei einen Knecht beigezogen. Sein Viehstand<br />

besteht in zwei tüchtigen Arbeitsochsen und einer<br />

Kuh. 228<br />

Die Brüder Heil bewirtschaften zwei benachbarte<br />

Höfe. Systematisch erkaufen und ersteigern sie <strong>von</strong><br />

alteingesessenen Familien und <strong>von</strong> der Kommune<br />

Gärten, Wiesen, Äcker und Waldstücke. Ihr umfangreicher<br />

Besitz lässt sich dank der inzwischen eingeführten<br />

Grundsteuerkataster genau rekonstruieren;<br />

zum Schluss sind es insgesamt fast 160 Positionen in<br />

der Berg<strong>rothenfels</strong>er Flur, teils in besten Lagen und<br />

mit großen Parzellen auch aus ehemaligem Land der<br />

Burg. 229 Im Grundsteuerkataster und im Standesregister<br />

steht als Berufsbezeichnung der Brüder Bauer. Solche<br />

Zeilen sollte man nicht überinterpretieren, aber<br />

vielleicht schwingt dort die Genugtuung mit, ein Ziel<br />

erreicht zu haben, das den Glaubensgenossen jahrhundertelang<br />

verwehrt war.<br />

Neben der Landwirtschaft bleibt der traditionelle<br />

Viehhandel ein wichtiger Erwerbszweig der Berg<strong>rothenfels</strong>er<br />

Juden. Auch für das Dorf hat sich ein Viehkontraktenbuch<br />

erhalten, das 34 Arbeitsjahre um die<br />

Mitte des 19. Jahrhunderts mit Namen und Daten dokumentiert.<br />

Bis 1854 ist David Heil in diesem Geschäft<br />

dominant, gefolgt <strong>von</strong> seinem Bruder Abraham,<br />

doch auch andere jüdische und christliche Viehhändler<br />

sind hier häufig aktiv. 230<br />

Handelsmann nennt sich der mit der Familie Heil<br />

verwandte Viehhändler Nathan Kahn, der letzte jüdische<br />

Neuzugang im Dorf, selbst aufgewachsen in einer<br />

geschützten adeligen Enklave in Steinbach bei<br />

Lohr. Als er 1896 nach Lohr geht und dort das Bürgerrecht<br />

erwirbt, endet die Geschichte des jüdischen Lebens<br />

und Arbeitens in Berg<strong>rothenfels</strong>. 231<br />

Standesregister 114). Der Gemeinderat protokolliert bei der (für<br />

Juden und Christen obligatorischen) Erlaubnisprozedur: […] so<br />

ist es gar nicht zu bezweifeln, daß Supplikant [sich] als ein<br />

rechtschaffener Bürger ernähren würde.<br />

228 StadtAR 21-3 (unpaginiert, 1. 5. 1846). Am 20. 10. 1847 heiratet<br />

Abraham Heil die Weinhändlerstochter Hanna Lindheim aus<br />

Marktsteft (StAWü Jüdische Standesregister 114).<br />

229 StAWü GrStKat Rothenfels: Grund-, Saal- und Lagerbuch Bd.<br />

V fol. 1091, 1094; GrStKat Berg<strong>rothenfels</strong>: Grund-, Saal- und<br />

Lagerbuch Bd. IV fol. 1062-1105, 1171-1206; Renoviertes<br />

GrStKat Bd. I S. 7 f, 137-145, 149-158. Die Erwerbungen der<br />

Brüder Heil datieren laut Grundsteuerkataster <strong>von</strong> 1826 bis<br />

1856. Ergänzende Bestätigungen für den Hausbesitz bietet das<br />

Grundbuch der Brandversicherung, begonnen 1830 (StadtAR<br />

40-1). Ein genaues Verzeichnis der Grundstücke lassen sich David<br />

und Abraham Heil anlässlich einer Aufteilung des zunächst<br />

gemeinsamen Besitzes 1845 protokollieren (StadtAR 25-4, unpaginiert).<br />

230 StadtAR 25-3 (Protokoll über die Vieh-Contracte zu Berg<strong>rothenfels</strong>,<br />

1840-1874). Vgl. S. 36.<br />

231 Vgl. S. 55 f und die Stammtafel S. 70.


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 41


42 Winfried Mogge<br />

12. Häuser der Juden<br />

Der Grundriss der Kernstadt Rothenfels kündet noch<br />

<strong>von</strong> der mittelalterlichen Burgsiedlung, die heutige<br />

Bausubstanz stammt jedoch aus nachmittelalterlicher<br />

Zeit. Sie wird geprägt <strong>von</strong> Bürgerhäusern und Gemeinschaftsbauten<br />

des 16. bis 18. Jahrhunderts, <strong>von</strong><br />

Renaissance und Barock. 232 Da ist es müßig, nach baulichen<br />

Spuren der ersten Judengemeinde zu suchen.<br />

Auch schriftliche Zeugnisse oder archäologische Befunde<br />

liegen dazu nicht vor.<br />

Einige Wohnstätten der neuzeitlichen jüdischen<br />

Gemeinde lassen sich mit urkundlichen Nachrichten<br />

einkreisen, aber nicht genau lokalisieren, andere in<br />

heute noch bestehenden Anwesen wiederfinden. Aus<br />

dem Neubeginn während des Dreißigjährigen Krieges<br />

gibt es nach heutigem Wissensstand nur eine dürre<br />

Mitteilung <strong>von</strong> 1646: Die Vermietung eines reparaturbedürftigen<br />

Hauses aus dem Besitz des Rothenfelser<br />

Julius-Spitals an einen Juden Jöstlein. 233<br />

Eine weitere, indirekte Information – nun schon<br />

aus der Nachkriegszeit – verdanken wir einer Urkunde<br />

vom 14. Juli 1677. Es geht um einen Besitz der Familie<br />

Voit <strong>von</strong> Rieneck noch aus mittelalterlicher Zeit:<br />

ein Haus innerhalb der Rothenfelser Stadtmauern samt<br />

Hof und Garten, dazu einige Felder und Wiesen und<br />

Krautgärten im Umland. Anna Maria Fuchs <strong>von</strong> Dornheim,<br />

eine geborene Voit <strong>von</strong> Rieneck, erbt diesen<br />

Komplex – und verkauft ihn im folgenden Jahr an das<br />

Hochstift Würzburg. Das Gebäude, und darauf kommt<br />

es in unserem Zusammenhang an, ist an einen Juden<br />

vermietet: Aus der Voitischen Behausung gibt der Judt<br />

Moÿses zue Haus Zins Jehrlich 5 fl [Gulden]. 234 Zweifellos<br />

handelt es sich um den Moÿses, der in dieser<br />

Zeit in und um Rothenfels als Händler agiert und auch<br />

der Jud am Mainthor genannt wird. 235<br />

Dieses ehemalige Adelshaus lag demnach in der<br />

Nähe des (1841 abgebrochenen) Maintores (oder<br />

Fahrtores), durch das man zur Fähre nach Zimmern<br />

gelangte, also unterhalb des Platzes der Kirche und<br />

des Spitals. Von hier bis zum südlichen Stadtausgang<br />

befand sich im Mittelalter in einem eigenen Quartier<br />

eine Gruppe adeliger Häuser, <strong>von</strong> denen keine Reste<br />

mehr erhalten sind. Die neuzeitliche Bebauung an die-<br />

232 Der Stadtplan (Abbildung S. 41) ist ein Ausschnitt aus der „Uraufnahme“<br />

<strong>von</strong> 1843 (Landesamt für Digitalisierung, Breitband<br />

und Vermessung, München, NW.085.61c). Eine farbige Abbildung<br />

und ausführliche Erläuterungen finden sich bei W. Mogge,<br />

Stadt Rothenfels, S. 13 f. Die Identifikation der alten Hausnummern<br />

erleichtert ein Häuserverzeichnis mit Konkordanz bei der<br />

Stadtverwaltung Rothenfels. – Zur Baugeschichte <strong>von</strong> Rothenfels<br />

vgl. A. Feulner, Kunstdenkmäler, S. 97-109; M. Petzet,<br />

Denkmäler in Bayern, Bd. VI S. 200.<br />

233 P. Kolb, Juliusspital-Stiftung, S. 147 (aus der Spitaljahresrechnung<br />

1646). Vgl. oben S. 19.<br />

234 StAWt-R US 1677 Juli 14 (Specification), US 1678 März 9<br />

(Kaufbrief); StAWü Libri diversarum formarum Nr. 50 fol.<br />

1273-1281. Vgl. P. Kolb, Chronik, S. 157 f.<br />

235 StadtAR IV 3/4 S. 70, 76; vgl. Anm. 88.<br />

ser Stelle stammt aus dem 18. und 19. Jahrhundert, da<br />

sind keine Rückschlüsse auf frühere Anwesen möglich.<br />

236<br />

Für die jüdischen Wohn- und Geschäftshäuser der<br />

nächsten Generationen finden sich keine direkten<br />

Nachweise vor Ort. Der 1736 ausgewiesene Männlein<br />

verliert bei der <strong>von</strong> den Stadtoberen betriebenen Enteignung<br />

sein <strong>von</strong> meinen gros und Elteren etlich und<br />

20 Jahr ruhig besessenes wohnhaus. 237 Leider nennt er<br />

bei seiner Klage keine Namen, so dass wir nicht wissen,<br />

wer seine Vorfahren sind, und auch die Lage des<br />

ererbten Hauses bleibt uns verborgen. Auch das zur<br />

selben Zeit <strong>von</strong> der Stadt eingezogene bürgerliche<br />

Haus, das Nathan seinem Sohn Perlein vererbt hat,<br />

lässt sich nicht lokalisieren. 238 Da die Ratsherren so intensiv<br />

die Rückgewinnung für die angeblich oder tatsächlich<br />

unter Wohnungsnot leidende christliche<br />

Bürgerschaft erstreben, müssen es zwei stattliche Objekte<br />

in zentraler Lage gewesen sein.<br />

Über den Scandal, den ein Hauskauf der Judt Mossel<br />

et Consorti im Stättlein verursachte, wurde bereits<br />

berichtet. 239 Das 1585 erbaute Ochsenwirthshaus, die<br />

heutige Gastwirtschaft „Zum Rothen Ochsen“ (Hauptstraße<br />

67), war und ist eines der herausragenden Fachwerkhäuser<br />

<strong>von</strong> Rothenfels. Beim Erwerb bei einer<br />

Versteigerung im Jahr 1744 hatten die neuen Besitzer<br />

angeblich alle christlichen Interessenten ausgestochen.<br />

Tatsächlich wurde damals auch bei einer öffentlichen<br />

Bürgerversammlung kein anderer Käufer gefunden. 240<br />

Die verwandten Familien Moyses Berl und Nathan<br />

Hirsch bewohnen es seither gemeinsam – mit regierungsamtlicher<br />

Zustimmung. Sie können sich nicht<br />

lange an diesem Besitz erfreuen – 1749 verlieren sie<br />

ihn, bei ihrem erzwungenen Auszug aus Rothenfels,<br />

nach einem Rechtsstreit um das Auslösungsrecht. 241<br />

236 Vgl. W. Mogge, Stadt Rothenfels, S. 12-15. – Im Beth-Buch für<br />

1752-1803 wird ein Wohnhaus die Rienecker behausung genannt<br />

aufgeführt, Inhaber ist 1752-76 der Krämer Joseph<br />

Schwindt, Vorbesitzer der Bäcker Michael Dauch (StadtAR II<br />

7/2 S. 56). Wahrscheinlich ist dies eine letzte schriftliche Erinnerung<br />

an den früheren Besitz der Voit <strong>von</strong> Rieneck.<br />

237 StAWt-R Rep. 65g Nr. 47 (unpaginiert; Anlagen 1736).<br />

238 StAWt-R Rep. 65g Nr. 47 (unpaginiert; Anlagen 1736); vgl. S.<br />

24.<br />

239 Vgl. S. 25 f.<br />

240 StAWt-R Rep. 65g Nr. 47 (unpaginiert, undatiert), 1749; Stadt-<br />

AR II 2/7 S. 252 f. Vorbesitzer des Hauses ist der ehemalige<br />

Bürger und Metzger Sebastian (Baast) Ulrich, bei dessen Ausschatzung<br />

das Objekt verkauft wird, laut Stadtrat 600 Gulden<br />

über dem Wert, so dass kein Bürger habe mithalten können. Bei<br />

einer Bürgerschaftsversammlung am 16. 3. 1744 in Anwesenheit<br />

des Oberamtmannes Philipp Emmerich Philibert <strong>von</strong> Hettersdorf<br />

und des Amtskeller Franz Joseph Stern wird<br />

protokolliert, dass die jüdischen Erwerber der Hochfürstlichen<br />

Regierung für das Haus 1.800 Reichstaler bar oder 2.000<br />

Reichstaler bei Zahlung innerhalb vier Jahren geboten hatten,<br />

falls sich kein christlicher Liebhaber fände. Auch für ihr Angebot,<br />

gegen 1.700 Reichstaler vom Kauf zurückzutreten, wenn<br />

ein Bürger das Haus einlösen wolle, fand sich kein Interessent.<br />

241 StadtAR II 2/7 S. 372-375. Neuer Besitzer des Hauses wird der<br />

Bürger und Bäckermeister Michel Dauch. Zum Lösungsrecht<br />

vgl. oben S. 24.


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 43<br />

Offensichtlich unumstritten und jahrzehntelang<br />

wohnen Moschel (Moyses Lazarus) und sein Sohn<br />

Mayer (Mayer Moyses) unter eigenem Dach. Im Rothenfelser<br />

Stadtarchiv ist für die zweite Hälfte des 18.<br />

Jahrhunderts ein Haus- und Grundsteuerbuch erhalten;<br />

darin findet sich Judt Moÿses dahir als Hausbesitzer.<br />

Die Eintragungen zeigen: Von 1753 bis 1795 zahlt die<br />

Familie alljährlich die Bede. Diese Quelle nennt jeweils<br />

die Eigentümer und die Vor- und Nachbesitzer<br />

der Häuser oder Parzellen, kennt jedoch noch keine<br />

Adressen. 242 Der Name des Nachfolgers, Sebastian<br />

Uhl, führt über spätere Grundsteuerverzeichnisse zu<br />

dem gesuchten Haus: Es ist die alte Nummer 4 (heute<br />

Hauptstraße 14), jetzt ein Neubau, der keine Spuren<br />

der historischen Nutzung mehr aufweist. Der Vorgängerbau,<br />

ein schmales Fachwerkhaus mit steinernem<br />

Untergeschoss und ausgebautem Dach, wird im<br />

Grundsteuerkataster als Wohnhaus mit Stallung bezeichnet.<br />

243 Hier also, am nördlichen Rand der Stadt,<br />

lebte die Familie Moyses und befand sich das langjährige<br />

Zentrum der jüdischen Gemeinde. 244<br />

Eindeutig identifizierbar ist auch der uns zeitlich<br />

schon nähergerückte Besitz der Familie Heil. Mehrere<br />

Steuerunterlagen und Privatverträge aus dem 19. Jahrhundert<br />

ergänzen einander und lassen einen Abschnitt<br />

in der Hausgeschichte des Ortes hervortreten. Der Vater<br />

Nathan Isack (alias Nathan Heil), vorher in Berg<strong>rothenfels</strong>,<br />

hat 1813 ein Haus in Rothenfels ganz in der<br />

Nähe des Rathauses erworben. Der Sohn Abraham<br />

zahlt 1831 die Erbengemeinschaft aus und verkauft<br />

das Wohnhaus zwei Jahre darauf seinem Bruder<br />

Joseph. 245 In den Listen zur Feststellung der Steuereinnahmen<br />

<strong>von</strong> 1810 bis 1859 erscheint Nathan, dann<br />

Joseph mit Veranlagungen für Wohnhaus, Handelschaft<br />

und Bürgerrecht. 246 Es handelt sich um das vormalige<br />

Haus Nr. 15, heute Mainstraße 10: ein<br />

mehrgeschossiges Wohnhaus mit Stall und Keller, allerdings<br />

nicht mit einer Schaufassade zur Hauptstraße,<br />

242 StadtAR II 7/2 S. 58. Vorbesitzer des Hauses (Name dort durchgestrichen)<br />

ist Sebastian Alberth, der wiederum hatte das Wohnhauß<br />

neben Hanns Jörg Völcker <strong>von</strong> Conrad Bessinger<br />

erkaufft. 1772 wird Moschels Sohn Mayer als Eigentümer des<br />

Hauses genannt (StAWt-R Rep. 5g Nr. 2).<br />

243 Erster Nachbesitzer des Hauses ist Sebastian (Bast) Uhl. Er<br />

zahlt Steuern <strong>von</strong> seinem Wohnhaus <strong>von</strong> Meier Moses Bekommen;<br />

das Beth-Buch nennt hier ausnahmsweise keine Daten<br />

(StadtAR II 7/2 S. 58, 348). Auf Sebastian Uhl folgen ab 1834<br />

mehrere Mitglieder der Büttnerfamilie Uhl, ab 1852 wechselnde<br />

Besitzer (StadtAR II 7/4 S. 260 ff, II 7/5 S. 41, II 7/6 unpaginiert;<br />

StAWü GrStKat Rothenfels: Grund- Sal- und Lagerbuch<br />

Bd. I). – Die Familie Uhl besaß in Rothenfels mehrere Häuser,<br />

darunter das mit Philipp Uhl Küferei bezeichnete Haus Nr. 84,<br />

jetzt Hauptstraße 39 (freundliche Mitteilung <strong>von</strong> Hellmuth<br />

Harth, Rothenfels).<br />

244 Vgl. S. 48, 53.<br />

245 StadtAR II 7/5 S. 33; II 9/2, 20. 10. 1825, 25. 10. 1831, 3. 12.<br />

1833.<br />

246 StadtAR II 7/4 S. 453; II 7/5 S. 33; II 7/6 Haus Nr. 15; II 7/7 S.<br />

178; StAWü GrStKat Rothenfels: Grund- Saal- und Lagerbuch<br />

Bd. I fol. 98; Renoviertes GrStKat S. 30. Dazu gehört ein<br />

Grundstück Rain ober der Ziegelhütte. In den Quellen für 1810<br />

wird das Haus als Nr. 12½ bezeichnet und die Nr. 15 nachgetragen.<br />

Im Schatzungs-Lagerbuch ist Michel Scheiner als Vorbesitzer<br />

genannt, im Renovierten Grundsteuerkataster eine<br />

Umschreibung auf Andreas Schüppert nachgetragen. – Vgl.<br />

dazu den Stadtplan in der „Uraufnahme“ <strong>von</strong> 1843 (Abbildung<br />

S. 41), der noch Hofraum und Stallgebäude zeigt. Der Zugang<br />

vom Gässchen aus zum Keller des Wohnhauses hat ein rundbogiges<br />

Sandsteingewände, zeigt aber keine Spuren der früheren<br />

jüdischen Bewohner des Hauses.


44 Winfried Mogge<br />

Oben: Rothenfels, Blick <strong>von</strong> der Mainseite auf das<br />

Julius-Spital. In der Lücke vorn standen Häuser auf<br />

dem Stumpf der Stadtmauer und das Maintor.<br />

Mitte: Hauptstraße Richtung Norden, Aufnahme<br />

<strong>von</strong> 1942 bei beginnendem Hochwasser. Auf der rechten<br />

Seite das letzte Haus mit hohem, ausgebautem<br />

Giebel ist Hauptstraße Nr. 14 (ehemals Haus Nr. 4).<br />

Unten: Dieselbe Ansicht in neuer Aufnahme. Der<br />

Neubau mit schmuckloser Fassade und glattem Dach<br />

ersetzte das alte Haus Nr. 4.<br />

Oben: Rothenfels, mainseitige Häuserzeile. In der<br />

Mitte Mainstraße Nr. 10 (ehemals Haus Nr. 15), rechts<br />

da<strong>von</strong> der Eingang zum „Judenwinkel“.<br />

Mitte: Der „Judenwinkel“, Durchschlupf zwischen<br />

den Häusern Hauptstraße Nr. 26 und 28.<br />

Unten: Nördlicher Stadtausgang, im Hintergrund<br />

auf dem Berg die Burg und das Amtshaus. Das mittige<br />

Haus Hauptstraße Nr. 25 (ehemals Haus Nr. 95) steht<br />

linksseitig auf dem Stumpf der Wehrmauer zur Burg,<br />

also bereits außerhalb der Kernstadt.


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 45<br />

sondern mit einem Giebel zur Mainseite und dem Eingang<br />

im schmalen Durchschlupf zwischen den alten<br />

Hausnummern 12 (heute Hauptstraße 26) und 14<br />

(Hauptstraße 28). Just dieser Durchgang trug ehemals<br />

den Namen Judenwinkel oder, in der heutigen Erinnerung<br />

alter Einwohner, Jüdewinkel oder Judengasse. 247<br />

Zur aktuellen Situation: Während die beiden Vorderhäuser<br />

schön verzierte Fassaden mit Handwerkerzeichen<br />

und der Jahreszahl 1753 über den Türen zeigen,<br />

sind die auf den Stümpfen der Stadtmauer aufsitzenden<br />

Hinterhäuser völlig schmucklos. Miteinander<br />

zwar verbunden, bilden Vorder- und Rückgebäude derzeit<br />

wie ehedem getrennte Wohneinheiten.<br />

Der Familie Heil gehört in Rothenfels ein zweites<br />

Haus: die alte Nr. 95 (heute Hauptstraße 25), ein äußerlich<br />

unscheinbares Gebäude, auf der bergseitigen<br />

Stadtmauer aufsitzend, neben dem damals schon verschwundenen<br />

Obertor außerhalb der Altstadt gelegen.<br />

Der Immobilienbesitz der Familie in der Stadt kommt<br />

bei Hanna Heil zusammen, der Witwe des jüngsten der<br />

Brüder Josef, David und Abraham. Die verkauft die<br />

Häuser schließlich an christliche Bürger. 248 Zuvor hat<br />

der jüdische Kaufmann David Grünewald, verheiratet<br />

mit Fanny Heil, einer Tochter <strong>von</strong> Abraham und Hanna<br />

Heil, das Haus Nr. 95 einige Jahre lang besessen<br />

und bewohnt. 249<br />

In Berg<strong>rothenfels</strong> lassen sich sechs jüdische Wohnstätten<br />

identifizieren. 250 Aus den schriftlichen Quellen<br />

geht nicht hervor, wo die ersten Generationen lebten.<br />

Mittelpunkt der kleinen, 1750 gebildeten Kultusgemeinde<br />

ist das Anwesen der Familie Männlein. Im<br />

Grundsteuerkataster wird es als Haus Nr. 56 ausgewiesen,<br />

als Wohnhaus mit Keller, Stallung und Hofraum,<br />

und so ist es auch in der „Uraufnahme“ <strong>von</strong> 1843<br />

sichtbar. Dazu gehören einige in der Dorfflur verstreute<br />

Gärten und Äcker. 251 Heute steht an der Stelle<br />

(Berg<strong>rothenfels</strong>er Straße 30) ein zur Unkenntlichkeit<br />

der historischen Substanz modernisiertes, mit dem früheren<br />

Nachbarhaus zusammengelegtes Gebäude, die<br />

ehemalige Bäckerei und Gaststätte „Berger Stuben“.<br />

247 StadtAR IV 3/4 S. 101. Nach einem späteren Besitzer des Hauses<br />

Mainstraße 10, Oswald Scheeb, heißt der Durchgang auch<br />

Scheebsgasse (freundliche Hinweise <strong>von</strong> Hans Walter, Rothenfels).<br />

248 StAWü GrStKat Rothenfels: Renoviertes GrStKat S. 21 (1876:<br />

Nr. 15 verkauft an Andreas Schüppert), S. 182 (1887: Nr. 95<br />

verkauft an Georg Gerhard).<br />

249 StadtAR II 10/3 (unpaginiert, 15. 8. 1887; dort heißt es Nr. 85,<br />

wohl ein Schreibfehler); II 10/4 (unpaginiert, 4. 8. 1885; dort<br />

heißt es Nr. 95). Im Heberegister für 1883 wird David Grünewald<br />

mit Grundsteuer für Haus Nr. 95 aufgeführt (StadtAR IV<br />

9/8). In den Standesamtsregistern wird wechselweise Nr. 91<br />

und 93 genannt (VG Marktheidenfeld, Standesamt Karbach,<br />

Heiratsbuch Bd. I, Sterbebuch Bd. I).<br />

250 Vgl. die Einzelnachweise Anm. 251-261; dazu StadtAR 40-16<br />

(Brandversicherung). Die alten Hausnummern finden sich in<br />

der „Uraufnahme“ <strong>von</strong> 1843 (Landesamt für Digitalisierung,<br />

Breitband und Vermessung, München, NW.085.62d).<br />

251 StAWü GrStKat Berg<strong>rothenfels</strong>: Grund-, Saal- und Lagerbuch<br />

Bd. V fol. 1427-1432; Renoviertes GrStKat Bd. I S. 10 sowie S.<br />

205 f.<br />

Oben: Berg<strong>rothenfels</strong>, Berg<strong>rothenfels</strong>er Straße 30<br />

und 32. Das mehrfach modernisierte ehemalige Haus<br />

Nr. 56 (links) war Wohngebäude und Mittelpunkt der<br />

jüdischen Gemeinde.<br />

Mitte: Berg<strong>rothenfels</strong>er Straße 45 und 43. Links<br />

das ehemalige Haus Nr. 14, rechts die Alte Schule.<br />

Unten: Zum Alten Herrgott 14 (ehemals Haus Nr.<br />

40). Hier und zwei Häuser weiter am nordwestlichen<br />

Ortsausgang befanden sich die Bauernhöfe der Familie<br />

Heil.


46 Winfried Mogge<br />

Beispiel für die<br />

Rothenfelser Haus- und<br />

Grundsteuerbücher:<br />

Ausschnitt aus dem Bede-<br />

Buch 1752 bis 1803,<br />

Eintragungen für Familie<br />

Moyses 1753 bis 1795.<br />

Rechte Seite:<br />

Berg<strong>rothenfels</strong>,<br />

Ausschnitt aus der<br />

„Uraufnahme“ <strong>von</strong> 1843.<br />

Die Dorfstraße endet rechts<br />

vor dem Eingang zur Burg.<br />

Die Häuser der Juden<br />

liegen verstreut in der<br />

Ortsmitte und am<br />

westlichen Rand.<br />

Der 1736 aus der Stadt Rothenfels ausgewiesene<br />

Männlein hat dieses Anwesen wohl gleich bei seinem<br />

erzwungenen Übergang in das Dorf bezogen. Zunächst<br />

bewohnt er das Bürgerhaus gemeinsam mit seinem<br />

Glaubensgenossen Schlommel und Wand an<br />

Wand mit der christlichen Familie Johann Aulenbach.<br />

Hier richten die Berger alsbald ihren Betraum ein, was<br />

noch ein strittiges Thema sein wird. 252 1772 zerstört<br />

ein Brand das Haus, die Familie Männlein baut es<br />

wieder auf. 253 1820 kommt es – nun in der dritten Generation<br />

– an Nathan mit dem neuen Namen Freudenberger.<br />

254<br />

1763 wird ein weiterer Hauskauf aktenkundig: Der<br />

christliche Bürger Johann Germann übereignet sein<br />

Wohnhaus dem Juden Nathan Hirsch. 255 Drei Generationen<br />

lang wohnt hier die Familie Hirsch, ab 1811 mit<br />

dem neuen Namen Herrmann; es handelt sich um die<br />

alte Nr. 59 (an der Stelle der heutigen Berg<strong>rothenfels</strong>er<br />

Straße 32). 256 Hier hat zuvor der Schutzjude Sender<br />

zur Miete gelebt, der sich beim Besitzerwechsel eine<br />

neue Bleibe suchen muss. 257<br />

252 Vgl. S. 48 f.<br />

253 StAWt-R Rep. 5g Nr. 2 (unpaginiert). Auch die Nachbarhäuser<br />

<strong>von</strong> Johann Aulenbach und Michel Abt werden ergriffen und<br />

beschädigt; die Brandversicherung (Feuer- und Brandgewehrungsanstalt<br />

des Hochstifts) erstattet wegen fahrlässiger Brandstiftung<br />

nur einen Teil des Schadens.<br />

254 StAWü GrStKat Berg<strong>rothenfels</strong>: Renoviertes GrStKat Bd. I S.<br />

205 f.<br />

255 StadtAR II 2/10 S. 17-19.<br />

256 StAWü GrStKat Berg<strong>rothenfels</strong>: Renoviertes GrStKat Bd. I S.<br />

212; StadtAR 23-11, 40-1.<br />

257 StadtAR II 2/10 S. 17-19.<br />

Anfangs und Mitte des 19. Jahrhunderts wird die<br />

Familie Hamburger in Berg<strong>rothenfels</strong> als Hausbesitzer<br />

aktenkundig. Ihr gehört das kleine Anwesen Nr. 23<br />

(Berg<strong>rothenfels</strong>er Straße 21), erworben 1825. 258<br />

Die wirtschaftlich erfolgreichsten jüdischen Einwohner<br />

des Dorfes stammen aus der Familie Isack,<br />

seit 1811 mit neuem Namen Heil. Dem Vater Nathan<br />

gehört seit ungenannter Zeit in Berg<strong>rothenfels</strong>, wo er<br />

bis 1813 wohnt, das Häuschen Nr. 14 (Berg<strong>rothenfels</strong>er<br />

Straße 45), gleich neben dem ersten Schulgebäude.<br />

259 Seine Erben veräußern es an einen christlichen<br />

Bürger. 260 Nathans Söhne, die tüchtigen Brüder David<br />

und Abraham, erwerben zwei nebeneinander liegende<br />

Höfe am nordwestlichen Ortsausgang: die damaligen<br />

Häuser Nr. 40 (Wohnhaus mit Keller, Stallung, Scheuer<br />

mit Stallung und Holzhalle, Hofraum) und Nr. 42<br />

(Wohnhaus, Backofen mit Keller, zwei Stallungen,<br />

Scheuer mit Keller und Hofraum), alles umgeben <strong>von</strong><br />

Baum- und Gemüsegärten. 261 Heute befinden sich hier<br />

258 StAWü GrStKat Berg<strong>rothenfels</strong>: Renoviertes GrStKat Bd. I S.<br />

61; StadtAR 40-1.<br />

259 StadtAR II 9/2 (unpaginiert), 25. 10. 1831. Die Lagebeschreibung<br />

in dieser Quelle lautet: neben dem Schulgebäude und Georg<br />

Weyrich, im Grundbuch der Brandversicherung (StadtAR<br />

40-1): Haus Nr. 14, alte Plannummer 43.<br />

260 StAWü GrStKat Berg<strong>rothenfels</strong>: Renoviertes GrStKat Bd. I S.<br />

41 f; StadtAR 40-1. Im Grundbuch der Brandversicherung, begonnen<br />

1830, werden als Besitzer genannt: Nathan Heils Erben<br />

und Johannes Klopf, zur Zeit Johann Roth.<br />

261 StAWü GrStKatRothenfels: Grund-, Saal- und Lagerbuch Bd. V<br />

fol. 1091, 1094; Renoviertes GrStKat S. 30, 38, 41; GrStKat<br />

Berg<strong>rothenfels</strong>: Grund-, Saal- und Lagerbuch Bd. IV fol. 1062-<br />

1105, 1171-1206; Renoviertes GrStKat Bd. I S. 137-158.


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 47<br />

(Zum Alten Herrgott 14 und 18) neuere oder stark renovierte<br />

Wohnhäuser, im Hintergrund noch alte<br />

Scheunen oder Ställe.<br />

Der letzte Berg<strong>rothenfels</strong>er Jude Nathan Kahn<br />

zieht – wahrscheinlich im Zusammenhang mit seiner<br />

Hochzeit im Jahr 1871 – in das Anwesen seines<br />

Schwiegervaters David Heil (Haus Nr. 40). Er kauft<br />

einen Garten und einen Acker dazu, betreibt aber keine<br />

Landwirtschaft mehr. 262<br />

Es gibt auch andere, auswärtige Juden, die Häuser<br />

und Grundstücke in Berg<strong>rothenfels</strong> erwerben, vor allem<br />

Joseph Adler I (1852) und Löb Adler (1855) aus<br />

Urspringen, Benjamin Bernay (1855) aus dem nahegelegenen<br />

Amtsdorf Karbach. Doch keiner <strong>von</strong> ihnen<br />

siedelt sich hier an, die Objekte werden jeweils bald<br />

wieder verkauft. 263<br />

Bei den An- und Verkäufen <strong>von</strong> Immobilien wird<br />

mehrmals die (katholische) Witwe Margaretha Hirschlein<br />

genannt, die trotz dieses Namens keine verwandtschaftlichen<br />

Beziehungen zu den jüdischen Familien<br />

hat. Sie erbt <strong>von</strong> ihrem Mann, dem Steinhauer Johann<br />

Hirschlein, Grundbesitz (1839) und kauft <strong>von</strong> Löb Adler<br />

ein bäuerliches Haus mit Ställen und Gemüsegarten<br />

(1855); ein anderes ihrer Grundstücke wird später<br />

auf Nathan Kahn umgeschrieben. 264<br />

Mit dem Tod <strong>von</strong> Hänlein Hamburger in Berg<strong>rothenfels</strong><br />

(1887) und dem Verkauf des letzten Hauses<br />

der Familie Heil in Rothenfels (1887) endet hier die<br />

Geschichte jüdischer Hauseigentümer. Gegen Ende<br />

des 19. Jahrhunderts befinden sich sämtliche Wohnstätten<br />

jüdischer Familien im Besitz christlicher Einwohner.<br />

265 Keiner der Erben ist hier geblieben.<br />

262 StAWü GrStKat Berg<strong>rothenfels</strong>: Renoviertes GrStKat Bd. I S.<br />

61, 137 ff, 149 ff; StadtAR 48-5 (unpaginiert), 4. 4. 1884, 30. 3.<br />

1888, 31. 12. 1893, 27. 12. 1896; StadtAR 21-6, S. 157 (21. 6.<br />

1896). In den Gewerbeunterlagen wird Nathan Kahn als Viehhändler<br />

und Makler geführt. Das Land in Berg<strong>rothenfels</strong> hat er<br />

aus dem Besitz der Witwe Margaretha Hirschlein übernommen.<br />

263 StAWü GrStKat Rothenfels: Grund-, Saal- und Lagerbuch Bd.<br />

V fol. 1475, 1480, 1490; GrStKat Berg<strong>rothenfels</strong>: Grund-, Saalund<br />

Lagerbuch Bd. I S. 199-202, Bd. II S. 346 f, Bd. III S. 774,<br />

Bd. IV S. 935 f, 977. – Das Judenedikt <strong>von</strong> 1813 (§ 16) untersagt<br />

Juden den Kauf <strong>von</strong> Häusern und liegenden Gütern, wenn<br />

sie nicht zur eigenen Bewohnung und Bebauung, sondern zum<br />

Wiederverkauf erworben werden. Ausnahme: Erwerb bei öffentlichen<br />

Versteigerungen und in Konkursfällen. Da<strong>von</strong> haben die<br />

auswärtigen jüdischen Käufer in Berg<strong>rothenfels</strong> offensichtlich<br />

Gebrauch gemacht.<br />

264 StAWü GrStKat Rothenfels: Grund-, Saal- und Lagerbuch Bd.<br />

XIII fol. 3690; GrStKat Berg<strong>rothenfels</strong>: Grund-, Saal- und<br />

Lagerbuch Bd. III S. 668, Bd. V S. 1475; Renoviertes GrStKat<br />

Berg<strong>rothenfels</strong> Bd. I S. 27, 213, 935 f. Es handelt sich um das<br />

damalige Haus Nr. 60, ein Hinterhaus zur Dorfstraße, nahe dem<br />

heutigen Neubau Berg<strong>rothenfels</strong>er Straße 32. – Im Grundsteuerkataster<br />

heißt es mehrmals fälschlich Anna Maria Hirschlein,<br />

sie selbst unterschreibt Margreta Hierschlein.<br />

265 In einem undatierten Verzeichnis der Brandversicherung (nach<br />

1875) für Berg<strong>rothenfels</strong> wird nur noch Hinlein Hamburger<br />

(Haus Nr. 23) als Hauseigentümer genannt. Haus Nr. 14 gehört<br />

Johann Roth, Nr. 40 Anna Greß, Nr. 42 Anton Emmerich, Nr.<br />

56 Friedel Tannenwald, Nr. 59 Karl Ambros Roth (StadtAR 40-<br />

16). Haus Nr. 40 wurde zunächst noch <strong>von</strong> David Heil (+ 1877)<br />

auf die Witwe Rosetta Heil (+ 1889) umgeschrieben (StAWü<br />

Renoviertes GrStKat Berg<strong>rothenfels</strong> Bd. I S. 7, 137).


48 Winfried Mogge<br />

13. Streit um die Synagoge<br />

Einen gemeinschaftlich genutzten Raum wird es in<br />

Rothenfels seit Beginn der neuzeitlichen Judengemeinde<br />

gegeben haben. Aktenkundig wird er zum ersten<br />

Mal im Jahr 1750. Es ist die Zeit der erzwungenen<br />

Abwanderung einiger Familien aus der Stadt in das<br />

Dorf. Bei der Gelegenheit spaltet sich die Gemeinde<br />

nicht nur organisatorisch: Sie zerstreitet sich fast zweieinhalb<br />

Jahrzehnte lang an der Frage, in welchem<br />

Ortsteil die legitime Synagoge liegt und künftig sein<br />

soll.<br />

Zunächst einmal können beide Parteien ihre eigene<br />

Judenschule behaupten. So nämlich nennt man in Rothenfels<br />

wie überhaupt in Deutschland seit dem Mittelalter<br />

den Raum, in dem nicht nur Gottesdienst<br />

gefeiert und gemeinsam gebetet, sondern auch Versammlung<br />

und religiöse Unterrichtung gehalten<br />

wird. 266 In der Stadt wie im Dorf handelt es sich nicht<br />

um eine förmliche oder offene Synagoge, das heißt<br />

einen eigenen Bau nach dem Vorbild der großen jüdischen<br />

Gemeinden, sondern jeweils um eine zu diesem<br />

Zweck hergerichtete Stube in einem privaten Wohnhaus.<br />

267<br />

Die Stadt-Schuhl, so heißt es in den Schriftquellen,<br />

besteht schon <strong>von</strong> denen Zeiten her, wo der erstere<br />

Jud die Stadt Rottenfels betretten. 268 Ein genauer<br />

Standort wird nirgends benannt. Zum Zeitpunkt des<br />

zitierten Streites zwischen den Stadt<strong>juden</strong> und den<br />

Berg<strong>juden</strong> befindet sich der Bet- und Versammlungsraum<br />

im Anwesen des Moschel (Moyses Lazarus) und<br />

seines Sohnes Mayer (Mayer Moyses), das sich als<br />

Haus Nr. 4 (heute Hauptstraße 14) identifizieren<br />

lässt. 269 Die Berg-Schuhl wird 1750 in dem bereits genannten<br />

Wohnhaus der Familie Männlein in einer kleinen<br />

Stube oder Ercker oben untern Dachstuhl<br />

eingerichtet, mit einem Almemor, dem Podest in der<br />

Raummitte, das einen Stuhl (Gestell) zum Auflegen<br />

der Schriftrollen trägt, und einem Hakodesch, dem<br />

Thoraschrein zur Aufbewahrung der heiligen Schriften.<br />

270 In derart bescheidenen Verhältnissen also halten<br />

die Rothenfelser und Berg<strong>rothenfels</strong>er Juden ihre Ceremonien<br />

ab. Beide Häuser sind durch Um- und Neubauten<br />

ersetzt und zeigen keine Spuren ihrer<br />

damaligen Verwendung mehr.<br />

Als die Berger ihre Schul einrichten, protestiert der<br />

266 Jüdisches Lexikon, Bd. III Sp. 444 f.<br />

267 StAWt-R Rep. 5g Nr. 2 (unpaginiert; Auseinandersetzungen um<br />

die Synagogen 1772-74 mit Kopien aus 1750 und 1762).<br />

268 StAWt-R Rep. 5g Nr. 2 (Bericht 6. 10. 1773).<br />

269 Vgl. S. 43.<br />

270 StAWt-R Rep. 5g Nr. 2 (Bericht 31. 5. 1772). Der katholische<br />

Amtskeller Papius missversteht die hebräischen Begriffe Almemor<br />

zu Allmemmer und Hakodesch zu Onagotesch. Er erläutert<br />

seinen Bericht an die fürstbischöfliche Regierung über die Einrichtung<br />

der Schuhl in Berg<strong>rothenfels</strong>: Verständtiglich den stuhl<br />

in der Mitte worauf die Geschriebenen 10 Gebott Geleget und<br />

abgeleßen, dann Eine Aufbehaltnus sothaner 10 Gebotten in<br />

Form eines Tabernackels.<br />

Städter Moschel heftig gegen diese Transferirung. Der<br />

Oberamtmann in Rothenfels, der Judenamtmann der<br />

Würzburger Regierung und der für innerjüdische Konflikte<br />

als Richter zuständige Rabbiner <strong>von</strong> Heidingsfeld<br />

werden mit dem Streit befasst und bringen knapp<br />

vor der gerichtlichen Auseinandersetzung einen Kompromiss<br />

zustande: Die Mitglieder der bisher einen Gemeinde<br />

sollen abwechselnd die Beträume in der Stadt<br />

und im Dorf zur gemeinsamen Zeremonie aufsuchen.<br />

Der Vergleich wird <strong>von</strong> beiden Seiten nicht eingehalten.<br />

271<br />

Am 24. April 1772 wird die Judenschule auf dem<br />

Berg durch einen nächtlichen Brand zerstört. Nach einer<br />

Osterfeier, so das Untersuchungsergebnis, wurde<br />

vergessen, eine Kerze zu löschen. 272 Als die Familie<br />

Männlein das Haus wieder aufbauen möchte, türmen<br />

sich zunächst gleich mehrere Hindernisse auf. Zum<br />

einen wollen die Berg<strong>rothenfels</strong>er Mitglieder des<br />

Stadtrates die Baugenehmigung durch das fürstbischöfliche<br />

Landamt verhindern. Zum anderen meldet<br />

sich der Rothenfelser Glaubensgenosse Moschel mit<br />

neuerlichem Einspruch gegen das nach seiner Darstellung<br />

<strong>von</strong> Anbeginn illegale Projekt der abtrünnigen<br />

Berg<strong>juden</strong>. Offensichtlich verzichtet er nur schwer auf<br />

seine bisherige Rolle als Mittelpunkt und wohl auch<br />

Sprecher der kleinen Gemeinde.<br />

Nun gerät der Vorgang in die Hände der Bürokratie.<br />

Brandversicherung, Rothenfelser Amt und Würzburger<br />

Regierung stellen zunächst und generell die<br />

rechtliche Grundlage beider Beträume in Frage. Hat es<br />

dafür jemals eine regierungsamtliche Konzession gegeben,<br />

und haben die Juden dafür jemals eine Abgabe<br />

gezahlt? Die Betroffenen verteidigen geschickt ihre<br />

Ansicht, mit der Zuteilung der Schutzbriefe hätten sie<br />

auch das Recht erworben, private Betstuben zur Ausübung<br />

ihrer religiösen Zeremonien auszustatten, so<br />

wie das in allen kleinen Gemeinden im Hochstift üblich<br />

sei. Der juristisch versierte Amtskeller Johann<br />

Wilhelm Cyriacus Papius (1759-1783) rät der fürstbischöflichen<br />

Regierung, den Rothenfelser Juden gegen<br />

Zahlung einer jährlichen Recognition den Betrieb einer<br />

Schule zu gestatten, angesichts der geringen Zahl<br />

der Gemeindeglieder aber nur einer einzigen für beide<br />

Ortsteile, und den Betroffenen die Wahl des Standortes<br />

zu überlassen.<br />

Der sich über fast zwei Jahre und zahlreiche Sitzungstage<br />

in der Rothenfelser Amtskellerei hinziehende<br />

Konkurrenzkampf soll hier nicht weiter referiert<br />

werden; er wird mit erstaunlicher Schärfe zwischen<br />

271 StAWt-R Rep. 5g Nr. 2 (Protokolle und Briefe 1750, 1762 und<br />

1772). Der Vergleich vom 31. 5. 1750 besagt, dass die Berg<strong>rothenfels</strong>er<br />

jeweils ein halbes Jahr in die Stadt, die Rothenfelser<br />

ein dreiviertel Jahr in das Dorf gehen sollen. Der gemeinsame<br />

Schulmeister soll abwechselnd zwei Jahre im Dorf und ein Jahr<br />

in der Stadt wohnen. Am 20. 8. 1762 mahnt Judenamtmann Georg<br />

Friedrich Zehner unter Strafandrohung die Einhaltung des<br />

außergerichtlichen Vergleichs an.<br />

272 Vgl. Anm. 253.


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 49<br />

Rothenfels, Blick über<br />

die Hauptstraße <strong>von</strong><br />

Norden nach Süden auf<br />

die Kirche, in der Bildmitte<br />

links der Giebel<br />

des Rathauses.<br />

Die 1928 oder kurz<br />

darauf entstandene<br />

Aufnahme zeigt fast unverändert<br />

die Situation<br />

zur Zeit der jüdischen<br />

Gemeinde.<br />

den beiden Familien in der Stadt und den vier Familien<br />

im Dorf ausgetragen. Dabei ist allen Beteiligten bewusst,<br />

dass keiner der beiden Orte allein für sich die<br />

<strong>von</strong> den Religionsgesetzen vorgeschriebenen zehn<br />

Männer für einen Gottesdienst zusammen bekommt.<br />

Während man im allgemeinen keine Mühe scheut, diese<br />

Zahl zu erreichen, werden nun die Unzumutbarkeit<br />

des Weges zwischen Stadt und Dorf und das hohe Alter<br />

je eines Gemeindemitglieds als Hindernis für die<br />

Einigung vorgetragen. Das Zerwürfnis scheint jedoch<br />

tiefer zu sitzen und ist <strong>von</strong> den direkt Beteiligten nicht<br />

zu heilen. Die Regierung des Fürstbischofs Adam<br />

Friedrich <strong>von</strong> Seinsheim (1755-1779), <strong>von</strong> den Streitparteien<br />

mit Darstellungen und Gegendarstellungen<br />

traktiert, entscheidet als letzte Instanz per Dekret für<br />

die Wiederherstellung der Schule in Berg<strong>rothenfels</strong><br />

und die Schließung der Einrichtung in Rothenfels. 273<br />

Eine versöhnliche Geste folgt zum Schluss: Solange<br />

der alte Moschel (Moyses Lazarus) noch lebt, darf<br />

er den Betraum in seinem Haus behalten und sollen<br />

die beiden Gemeindeteile ihre Einrichtungen wechselweise<br />

und gemeinsam aufsuchen. Da kein weiterer<br />

Streit in dieser Sache mehr aktenkundig ist, dürfte dieser<br />

Kompromiss <strong>von</strong> allen akzeptiert worden – und<br />

Moyses Lazarus bald darauf verstorben sein.<br />

Der Moderator des Verfahrens, der Amtskeller Papius,<br />

<strong>von</strong> der Hartnäckigkeit der Streitparteien spürbar<br />

entnervt, bringt übrigens den entscheidenden Aspekt<br />

in die Diskussion ein: Er fragt, an welchem Standort<br />

die Synagoge das geringere Übel sei. In Rothenfels,<br />

schreibt er, liegt die Schuhl […] im Städtlein, wo das<br />

Juden Ceremonieweeßen verdrüßlich anzuhören, und<br />

je zuweilen das Sacratissimum vorbeÿ und in die<br />

273 StAWt-R Rep. 5g Nr. 2 (Protokolle, Briefe und Dekrete 1772-<br />

74).<br />

neben Haüßer getragen wird. Auf dem Berg hingegen<br />

befindet sich das Anwesen so zu sagen am Endte des<br />

Orths. 274 Die Fürstliche Hofkanzlei übernimmt das Argument<br />

und verfügt zugunsten <strong>von</strong> Berg<strong>rothenfels</strong>,<br />

weilen die Jüdische Feÿer in der stadt dem alldasigen<br />

Christlichen gottes dienst mehr zur stöhrung und ärgerniß,<br />

alß in dem sogenannten Rotenfelß auf dem<br />

berg, welches nur ein Dorf, und ohne Kirche seÿe, gereichen<br />

könne. 275<br />

Der Vorgang dokumentiert zugleich die geradezu<br />

paranoide Furcht der katholischen Obrigkeiten vor Berührungen<br />

ihrer Untertanen mit der anderen Religion,<br />

die sich im Hochstift Würzburg auch in Geboten zur<br />

Fernhaltung der Juden <strong>von</strong> Kirchen und Prozessionen<br />

und zu Kontaktverboten an Sonn- und Feiertagen ausdrückt.<br />

276<br />

Die Entscheidung über den Standort der Schule<br />

bleibt künftig unangefochten. 1817, in einem Bericht<br />

des Königlichen Herrschaftsgerichts Rothenfels an die<br />

Kreisregierung über Die Verhältniße der Jüdischen<br />

Glaubens Genoßen heißt es: Hiemit wird zugleich die<br />

unterthänigste Anzeige verbunden, daß zu Berg<strong>rothenfels</strong><br />

ein jüdisches Bethaus bestehe, zu deßen Errichtung<br />

die Concession <strong>von</strong> der vormals Fürst-<br />

Bischöflich Würzburgischen Regierung unterm 5 ten<br />

Oct. [richtig: 8. Oktober] 1773 ertheilt worden ist. 277<br />

Und die bayerische Kreisregierung bestätigt: Was das<br />

274 StAWt-R Rep. 5g Nr. 2 (Bericht 22. 9. 1773).<br />

275 StAWt-R Rep. 5g Nr. 2 (Protokoll 8. 10. 1773). Das Argument<br />

der Störung des christlichen Gottesdienstes ist weit hergeholt:<br />

Das Anwesen der Familie Moyses (Haus Nr. 4 = Hauptstraße<br />

14) liegt an der Nordspitze der Stadt, die jüdische Feier kann<br />

<strong>von</strong> hier die Kirche akustisch nicht erreichen.<br />

276 Vgl. I. König, Judenverordnungen, S. 175-178, 221-223, 299 f.<br />

277 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8663 (Bericht 11. 10.<br />

1817).


50 Winfried Mogge<br />

jüdische Bethaus zu Berg<strong>rothenfels</strong> betrifft, so wird<br />

die fernere Benutzung desselben den Juden gestattet,<br />

jedoch dörfen sie ohne Höchste Erlaubniß kein neües<br />

errichten. 278<br />

Knapp vier Jahrzehnte später steht die Synagoge<br />

erneut im Mittelpunkt einer juristischen Auseinandersetzung.<br />

Nun wehrt sich die Judenschaft zu Stadt- und<br />

Berg<strong>rothenfels</strong> einmütig gegen die Fürstlich Löwenstein-Wertheim-Rosenbergische<br />

Standes-Herrschaft,<br />

die zwar die Souveränität über ihre Länder verloren<br />

hat, aber ihre alten Einkünfte aus der Grundherrschaft<br />

zäh verteidigt. Hintergrund sind die politischen Veränderungen<br />

im Königreich Bayern in der Revolutionszeit<br />

um 1848, in unserem Zusammenhang die<br />

Ablösung des mittelalterlichen Systems der Grundlasten<br />

durch eine einheitliche Besteuerung. 279<br />

Das löwensteinische Rentamt in Neustadt behauptet<br />

nun, die Rothenfelser Juden müssten seit unvordenklichen<br />

Zeiten einen jährlichen Recognitionszins<br />

<strong>von</strong> zwei Gulden für die Errichtung ihrer Schule in einem<br />

eigenen Gebäude in Berg<strong>rothenfels</strong> zahlen. Die<br />

Betroffenen weigern sich bereits seit 1847, die durch<br />

die Zeitläufte überholte und rechtlich nicht mehr begründete<br />

Abgabe zu entrichten. Das Rentamt reicht<br />

1853 eine Besitzklage ein – und verliert in drei Instanzen,<br />

weil die Beweismittel nicht ausreichen, einen<br />

Rechtsanspruch auf das eingeforderte Gefälle zu begründen.<br />

280<br />

Dem Prozess verdanken wir eine knappe Beschreibung<br />

der Berg<strong>rothenfels</strong>er Judenschule. Der Aschaffenburger<br />

Bauinspektions-Ingenieur Konrad Götz gibt<br />

nach einer Ortsbesichtigung als Zeuge zu Protokoll:<br />

Das fragliche Lokale der Judenschule, welches nur<br />

zum Zwecke der Abhaltung des Gottesdienstes dient,<br />

befindet sich in einem auf dem Satteldache des fragli-<br />

278 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8663 (Brief 7. 11.<br />

1817).<br />

279 Vgl. W. Mogge, Dies uralt Haus, S. 90, 385 Anm. 374 und 375.<br />

280 StAWt-R Lit. B Nr. 2913 und 2914. Der Rechtsstreit zieht sich<br />

<strong>von</strong> der ersten Klage vom 13. 3. 1853 bis zum Schlussurteil<br />

vom 27. 6. 1859 hin. Die Urteilsbegründungen des Königlichen<br />

Landgerichts Rothenfels (16. 4. 1855), des Königlichen Bezirksgerichts<br />

Aschaffenburg (4. 1. 1859) und des Königlichen<br />

Appellationsgericht <strong>von</strong> Unterfranken und Aschaffenburg (27.<br />

6. 1859) in Kurzform: Das vom Kläger als einziges Beweismittel<br />

vorgelegte Dekret der damaligen fürstbischöflichen Regierung<br />

vom 8. 10. 1773 beinhaltet das Recht zur Haltung einer<br />

Judenschule. Als Anerkennung für diese Erlaubnis wurde der<br />

Judenschaft eine jährliche Abgabe auferlegt. Die Standesherrschaft<br />

begründet ihre Forderung als Gefälle auf ein bestimmtes<br />

Gebäude oder Grundstück und liegt damit falsch. Die Forderung<br />

ist auch nicht im Grundsteuerkataster eingetragen und<br />

schon deshalb nicht weiter geltend zu machen. Die bisherigen<br />

Zahlungen erfolgten wegen der Judenschule, nicht auf diese.<br />

Die alte Bezeichnung Rekognition beinhaltet kein dingliches<br />

oder persönliches Recht. Ein vielleicht zu behauptender Rechtsanspruch<br />

der Grundherrschaft aus den <strong>von</strong> 1774 bis 1846 gezahlten<br />

Abgaben ist durch das bayerische Ablösungsgesetz vom<br />

4. 6. 1848 erledigt. – Das Appellationsgericht weist schließlich<br />

die erneute Revision zurück, weil der Anwalt der Fürstlichen<br />

Verwaltung weitere Begründungen oder Beweismittel zu spät<br />

einreicht (27. 6. 1859).<br />

chen Gebäudes vor etwa 30-40 Jahren erbauten Erkervorsprunge,<br />

zu welchem eine sehr steile und unbequeme<br />

hölzerne Stiege führt. Weder die Bauart dieses<br />

Erkervorsprunges, welch letzterer aus Riegelfachwerk<br />

besteht, noch die in sehr schlechtem Zustande befindliche,<br />

mit schmalen Trittbrettern versehene Stiege lassen<br />

erkennen, daß dieser Theil des Gebäudes, sowie<br />

der übrige größere Theil des Hauses deßhalb erbaut<br />

worden ist, um in demselben Gottesdienst abzuhalten.<br />

281<br />

Die sonst bei Synagogen üblichen baulichen Merkmale,<br />

Wandeinrichtungen, Fenster, Symbole oder Beschriftungen,<br />

so der Gutachter weiter, fehlen hier<br />

gänzlich. Mit keinem Wort erwähnt er die in früheren<br />

Berichten bezeugte Möblierung der Betstube mit Almemor<br />

und Thoralade – die erscheint für seine Feststellung<br />

der ursprünglichen Zweckbestimmung des<br />

gesamten Hauses wohl unerheblich. Die Standesherrschaft<br />

steht trotz teurer Rechtsanwälte mit ihrer Argumentation<br />

für einen steuerpflichtigen Synagogenbau<br />

auf verlorenem Posten.<br />

Die Akten zu diesem Prozess, der wie der biblische<br />

Kampf zwischen David und Goliath anmutet, bekunden<br />

nebenher, dass die jüdische Gemeinde <strong>von</strong> Rothenfels<br />

und Berg<strong>rothenfels</strong> nach wie vor im Dorf im<br />

Hause Freudenberger zusammenkommt. Die in der<br />

Stadt verbliebenen Juden haben nun offensichtlich keine<br />

Probleme, den durch eine alte gepflasterte Fahrstraße<br />

und eine neue barocke Steintreppe erschlossenen<br />

Berg zu ersteigen und gemeinsam mit den Verwandten<br />

und Freunden den Sabbat und die Festtage zu feiern.<br />

14. Unterricht und Kultus<br />

Über das alltägliche Leben der Rothenfelser Juden,<br />

ihre Sitten und Gebräuche, ihre Kleidung und Speisen<br />

geben die bisher aufgefundenen schriftlichen Quellen<br />

keine Auskunft. 282 Wohl aber finden sich einige Hinweise<br />

zur religiösen und sprachlichen Kultur.<br />

Die Rothenfelser und Berg<strong>rothenfels</strong>er Juden sind<br />

– wie die Mehrzahl der unterfränkischen Land<strong>juden</strong><br />

und ihr geistiges Zentrum in Heidingsfeld oder Würzburg<br />

– gesetzestreue Traditionalisten, also, mit einer<br />

verallgemeinernden Bezeichnung, Orthodoxe. 283 Ihre<br />

Gottesdienste richten sich nach der Ordnung und<br />

Schrift des alt jüdischen Ritus. 284 Gemeinsame Gebete<br />

und Vorlesungen werden selbstverständlich in der hebräischen<br />

Sprache gehalten. 285 Auch private Gebetbücher<br />

sind, wie aus einer Fundstelle in den Rothenfelser<br />

281 StAWt-R Lit. B Nr. 2914 (unpaginiert; Ortstermin und Zeugenaussagen<br />

vom 10. 7. 1857).<br />

282 Als Einführung in die Alltagskultur der fränkischen Juden neuerdings<br />

St. M. Lowenstein, Alltag und Tradition.<br />

283 Vgl. L. Scherg, Land<strong>juden</strong>tum, S. 235; ders., Jüdische Gemeinden,<br />

S. 175; St. M. Lowenstein, Alltag und Tradition, S. 17 f.<br />

284 StAWü Statistische Sammlung Nr. 280 fol. 234'.<br />

285 StAWü Statistische Sammlung Nr. 280 fol. 237.


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 51<br />

Ratsprotokollen indirekt hervorgeht, auf Hebräisch<br />

verfasst. 286 Im Alltag verständigt man sich untereinander<br />

auf Jiddisch, mit der Umwelt auf Deutsch mit unterfränkischen<br />

Einfärbungen. 287 Schreiben kann man<br />

in der Regel in deutschen und hebräischen Schriftzeichen;<br />

nur sehr selten leistet eine Jüdin oder ein Jude in<br />

den Rothenfelser Akten die Unterschrift in Hebräisch.<br />

288<br />

Etliche Nachrichten zeugen <strong>von</strong> der jederzeitigen<br />

Sorge der Familien um die Einhaltung der religiösen<br />

Vorschriften und die Erziehung der Kinder. Auch eine<br />

so kleine Gemeinde scheint stets einen ausgebildeten<br />

Fachmann für Kultus und Unterricht bei sich gehabt<br />

und finanziert zu haben. Die wechselnden Bezeichnungen<br />

Reba, Rabbiner, Schulmeister, Lehrer und Vorsinger<br />

erlauben meist noch keine Aussagen über<br />

dessen Qualifikationen und Tätigkeiten. Während in<br />

großen Landgemeinden wie Karbach ein Orts-Rabi<br />

amtieren kann und zuständig ist für alle kirchlichen<br />

Angelegenheiten wie Gottesdienste, Religionsunterricht,<br />

Trauungen, die Überwachung der Speisevorschriften<br />

und das Schächten 289 , ist für Rothenfels kein<br />

derart umfassender Aufgabenkatalog bekannt, sondern<br />

allenfalls ein Lehrer und Vorsänger anzunehmen.<br />

Die früheste Nennung stammt hier aus dem Jahr<br />

1655: Die ersten aktenkundigen Rothenfelser Judenfamilien<br />

bezahlen gemeinsam einen ledigen Kerl Habriel<br />

als Hausgenossen und Lehrer ihrer zahlreichen<br />

Kinder. 290 Die weiteren Nachrichten in chronologischer<br />

Aufreihung:<br />

1736 gibt es Ärger mit den Stadtoberen – ein jüdischer<br />

Lehrer wohnt in Rothenfels und weigert sich,<br />

das ortsübliche Beisassengeld zu zahlen. 291 1750 tritt<br />

286 Der Hinweis findet sich 1771 anlässlich eines Stadtgerichtsverfahrens<br />

gegen den Juden Leser, Knecht beim Juden Moÿsel dahier.<br />

Leser wird verklagt, er habe Vieh im Garten eines Bürgers<br />

weiden lassen; als Beweis wird ein dort aufgefundenes hebarisch<br />

büchlein vorgelegt und dem Knecht zugeordnet. Leser bestreitet,<br />

den Garten betreten zu haben; er habe morgens<br />

zwischen sieben und acht Uhr in der Nähe gebetet und auf einem<br />

Stein am Weg sein gebettbüchlein liegen lassen. StadtAR<br />

II 2/11 S. 142-144.<br />

287 Vgl. St. M. Lowenstein, Alltag und Tradition, S. 8 f; Mitten unter<br />

uns, S. 40. In den für die vorliegende Arbeit herangezogenen<br />

Akten fanden sich keine Dokumente privater Art und in jiddischer<br />

Sprache bzw. in hebräischen Schriftzeichen. Die amtlichen<br />

Korrespondenzen und Protokolle wurden in der Regel <strong>von</strong><br />

professionellen Schreibern auf Deutsch geschrieben und <strong>von</strong><br />

den Absendern nur unterzeichnet.<br />

288 StadtAR II 9/2 (Vertrag der Erben des Nathan Heil, 1831; vgl.<br />

oben S. 36); StAWt-R Rep. 100e Nr. 38 (Beschwerde des Jüdlein<br />

Salomon aus Karbach, 1804; vgl. oben S. 37).<br />

289 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8498 (1819). – Die<br />

Bezeichnung kirchliche Angelegenheiten gehört zur Wortwahl<br />

der christlichen Behörden. Nach dem bayerischen Judenedikt<br />

<strong>von</strong> 1813 (§ 30) ist der Wirkungskreis der Rabbiner [...] ausschließend<br />

auf die kirchlichen Verrichtungen beschränkt; sie<br />

dürfen keine Gerichtsbarkeit mehr ausüben und sich nicht mehr<br />

in bürgerliche oder Gemeindeangelegenheiten einmischen.<br />

290 StAWü Administrationsakten 8318 (5. 7. 1655).<br />

291 StadtAR II 2/7 S. 62. Der Rat beruft sich auf alte Privilegien<br />

der Stadt, das keiner dahier freӱ gedultet werdten solle; vgl.<br />

StadtAR II 1/1 S. 2. Dagegen steht das geltende Recht, dass<br />

hier ein Schulmeister auf 292 , der 1751 einen Namen<br />

und eine Geschichte bekommt: Israël Kohn hiesiger<br />

Reba und Judten Schulmeister welcher aus Böhmen<br />

gebürthig, sich aber verschiedene Jahren hindurch in<br />

Franckhen Landt aufgehalten 293 .<br />

Auch 1762 und 1772/73, also offensichtlich durchgängig,<br />

gibt es einen Schulmeister, der bei der Teilung<br />

der Gemeinde weiter gemeinsam bezahlt wird und jeweils<br />

zwei Jahre auf dem berg und ein Jahr in dem<br />

stättlein leben soll. Derselbe Mann wird auch als Vorsinger<br />

bezeichnet, was seine Hauptaufgabe als Leiter<br />

der kultischen Handlungen beweist. 294 Es handelt sich<br />

offensichtlich um den Lehrer, der einmal während des<br />

Streites um den Standort der Synagoge genannt wird:<br />

Isac Judenschulmeister alto übersetzt 1772 ein Dokument<br />

des Oberrabbiners zu Heidingsfeld aus dem Hebräischen<br />

ins Deutsche. 295<br />

Die jüdischen Kinder in den Rothenfelser Amtsorten<br />

werden also <strong>von</strong> eigenen Lehrern oder <strong>von</strong> den<br />

Rabbinern unterrichtet. Während man sich in den<br />

großen Kultusgemeinden Greußenheim und Karbach<br />

eigene Schulhäuser leistet, kommen die Schulkinder in<br />

Rothenfels und Berg<strong>rothenfels</strong> in Privathäusern oder<br />

in der Betstube zusammen. Ihr Unterricht, für den die<br />

Familien keine finanziellen Opfer scheuen, umfasst<br />

die Fächer und Lehrpläne einer Elementarschule, Religion<br />

und hebräische Sprache. 296 So bald und wo immer<br />

es möglich ist, besuchen sie die öffentlichen<br />

(christlichen) Volksschulen. Das geschieht allgemein<br />

seit Beginn des 19. Jahrhunderts, mit der Einführung<br />

der Volksschulpflicht in den deutschen Staaten – im<br />

Amt Rothenfels greifen nun die entsprechenden bayerischen<br />

Gesetze <strong>von</strong> 1802, die ab 1813 generell auch<br />

für die Juden gelten. 297<br />

In der Stadt Rothenfels, die bereits seit dem 16.<br />

Jahrhundert eine freiwillig zu besuchende Schule mit<br />

einem hauptamtlichen Lehrer unterhält 298 , wachsen<br />

zwar so gut wie keine jüdischen Kinder mehr nach. Im<br />

Rabbiner, Schulmeister und andere Angestellte der jüdischen<br />

Gemeinden im Hochstift Würzburg einen Sonderstatus haben:<br />

Sie brauchen keinen Schutzbrief und zahlen keine Steuern; vgl.<br />

I. König, Judenverordnungen, S. 45, 180 f.<br />

292 StAWt-R Rep. 5g Nr. 2 (Protokoll 4. 6. 1750).<br />

293 StAWü Gebrechenamtsakten VI W 292 (11. 8. 1751).<br />

294 StAWt-R Rep. 5g Nr. 2 (Berichte und Protokolle 18. 8. 1762,<br />

22. 5. 1772, 6. 10. 1773).<br />

295 StAWt-R Rep. 5g Nr. 2 (27. 5. 1772). alto heißt allda, nämlich<br />

in Rothenfels.<br />

296 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8663 (Berichte des<br />

Herrschaftsgerichts Rothenfels 1817 ff); Statistische Sammlung<br />

Nr. 279, 280 (Übersicht über die allgemeinen und bürgerlichen<br />

Verhältnisse der Israeliten im Untermainkreis 1833/34). – Einer<br />

der seltenen Hinweise auf die Ausbildung der Land<strong>juden</strong>mädchen:<br />

Bei der Ausstellung der Heiratszeugnisse der Gemeindeverwaltung<br />

<strong>von</strong> Berg<strong>rothenfels</strong> für Jede (Jethe) Herrmann (geb.<br />

1798) heißt es 1830, sie sei eine gute Haushälterin und habe<br />

den Schulunterricht beÿ ihren Glaubensgenossen erhalten<br />

(StadtAR 21-1 S. 664).<br />

297 Vgl. M. Spindler, Handbuch, Bd. IV/2 S. 952-955; G. Döllinger,<br />

Sammlung, S. 200-219.<br />

298 Vgl. P. Kolb, Chronik, S. 228 ff.


52 Winfried Mogge<br />

Dorf Berg<strong>rothenfels</strong> aber gehen sie als Werktags-<br />

Schüler in die 1804 dort gegründete Volksschule. 299<br />

Als Folge der Ausdünnung ihrer Gemeinde durch<br />

Abwanderung und Überalterung verzichten die hiesigen<br />

Juden nun auf einen eigenen angestellten Schulmeister.<br />

In den 1820er Jahren stellen fünf Familien im<br />

Dorf nur noch fünf, kurzzeitig sechs Schulkinder. 300<br />

Bei der regierungsamtlichen Erfassung der kirchlichen<br />

und rechtlichen Verhältnisse der Israeliten in den neuen<br />

bayerischen Landesteilen wird es aktenkundig: In<br />

Berg<strong>rothenfels</strong> und Rothenfels gibt es nur noch wenige<br />

schulpflichtige jüdische Kinder und somit auch<br />

kein eigenes Personal für den Religions- und Sprachunterricht.<br />

301<br />

In der Schlussphase der Gemeinde sorgen die Familien<br />

Heil und Kahn noch einmal für Nachwuchs, so<br />

dass sich die Notwendigkeit ergibt, die israelitische<br />

Religionsschule neu zu organisieren. Man verpflichtet<br />

dazu den in der nach wie vor großen jüdischen Kultusgemeinschaft<br />

Karbach fest angestellten Lehrer und<br />

Vorsänger: 1859 Jonas Löwenthal, 1865 dessen Nachfolger<br />

Hirsch Eschwege. Im Sommer an fünf Tagen,<br />

im Winter an zwei Tagen in der Woche kommt nun der<br />

Lehrer nach Rothenfels oder wandern bei guter Witterung<br />

die Schulkinder nach einer Mainüberfahrt ins<br />

sechs Kilometer entfernte Nachbardorf. Bei der nächsten<br />

Neubesetzung der Karbacher Stelle im Jahr 1896<br />

spielt die Rothenfelser Gemeinde keine Rolle mehr. 302<br />

Die Gebete und Gottesdienste der für Stadt und<br />

Dorf vereinigten Kultusgemeinde leitet seit etwa 1821<br />

der Gemeindevorsteher Nathan Freudenberger als<br />

Vorsinger. Um diese Position gibt es eine Auseinandersetzung<br />

zwischen den Israeliten zu Berg<strong>rothenfels</strong><br />

und der löwensteinischen Verwaltung, die sogar den<br />

König in München erreicht. Der Hintergrund: Mit Verordnung<br />

vom 28. November 1828 hatte die bayerische<br />

Regierung die kirchlichen Verhältnisse der Judengemeinden<br />

neu reglementiert und bestimmt, für die Ausübung<br />

des Religionscultus müsse überall ein geprüfter<br />

Vorsänger angestellt werden. Der zu der Zeit für Rothenfels<br />

verantwortliche Distriktsrabbiner in Aschaffenburg<br />

hatte den unentgeltlich in dieser Funktion<br />

tätigen Nathan Freudenberger geprüft und für geeignet<br />

befunden, die als staatliche Behörde damals noch zuständige<br />

Fürstliche Regierungs- und Justizkanzlei in<br />

Kreuzwertheim dieses Zeugnis jedoch nicht anerkannt.<br />

Die Folge war ein vom Herrschaftsgericht Rothenfels<br />

ausgesprochenes strafbewehrtes Verbot jeder<br />

Andachtsversammlung.<br />

299 StadtAR 312-4 ff; vgl. P. Kolb, Berg<strong>rothenfels</strong>, S. 92 ff.<br />

300 StadtAR 312-4 (1822/23) bis 312-9 (1828/29). Die Schulkinder<br />

kommen aus den Familien Benjamin, Löb und Oschel Hamburger,<br />

Isaak und Jacob Herrmann.<br />

301 StAWü Statistische Sammlung Nr. 280 fol. 221-227, 235'-236.<br />

302 StAWü Landratsamt Marktheidenfeld 2327 (Korrespondenzen<br />

und Verträge 1858/59, 1865, 1896). Die Verträge unterzeichnen<br />

für die Israelitische Cultusgemeinde Rothenfels und Berg<strong>rothenfels</strong><br />

die Brüder Abraham, Joseph und David Heil.<br />

Die Berg<strong>rothenfels</strong>er beschwören in ihrem Appell<br />

an König Ludwig I. einen unlösbaren Gehorsamskonflikt:<br />

Das Verbot sei unvereinbar mit den jüdischen<br />

Vorschriften für gemeinschaftliche Gebete und mit der<br />

verfassungsgemäß garantierten freien Religionsausübung.<br />

Einen bezahlten Vorsänger wiederum könne<br />

die auf wenige Familien beschränkte Judengemeinde<br />

sich finanziell nicht leisten, zumal an diesem Ort auch<br />

kein Religionsunterricht mehr zu erteilen sei. Die Aktion<br />

ist erfolgreich: Auf Seiner Königlichen Majestät<br />

allerhöchsten Befehl erteilt das Staatsministerium des<br />

Innern die Ausnahmegenehmigung für Nathan Freudenberger<br />

als ehrenamtlicher Vorsänger. 303<br />

Unverzichtbar ist für jede Judengemeinde ein Betund<br />

Versammlungsraum mit der Mindestausstattung<br />

einer Synagoge. Als im Konflikt <strong>von</strong> 1772/73 um den<br />

Standort der Synagoge die Rothenfelser Amtsleitung<br />

kurzerhand beide Schulen bis zu einer Einigung<br />

schließen lässt, geraten die Streitparteien angesichts<br />

der bevorstehenden jüdischen Feiertage in höchste<br />

Not. Sie erreichen die befristete Freigabe ihrer beiden<br />

Stuben für die Gebete und Zeremonien; der damalige<br />

Berg<strong>rothenfels</strong>er Sprecher Männlein erwirkt auch die<br />

Herausgabe einiger Schriftrollen aus den Rothenfelser<br />

Beständen an die Berger. 304<br />

Die Kleinstgemeinde im ländlichen Raum hat gelegentlich<br />

Schwierigkeiten bei der Einhaltung der religiösen<br />

Vorschriften. Als die Schließung beider<br />

Rothenfelser Schulen droht und der Amtskeller die Zusammenlegung<br />

mit dem benachbarten Amtsort Karbach<br />

in die Diskussion einbringt, lehnen die<br />

betroffenen jüdischen Familien dies vehement ab: Die<br />

nach den Religionsgesetzen am Sabbat stark eingeschränkte<br />

Entfernung <strong>von</strong> ihren Wohnungen würde<br />

überschritten, und sie dürften an diesem Tag auch keinen<br />

Fluss überqueren. 305 Später, als die Gemeinde aus<br />

eigener Kraft keinen Minjan (vollständigen Gottesdienst)<br />

mehr zustande bringt, nimmt man die Regelungen<br />

zur Überbrückung der Sabbatweggrenzen in<br />

Anspruch. In der Erhebung <strong>von</strong> 1833 über die Verhältnisse<br />

der israelitischen Glaubensgenossen teilt der<br />

nunmehr gemeinsame Gemeindesprecher <strong>von</strong> Rothenfels<br />

und Berg<strong>rothenfels</strong> mit, da man die nötige Anzahl<br />

303 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8663 (1831). Unterzeichner<br />

der Petition vom 19. 4. 1831 sind Nathan Freudenberger,<br />

David Heil und Benjamin Herrmann. In der Statistik <strong>von</strong><br />

1833 über die Religionsverhältnisse wird Nathan Freudenberger<br />

als ehrenamtlicher Vorsänger für die gemeinsame Gemeinde<br />

Berg<strong>rothenfels</strong> und Rothenfels genannt. Auch in den Amtsorten<br />

gibt es keine Rabbiner mehr; die Gottesdienste leitet hier der<br />

Vorsänger, der zugleich Religionslehrer ist: in Greußenheim<br />

Moses Weitzenfelder, in Karbach Benjamin Lämmlein (StAWü<br />

Statistische Sammlung Nr. 280 fol. 226', 227).<br />

304 StAWt-R Rep. 5g Nr. 2 (Protokoll 9. 9. 1773, Bericht 22. 9.<br />

1772). Die Thorarollen der Berg<strong>rothenfels</strong>er Gemeinde sind offensichtlich<br />

beim Brand <strong>von</strong> 1772 vernichtet worden. In der<br />

Rothenfelser Judenschule werden drei Gebotte verwahrt, Amtskeller<br />

Papius verfügt die Herausgabe <strong>von</strong> einem oder zwei Exemplaren<br />

an die Berger.<br />

305 StAWt-R Rep. 5g Nr. 2 (Bericht 10. 12. 1772).


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 53<br />

<strong>von</strong> zehn volljährigen männlichen Individuen selbst<br />

nicht mehr erreiche, müsse man an einem jeden Sabbat<br />

und Festtagen solche auf unsere Kosten kommen<br />

lassen, um den Gottesdienste abhalten zu können. 306<br />

Das heißt, man lädt gegen Bezahlung Glaubensgenossen<br />

aus größeren Nachbargemeinden ein, um die Vorschriften<br />

zu erfüllen.<br />

Die Aufsicht über die jüdischen Gemeinden im<br />

Amt Rothenfels führt während der Zugehörigkeit zum<br />

Hochstift der Würzburger Oberrabbiner, der <strong>von</strong> 1792<br />

bis 1813 seinen Sitz in Heidingsfeld hat, zuletzt also<br />

der berühmte Gelehrte Abraham Bing (1752-1841).<br />

Als eine Folge der Säkularisation wechselt die Zuständigkeit<br />

für Rothenfels und Berg<strong>rothenfels</strong> an das Distriktsrabbinat<br />

Aschaffenburg in die Hände des dortigen<br />

Rabbiners Hillel Wolf Sondheimer (1749-1832). Nach<br />

der Neuverteilung der Rabbinatsbezirke im Jahr 1839<br />

ist es wieder Würzburg, konkret: der seit 1840 dort<br />

amtierende Seligmann Bär Bamberger (1807-1878). 307<br />

Die Arbeit der Rabbiner hat sich seit dem bayerischen<br />

Judenedikt freilich einschneidend gewandelt,<br />

hat ihre traditionelle Unabhängigkeit verloren: Mit einer<br />

zunehmenden Fülle <strong>von</strong> Anordnungen und Gesetzen<br />

reglementiert nun der Staat die Verhältnisse der<br />

israelitischen Cultusgemeinden <strong>von</strong> den Gottesdiensthandlungen<br />

bis zum Unterricht, <strong>von</strong> den Beschneidungen<br />

und Vereidigungen bis zu den Beerdigungen. 308<br />

Die räumliche Ferne des geistlichen Leiters wird in<br />

den Landgemeinden als Nachteil erlebt, sobald es vor<br />

Ort keinen eigenen Rabbiner oder Schulmeister mehr<br />

gibt. Aufenthalte des Oberrabbiners sind in den Rothenfelser<br />

Unterlagen nicht nachweisbar. In kirchlichen<br />

Angelegenheiten springt hier zunächst noch der<br />

Orts-Rabi Lazarus Rosenbusch <strong>von</strong> Karbach ein, bis<br />

auch diese Position nicht mehr besetzt wird. 309 Am 10.<br />

Oktober 1817, bei der Vereidigung der immatrikulierten<br />

Juden im Amtshaus der Burg, ist ein Rabbiner namens<br />

Jacob Erlanger dabei, aber der kommt <strong>von</strong><br />

außerhalb zu der Zeremonie und wird sonst in Rothen-<br />

306 StAWü Statistische Sammlung Nr. 280 fol. 234'. Vgl. dazu: Jüdisches<br />

Lexikon, Bd. IV/2 Sp. 896 (Techum schabbat, Sabbatgrenze)<br />

und Bd. II Sp. 486-489 (Eruw techumin, Vereinigung<br />

der Sabbatweggrenzen).<br />

307 StAWü Statistische Sammlung Nr. 280 fol. 226, 233 (Datenerhebung<br />

1833/34). – Nach der Säkularisation und dem Übergang<br />

der Region an das Fürstliche Haus Löwenstein-Wertheim-Rosenberg<br />

gibt es zunächst Irritationen wegen der Zuständigkeiten:<br />

1808 beklagt sich der Wertheimer Rabbiner [Samuel]<br />

Hirsch [Adler] bei der Domänenkanzlei, er bekomme seit einigen<br />

Jahren keine Amtsgebühren und Akzidenzien mehr <strong>von</strong> der<br />

Judenschaft des Amtes Rothenfels. StAWt-R Rep. 41e Nr. 2.<br />

308 StAWü Landratsamt Lohr Nr. 1585; vgl. Anm. 289.<br />

309 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8498 fol. 61 (29. 12.<br />

1819). Der Vorgang wird erwähnt im Zusammenhang mit dem<br />

Kampf der Karbacher jüdischen Gemeinde gegen ihre Unterstellung<br />

unter den Würzburger Oberrabbiner Abraham Bing.<br />

Der Karbacher privilegirte und verpflichtete Orts-Rabiner Lazarus<br />

Rosenbusch betreut demnach auch die Amtsorte Greußenheim<br />

und Rothenfels. In der Statistik <strong>von</strong> 1833 über die<br />

Religionsverhältnisse (wie Anm. 307) wird auch für Karbach<br />

kein eigener Rabbiner mehr genannt.<br />

fels nicht mehr genannt. 310 Aus dem Jüdischen Standesregister<br />

für Rothenfels und Berg<strong>rothenfels</strong>, beginnend<br />

mit dem Jahr 1829, geht hervor: Beschneidungen<br />

werden <strong>von</strong> den Rabbinern aus Urspringen ausgeführt,<br />

Beisetzungen <strong>von</strong> den Amtskollegen oder Religionslehrern<br />

in Laudenbach, dem Ort des Verbandsfriedhofs.<br />

Die wenigen Trauungen dieser Zeit feiert man an<br />

verschiedenen Orten: mit Rabbiner Nathan Heinemann<br />

aus Urspringen, mit Lehrer Benjamin Lämmlein<br />

aus Karbach, mit Oberrabbiner Seligmann Bär Bamberger<br />

in Würzburg, mit Distriktsrabbiner Abraham<br />

Adler aus Aschaffenburg. 311<br />

Sämtliche Kosten für ihren Kultus, ihre Einrichtungen<br />

und ihr Personal tragen die Israeliten selbst. Auch<br />

die kleine Gemeinde Rothenfels erhebt dafür stets eine<br />

Umlage, gestaffelt nach Einkommen und Vermögen<br />

der Familien. Das gilt auch für die Armenpflege – bis<br />

zu ihrer bürgerlichen Gleichberechtigung haben die<br />

Juden keinen Anteil an der kommunalen Versorgung,<br />

sondern finanzieren die soziale Fürsorge für ihre bedürftigen<br />

Mitglieder aus eigenen Mitteln. Im Jahr der<br />

statistischen Erhebungen 1833 heißt es allerdings für<br />

Berg<strong>rothenfels</strong> und Rothenfels, dass sich hier keine israelitischen<br />

Arme befinden. 312<br />

Zum jüdischen Kultus gehört eine Mikwe, ein Bad<br />

mit fließendem Wasser für die rituellen Waschungen<br />

vor den gemeinsamen Gebeten und die symbolische<br />

Reinigung der Frauen nach der Menstruation und der<br />

Geburt. Die kleinen Gemeinden hatten dafür in der<br />

Regel keine eigene Einrichtung in Form eines Badehäuschens,<br />

sondern einen Raum im Untergeschoss des<br />

Hauses ihrer Betstube.<br />

In der Stadt Rothenfels lässt sich eine solche Kellermikwe<br />

nicht lokalisieren. Das ehemalige Anwesen<br />

der Familie Moyses Lazarus, also das Haus Nr. 4 (heute<br />

Hauptstraße 14), wo sich die Betstube befand, hat<br />

keinen Keller, und beim Abbruch des baufälligen Hauses<br />

und Neubau 1972/77 wurden hier keine Spuren einer<br />

mit Wasser versehenen Badestube bemerkt. 313 Im<br />

Dorf Berg<strong>rothenfels</strong> befand sie sich im früheren Haus<br />

Nr. 56, also unter einem Dach mit dem Betraum. Bei<br />

einem Umbau des jetzt dort stehenden Wohnhauses in<br />

den Jahren 1977/78 war das Ritualbad im alten Keller<br />

für kurze Zeit sichtbar, bevor es – leider ohne zeichnerische<br />

oder fotografische Dokumentation des Bestandes<br />

– zugeschüttet wurde. 314 Das Dorf verfügte<br />

ehemals über mehrere Wasseradern und Quellwasser-<br />

310 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8663. Herkunft oder<br />

Amtsort und biografische Daten zu Jacob Erlanger ließen sich<br />

nicht ermitteln.<br />

311 StAWü Jüdische Standesregister 114.<br />

312 StAWü Statistische Sammlung Nr. 280 fol. 230, 234', 235.<br />

313 Freundliche Mitteilung <strong>von</strong> Werner Zürn (Rothenfels). Zur<br />

Hausgeschichte vgl. S. 43.<br />

314 Die Mikwe befand sich in der linken Ecke des Hauses in einem<br />

in den Hang gebauten, gefliesten Keller. Die nach starken Regenfällen<br />

noch spürbare Wasserader ist verrohrt und in die Kanalisation<br />

abgeleitet. (Freundliche Mitteilungen <strong>von</strong> Elisabeth<br />

Ehring und Walter Rausch, Rothenfels.)


54 Winfried Mogge<br />

Grabsteine für Juden aus Rothenfels und Berg<strong>rothenfels</strong><br />

auf dem Verbandsfriedhof Laudenbach am Main.<br />

Die Inschriften, soweit noch zu entziffern, in Kurzform:<br />

Oben links: Frau Malez, Tochter des Herrn Hirsch<br />

<strong>von</strong> Rothenfels, Frau des Herrn Mosche Leib <strong>von</strong> hier,<br />

gestorben […] 5535 [1774 oder 1775].<br />

Oben rechts: Nathan Jziak [Isaak], Sohn <strong>von</strong> David<br />

Chaim [Herrmann] [Datum nicht lesbar].<br />

Unten links: Nathan, Sohn des Naphtali [Hirsch],<br />

gestorben 6. Cheschwan 5577 [28. Oktober 1816].<br />

Unten rechts: Tochter <strong>von</strong> Izrak, Sohn <strong>von</strong> Natan,<br />

gestorben 25. Tischri 5579 [25. Oktober 1818].<br />

Abbildung Seite 53: Rosel Heil, geborene Stern, Frau<br />

des David Heil, gestorben 26. Nisan 5649 [27. April<br />

1889]. – Im Sterberegister des Standesamtes Berg<strong>rothenfels</strong><br />

wird der 26. April 1889 als Todestag genannt,<br />

die Differenz entsteht bei der Kalenderumrechnung.


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 55<br />

leitungen auch im Bereich der Straße, aus denen sich<br />

öffentliche und private Brunnen speisten 315 , so dass die<br />

Mikwe an dieser Stelle mit dem nötigen frischen Wasser<br />

versorgt werden konnte.<br />

Die bayerische Kreisregierung lässt nach der Vereinnahmung<br />

Unterfrankens die zunächst als sehr ungesund<br />

und schädlich befundenen Judentauchen<br />

amtsärztlich visitieren und kontrollieren. Der Rothenfelser<br />

Districts-Physicus kann alsbald einen hygienisch<br />

einwandfreien Zustand der Monatsbäder in<br />

seinem Bereich vermelden. 316<br />

Die neuzeitliche Judengemeinde <strong>von</strong> Rothenfels<br />

und Berg<strong>rothenfels</strong> besitzt keinen eigenen Friedhof.<br />

Ihre Toten bringt sie auf den um 1600 gegründeten<br />

großen Verbandsfriedhof nach Laudenbach bei Karlstadt<br />

am Main, den sich bis zu 14 Kultusgemeinden<br />

der Region teilen – also nicht auf den nahegelegenen,<br />

jüngeren Friedhof bei Karbach. 317 In Laudenbach sind<br />

nach aktuellem Kenntnisstand fünf Grabsteine <strong>von</strong><br />

Rothenfelser Jüdinnen und Juden aus dem 18. und 19.<br />

Jahrhundert zu identifizieren. 318 Während die meisten,<br />

teils schon abgewitterten Grabsteine aus rotem Sandstein<br />

die typischen schlichten Formen mit einem<br />

schmucklosen Halbbogen zeigen, ist die älteste Stele<br />

(<strong>von</strong> 1775) aus der Familie Hirsch mit barocken Voluten<br />

verziert. Der jüngste Grabstein (<strong>von</strong> 1889) führt<br />

mit seiner Größe und einem neugotischen Blendmaßwerk<br />

das Selbstbewusstsein der Familie Heil vor. 319<br />

Das Thema Konversion ist in Rothenfels nicht unbekannt.<br />

Bereits während der Gegenreformation gibt<br />

es im Fürstbistum missionarische Bemühungen um<br />

Protestanten, Juden und Muslime. Nicht wenige Angehörige<br />

der verfolgten Minderheiten erhoffen sich vom<br />

Übertritt zum katholischen Glauben verbesserte Daseinsbedingungen.<br />

Das Würzburger Julius-Spital ist<br />

der landesweit zentrale Ort für ihren Religionsunterricht<br />

und die Taufen. 320 Doch auch der Stadtpfarrer<br />

315 Vgl. P. Kolb, Berg<strong>rothenfels</strong>, S. 87 f und Abb. 6 im Anhang; W.<br />

Mogge, Dies uralt Haus, S. 241-245.<br />

316 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8663 (Berichte 1825,<br />

1829). Die Verordnung zur Kontrolle der Kellerquellenbäder<br />

der Israelitinnen vom 15. 10. 1828 bei G. Döllinger, Sammlung,<br />

S. 151.<br />

317 Vgl. L. Scherg, Jüdisches Leben, S. 26 f; L. Mayer, Jüdische<br />

Friedhöfe, S. 106-111. – Ein Gräberverzeichnis der <strong>von</strong> 1850<br />

bis 1886 in Laudenbach beigesetzten Juden enthält auch Rothenfelser<br />

und Berg<strong>rothenfels</strong>er Namen, u. a. Nathan Freudenberger<br />

(1868) und seine Frau Regina Freudenberger [geb.<br />

Schlesinger] (1868), das Kind Nathan Heil (1850), Abraham<br />

Heil (1875), David Heil (1877), Joseph Heil (1874), Benjamin<br />

Herrmann (1868), Dolz Heß [geb. Heil] (1864) und ihren Mann<br />

Hajm Heß aus Würzburg(1866), Michael Kahn aus Steinbach<br />

(1865), das Kind Riela Kahn (1875), Minna Weinstock [geb.<br />

Herrmann] (1864) (HStA Stuttgart J 386 Bü 340).<br />

318 Freundliche Mitteilungen und Vermittlung der Inschriften <strong>von</strong><br />

Georg Schnabel, Karlstadt.<br />

319 Der Grabstein für Rosel Heil trägt auf dem Sockel den Namen<br />

des Steinmetzen: Joh. Straub <strong>von</strong> Bergrothenfelz [!].<br />

320 A. W[endehorst], Juden, S. 52. Eine entsprechende regionale<br />

Rolle des Julius-Spitals in Rothenfels ist auszuschließen<br />

(freundlicher Hinweis <strong>von</strong> Dr. Peter Kolb, Würzburg).<br />

Friedhof Laudenbach: Grabstein Rosel Heil (1889)<br />

<strong>von</strong> Rothenfels begleitet solche Konversionen. In der<br />

Pfarrmatrikel sind etliche zuvor protestantische und<br />

jüdische Personen verzeichnet, die hier bekehrt wurden<br />

und in hiesiger Pfarrkirche das Glaubensbekenntnis<br />

ablegten. 321 Aus der örtlichen Judengemeinde ist<br />

jedoch niemand dabei.<br />

Zwei spektakuläre Fälle finden in Rothenfels hohe<br />

Beachtung. Am 10. März 1771 werden in der Stadtpfarrkirche<br />

zwei junge Juden, 22 und 20 Jahre alt,<br />

Brüder aus Homburg am Main, nach vorangegangenem<br />

Religionsunterricht getauft. Sie bekommen neue<br />

Vornamen, nämlich die ihrer Paten, des Centgrafen<br />

Franz Ludwig Lippert und des Stadtschreibers Franz<br />

Nikolaus Fleischmann, und den Zunamen Christenfels,<br />

hergeleitet <strong>von</strong> der Stadt Rothenfels. Bald darauf<br />

gehen sie nach Frankfurt unter die kaiserlichen<br />

Kriegsvölker. 322<br />

321 Nachrichten über jüdische Konvertiten in Rothenfels, die aber<br />

nicht aus der dortigen jüdischen Gemeinde stammen: Am 2. 1.<br />

1733 stirbt Michael Joseph, ein getaufter Jude. Am 8. 2. 1740<br />

lässt sich Peter Philipp Glück, vor seiner Hochzeit Jude, mit<br />

seiner Frau Margaretha nach vierzigjähriger christlicher Ehe ein<br />

zweites Mal trauen. Außerdem die im Folgenden genannten<br />

Konversionen <strong>von</strong> 1719 und 1771. DAW Amtsbücher aus Pfarreien<br />

4281 (Matrikeldatei); PfarrAR Pfarrchronik (Chronik I) S.<br />

114-116.<br />

322 PfarrAR Pfarrchronik (Chronik I) S. 116. Der Stadt Rothenfels<br />

erbringen solche Konversionen offensichtlich einen hohen Prestigegewinn<br />

und beachtliche Kosten. Auf Anordnung des Amtskellers<br />

werden die beiden jungen Männer während des


56 Winfried Mogge<br />

Eine andere Bekehrung hat ihre bildlichen Spuren<br />

bis heute sichtbar hinterlassen. Am unteren Teil der<br />

barocken Treppe <strong>von</strong> der Stadt zur Burg Rothenfels<br />

steht neben einer zeitgleichen Kreuzwegstation der sagenumwobene<br />

Judenbildstock. In qualitätvoller Steinmetzarbeit<br />

ist die biblische Ölbergszene dargestellt:<br />

Christus kniet betend auf einem Felsen; ihm gegenüber<br />

erkennt man eine kleine weibliche Gestalt, die<br />

<strong>von</strong> einem Lichtstrahl aus einer mit einem Putto besetzten<br />

Wolke getroffen wird. Den Anlass für die Stiftung<br />

dieses Steines verkündet die Inschrift auf der<br />

Rückseite, in buchstabengetreuer Wiedergabe 323 :<br />

DIESE BILTNUS<br />

IST VON MARIA<br />

PHILIPPINA SCHARLOTA<br />

NIDERHÖFERIN ZUR<br />

DANCKSAGUNG WEGEN<br />

IHRES BERUFS VON DEM<br />

JUDENTHM ZUM WAREN<br />

CATHOLISHEH GLAUBEN<br />

AUF DEN SCHLOSSBERG<br />

ZU STATT ROTHENFELS<br />

GESEZT WORDEN<br />

den 3 october<br />

ANNO 1752<br />

Religionsunterrichts und der Zeit der Taufe <strong>von</strong> der Stadt untergebracht<br />

und verpflegt und anschließend noch nach Würzburg<br />

gefahren. StadtAR III 11/19 S. 112, III 11/20 S. 111 (Ausgaben<br />

Geld ad pias causas, insgesamt rund 33 fl für Quartier, Zehrung,<br />

Fahrtkosten, brodt undt weck).<br />

323 Buchstabengetreue Wiedergabe mit originalen Schreibfehlern;<br />

alle bisherigen Veröffentlichungen enthalten darüber hinausgehende<br />

Lesefehler.<br />

Der Vorgang hat allerlei fantasievolle Erklärungen<br />

zur Person und Herkunft der Stifterin und zu den Hintergründen<br />

ihrer Konversion hervorgebracht. Nüchterne<br />

Auskunft gibt die Rothenfelser Pfarrchronik, die<br />

wiederum die alten Pfarrmatrikeln und somit auch Namen<br />

und Lebenslauf des jüdischen Mädchens aus dem<br />

Wolfskelischen Orte Reichenberg 324 kennt: am 7. September<br />

1719 unter großem Zulaufe des Volkes in der<br />

Stadtpfarrkirche <strong>von</strong> Rothenfels getauft, damals 24<br />

Jahre alt, am 8. Januar 1720 mit dem Büttnermeister<br />

Johann Michael Weitzel verheiratet, am 11. September<br />

1781 hochbetagt als Pfründnerin im hiesigen Julius-<br />

Spital verstorben. Prominente Taufpaten sind der<br />

fürstbischöfliche Oberamtmann Philipp Emmerich<br />

Philibert <strong>von</strong> Hettersdorf (1711-1749) und seine Frau<br />

Charlotta Katharina Brigitta, geborene <strong>von</strong> Guttenberg;<br />

<strong>von</strong> ihnen bekommt die junge Frau ihre neuen<br />

Vornamen. 325 Die in literarische und volkstümliche<br />

Sammlungen eingegangenen Legenden vom armen,<br />

schönen, verfolgten Judenmädchen sind freie Erfindungen.<br />

326<br />

324 Reichenberg (Unterfranken) bei Würzburg, Sitz der Freiherren<br />

Wolffskeel <strong>von</strong> Reichenberg.<br />

325 PfarrAR Pfarrchronik S. 116; DAW Amtsbücher aus Pfarreien<br />

4281 (Matrikeldatei).<br />

326 Vgl. B. Rösch, Judenweg, S. 340 f, 345 (mit Nachweis und Zusammenfassung<br />

bisheriger Literatur, was hier nicht wiederholt<br />

werden soll). Dort (S. 332-350) auch Ausführungen über weitere<br />

fränkische Judensteine und die Instrumentalisierung der Juden<br />

in regionalen Sagen. So ein Judenbildstock <strong>von</strong> 1612 an der<br />

Friedhofsmauer des nahegelegenen Dorfes Roden, der laut lokaler<br />

Überlieferung an die Ermordung eines jüdischen Händlers


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 57<br />

Auch die Mitglieder der jüdischen Kultusgemeinde<br />

hatten auf ihren Wegen zwischen der Stadt Rothenfels<br />

und dem Dorf Berg<strong>rothenfels</strong> diesen Gedenkstein vor<br />

Augen. Die Zeitgenossen verstanden zweifellos seine<br />

Botschaft: Über den individuellen Anlass hinaus fand<br />

hier eine missionarische Demonstration für die Überlegenheit<br />

des Katholizismus statt. 327<br />

Von einer Konversion aus den eigenen Reihen ist<br />

erst nach dem Ende der Rothenfelser Kehillah die<br />

Rede: Die Tochter Frieda des letzten hiesigen Juden<br />

Nathan Kahn tritt, sehr zum Leidwesen des orthodox<br />

jüdischen Vaters, 1901 zum katholischen Glauben<br />

über und heiratet im selben Jahr den Steinhauer Andreas<br />

Benno Völker aus Berg<strong>rothenfels</strong>; im Lohrer<br />

Bürgerakt heißt es lakonisch, sie werde seitens ihres<br />

verwitweten Vaters als verstoßen betrachtet. 328<br />

15. Das Ende der Kehillah Rothenfels<br />

Das Ende der jüdischen Gemeinde <strong>von</strong> Rothenfels und<br />

Berg<strong>rothenfels</strong> kommt bereits vor 1900 in einem<br />

schleichenden Prozess. Von einer Kehillah im Sinne<br />

einer lebendigen Kultusgemeinschaft kann wohl schon<br />

länger keine Rede mehr sein. Die Schriftquellen geben<br />

keinen Aufschluss über eine formelle Abmeldung als<br />

Korporation oder eine Auflösung der Synagoge und<br />

den Verbleib des Interieurs. Der Tod des Gemeindesprechers<br />

Nathan Freudenberger (1868) und seiner<br />

Nachfolger Joseph, David und Abraham Heil innerhalb<br />

weniger Jahre (1874-1877) dürfte der Anfang<br />

vom Ende gewesen sein. Die im 19. Jahrhundert hier<br />

ansässigen Familien sterben aus – und ihre Kinder ziehen<br />

fort. Insofern ist dieser Ort ein charakteristisches<br />

Beispiel für den Untergang zahlreicher mainfränkischer<br />

Land<strong>juden</strong>gemeinden. 329<br />

Aufschlüsse über die eine Zeit lang expansive Entaus<br />

Rothenfels erinnern soll – wogegen einzuwenden ist, dass<br />

zu jener Zeit in unserem Ort keine Juden nachweisbar sind.<br />

327 Vgl. B. Rösch, Judenweg, S. 345. – Der Judenbildstock wurde<br />

1949 mutwillig zerstört, der Aufsatz fand sich 1951 in Hafenlohr<br />

in einer Gartenmauer, wurde renoviert und am alten Platz<br />

wieder aufgestellt. Anmerkung in PfarrAR Pfarrchronik S. 327.<br />

328 PfarrAR Familienbuch Berg<strong>rothenfels</strong> S. 458 f; DAW Amtsbücher<br />

aus Pfarreien 4294. Zitat aus: StadtA Lohr 150.2/K (Bürgerakt<br />

Nathan Kahn). Vgl. S. 58 und die Stammtafel S. 70. –<br />

Frieda (Friederike Maria) Kahn konvertiert am 9. 4 1901 und<br />

heiratet am 12. 5 1901 (laut Standesamt Lohr: 3. 9. 1900) den<br />

Vater ihrer Kinder. In den amtlichen Schriftquellen finden sich<br />

Hinweise auf die Aufenthaltsorte Philadelphia (USA) und Lohr<br />

am Main, schließlich wieder Berg<strong>rothenfels</strong>. In der Familie<br />

Völker gibt es mündlich überlieferte Erinnerung an die schöne,<br />

dunkelhaarige Judefride, die als Witwe bei der Familie in<br />

Berg<strong>rothenfels</strong> lebte (freundliche Mitteilung <strong>von</strong> Barbara Endres,<br />

Marktheidenfeld). Der Werdegang der Kinder wurde im<br />

Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht recherchiert: David, jetzt<br />

Joseph (1894-?, vermisst im Ersten Weltkrieg), Erna, jetzt Barbara<br />

(1896-1966), Rupert Alfred (1906-?) (PfarrAR Familienbuch<br />

Berg<strong>rothenfels</strong> S. 459, und freundliche Auskunft des<br />

Standesamts Lohr).<br />

329 Vgl. L. Scherg, Jüdische Gemeinden, S. 154-157.<br />

wicklung und das fast gleichzeitige Ende der jüdischen<br />

Familien <strong>von</strong> Rothenfels und Berg<strong>rothenfels</strong><br />

gibt ein nur wenige Seiten umfassendes Standesregister.<br />

Die Geschichte dieses Dokumentes ist so bizarr,<br />

dass sie erzählt zu werden verdient. Seit 1820 müssen<br />

in dem neuen bayerischen Untermainkreis die christlichen<br />

Ortspfarrer Personenstandsregister auch für die<br />

jüdischen Gemeinden führen. Die enden meist mit der<br />

landesweiten Einrichtung der kommunalen Standesämter<br />

am 1. Januar 1876. In den 1940er Jahren geraten<br />

die Listen in das Blickfeld nationalsozialistischer Behörden,<br />

werden beschlagnahmt und als Forschungsmaterial<br />

für die Überprüfung <strong>von</strong> „Ariernachweisen“<br />

verfilmt und genutzt. Diesen Weg geht auch die Rothenfelser<br />

„Judenmatrikel“; nach ihrer Beschlagnahme<br />

am 3. Februar 1942 gilt sie als verschollen, auch eine<br />

zuvor im Pfarramt noch angefertigte Abschrift ist verloren<br />

gegangen. 330 Eine Kopie des am 14. März 1945<br />

(!) im Außenlager Schloss Rathsfeld des „Reichssippenamtes“<br />

aufgenommenen Filmes jedoch hat sich im<br />

Staatsarchiv Würzburg erhalten. 331<br />

Das nach dem Muster der Pfarrmatrikeln angelegte<br />

Verzeichnis enthält vier Trauungen, zwölf Geburten<br />

und 19 (eigentlich 20) Sterbefälle 332 der Familien<br />

Freudenberger, Hamburger, Heil, Herrmann und Kahn<br />

aus den Jahren 1829 bis 1875 mit detaillierten Angaben<br />

zu den Personen. 333 Eine Interpretation der Daten<br />

und ihre Verknüpfung mit Informationen aus anderen<br />

Schriftquellen ergibt gleich mehrere Erklärungen für<br />

das Ende dieser Kehillah.<br />

Die Stadt Rothenfels taucht bezeichnenderweise in<br />

dem jüdischen Standesregister fast nicht mehr auf.<br />

Notiert ist hier allein die Hochzeit <strong>von</strong> Joseph Heil<br />

(1795-1874) mit Jethe Stiefel (1810-?) aus dem badischen<br />

Hochhausen im Jahr 1836; Kinder aus dieser<br />

Ehe werden nicht vermeldet. 334 Aus anderen schriftlichen<br />

Quellen erfahren wir <strong>von</strong> einem Händler namens<br />

Abraham Heil in Rothenfels nur das Jahr des Todes<br />

und der Geschäftsaufgabe (1879); wie er mit den ansässigen<br />

Heils verwandt ist, bleibt offen. 335<br />

Außerdem halten sich in der Stadt noch vereinzelte<br />

Mitglieder der alten Familie Mayer Moyses (Mayer)<br />

330 B. Polster, Quellen zur jüdischen Familienforschung, S. 167-<br />

169, 172, 202 Anm. 9.<br />

331 StAWü Jüdische Standesregister 114.<br />

332 Ein Todesfall, ein nach der Geburt verstorbenes Kind, ist nicht<br />

im Sterberegister, sondern im Geburtenregister notiert.<br />

333 Vgl. unten S. 71-73. Die folgenden biografischen Daten sind ergänzt<br />

aus: PfarrAR Familienbücher für Berg<strong>rothenfels</strong> und Rothenfels;<br />

VG Marktheidenfeld, Standesämter Berg<strong>rothenfels</strong><br />

und Rothenfels: Geburts-, Heirats- und Sterberegister.<br />

334 StAWü Jüdische Standesregister 114. Eine erste Verlobung <strong>von</strong><br />

Joseph Heil mit Esther Selig aus Kirchschönbach (Prichsenstadt),<br />

bezeugt in einem Vorgang <strong>von</strong> 1819 (StadtAR II 2/16,<br />

13. 6. 1819), führte nicht zur Hochzeit.<br />

335 StadtAR II 10/3, II 10/4. Mehrere Mitglieder der Familie Heil,<br />

1877-1883 in den Heberegistern für die Kapitalrenten- und Einkommensteuer<br />

genannt, lassen sich nicht eindeutig zuordnen<br />

(StadtAR IV 9/9 bis IV 9/18).


58 Winfried Mogge<br />

auf. 336 Ein kurzes Gastspiel gibt Joseph Bernay (1769-<br />

1848), wohl identisch mit einem Viehhändler aus einer<br />

großen Karbacher Familie. 337 Schließlich kommt,<br />

wenn auch nur für ein Jahrzehnt, der Schnittwarenhändler<br />

David Grünewald (1850-?) aus Karbach hinzu,<br />

der 1879 Fanny Heil (1852-?) aus Berg<strong>rothenfels</strong> –<br />

eine Tochter <strong>von</strong> Abraham und Hanna Heil – heiratet<br />

und 1887 in seinen Heimatort zurückkehrt. 338<br />

Im Dorf Berg<strong>rothenfels</strong> zeichnet sich zunächst<br />

reichliches Leben in die Zukunft ab. Dort, bei den Familien<br />

Heil und Kahn, häufen sich in der „Judenmatrikel“<br />

die Trauungen und Geburten. David Heil (1800-<br />

1877) hat mit seiner Frau Rosetta (Rosel) Stern (1807-<br />

1889) drei, Abraham Heil (1802-1875) mit seiner Frau<br />

Hanna Lindheim (1820-?) sechs Kinder. Insgesamt<br />

fünf überleben die Geburt oder das Kleinkindalter.<br />

Niemand aus dieser Generation bleibt in dem Dorf, die<br />

Landwirtschaften der Väter werden nach deren Absterben<br />

auf neue Besitzer verteilt. 339 Die weiteren Lebenswege<br />

der Nachkommen Heil ließen sich mit nur<br />

einer Ausnahme bisher nicht ermitteln. 340<br />

Die beiden Berg<strong>rothenfels</strong>er Großfamilien Hamburger<br />

und Herrmann haben in der im Standesregister<br />

genannten Zeit überhaupt keine Geburten zu verzeichnen.<br />

Verheiratet sind der alt gewordene Amsel Hamburger<br />

(1755-1833) und der jung verstorbene<br />

Benjamin Hamburger (1792-1832). Weitere Männer<br />

und Frauen ziehen Kinder im Dorf groß, die aber keine<br />

bleibenden Spuren hinterlassen. Auffallend viele<br />

Mitglieder beider Familien, Männer wie Frauen, bleiben<br />

ledig.<br />

Schließlich endet mit der dritten Generation auch<br />

die Familie Freudenberger. Der für damalige Verhältnisse<br />

steinalt gewordene Nathan Freudenberger (1784-<br />

1868) und seine Frau Regina Schlesinger (1791-<br />

1868), beide im Dorf verstorben, erscheinen im Personenstandsregister<br />

nicht mit Kindern. Die dürften vor<br />

dem Einsetzen dieses Dokumentes geboren worden<br />

und bald weggezogen sein. 341 Auch <strong>von</strong> einem Bruder<br />

Abraham Freudenberger fehlt jegliche weitere Nachricht.<br />

342<br />

336 StadtAR IV 3/4 S. 101 (1876 eine Witwe Mayer genannt).<br />

337 StadtAR IV 3/7 Bl. 10 (1812); StadtAR II 9/1 (1817).<br />

338 StadtAR II 10/4 (unpaginiert; 4. 8. 1885), II 10/3 (unpaginiert;<br />

15. 8. 1887), 41-2 (unpaginiert; 14. 11. 1879); vgl. Anm. 200<br />

und 249.<br />

339 StAWü GrStKat Berg<strong>rothenfels</strong>: Renoviertes GrStKat Bd. I S. 7<br />

f; vgl. Anm. 265.<br />

340 Rachel Baer geb. Grünewald (1885-1941?), Enkelin <strong>von</strong> Abraham<br />

und Hanna Heil; vgl. S. 59.<br />

341 Einige in den Akten genannte Personen namens Freudenberger<br />

sind nicht genau zuzuordnen. Ein Benjamin, 1849 mit einer<br />

Rugstrafe bedacht, dürfte ein Sohn <strong>von</strong> Nathan und Regina<br />

Freudenberger sein (StadtAR II 1/4, 3. 9. 1849). Eine Hanna<br />

Freudenberger, 36 Jahre alt, die 1827 Heiratserlaubnis erhält,<br />

dürfte eine Schwester des jüngeren Nathan sein (StadtAR 21-1<br />

S. 572). Sicher hingegen ist: Eine Joanna Schön Freudenberger,<br />

27 Jahre alt, 1818 verheiratet mit Jakob Tannenwald aus Karbach,<br />

ist eine Tochter des älteren Nathan und seiner Frau Beß<br />

geb. Hirsch (StAWü Jüdische Standesregister 51).<br />

342 Vgl. S. 38.<br />

Die letzte nach Berg<strong>rothenfels</strong> zugezogene Familie<br />

hält sich hier keine zwei Generationen. Nathan Kahn<br />

(1832-1913) aus Steinbach bei Lohr bekommt 1870<br />

das Heimat- und Bürgerrecht im Dorf und heiratet<br />

Rosa Heil (1839-1895), die Tochter des Landwirts David<br />

Heil. 343 Nach dem Tod seiner Frau geht er nach<br />

Lohr am Main. Dort erwirbt er ein Haus (die alte Nr.<br />

107, jetzt Gerbergasse 16) und 1906 die Bürgerrechte.<br />

Als altersschwacher Mann kommt er 1913 in das Städtische<br />

Hospital Lohr, dann in das Israelitische Krankenhaus<br />

Würzburg, wo er noch im selben Jahr stirbt. 344<br />

Die Tochter Frieda (1872-1930) findet sich nach verschlungenen<br />

Umwegen über Philadelphia (USA) mit<br />

ihrem Mann Andreas Benno Völker (1870-1907) in<br />

Lohr und schließlich wieder in Berg<strong>rothenfels</strong> ein. 345<br />

Eine Tochter Riela (1873-1875) stirbt schon als Kleinkind.<br />

346 Der Sohn Michael Kahn (1875-1943) wandert<br />

nach Frankfurt am Main ab, wo er als Kaufmann firmiert.<br />

347<br />

Warum die Rothenfelser Juden im letzten Drittel<br />

des 19. Jahrhunderts ihr Interesse an dem Mainstädtchen<br />

und dem zugehörigen Dorf verlieren, warum sich<br />

auch keine neuen Familien hier anmelden, wird nirgends<br />

genannt. Offensichtlich aber bietet der Ort ihnen<br />

keine beruflichen Chancen mehr. Daran kann auch die<br />

Eröffnung der Eisenbahnlinie zwischen Lohr und<br />

Wertheim im Jahr 1881, mit Station und Umschlagplatz<br />

in Rothenfels, nichts mehr ändern. 348 Auch der<br />

Wegfall der engen staatlichen Zuzugs- und Aufenthaltsbestimmungen<br />

seit 1861 wirkt sich hier nicht<br />

mehr spürbar aus. Im Gegenteil: Die endliche Erlangung<br />

der bürgerlichen Gleichberechtigung der Juden<br />

mit freier Wahl des Berufes und des Wohnortes hat die<br />

Tore in die nahe und die weite Welt geöffnet. Die benachbarten<br />

Mittelstädte und die entfernteren Großstädte<br />

– vor allem Frankfurt am Main – locken mit der<br />

Aussicht auf berufliches Fortkommen und gesellschaftlichen<br />

Aufstieg. Aus einigen Orten im heutigen<br />

Main-Spessart-Kreis sind Auswanderungen in die Vereinigten<br />

Staaten bekannt. 349 So auch aus Berg<strong>rothenfels</strong>:<br />

1840 emigrieren drei junge, ledige Frauen <strong>von</strong><br />

hier nach Nordamerika, darunter die Jüdin Rosina<br />

Hamburger. 350<br />

343 StadtAR 41-2; 311-49 fol. 22 (Jahresrechnung 1870: Nathan<br />

Kahn zahlt 25 fl Heimathgebühren; die gleichzeitig neu aufgenommenen<br />

christlichen Bürger zahlen nur 10 fl).<br />

344 StadtA Lohr 150.2/K (Bürgerakt Nathan Kahn).<br />

345 Vgl. Anm. 328.<br />

346 StAWü Jüdische Standesregister 114.<br />

347 StadtA Lohr 150.2/K (Bürgerakt Nathan Kahn).<br />

348 Vgl. P. Kolb, Chronik, S. 203 f.<br />

349 Vgl. z. B. die Ortsartikel Heßdorf, Karbach und Urspringen in:<br />

www.alemannia-judaica.de.<br />

350 StadtAR 21-1 S. 965 f. Der Gemeinderat stellt Rosina Hamburger<br />

(27) die nötigen Leumunds- und Gesundheitszeugnisse aus<br />

und bestätigt den Nachweis des obligatorischen Reisegeldes; es<br />

gibt auch keine Verwandten mehr, die ihr irgend ein Hindernis<br />

in den Weg legen könnten. Auswanderungsanträge werden auch<br />

für die Christinnen Anna Maria Wießmann (28) und Margaretha<br />

Herrmann (24) genehmigt.


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 59<br />

16. Verstreut, verschollen, ermordet<br />

Nur wenige Nachrichten gibt es über Nachkommen<br />

der Rothenfelser und Berg<strong>rothenfels</strong>er Juden. Im Ort<br />

selbst ließen sich bei den Recherchen für die vorliegende<br />

Publikation keine Erinnerungen mehr abrufen;<br />

möglicherweise führen die folgenden Hinweise noch<br />

zu weiteren Materialfunden oder gar zu Überlebenden<br />

der Enkel- und Urenkelgenerationen. Nachweisbar<br />

sind bisher einige Opfer der nationalsozialistischen<br />

Verfolgungen:<br />

Rachel Grünewald, am 9. Januar 1885 in Rothenfels<br />

geboren, ist seit 1910 verheiratet mit dem Weingroßhändler<br />

Hippolyt Baer (1877-?) aus Sulz am<br />

Wald, dessen Geschäft in Frankfurt am Main seit 1933<br />

boykottiert wird und nach dem November-Pogrom<br />

1938 eingeht. Das Ehepaar wird 1940 mit ungenanntem<br />

Ziel verschleppt und stirbt vermutlich in einem<br />

nationalsozialistischen Vernichtungs- oder Konzentrationslager;<br />

das letzte Lebenszeichen stammt vom 12.<br />

Dezember 1941. Drei in Frankfurt geborenen Kindern<br />

– Josef (1911-?), Babette (1913-?) und Max (1917-?)<br />

– gelingt noch rechtzeitig über die Niederlande die<br />

Flucht ins Exil. Die jüngste Tochter Clementine, geboren<br />

am 24. März 1924 in Frankfurt, als Achtzehnjährige<br />

<strong>von</strong> dort deportiert, kommt am 11. Juni 1942 im<br />

Vernichtungslager Sobibor ums Leben. 351<br />

Der am 17. März 1875 in Berg<strong>rothenfels</strong> geborene<br />

Michael Kahn, Kaufmann in Frankfurt am Main, verheiratet<br />

seit 1914 mit der Lohrer Handelsmanntochter<br />

Meta Kahn,wird am 15. September 1942 ins Ghetto<br />

Theresienstadt deportiert, wo er am 2. Februar 1943<br />

umkommt. Seine Frau, geboren am 14. Juni 1891, als<br />

Kranke in der Landesheil- und Pflegeanstalt Erbach-Eichberg<br />

untergebracht, wird am 5. Februar 1941<br />

<strong>von</strong> dort in die Tötungsanstalt Hadamar verbracht und<br />

ermordet. Nachkommen des Paares lassen sich in den<br />

(unvollständig erhaltenen) Frankfurter Einwohnermeldeunterlagen<br />

nicht ermitteln. 352<br />

Epilog<br />

„Jetzt ist kein einziger Jude hier mehr ansässig“, notierte<br />

der katholische Pfarrer <strong>von</strong> Rothenfels um 1900<br />

in einem Nachsatz zur Pfarrchronik. 353 Dabei sollte es<br />

bleiben – die letzte Generation derer, die so zäh um ihr<br />

Lebensrecht in dem Ort gekämpft hatten, starb um<br />

1870/75 aus; die Witwen folgten den Männern nach;<br />

<strong>von</strong> ihren Nachkommen blieb niemand dort. 354<br />

351 Freundliche Mitteilungen des Jüdischen Museums Frankfurt am<br />

Main, des Instituts für Stadtgeschichte Frankfurt am Main und<br />

des Bürgerbüros Neuhof-Fulda. Vgl. die wenigen Daten in: Gedenkbuch<br />

Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen<br />

Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945<br />

(www.bundesarchiv.de/gedenkbuch); Zentrale Datenbank der<br />

Holocaustopfer (db.yadvashem.org/names). – Für den Sohn<br />

Josef Baer ließ sich ermitteln: 17. 2. 1932 Zuzug nach Neuhof<br />

bei Fulda, 16. 1. 1933 Wegzug nach Almelo (Niederlande).<br />

352 Freundliche Mitteilungen des Jüdischen Museums, Frankfurt<br />

am Main, und des Instituts für Stadtgeschichte, Frankfurt am<br />

Main; vgl. Gedenkbuch (wie Anm. 351).<br />

353 PfarrAR Pfarrbuch S. 298.<br />

354 Ausgenommen die Konvertitin Frieda Völker geb. Kahn; vgl.<br />

oben S. 57 f.


60 Winfried Mogge<br />

Rothenfels<br />

Die älteste bisher bekannte fotografische Aufnahme (Ausschnitt),<br />

entstanden vor dem Bau des Bahndammes (1880), Fotograf unbekannt


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 61<br />

Anhang 1<br />

Schutz<strong>juden</strong> im Amt Rothenfels (17. bis 18. Jahrhundert)<br />

1655 1675 1699 1720 1725 1731 1743 1748<br />

Haushalte<br />

Personen<br />

Haushalte<br />

Personen<br />

Haushalte<br />

Personen<br />

Haushalte<br />

Haushalte<br />

Haushalte<br />

Haushalte<br />

Haushalte<br />

Rothenfels 2 20 2 6 4 22 3 3 4 2 4<br />

Berg<strong>rothenfels</strong> - - - - - - 1 1 2 2 3<br />

Birkenfeld - - - - 1 8 2 2 2 2 2<br />

Greußenheim - - 1 5 1 6 2 2 3 3 3<br />

Karbach - - 1 8 4 25 7 10 8 11 4<br />

Zimmern - - - - 1 5 - - - - -<br />

gesamt 2 20 4 19 11 66 15 18 19 20 16<br />

Erfasst sind nur die Schutz<strong>juden</strong> des Hochstifts Würzburg, nicht die der Adeligen und anderer<br />

Körperschaften. In Rothenfels und Berg<strong>rothenfels</strong> leben ausschließlich hochstiftische Schutz<strong>juden</strong>,<br />

in Karbach auch solche der Herren <strong>von</strong> Sickingen und des Julius-Spitals Würzburg.<br />

Quellen:<br />

1655: StAWü Administrationsakten 8318 (unpaginiert)<br />

1675: StAWü Administrationsakten 8318 (unpaginiert)<br />

1699: StAWü Gebrechenamtsakten VI W 273 (unpaginiert)<br />

1720: StAWü Standbuch Nr. 933 fol. 519<br />

1725: StAWü Standbuch Nr. 935 fol. 805<br />

1731: StAWü Standbuch Nr. 937 fol. 1603<br />

1743: StAWt-R R 76, Rothenfelser Amtsrechnung Jg. 1743/44 S. 280<br />

1748: StAWü Standbuch Nr. 942 S. 248


62 Winfried Mogge<br />

Anhang 2<br />

Juden im Herrschaftsgericht Rothenfels (19. bis 20. Jahrhundert)<br />

1817 1830 1833 1871 1904 1905<br />

Personen<br />

Personen<br />

Familien<br />

Personen<br />

Personen<br />

Personen<br />

Personen<br />

Rothenfels 8 4 1 3 4 - -<br />

Berg<strong>rothenfels</strong> 14 14 3 15 10 3 -<br />

Greußenheim 37 59 9 54 38 25 23<br />

Karbach 89 114 25 110 87 81 79<br />

gesamt 148 191 38 182 139 109 102<br />

Quellen:<br />

1817: StAWt-R R 76 (Rothenfelser Rentamtsrechnung Jg. 1816/17)<br />

1830: A. Rottmayer, Statistisch-topographisches Handbuch (1830), S. 519-525<br />

1833: StAWü Statistische Sammlung Nr. 280; Regierung <strong>von</strong> Unterfranken 8540<br />

1871: K. statistisches Bureau, Ergebnisse der Volkszählung 1871 (1873), S. 180, 189<br />

1904: K. Bayer. Statistisches Bureau, Ortschaften-Verzeichnis 1904 (1904), Sp. 1357-1361, 1393<br />

1905: K. Statistisches Bureau, Gemeinde-Verzeichnis 1905 (1906), S. 230-232, 243<br />

Weitere Zahlenreihen aus den Gemeinde-Verzeichnissen bei:<br />

G. Christ, Lohr, S. 79 f.<br />

Erfasst sind nur die Schutz<strong>juden</strong> des Hochstifts Würzburg, nicht die der Adeligen und der<br />

geistlichen Körperschaften. Hinzu kommen z. B. in Berg<strong>rothenfels</strong> Einzelpersonen, Witwen<br />

und elternlose Kinder, die nur geduldet und keine Gemeindemitglieder sind.


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 63<br />

Anhang 3<br />

Juden im Herrschaftsgericht Rothenfels (1833)<br />

Ansässig Erwerbszweige Bildung und<br />

Kult<br />

Familienzahl<br />

Seelenzahl<br />

Familien mit vollem Bürgerrecht<br />

Groß- und Detailhandel<br />

Ordentliche Gewerbe und Handwerke<br />

Selbstständige Ökonomiebetriebe<br />

Not- und Hausierhandel<br />

Rabbiner, Lehrer, Vorsänger<br />

Schulpflichtige Kinder<br />

Eigene Religionsschule<br />

Eigene Betstube oder Synagoge<br />

Rothenfels 1 3 - - 1 - - - - - -<br />

Berg<strong>rothenfels</strong> 3 15 1 1 - 1 1 - - - 1<br />

Greußenheim 9 54 9 - 2 1 5 1 15 1 1<br />

Karbach 25 110 8 3 3 - 18 1 31 1 1<br />

gesamt 38 182 18 4 6 2 24 2 46 2 3<br />

Ergänzungen:<br />

In Berg<strong>rothenfels</strong> wohnen außerdem eine Einzelperson, zwei Witwen und mehrere<br />

elternlose Kinder (nur geduldet, keine Gemeindemitglieder).<br />

Ein Vorsänger in Berg<strong>rothenfels</strong> ist ehrenamtlich tätig und in den Statistiken nicht<br />

aufgeführt.<br />

Zum Vergleich die Zahlen der christlichen Familien:<br />

Rothenfels 200, Berg<strong>rothenfels</strong> 115, Greußenheim 148, Karbach 225, gesamt 688.<br />

Quellen:<br />

StAWü Statistische Sammlung Nr. 279, 280<br />

(Daten erfasst nach Nr. 280, dort kleinere Abweichungen zu Nr. 279)


64 Winfried Mogge<br />

Anhang 4<br />

Seelen-Register 1743<br />

───────────────────────────────────────────────────────


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 65<br />

Einwohner-Statistik für das fürstbischöflich-würzburgische Amt Rothenfels aus der Amtsrechnung für 1743/44<br />

(Aus: StAWt-R R 76, Jg. 1743/44, S. 280/281).<br />

Verzeichnet werden die Einwohner für die zu der Zeit 18 Amtsorte (vgl. die Karte S. 16), aufgeschlüsselt nach<br />

Männern, Frauen, Söhnen, Töchtern, Knechten und Mägden (insgesamt 6.191 Personen). Auf der zweiten Seite<br />

folgen zwei Gruppen ohne Bürgerrechte: Beisitzer (Beisassen) und Juden. Während die Bürger mit genauen<br />

Kopfzahlen (Seelen) gelistet sind, werden letztere nur nach Haushaltungen gezählt. In den beiden letzten Spalten<br />

werden noch die bewirtschafteten (bebauten, gebauten) und unbewirtschafteten (öthen) Hofstätten addiert.<br />

Orte:<br />

Rothenfels<br />

Zimmern<br />

Berg<strong>rothenfels</strong><br />

Windheim<br />

Karbach<br />

Birkenfeld<br />

Greußen(heim)<br />

Roden<br />

Ansbach<br />

Waldzell<br />

Steinfeld<br />

Neustadt<br />

Erlach<br />

Pflochsbach<br />

Sendelbach<br />

Hafenlohr<br />

Esselbach<br />

Oberndorf<br />

Nicht dabei:<br />

Marienbrunn<br />

(zu Hafenlohr)


66 Winfried Mogge<br />

Anhang 5<br />

Jüdische Familien in Rothenfels (17. bis 19. Jahrhundert)<br />

────────────────────────────────────────────────────────────────<br />

Jöstlein Joseph Mendlein<br />

1646 1655,1675 1655,1675<br />

1675 tot<br />

┌─────┴─────┐<br />

Moyses Jöstle Mayer Perlein Samuel Aaron<br />

Jude am Maintor Jöstlein Meyerlein Behrlein 1688-1694 1702,1704<br />

1671-1699 1699 1675-1706 1675-1701<br />

1719 tot<br />

Moyses (Moschel) Nathan Perlein Hirsch<br />

Moyses Lazarus 1720 Behrlein Hirschlein<br />

(1694/95-1775) 1731 tot 1732,1736 1720-1743<br />

1736 nach B.<br />

│<br />

Perlein Männlein<br />

[junior] Männle<br />

1734,1736 1734-1775<br />

1736 nach B. ¦ │ 1736 nach B.<br />

¦ │<br />

┌─┴───────────────────┐ ?<br />

Mayer Nathan Behrlein Moyses Berl Nathan Hirsch<br />

Mayer Moyses Nathan Moyses Behrlein Moyses Perlein Hirschlein<br />

1750-1795 1749,1751 1753,1763 1749,1751 1734-1760<br />

1798 tot 1751 nach Karbach 1753 in Karbach 1749 nach B. 1749 nach B.<br />

¦ 1759 tot 1759 tot<br />

¦<br />

?<br />

Isack Mayer Nathan Isack (Heil)<br />

1799 (1753-1830)<br />

1813 <strong>von</strong> B.<br />

┌─┴────────────────────────┐<br />

Joseph Heil David Heil Abraham Heil Joseph Bernay<br />

(1795-1874) (1800-1877) (1802-1875) (1769-1848)<br />

1826 nach B. 1846 nach B.<br />

Abraham Heil David Grünewald<br />

1879 1879-1887<br />

1879 tot 1887 nach Karbach<br />

Versuch einer Darstellung nach Generationen und Familien<br />

Korrekturen und Ergänzungen vorbehalten<br />

Zahlen ohne Klammern: Jahre der Erwähnung<br />

Zahlen mit Klammern: Lebensdaten<br />

B. = Berg<strong>rothenfels</strong><br />

R. = Rothenfels


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 67<br />

Anhang 6<br />

Jüdische Familien in Berg<strong>rothenfels</strong> (18. und 19. Jahrhundert)<br />

────────────────────────────────────────────────────────────────<br />

Wolff Schlommel Behrlein<br />

1720 1731-1773 1720<br />

1731 tot<br />

Itzig Perlein Männlein<br />

1750,1772 Behrlein Männle<br />

1732,1736 1734-1775<br />

1736 <strong>von</strong> R. 1736 <strong>von</strong> R.<br />

¦<br />

?<br />

Isaac Nathan Nathan Hirsch Moyses Berl<br />

1743 Hirschlein Perlein<br />

1734-1760 1749-1751<br />

1749 <strong>von</strong> R. 1749 <strong>von</strong> R.<br />

1759 tot 1759 tot<br />

│ ┌─┴─────────────────┐<br />

Nathan Isack Nathan Hirsch Sender Moises Männlein Nathan Männlein<br />

(Heil) (Herrmann) Sendter (Freudenberger) (Freudenberger)<br />

(1753-1830) 1754-1774,1811 1763,1773 1764-1782,1811 1751-1818<br />

1813 nach R. 1816 tot 1817 tot<br />

┌─┴────────┐ ┌──┴─────────────┐ ┌─┴────────────────┐<br />

David Abraham Isaak Nathan Jakob Nathan Nathan Moises Abraham Moises<br />

Heil Heil (Herrmann) (Herrmann) (Freudenberger) (Freudenberger)<br />

(1800-1877) (1802-1875) (1791-1830) 1819-1833 (1784-1868) 1773-1797<br />

1826 <strong>von</strong> R. 1846 <strong>von</strong> R.<br />

¦<br />

┌───────────┴────┐ ?<br />

Amsel Benjamin Nathan Benjamin<br />

Hamburger Herrmann Herrmann Freudenberger<br />

(1755-1833) (1799-1868) 1820-1829 1849<br />

¦<br />

┌─┴────────────────┐ ?<br />

Löb Benjamin Oschel Benjamin<br />

Hamburger Hamburger Hamburger Herrmann<br />

1822-1835 (1792-1832) 1822-1831 1817-1878<br />

│<br />

Hänlein Hamburger Nathan Kahn<br />

(1814-1887) (1832-1913)<br />

1870 <strong>von</strong> Steinbach<br />

1896 nach Lohr<br />

Versuch einer Darstellung nach Generationen und Familien<br />

Korrekturen und Ergänzungen vorbehalten<br />

Zahlen ohne Klammern: Jahre der Erwähnung<br />

Zahlen in Klammern: Lebensdaten<br />

B. = Berg<strong>rothenfels</strong><br />

R. = Rothenfels


68 Winfried Mogge<br />

Anhang 7<br />

Stammtafel Männlein / Freudenberger<br />

──────────────────────────────────────────────────────<br />

Männlein<br />

1734-1775 genannt<br />

1736 <strong>von</strong> Rothenfels nach Berg<strong>rothenfels</strong><br />

┌───┴─────────────────────────────────────────────────┐<br />

Moises Männlein ∞ Giedel geb. NN Nathan Männlein ∞ Beß geb. Hirsch<br />

1764-1782, 1817 tot 1751-1818<br />

ab 1811 Freudenberger<br />

ab 1811 Freudenberger<br />

┌───┴─────────────────────────────────────────────────┐<br />

Nathan Moises NN (Tochter) NN (Tochter) Abraham Moises<br />

(Freudenberger) (Freudenberger)<br />

* 1784 1773-1797<br />

+ 6.7.1868<br />

∞ Regina geb. Schlesinger<br />

* 1791<br />

+ 13.3.1868<br />

¦<br />

?<br />

Benjamin Freudenberger<br />

1849<br />

Zahlen ohne Zeichen: Jahre der Erwähnung<br />

Korrekturen und Ergänzungen vorbehalten


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 69<br />

Anhang 8<br />

Stammtafel Isack / Heil<br />

───────────────────────────────────────────────────────────────<br />

Nathan Heil (bis 1811: Nathan Isack)<br />

Viehhändler<br />

* 1753<br />

+ 5.8.1830<br />

∞ Riela (Riele) geb. NN<br />

┌───┴─────────────────────────────────────────────────────────────────┐<br />

Joseph Heil David Heil Abraham Heil NN NN Giedel Dolz Feigel<br />

Handelsmann Bauer Bauer (Jentel) (Vogel)<br />

* 1795 * 26.3.1800 Bergr. * 1802 Bergr. ∞ 1. Simon ∞ Hajm ∞ Michael<br />

+ 3.7.1874 Roth. + 6.6.1877 Bergr. + 25.4.1875 Roth. Fröhlich Heß Kahn<br />

∞ Jethe ∞ Rosetta (Rosel) ∞ Hanna ∞ 2. David<br />

geb. Stiefel geb. Stern geb. Lindheim Grünebaum<br />

* 1810 Hochhausen * 1807 Miltenberg * 22.4.1820 Marktsteft<br />

+ 27.4.1889 Bergr.<br />

┌───────────────────┴───────┐ ┌─────┴─────────────────────────────────┐<br />

Nathan Riele Reiz (Rosa) Riele Elia Nathan Reiz (Rosa) Vögele (Fanny) Golda<br />

* 6.10.1832 * 31.5.1836 * 6.9.1839 Bergr. * 1848 * 1850 * 1850 * 1852 * 1852 * 1857<br />

+ 1.3.1834 + 11.11.1895 Bergr. + 1850 + 1850 ∞ David + 1858<br />

∞ Nathan Kahn Grünewald<br />

* 30.5.1832 Steinbach<br />

+ 28.12.1913 Würzburg<br />

Bergr. = Berg<strong>rothenfels</strong><br />

Roth. = Rothenfels<br />

Korrekturen und Ergänzungen vorbehalten


70 Winfried Mogge<br />

Anhang 9<br />

Stammtafel Kahn / Völker<br />

──────────────────────────────────────────────────────────────<br />

Michael (Michel) Kahn ∞ Feigel (Vogel) Kahn geb. Heil<br />

Handelsmann<br />

Handelsmanntochter<br />

* 1794 Steinbach * 1811 Bergr.<br />

+ 2.1.1865 Steinbach + 4. 5. 1875 Steinbach<br />

┌────────────────┴───────────────────────────────────────────┐<br />

Rosetta Nathan Kahn Sani (?) Babett Sigmund Isak Benjamin<br />

* 1829 Handelsmann * 1834 * 1836 * 1839 * 1846 *1848<br />

* 30.5.1832 Steinbach + 1847<br />

+ 28.12.1913 Würzburg<br />

∞ Reiz (Rosa) Kahn geb. Heil<br />

* 6.9.1839 Bergr.<br />

+ 11.11.1895 Bergr.<br />

┌─────────────┴──────────────────────────────────────────────┐<br />

Frieda (Friederike Maria) Kahn (Völker) Riela Kahn Michael Kahn<br />

( konvertiert 9.4.1901) Kaufmann<br />

* 21.7.1872 Bergr. * 10.10.1873 Bergr. * 17.3.1875 Bergr.<br />

+ 11.3.1930 Bergr. + 27.2.1875 Bergr. + 2.2.1943 Theresienstadt<br />

∞ Andreas Benno Völker*<br />

∞ Meta Kahn geb. Kahn<br />

Steinhauer (kath.)<br />

Handelsmanntochter<br />

* 14.6.1870 Bergr. * 14.6.1891 Lohr<br />

+ 10.12.1907 Bergr. + 5.2.1941 Hadamar<br />

┌───────┴───────────────────────────────────────┐<br />

David (Joseph) Völker Erna (Barbara) Völker Rupert Alfred Völker<br />

* 9.4.1894 Philadelphia * 19.6.1897 Lohr * 9.7.1906 Bergr.<br />

vermisst im 1. Weltkrieg + 25.6.1966 Würzburg<br />

* Vater: Johann Michael Völker (1835-1915), Bergr.<br />

Mutter: Maria Anna geb. Harth (1841-1896), Bergr.<br />

Bergr. = Berg<strong>rothenfels</strong><br />

Roth. = Rothenfels<br />

Korrekturen und Ergänzungen vorbehalten


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 71<br />

Anhang 10<br />

Personenstandsregister 1829-1875<br />

────────────────────────────────────────────────────────────────<br />

Von 1820 bis 1875 mussten im bayerischen Untermainkreis die christlichen Ortspfarrer Personenstandsregister<br />

auch für die jüdischen Gemeinden führen. Die Rothenfelser „Judenmatrikel“ ist in einer schadhaften, schwer lesbaren<br />

Kopie erhalten (StaWü Jüdische Standesregister 114; vgl. oben S. 57). Das schmale Heft enthält vier Trauungen,<br />

zwölf Geburten und 20 Sterbefälle aus den Jahren 1829 bis 1876 mit Angaben zu den Familien.<br />

Die dort chronologisch aufgelisteten Daten werden im Folgenden in alphabetischer Sortierung nach Namen zusammengezogen.<br />

Weggelassen sind hier weitere Angaben des Originals – bei Geburten: Name der Hebamme<br />

oder des Geburtshelfers, bei Knaben auch Tag der Beschneidung und Name des Beschneiders; bei Trauungen:<br />

Ort der Trauung, Name des Rabbiners oder Lehrers; bei Sterbefällen: Stunde und Ursache des Todes, Name des<br />

Arztes, Tag und Ort der Beisetzung (in der Regel am nächsten oder übernächsten Tag in Laudenbach), Name des<br />

Rabbiners oder Lehrers; bei allen: Angabe der Religion (Jude bzw. Jüdin bzw. Israelit).<br />

Errechnete oder aus anderen Quellen hinzugefügte Daten sind in eckige Klammern gesetzt (vgl. Anm. 333). Bei<br />

den Kindern ist als Geburts- und Sterbeort stets Berg<strong>rothenfels</strong> einzusetzen. Weitere Namen und Familienzusammenhänge<br />

erschließen sich über die Tabellen und Stammtafeln im Anhang.<br />

Abkürzungen:<br />

V = Vater<br />

M = Mutter<br />

∞ = verheiratet<br />

K = Kind<br />

Bergr. = Berg<strong>rothenfels</strong><br />

Roth. = Rothenfels<br />

Freudenberger, Nathan * [1784] + 6.7.1868 Bergr. 84 Jahre<br />

Handelsmann<br />

Berg<strong>rothenfels</strong> Nr. 56<br />

V: Freudenberger [vorher Männlein], Moises<br />

M: Freudenberger, Giedel<br />

∞ Schlesinger, Regina * [1791] + 13.3.1868 Bergr. 77<br />

Hamburger, Anschel * [1755] + 1.1.1833 Bergr. 78<br />

Berg<strong>rothenfels</strong><br />

verheiratet<br />

Hamburger, Benjamin * [1792] + 4.5.1832 Bergr. 40<br />

Berg<strong>rothenfels</strong> Nr. 23<br />

verheiratet<br />

Hamburger, Giedel + 9.12.(?)1849 Bergr. 64<br />

Berg<strong>rothenfels</strong><br />

Witwe [∞ Hamburger, Löw]<br />

Hamburger, Madel + 20.9.1853 Bergr. 31<br />

Berg<strong>rothenfels</strong> Nr. 23<br />

ledig<br />

Hamburger, Reichel + 14.(?)1.1838 Bergr. 73<br />

Berg<strong>rothenfels</strong><br />

Witwe<br />

>>


72 Winfried Mogge<br />

Heil, Abraham * 1802 Bergr. + 25.4.1875 Bergr. 73<br />

Bauer / Handelsmann<br />

Berg<strong>rothenfels</strong> Nr. 42<br />

V: Heil, Nathan<br />

M: Riela (Riele)<br />

∞ Lindheim, Hanna (20.10.1847) * 22.4.1820 Marktsteft<br />

V: Lindheim, Elias<br />

M: Lindheim, Lina<br />

K: Riele * 28.8.1848<br />

K: Elia * 16.8.1850 + 19.8.1850<br />

K: Nathan * 16.8.1850 + 19.8.1850<br />

K: Reiz (Rosa) * 13.5.1852<br />

K: Vögele (Fanny) * 13.5.1852<br />

K: Golda * 5.1.1857 + 27.11.1858<br />

Heil, David * [26.3.]1800 Bergr. + [6.6.1877] Bergr. [77]<br />

Bauer<br />

Berg<strong>rothenfels</strong> Nr. 40<br />

V: Heil, Nathan<br />

M: Riela (Riele)<br />

∞ Stern, Rosetta (Rosel) (17.8.1831) * 1807 Miltenberg + [27.4.1889] [92]<br />

V: Stern, Simon Levi<br />

M: Stern, Reitz<br />

K: Nathan * 6.10.1832 + 1.3.1834<br />

K: Riele * 31.5.1836<br />

K: Reitz (Rosa) * 6.9.1839 + [11.11.1895] [56]<br />

Heil, Joseph * 1795 Roth. + 3.7.1874 Roth. 79<br />

Handelsmann<br />

Rothenfels Nr. 15<br />

V: Heil, Nathan<br />

M: Riela (Riele)<br />

∞ Stiefel, Jethe (5.5.1836)<br />

* 1810 Hochhausen<br />

V: Stiefel, Marx<br />

M: Stiefel, Elster<br />

Heil, Nathan [vorher Isack, Nathan] * [1753] + 5.8.1830 Roth. 77<br />

Handelsmann<br />

Berg<strong>rothenfels</strong> Nr. 14 / Rothenfels Nr. 15<br />

∞ Riela (Riele)<br />

Herrmann, Benjamin * [1799] + 28.2.1868 Bergr. 69<br />

Handelsmann<br />

Berg<strong>rothenfels</strong> Nr. 59<br />

ledig<br />

Herrmann, Dolz * [1776] + 5.12.1834 Bergr. 58<br />

Berg<strong>rothenfels</strong><br />

ledig<br />

Herrmann, Ester * [1799] + 24.6.1829 Bergr. 30<br />

Berg<strong>rothenfels</strong><br />

ledig<br />

Herrmann, Isack [vorher Nathan, Isack] * [1791] + 21.11.1830 Bergr. 39<br />

Berg<strong>rothenfels</strong><br />

V: Herrmann [vorher Hirsch], Nathan<br />

ledig >>


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 73<br />

Kahn, Nathan * 30.5.1832 Steinbach + [28.12.1913 Würzburg] [81]<br />

Handelsmann<br />

Steinbach / Berg<strong>rothenfels</strong> Nr. 40<br />

V: Kahn, Michael<br />

M: Heil, Vogel<br />

∞ Heil, Rosa (Reiz) (6.2.1871) * 6.9.1839 Bergr. + [11.11.1895 Bergr.] [56]<br />

V: Heil, David<br />

M: Stern, Rosetta (Rosel)<br />

K: Frieda * 21.7.1872 + [11.3.1930] [58]<br />

K: Riela * 10.10.1873 + 27.2.1875<br />

K: Michael * 17.3.1875 + [2.2.1943 Theresienstadt][68]<br />

Weinstock, Minna [geb. Herrmann] * [1876] + 28.4.1864 Bergr. 78<br />

Berg<strong>rothenfels</strong> Nr. 59 (vorher Hochhausen)<br />

Witwe [∞ Weinstock, Löb]


74 Winfried Mogge<br />

Anhang 11<br />

Jüdische Wohnstätten in Rothenfels und Berg<strong>rothenfels</strong><br />

Ortsteil<br />

Daten, soweit<br />

feststellbar<br />

Familie(n)<br />

alte<br />

Hausnr.<br />

heutige<br />

Adresse<br />

Rothenfels 13. bis 15. Jh. ? ?<br />

Anmerkungen<br />

Mitte 17. bis<br />

Mitte 18. Jh.<br />

? ?<br />

1677/78 Moyses ? ? Jude am Maintor<br />

Voitisches Haus<br />

1744-1749 Moyses Berl<br />

Nathan Hirsch<br />

1753-1795 Moyses Lazarus<br />

Mayer Moyses<br />

1813-1876 Isack / Heil 15 Mainstr. 10<br />

66 Hauptstr. 67 Ochsenwirtshaus<br />

4 Hauptstr. 14 ersetzt durch Neubau<br />

…. -1887<br />

Berg<strong>rothenfels</strong> Anfang 18. bis<br />

Mitte 18. Jh.<br />

Heil<br />

Grünewald<br />

1736- .... Männlein /<br />

Freudenberger<br />

1763- .... Hirsch /<br />

Herrmann<br />

95 Hauptstr. 25<br />

? ?<br />

56 Berg<strong>rothenfels</strong>er Str. 30 Berger Stuben<br />

59 Berg<strong>rothenfels</strong>er Str. 32 ersetzt durch Neubau<br />

…. -1831 Isack / Heil 14 Berg<strong>rothenfels</strong>er Str. 45<br />

1826-1896 Heil<br />

Kahn<br />

40 Zum Alten Herrgott 14 “<br />

1845- .... Heil 42 Zum Alten Herrgott 18 “<br />

1825-1887 Hamburger 23 Berg<strong>rothenfels</strong>er Str. 21 “<br />

Korrekturen und Ergänzungen vorbehalten


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 75<br />

Literatur und Quellen<br />

1. Literatur<br />

Arnold, Klaus: Abweichung im Glauben – Judenverfolgung<br />

– Volksbewegung. In: Unterfränkische Geschichte,<br />

hg. <strong>von</strong> Peter Kolb und Ernst-Günter<br />

Krenig. Bd. 2: Vom hohen Mittelalter bis zum Beginn<br />

des konfessionellen Zeitalters, S. 337-356.<br />

Würzburg 1992.<br />

Battenberg, Friedrich: Das Europäische Zeitalter der<br />

Juden. Zur Entwicklung einer Minderheit in der<br />

nichtjüdischen Umwelt Europas. In zwei Teilbänden.<br />

Teilband I: Von den Anfängen bis 1650, Teilband<br />

II: Von 1650 bis 1945. Darmstadt 1990.<br />

Battenberg, J. Friedrich: Aus der Stadt auf das Land?<br />

Zur Vertreibung und Neuansiedlung der Juden im<br />

Heiligen Römischen Reich. In: Jüdisches Leben<br />

auf dem Lande, hg. <strong>von</strong> Monika Richarz und Reinhard<br />

Rürup (Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlungen<br />

des Leo Baeck Instituts 56), S. 9-35.<br />

Tübingen 1997.<br />

Battenberg, J. Friedrich: Die Juden in Deutschland<br />

vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts (Enzyklopädie<br />

deutscher Geschichte Bd. 60). München<br />

2001.<br />

Baum, Hans-Peter: Jüdische Geschichte. In: Geschichte<br />

der Stadt Würzburg, hg. <strong>von</strong> Ulrich Wagner.<br />

Bd. II: Vom Bauernkrieg 1525 bis zum<br />

Übergang an das Königreich Bayern 1814, S. 762-<br />

772. Stuttgart 2004.<br />

Baum, Hans-Peter / Leng, Rainer / Meier, Robert: Kehillot<br />

Keddoschot (Heilige Gemeinden). Die Geschichte<br />

der unterfränkischen Juden im Spiegel der<br />

neuen Ausstellung des Jüdischen Dokumentationszentrums<br />

(Stadtarchiv Würzburg, Kleine Reihe<br />

30). Würzburg 2007.<br />

Brämer, Andreas: Der lange Weg <strong>von</strong> der Duldung zur<br />

Emanzipation. In: Die Geschichte der Juden in<br />

Deutschland, hg. <strong>von</strong> Arno Herzig und Cay Rademacher,<br />

S.80-97. Hamburg 2007.<br />

Braunfels, Ludwig: Die Mainufer und ihre nächsten<br />

Umgebungen. Mit 54 Stahlstichen, nach Originalzeichnungen<br />

<strong>von</strong> Fritz Bamberger. Würzburg<br />

1847.<br />

Brenner, Michael / Eisenstein, Daniela F. (Hg.): Die<br />

Juden in Franken (Studien zur Jüdischen Geschichte<br />

und Kultur in Bayern Bd. 5). München 2012.<br />

Bundesarchiv (Hg.): Gedenkbuch Opfer der Verfolgung<br />

der Juden unter der nationalsozialistischen<br />

Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945. Online.<br />

Christ, Günter: Lohr am Main. Der ehemalige Landkreis<br />

(Historischer Atlas <strong>von</strong> Bayern, Teil Franken,<br />

Reihe I H. 34). München 2007.<br />

Feulner, Adolf (Bearb.): Die Kunstdenkmäler <strong>von</strong> Unterfranken<br />

& Aschaffenburg. H. IX: Bezirksamt<br />

Lohr (Die Kunstdenkmäler des Königreichs Bayern<br />

Bd. 3: Regierungsbezirk Unterfranken &<br />

Aschaffenburg, H. IX). München 1914.<br />

Flade, Roland: Die Würzburger Juden. Ihre Geschichte<br />

vom Mittelalter bis zur Neuzeit. Mit einem Beitrag<br />

<strong>von</strong> Ursula Gehring-Münzel. 2., erw. Aufl.<br />

Würzburg 1996.<br />

Gehring-Münzel, Ursula: Emanzipation. In: Roland<br />

Flade, Die Würzburger Juden. Ihre Geschichte<br />

vom Mittelalter bis zur Neuzeit. 2., erw. Aufl.<br />

Würzburg 1996, S. 61-142.<br />

Gehring-Münzel, Ursula: Die Würzburger Juden <strong>von</strong><br />

1803 bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. In: Geschichte<br />

der Stadt Würzburg, hg. <strong>von</strong> Ulrich Wagner.<br />

Bd. III/1: Vom Übergang an Bayern bis zum<br />

21. Jahrhundert, S. 499-528. Stuttgart 2007.<br />

Germania Judaica. Bd. I: Von den ältesten Zeiten bis<br />

1238, hg. <strong>von</strong> I. Elbogen, A. Freimann und H. Tykocinski.<br />

Tübingen 1963; Bd. II: Von 1238 bis zur<br />

Mitte des 14. Jahrhunderts, 1. und 2. Halbband, hg.<br />

<strong>von</strong> Zvi Avneri. Tübingen 1968; Bd. III: 1350-<br />

1519, 1. Teilband, hg. <strong>von</strong> Arye Maimon. Tübingen<br />

1987; 2. Teilband, hg. <strong>von</strong> Arye Maimon,<br />

Mordechai Breuer und Yacov Guggenheim. Tübingen<br />

1995; 3. Teilband (Gebietsartikel, Einleitungsartikel<br />

und Indices). Tübingen 2003.<br />

Guggenheimer, Eva H. und Heinrich W.: Etymologisches<br />

Lexikon der jüdischen Familiennamen. München<br />

u. a. 1996.<br />

Harris, James F.: The People Speak! Anti-Semitism<br />

and Emancipation in Nineteenth-Century Bavaria<br />

(Social History, Popular Culture, and Politics in<br />

Germany). Ann Arbor (USA) 1994.<br />

Haverkamp, Alfred (Hg.): Geschichte der Juden im<br />

Mittelalter <strong>von</strong> der Nordsee bis zu den Südalpen.<br />

Kommentiertes Kartenwerk. Teil 1: Kommentarband,<br />

Teil 2: Ortskatalog, Teil 3:Karten (Forschungen<br />

zur Geschichte der Juden, Abt. A:<br />

Abhandlungen, Bde. 14/1, 14/2, 14/3). Hannover<br />

2002.<br />

Heintze, Albert / Cascorbi, Paul: Die deutschen Familiennamen<br />

geschichtlich, geographisch, sprachlich,<br />

hg. <strong>von</strong> P. Cascorbi. 7., verb. Aufl. Halle / Berlin<br />

1933.<br />

Herzig, Arno / Rademacher, Cay (Hg.): Die Geschichte<br />

der Juden in Deutschland. Hamburg 2007.<br />

Huber, Ernst Rudolf: Deutsche Verfassungsgeschichte<br />

seit 1789. Bd. I: Reform und Restauration 1789 bis<br />

1830. (Nachdruck der 2. Aufl.) Stuttgart 1960.<br />

Hundsnurscher, Franz / Taddey, Gerhard: Die jüdischen<br />

Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte,<br />

Schicksale. Stuttgart 1968.<br />

Jüdisches Lexikon. Ein enzyklopädisches Handbuch<br />

jüdischen Wissens in vier Bänden, begr. <strong>von</strong> Georg<br />

Herlitz und Bruno Kirschner. Berlin 1927-1930.<br />

König, Imke: Judenverordnungen im Hochstift Würzburg<br />

(15. - 18. Jh.) (Studien zu Policey und Policeywissenschaft).<br />

Frankfurt am Main 1999.


76 Winfried Mogge<br />

Kolb, Peter: Berg<strong>rothenfels</strong> 1822-1972. Rothenfels<br />

(1997).<br />

Kolb, Peter: Die Juliusspital-Stiftung zu Rothenfels.<br />

Würzburg 1985.<br />

Kolb, Peter: Rothenfelser Chronik. Die Geschichte<br />

der kleinsten Stadt Bayerns. Würzburg 1992.<br />

Kolb, Peter / Krenig, Ernst-Günter (Hg.): Unterfränkische<br />

Geschichte. Bd. 2: Vom hohen Mittelalter bis<br />

zum Beginn des konfessionellen Zeitalters. Würzburg<br />

1992; Bd. 4/2: Vom Ende des Dreißigjährigen<br />

Krieges bis zur Eingliederung in das Königreich<br />

Bayern. Würzburg 1999; Bd. 5/2: Von der Eingliederung<br />

in das Königreich Bayern bis zum beginnenden<br />

21. Jahrhundert. Würzburg 2002.<br />

Lowenstein, Steven M.: Alltag und Tradition. Eine<br />

fränkisch-jüdische Geographie. In: Die Juden in<br />

Franken, hg. <strong>von</strong> Michael Brenner und Daniela F.<br />

Eisenstein (Studien zur Jüdischen Geschichte und<br />

Kultur in Bayern Bd. 5), S. 5-24. München 2012.<br />

Mayer, Lothar: Jüdische Friedhöfe in Unterfranken.<br />

Petersberg 2010.<br />

Mehler, Richard: Die Matrikelbestimmungen des<br />

bayerischen Judenediktes <strong>von</strong> 1813. Historischer<br />

Kontext – Inhalt – Praxis (Franconia Judaica Bd.<br />

6). Würzburg 2011.<br />

Mitten unter uns. Land<strong>juden</strong> in Unterfranken vom<br />

Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Begleitheft zur<br />

Wanderausstellung. Kooperationsprojekt „Land<strong>juden</strong>tum<br />

in Unterfranken“ und Johanna-Stahl-Zentrum.<br />

Würzburg 2013.<br />

Mogge, Winfried: Burg Rothenfels im Hochmittelalter.<br />

In: Spessart – Monatszeitschrift für die Kulturlandschaft<br />

Spessart, Oktober 2012, S. 3-14.<br />

Mogge, Winfried: Die Anfänge <strong>von</strong> Rothenfels. Legenden<br />

und Tatsachen. In: Spessart – Monatszeitschrift<br />

für die Kulturlandschaft Spessart, Juni<br />

2013, S. 17-24.<br />

Mogge, Winfried: Die Stadt Rothenfels im Mittelalter.<br />

Beobachtungen zur Siedlungs- und Bevölkerungsstruktur.<br />

In: Spessart – Monatszeitschrift für die<br />

Kulturlandschaft Spessart, Juli 2013, S. 11-17.<br />

Mogge, Winfried: „Dies uralt Haus auf Felsengrund<br />

...“. Rothenfels am Main: Geschichte und<br />

Gestalt einer unterfränkischen Burg. Würzburg<br />

2012.<br />

Nied, Edmund: Fränkische Familiennamen, urkundlich<br />

gesammelt und sprachlich gedeutet. Heidelberg<br />

1933.<br />

Müller, Karlheinz: Die jüdische Gemeinde. In: Geschichte<br />

der Stadt Würzburg, hg. <strong>von</strong> Ulrich Wagner.<br />

Bd. I: Von den Anfängen bis zum Ausbruch<br />

des Bauernkriegs, S. 515-542. Stuttgart 2001.<br />

Müller, Karlheinz: Die Würzburger Judengemeinde im<br />

Mittelalter. Von den Anfängen um 1100 bis zum<br />

Tod Julius Echters (1617) (Mainfränkische Studien<br />

Bd. 70). Würzburg 2004.<br />

Müller, Karlheinz / Schwarzfuchs, Simon / Reiner,<br />

Abraham (Rami) (Hg.) unter Mitarbeit <strong>von</strong> Edna<br />

Engel: Die Grabsteine vom jüdischen Friedhof in<br />

Würzburg aus der Zeit vor dem Schwarzen Tod<br />

(1147-1346). Bd. 1: Einleitungen. Würzburg 2011.<br />

Bd. 2: Die Inschriften, Teil 1. Würzburg 2011 (Veröffentlichungen<br />

der Gesellschaft für fränkische<br />

Geschichte, Reihe IX: Darstellungen aus der fränkischen<br />

Geschichte, Bd. 58).<br />

Ophir, Baruch Zvi: Pinkas Hakehillot. Encyclopaedia<br />

of Jewish Communities from their Foundation till<br />

after the Holocaust. Germany – Bavaria. Jerusalem<br />

1972.<br />

Petzet, Michael / Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege<br />

(Hg.): Denkmäler in Bayern. Bd. VI:<br />

Unterfranken. Ensembles – Baudenkmäler – Archäologische<br />

Geländedenkmäler, bearb. <strong>von</strong> Denis<br />

André Chevalley. München 1985.<br />

Pfister, Christian: Wetternachhersage. 500 Jahre Klimavariationen<br />

und Naturkatastrophen (1496-<br />

1995). Bern / Stuttgart / Wien 1999.<br />

Polster, Gabriele: Quellen zur jüdischen Familienforschung<br />

im Pfarrbücherbestand des Diözesanarchivs<br />

Würzburg. In: Würzburger Diözesangeschichtsblätter<br />

Bd. 65/2003, S. 167-202.<br />

Pomerance, Aubrey: Die Memorbücher der jüdischen<br />

Gemeinden in Franken. In: Die Juden in Franken,<br />

hg. <strong>von</strong> Michael Brenner und Daniela F. Eisenstein<br />

(Studien zur Jüdischen Geschichte und Kultur in<br />

Bayern Bd. 5), S. 95-113. München 2012.<br />

Richarz, Monika / Rürup, Reinhard (Hg.): Jüdisches<br />

Leben auf dem Lande (Schriftenreihe wissenschaftlicher<br />

Abhandlungen des Leo Baeck Instituts<br />

56). Tübingen 1997.<br />

Ries, Rotraud: Verfolgung, Vertreibung und vorsichtiger<br />

Neuanfang (1350-1650). In: Die Geschichte<br />

der Juden in Deutschland, hg. <strong>von</strong> Arno Herzig<br />

und Cay Rademacher, S. 50-65. Hamburg 2007.<br />

Rödel, Dieter: Das erste Salbuch des Hochstifts Würzburg.<br />

Agrargeschichtliche Analyse einer spätmittelalterlichen<br />

Quelle (Studien zur bayerischen<br />

Verfassungs- und Sozialgeschichte Bd. XIII).<br />

München 1987.<br />

Rösch, Barbara: Der Judenweg. Jüdische Geschichte<br />

und Kulturgeschichte aus Sicht der Flurnamenforschung<br />

(Jüdische Religion, Geschichte und Kultur<br />

Bd. 8). Göttingen 2009.<br />

Rosenstock, Dirk (Bearb.): Literatur zur jüdischen Geschichte<br />

Unterfrankens (Stadtarchiv Würzburg,<br />

Hinweise – Informationen Nr. 27). Würzburg<br />

2003.<br />

Ruf, Theodor: Die Grafen <strong>von</strong> Rieneck. Genealogie<br />

und Territorienbildung. Teil I: Genealogie 1085 bis<br />

1559 und Epochen der Territorienbildung (Mainfränkische<br />

Studien Bd. 32/I, zugleich Schriften des<br />

Geschichts- und Museumsvereins Lohr am Main<br />

Folge 18/I). Würzburg 1984.<br />

Ruf, Theodor: Quellen und Erläuterungen zur Geschichte<br />

der Stadt Lohr am Main bis zum Jahr<br />

1559. Lohr a. M. 2011.


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 77<br />

Scherg, Leonhard: Die Epoche des Land<strong>juden</strong>tums.<br />

In: Unterfränkische Geschichte, hg. <strong>von</strong> Peter Kolb<br />

und Ernst-Günter Krenig. Bd. 4/2: Vom Ende des<br />

Dreißigjährigen Krieges bis zur Eingliederung in<br />

das Königreich Bayern, S. 227-243. Würzburg<br />

1999.<br />

Scherg, Leonhard: Die Jüdischen Gemeinden. In: Unterfränkische<br />

Geschichte, hg. <strong>von</strong> Peter Kolb und<br />

Ernst-Günter Krenig. Bd. 5/2: Von der Eingliederung<br />

in das Königreich Bayern bis zum beginnenden<br />

21. Jahrhundert, S. 149-188. Würzburg 2002.<br />

Scherg, Leonhard: Jüdisches Leben im Main-Spessart-<br />

Kreis. Orte, Schauplätze, Spuren (Orte jüdischer<br />

Kultur). Haigerloch 2000.<br />

Scherg, Leonhard / Harth, Martin: Juden im Landkreis<br />

Marktheidenfeld (Historischer Verein Marktheidenfeld<br />

und Umgebung e. V. Nr. 13/1993).<br />

Marktheidenfeld 1993.<br />

Schubert, Ernst: Arme Leute, Bettler und Gauner im<br />

Franken des 18. Jahrhunderts (Veröffentlichungen<br />

der Gesellschaft für Fränkische Geschichte Reihe<br />

IX Bd. 26). Neustadt a. d. Aisch 1983.<br />

Schwierz, Israel: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens<br />

in Bayern. Eine Dokumentation. 2. Aufl.<br />

München 1992.<br />

Spindler, Max (Hg.): Handbuch der bayerischen Geschichte.<br />

Bd. IV/1: Das neue Bayern 1800-1970.<br />

München 1979.<br />

Wagner, Ulrich (Hg.): Geschichte der Stadt Würzburg.<br />

Bd. I: Von den Anfängen bis zum Ausbruch des<br />

Bauernkriegs. Stuttgart 2001; Bd. II: Vom Bauernkrieg<br />

1525 bis zum Übergang an das Königreich<br />

Bayern 1814. Stuttgart 2004; Bd. III/1: Vom Übergang<br />

an Bayern bis zum 21. Jahrhundert. Stuttgart<br />

2007.<br />

Weinhold, Beate: Viehkontraktenbücher als Quelle zur<br />

Alltagskultur im Spessart des 19. Jahrhunderts. Ein<br />

Forschungsbericht. In: Frankenland – Zeitschrift<br />

für Fränkische Landeskunde und Kulturpflege H.<br />

4/2007, S. 231-244.<br />

Wendehorst, Alfred (Bearb.): Das Bistum Würzburg.<br />

Teil 3: Die Bischofsreihe <strong>von</strong> 1455 bis 1617 (Germania<br />

Sacra Neue Folge 13: Die Bistümer der Kirchenprovinz<br />

Mainz). Berlin / New York 1978.<br />

[Wendehorst, Alfred]: Die Juden. In: Würzburg. Geschichte<br />

in Bilddokumenten, hg. <strong>von</strong> Alfred Wendehorst,<br />

S. 50-54. München 1981.<br />

Wendehorst, Alfred (Hg.): Würzburg. Geschichte in<br />

Bilddokumenten. München 1981.<br />

Wiesemann, Falk: Judaica bavarica. Neue Bibliographie<br />

zur Geschichte der Juden in Bayern. Essen<br />

2007.<br />

Zeugnisse jüdischer Geschichte in Unterfranken. Mit<br />

Beiträgen <strong>von</strong> Hans-Peter Baum, Karlheinz Müller,<br />

Hermann Süß und Ludwig Wamser (Schriften<br />

des Stadtarchivs Würzburg H. 2). Würzburg 1987.<br />

2. Gedruckte Quellen<br />

Andernacht, Dietrich: Regesten zur Geschichte der Juden<br />

in der Reichsstadt Frankfurt am Main <strong>von</strong><br />

1401-1519 (Forschungen zur Geschichte der Juden,<br />

Abt. B: Quellen, Bd. 1). Teil 2: Die Regesten<br />

der Jahre 1456-1496. Hannover 1996.<br />

Bayerische Akademie der Wissenschaften (Hg.): Monumenta<br />

Boica. Bd. 40 (Monumentorum Boicorum<br />

Collectio Nova Bd. XIII). München 1870; Bd. 45<br />

(Monumentorum Boicorum Collectio Nova Bd.<br />

XVIII). München 1899.<br />

Baum, Hans-Peter: Quellen zu Judenverfolgungen<br />

<strong>von</strong> 1147 bis 1938. In: Zeugnisse jüdischer Geschichte<br />

in Unterfranken (Schriften des Stadtarchivs<br />

Würzburg H. 2), S. 19-58. Würzburg 1987.<br />

Döllinger, G[eorg]: Sammlung der im Gebiete der innern<br />

Staats-Verwaltung des Königreichs Bayern<br />

bestehenden Verordnungen, aus amtlichen Quellen<br />

geschöpft und systematisch geordnet […]. Bd. 6:<br />

Verhältnisse der israelitischen Glaubensgenossen<br />

[…]. München 1838.<br />

Engel, Wilhelm (Bearb.): Urkundenregesten zur Geschichte<br />

der Stadt Würzburg (1201-1401) (Regesta<br />

Herbipolensia I Quellen und Forschungen zur Geschichte<br />

des Bistums und Hochstifts Würzburg Bd.<br />

V). Würzburg 1952.<br />

Hoffmann, Hermann (Bearb.): Das älteste Lehenbuch<br />

des Hochstifts Würzburg 1303-1345. Erster Teilband<br />

(Quellen und Forschungen zur Geschichte<br />

des Bistums und Hochstifts Würzburg Bd. XXV).<br />

Würzburg 1972.<br />

K[önigliches] Bayer[isches] Statistisches Bureau<br />

(Hg.): Ortschaften-Verzeichnis des Königreichs<br />

Bayern mit alphabetischem Ortsregister (Beiträge<br />

zur Statistik des Königreichs Bayern H. LXV).<br />

München 1904.<br />

K[önigliches] statistisches Bureau (Hg.): Ergebnisse<br />

der Volkszählung im Königreiche Bayern vom 1.<br />

December 1871 nach einzelnen Gemeinden (Gemeinde-Verzeichniss)<br />

(Beiträge zur Statistik des<br />

Königreichs Bayern H. XXVIII). München 1873.<br />

Königl[iches] Statistisches Bureau in München (Bearb.):<br />

Vollständiges Ortschaften-Verzeichnis des<br />

Königreichs Bayern […] enthaltend die Bevölkerung<br />

nach dem Ergebnisse der Volkszählung vom<br />

1. December 1875. München 1877.<br />

K[önigliches] Statistisches Bureau (Hg.): Gemeinde-<br />

Verzeichnis für das Königreich Bayern, nach den<br />

endgültigen Ergebnissen der Volkszählung vom 1.<br />

Dezember 1905 (Beiträge zur Statistik des Königreichs<br />

Bayern H. LXVIII). München 1906.<br />

Kreutz, Bernhard: Quellen zur Geschichte der Juden<br />

im Bistum Würzburg (1273-1347). In: Corpus der<br />

Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen<br />

Reich, hg. <strong>von</strong> Alfred Haverkamp und<br />

Jörg R. Müller. Trier / Mainz 2015. Online.<br />

Lang, C[arl] H[einrich] v[on] (Bearb.): Regesta sive


78 Winfried Mogge<br />

Rerum Boicarum Autographa ad annum usque<br />

MCCC e Regni Scriniis fideliter in Summas contracta.<br />

Bd. II. München 1823.<br />

Lang, Carl Heinrich <strong>von</strong> / Freyberg, Maximilian Frhr.<br />

<strong>von</strong> (Bearb.): Regesta sive Rerum Boicarum Autographa<br />

e Regni Scriniis fideliter in Summas contracta.<br />

Bd. V. München 1836.<br />

Rosenstock, Dirk (Bearb.): Die unterfränkischen Judenmatrikeln<br />

<strong>von</strong> 1817. Eine namenkundliche und<br />

sozialgeschichtliche Quelle (Veröffentlichungen<br />

des Stadtarchivs Würzburg Bd. 13). Würzburg<br />

2008.<br />

Rottmayer, Anton (Bearb.): Statistisch-topographisches<br />

Handbuch für den Unter-Mainkreis des Königreichs<br />

Bayern. Würzburg 1830.<br />

Salfeld, Siegmund (Hg.): Das Martyrologium des<br />

Nürnberger Memorbuches. Berlin 1898.<br />

Schäfer, Bernhard: Das Würzburger Landgericht in<br />

der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts und seine ältesten<br />

Protokolle. Edition und Auswertung. Teil II:<br />

Edition. Würzburg 2002. Online.<br />

Weber, Karl (Zusammenst.): Neue Gesetz- und Verordnungen-Sammlung<br />

für das Königreich Bayern<br />

mit Einschluß der Reichsgesetzgebung. Enthaltend<br />

die auf dem Gebiete der Verfassung und Verwaltung<br />

geltenden oder die Interessen des Staatsbürgers<br />

betreffenden Gesetze, Verordnungen und<br />

sonstigen Bestimmungen. Bd. 1. Nördlingen 1880.<br />

3. Online-Dokumentationen<br />

www. alemannia-judaica.de<br />

www.bundesdarchiv.de/gedenkbuch<br />

www.johanna-stahl-zentrum-de/forschung/<br />

literaturlisten<br />

www.land<strong>juden</strong>tum-unterfranken.de<br />

db.yadvashem.org/names<br />

4. Archivalische Quellen<br />

Diözesanarchiv Würzburg (DAW)<br />

Amtsbücher aus Pfarreien 4281, 4294<br />

(Matrikeldatenbank)<br />

Hauptstaatsarchiv Stuttgart<br />

J 386 Bü 340 (Gräberverzeichnis Laudenbach<br />

1850-1886). Online.<br />

Katholische Pfarrgemeinde Rothenfels, Pfarrarchiv<br />

(PfarrAR)<br />

Familienbuch für Berg<strong>rothenfels</strong> (Rothenfels C 4)<br />

Familienbuch für Rothenfels (Rothenfels B 4)<br />

Pfarrchronik (Chronik I)<br />

Pfarrbuch (Chronik II)<br />

Pfarrmatrikelkartei (Kartei Hepp)<br />

Rothenfelser Gotteshausrechnungen 1563-1749<br />

Landesamt für Digitalisierung, Breitband und<br />

Vermessung, München<br />

Uraufnahmen <strong>von</strong> 1843 NW.085.61c, NW.085.62b,<br />

NW.085.62d<br />

Staatsarchiv Wertheim (StAWt)<br />

Freudenbergsches Archiv (StAWt-F)<br />

Rep. 229 Nr. 31<br />

Gemeinsames Archiv (StAWt-G)<br />

Rep. 54 Nr. 101<br />

Rep. 102 Nr. 2433<br />

Rep. 229 Nr. 31<br />

Rosenbergsches Archiv (StAWt-R)<br />

J 2 Nr. 8<br />

Lit. B Nr. 2913, 2914<br />

Rep. 5g Nr. 2<br />

Rep. 12i Nr. 35<br />

Rep. 26h Nr. 21. 71<br />

Rep. 41e Nr. 1, 2, 3<br />

Rep. 54 Nr. 101<br />

Rep. 65g Nr. 47<br />

Rep. 79h Nr. 19<br />

Rep. 82l Nr. 473<br />

Rep. 99b Nr. 37, 49, 55, 56, 65, 70, 83, 84<br />

Rep. 100e Nr. 38, 47<br />

R 76 (Rothenfelser Amtsrechnungen) Jg. 1683/84 bis<br />

1697/98, 1743/44, 1816/17<br />

S 2 Nr. 474, 522<br />

Urkundenselekt US 1341 Juni 8, US 1677 Juli 14,<br />

US 1678 März 9<br />

Staatsarchiv Würzburg (StAWü)<br />

Administrationsakten 8318, 8322<br />

G 16.727<br />

Gebrechenamtsakten IV R 153, VI W 256, VI W 273,<br />

VI W 292<br />

Grundsteuerkataster Berg<strong>rothenfels</strong>: Grund- Saal- und<br />

Lagerbuch Bde. I-V<br />

Grundsteuerkataster Berg<strong>rothenfels</strong>: Renoviertes<br />

Grundsteuerkataster Bd. I<br />

Grundsteuerkataster Rothenfels: Grund- Saal- und<br />

Lagerbuch Bde. I-V, XIII<br />

Grundsteuerkataster Rothenfels: Renoviertes<br />

Grundsteuerkataster<br />

Judenschaft Nr. 1, 81<br />

Jüdische Standesregister 51 (Karbach), 114 (Rothenfels),<br />

130 (Steinbach)<br />

Landratsamt Lohr Nr. 1585<br />

Landratsamt Marktheidenfeld Nr. 2327


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 79<br />

Libri diversarum formarum Nr. 50<br />

Rechnung 39.022<br />

Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8498, 8511, 8540,<br />

8541, 8663<br />

Regierung <strong>von</strong> Unterfranken, Präsidialakten Nr. 325<br />

Salbuch Nr. 1, 136, 137, 138<br />

Standbuch Nr. 799, 929, 933, 935, 937, 942<br />

Statistische Sammlung Nr. 279, 280, 617, 618<br />

Würzburger Urkunden WU 6507, WU 7746,<br />

WU 8620<br />

Stadtarchiv Lohr<br />

150.2/K (Bürgerakt Nathan Kahn)<br />

Stadtarchiv Rothenfels (StadtAR)<br />

II 1/1 Stadtbuch B („Anno 1413“)<br />

II 1/3 Strafbuch 1777-1796<br />

II 1/4 Strafbuch 1843-1900<br />

II 2/1 Ratsprotokolle 1531-1553 (Stadtbuch D)<br />

II 2/2 Ratsprotokolle 1590-1594 (Stadtbuch F)<br />

II 2/3 Ratsprotokolle 1592-1616 (Stadtbuch E)<br />

II 2/4 Ratsprotokolle 1594-1595 (Stadtbuch G)<br />

II 2/5 Ratsprotokolle 1630-1641 (Stadtbuch K)<br />

II 2/6 Ratsprotokolle 1642-1725 (Stadtbuch L)<br />

II 2/7 Ratsprotokolle 1732-1751 (Stadtbuch N)<br />

II 2/8 Ratsprotokolle 1751-1755 (Stadtbuch O)<br />

II 2/10 Ratsprotokolle 1763-1770 (Stadtbuch Q)<br />

II 2/11 Ratsprotokolle 1770-1776 (Stadtbuch R)<br />

II 2/14 Ratsprotokolle 1799-1802 (Stadtbuch Z)<br />

II 2/15 Ratsprotokolle 1802-1818<br />

II 2/16 Ratsprotokolle 1818-1823<br />

II 2/17 Ratsprotokolle 1823-1828<br />

II 4/1 Bürger-Matric 1754<br />

II 7/1 Beth-Register 1531 (Stadtbuch U)<br />

II 7/2 Beth-Buch 1752-1803<br />

II 7/4 Schatzungs-Heb-Register 1810<br />

II 7/5 Schatzungs-Lagerbuch 1810-1853<br />

II 7/6 Besitzbuch 1817-1846<br />

II 7/7 Beet-Lagerbuch 1842-1859<br />

II 8/3 Verkündungsbuch für die Gemeinde<br />

Rothenfels 1850-1863<br />

II 9/1 Vieh-Protokollbuch 1814-1861<br />

II 9/2 Kontraktenbuch 1818-1833<br />

II 10/3 Gewerbe-Niederlassungs-Register<br />

1878-1900<br />

II 10/4 Gewerbe-Anmelde-Register 1878-1900<br />

III 7/1 Gotteshaus-Rechnung 1687/88<br />

III 11/1<br />

bis III 11/102 Bürgermeister- bzw.<br />

Gemeinderechnungen 1551 bis 1861/62<br />

III 12/1 Urkunden zur Bürgermeisterrechnung 1811<br />

IV 3/3<br />

IV 3/4<br />

IV 3/5<br />

Chronik der Stadtgemeinde Rothenfels<br />

(Chronik Fuß), Bd. I<br />

Chronik der Stadtgemeinde Rothenfels<br />

(Chronik Fuß), Bd. II<br />

Chronik der Stadtgemeinde Rothenfels<br />

(Chronik Fuß), Bd. III<br />

IV 3/6 Chronik der Stadtgemeinde Rothenfels<br />

(Chronik Fuß), Bd. IV<br />

IV 3/7 Chronik der Stadtgemeinde Rothenfels<br />

(Chronik Fuß), Bd. V (Reste)<br />

IV 8/5 Gewerbe-Anmelderegister 1868-1877<br />

IV 8/6 Register der Gewerbe-Niederlegungen<br />

1868-1878<br />

IV 9/7 Aufnahmegebühren für Bürger 1869-1896<br />

IV 9/9 bis IV 9/18 Heberegister für Grund-<br />

Haus-, Gewerbe-, Kapitalrenten- und<br />

Einkommensteuer 1876 bis 1883<br />

Archiv Berg<strong>rothenfels</strong><br />

21-1 Sitzungsprotokolle der Gemeindeverwaltung<br />

1817-1841<br />

21-2 Sitzungsprotokolle der Gemeindeverwaltung<br />

1836-1844<br />

21-3 Sitzungsprotokolle der Gemeindeverwaltung<br />

1844-1868<br />

21-5 Sitzungsprotokolle der Gemeindeverwaltung<br />

1880-1890<br />

21-6 Sitzungsprotokolle der Gemeindeverwaltung<br />

1891-1905<br />

23-11 Grundbuch der Bedegefälle 1825-1841<br />

24-5 Abschriften diverser Rundschreiben usw.<br />

1849-1856<br />

25-3 Protokolle diverser Viehkaufverträge<br />

1840-1874<br />

25-4 Protokolle diverser Kaufverträge 1845-1853<br />

311-1 bis 311-74 Jahresrechnungen 1812/18 bis<br />

1895<br />

312-1 bis 312-13 Urkunden zur Berg<strong>rothenfels</strong>er<br />

Gemeinderechnung 1819/20 bis 1833/34<br />

40-1 Grundbuch der Brandversicherung 1830<br />

40-16 Brandversicherung nach 1875<br />

41-2 Heimatrecht, Eheschließung 1844-1875<br />

41-3 Urwahllisten Teil 1, Mitte 19. Jh.<br />

41-4 Urwahllisten Teil 2, Mitte 19. Jh.<br />

41-11 Bürgerverzeichnisse 1869-1911<br />

41-45 Zwangsvollstreckung, Versteigerung<br />

1882-1931<br />

43-2 Ortsgeschichte <strong>von</strong> Berg<strong>rothenfels</strong><br />

(Chronik Göpfert)<br />

48-5 Gewerbeabmeldungen 1882-1931<br />

Verwaltungsgemeinschaft (VG) Marktheidenfeld<br />

Standesamt Berg<strong>rothenfels</strong>: Geburtsregister Bde. I und<br />

II, Heiratsregister Bd. I, Sterberegister Bde. I-III<br />

Standesamt Rothenfels: Geburtsregister [Bde. I und<br />

II], Heiratsregister [Bd. I], Sterberegister<br />

[Bde. I-II]<br />

Standesamt Karbach: Heiratsbuch Bd. I, Sterbebuch<br />

Bd. I


80 Winfried Mogge<br />

Abbildungsnachweis<br />

Ludwig Braunfels, Die Mainufer und ihre nächsten<br />

Umgebungen, Würzburg 1847: S. 6<br />

Wolfgang Denninger, Unterpleichfeld: S. 9<br />

Günter Giessler, Rothenfels: Umschlagbild, S. 43<br />

Hellmut Harth, Rothenfels: S. 44 mitte links<br />

Landesamt für Digitalisierung, Breitband und<br />

Vermessung (Bayerische Vermessungsverwaltung),<br />

München:<br />

S. 15 rechts (Ausschnitt aus NW.085.62b),<br />

S. 41 (Ausschnitt aus NW.085.61c),<br />

S. 47 (Ausschnitt aus NW.085.62d)<br />

Luftbilddokumentation Klaus Leidorf, Buch: S. 85<br />

Winfried Mogge, Berlin: S. 16, 18, 25, 33, 44 oben<br />

links und rechts, 44 mitte rechts, 44 unten links<br />

und rechts, 45 alles, 54 oben rechts, 56 links<br />

Pfarreiengemeinschaft St. Laurentius, Pfarrarchiv<br />

Rothenfels: S. 27<br />

Leonhard Scherg, Marktheidenfeld: S. 56 rechts<br />

Georg Schnabel, Karlstadt: S. 3, 54 oben links,<br />

54 unten links und rechts, 55<br />

Staatsarchiv Wertheim: S. 64, 65<br />

(StAWt-R R 76, Rothenfelser Amtsrechnung<br />

Jg. 1743/44)<br />

Staatsarchiv Würzburg: S. 11, 13<br />

(StAWü WU 6507, WU 7746)<br />

Stadtarchiv Lohr: S. 49, 60<br />

Stadtarchiv Rothenfels: S. 15 links, 23, 36, 46, 87<br />

Dank<br />

Für freundliche Hilfe vieler Art (sachkundige Hinweise,<br />

Hilfe bei den Recherchen, Übertragung hebräischer<br />

Namen, Beschaffung und Nachdruckerlaubnis <strong>von</strong><br />

Bildern) ist zu danken:<br />

Gerhard Bregenzer, Rothenfels<br />

Wolfgang Denninger, Unterpleichfeld<br />

Rebekka Denz M. A., Braunschweig<br />

Dr. Martina Edelmann, Veitshöchheim<br />

Elisabeth Ehring, Rothenfels<br />

Barbara Endres, Marktheidenfeld<br />

Ingrid Engelke, Rothenfels<br />

Michal Friedlander, Berlin<br />

Günter Giessler, Rothenfels<br />

Hellmuth Harth, Rothenfels<br />

Josef Harth, Lohr<br />

Dr. Ingrid Heeg-Engelhart, Würzburg<br />

Martina Heine, Wertheim<br />

Dr. Peter Kolb, Würzburg<br />

Klaus Leidorf, Buch<br />

Wiltrud Mogge, Berlin<br />

Prof. Dr. Dr. Karlheinz Müller, Würzburg<br />

Norbert Oestel, Rothenfels<br />

Walter Rausch, Rothenfels<br />

Rosemarie Richartz, Rothenfels<br />

Dr. Rotraud Ries, Würzburg<br />

Roswitha Roth, Rothenfels<br />

Udo Roth, Rothenfels<br />

Dr. Leonhard Scherg, Marktheidenfeld<br />

Georg Schnabel, Karlstadt<br />

Siegfried Straub, Rothenfels<br />

Dr. Torben Stretz, Trier<br />

Hans Walter, Rothenfels<br />

Claudia Wieland, Wertheim<br />

Werner Zürn, Rothenfels<br />

Bürgerbüro Neuhof-Fulda<br />

Diözesanarchiv Würzburg<br />

Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main<br />

Jüdisches Museum Berlin, Bibliothek<br />

Jüdisches Museum Frankfurt am Main<br />

Landesamt für Digitalisierung, Breitband und<br />

Vermessung, München<br />

Pfarreiengemeinschaft St. Laurentius,<br />

Marktheidenfeld<br />

Staatsarchiv Wertheim<br />

Staatsarchiv Würzburg<br />

Stadtarchiv Lohr<br />

Stadtarchiv Würzburg<br />

Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg<br />

Stadtverwaltung Rothenfels<br />

Standesamt Lohr<br />

Verwaltungsgemeinschaft Marktheidenfeld<br />

Für sachkundige Hinweise und kritisches Lektorat ist<br />

Rotraud Ries und Leonhard Scherg besonders zu danken.


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 81<br />

Abkürzungen<br />

Anm.<br />

Anmerkung<br />

Bd., Bde.<br />

Band, Bände<br />

bearb., Bearb.<br />

bearbeitet, Bearbeiter(in)<br />

bzw.<br />

beziehungsweise<br />

d<br />

denar (Pfennig)<br />

DAW<br />

Diözesanarchiv Würzburg<br />

ders.<br />

derselbe<br />

f, ff folgende Seite(n)<br />

fl<br />

florin (Gulden)<br />

fol.<br />

folio (Blatt)<br />

geb.<br />

geboren<br />

gest.<br />

gestorben<br />

GrStKat<br />

Grundsteuerkataster<br />

H. Heft<br />

hg., Hg.<br />

herausgegeben,<br />

Herausgeber(in)<br />

Jh.<br />

Jahrhundert<br />

kath.<br />

katholisch<br />

kr<br />

Kreuzer<br />

lb<br />

libra (Pfund)<br />

Nr.<br />

Nummer<br />

PfarrAR<br />

Pfarrarchiv Rothenfels<br />

Rep.<br />

Repertorium<br />

S. Seite(n)<br />

StA<br />

Staatsarchiv<br />

StadtA<br />

Stadtarchiv<br />

StadtAR<br />

Stadtarchiv Rothenfels<br />

StAWt<br />

Staatsarchiv Wertheim<br />

StAWü<br />

Staatsarchiv Würzburg<br />

u. a. unter anderem<br />

v. <strong>von</strong><br />

VG<br />

Verwaltungsgemeinschaft<br />

vgl.<br />

vergleiche<br />

z. B. zum Beispiel<br />

Personenregister<br />

Namen, die sich nicht im Text finden, sind in den Anmerkungen<br />

zu suchen.<br />

Bei Namenswechsel durch Heirat, Taufe oder Annahme<br />

fester Familiennamen steht der Ursprungsname in<br />

eckigen Klammern.<br />

Aaron 22, 23, 66<br />

Aaron (Sohn des Feyferl) 20<br />

Aaron zum Fröhlichen Mann (Geldgeber) 20<br />

Abraham (Sohn des Ambsell) 20<br />

Abt, Michael 46<br />

Adler, Abraham (Distriktsrabbiner) 53<br />

Adler, Joseph I (Makler) 47<br />

Adler, Löb (Makler) 47<br />

Adler, Samuel Hirsch (Rabbiner) 53<br />

Albert, Melchior (Schmied) 29<br />

Albert, Sebastian 43<br />

Ambsell (Händler) 20<br />

Armleder s. Uissigheim<br />

Aulenbach, Johann 46<br />

Baer, Babette 59<br />

Baer, Clementine 59<br />

Baer, Hippolyt (Weinhändler) 59<br />

Baer, Joseph 59<br />

Baer, Max 59<br />

Baer [Grünewald], Rachel 58, 59<br />

Bamberger, Seligmann Bär (Oberrabbiner) 53<br />

Bauer, Franz Anton (Pfarrer) 15<br />

Beck, Andreas (Landwirt) 29<br />

Beeß (Besse) (Frau des Mendlein) 19<br />

Behr , Behrlein, Berlein s. Perlein<br />

Behrlein, Moyses s. Moyses<br />

Berl (Perlein), Moyses 7, 24-26, 38, 42, 66, 67, 74<br />

Bernay, Benjamin 47<br />

Bernay, Joseph 58, 66<br />

Besse s. Beeß<br />

Bessinger, Conrad (Steinhauer) 43<br />

Bestian (zu Rothenfels) 14<br />

Bibra, Lorenz <strong>von</strong> (Fürstbischof) 17<br />

Bing, Abraham (Oberrabbiner) 53<br />

Christenfels, Franz Ludwig 55<br />

Christenfels, Franz Nikolaus 55<br />

Dalberg, Karl Theodor <strong>von</strong> (Fürstprimas) 31<br />

Dauch, Michael (Bäcker) 42<br />

Davit (Lehrer) 20<br />

Dettelbach, <strong>von</strong> (Familie) 14<br />

Echter <strong>von</strong> Mespelbrunn, Julius (Fürstbischof) 18, 28<br />

Ehrenberg, Philipp Adolph <strong>von</strong> (Fürstbischof) 28<br />

Elle (Dienstmagd) 20<br />

Emmerich, Anton 47<br />

Endres, Hans (Flößer) 20<br />

Erlanger, Jacob (Rabbiner) 53<br />

Eschwege, Hirsch (Lehrer) 52<br />

Ester (Frau des Joseph) 19<br />

Feyferl (Feiferl, Feiferlein) (Händler) 20, 29<br />

Fleischmann, Franz Nikolaus (Stadtschreiber) 55


82 Winfried Mogge<br />

Freudenberger [Moises], Abraham 38, 58, 67, 68<br />

Freudenberger, Benjamin 28, 58, 67, 68<br />

Freudenberger [Hirsch], Beß 58, 68<br />

Freudenberger [Männlein], Giedel 38, 68, 71<br />

Freudenberger, Hanna 58<br />

Freudenberger, Joanna Schön s. Tannenwald<br />

Freudenberger [Männlein], Moises 38, 67, 68, 71<br />

Freudenberger [Männlein], Nathan 29, 38, 67, 68, 71<br />

Freudenberger [Moises], Nathan 34, 35, 38, 39, 46,<br />

50, 52, 55, 57, 58, 67, 68<br />

Freudenberger [Schlesinger], Regina 55, 58, 68, 71<br />

Freudenreich, Maier (Metzger) 40<br />

Fröhlich [Heil], Giedel (Jentel) 36, 69<br />

Fröhlich, Simon 69<br />

Fuchs <strong>von</strong> Dornheim, Anna Maria 42<br />

Fuß, Georg Max (Lehrer) 15, 29<br />

Gerhard, Georg 45<br />

Germann, Johann 46<br />

Glück, Margaretha 55<br />

Glück, Peter Philipp 55<br />

Greiffenclau, Johann Philipp <strong>von</strong> (Fürstbischof)<br />

22, 23<br />

Greiffenclau, Karl Philipp <strong>von</strong> (Fürstbischof) 26, 30<br />

Göpfert, Anton (Lehrer) 38<br />

Götz, Konrad (Ingenieur) 50<br />

Gottfried (Schultheiß) 10<br />

Greß, Anna 47<br />

Grünebaum, David (Händler) 69<br />

Grünewald, David (Händler) 37, 45, 58, 66<br />

Grünewald, Rachel s. Baer<br />

Grünewald [Heil], Vögele (Fanny) 45, 58, 69, 72<br />

Grumbach, <strong>von</strong> (Edelfreie) 10, 11<br />

Grumbach, Marquard II. <strong>von</strong> 9<br />

Gutradt (Tochter des Feyferl) 20<br />

Guttenberg, Charlotta Katharina Brigitta <strong>von</strong><br />

s. Hettersdorf<br />

Habriel (Lehrer) 19, 51<br />

Häcker, Joseph Georg (Herrschaftsrichter) 35<br />

Hamburger, Amsel (Amschel) 39, 58, 67, 71<br />

Hamburger, Benjamin 39, 52, 58, 67, 71<br />

Hamburger, Giedel (Handelsfrau) 39, 40, 71<br />

Hamburger, Hänlein (Hila, Hille, Hinlein)<br />

(Buchbinder) 35, 39, 40, 47, 67<br />

Hamburger, Löb (Löw) 39, 40, 52, 67, 71<br />

Hamburger, Madel 71<br />

Hamburger, Oschel 39, 52, 67<br />

Hamburger, Reichel (Witwe) 71<br />

Hamburger, Rosina 58<br />

Heil, Abraham (Landwirt) 35, 36, 40, 43, 45, 46, 52,<br />

55, 57, 58, 66, 67, 69, 72<br />

Heil, Abraham (Händler) 37, 57, 66<br />

Heil, David (Landwirt) 35, 36, 39, 40, 45-47, 52, 54,<br />

55, 57, 58, 66, 67, 69, 72, 73<br />

Heil, Dolz s. Heß<br />

Heil, Elia (Kind) 69, 72<br />

Heil, Fanny (Vögele) s. Grünewald<br />

Heil, Feigel (Vogel) s. Kahn<br />

Heil, Giedel s. Fröhlich<br />

Heil, Golda (Kind) 69, 72<br />

Heil [Lindheim], Hanna 40, 45, 58, 69, 72<br />

Heil [Stiefel], Jethe 57, 69, 72<br />

Heil, Joseph (Händler) 26, 36, 37, 43, 45, 52, 55, 57,<br />

66, 69, 72<br />

Heil [Isack], Nathan (Händler) 26, 35, 36, 40, 43,<br />

46, 51, 66, 67, 69, 72<br />

Heil, Nathan (Kind) 55, 69, 72<br />

Heil, Reiz (Rosa) 69, 72<br />

Heil, Reiz (Rosa) s. Kahn<br />

Heil, Riela (Riele) 69, 72<br />

Heil, Riele (Kind) 69, 72<br />

Heil [Stern], Rosetta (Rosel) 40, 47, 54, 55, 58, 69,<br />

72, 73<br />

Heil, Vögele (Fanny) s. Grünewald<br />

Heinemann, Nathan (Rabbiner) 53<br />

Heinrich de Windau (Priester) 10<br />

Herrmann, Benjamin (Händler) 35, 39, 52, 55, 67,<br />

72<br />

Herrmann, David 54<br />

Herrmann, Dolz 72<br />

Herrmann, Ester 72<br />

Herrmann, Margaretha 58<br />

Herrmann [Nathan], Isaak (Isack) 38, 39, 52, 67, 72<br />

Herrmann [Nathan], Jakob 39, 52, 67<br />

Herrmann, Jede (Jethe) 51<br />

Herrmann, Minna s. Weinstock<br />

Herrmann [Hirsch], Nathan 38, 46, 54, 67, 72<br />

Herrmann, Nathan 39, 67<br />

Heß, Hajm (Hajum) (Händler) 36, 55, 69<br />

Heß [Heil], Dolz 55, 69<br />

Hettersdorf [Guttenberg], Charlotta Katharina Brigitta<br />

<strong>von</strong> 56<br />

Hettersdorf, Philipp Emmerich Philibert <strong>von</strong><br />

(Oberamtmann) 42, 56<br />

Hirsch (Hirschlein) (Händler) 21, 29, 37, 66<br />

Hirsch, Beß s. Freudenberger<br />

Hirsch, Malez s. Leib<br />

Hirsch, Nathan s. Herrmann<br />

Hirsch (Hirschlein), Nathan 7, 24-26, 37, 38, 42, 54,<br />

66, 67, 74<br />

Hirschlein, Johann (Steinhauer) 47<br />

Hirschlein, Margaretha (Witwe) 47<br />

Hutten, <strong>von</strong> (Familie) 20<br />

Ingelheim, Anselm Franz <strong>von</strong> (Fürstbischof) 7, 25,<br />

26<br />

Isaak, Nathan 54<br />

Isac (Lehrer) 51<br />

Isack, Nathan s. Heil<br />

Itzig 38, 67<br />

Jacob (Sohn des Feyferl) 20<br />

Jacob (<strong>von</strong> Rothenfels) 14<br />

Jentlein (Tochter des Ambsell) 20<br />

Jöstle (Jöstlein) 20, 28, 66<br />

Jöstlein 19, 42, 66<br />

Johel zum Birnbaum (Geldgeber) 20<br />

Joseph (Händler) 19-21, 66<br />

Joseph de Wertheim 11, 12


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 83<br />

Joseph, Michael 55<br />

Jud, Eva (Müllersfrau) 17<br />

Jud (Jude, Jüde), Hans (Müller) 17<br />

Jud, Heintz 17<br />

Jud, Paul (Landwirt) 17<br />

Judith (Tochter des Feyferl) 20<br />

Kahn, Babett 70<br />

Kahn, Benjamin 70<br />

Kahn [Heil], Feigel (Vogel) 69, 70, 73<br />

Kahn, Frieda s. Völker<br />

Kahn, Isak (Kind) 70<br />

Kahn [Kahn], Meta 59, 70<br />

Kahn, Michael (Händler) 36, 55, 58, 59, 69, 70, 73<br />

Kahn, Nathan (Händler) 39, 40, 47, 57, 58, 67, 69,<br />

70, 73<br />

Kahn, Riela (Kind) 55, 58, 70, 73<br />

Kahn [Heil], Reiz (Rosa) 58, 69, 70, 72, 73<br />

Kahn, Rosetta 70<br />

Kahn, Sani (?) 70<br />

Kahn, Sigmund 70<br />

Klopf, Johannes 46<br />

König Armleder s. Uissigheim<br />

König Rintfleisch s. Rintfleisch<br />

Kohn, Israël (Rabbiner) 38, 51<br />

Kraus, Johann Adolph (Pfarrer) 35<br />

Lämmlein, Benjamin (Lehrer) 52, 53<br />

Lang, Hans gen. Stockstatter (Wirt) 20<br />

Lazarus, Moses (Moises, Moschel, Moyses, Moyßel)<br />

21, 26, 29, 37, 43, 45, 46, 48, 49, 51, 53, 66, 74<br />

Lea (Frau des Feyferl) 20<br />

Leib [Hirsch], Malez 54<br />

Leser (Knecht) 51<br />

Liebman (Sohn des Ambsell) 20<br />

Lindheim, Elias (Weinhändler) 72<br />

Lindheim, Hanna s. Heil<br />

Lindheim, Lina 72<br />

Lippert, Franz Ludwig (Centgraf) 55<br />

Lochner <strong>von</strong> Hüttenbach, Joseph Christian<br />

(Oberamtmann) 26, 38<br />

Löb (Händler) 29<br />

Löblein (Händler) 29<br />

Löblein (Löwelein) 26<br />

Löwenstein-Wertheim-Rosenberg, <strong>von</strong> (Fürsten)<br />

31, 50, 53<br />

Löwenthal, Jonas (Lehrer) 52<br />

Ludwig I. (König <strong>von</strong> Bayern) 52<br />

Ludwig IV. (Kaiser) 10, 14<br />

Männlein (Männle) 24, 28, 29, 38, 42, 46, 48, 52,<br />

66-68<br />

Männlein, Giedel s. Freudenberger<br />

Männlein, Moises s. Freudenberger<br />

Männlein, Nathan s. Freudenberger<br />

Maria (Frau des Moyses) 20<br />

Maximilian II. (Kaiser) 17<br />

Maximilian II. (König <strong>von</strong> Bayern) 32<br />

Mayer s. Moyses, Mayer<br />

Mayer (Mayerlein, Meier, Meierlein, Meyer, Meyerlein)<br />

(Sohn des Mendlein) 20, 21, 28, 66<br />

Mayer, Isack 26, 66<br />

Meier, Meierlein s. Mayer<br />

Mendlein (Sohn des Feyferl) 20<br />

Mendlein (Händler) 19-21, 66<br />

Meyer, Meyerlein s. Mayer<br />

Moises, Abraham s. Freudenberger<br />

Moises, Nathan s. Freudenberger<br />

Moschel, Moses, Moyses s. Lazarus<br />

Moyses (Sohn des Joseph) 20<br />

Moyses, Behrlein (Sohn des Lazarus) 66<br />

Moyses, Jude am Maintor 20, 21, 29, 42, 66, 74<br />

Moyses, Mayer (Händler) 26, 43, 48, 57, 66, 74<br />

Moyses, Nathan (Sohn des Lazarus) 26, 66<br />

Mynner, Heintz 15<br />

Nathan s. Moyses, Nathan<br />

Nathan (Händler) 21, 23, 24, 42, 66<br />

Nathan de Rothenfels 9, 11-14<br />

Nathan, Isaac 67<br />

Nathan, Isack s. Herrmann<br />

Nathan (nicht zuzuordnende Namensträger) 54, 55<br />

Niederhöfer, Maria Philippina Charlotta 56<br />

Oscher (Viehhändler) 37<br />

Papius, Johann Wilhelm Cyriacus (Amtskeller)<br />

48, 49, 53<br />

Perl s. Perlein<br />

Perlein (Behrlein) (Händler) 29, 38, 66, 67<br />

Perlein (Behrlein) (Sohn des Mendlein) 20-23, 28, 66<br />

Perlein (Behrlein) (Sohn des Nathan) 21, 23, 24, 42,<br />

66<br />

Pfeuffer (Viehhändler) 37<br />

Pleichfeld, Billung d. J. <strong>von</strong> (Ritter) 11<br />

Rachel (Tochter des Joseph) 20<br />

Rieneck, <strong>von</strong> (Grafen) 9-11<br />

Rintfleisch gen. König Rintfleisch 13<br />

Rosenbusch, Lazarus (Rabbiner) 53<br />

Roth, Johann 46, 47<br />

Roth, Joseph (Landwirt) 37<br />

Roth, Karl Ambros 47<br />

Salomon (Krämer) 37, 51<br />

Samuel (Händler) 21, 66<br />

Samuel (in Karbach) 26<br />

Scheeb, Oswald 45<br />

Scheiner, Michael 43<br />

Scherenberg, Rudolf II. <strong>von</strong> (Fürstbischof) 10<br />

Schim'on (aus Wertheim) 12<br />

Schlesinger, Regina s. Freudenberger<br />

Schlomm (Schlommel, Schlummel) (Händler) 29,<br />

38, 46, 67<br />

Schönborn, Friedrich Karl <strong>von</strong> (Fürstbischof) 24, 25<br />

Schönborn, Johann Philipp Franz <strong>von</strong> (Fürstbischof)<br />

23, 37<br />

Schüppert, Andreas 44, 45<br />

Schwindt, Joseph (Krämer) 42<br />

Seinsheim, Adam Friedrich <strong>von</strong> (Fürstbischof) 49<br />

Selig, Esther 57<br />

Sender (Sendter) (Händler) 38, 46, 67<br />

Sickingen, <strong>von</strong> (Familie) 20, 61<br />

Sondheimer, Hillel Wolf (Distriktsrabbiner) 53


84 Winfried Mogge<br />

Stern, Franz Joseph (Amtskeller) 42<br />

Stern, Lea 40<br />

Stern, Reitz 72<br />

Stern, Rosetta (Rosel) s. Heil<br />

Stern, Simon Levi (Händler) 72<br />

Stiefel, Elster 72<br />

Stiefel, Jethe s. Heil<br />

Stiefel, Marx 72<br />

Straub, Johann (Steinmetz) 55<br />

Tannenwald, Friedel 47<br />

Tannenwald, Jakob 58<br />

Tannenwald [Freudenberger], Joanna Schön 58<br />

Tinctorius, Matthias (Pfarrer) 16<br />

Truhendingen, Siegfried <strong>von</strong> (Fürstbischof) 12<br />

Uhl, Philipp (Küfer) 43<br />

Uhl, Sebastian (Küfer) 43<br />

Uissigheim, Arnold <strong>von</strong> gen. König Armleder 13<br />

Ulrich, Sebastian (Metzger) 42<br />

Völcker, Hanns Jörg 43<br />

Völker, Andreas Benno (Steinhauer) 57, 58, 70<br />

Völker, [David] Joseph 57, 70<br />

Völker, [Erna] Barbara 57, 70<br />

Völker [Kahn], [Frieda] Friederike Maria 57-59, 70,<br />

73<br />

Völker, Johann Michael 70<br />

Völker [Harth], Maria Anna 70<br />

Völker, Rupert Alfred 57, 70<br />

Voit <strong>von</strong> Rieneck (Familie) 42<br />

Voit <strong>von</strong> Rieneck, Eitel (Ritter) 10, 17<br />

Weber, Hans (Schiffer) 15<br />

Weinstock, Löb (Viehhändler) 73<br />

Weinstock [Herrmann], Minna (Witwe) 55, 73<br />

Weitzel, Johann Michael (Büttner) 56<br />

Weitzel, Maria Philippina Charlotta s. Niederhöfer<br />

Weitzenfelder, Moses (Lehrer) 52<br />

Weyrich, Georg 46<br />

Wießmann, Anna Maria 58<br />

Wirsberg, Friedrich <strong>von</strong> (Fürstbischof) 17<br />

Wölfflein (in Zimmern) 20<br />

Wolff 37, 67<br />

Wolfskeel, Otto II. <strong>von</strong> (Fürstbischof) 10, 14<br />

Wolfskeel <strong>von</strong> Reichenberg (Freiherren) 56<br />

Zehner, Georg Friedrich (Judenamtmann) 48<br />

Zinia (Frau des Ambsell) 20<br />

Ortsregister<br />

Die häufig genannten Orte Rothenfels, Berg<strong>rothenfels</strong><br />

und Würzburg werden im Register nicht verzeichnet.<br />

Ortsnamen, die sich nicht im Text finden, sind in den<br />

Anmerkungen zu suchen.<br />

Almelo 59<br />

Ansbach 18, 36, 64, 65<br />

Arnstein 13, 24<br />

Aschaffenburg 50, 52, 53<br />

Birkenfeld 18, 19, 61, 64, 65<br />

Erbach-Eichberg 59<br />

Erlach 18, 64, 65<br />

Erlenbach 36<br />

Esselbach 18, 64, 65<br />

Frankfurt am Main 7, 14, 20, 55, 58, 59<br />

Gemünden 13, 14, 19<br />

Greußen s. Greußenheim<br />

Greußenheim (Greußen) 18-20, 29, 33, 36, 37,<br />

51-53, 61-65<br />

Hadamar 59, 70<br />

Hafenlohr 18, 57, 64, 65<br />

Heidenfeld s. Marktheidenfeld<br />

Heidingsfeld 17, 50, 51, 53<br />

Hochhausen 57, 69, 72<br />

Homburg am Main 13, 55<br />

Jerusalem 12<br />

Karbach 18-22, 26, 29, 33-37, 40, 47, 51-53, 55, 58,<br />

61-66<br />

Karlstadt 7, 13, 18, 55<br />

Kirchschönbach 57<br />

Kleinwallstadt 39<br />

Kredenbach 29<br />

Laudenbach 7, 18, 32, 36, 53-55, 71<br />

Lohr 13, 16, 18-20, 40, 57-59, 67, 70<br />

Marienbrunn (Mergenbrunn) 18, 65<br />

Marktheidenfeld (Heidenfeld) 18, 19, 35<br />

Marktsteft 40, 69, 72<br />

Mergenbrunn s. Marienbrunn<br />

Miltenberg 40, 69, 72<br />

Neuhof-Fulda 59<br />

Neustadt am Main 9, 18, 20, 35, 50, 64, 65<br />

Oberndorf 18, 64, 65<br />

Pflochsbach 18, 35, 64, 65<br />

Philadelphia 57, 58<br />

Rathsfeld 57<br />

Reichenberg 56<br />

Rieneck 13<br />

Roden 18, 56, 64, 65<br />

Röttingen 13<br />

Rottenbauer 40<br />

Sendelbach 18, 64, 65<br />

Sobibor 59<br />

Steinbach 18, 20, 31, 32, 40, 55, 67, 69, 70, 73<br />

Steinfeld 18, 64, 65<br />

Sulz am Wald 59<br />

Theresienstadt 59, 70, 73<br />

Trennfeld 29<br />

Unterdürrbach 11<br />

Urspringen 18, 29, 32, 36, 40, 47, 53<br />

Veitshöchheim 26<br />

Waldzell 18, 64, 65<br />

Wertheim 8, 12, 20, 30, 38, 53, 58<br />

Wiesenfeld 18, 32<br />

Windau s. Windheim<br />

Windheim (Windau) 10, 17, 18, 27, 64, 65<br />

Zimmern 17-20, 27, 61, 64, 65


Juden <strong>von</strong> Rothenfels 85<br />

Nachwort und Nachträge<br />

Am 10. Dezember 2015 wurde dieses Buch im Rathaus<br />

zu Rothenfels einem großen und höchst interessierten<br />

Publikum vorgestellt. Kurz darauf war die<br />

erste, gedruckte Auflage vergriffen. Der Nachdruck einer<br />

Kleinstauflage verbot sich aus Kostengründen.<br />

Umso erfreulicher ist es, dass nun, mit freundlichem<br />

Einverständnis des Verlages Königshausen & Neumann,<br />

im Rahmen des neuen Internet-Auftritts des<br />

Förderkreises Synagoge Urspringen e. V. eine online-<br />

Ausgabe zur Verfügung gestellt werden kann. Hier, bei<br />

der Schaltstelle zur Erforschung und Bewahrung der<br />

Geschichte der Juden im heutigen Main-Spessart-<br />

Kreis, ist der richtige Ort für diese Publikation.<br />

Dies ist auch eine Gelegenheit, Korrekturen und<br />

Ergänzungen zur ersten Auflage anzubringen. Einige<br />

kleinere Fehler wurden im vorliegenden Text verbessert,<br />

einige Nachträge sind auf dieser Seite angehängt.<br />

Denn das Thema ist nicht etwa abgeschlossen.<br />

Weitere eigene Nachforschungen und auch erste Hinweise<br />

<strong>von</strong> Bürgerinnen und Bürgern <strong>von</strong> Rothenfels<br />

und Berg<strong>rothenfels</strong> zeigen, dass weiterführende Ergebnisse<br />

möglich sind.<br />

Nachträge<br />

Eine Durchsicht der Jahresrechnungen des Amtes Rothenfels<br />

aus dem 17. Jahrhundert ergab: Die einheimischen<br />

jüdischen Händler lieferten Baumaterial und<br />

Gebrauchswaren auch in die Burg. 1683/84 verkaufte<br />

Moyses Jude zu Rottenfels dem Amtskeller in der Burg<br />

Bretter und Nägel. 355 Von 1683/84 bis 1697/98 taucht<br />

Jud Perlein (Berlein, Behrlein) als Lieferant für Bretter,<br />

Nägel und Blei auf, einmal (1697/98) besorgt er<br />

für die Burg auch zwei eiserne Öfen und zwei Wasserkrüge.<br />

356 Die biografischen Mitteilungen im Buch (S.<br />

21 und Tabellen) werden durch diese Daten ergänzt<br />

und bestätigt.<br />

Zu den Nachkommen der letzten jüdischen Familie<br />

in Berg<strong>rothenfels</strong> (vgl. S. 57 und 70) gibt es eine Ergänzung:<br />

Erna Völker (1896-1966), Tochter <strong>von</strong> Frieda<br />

Völker geborene Kahn (1872-1930) und Andreas<br />

Benno Völker (1870-1907), verstorben in Würzburg,<br />

lebte als ledige Zigarrenarbeiterin in Berg<strong>rothenfels</strong>,<br />

Haus Nr. 45 (ein inzwischen nicht mehr vorhandenes<br />

Häuschen an der Straße Zum Alten Herrgott). 357 Obwohl<br />

sie nach der Konversion und Verheiratung ihrer<br />

Mutter (1901) selbst katholisch war, behielt sie den –<br />

nicht unfreundlich gemeinten – Spitznamen „Jüde<br />

Erna“. 358<br />

355 StAWt-R R 76, Amtsrechnung Jg. 1683/84 fol. 87.<br />

356 StAWt-R R 76, Amtsrechnungen Jg. 1683/84 fol. 87', 1687/88<br />

fol. 79', 1688/89 fol. 76', 1693/94 fol. 98', 1695/96 fol. 96',<br />

1696/97 fol. 97, 1697/98 fol. 96.<br />

357 Freundliche Mitteilungen der Verwaltungsgemeinschaft Marktheidenfeld,<br />

dort des Standesamtes, und des Standesamtes Lohr.<br />

358 Freundliche Mitteilung <strong>von</strong> Roswitha Roth (Berg<strong>rothenfels</strong>).<br />

Korrekturen<br />

Die Besitzer der gedruckten Ausgabe <strong>von</strong> 2015 wollen<br />

bitte folgende Korrekturen nachtragen:<br />

S. 42 Anm. 232: Abbildung S. 41 (nicht 39)<br />

S. 43 Anm. 246: Abbildung S. 41 (nicht 39)<br />

S. 84, Personenregister:<br />

Ergänzen bei Völker, [David] Joseph: 70<br />

Ergänzen bei Völker, [Erna] Barbara: 70<br />

Ergänzen bei Völker, Rupert Alfred: 70<br />

Nachtragen: Völker, Johann Michael 70<br />

Nachtragen: Völker [Harth], Maria Anna 70<br />

Nachfragen<br />

Seit dem Ende der jüdischen Gemeinde <strong>von</strong> Rothenfels<br />

und Berg<strong>rothenfels</strong> und dem Verkauf ihrer letzten<br />

Häuser sind 130 und mehr Jahre vergangen. Die ehemaligen<br />

Wohnstätten wurden inzwischen mehrmals<br />

modernisiert oder durch Neubauten ersetzt. Der ehemalige<br />

„Judenkirchhof“ war sogar schon im späten<br />

Mittelalter aufgelassen. Trotzdem ist nicht auszuschließen,<br />

dass sich noch Spuren oder Erinnerungen<br />

auftun.<br />

Von den infrage kommenden Museen und Sammlungen<br />

gab es nur Fehlanzeigen. Vielleicht ist trotz aller<br />

bisher ergebnislosen Nachfragen „vor Ort“ doch<br />

noch etwas zu finden – ein Türpfosten mit einer „Mesusa“<br />

(Rille für eine Kapsel mit Segenssprüchen) verbaut,<br />

eine hebräische Inschrift versteckt, der Rest<br />

eines Inventars der Betstuben oder Wohnungen ererbt?<br />

Oder ein Bild, eine Fotografie, ein Bericht, ein Brief<br />

ehemaliger Nachbarn aus der Zeit der Groß- und Urgroßeltern<br />

verwahrt, eine Erinnerung mündlich überliefert?<br />

Vielleicht gibt es Hinweise auf oder gar<br />

Kontakte mit Nachfahren jüdischer Familien aus Rothenfels<br />

und Berg<strong>rothenfels</strong> in Würzburg, Frankfurt<br />

oder den USA?<br />

Der Verfasser ist für jeden Hinweis dankbar!<br />

Berlin, März 2016<br />

Dr. Winfried Mogge<br />

Rauentaler Str. 12, 13465 Berlin<br />

(039) 46 999 705<br />

w.mogge@arcor.de<br />

www.winfried-mogge.de<br />

Hinweis<br />

Eine Kurzfassung zur Geschichte der jüdischen Gemeinde<br />

<strong>von</strong> Rothenfels und Berg<strong>rothenfels</strong> findet sich<br />

in der Datenbank der Arbeitsgemeinschaft Alemannia<br />

Judaica:<br />

www.alemannia-judaica.de/<strong>rothenfels</strong>_synagoge.htm


Vom selben Autor<br />

ist zu Burg und Stadt Rothenfels erschienen:<br />

„Dies uralt Haus auf Felsengrund ...“<br />

Rothenfels am Main:<br />

Geschichte und Gestalt einer unterfränkischen<br />

Burg<br />

Rothenfels / Burg Rothenfels<br />

Schnell Kunstführer Nr. 740<br />

5., neu bearbeitete Auflage<br />

24 Seiten mit 19 Abbildungen<br />

Verlag Schnell & Steiner, Regensburg 2009<br />

ISBN 978-3-7954-4473-0<br />

Burg Rothenfels im Hochmittelalter<br />

In: Spessart – Monatszeitschrift für die Kulturlandschaft<br />

Spessart, Oktober 2012, S. 3-14<br />

Die Anfänge <strong>von</strong> Rothenfels<br />

Legenden und Tatsachen<br />

In: Spessart – Monatszeitschrift für die Kulturlandschaft<br />

Spessart, Juni 2013, S. 17-24<br />

Die Stadt Rothenfels im Mittelalter<br />

Rothenfels am Main zählt zu den wenigen unzerstörten<br />

und noch bewohnten deutschen Burgen des<br />

Mittelalters. Im Jahr 1150 gegründet als Sitz der<br />

edelfreien fränkischen Familie <strong>von</strong> Grumbach, kam<br />

sie 1343 an das Fürstbistum Würzburg, dem sie bis<br />

Ende 1802 als Amts- und Gerichtssitz diente. 1919<br />

zog mit der katholischen Jugendbewegung Quickborn<br />

neues Leben in die alten Mauern ein. Heute<br />

arbeitet die Burg als unabhängige Tagungsstätte und<br />

Jugendherberge.<br />

Die romanische Anlage der Anfangszeit ist in guten<br />

Teilen noch sichtbar, ergänzt durch spätgotische<br />

Neubauten des 16. Jahrhunderts, ein spätbarockes<br />

Amtshaus und weitläufige Wirtschaftsgebäude.<br />

Nach jahrzehntelangen Sanierungen gilt Rothenfels<br />

als Musterbeispiel für die gelungene Erhaltung eines<br />

Kulturdenkmals mit neuer Nutzung.<br />

Die Schicksale der Burg werden hier vor dem Hintergrund<br />

der fränkischen und deutschen Geschichte<br />

nachgezeichnet. Ausführlich wird auch die Baugeschichte<br />

analysiert und dokumentiert, ergänzt mit<br />

zahlreichen historischen und aktuellen Plänen, Abbildungen<br />

und Fotografien. Politische, soziale und<br />

religiöse Entwicklungen, Wirtschafts- und Kunstgeschichte<br />

kommen zusammen, mit teils überraschenden<br />

Ergebnissen quer zur bisherigen Forschung.<br />

464 Seiten, einschließlich 231 Abbildungen und 15<br />

Farbseiten<br />

Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2012<br />

ISBN 978-8260-4989-7<br />

Beobachtungen zur Siedlungs- und Bevölkerungsstruktur<br />

In: Spessart – Monatszeitschrift für die Kulturlandschaft<br />

Spessart, Juli 2013, S. 11-17<br />

Ein „unrentierliches Objekt“?<br />

Rothenfels im Fokus der Grafen <strong>von</strong> Wertheim und<br />

Fürsten <strong>von</strong> Löwenstein-Wertheim-Rosenberg<br />

In: Wertheimer Jahrbuch 2012, Wertheim 2013,<br />

S. 85-116<br />

„ain starcke veste burgk“<br />

Zur Baugeschichte der Burg Rothenfels am Main<br />

In: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und<br />

Kunst Bd. 65, Würzburg 2014, S. 29-58<br />

Gralsburg und Ehrenmal<br />

Anmerkungen zur Idee und Ideologie der<br />

Jugendburg<br />

In: Burgen und Schlösser – Zeitschrift für Burgenforschung<br />

und Denkmalpflege, 2/2014, S. 105-115<br />

Der Alltag war bunt<br />

Die farbige Gestaltung und Ausstattung <strong>von</strong> Burgen<br />

am Beispiel <strong>von</strong> Rothenfels<br />

In: Beiträge zur Geschichte der Stadt und des<br />

Raumes Lohr, Ausgabe 2015 (Schriften des Geschichts-<br />

und Museumsvereins Lohr a. Main Folge<br />

58/2015), S. 63-85


Finis.<br />

Schriftzug aus dem Rothenfelser Ratsprotokollbuch 1732-1751


In der unterfränkischen Kleinstadt Rothenfels am Main gab<br />

es schon im Mittelalter eine jüdische Gemeinde, die in unbekannter<br />

Zeit unterging. Erst im 17. Jahrhundert siedelten sich in<br />

der Stadt, danach in dem zugehörigen Dorf Berg<strong>rothenfels</strong> Juden<br />

erneut an. Deren Geschichte endete vor 1900 wegen Überalterung<br />

der Familien und Abwanderung ihrer jungen Mitglieder. Einige<br />

Nachkommen sind in Würzburg und Frankfurt am Main – und in<br />

nationalsozialistischen Vernichtungslagern nachweisbar.<br />

Die bisher unbekannte Geschichte dieser kleinen fränkischen<br />

Land<strong>juden</strong>gemeinde wird hier aus zahlreichen amtlichen Akten,<br />

Korrespondenzen und Protokollen rekonstruiert. Auch die vor<br />

Ort fast völlig verwehten Spuren der Juden werden entdeckt: ein<br />

schon vor Jahrhunderten aufgelassener Friedhof, die ehemaligen<br />

Wohnstätten und die nur noch literarisch überlieferten Gemeindezentren.<br />

So entsteht ein Bild der wechselhaften Geschicke der Rothenfelser<br />

und Berg<strong>rothenfels</strong>er jüdischen Familien, ihres Lebens und Arbeitens<br />

als Händler und Bauern. Deutlich wird der lange Weg einer<br />

religiösen Minderheit im Wandel der Politik zwischen Vertreibung<br />

und Duldung, Ausgrenzung und Emanzipation.

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