juden-von-rothenfels
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Winfried Mogge<br />
„Wir hingegen in<br />
gedachten städtlein<br />
gebohren und gezogen seyn ...“<br />
Auf den Spuren der Juden <strong>von</strong> Rothenfels am Main<br />
Königshausen & Neumann
Winfried Mogge<br />
———<br />
„Wir hingegen in gedachten städtlein<br />
gebohren und gezogen seyn ...“
Beiträge zur Geschichte <strong>von</strong> Rothenfels am Main<br />
1
Winfried Mogge<br />
„Wir hingegen in gedachten städtlein<br />
gebohren und gezogen seyn ...“<br />
Auf den Spuren der Juden <strong>von</strong> Rothenfels am Main<br />
Königshausen & Neumann
Umschlagbild:<br />
Blick <strong>von</strong> der Burgtreppe auf die Stadt Rothenfels<br />
mit Rathaus (1598/99), Juliusspital (1597/99) und Kirche (1610/11, Turm 1750),<br />
an der Treppe Kreuzwegstation (1753) und „Judenbildstock“ (1752)<br />
Innentitel:<br />
Rothenfelser Grabstein vom Jüdischen Friedhof Laudenbach<br />
(5579/1818)<br />
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek<br />
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen<br />
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet<br />
über http://dnb.d-nb.de abrufbar.<br />
© Verlag Königshausen & Neumann GmbH, Würzburg<br />
2., verbesserte Auflage 2016 (online-Ausgabe)<br />
Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier<br />
Umschlag: skh-softics / coverart<br />
Umschlagabbildung: Günter Giessler, Rothenfels<br />
Layout: Winfried Mogge, Berlin<br />
Alle Rechte vorbehalten<br />
Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt.<br />
Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist<br />
ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere<br />
für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung<br />
und Verarbeitung in elektronischen Systemen.<br />
Printed in Germany<br />
ISBN 978-3-8260-5870-7<br />
www.koenigshausen-neumann. de<br />
www.libri.de<br />
www.buchhandel.de<br />
www.buchkatalog.de
Inhalt<br />
Prolog 7<br />
1. Erinnerungen und Quellen 7<br />
2. Anfänge der Siedlung Rothenfels 9<br />
3. Nathan <strong>von</strong> Rothenfels und seine Zeit 11<br />
4. Spuren der ersten jüdischen Gemeinde 13<br />
5. Sprünge der Würzburger Judenpolitik 17<br />
6. Neubeginn und erste Namen 19<br />
7. Konflikte und Ausweisungen 21<br />
8. Ausgrenzungen und Anpassungen 27<br />
9. Schritte zur Emanzipation 31<br />
10. Leben und Arbeiten in Rothenfels 35<br />
11. Leben und Arbeiten in Berg<strong>rothenfels</strong> 37<br />
12. Häuser der Juden 42<br />
13. Streit um die Synagoge 48<br />
14. Unterricht und Kultus 50<br />
15. Das Ende der Kehillah Rothenfels 57<br />
16. Verstreut, verschollen, ermordet 59<br />
Epilog 59<br />
Anhang<br />
1 Schutz<strong>juden</strong> im Amt Rothenfels (17. bis 18. Jh.) 61<br />
2 Juden im Herrschaftsgericht Rothenfels (19. bis 20. Jh.) 62<br />
3 Juden im Herrschaftsgericht Rothenfels (1833) 63<br />
4 Seelen-Register 1743 64<br />
5 Jüdische Familien in Rothenfels (17. bis 19. Jh.) 66<br />
6 Jüdische Familien in Berg<strong>rothenfels</strong> (18. und 19. Jh.) 67<br />
7 Stammtafel Männlein / Freudenberger 68<br />
8 Stammtafel Isack / Heil 69<br />
9 Stammtafel Kahn / Völker 70<br />
10 Personenstandsregister 1829-1875 71<br />
11 Jüdische Wohnstätten in Rothenfels und Berg<strong>rothenfels</strong> 74<br />
Literatur und Quellen 75<br />
Abbildungsnachweis 80<br />
Dank 80<br />
Abkürzungen 81<br />
Personenregister 81<br />
Ortsregister 84<br />
Nachwort und Nachträge 85
Rothenfels<br />
Stahlstich nach einer Zeichnung <strong>von</strong> Fritz Bamberger (1814-1873), 1847
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 7<br />
Prolog<br />
Im März 1749 schreiben Nathan Hirsch und Moyses<br />
Berl aus Rothenfels am Main der Hochstiftischen Regierung<br />
zu Würzburg einen flehentlichen Brief. Der<br />
kurz zuvor verstorbene Fürstbischof Anselm Franz<br />
<strong>von</strong> Ingelheim hatte auf Antrag <strong>von</strong> Bürgermeister und<br />
Rat der Stadt Rothenfels ihre sofortige Ausweisung<br />
aus diesem Ort verfügt. Die beiden würzburgischen<br />
Schutz<strong>juden</strong> haben sich nichts zuschulden kommen<br />
lassen; ihr einziges Vergehen besteht darin, dass sie<br />
Juden sind und mit landesherrlicher Genehmigung in<br />
dem Ort wohnen und in dem umliegenden Landamt<br />
ihre Handelsgeschäfte betreiben. Allerdings hat sich<br />
mit ihnen die Zahl der traditionell in der Stadt zugelassenen<br />
jüdischen Familien <strong>von</strong> zwei auf vier verdoppelt.<br />
Aus Sicht der Ratsherren ist das nun eine<br />
unerträgliche Konkurrenz für die alteingesessenen<br />
Kaufleute, gar die existenzielle Gefährdung <strong>von</strong> Handel<br />
und Wandel in dem armen Städtlein. Die betroffenen<br />
Juden hingegen kämpfen mit Bittschriften um ihr<br />
verbrieftes Aufenthaltsrecht. Sie beklagen die ihnen<br />
drohende Eliminierung als Vertreibung aus ihrem Lebens-<br />
und Arbeitsbereich, und das meint nicht nur den<br />
wirtschaftlichen Ruin, sondern auch den Verlust der<br />
Heimat: [...] wir hingegen in gedachten städtlein gebohren<br />
und gezogen seyn. 1<br />
1. Erinnerungen und Quellen<br />
Der Vorgang <strong>von</strong> 1749 ist beispielhaft. Er wiederholt<br />
sich mehrmals in Rothenfels und unzählige Male in<br />
anderen Orten. Das Beispiel steht für die allzeit gefährdete<br />
Existenz einer religiösen Minderheit als ein<br />
schrilles Leitmotiv der deutschen Geschichte.<br />
Für zahlreiche Orte und Regionen sind die Schicksale<br />
der jüdischen Gemeinden inzwischen dokumentiert<br />
und Bestandteil der „Erinnerungskultur“, so auch<br />
in Unterfranken und Bayern. 2 Für die Kleinststadt Rothenfels<br />
am Main und das seit Jahrhunderten zugehörige<br />
Dorf Berg<strong>rothenfels</strong> wollen die folgenden Seiten<br />
ein erster Versuch sein, dieses fast unbekannte und<br />
erstmals 1992 auf wenigen Seiten thematisierte Kapitel<br />
ihrer Geschichte darzustellen. 3<br />
Es gab hier eine jüdische Gemeinde bereits im<br />
1 StAWt-R Rep. 65g Nr. 47 (darin Korrespondenzen und Resolutionen<br />
<strong>von</strong> 1749, unpaginiert, teils undatiert). Ausführlich dazu<br />
unten S. 24 f. – Zitate aus Quellen werden in der vorliegenden<br />
Arbeit in Kursivschrift ohne Anführungszeichen wiedergegeben.<br />
2 Vgl. D. Rosenstock, Literatur zur jüdischen Geschichte Unterfrankens<br />
(2003); F. Wiesemann, Judaica bavarica (2007). Laufend<br />
aktualisierte Literaturlisten finden sich auf der Homepage<br />
des Johanna-Stahl-Zentrums für jüdische Geschichte und Kultur<br />
in Unterfranken (www.johanna-stahl-zentrum.de) und in der<br />
Datenbank Alemannia Judaica (www.alemannia-judaica.de).<br />
3 Vgl. P. Kolb, Chronik (1992), S. 105-107, 158, 371 f Anm. 381<br />
und 383; ders., Berg<strong>rothenfels</strong> (1997), S. 35 f.<br />
Mittelalter, die in unbekannter Zeit unterging – vertrieben<br />
oder umgebracht wurde. Seit der Mitte des 17.<br />
Jahrhunderts sind dann Juden in der Stadt und dem<br />
würzburgischen Amt Rothenfels wieder nachweisbar.<br />
Es gab hier wie anderenorts Phasen friedlichen Zusammenlebens<br />
<strong>von</strong> Christen und Juden, überwiegend<br />
jedoch Zeiten der misstrauischen Beobachtung und<br />
rücksichtslosen Vertreibung der Minderheit durch<br />
Nachbarn und Obrigkeiten; die Ausgrenzung der stets<br />
nur geduldeten Andersgläubigen war auch nach endlich<br />
errungener bürgerlicher Emanzipation im 19.<br />
Jahrhundert nicht überwunden.<br />
Die Geschichte der jüdischen Gemeinde <strong>von</strong> Rothenfels<br />
und Berg<strong>rothenfels</strong> endet bereits vor 1900<br />
durch Überalterung und Abwanderung. Die letzte katastrophale<br />
Phase im Nationalsozialismus fehlt dank<br />
dieser historischen Zufälle an diesem Ort; es besteht<br />
kein Grund zu der Annahme, sie hätte hier anders verlaufen<br />
können als fast überall. Einige noch in dem<br />
Mainstädtchen geborene Jüdinnen und Juden sind in<br />
Frankfurt am Main nachweisbar; sie wurden 1940 und<br />
1942 deportiert und in Vernichtungslagern umgebracht.<br />
In Rothenfels und Berg<strong>rothenfels</strong> sind die Spuren<br />
des jahrhundertelangen jüdischen Lebens verweht. Es<br />
gibt unter den heutigen Bewohnern der Stadt und des<br />
Dorfes kaum noch Erinnerungen an diese Minderheit.<br />
Ein schmales Gässchen in der Stadt mit der inoffiziellen<br />
Bezeichnung Judenwinkel ist den Ältesten noch<br />
geläufig. Die Existenz <strong>von</strong> Synagogen und die Lage<br />
einiger Wohnungen ist nach mühsamer Suche aus urkundlichen<br />
Nachrichten zu erschließen. Ein ehemaliges<br />
Judenbad wurde vor fast 40 Jahren beim Umbau<br />
eines Privathauses in Berg<strong>rothenfels</strong> für kurze Zeit<br />
sichtbar. Über den versunkenen Judenkirchhof der<br />
mittelalterlichen Gemeinde nördlich der Altstadt <strong>von</strong><br />
Rothenfels geben spätere Steuerakten und Katasterkarten<br />
Auskunft; im Gelände ist nichts mehr da<strong>von</strong> zu sehen.<br />
Einige neuzeitliche Grabsteine für Rothenfelser<br />
Juden stehen auf dem jüdischen Verbandsfriedhof<br />
Laudenbach bei Karlstadt. Kultgegenstände aus den<br />
Betstuben oder aus Wohnhäusern sind derzeit nicht<br />
nachweisbar, familiäre Traditionen nicht gewärtig.<br />
In der veröffentlichten Dokumentation der Rothenfelser<br />
Stadt- und Dorfgeschichte finden sich einige<br />
Textseiten und Quellennachweise über jüdische Familien,<br />
ergeben aber kein zusammenhängendes Bild. 4 In<br />
der inzwischen reichen Literatur zur Geschichte der<br />
Juden in Bayern und Unterfranken und im heutigen<br />
Main-Spessart-Kreis ist Rothenfels kaum bekannt und<br />
wird meist nur der Mangel an schriftlichen Quellen<br />
und realen Zeugnissen festgestellt. 5<br />
4 P. Kolb (wie Anm. 3).<br />
5 Auf eine Anhäufung <strong>von</strong> Literaturstellen, die sich meist aufeinander<br />
und auf dieselben Quellen beziehen, wird in dieser Arbeit<br />
verzichtet. – Als Hintergrund für die gesamte Arbeit dienten die<br />
Standardwerke <strong>von</strong> J. F. Battenberg (1990, 2001) zur jüdischen<br />
Geschichte. Als Übersichtsdarstellungen und zur Einführung
8 Winfried Mogge<br />
Leider sind die als Geschichtsquelle so wichtigen<br />
Amtsprotokolle der in der Burg Rothenfels residierenden<br />
fürstbischöflichen Verwaltung bis auf einige Extracte<br />
verloren gegangen. Die alten Ratsprotokolle der<br />
Stadtverwaltung bieten nur vereinzelte Mitteilungen<br />
über die jüdischen Bewohner. Recherchen vor allem in<br />
den Staatsarchiven Würzburg und Wertheim und im<br />
Stadtarchiv Rothenfels förderten jedoch umfangreiches,<br />
bisher nur zum geringen Teil oder überhaupt<br />
nicht beachtetes Material zutage. Es sind viele verstreute<br />
Informationen vor allem aus amtlichen Korrespondenzen<br />
und Protokollen, Gemeinderechnungen<br />
und Grundsteuerakten, die sich schließlich zu einem<br />
Bild fügen. Die jüdische Gemeinde <strong>von</strong> Rothenfels<br />
und Berg<strong>rothenfels</strong> bekommt damit Namen und Daten,<br />
bekommt ein Gesicht und eine wenn auch bruchstückhaft<br />
bleibende Geschichte.<br />
Es ist keine große Gemeinde und keine spektakuläre<br />
Geschichte. Während in einigen Dörfern des Landamtes<br />
Rothenfels zahlenmäßig beachtliche Gruppen<br />
<strong>von</strong> Juden wohnten, waren es in dem stättlein nur wenige:<br />
meist zwei bis vier, selten mehr Familien, ebenso<br />
im zugehörigen Dorf auf dem berg, dazu eine wechselnde<br />
Zahl <strong>von</strong> Einzelpersonen. Das bisherige Bild<br />
umstürzende neue Aspekte zur Entwicklung der fränkischen<br />
Judenschaft sind <strong>von</strong> Rothenfels nicht zu erwarten,<br />
wohl aber einige regionale Differenzierungen<br />
und Korrekturen.<br />
So lässt sich beispielhaft zeigen, wie sich die fürstbischöflich-würzburgische,<br />
dann königlich-bayerische<br />
Religions- und Judenpolitik in einer solchen Randlage<br />
in der Provinz umsetzte. Und es tritt die durchaus charakteristische<br />
Existenz einiger jüdischer Generationen<br />
in einer unterfränkischen Kleinststadt hervor, zu betrachten<br />
und zu verstehen vor dem Hintergrund der jeweiligen<br />
Zeit und Politik – eine Geschichte, die es vor<br />
wurden benutzt: Die Ortschafts- und Einleitungsartikel in Germania<br />
Judaica Bde. I-III (1963-2003); L. Scherg / M. Harth,<br />
Marktheidenfeld (1993); R. Flade, Würzburger Juden (²1996);<br />
L. Scherg, Jüdisches Leben (2000); G. Christ, Lohr (2007). Die<br />
Einleitung <strong>von</strong> K. Müller zu dem monumentalen Werk über die<br />
Grabsteine vom jüdischen Friedhof in Würzburg (2011) wird<br />
hier nicht zitiert, sondern die ausführlichere Darstellung: K.<br />
Müller, Würzburger Judengemeinde (2004). Außerdem die Beiträge<br />
<strong>von</strong> K. Arnold und L. Scherg in der <strong>von</strong> P. Kolb und E. G.<br />
Krenig herausgegebenen Unterfränkischen Geschichte (1992,<br />
1999, 2002) und <strong>von</strong> H. P. Baum, U. Gehring-Münzel und K.<br />
Müller in der <strong>von</strong> U. Wagner herausgegebenen Geschichte der<br />
Stadt Würzburg (2001, 2004, 2007); dort finden sich jeweils<br />
umfangreiche Literaturhinweise. Als neuere Spezialuntersuchungen<br />
wurden vor allem genutzt: J. F. Harris, The People<br />
Speak! (1994); I. König, Judenverordnungen (1999); D. Rosenstock,<br />
Judenmatrikeln (2008); B. Rösch, Judenweg (2009); R.<br />
Mehler, Matrikelbestimmungen (2011). Kurzfassungen zu einzelnen<br />
Orten mit weiterführenden Hinweisen bietet die Online-<br />
Dokumentation www.alemannia-judaica.de. Im Aufbau befindlich<br />
(und derzeit noch ohne Hinweise zu Rothenfels) ist die<br />
„Biographische Datenbank jüdisches Unterfranken“ bei wwwland<strong>juden</strong>tum-unterfranken.de.<br />
Einen kurzen, reich bebilderten<br />
Überblick bietet das Begleitheft zur Wanderausstellung „Mitten<br />
unter uns. Land<strong>juden</strong> in Unterfranken vom Mittelalter bis ins<br />
20. Jahrhundert“ (2013).<br />
Ort zu erspüren, aus den Schatzkammern der Archive<br />
zu heben, zu rekonstruieren und zu erinnern gilt.<br />
An der Stelle sei ein Exkurs über die Namensgebungen<br />
der Juden eingebracht. Die jüdischen Namen<br />
machen es oft nicht leicht, familiäre Zusammenhänge<br />
zu erkennen. Üblich ist zunächst die Verwendung nur<br />
eines Namens, wobei die direkten Herleitungen <strong>von</strong><br />
biblischen Personen besonders beliebt sind: in Rothenfels<br />
Abraham, David, Isaak, Joseph, Moses, Nathan.<br />
Auch allegorische Tiernamen sind gebräuchlich: Bär<br />
für Isaschar, Hirsch für Naphtali, Wolf für Benjamin,<br />
ebenso Eindeutschungen wie Meier oder Mayer für<br />
Meïr, Hermann für Chaim. Häufig begegnen Verkleinerungen<br />
wie Hirschlein oder Hirschle; sehr fränkisch<br />
klingen Verniedlichungen wie Berla oder Perla für<br />
Berlein oder Perlein. 6 Die Schreibweise ist – wie allgemein<br />
üblich – willkürlich, auch kommen alle denkbaren<br />
Varianten vor, zum Beispiel Moyses, Moises,<br />
Moizes, Mossel, Moschel für Moses. 7<br />
In der Mitte des 18. Jahrhunderts gehen auch in<br />
Rothenfels die Juden zu der hebräischen Tradition<br />
über, den Namen mit dem Vaternamen zu kombinieren.<br />
So schreibt sich ein bisheriger Moyses nun Moyses<br />
Lazarus, sein Sohn Mayer nun Mayer Moyses.<br />
Amts- und Ratsschreiber bereiten den späteren Leserinnen<br />
und Lesern Verwirrung, indem sie gelegentlich<br />
beide Namensteile einzeln verwenden. Bei den ersten<br />
Schritten zur bürgerlichen Emanzipation wird die Annahme<br />
unveränderlicher, vererbbarer Familiennamen<br />
zur Pflicht – im ehemaligen Hochstift Würzburg nach<br />
dem Übergang an Bayern ab 1816. Die Rothenfelser<br />
Juden kommen dazu schon 1811 anlässlich der kurzen<br />
Zugehörigkeit <strong>von</strong> Teilen des alten Landamtes zum<br />
Großherzogtum Frankfurt. 8 Sie wählen Familiennamen<br />
wie Heil und Freudenberger, die auch bei Glaubensgenossen<br />
in Nachbarorten gängig sind.<br />
Überhaupt begegnet eine Anzahl gleicher Namen –<br />
zum Beispiel Nathan Freudenberger – auch in anderen<br />
Orten. Nur in wenigen, genau zu prüfenden Fällen<br />
darf dabei auf identische Personen oder Verwandtschaften<br />
geschlossen werden.<br />
Auch bei der Zuordnung <strong>von</strong> Namen zu den Konfessionen<br />
ist genaues Hinsehen geboten. Heil, Herrmann<br />
und Hirschlein können hier christliche und<br />
jüdische Familien heißen. Eine traditionsreiche Rothenfelser<br />
Familie Jud ist christlich; dasselbe gilt für<br />
die „typisch jüdischen“ Familiennamen Bernstein und<br />
Salomon. Ein Vorname wie David lässt ebenfalls noch<br />
keine Rückschlüsse auf die Religionszugehörigkeit<br />
seines Trägers zu.<br />
6 Ausführlich zur Geschichte der jüdischen Namen: E. H. und H.<br />
W. Guggenheimer, Etymologisches Lexikon.<br />
7 In der vorliegenden Arbeit werden die Namen bei Zitaten aus<br />
Quellen buchstabengetreu, ansonsten in der häufigsten Variante<br />
oder der <strong>von</strong> den Trägern selbst bevorzugten Schreibweise wiedergegeben.<br />
8 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8663 fol. 258; vgl. D.<br />
Rosenstock, Judenmatrikeln, S. 34, 191.
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 9<br />
2. Anfänge der Siedlung Rothenfels<br />
Der erste namentlich bekannte Einwohner <strong>von</strong> Rothenfels<br />
am Main ist ein Jude. Er nennt sich Nathan<br />
de Rotenvels und taucht 1222 und 1234 als Zeuge in<br />
zwei Würzburger Urkunden auf. 9<br />
Solche Zufälle der schriftlichen Überlieferung sind<br />
Glücksfälle für die historische Forschung. Es gibt keine<br />
urkundlichen, baulichen oder archäologischen<br />
Zeugnisse für die Anfänge <strong>von</strong> Rothenfels. Jäger und<br />
Fischer werden die ersten gewesen sein, die hier den<br />
Wald und den Fluss und die Bäche nach Nahrung absuchten.<br />
Zweifellos waren sie im Namen und Auftrag<br />
der nahegelegenen Benediktinerabtei Neustadt unterwegs.<br />
Denn der umliegende Grund vom Main bis weit<br />
in den Spessart hinein gehörte seit karolingischer Zeit<br />
diesem als adelige Familienstiftung entstandenen<br />
Kloster. Für eine Siedlung an der Stelle der späteren<br />
Stadt Rothenfels unten im Tal und des Dorfes Berg<strong>rothenfels</strong><br />
oben auf der Anhöhe gibt es jedoch keine<br />
Nachweise und auch keine Wahrscheinlichkeit, bevor<br />
überhaupt auf dem roten Felsen über dem Main die<br />
Burg entstand. 10<br />
Der fränkische Adelige Marquard II. <strong>von</strong> Grumbach<br />
(um 1113/1125-1171), Vogt des Klosters Neustadt<br />
und enger Mitarbeiter der ersten staufischen<br />
Könige, baute seine Burg ab 1150 als einen <strong>von</strong> meh-<br />
9 Vgl. Anm. 28 und 29.<br />
10 Ausführlich dazu W. Mogge, Anfänge <strong>von</strong> Rothenfels; ders.,<br />
Stadt Rothenfels.<br />
reren Familiensitzen und künftiges Herrschaftszentrum<br />
der Region. In einem ausführlichen Vertrag vom<br />
8. Juli 1150 zwischen dem Abt und dem Aristokraten<br />
wurden die Konditionen für das aufwändige Projekt<br />
genau geregelt. Der mächtige Herr <strong>von</strong> Grumbach<br />
nahm die starcke veste burgk mit zugehörigem Land<br />
vom Kloster zu Lehen. Dabei ist noch keine Rede <strong>von</strong><br />
bereits vorhandenen Höfen oder Häusern, geschweige<br />
denn einer Ansiedlung. Die wird erst zeitgleich mit der<br />
Burg aus Versorgungshöfen der neuen Befestigung<br />
entstanden sein. 11<br />
Aus wenigen Mosaiksteinen urkundlicher Überlieferungen<br />
ergibt sich eine ungefähre Vorstellung der<br />
Anfänge <strong>von</strong> Rothenfels. Die ersten Vorkommen des<br />
Ortsnamens, zum Beispiel <strong>von</strong> 1159, betreffen stets<br />
nur die Burg, nicht die Siedlung. 12 Im Jahr 1282 – inzwischen<br />
haben die Grafen <strong>von</strong> Rieneck die Herren<br />
<strong>von</strong> Grumbach beerbt – ist in einem Friedensvertrag<br />
zwischen dem Grafenhaus und dem Hochstift Würzburg<br />
zum ersten Mal <strong>von</strong> einem Amt zu Rotenvels die<br />
Rede. 13 Zu der Zeit haben die Fürstbischöfe das ehemals<br />
reichsfreie Kloster Neustadt längst unter ihre<br />
weltliche und geistliche Herrschaft gezwungen und<br />
verfügen auch über dessen Lehen. In einer Beschrei-<br />
11 Ausführlich dazu W. Mogge, Dies uralt Haus, S. 10-12, 36-42,<br />
107-112; ders., Burg Rothenfels im Hochmittelalter (dort S. 6<br />
farbige Abbildung der Urkunde vom 8. 7. 1150).<br />
12 W. Mogge, Dies uralt Haus, S. 29, 40, 272 f.<br />
13 StAWü WU 8620 (Urkunde vom 17. 1. 1282). Vgl. Th. Ruf,<br />
Grafen <strong>von</strong> Rieneck, Teil I, S. 149, 381; W. Mogge, Dies uralt<br />
Haus, S. 46, 51.
10 Winfried Mogge<br />
bung des Rothenfelser Lehens (feodum) aus dem Jahr<br />
1317 werden die Klostervogtei (advocacia) und zugehörige<br />
Güter (bona), die Burg (castrum) und das Gericht<br />
(cent) im Zusammenhang genannt. 14 Somit wird<br />
hier eine bereits ausgebildete Herrschafts- und Verwaltungsstruktur<br />
sichtbar.<br />
Dank einiger weniger Hinweise scheinen nun Beamte<br />
nicht nur in der Burg, sondern auch im Ort auf:<br />
ein Schultheizz als Vertreter des Landesherrn (1319) 15 ,<br />
ein Priester als Rector der Kirche (1341) 16 . Ein sicheres<br />
Datum ist dann das Jahr 1342: Rothenfels wird<br />
zum ersten Mal in Urkunden stat (Stadt) genannt, und<br />
zwar in einem Vertragswerk vom 12. November zwischen<br />
Kaiser Ludwig IV. dem Bayern (1314-1347)<br />
und seinen Söhnen und dem Würzburger Fürstbischof<br />
Otto II. <strong>von</strong> Wolfskeel (1333-1345) über die Verteilung<br />
des Erbes der Grafen <strong>von</strong> Rieneck-Rothenfels,<br />
die kurz zuvor ausgestorben waren (1333). 17<br />
In jenem Jahr 1342 bestand hier also schon ein<br />
verfasstes Gemeinwesen im Schutz der Burg, und das<br />
konnte kaum innerhalb kurzer Zeit aus dem Boden gestampft<br />
werden, sondern musste schon länger gewachsen<br />
sein. Ein Gründungsdatum oder eine formelle<br />
Erhebung zur Stadt ist, wie so oft im Mittelalter, für<br />
Rothenfels nicht bekannt. Auch über die Zusammensetzung<br />
und die Tätigkeiten der Bewohner erfährt man<br />
zu der Zeit noch nichts. Indirekt wird jedoch mitgeteilt<br />
und darf man schließen: Es gab an diesem Ort eine arbeitsteilige<br />
Bürgerschaft mit Selbstverwaltung und<br />
Gerichtsbarkeit, mit Befreiung <strong>von</strong> der Leibeigenschaft,<br />
Steuererleichterungen und der Pflicht, eine<br />
Mauer zu bauen und zu erhalten. Denn das sind einige<br />
Merkmale des Rechtsgebildes Stadt, und die werden<br />
durch die zeitlich folgenden Nachrichten für Rothenfels<br />
bestätigt. 18<br />
Die ersten schriftlichen Unterlagen über Umfang<br />
und Verwaltung, Einnahmen und Ausgaben, Menschen<br />
und Berufsgruppen der hochmittelalterlichen Stadt lassen<br />
noch länger auf sich warten, was wiederum den<br />
Zufällen der Überlieferung geschuldet ist. Sie setzen<br />
ein mit zwei <strong>von</strong> der Forschung bisher nicht ausge-<br />
14 H. Hoffmann, Ältestes Lehenbuch, Teilband 1, S. 113 (Nr.<br />
1090).<br />
15 C. H. v. Lang / M. v. Freyberg, Regesta, Bd. V, S. 418 (Urkunde<br />
vom 26. 11. 1319). Die Interpretation erfolgt mit Vorbehalt:<br />
Möglicherweise ist der in der gräflichen Urkunde genannte<br />
Gottfrid Schultheizz dicto Rotenvels als ein Beamter vor Ort<br />
und der Name als Amtsbezeichnung zu verstehen. Vgl. P. Kolb,<br />
Chronik, S. 25 und 57.<br />
16 StAWt-R US 1341 Juni 8. In der Privaturkunde über eine Stiftung<br />
handelt Henricus de windauwe (Windau, Windheim) sacerdos<br />
Rector Ecclesie in Rotenfels (Rektor der Kirche in<br />
Rothenfels), die es also schon vorher gegeben haben muss. Vgl.<br />
P. Kolb, Chronik, S. 238.<br />
17 Bayerische Akademie der Wissenschaften, Monumenta Boica,<br />
Bd. 40, S. 429-438 (Nr. 195/1-3); teils nachgedruckt bei P.<br />
Kolb, Chronik, S. 335-337. Weitere Quellen zu dem Vorgang<br />
bei W. Mogge, Dies uralt Haus, S. 374 Anm. 203-208.<br />
18 Vgl. Th. Ruf, Quellen und Erläuterungen, S. 35 f; P. Kolb,<br />
Chronik, S. 24 ff, 56 ff, 139 f und oft; W. Mogge, Dies uralt<br />
Haus, S. 90 ff.<br />
werteten Zins- und Gültbüchern des Ritters Eitel Voit<br />
<strong>von</strong> Rieneck aus dem Jahr 1450. 19 Dessen in Mainfranken<br />
verbreitete und erfolgreich wirtschaftende Familie<br />
– nicht zu verwechseln mit den Grafen <strong>von</strong><br />
Rieneck – hatte eine Menge Eigen- und Pfandbesitz<br />
auch um Rothenfels gesammelt und in solchen Büchern<br />
ihre Einkünfte daraus verzeichnet. Es folgt eine<br />
erste Bestandsaufnahme der Zinß und gulte zu Rotenfels<br />
(1474), überliefert im ältesten Würzburger Salund<br />
Lagerbuch, das Fürstbischof Rudolf II. <strong>von</strong> Scherenberg<br />
(1466-1495) gleichermaßen für alle damaligen<br />
Landämter des Hochstifts in Auftrag gegeben hatte. 20<br />
Wiederum einige Jahre später ließ der fürstbischöfliche<br />
Amtmann die Weistümer des Amtes Rothenfels<br />
aufzeichnen, also die bislang nur mündlich überlieferten<br />
Rechte und Pflichten und Abgaben der Bürger verschriftlichen<br />
(1494). 21<br />
Aus all diesen Aufzeichnungen lassen sich Informationen<br />
zu den rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen<br />
der Stadt und der Amtsdörfer ziehen. Doch<br />
erst im folgenden Jahrhundert setzen die wirklich ergiebigen<br />
städtischen Schriftquellen ein: Protokollbücher<br />
(Rats- und Stadtgerichtsprotokolle ab 1531 22 ) und<br />
Steuerlisten (Bede-Register <strong>von</strong> 1531 23 ). Eine Fülle<br />
<strong>von</strong> Namen und Daten eröffnet nun Einblicke in die<br />
Verwaltung, die soziale Schichtung und das Alltagsleben<br />
des Ortes, der vom Ackerbürgerstädtchen aufsteigt<br />
zu einem bescheidenen Handels- und Gewerbezentrum<br />
der Region. 24<br />
Dicht verschleiert sind für heutige Betrachter die<br />
Anfänge des Dorfes Berg<strong>rothenfels</strong>. Es liegt nahe, auf<br />
der weiten Hochfläche hinter der Burg und nicht im<br />
engen Flusstal die ersten Versorgungshöfe der Grumbacher<br />
und Rienecker Burgherren und dann einen<br />
großen Bauhof als Eigenbetrieb des Hochstifts Würzburg<br />
anzulegen. 25 Die Heuser hinter dem Schlos Rottenfels<br />
uff dem Berg oder auff dem Berg tzu Rotenuels<br />
oder einfach nur uff dem berg heißt diese Ansiedlung<br />
in den ersten erhaltenen Schriftquellen aus dem 15.<br />
19 StAWt-G Rep. 102 Nr. 2433 (unpaginiert); Rep. 54 Nr. 101 fol.<br />
2-7. Einige Daten aus letzterem bei P. Kolb, Chronik, S. 57, 366<br />
Anm. 182.<br />
20 StAWü Salbuch Nr. 1 fol. 281-314. Vgl. D. Rödel, Erstes Salbuch,<br />
S. 38-41. Eine „Ortsstatistik“ bietet G. Christ, Lohr, S.<br />
314-328.<br />
21 StadtAR II 1/1 (Stadtbuch B, bezeichnet Anno 1413, tatsächlich<br />
eine Sammlung <strong>von</strong> Urkundenkopien des 15. bis 17. Jhs.,<br />
nach dem ersten Text fälschlich auf 1413 datiert), S. 1-8; StA-<br />
Wü Salbuch Nr. 136 (zusammengestellt 1540), Nr. 137 (zusammengestellt<br />
etwa 1596), Nr. 138 (Zusammenfassung mehrerer<br />
älterer Salbücher und Konzepte, 1683); StAWt-R S 2 Nr. 474<br />
(1683-1724); S 2 Nr. 522 (1732/33). Ausführliche Beschreibung<br />
der Quellen bei W. Mogge, Dies uralt Haus, S. 91 ff, 386 Anm.<br />
387-391.<br />
22 StadtAR II 2/1 (Ratsprotokolle 1531-1553), II 2/2 (Ratsprotokolle<br />
1590-1594), II 2/3 (Ratsprotokolle 1592-1616), II 2/4<br />
(Ratsprotokolle 1594-1595).<br />
23 StadtAR II 7/1 (Beth-Register 1531).<br />
24 Ausführlich dazu P. Kolb, Chronik, S. 91-110, 164-183 und oft.<br />
25 Ausführlich dazu W. Mogge, Dies uralt Haus, S. 36-44, 107-<br />
112.
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 11<br />
Würzburger<br />
Urkunde,<br />
März 1222<br />
In der Zeugenreihe,<br />
vorletzte Zeile:<br />
natan de rotenuelse<br />
Jahrhundert. 26 Seit dem Beginn der Aufzeichnungen<br />
erscheint Berg<strong>rothenfels</strong> als ein Teil der Stadt, und die<br />
Bewohner des Dorfes genießen die Bürgerrechte; nur<br />
für 150 Jahre, <strong>von</strong> 1822 bis 1972, gehen die Kommunen<br />
getrennte Wege. 27 Die jüdische Gemeinde, um ein<br />
Ergebnis der Untersuchung vorwegzunehmen, wird im<br />
Lauf der Zeit aus dem ummauerten Bereich der Stadt<br />
in das offene Dorf verdrängt.<br />
Angesichts der relativ späten Nachrichten über die<br />
Anfänge <strong>von</strong> Rothenfels erscheint es geradezu sensationell,<br />
dass wir über den Juden Nathan bereits aus der<br />
ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts Kunde <strong>von</strong> der<br />
Existenz des Ortes haben und auch den Namen eines<br />
Bewohners kennen. Galten bisher die Grafen <strong>von</strong><br />
Rieneck-Rothenfels (1243-1333) zu Recht als planmäßige<br />
Förderer der Siedlung und des Amtes, so rücken<br />
nun schon die Herren <strong>von</strong> Grumbach (1150-1243) als<br />
mögliche und wahrscheinliche Gründer eines Dorfes<br />
oder Marktes ins Blickfeld. Mehr lässt sich dazu aus<br />
den Dokumenten <strong>von</strong> 1222 und 1234 aber nicht herauslesen,<br />
ohne in Spekulationen zu verfallen.<br />
26 StAWt-R Rep. 54 Nr. 101 fol. 5‘; StAWü Salbuch Nr. 136 fol.<br />
5‘, 10-18‘, 31‘; Salbuch Nr. 137 fol. 10-16, 228-233.<br />
27 Zum 1. 10. 1822 lösten sich Berg<strong>rothenfels</strong> und Windheim aus<br />
dem Gemeindeverband Rothenfels; mit dem 1. 1. 1972 wurde<br />
Berg<strong>rothenfels</strong> in die Stadt Rothenfels wieder eingegliedert.<br />
Ausführlich dazu P. Kolb, Berg<strong>rothenfels</strong>, passim.<br />
3. Nathan <strong>von</strong> Rothenfels und seine Zeit<br />
Worum geht es in diesen für die Rothenfelser Geschichte<br />
so willkommenen Würzburger Urkunden? Es<br />
handelt sich um Privatgeschäfte, wie sie in allen Städten<br />
alltäglich abgeschlossen und „mit Brief und Siegel“<br />
rechtskräftig werden. Beim ersten verpfändet der<br />
Ritter (und Würzburger Bürger) Billung der Jüngere<br />
<strong>von</strong> Pleichfeld dem Juden joseph de wertheim einen<br />
Weinberg in Unterdürrbach, einem heutigen Vorort der<br />
Stadt. Die Urkunde ist ausgestellt vom Schottenkloster<br />
St. Jakob, in der stattlichen Zeugenreihe findet sich<br />
natan de rotenuelse. 28 Beim zweiten Dokument geht<br />
es um Vererbung und Verkauf eines Hauses in Würzburg<br />
und der Einkünfte daraus zwischen jüdischen Familien.<br />
Hier sind Verwandte des Zeugen Joseph de<br />
Wertheim direkt beteiligt. Aussteller ist das Domkapitel,<br />
das Geschäft bezeugen mehrere Kanoniker und<br />
Laien und eine Reihe <strong>von</strong> Juden, darunter wieder Nathan<br />
de Rotenuels. 29<br />
28 StAWü WU 6507 (Urkunde ohne Tagesangabe, März 1222).<br />
Regest: C. H. v. Lang, Regesta, Bd. II, S. 127. Ohne Quellenangabe<br />
genannt bei F. Hundsnurscher / G. Taddey, Jüdische Gemeinden,<br />
S. 294.<br />
29 StAWü WU 7746 (Urkunde ohne Tagesangabe, März 1234).<br />
Regest: W. Engel, Urkundenregesten zur Geschichte der Stadt<br />
Würzburg, S. 30 f (Nr. 19). Druck: Bayerische Akademie der
12 Winfried Mogge<br />
Bemerkenswert an diesen Vorgängen ist, dass<br />
christiani ac iudei selbstverständlich neben- und miteinander<br />
handeln und hochrangige Kleriker und auch<br />
christliche Adelige und Bürger die Geschäfte der Juden<br />
bezeugen. 30 Die beiden Urkunden, zwölf Jahre<br />
auseinander liegend, dürften zufällig erhaltene Stücke<br />
einer ganzen Serie sein. Joseph und Nathan haben offensichtlich<br />
als angesehene Männer Kontakte zu führenden<br />
Kreisen in Würzburg. Sie bewegen sich frei<br />
und fern <strong>von</strong> ihren Heimatorten, leben vielleicht schon<br />
länger in der Hauptstadt, wo sie ihren Herkunftsnamen<br />
bekommen haben. 31 Wir erfahren nichts über ihre beruflichen<br />
und wirtschaftlichen Verhältnisse; wahrscheinlich<br />
sind sie vermögende Kaufleute, die sich<br />
Immobilienbesitz leisten können und flüssiges Geld zu<br />
verleihen haben. Einige Juden aus Wertheim, vielleicht<br />
aus der Familie des Joseph, wurden auf dem<br />
Friedhof der mittelalterlichen Würzburger Gemeinde<br />
beerdigt. 32 Möglicherweise hat auch Nathan <strong>von</strong> Rothenfels<br />
seinen Lebensmittelpunkt und sein Ende in<br />
der Bischofsstadt gefunden; aber das darf nicht mehr<br />
als eine Vermutung sein.<br />
Die Metropole am Main ist zu der Zeit der Mittelpunkt<br />
des fränkischen Judentums. 33 Es ist das „goldene<br />
Zeitalter“ in der Geschichte der Würzburger Juden,<br />
eine Zeit des Friedens für mehrere Generationen zwischen<br />
Wellen <strong>von</strong> Vertreibung und Vernichtung: „Nie<br />
wieder erleben sie später eine so lange Periode relativer<br />
Sicherheit, wirtschaftlicher und kultureller Blüte<br />
und religiöser Intensität.“ 34 Eine organisierte Gemeinde<br />
<strong>von</strong> etwa 700 Personen mit differenzierter Berufsstruktur<br />
lebt in einem offenen Stadtviertel um den jetzigen<br />
Marktplatz, baut ihre Hauptsynagoge an der<br />
Stelle der heutigen Marienkapelle, unterhält eigene soziale<br />
und kulturelle Einrichtungen. Ihre Kaufleute und<br />
Unternehmer sind wohlmögende Nachbarn der Christen<br />
und auch am fürstbischöflichen Hof angesehen. In<br />
Würzburg leben und arbeiten in jener Zeit bedeutende<br />
Wissenschaften, Monumenta Boica, Bd. 45, S. 77 f (Nr. 46).<br />
Die Urkunde trägt auf der Rückseite mehrere Signaturen und<br />
eine hebräische Schriftzeile: Schulden bei Raw [Herrn] Joseph.<br />
30 Zitat aus der Urkunde <strong>von</strong> 1234 (wie Anm. 29).<br />
31 Mehrere Autoren werten die Urkunde <strong>von</strong> 1234 als Beweis für<br />
den Zuzug <strong>von</strong> Juden nach Würzburg im 13. Jh. u. a. aus Rothenfels<br />
und Wertheim (K. Müller, Würzburger Judengemeinde,<br />
S. 44; H.-P. Baum, R. Leng und R. Meier, Kehillot Keddoschot,<br />
S. 7). Weitere Spuren des Nathan <strong>von</strong> Rothenfels außer den Urkunden<br />
<strong>von</strong> 1222 und 1234 sind in Würzburg nicht nachweisbar<br />
(freundliche Mitteilung des Stadtarchivs Würzburg).<br />
32 K. Müller, S. Schwarzfuchs und A. Reiner, Grabsteine, Bd. 2<br />
Teil 1, S. 319 f (Stein Nr. 192) und 954 f (Stein Nr. 647). Die<br />
Angabe bei K. Müller, Würzburger Judengemeinde, S. 44 Anm.<br />
9 (Grabsteine Nr. 519 und 1212) ist zu korrigieren (freundliche<br />
Mitteilung <strong>von</strong> Prof. Dr. Dr. Karlheinz Müller, Würzburg). –<br />
Der Würzburger Grabstein Nr. 647 (datiert zwischen 1241 und<br />
1260) ist der eines Knaben Schim'on, des Sohnes des Herrn<br />
[…] aus Wertheim. Raw (Herr) wird auch Joseph <strong>von</strong> Wertheim<br />
auf der Rückseite der Urkunde <strong>von</strong> 1234 tituliert (vgl. Anm.<br />
29).<br />
33 Vgl. K. Müller, Würzburger Judengemeinde, S. 43.<br />
34 R. Flade, Würzburger Juden, S. 6.<br />
Rabbiner und jüdische Gelehrte, deren theologische<br />
und juristische Werke und Entscheidungen im gesamten<br />
Reich gelesen und gefragt werden. 35<br />
Der Sonderstatus der deutschen Juden als religiöse<br />
Minderheit mit eigenem Recht und besonderem<br />
Schutz ist scheinbar gesichert durch reichsweit geltende<br />
Garantien der Könige und die Landfriedensgesetzgebung<br />
seit Beginn des 12. Jahrhunderts. Der<br />
Königsschutz, teuer bezahlt durch regelmäßige und außerordentliche<br />
Abgaben an die Kammer des Herrschers,<br />
wird allerdings im Lauf des 13. Jahrhunderts<br />
an Landesherren, Adelige und Städte verkauft oder<br />
verpfändet. Und so geraten die königlichen Kammerknechte,<br />
wie die Juden seit 1236 allgemein genannt<br />
werden, auch in der Stadt und im Hochstift Würzburg<br />
ab 1247 in die Abhängigkeit <strong>von</strong> Fürstbischöfen, dann<br />
auch Domkapiteln, Klöstern, Grafen und sogar<br />
Reichsrittern. Der Judenschutz wird zum finanziell<br />
einträglichen und politisch interessanten Regal territorialer<br />
Mächte. 36<br />
Der Rechtsschutz der Minderheit ist brüchig in<br />
Zeiten sozialer Unruhen in den Städten; er versagt<br />
meist dann, wenn hysterische religiöse Massenbewegungen<br />
das Land heimsuchen. Die erste große Katastrophe<br />
dieser Art wirkte sich in Würzburg zunächst<br />
nur indirekt aus. In der Vorbereitungsphase des ersten<br />
Kreuzzuges (1096-1099) zur „Befreiung“ Jerusalems<br />
und des Heiligen Landes <strong>von</strong> den „Ungläubigen“ waren<br />
ungeordnete, fanatisierte Kolonnen durch das<br />
Rheinland gezogen, hatten tausende nun als „Gottesmörder“<br />
stigmatisierte Juden getötet und ihre alten<br />
Zentren zerstört. Überlebende Flüchtlinge konnten<br />
sich nach Franken retten und um das Jahr 1100 in<br />
Würzburg eine neue Gemeinde gründen.<br />
Zu Beginn des zweiten Kreuzzuges (1147-1149)<br />
gelang es dem <strong>juden</strong>freundlichen Würzburger Bischof<br />
Siegfried <strong>von</strong> Truhendingen (1146-1150) nicht, seine<br />
Schutzbefohlenen vor dem verbrecherischen Tatendrang<br />
der in seiner Stadt lagernden Kreuzfahrer zu bewahren;<br />
unter dem Vorwand, die Juden hätten einen<br />
jungen Christen umgebracht, war es am 24. Februar<br />
1147 zu einem Pogrom gekommen.<br />
Danach aber gab es, trotz zahlreicher Übergriffe an<br />
vielen Orten auch in Franken, in Würzburg die zitierte<br />
Friedens- und Blütezeit für die jüdische Gemeinde.<br />
Die Wende kam schlagartig mit dem Jahr 1298, dem<br />
Beginn der großen Judenverfolgungen des Hochmittelalters.<br />
Die nun einsetzenden Ereignisse betrafen<br />
nicht nur die Residenzstadt, sondern auch die ländlichen<br />
Orte des Hochstifts. 37<br />
35 Ausführlich dazu K. Müller, Würzburger Judengemeinde, S.<br />
29-62, 85-95.<br />
36 Ausführlich dazu I. König, Judenverordnungen, S. 11-29, 45 f;<br />
K. Müller, Würzburger Judengemeinde, S. 63-84.<br />
37 Ausführlich dazu Germania Judaica, Bd. I S. 475-496; Bd. II/1,<br />
S. 928-936; K. Müller, Würzburger Judengemeinde, S. 17-29,<br />
96-111. Dort jeweils weiterführende Literaturlisten und Quellennachweise.
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 13<br />
Würzburger Urkunde,<br />
März 1234,<br />
und anhängendes Siegel<br />
des Domkapitels<br />
In der Zeugenreihe,<br />
vierte Zeile <strong>von</strong> unten:<br />
Nathan de Rotenuels<br />
4. Spuren der ersten jüdischen Gemeinde<br />
Die guten Jahrzehnte der Würzburger Juden dürften<br />
auch die Blütezeit der mittelalterlichen Siedlung in<br />
Rothenfels gewesen sein. Das entspräche jedenfalls<br />
der allgemeinen Entwicklung in der Region. Jüdisches<br />
Leben ist in Orten des heutigen bayerischen Regierungsbezirks<br />
Unterfranken teils schon im 12., dann<br />
vielfach im 13. Jahrhundert nachweisbar, im näheren<br />
Umkreis um unsere künftige Stadt namentlich in Arnstein,<br />
Gemünden, Homburg, Karlstadt, Lohr und<br />
Rieneck. 38 Rothenfels zählt mit seinen Nachrichten<br />
<strong>von</strong> 1222 und 1234 zu den frühesten Belegen.<br />
Wir wissen nicht, wie es den Rothenfelser Juden<br />
während der Pogrome des Mittelalters erging. Es gibt<br />
für diese Zeit keine urkundlichen Nachrichten oder<br />
zeitgenössischen Berichte aus unserem Ort. In den damaligen<br />
Memorbüchern – Totengedenkbüchern für die<br />
Opfer der Verfolgungen ab 1298 – ist Rothenfels nicht<br />
vertreten. 39 Das kann ein Hinweis auf die Unvollständigkeit<br />
dieser besonderen Art <strong>von</strong> Quellen sein. Es ist<br />
38 Vgl. L. Scherg, Jüdisches Leben; Germania Judaica, Bd. II/1, S.<br />
23, 275 f, 387 f, 429 f; Bd. II/2, S. 701. Dazu auch A. Haverkamp,<br />
Geschichte der Juden, Teil 2 (Ortsartikel), Teil 3<br />
(Karten). Fortlaufend ergänzte Ortsartikel in der Online-Dokumentation<br />
www.alemannia-judaica.de.<br />
39 Vgl. S. Salfeld, Martyrologium; A. Pomerance, Memorbücher.<br />
unwahrscheinlich, dass der würzburgische Grenzort<br />
<strong>von</strong> dem „neue(n) Phänomen der sich epidemieartig<br />
ausbreitenden Judenverfolgungen“ 40 verschont blieb.<br />
Das erste in Frage kommende Ereignis dieser Art<br />
wäre die Rintfleisch-Verfolgung <strong>von</strong> 1298 gewesen.<br />
Die inzwischen in Deutschland und Europa grassierende,<br />
religiös begründete Judenfeindschaft entzündete<br />
sich zu der Zeit meist an dem Vorwurf des<br />
„Hostienfrevels“. Eine solche angebliche Schändung<br />
einer gestohlenen konsekrierten Hostie führte zunächst<br />
in Röttingen im Taubertal zu einem Massenmord an<br />
Juden; <strong>von</strong> hier aus setzte sich ein König Rintfleisch<br />
genannter Anführer an die Spitze fanatisierter Massen<br />
und zerstörte vor allem in Franken zahlreiche jüdische<br />
Gemeinden. Allein in der Stadt Würzburg, wohin sich<br />
auch Juden aus der Umgebung geflüchtet hatten, wurden<br />
etwa 900 Menschen ermordet. 41<br />
Ähnliche Vorgänge wiederholten sich 1336/37, als<br />
ein Ritter Arnold <strong>von</strong> Uissigheim genannt Armleder<br />
Bauern und städtisches Proletariat zum Vernichtungsfeldzug<br />
gegen Juden in und um Franken anführte; in<br />
diesem Fall konnten Bürger und Rat <strong>von</strong> Würzburg<br />
40 K. Müller, Würzburger Judengemeinde, S. 96.<br />
41 Zusammenfassende neuere Literatur: R. Flade, Würzburger Juden,<br />
S. 19-36; K. Arnold, Abweichung im Glauben, S. 337-346;<br />
K. Müller, Jüdische Gemeinde, S. 515-534;
14 Winfried Mogge<br />
wenigstens die Einwohner der Stadt schützen. Die<br />
Hauptforderung der Armleder-Erhebung war die<br />
„Schuldentilgung“ durch gewaltsam erzwungene Herausgabe<br />
aller Schuldscheine jüdischer Gläubiger; dies<br />
zeigt überdeutlich die Verquickung religiös verbrämter<br />
und amtskirchlich geförderter antijüdischer Massenbewegungen<br />
mit wirtschaftlichen Interessen. 42<br />
Die ultimative Katastrophe für das mittelalterliche<br />
Judentum in Deutschland kam dann in der Folge der<br />
sprunghaften Ausbreitung des Schwarzen Todes, der<br />
Beulenpest, in den Jahren 1347 bis 1352. Die Schuld<br />
an der damals unerklärlichen und unentrinnbaren Seuche<br />
wurde kollektiv den „Brunnenvergiftungen“ durch<br />
Juden zugeschoben. Wo es in Franken noch jüdische<br />
Gemeinden gab, wurden diese ausgerottet. Die meisten<br />
Würzburger Juden kamen in der Nacht vom 20.<br />
zum 21. April 1349 ums Leben, ermordet <strong>von</strong> ihren<br />
Nachbarn. 43<br />
Jedes dieser Ereignisse hätte das Ende der jüdischen<br />
Gemeinde auch im Städtchen Rothenfels bedeuten<br />
können, das sich vor den Heimsuchungen der<br />
nahegelegenen Hauptstadt und umliegender Orte nicht<br />
verstecken, geschweige denn gegen einen etwaigen<br />
Ansturm rache- und beutehungriger Massen verteidigen<br />
konnte oder wollte. Die schriftlichen Quellen geben<br />
keine Auskunft, ob und wann hier die Juden<br />
vertrieben oder umgebracht wurden oder vielleicht<br />
fliehen konnten.<br />
Allen Katastrophen zum Trotz hat es im Spätmittelalter<br />
wieder jüdische Bewohner in Rothenfels gegeben.<br />
Dafür finden sich nur wenige verstreute, indirekte<br />
Nachweise – Informationen aus Rechtsgeschäften an<br />
anderen Orten, deren Inhalt hier nicht weiter interessiert,<br />
die jedoch einige Namen und Daten für unseren<br />
Zusammenhang bieten:<br />
– 1329 gewinnt ein Jude Jacob <strong>von</strong> Rotenfels vor<br />
dem Landgericht Würzburg einen Streit um den Kauf<br />
eines Gutes gegen die Adelsfamilie <strong>von</strong> Dettelbach. 44<br />
Der Herkunftsname lässt aufhorchen – da ist zu jener<br />
Zeit ein jüdisches Umfeld in Rothenfels zu vermuten.<br />
– In dem bereits zitierten Vertrag <strong>von</strong> 1342 zwischen<br />
Kaiser Ludwig IV. und Fürstbischof Otto II.<br />
wird das Eigentum an den vormals rieneckischen Burgen<br />
und Städten Rothenfels und Gemünden geteilt,<br />
einschließlich der Rechte an neu hinzukommenden<br />
Bürgern, ez wern kristen oder <strong>juden</strong>. 45 Das mag eine<br />
42 Wie Anm. 41.<br />
43 Die schriftlichen Quellen dazu sind ediert: H. P. Baum, Quellen<br />
zu Judenverfolgungen. Kritisch zur bisherigen Literatur K.<br />
Müller, Würzburger Judengemeinde, S. 96-137. Letzterer widerspricht<br />
der Theorie vom kollektiven Freitod der Würzburger<br />
Juden in ihren brennenden Häusern beim Pogrom <strong>von</strong> 1349, der<br />
in der Literatur, älteren Chronisten und zeitgenössischer Propaganda<br />
folgend, stereotyp behauptet wird.<br />
44 M. Schäfer, Würzburger Landgericht, Teil II Nr. 529 (17. 10.<br />
1329), dazu auch Nr. 474 (14. 9. 1327); B. Kreutz, Quellen,<br />
Bm. Würzburg Nr. 294 (27. 6. 1329).<br />
45 Bayerische Akademie der Wissenschaften, Monumenta Boica,<br />
Bd. 40, S. 431 (vgl. Anm. 17).<br />
formelhafte Bestimmung sein, kann aber auch zeigen,<br />
dass man damals Juden in dem würzburgischen Amtsort<br />
auf der Rechnung hatte.<br />
– Aus dem Jahr 1486, also mit einem großen zeitlichen<br />
Sprung, stammt die nächste (und nach derzeitigem<br />
Wissensstand letzte) Nachricht für Rothenfels aus<br />
dem Spätmittelalter. Die gemeine Judenschaft der<br />
Reichsstadt Frankfurt am Main distanziert sich hier<br />
<strong>von</strong> einer verurteilten und geächteten Jüdin namens<br />
Bestian. Wir erfahren nicht, worum es in diesem<br />
Rechtsstreit ging, erhalten aber die Information, die<br />
Frau sei „wohnhaft zu Rothenfels unter dem Bischof<br />
<strong>von</strong> Würzburg“. 46 Das tat sie zweifellos nicht allein,<br />
sondern mindestens mit einer familiären Einbettung.<br />
Selbstverständlich reichen die wenigen Daten und<br />
Namen nicht aus, die Existenz einer kontinuierlichen<br />
jüdischen Gemeinde im mittelalterlichen Rothenfels<br />
am Main zu behaupten. Man kann allenfalls vermuten,<br />
dass jener Nathan <strong>von</strong> 1222 und 1234 nicht allein in<br />
dem aufstrebenden kleinen Ort am westlichen Rand<br />
des Hochstifts lebte, dass er dort eine Familie und ein<br />
jüdisches Umfeld hatte, bevor er möglicherweise ganz<br />
nach Würzburg ging. Den Sprüngen der landesherrlichen<br />
Politik im Wechsel <strong>von</strong> Vertreibung und Duldung<br />
unterworfen, haben sich Juden wohl mehrmals neu in<br />
Rothenfels niederlassen können – so eine mögliche<br />
und einleuchtende Interpretation der höchst lückenhaften<br />
Überlieferung.<br />
Über das Ende der älteren Gemeinde schweigen<br />
sich die Archive aus. Wo die Daten fehlen, blühen die<br />
Vermutungen, und so gibt es in der Literatur unterschiedliche<br />
Angebote vom 13. bis 16. Jahrhundert. 47<br />
Beweise dazu werden in keinem Fall genannt. Spätestens<br />
im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts, so viel darf<br />
man nach der Aktenlage feststellen, leben in Rothenfels<br />
keine Juden mehr: 1531 setzen die hiesigen<br />
Ratsprotokolle und Grundsteuerregister ein, und die<br />
enthalten noch lange keine Mitteilungen über jüdische<br />
Bewohner. 48 Ein weiteres Indiz: Die Quellen berichten<br />
in jenem Jahr über eine Begräbnisstätte der ehemaligen<br />
Gemeinde nur noch in der Vergangenheitsform.<br />
Es gab im mittelalterlichen Rothenfels einen eigenen<br />
jüdischen Kirchhof – ein gewichtiges Argument<br />
für die Existenz einer Gemeinde. Auch dieser Nachweis<br />
gelingt nur indirekt. Das „Haus der Ewigkeit“,<br />
das jeder jüdische Friedhof sein soll, ist hier schon mit<br />
dem Ausgang des Mittelalters aufgelassen worden und<br />
verschwunden, vielleicht im Rahmen einer Vertreibung.<br />
Aber der eindeutige Flurname Judenkirchhof<br />
lebt in den Akten und im alltäglichen Sprachgebrauch<br />
fort.<br />
46 D. Andernacht, Regesten, Teil 2 Nr. 2303 (18. 10. 1486).<br />
47 B. Z. Ophir, Pinkas Hakehillot, Karte bei S. 376 (mit vagen, unbelegten<br />
Datierungen zu Berg<strong>rothenfels</strong> und Rothenfels); I.<br />
Schwierz, Steinerne Zeugnisse, S. 118 (Untergang der jüdischen<br />
Gemeinde „am Ende des 13. oder am Anfang des 14.<br />
Jahrhunderts“).<br />
48 Vgl. S. 10.
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 15<br />
Seite aus dem Rothenfelser Bede-Register <strong>von</strong> 1531<br />
Vorletzte Zeile: … garten genant der Jüden Kirchoff<br />
Die frühesten feststellbaren Hinweise finden sich<br />
im ältesten erhaltenen Grundsteuerregister <strong>von</strong> Rothenfels<br />
<strong>von</strong> 1531. Dort sprechen zwei Einträge über<br />
jährliche Zahlungen für sich: III d <strong>von</strong> eÿnem garten<br />
genant der Jüden Kirchoff und XV d vom rod, und Juden<br />
Kirchoff ober der stadt. 49 Das deckt sich mit der<br />
Notiz in einer späteren Würzburger Zusammenstellung<br />
der Zinsen und Güldt zu Statt- und Berg Rottenfels;<br />
dort heißt es: 3 d Zins <strong>von</strong> ungefehr 4/4 morgen<br />
Wiesgartten am Juden Kirchhoff genandt. 50 Der Name<br />
hält sich in den Grundsteuerlisten bis ins 19. Jahrhundert.<br />
51 Der Verfasser des 1882 begonnenen Rothenfelser<br />
Pfarrbuches wusste noch Bescheid: Der Garten<br />
genannt Judenkirchhof [...] lag rechts <strong>von</strong> der Wiebelsteige<br />
am Anfang des Mittelweges. 52<br />
49 StadtAR II 7/1 S. 22 und 44. Die Abkürzung d bedeutet denar<br />
(Pfennig). Rod ist ein durch Rodung gewonnenes Landstück, in<br />
der Quelle <strong>von</strong> 1531 häufig in verschiedenen Fluren genannt.<br />
Die beiden Steuerzahler des Zitats sind Hanß Weber Schiffman<br />
und Heintz Mynner.<br />
50 StAWü Salbuch Nr. 138 S. 196.<br />
51 StadtAR II 7/2 S. 57, 60, 80, 96 f, 101, 123, 131, 134, 141, 146,<br />
155 f, 165, 181, 187 f. Gelegentlich taucht die Bezeichnung Judenkirchhoff<br />
bei Grundstücksverkäufen und -versteigerungen<br />
auf, z. B. StadtAR II 2/11 S. 598 f (13. 9. 1774). Oft befinden<br />
sich die Parzellen über mehrere Generationen in Familienbesitz.<br />
52 PfarrAR Pfarrbuch (Chronik II, begonnen 1882 <strong>von</strong> Pfarrer<br />
Franz Anton Bauer), S. 298. Entsprechend die teils auf der<br />
Ausschnitt aus der Uraufnahme <strong>von</strong> 1843<br />
Oben Mitte: Flurbezeichnung Iudenkirch-Hof<br />
Mit bestmöglicher Eindeutigkeit gibt die „Uraufnahme“<br />
der Rothenfelser Gemarkung Auskunft über<br />
den gesuchten Ort. Auf dieser Karte, im Jahr 1843 vermessen<br />
und gezeichnet als Unterlage zum bayerischen<br />
„Grundsteuerkataster“, ist nördlich der Stadt ein Flurstück<br />
mit der Bezeichnung Iudenkirch-Hof zu entdecken.<br />
Dazu gehörte auch ein Teil der anschließenden<br />
Flur namens Hasengarten. 53 Das Gelände ist heute<br />
noch genau auszumachen und einzugrenzen: ein ebener,<br />
<strong>von</strong> Süd nach Nord verlaufender keilförmiger<br />
Streifen zwischen der den Main begleitenden Landstraße<br />
und dem in nördliche Richtung zum Landwehrgraben<br />
führenden Mittleren Weg. Auf der Westseite<br />
steigen die Steilhänge zum Halleberg an, gegen Norden<br />
gibt es Erweiterungsmöglichkeiten. Der Wiebel,<br />
auf der Karte Steig und Oberer Steig genannt, die alte,<br />
Pfarrchronik beruhende Stadtchronik: StadtAR IV 3/3, Chronik<br />
der Stadtgemeinde Rothenfels (begonnen 1925 <strong>von</strong> Oberlehrer<br />
Georg Max Fuß), Bd. I S. 202. – Pfarrchronik und Stadtchronik<br />
sind immer dann brauchbar, wenn die Verfasser (leider meist<br />
ohne Quellenangaben) auf ältere Protokollbücher zurückgreifen<br />
oder selbst als Zeitzeugen berichten. Die dortigen unkritischen<br />
Sammlungen <strong>von</strong> Abschriften und Regesten aus Würzburger<br />
Urkunden und Salbüchern bzw. Rothenfelser Protokoll- und<br />
Rechnungsbüchern mit zahlreichen Lesefehlern ersetzen keinesfalls<br />
den Zugriff auf die Originale.<br />
53 Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung<br />
(München), NW.085.62b.
16 Winfried Mogge<br />
Rothenfels:<br />
Das Gelände des mittelalterlichen<br />
jüdischen<br />
Friedhofs heute<br />
(Blick nach Norden)<br />
seit jeher gepflasterte Verbindungsstraße vom Tal hoch<br />
zur Burg und zum Dorf Berg<strong>rothenfels</strong>, liegt mit einer<br />
scharfen Kehre tatsächlich etwas weiter südlich als in<br />
der Pfarrchronik beschrieben; er beginnt bei dem heute<br />
nicht mehr sichtbaren ehemaligen Hafen und Stapelplatz<br />
der Stadt.<br />
Die Karte <strong>von</strong> 1843 zeigt das Gelände des Judenkirchhofs<br />
auffällig zerstückelt in 18 Parzellen. Die dort<br />
eingetragenen Ziffern sind keine Flurnummern, sondern<br />
verweisen auf die damaligen Grundstücke und<br />
Häuser in der Stadt, denen sie so zugeordnet werden<br />
können. Dank des 1847 angelegten Grundsteuerkatasters<br />
lassen sich 14 Haus- und Grundbesitzer und die<br />
Kommune selbst als Inhaber identifizieren. Auch die<br />
damalige Nutzung des Geländes geht aus den Bezeichnungen<br />
der Steuerlisten hervor: Judenkirchhofgarten<br />
mit Wiese, Acker, Garten oder Gemüsegarten. 54<br />
Als Rothenfelser Bürger hier ihre Gärtchen bewirtschafteten,<br />
den urkundlichen Nachrichten zufolge bereits<br />
im 16. Jahrhundert, war der Friedhof nur noch<br />
eine Erinnerung. 1880/81 entstand dann auf dem Gelände<br />
der Bahndamm für die Eisenbahnlinie, der wiederum<br />
110 Jahre später nicht mehr gebraucht und im<br />
Bereich der Stadt zu einer Hochwasserschutzanlage<br />
mit Umgehungsstraße umgebaut, ansonsten zu einem<br />
Radwanderweg eingeebnet wurde. Heute befindet sich<br />
das Areal des ehemaligen Judenfriedhofs vollständig<br />
im Besitz der Kommune und präsentiert sich als gepflegte<br />
Wiese mit einem kleinen Feuchtbiotop und ei-<br />
54 StAWü GrStKat Rothenfels, Grund- Saal- und Lagerbuch, Bde.<br />
I-IV, fol. 2, 135, 155, 183, 309, 432, 500, 590, 559, 598, 689,<br />
728, 876, 976 (alte Plannummern 451, 457-468, 475). Vgl. B.<br />
Rösch, Judenweg, S. 100-106, 158 f, 404 f. Die Autorin kennt<br />
das Grundsteuerkataster, nicht aber die zugehörige Karte der<br />
„Uraufnahme“.<br />
nem Pavillon als Rastplatz für Wanderer. 55 Überreste<br />
der historischen Anlage, etwa wiederverwendete<br />
Grabsteine, sind bisher nie aufgetaucht.<br />
Es muss eine vermögende Gemeinschaft gewesen<br />
sein, die sich das Grundstück für einen solchen Friedhof<br />
leisten konnte: wie üblich außerhalb des Ortes,<br />
aber nicht versteckt, sondern gut sichtbar in prominenter<br />
Lage. Weitere Einrichtungen dieser älteren jüdischen<br />
Gemeinde <strong>von</strong> Rothenfels – etwa eine Synagoge<br />
als eigenes Gebäude oder nur ein Versammlungsraum<br />
oder ein Bad – und Wohnhäuser ihrer Mitglieder lassen<br />
sich mit den neuzeitlichen Akten und Karten nicht<br />
orten.<br />
Zwischen der mittelalterlichen und der neuzeitlichen<br />
Judenschaft <strong>von</strong> Rothenfels liegen fünfzehn oder<br />
mehr Jahrzehnte, da gibt es keine Kontinuitäten. Jedenfalls<br />
bleibt der Ort ein weißer Fleck auf der reformationszeitlichen<br />
Landkarte, was die Nachweise <strong>von</strong><br />
jüdischen Bewohnern betrifft. Anderenorts wehren<br />
sich damals Stadträte gegen die Zuweisung <strong>von</strong><br />
Schutz<strong>juden</strong> und halten Pfarrer Hasspredigten gegen<br />
die Andersgläubigen, so in Lohr am Main 1559 und<br />
1571, was dort die allmähliche Wiederansiedlung dieser<br />
Minderheit bezeugt. 56 Für Rothenfels gibt es solche<br />
Zeugnisse nicht, und auch die Ratsprotokolle und Jahresrechnungen<br />
schweigen sich hier lange aus, bis sie<br />
ab der Mitte des 17. Jahrhunderts sporadisch über Alltagsangelegenheiten<br />
wie Handelsgeschäfte, Geldzah-<br />
55 Die alten Flurstücke sind integriert in die neuen, größeren Flurnummern<br />
618 und 618/35 (freundliche Auskunft der Stadtverwaltung<br />
Rothenfels).<br />
56 G. Christ, Lohr, S. 74 f; Th. Ruf, Quellen und Erläuterungen, S.<br />
165 f. In Lohr, unter der Herrschaft der Grafen <strong>von</strong> Rieneck<br />
kirchlich reformiert, handelt es sich um den evangelischen Pfarrer<br />
Matthias Tinctorius, der 1571 suspendiert wurde.
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 17<br />
lungen und Bestrafungen <strong>von</strong> Juden berichten. 57 Erst<br />
in den neuzeitlichen Schriftquellen – obrigkeitlichen<br />
Statistiken ab der Mitte des 17., umfangreichen Aktenbildungen<br />
seit Beginn des 18. Jahrhunderts – zeichnet<br />
sich ein Bild ab.<br />
Irritierend wirken angesichts dieser Feststellungen<br />
gehäufte Mitteilungen seit der Mitte des 15. Jahrhunderts<br />
über eine Familie mit dem Beinamen Jud oder<br />
Jüde, die um Rothenfels und in den zugehörigen Dörfern<br />
Zimmern und Windheim Gärten, Weingärten,<br />
Wiesen und Äcker besitzt und im Hafenlohrtal eine<br />
Mühle betreibt. 58 In diesem Fall handelt es sich jedoch<br />
nicht um die übliche klarstellende oder diskriminierende<br />
Bezeichnung für jüdische Männer, sondern um<br />
einen alten deutschen, christlichen Beinamen. 59 Der<br />
kommt, abgeleitet <strong>von</strong> dem mehrfach besetzten biblischen<br />
Namen Judas, in jener Zeit auch in Franken vor<br />
– so im Amt Rothenfels. 60<br />
5. Sprünge der Würzburger Judenpolitik<br />
Dass sich in Rothenfels nur zeitweise jüdische Familien<br />
ansiedeln und halten können, ist zweifellos ein Ergebnis<br />
der Judenpolitik der Würzburger Fürstbischöfe<br />
seit dem späten Mittelalter. Die ist zwar sprunghaft<br />
und für jede Amtszeit sehr differenziert zu betrachten,<br />
aber im Zeitraffer sind doch einige Grundlinien zu erkennen.<br />
61<br />
– Nach dem Pogrom <strong>von</strong> 1349 lassen sich nur zögerlich<br />
Juden wieder in der Hauptstadt Würzburg nieder,<br />
wo sie zunächst geduldet und mit landesherrlichen<br />
Schutzbriefen (das heißt: Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen)<br />
ausgestattet werden. Zugleich beginnt<br />
ein lang andauernder historischer Prozess, dessen Ur-<br />
57 StadtAR II 2/1 ff (wie Anm. 22).<br />
58 Im Zins- und Gültbuch des Eitel Voit v. Rieneck <strong>von</strong> 1450<br />
(StAWt-G Rep. 102 Nr. 2433, unpaginiert) ist als Einnahme aus<br />
Windaw verzeichnet: Item die Mülle X. malter korns beeerbt<br />
Hans Jüde. Im ältesten Grundsteuer-Register <strong>von</strong> Rothenfels<br />
<strong>von</strong> 1531 (StadtAR II 7/1 fol. 11, 28, 133, 134, 137, 139, 143,<br />
155, 157) versteuert Hans Jüde (Hanns Jud, Hanns Jud Muller)<br />
zahlreiche Besitzungen und die Einnahmen <strong>von</strong>n der Muelenn<br />
in Windaw; außer ihm werden Heintz Jud und Paul Jud genannt.<br />
Ein Würzburger Salbuch <strong>von</strong> 1540 (StAWü Salbuch Nr.<br />
136 fol. 7' und 8) nennt Weingärten in Zimmern benachbart Juden<br />
Hansen. Im Ratsprotokollbuch derselben Zeit (StadtAR II<br />
2/1) wird Hans Jud zwischen 1535 und 1546 laufend genannt<br />
(fol. 9-69), u. a. als Hanns Jud der Muller zu windaw (fol. 28).<br />
– B. Rösch (Judenweg, S. 333) hält Hans Jud irrigerweise für<br />
einen Juden.<br />
59 In der erst ab 1606/07 erhaltenen Rothenfelser Pfarrmatrikel<br />
werden mehrere Mitglieder der Familie Jud aus Zimmern als<br />
verstorben genannt, u. a. 1629 Eva Jüdin, Hans Jüden zu Zimmern<br />
Uxor. PfarrAR ohne Signatur, Pfarrmatrikelkartei (Abschrift<br />
des ältesten Matrikelbuches in Karteiform <strong>von</strong> Josef<br />
Hepp, 1990).<br />
60 Vgl. E. Nied, Fränkische Familiennamen, S. 80; A. Heintze / P.<br />
Cascorbi, Familiennamen, S. 283 f.<br />
61 Als Hintergrund für das gesamte Kapitel, differenziert nach den<br />
Episkopaten bis zu Julius Echter <strong>von</strong> Mespelbrunn: K. Müller,<br />
Würzburger Judengemeinde.<br />
sachen in der Forschung noch nicht geklärt sind: die<br />
Ansiedlung <strong>von</strong> Juden in Kleinstädten und auf dem<br />
Lande. Im Würzburg benachbarten Heidingsfeld und<br />
in den Residenzen und Dörfern der unabhängigen Grafen<br />
und Ritter finden jüdische Migranten geschützte<br />
Lebensmöglichkeiten. 62<br />
– Trotz einer Serie <strong>von</strong> kollektiven und individuellen<br />
Freibriefen und Verträgen der Fürstbischöfe im 15.<br />
Jahrhundert gibt es noch lange keine Rechtssicherheit<br />
für die Juden. Die Existenz dieser Minderheit ist abhängig<br />
<strong>von</strong> der religiösen Gesinnung und den wirtschaftlichen<br />
Interessen und vor allem den politischen<br />
Handlungsspielräumen des jeweiligen Landesherrn.<br />
Phasen <strong>von</strong> Tolerierung und sogar Förderung werden<br />
durch mehr oder weniger konsequent umgesetzte Verweisungen<br />
aus dem Hochstift zunichte gemacht. 63<br />
– Die fürstbischöflichen Regierungen erfinden oder<br />
übernehmen nach Vorbildern aus der Reichsgesetzgebung<br />
stets neue Restriktionen für die Juden, wenn sie<br />
denn im Land geduldet werden: Kleidervorschriften<br />
und das Tragen besonderer Kennzeichen, Berufsverbote<br />
für nahezu alle Erwerbszweige außer Kleinhandel<br />
und Geldleihe, Ausschluss <strong>von</strong> der Zunftorganisation,<br />
Beschränkungen auf oft ghettoähnliche Wohnverhältnisse,<br />
Verbot <strong>von</strong> Landerwerb und Erschwerung <strong>von</strong><br />
Hausbesitz – und immer neue Sonderbesteuerungen, je<br />
nach Bedarf der Staatskasse auch Enteignungen. 64<br />
– Die Fürstbischöfe des 16. Jahrhunderts erscheinen<br />
als Vollstrecker einer allgemeinen antijüdischen Bewegung.<br />
Die findet ihre Legitimation und Verschärfung<br />
in der Gegenreformation, dem „Ausschluss <strong>von</strong><br />
Mehrkonfessionalität im Bistum Würzburg“ 65 , beginnend<br />
in der Amtszeit des Lorenz <strong>von</strong> Bibra (1495-<br />
1519). Der <strong>von</strong> religiösem Eifer getriebene Friedrich<br />
<strong>von</strong> Wirsberg (1558-1573) weist seit dem Jahr 1560<br />
wiederholt die seinen massiven Bekehrungsversuchen<br />
trotzenden Juden aus der Hauptstadt und dem ganzen<br />
Hochstift aus. Sein Versuch, auch die unter adeligem<br />
Schutz stehenden Juden aus dem Land zu vertreiben,<br />
scheitert am Widerstand der fränkischen Ritterschaft<br />
und am Eingreifen des noch immer in letzter Instanz<br />
für den Judenschutz verantwortlichen Kaisers Maximilian<br />
II. (1564-1576). 66<br />
62 Vgl. I. König, Judenverordnungen, S. 92-102, 149-154, 157 f; J.<br />
F. Battenberg, Aus der Stadt auf das Land?, bes. S. 14, 32-35.<br />
Letzterer widerspricht der in Literatur vorherrschenden These,<br />
das Land<strong>juden</strong>tum sei durch Vertreibung aus den Städten entstanden,<br />
und beschreibt die „Verländlichung der Juden“ als vielschichtigen<br />
Vorgang <strong>von</strong> der Mitte des 14. bis zum Anfang des<br />
17. Jahrhunderts.<br />
63 Vgl. H. P. Baum, Jüdische Geschichte, S. 762-770; K. Müller,<br />
Würzburger Judengemeinde, S. 138-209; I. König, Judenverordnungen,<br />
S. 20-28, 33-37, 96-105; R. Ries, Verfolgung, S. 50<br />
ff.<br />
64 Vgl. R. Flade, Würzburger Juden, S. 36-58; I. König, Judenverordnungen,<br />
S. 61-76, 87-96, 124-140, 154-167, 171-175, 192,<br />
230-235 und oft.<br />
65 K. Müller, Würzburger Judengemeinde, S. 210.<br />
66 Vgl. I. König, Judenverordnungen, S. 105-117, 143-148; K.<br />
Müller, Würzburger Judengemeinde, S. 269-277. – B. Rösch
18 Winfried Mogge<br />
– Der Nachfolger auf dem<br />
Fürstbischofsstuhl, der in Würzburg<br />
bis heute als fürsorglicher<br />
Landesvater hagiografisch überhöhte<br />
Julius Echter <strong>von</strong> Mespelbrunn<br />
(1573-1617), will dem zum<br />
frühabsolutistischen Staat entwickelten<br />
Hochstift endgültig die<br />
konfessionelle Einheit wiedergeben<br />
und verfolgt mit kompromissloser<br />
Härte Lutheraner wie Juden.<br />
Seine radikale Judenpolitik begründet<br />
er allerdings mit wirtschaftlichen<br />
Argumenten. Gleich<br />
zu Beginn seiner Amtszeit erneuert<br />
und verschärft Julius Echter die<br />
Mandate seiner Vorgänger gegen<br />
Aufenthalt und Kontakt, Handel<br />
und Geldleihe der Juden in seinem<br />
Herrschaftsbereich. Das hätte für<br />
lange Zeit das Aus für diese Minderheit<br />
im Würzburger Großraum<br />
bedeutet, hätten nicht Grafen und<br />
Reichsritter ein starkes ökonomisches<br />
Interesse an den steuer- und<br />
schutzgeldzahlenden Juden gehabt<br />
– und zugleich die Gelegenheit<br />
wahrgenommen, dem Landesherrn<br />
durch Aufnahme <strong>von</strong> Flüchtlingen<br />
ihre Unabhängigkeit zu demonstrieren.<br />
Der wiederum muss gegen<br />
Ende seiner Amtszeit die zunehmende<br />
Ansiedlung <strong>von</strong> Adels<strong>juden</strong><br />
akzeptieren und auch das Handels-, Aufenthalts- und<br />
Durchreiseverbot im Fürstbistum lockern. 67<br />
– Julius Echters Nachfolger stehen vor der Aufgabe,<br />
das im Dreißigjährigen Krieg verwüstete Land zu<br />
reorganisieren. Die Fürstbischöfe wie auch die wechselnden<br />
Besatzer brauchen die Juden und deren Handelsbeziehungen<br />
und bedienen sich hemmungslos<br />
ihrer Kredite und Vermögen. Doch nach wie vor geschehen<br />
Ausweisungen <strong>von</strong> Juden aus der Stadt oder<br />
dem ganzen Hochstift Würzburg, so 1637, 1642 und<br />
ein letztes Mal 1673. In den ländlichen Orten aber<br />
lässt sich die Entwicklung nicht mehr umkehren, sondern<br />
nur noch steuern – mit einer Vielzahl landesherrlicher<br />
Verordnungen über Leben und Arbeit der<br />
nunmehr geduldeten Minderheit. 68 Allen Hindernissen<br />
(Judenweg, S. 86) meint, die Vertreibung aus Würzburg <strong>von</strong><br />
1560 könnte auch Juden in Karlstadt und Rothenfels betroffen<br />
haben, und beruft sich für Rothenfels auf P. Kolb (Chronik, S.<br />
105). Dort sowie in den Rothenfelser Quellen findet sich jedoch<br />
kein Hinweis auf dieses Datum und diesen Zeitraum.<br />
67 Vgl. A. Wendehorst, Bistum Würzburg, S. 145, 196-204, 222;<br />
K. Müller, Würzburger Judengemeinde, S. 278-344; I. König,<br />
Judenverordnungen, S. 117-124, 173.<br />
68 Vgl. I. König, Judenverordnungen, S. 36 f, 171-235 und das<br />
dortige Quellenverzeichnis.<br />
zum Trotz entfaltet sich das fränkische Land<strong>juden</strong>tum<br />
mit seinen eigenen Organisationsstrukturen und seiner<br />
in steinernen Zeugnissen noch eindrucksvoll sichtbaren<br />
Kultur. 69<br />
– Im 18. Jahrhundert gibt es keine landesweiten<br />
Vertreibungen <strong>von</strong> Juden aus dem Hochstift Würzburg<br />
mehr. Mehr oder weniger stillschweigend verschwinden<br />
auch manche Belastungen wie das zwangsweise<br />
Tragen eines gelben Ringes an der Kleidung als diskriminierende<br />
Kennzeichnung. Auch mehren sich die regierungsamtlichen<br />
Bestimmungen zum Schutz der<br />
Juden vor Schmähungen und Übergriffen aus der<br />
christlichen Bevölkerung. Die absolutistischen Landesherren<br />
rücken <strong>von</strong> der Verfolgungs- und Verbotsideologie<br />
ihrer Vorgänger ab und verlegen sich<br />
stattdessen auf eine restriktive Ansiedlungs- und Bevölkerungspolitik.<br />
Ein 1719 gegründetes, der Regierung<br />
zugeordnetes Judenamt und eine Judenordnung<br />
<strong>von</strong> 1750 sollen die Angelegenheiten der jüdischen<br />
Menschen in geordneten Bahnen regeln und kontrollieren.<br />
Wenn die Fürstbischöfe nach Julius Echter Ju-<br />
69 Vgl. L. Scherg, Epoche des Land<strong>juden</strong>tums, S. 227-237; L.<br />
Scherg, Jüdisches Leben; I. Schwierz, Steinerne Zeugnisse; H.<br />
P. Baum, R. Leng und R. Meier, Kehillot Keddoschot.
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 19<br />
den im Hochstift weitgehend dulden, dann ist das freilich<br />
keine Toleranz im modernen Sinne. Der Vorgang<br />
ist vielmehr wirtschaftlich kalkuliert, die Anzahl der<br />
zugelassenen Familien reguliert, ihr Aufenthaltsrecht<br />
nach wie vor <strong>von</strong> willkürlichen landesherrlichen Entscheidungen<br />
abhängig. 70 Erst nach der Säkularisierung<br />
der geistlichen Staaten Ende 1802 und dem Übergang<br />
Unterfrankens an Bayern beginnt der lange Weg zur<br />
bürgerlichen Gleichberechtigung. Erst die Reichsverfasung<br />
<strong>von</strong> 1871 verwirklicht die Emanzipation der<br />
Juden. 71<br />
Dank seiner territorialen Zersplitterung zählt der<br />
spätere Regierungsbezirk Unterfranken bis in das 20.<br />
Jahrhundert zu den Regionen mit der dichtesten jüdischen<br />
Besiedlung in Deutschland. 72 Im ehemaligen<br />
Untermainkreis gibt es im Stichjahr 1817 insgesamt<br />
217 jüdische Wohnorte. 73 Oder, um die Region um Rothenfels<br />
enger einzugrenzen: Im alten „Waldsassengau“,<br />
speziell der Mainlandschaft zwischen Würzburg,<br />
Gemünden, Lohr und Marktheidenfeld, scheinen in<br />
unterschiedlichen Perioden in 40 bis 60 Ortschaften<br />
historische Kehillot auf. Allein im heutigen Main-<br />
Spessart-Kreis lassen sich bis 1933 in 24 Städten und<br />
Dörfern jüdische Gemeinden nachweisen, <strong>von</strong> denen<br />
acht bereits vor 1900 eingehen, alle anderen während<br />
der nationalsozialistischen Herrschaft vernichtet werden.<br />
74 Das historische Amt Rothenfels mit seinen bis<br />
zu 19 Orten kennt jüdische Gemeinden in Karbach,<br />
Greußenheim und Rothenfels/Berg<strong>rothenfels</strong> und einzelne<br />
Familien zeitweise in Birkenfeld und Zimmern.<br />
6. Neubeginn und erste Namen<br />
Vor diesem Hintergrund ist die Geschichte der Juden<br />
in Rothenfels und Berg<strong>rothenfels</strong> zu sehen und zu verstehen.<br />
Der Neubeginn der hiesigen kleinen Gemeinde<br />
dürfte während des Dreißigjährigen Krieges anzusetzen<br />
sein, was sich mit der allgemeinen Entwicklung in<br />
der Region decken würde. Die ersten amtlichen Datierungen<br />
für Rothenfels stammen zwar aus der Nachkriegszeit;<br />
eine Nennung im Jahr 1646 und einige<br />
Formulierungen in den Akten lassen aber auf einen<br />
schon früheren Zuzug <strong>von</strong> Juden schließen.<br />
Leider fehlen für Rothenfels die vom Hochstift<br />
ausgegebenen Schutzbriefe, die genaue Auskunft über<br />
Personen und Daten geben würden. Der erste Name<br />
70 Vgl. I. König, Judenverordnungen, S. 83 f, 171-178, 220 f, 223-<br />
226, 300 f.<br />
71 Vgl. H. P. Baum, Jüdische Geschichte, S. 770-772; L. Scherg,<br />
Epoche des Land<strong>juden</strong>tums, S. 237 f; A. Brämer, Der lange<br />
Weg, S. 80 ff.<br />
72 L. Scherg, Jüdische Gemeinden, S. 156 f, 249.<br />
73 Mitten unter uns, Karte S. 2-3 (mit weiteren Karten S. 6 und<br />
14).<br />
74 B. Rösch, Judenwege, S. 82-93 (mit Karten und Auswertung<br />
der bisherigen Literatur); L. Scherg, Jüdisches Leben, S. 3-11<br />
(mit Karte S. 2).<br />
erscheint so eher zufällig in einem Vorgang des Rothenfelser<br />
Julius-Spitals: 1646 vermietet die fürstbischöfliche<br />
Stiftung dem Juden Jöstlein ein ihr<br />
gehörendes Häuschen für drei Jahre. 75 Wir erfahren<br />
sonst nichts über diesen Mann und sein Umfeld, auch<br />
nicht, woher er kommt und wie lange er in dem Ort<br />
gelebt hat; in den bald folgenden Würzburger Statistiken<br />
ist er jedenfalls nicht vertreten.<br />
Die nächsten – und ersten aussagekräftigen – Namen<br />
verdanken wir zwei Bestandsaufnahmen der landesherrlichen<br />
Administration. Die fordert noch in<br />
Kriegszeiten in unregelmäßigen Abständen bei allen<br />
Amtmännern genaue Informationen über die in ihren<br />
Amtsbezirken wohnhaften schutzverwandten Juden<br />
an. Die ersten Statistiken dieser Art sind für 1621 und<br />
1623 erhalten, in den folgenden <strong>von</strong> 1655 und 1675 ist<br />
Rothenfels dabei. 76<br />
Gefragt wird nach den familiären und wirtschaftlichen<br />
Verhältnissen, und die Aufstellungen dazu sind<br />
so aufschlussreich, dass sie eine nähere Betrachtung<br />
verdienen. Demnach leben 1655 im Amt (und hier in<br />
der Stadt) Rothenfels nur zwei Juden, Joseph und<br />
Mendlein, jeweils mit großen Familien. 77 Joseph ernährt<br />
seinen Anhang mit einem gemengten Kremlein<br />
<strong>von</strong> Barchet, Weiß unndt Schwartz wüllen Tuch, Bender<br />
und dergleichen, dessen aktuellen Warenwert er<br />
auf 50 Reichstaler veranschlagt. 78 Auch Mendlein handelt<br />
mit Tuchen, außerdem mit Ertz vor die Heffner<br />
unndt etzlicher gemeiner eÿsenwahr, mit einem Bestand<br />
im Wert <strong>von</strong> 120 Reichstalern, dazu 84 Gulden<br />
Bargeld. 79<br />
Beide Männer kombinieren ihren Handel mit dem<br />
Kleinkreditgeschäft, und das interessiert die Administration<br />
so sehr, dass sie eine genaue Aufstellung mit<br />
Namen, Orten und Beträgen verlangt. Joseph Judt listet<br />
Außenstände <strong>von</strong> durchschnittlich 2,8 Gulden bei<br />
124 Schuldnern in zwölf Amtsorten sowie in (Markt-)<br />
75 P. Kolb, Juliusspital-Stiftung, S. 147. Das 1597-99 erbaute und<br />
1601 offiziell gestiftete Rothenfelser Julius-Spital verfügte über<br />
umfangreichen Grund- und Hausbesitz, hatte jedoch, im Unterschied<br />
zu der großen Würzburger Spitalstiftung, keine Schutz<strong>juden</strong><br />
(freundliche Mitteilung <strong>von</strong> Dr. Peter Kolb, Würzburg).<br />
76 StAWü Administrationsakten 8318 (unpaginiert), hier die Vorgänge<br />
1655 und 1675. Die Erhebungen <strong>von</strong> 1621 und 1623 listen<br />
insgesamt 56 Familien unter hochstiftischem Schutz im<br />
Fürstbistum Würzburg auf.<br />
77 Wie Anm. 76 (5. 7. 1655). Josephs Ehefrau heißt Ester. Das<br />
Paar hat acht Kinder, <strong>von</strong> denen fünf noch bei den Eltern wohnen,<br />
und drei Stiefkinder, <strong>von</strong> denen zwei verheiratet sind und<br />
auswärts wohnen. Mendleins Ehefrau heißt Beeß (auch Besse),<br />
sie haben sieben Kinder, die alle noch unverehelicht bei den Eltern<br />
leben. Gemeinsam bezahlen beide Familien einen Lehrer<br />
Habriel.<br />
78 Reichstaler: Der 1566 als reichsweite Währungsmünze eingeführte<br />
silberne Taler, auch im Fürstbistum Würzburg neben dem<br />
weiterhin gebräuchlichen Gulden gängig. Vgl. W. Mogge, Dies<br />
uralt Haus, S. 119 f.<br />
79 Gemengtes Kremlein: Gemischtwarenhandel, hier als reisender<br />
Händler; Barchet: grober Leinenstoff; Ertz: Erz, metallhaltiges<br />
Mineralgemenge; Heffner: Häfner, Töpfer, auch Kachelofenbauer.
20 Winfried Mogge<br />
Heidenfeld und Wertheim auf, insgesamt knapp über<br />
349 Gulden. Mendlein Judt nennt 94 Schuldner im<br />
selben Umkreis, meist mit ähnlich geringen Beträgen,<br />
seine Forderungen addieren sich auf 506 Gulden. Beider<br />
Kunden und Schuldner sind ein repräsentativer<br />
Teil der Bevölkerung, vor allem Handwerker und Bauern,<br />
aber auch der Rothenfelser Centgraf (das ist der<br />
Vorsitzende der Dorfgerichtsorganisation), der Stadtschreiber,<br />
der Schulmeister, der Wildmeister, mehrere<br />
Schultheißen und das Kloster Neustadt. 80 Bei einer jederzeit<br />
möglichen Ausweisung hätte den so gefragten<br />
wie ungeliebten Kreditgebern wohl der Verlust ihrer<br />
Außenstände gedroht.<br />
Zwanzig Jahre nach dem Stichdatum 1655 haben<br />
sich die Verhältnisse derselben Personen erheblich<br />
verändert. Joseph ist soeben verwitwet. Seine Nahrung<br />
bestehet in einem sehr schlechten Crämlein, <strong>von</strong><br />
wenigen gewürtz, Wüllen und Leinen Tuch, alles weniger<br />
als 50 Taler wert. Er hat sich mit aussteuern seiner<br />
Kinder so weith verblutet, dass er sich under die armen<br />
einschreiben lassen, wie er dan auch ist. 81 Mendlein<br />
ist verstorben. Seine Witwe hat die erwachsenen<br />
ledigen Söhne Maÿer und Perlein bei sich. Die Familie<br />
führt das Handelsgeschäft fort mit einem Cram <strong>von</strong><br />
Gewürtz, Leinen und wullen Tuch, Eißen, Leder, rohen<br />
Heuten, undt andern den Bauern tauglichen wahren.<br />
Der Warenwert wird auf 400 Taler berechnet, hinzu<br />
kommen etwa 600 Taler Außenstände. Und Nehren<br />
sich zimblich wohl, bekennen auch uber diß 300 fl<br />
[Gulden] Paargeldt [Bargeld] zu haben. 82<br />
Die hier genannten Warengruppen sind ein Ausschnitt<br />
aus dem Sortiment, mit dem Juden zu der Zeit<br />
umherziehen dürfen. Die Beispiele zeigen zugleich die<br />
wichtige Rolle der jüdischen Händler bei der Versorgung<br />
der Landbevölkerung mit Kleidung und Gebrauchsgegenständen.<br />
83<br />
In der Meldung <strong>von</strong> 1675 werden zwei weitere<br />
80 Wie Anm. 76 (5. 7. 1655). Joseph und Mendlein vergeben fast<br />
ausschließlich Kleinkredite, Ausnahmen sind zwei Einzelbeträge<br />
<strong>von</strong> 34 und 168 fl (Gulden), letzterer an einen Bürger <strong>von</strong><br />
(Markt-)Heidenfeld. – Rothenfelser Bürger nehmen Zinsgelt bei<br />
Juden schon lange auf, bevor das vor Ort möglich ist. Gelegentlich,<br />
in strittigen Fällen, erscheint das in den Rats- bzw. Stadtgerichtsprotokollbüchern;<br />
zum Beispiel: 1593 streiten sich der<br />
Flößer Hans Endres und ein Kollege wegen der Rückzahlung<br />
eines Darlehens <strong>von</strong> 50 fl bei den Franckforder Juden (StadtAR<br />
II 2/2 S. 64). 1594 wird der Wirt und Bierbrauer Hans Lang genannt<br />
Stockstatter <strong>von</strong> Johel Juden zu Franckfurth zum Birnbaum<br />
und Aaron Juden zum Frölichen Mann in Franckfurth<br />
beim Stadtgericht Rothenfels wegen mangelnder Tilgung <strong>von</strong><br />
Darlehen verklagt; es geht um 223 und 426 fl (StadtAR II 2/4<br />
S. 92 f, 144-147).<br />
81 Wie Anm. 76 (20. 7. 1675). Nach dem Tod der Ehefrau vor vier<br />
Wochen wohnen Josephs Sohn Moÿses und dessen Frau Maria<br />
in der Trauerzeit vorübergehend bei ihm in Rothenfels. Moÿses<br />
ist Schutzjude der Herren <strong>von</strong> Hutten in Steinbach bei Lohr. Bei<br />
Joseph lebt sein vierzehnjähriges Töchterlein Rachel als Dienst<br />
Mägdtlein.<br />
82 Wie Anm. 76 (20. 7 1675). Zum Haushalt gehört auch eine<br />
Dienst Magdt namens Elle.<br />
83 Vgl. I. König, Judenverordnungen, S. 56-58, 192-199.<br />
hochstiftische Juden benannt, die offensichtlich neu<br />
im Amt Rothenfels zugelassen sind:<br />
In Karbach lebt Feÿferl mit seiner großen Familie,<br />
der einen Schulmeister seiner Kinder, sonst aber keine<br />
Ehalten noch andere befreunde oder frembte bei sich<br />
hat. Seine Nahrung ist <strong>von</strong> allerhandt Handelschafft<br />
und Crämereÿ under der Bawerschafft gebreuchig,<br />
<strong>von</strong> Leinen und schlechtem Wullen Tuch, Eÿsen, Leder,<br />
Wollen, gemeinen Zeugen, gewürtz, zu Zeiten mit<br />
Viehe, und was dergleichen vorkombt. Seinen aktuellen<br />
Warenwert aestimirt er auf etwa 200 Gulden, und<br />
er hat rund 200 Gulden Außenstände bei seinen Debitoren,<br />
dazu 100 Taler Bargeld. Er nehret sich sonsten<br />
wohl, trotz der Beeinträchtigung des Gewerbes in dießenn<br />
unruhigen Zeiten. Seine Abführungen an die organisierte<br />
hochstiftische Judenschaft werden nach<br />
einem Vermögen <strong>von</strong> 500 Talern berechnet. 84<br />
Dem Kollegen in Greußen (Greußenheim) hingegen<br />
geht es schlecht. Ambsell mit seiner nur kleinen<br />
Familie hat kein gesindt unnd niemandts frembts beÿ<br />
sich; er handelte vor dießem mit Viehe, ist aber anitzo<br />
dergestalt erarmbt, das er Kaum das Brod vor sich<br />
und seine Kinder hat. 85 Es gibt also erhebliche Unterschiede<br />
im wirtschaftlichen Status der hier ansässigen<br />
Juden, die sich allerdings untereinander stützen,<br />
durchreisende Händler beherbergen und beköstigen<br />
und auch wandernde Bettel<strong>juden</strong> aufnehmen. Die in<br />
der Literatur üblichen pauschalen Aussagen über die<br />
katastrophale Verarmung der fränkischen Land<strong>juden</strong><br />
sind zu relativieren: In Rothenfels (zum Beispiel) und<br />
den zugehörigen Amtsdörfern gibt es zwar Armut,<br />
aber auch einkömmlichen Verdienst und sogar bescheidenen<br />
Wohlstand jüdischer Familien. 86<br />
Ein weiteres für Rothenfels aufschlussreiches Zahlenwerk<br />
stammt aus dem Jahr 1699; es verdankt sich<br />
einer erneuten Anordnung der fürstbischöflichen Hofkammer,<br />
alle im Hochstift ansässigen Juden zu verzeichnen,<br />
was selbstverständlich der Kontrolle der<br />
Abgaben dienen soll. Im Amt Rothenfels sind es 11<br />
Mann, 11 Weiber, 39 Kinder, 5 Dienstbotten, insgesamt<br />
66 Köpfe, dazu in Karbach ein Räba [Rabbiner] oder<br />
Lehrer mit seiner Familie. Da<strong>von</strong> leben vier Familien<br />
in der Stadt Rothenfels: Moÿses, Behrlein, Maÿer und<br />
Jöstlein, insgesamt 22 Personen. Sie alle außer dem<br />
Rabbiner sind im Besitz würzburgischer Schutzbriefe;<br />
zwei weitere Familien wohnen in Karbach im Stettenberger<br />
Freihof im Schutz der Herren <strong>von</strong> Sickingen. 87<br />
84 Wie Anm. 76 (20. 7. 1675). Feÿferl und seine Ehefrau Lea haben<br />
drei Söhne (Aaron, Jacob und Menlein) und zwei Töchter<br />
(Judith und Gutradt). Der Schulmeister Davit ist aus Mahren<br />
gebürtig.<br />
85 Wie Anm. 76 (20. 7. 1675). Ambsell und seine Ehefrau Zinia<br />
haben zwei Buben (Liebman und Abraham) und ein Maÿtlein<br />
(Jentlein).<br />
86 Vgl. Anm. 125. Zu Armut und Bettel<strong>juden</strong> vgl. E. Schubert,<br />
Arme Leute, S. 151-178.<br />
87 StAWü Gebrechenamtsakten VI W 273 (unpaginiert). In dem<br />
zu Rothenfels gehörenden Zimmern lebt Wölfflein mit Weib,<br />
zwei Kindern und einer Dinstmaydt.
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 21<br />
Diese Angaben werden hier so ausführlich referiert,<br />
weil sie guten Aufschluss geben über Umfang,<br />
Familienstand und Erwerbstätigkeit der Land<strong>juden</strong> im<br />
Amt Rothenfels. Über die Herkunft dieser ersten Familien<br />
erfahren wir daraus nichts. Es gibt auch keine<br />
Selbstzeugnisse, die Auskunft geben könnten über ihre<br />
vorherigen Schicksale und Wanderungen. Sicher ist<br />
nur, dass sie oder ihre Vorfahren <strong>von</strong> der fürstbischöflichen<br />
Regierung im Hochstift zugelassen und zur<br />
Niederlassung auf die Orte verteilt wurden.<br />
Die zitierten Daten aus Würzburger Akten aus der<br />
zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts stimmen überein<br />
mit Rothenfelser Schriftquellen aus derselben Zeit. Zu<br />
nennen sind vor allem die Gotteshausrechnungen der<br />
katholischen Kirchengemeinde. Hier werden in der<br />
Rubrik Kirchennotdurft Lieferungen einheimischer<br />
und auswärtiger jüdischer Händler für die Pfarrkirche<br />
verbucht: Wachs und Dochte für Kerzen, Tuche und<br />
Schnüre für Mess- und Ministrantengewänder, Bretter<br />
und Nägel für das Kirchendach, Blei für Sakristeifenster<br />
und zum neuen Orgelwerk. So ergibt sich eine Reihe<br />
<strong>von</strong> Daten, die freilich lückenhaft bleibt und auch<br />
nicht erklärt, ob es sich jeweils um einen oder mehrere<br />
Träger eines Namens handelt. Oft fehlen namentliche<br />
Angaben und werden Auszahlungen nur dem Jud oder<br />
underschiedlichen Christen und Juden zugeordnet.<br />
Immerhin, die Belege sind für unsere Geschichte<br />
höchst willkommen.<br />
Als hiesiger Lieferant für Wachs wird 1669 zunächst<br />
der Jude Joseph genannt. Nach einer längeren<br />
Überlieferungslücke sind es ab 1682 für rund zwanzig<br />
Jahre Perlein (Behrlein, Perl, Berl), Moyses, Maÿer<br />
und Samuel, dann ab 1720 Hirschlein. 88 Während Judt<br />
Samuel dahier nur kurzzeitig in Rothenfels auftaucht,<br />
werden die anderen Männer noch häufig begegnen. Es<br />
handelt sich wohl um Söhne und Nachfolger der älteren<br />
Joseph und Mendlein.<br />
Aus wiederum anderen Unterlagen geht hervor,<br />
dass die Rothenfelser Juden während der Sommermonate<br />
auch als Viehhändler mit ihren Herden unterwegs<br />
sind. 89 Außer dem bereits bekannten Joseph treten in<br />
diesem Zusammenhang wiederum die Namen Moyses,<br />
Meyerlein und Perlein hervor. 1680 werden genau diese<br />
drei als Beisassen in Rothenfels verzeichnet, das<br />
heißt als Bewohner mit Aufenthaltsrecht, aber ohne<br />
Bürgerrechte, die Bestandgeld an die Stadt zahlen<br />
88 PfarrAR Gotteshausrechnungen 1563 ff (mit Lücken vor allem<br />
für 1570-1589, 1673-1680, 1623-1665; darin ab 1669 Nachrichten<br />
über jüdische Lieferanten, ausgewertet für die vorliegende<br />
Arbeit bis 1749). Ein Doppel der Jahresrechnung für 1687/88<br />
befindet sich im Stadtarchiv Rothenfels (StadtAR III 7/1). Die<br />
Belege zu den Gotteshausrechnungen sind nicht erhalten. –<br />
Zum Zuge kommen in Rothenfels auch auswärtige jüdische<br />
Händler vor allem aus Karbach. Bei den Materiallieferungen<br />
geht es fast alljährlich um größere Mengen Wachs, dann auch<br />
um Reparaturen an der 1612 errichteten Stadtpfarrkirche, die<br />
1686 eine neue Orgel bekommt; vgl. P. Kolb, Chronik, S. 243 f,<br />
248.<br />
89 StAWü Gebrechenamtsakten VI W 273 (unpaginiert).<br />
müssen. 90 Auch später, im 18. Jahrhundert und darüber<br />
hinaus, lassen sich mithilfe des Beisassengeldes – zuletzt<br />
Judengeld genannt – die nächsten Generationen<br />
in der Stadt und im Dorf namentlich verfolgen. 91<br />
7. Konflikte und Ausweisungen<br />
In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ändert sich<br />
die Szene durch Generationenwechsel und kommen<br />
neue Namen hinzu. Die schriftliche Überlieferung<br />
wird dichter, bleibt aber in Bezug auf die Juden bruchstückhaft.<br />
Die aus den Akten – Briefen, Protokollen,<br />
Erlassen – zu ziehenden Informationen werden ergänzt<br />
und bestätigt durch Datenmaterial der Bevölkerungsstatistiken,<br />
die anlässlich der Erbhuldigungen entstehen.<br />
Hinter diesem Begriff steckt die Einschwörung<br />
aller Bürger des Hochstifts auf einen neugewählten<br />
Fürstbischof bei dessen Antrittsreise durch das Land.<br />
Die Amtleute vor Ort organisieren jeweils die Zeremonien<br />
und liefern aktuelle Namenslisten der Einwohner.<br />
Dabei werden die Juden mal gesondert aufgeführt, mal<br />
vernachlässigt; ab 1720 sind Rothenfelser mit jeweils<br />
drei bis vier Familien in der Stadt und ein bis zwei<br />
Haushalten im Dorf dabei.<br />
In der Stadt erscheinen die Männer Nathan, Hirsch<br />
und Moÿses, bald kommt ein Perlein (Behrlein) hinzu.<br />
Die folgenden ein bis zwei Generationen tragen die<br />
Namen Maÿer, Berlein oder Perlein, Männlein und<br />
Hirsch, teils schon in Kombination mit dem Vaternamen,<br />
wobei die verwandtschaftlichen Zusammenhänge<br />
nicht immer eindeutig zu erkennen sind. 92<br />
90 StadtAR II 2/6 S. 347 (23. 1. 1680). Jud Moÿses zahlt jährlich 3<br />
fl, Jud Meÿerlein 3½ fl, Jud Perlein 3½ fl Beisassengeld. Zuvor<br />
waren es je 4 fl pro Familie, bald darauf wird nach Regierungsanordnung<br />
wieder auf den alten Betrag erhöht (S. 421, 25. 1.<br />
1687). Als Meyerlein einmal um Ermäßigung bittet, wird ihm<br />
auf Ratsbeschluss mitgeteilt, er solle in Ermangelung seiner Eigen<br />
Mitteln solches gelt mit schnurren samblen, oder seinen ufenthalt<br />
anderstwo ausser der statt suchen (S. 571, 9. 2. 1706).<br />
Später, nachdem die Juden auf Stadt und Dorf neu verteilt und<br />
die Ratsherren mit der Beschränkung ihrer Zahl wohl zufrieden<br />
sind, ist man nicht mehr so streng: 1755 und 1757 wird Jud<br />
Hirsch die Hälfte des Beisassengeldes ex gratia und in Anbetracht<br />
seiner Armut und Wohlverhaltens erlassen; StadtAR IV<br />
3/5 S. 4, 11.<br />
91 StadtAR III 11/3 (Bürgermeisterrechnung 1734/35) bis III<br />
11/77 (Gemeinderechnung 1832/33), jeweils unter Einnahmen<br />
in der Rubrik Beisassengeld, später in der Rubrik Bürgerrechte<br />
als Judengeld. Ab 1833/34 sind Judengelder nicht mehr im<br />
Plan. Bis dahin zahlt eine Familie jährlich 4 fl, zuletzt 5 fl, eine<br />
Witwe 2 fl. Solange Berg<strong>rothenfels</strong> als Ortsteil zu Rothenfels<br />
gehört, werden die Beisassengelder aus dem Dorf im Haushalt<br />
der Stadt vereinnahmt.<br />
92 StAWü Standbuch Nr. 933 fol. 519 (1720), Nr. 935 fol. 805<br />
(1725), Nr. 937 fol. 1603 (1731), Nr. 942 S. 248 (1748); StAWt-R<br />
J 2 Nr. 8 (Übersicht über die erbhuldigungspflichtigen Personen<br />
im Amt Rothenfels, darin Verzeichnis der Schutz<strong>juden</strong>,<br />
unpaginiert, undatiert [um 1731]. Vgl. die Tabelle S. 64. Der<br />
letzte erhaltene Vorgang dieser Art vor 1720 ist Standbuch Nr.<br />
929 (1623) und enthält noch keine Angaben über Juden im Amt<br />
Rothenfels.
22 Winfried Mogge<br />
Erste Konflikte der jüdischen Minderheit mit der<br />
christlichen Bevölkerung (oder, weil so in den Akten<br />
greifbar: mit Bürgermeister und Rat der Stadt) lassen<br />
nicht lange auf sich warten. Jetzt und in der Folgezeit<br />
laufen sie stets darauf hinaus, die Juden als Konkurrenz<br />
im Handel und auf dem Wohnungsmarkt anzuprangern;<br />
die Stadtoberen suchen stereotyp nach einer<br />
formalistischen Lösung der angeblichen oder tatsächlichen<br />
Probleme durch landesherrlich zu verfügende<br />
Ausweisungen. Dabei berufen sie sich auf Zusagen<br />
gleich mehrerer Fürstbischöfe, nicht mehr als jeweils<br />
zwei Schutz<strong>juden</strong> in Rothenfels zuzulassen. Diese<br />
willkürlich festgelegte Zahl wird dank ständiger Wiederholungen<br />
auch bei den Würzburger Regierungen<br />
bald nicht mehr hinterfragt. Tatsächlich decken sich<br />
die Rothenfelser Ereignisse mit einem Grundzug der<br />
landesherrlichen Politik seit dem 17. Jahrhundert, die<br />
jüdische Bevölkerung, wenn sie denn geduldet wird,<br />
möglichst gering zu halten. 93<br />
Ein aktenkundig gewordener Vorgang aus Rothenfels<br />
zeigt beispielhaft, welche grundsätzlichen Konfliktstoffe<br />
hinter den eher kleinlichen alltäglichen<br />
Auseinandersetzungen lauern und jederzeit hervortreten<br />
können. Am 18. Dezember 1675 verhandelt ein<br />
fürstbischöflicher Beamter im Rathaus über Klagen<br />
aus der Bürgerschaft gegen die Judenschaft des Städtchens.<br />
Vordergründig geht es darum, dass an Sonnund<br />
Feiertagen etliche Pfarrkindter und speziell das<br />
Bauersvolckh angeblich den Gottesdienst oder die Predigt<br />
versäumen, um die Judten Häußer im Städlein anzulaufen<br />
und dort Handtel undt Wandtel zu treiben. Im<br />
Verhör räumen der Stadtpfarrer und die Ratsherren<br />
ein, dass diese früher zu beobachtende Unsitte längst<br />
durch Verbote abgeschafft wurde, dass im Gegenteil<br />
die Juden peinlich genau darauf achten, sich besonders<br />
zu christlichen Gottesdienstzeiten unauffällig zu verhalten.<br />
94<br />
Dann aber packen die Ratsverwandten die eigentlichen<br />
Beschwerden aus – es ist das Leitmotiv der Konkurrenzangst<br />
und das Stereotyp des Wuchers. Die<br />
jüdischen Händler, so der Vortrag der Beschwerdeführer,<br />
beeinträchtigen die ohnehin notleidenden einheimischen<br />
Gewerbe und Krämer und nehmen dem<br />
gemeinen Bürgersmann die Nahrungsgrundlage. Besonders<br />
in den Dorfschaften handeln die wucherhafften<br />
Juden erfolgreich. Abhilfe sei nötig und möglich,<br />
wannen die hierzu schädlige Judtenschafft zum theil<br />
odter gäntzlichen auß der Statt amovirt und außgesetzt<br />
würdte. 95<br />
Der Zeitpunkt für diesen Vorstoß ist wohl kein Zufall.<br />
1675 ist ein „Jahr ohne Sommer“: Drei Monate<br />
93 Vgl. I. König, Judenverordnungen, S. 41, 235.<br />
94 Zu den Einschränkungen der Bewegungsfreiheit für Juden und<br />
den Verboten <strong>von</strong> Handel und Wandel an Sonn- und christlichen<br />
Feiertagen, auch allgemein zum „Schutz der christlichen<br />
Religion“ vor nahen Juden vgl. I. König, Judenverordnungen,<br />
S. 175-178, 195 f, 299 f.<br />
95 StAWü Judenschaft Nr. 81.<br />
lang, <strong>von</strong> Juni bis August, liegt Mitteleuropa unter<br />
kühl-feuchter Atlantikluft, mit schlimmen Folgen in<br />
Form verzögerter oder verdorbener Ernte und anschließender<br />
Teuerung der Lebensmittel. 96 In den Rothenfelser<br />
Schriftquellen werden zwar nicht<br />
ausdrücklich die Juden dafür verantwortlich gemacht,<br />
aber die Schuld an Naturkatastrophen und Missernten<br />
sucht die hilflose Bevölkerung oft bei ungeliebten<br />
Minderheiten. 97<br />
Bald nach der zitierten Grundsatzdiskussion folgt<br />
ein erster Versuch der Stadt Rothenfels, eine jüdische<br />
Familie auszuweisen. Mit Ratsbeschluss vom 10. Juli<br />
1676 wird dem Juden Perlein barsch mitgeteilt, daß<br />
er â dato innerhalb 2 monathen mit seinem weib die<br />
gemeine statd reümen solle, weilen gemeine statd keinen<br />
Juden mehr anzunehmen gedagt ist. 98 Der Vorgang<br />
ist schwer durchschaubar, weil ohne Genehmigung der<br />
Regierung eigentlich nicht denkbar; vielleicht war das<br />
ein versuchter Alleingang der Stadtoberen. Mit seinem<br />
Würzburger Schutzbrief muss Perlein es geschafft haben,<br />
diese Ausweisung zu umgehen; jedenfalls ist er<br />
noch mehr als vier Jahrzehnte lang in Rothenfels ansässig<br />
und aktiv. Wiederholt appelliert der Stadtrat an<br />
den jeweils regierenden Fürstbischof, nach Perleins<br />
künftigem Ableben keinen Nachrücker einzuweisen,<br />
was zwar zugestanden, aber nicht eingehalten wird.<br />
Die Zahl der Schutz<strong>juden</strong> für Rothenfels erhöht sich<br />
zeitweise sogar auf fünf, wogegen die Stadt immer<br />
wieder und schließlich mit Erfolg protestiert. 99<br />
Im Lauf des 18. Jahrhunderts bricht der Streit um<br />
die Juden in Rothenfels mehrmals offen aus. Vordergründig<br />
geht es dabei nach wie vor um die Anzahl der<br />
in der Stadt aufzunehmenden jüdischen Menschen.<br />
Die Juden erstreben nicht mehr und nicht weniger als<br />
die Zulassung erwachsen gewordener Söhne und ihrer<br />
Familien; die Stadtoberen wehren sich dagegen mit<br />
ökonomischen Erwägungen. Bei näherem Hinsehen<br />
geht es jedoch prinzipiell um das Existenzrecht der<br />
nach mehreren Generationen noch immer als Bedrohung<br />
für die Christengemeinde betrachteten Andersgläubigen.<br />
In der Rückschau stellt sich der Ablauf dar<br />
wie eine stufenweise Eskalation mit dramatischer Steigerung<br />
der Argumente.<br />
Die erste Stufe wird durch einen Zuzug provoziert.<br />
1702 oder kurz zuvor kommt ein Jude Aaron nach Rothenfels;<br />
seine Herkunft geht aus den Akten nicht hervor,<br />
möglicherweise stammt er aus einer Karbacher<br />
Familie. Fürstbischof Johann Philipp <strong>von</strong> Greiffenclau<br />
gibt einem sofort eingereichten Begehren des Stadtra-<br />
96 Ch. Pfister, Wetternachhersage, S. 156 f.<br />
97 In den Ratsprotokollen der Zeit (StadtAR II 2/6) findet sich<br />
dazu kein Vorgang.<br />
98 StadtAR II 2/6 S. 322 (10. 7. 1676).<br />
99 StAWü Gebrechenamtsakten IV R 153 (unpaginiert; 1719/20,<br />
dazu Kopien <strong>von</strong> Resolutionen und Dekreten <strong>von</strong> 1702, 1704,<br />
1719); StAWt-R Rep. 65g Nr. 47 (unpaginiert; 1749/51, dazu<br />
Kopien <strong>von</strong> Resolutionen, Dekreten und Protokollen ab 1702).<br />
Abschriften der Vorgänge auch in: StadtAR II 2/7 S. 161-165.
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 23<br />
Ausschnitt aus dem Rothenfelser Ratsprotokoll 1676<br />
tes mit erstaunlicher Eile nach, erklärt den vorliegenden<br />
Schutzbrief des Aaron für null und nichtig und<br />
verfügt die unverzügliche Emigration des Mannes,<br />
den er doch selbst erst zugelassen hat. Die Stadt bittet<br />
darum, sie künftig und generell nicht mehr mit dergleichen<br />
verderblichen Gesindt, zumahlen Bettel<strong>juden</strong>,<br />
zubeladen. Weitergehende Beschwerden seiner<br />
treuen Underthanen über die bereits in Rothenfels sitzenden<br />
Schutz<strong>juden</strong> verspricht der Landesherr gründlich<br />
untersuchen zu lassen. 100 Das ist der Auftakt einer<br />
ganzen Serie <strong>von</strong> Vorgängen dieser Art.<br />
Der nächste Akt ist bereits bekannt. 1719, wohl<br />
gleich nach dem ungeduldig erwarteten Tod des Juden<br />
Perlein, beantragen Bürgermeister und Rath zur Statt<br />
Rothenfelß, künftig nicht nur den Kindern ihrer bisherigen<br />
Schutz<strong>juden</strong> die Nachfolge zu verweigern, sondern<br />
überhaupt keinen anderen mehr zuzulassen – also<br />
einen nach dem anderen folgents gar außsterben zulassen.<br />
Damit finden sie aber weder bei Johann Philipp<br />
<strong>von</strong> Greiffenclau (1699-1719) noch bei dessen<br />
Nachfolger Johann Philipp Franz <strong>von</strong> Schönborn<br />
(1719-1724) gnädiges Gehör. Die Landesherren lassen<br />
sich offensichtlich nicht in ihre Praxis hineinreden,<br />
über das neue, zentrale Judenamt und nach eigener,<br />
letztinstanzlicher Entscheidung Schutzbriefe auszugeben<br />
und deren Inhaber auf die Landorte einzuweisen.<br />
101<br />
100 StAWü Gebrechenamtsakten IV R 153 (unpaginiert; Anlagen<br />
1702/04); StAWt-R Rep. 65g Nr. 47 (unpaginiert, Anlagen<br />
1702/04); dazu auch StadtAR II 2/7 S. 160 (Kopie des Dekrets<br />
vom 7. 12. 1702). Die zitierte weitere Klage gegen Ein- und<br />
andern daselbst in den Schutz sitzenden Juden liegt dem Aktenstück<br />
nicht bei. Zwischen Aaron und dem Amtskeller auf Burg<br />
Rothenfels gibt es noch einen strittigen Vorgang wegen der<br />
Aushändigung des annullierten Schutzbriefes und der Erstattung<br />
des Schutzgeldes.<br />
101 Über das Verfahren vgl. I. König, Judenverordnungen, S. 39-44,<br />
83 f.<br />
Aufschlussreich ist bei diesem Fall die auch später<br />
stets wiederkehrende ausschweifende Argumentation<br />
der Ratsherren. Das am Fuß des Berges eng eingeschlossene<br />
Städtlein, schreiben sie, verfüge nur über<br />
wenige eigene Feldgüter, so dass die Bürger sich mühsam<br />
mit Gewerben ernähren müssen. Da komme <strong>von</strong><br />
den Juden erheblicher Eintrag und Schaden [...] in der<br />
Gewerbschafft sowohl, als mit Ihrer Viehe Handtlung.<br />
Die wenigen Viehweiden würden im Sommer <strong>von</strong> den<br />
umherziehenden Herden der Juden geschwächt und<br />
beschädigt. Zudem mache sich im Ort ein Mangel an<br />
Wohnraum bemerkbar und wisse man bald nicht mehr,<br />
ob die Kinder hier noch leben und bleiben können –<br />
die Juden helfen, die Wohnungen klemb zu machen.<br />
Nun hoffe man auf endliche Erfüllung der wiederholten<br />
Bitten, <strong>von</strong> weiteren Schutz<strong>juden</strong> verschont zu<br />
bleiben und so der Stadt zu ermöglichen, auch künftig<br />
ihre Schatzung und Steuer an die Landesherrschaft zu<br />
zahlen.<br />
Dieser Supplikation <strong>von</strong> 1719 ist nur ein Teilerfolg<br />
beschieden: Ein Nachfolger für Perlein, verfügt die<br />
fürstbischöfliche Regierung, soll nicht nach Rothenfels<br />
eingewiesen, das geschwächte arme Städtlein fortan<br />
nur mit zwei jüdischen Haushaltungen beschwert<br />
werden. Die <strong>von</strong> den Ratsherren erhoffte Ausweisung<br />
aller gegenwärtigen Juden oder die gänzliche Verhinderung<br />
<strong>von</strong> Zuzügen steht jedoch in Würzburg nicht<br />
zur Diskussion. 102<br />
Die nächsten Betroffenen, nun in der folgenden<br />
Generation, sind die Familien <strong>von</strong> Nathan und Perlein<br />
(auch Berlein oder Berla, ein weiterer Träger dieses<br />
102 StAWü Gebrechenamtsakten IV R 153 (unpaginiert; 1719/20);<br />
StAWt-R Rep. 65g Nr. 47 (unpaginiert; 1749 mit Anlagen<br />
1702/04, 1719). Ein weiterer Beschwerdepunkt in derselben<br />
Bittschrift <strong>von</strong> 1719 betrifft die Eichelmast im Spessartwald,<br />
die den Bürgern neuerdings vom fürstlichen Hofmetzger streitig<br />
gemacht werde.
24 Winfried Mogge<br />
beliebten Namens). Ersterer wird bereits in den Erbhuldigungsdaten<br />
<strong>von</strong> 1720 genannt, letzterer ist dessen<br />
Schwager. Im Jahr 1734, in dem die nächste Aktion<br />
spielt, ist Nathan tot und Perlein zum Umzug aus der<br />
Stadt Rothenfels in das zugehörige Dorf Berg<strong>rothenfels</strong><br />
gezwungen worden, letzteres ein Erfolg der Ratsherren<br />
und ihrer unablässigen Eingaben an die<br />
Landesherrschaft. Der Ausgewiesene aber kämpft zunächst<br />
weiter für seinen Verbleib in der Stadt und hat<br />
dafür ein neues Argument: Nathans Witwe hat sich<br />
wieder verheiratet und will nach Arnstein ziehen, vier<br />
unmündige Kinder sollen bei Perlein in Rothenfels<br />
aufgezogen werden, der älteste Sohn, ebenfalls Perlein<br />
genannt, das Handelsgeschäft des verstorbenen<br />
Vaters übernehmen. Die Regierung des Fürstbischofs<br />
Friedrich Karl <strong>von</strong> Schönborn (1729-1746) bleibt hart<br />
– der Schutzbrief für Nathan ist mit dem Tod des Familienoberhauptes<br />
und dem Wegzug der Witwe erloschen<br />
und wird nicht auf die Kinder übertragen, aus<br />
Gnaden verstattet man ihnen den Aufenthalt auf dem<br />
Berg oder bei anderen Verwandten. 103<br />
Rigoros ist zwei Jahre später der Umgang mit dem<br />
noch minderjährigen jungen Perlein und seinem Erbe<br />
in Rothenfels, einem bürgerlichen Haus, das sein Vater<br />
Nathan laut Darstellung der Ratsherren und des<br />
Amtskellers mit geldt Herschießung (Geldverleih) an<br />
sich gebracht und ohne herrschaftlichen consens zeithero<br />
in Besitz gehabt. Unter Berufung auf das juris retractus<br />
– ein Wiederkaufsrecht der Christen für <strong>von</strong><br />
Juden erworbene Häuser – wollen einige Einwohner<br />
die damalige Kaufsumme für das Haus erlegen und<br />
das Anwesen übernehmen. Die Bürgerschaft, so die<br />
Begründung, würde damit <strong>von</strong> sehr vielen Beschwehrnissen<br />
liberiret, auch dem einen oder anderen ohnbewohnten<br />
Bürger seine harte gewerbschafft mit einem<br />
obdach erleichtert.<br />
Erneut argumentieren die Stadtoberen mit der wirtschaftlichen<br />
Not der Bevölkerung und dem Wohnungsmangel<br />
in der Stadt. Weitere Duldungen <strong>von</strong><br />
Juden oder gar Neuaufnahmen, schreiben sie, werden<br />
unausweichlich zum gäntzlichen Verderben dero Bürgerschafft<br />
und notgedrungen zu Auswanderungen <strong>von</strong><br />
Einheimischen führen. Amtsverwaltung und Regierung<br />
übernehmen diese Begründung, lassen die Einlösung<br />
des Hauses zu und verweisen den jungen Perlein<br />
zu seinen Verwandten nach Berg<strong>rothenfels</strong> oder an<br />
einen anderen Schutzort. 104<br />
Ähnlich – und nun wohl erstmals mit physischer<br />
Gewaltanwendung – ergeht es zur selben Zeit Männlein,<br />
Abkömmling einer der alten Judenfamilien und<br />
Hauseigentümer in Rothenfels. Hatte Nathan seinen<br />
Hausbesitz bei einem zweifellos legalen, wohl aber<br />
die Verschuldung seiner Gläubiger nützenden und ent-<br />
103 StAWt-R Rep. 65g Nr. 47 (unpaginiert; Anlagen 1734-36).<br />
Über den tatsächlichen weiteren Verbleib der Kinder Nathans<br />
geben die Akten keine Auskunft.<br />
104 StAWt-R Rep. 65g Nr. 47 (unpaginiert; Anlagen 1736).<br />
sprechend verhassten Zinskreditgeschäft erlangt, so<br />
war Männleins Wohnhaus schon in dritter Generation<br />
im Familienbesitz. Aus einem Schriftverkehr <strong>von</strong> 1736<br />
geht hervor: Fürstbischof Friedrich Karl <strong>von</strong> Schönborn<br />
hatte seinem unterthänigst gehorsambsten<br />
Männlein Jud <strong>von</strong> Rothenfels, wie dieser selbst unterschreibt,<br />
den Schutzbrief und damit das Aufenthaltsrecht<br />
in der Stadt entziehen lassen. Die Akten nennen<br />
keine Begründung; dahinter dürfte das bekannte Ausweisungsbegehren<br />
<strong>von</strong> Bürgermeister und Rat stehen.<br />
Die Stadt hatte die Enteignung des Hauses <strong>von</strong> Männlein<br />
eingeklagt, der Landesherr zur eussersten Bestürtzung<br />
des bisherigen Bewohners zugestimmt. 105 Auch<br />
dieser Willkürakt wird mit dem im Hochstift geltenden<br />
Auslösungsrecht begründet. 106<br />
Nun beklagt sich Männlein in einem bitteren Brief<br />
an den Fürstbischof über die an mir verübten Verfolgungen<br />
durch die Stadtoberen. Die hatten in seiner<br />
Abwesenheit sein Haus gewalthetig erbrochen und die<br />
darinnen befindliche Mobilien und effecten herauswerffen<br />
lassen, ihm auch keine Frist zur ordentlichen<br />
Räumung gelassen. Männlein und seine Geschwister<br />
befürchten den völligen Verlust ihres Haab und Guth<br />
und klagen auf Satisfaction. Sogar das seinerzeit für<br />
den Schutzbrief bei der Fürstlichen Hofkammer eingezahlte<br />
und nun bei der Amtskellerei deponierte Bargeld,<br />
immerhin 300 Gulden, hat der Stadtrat für<br />
Arbeiten am Haus und für mögliche Prozesskosten<br />
sperren lassen. Wenigstens die volle Auszahlung dieses<br />
Geldes gesteht die fürstbischöfliche Administration<br />
dem Ausgewiesenen zu. 107 Er begegnet dann<br />
wieder als Beisasse, Familienvater und Hausbesitzer<br />
in Berg<strong>rothenfels</strong>. 108<br />
Der Streit um die für Rothenfels zugelassene Zahl<br />
der Juden ist damit nicht beendet, die Stadtoberen<br />
bleiben bei der Landesregierung vorstellig. 1749 soll<br />
die Ausweisung Nathan Hirsch und Moyses Berl treffen.<br />
109 Die beiden sind in dem städtlein gebohren und<br />
105 Wie Anm. 104. In Männleins Beschwerdebrief (undatierte Abschrift,<br />
1736) wird die juristische Argumentation der Stadt als<br />
erga prostationem [richtig: praestationem] praestandorum zitiert.<br />
106 Zum Auslösungs- oder Einstandsrecht vgl. G. Döllinger, Sammlung,<br />
Anhang S. 27; I. König, Judenverordnungen, S. 231-235.<br />
Diese (an vielen Orten zur schleichenden Vertreibung der Juden<br />
genutzte) Praxis wird mit der Würzburger Judenordnung vom<br />
1. 6. 1750 begründet. Tatsächlich besteht das „ewige Auslösungsrecht“<br />
der Christen an jüdischen Besitzungen schon vorher.<br />
Es wird 1750 modifiziert, indem Häuser ausgenommen<br />
werden, die sich vor dem Stichjahr 1709 in jüdischem Besitz<br />
befanden, und 1765 mit einer dreijährigen Auslösungsfrist eingeschränkt.<br />
Diese Frist gilt jedoch nicht für Häuser, die ohne<br />
fürstbischöfliche Genehmigung <strong>von</strong> Juden erworben wurden.<br />
Mit diesem zweifelhaften Argument arbeiten die Rothenfelser<br />
Stadtoberen bereits bei den Enteignungen <strong>von</strong> 1736 und 1749.<br />
107 StAWt-R Rep. 65g Nr. 47 (unpaginiert; Anlagen 1736).<br />
108 StAWt-R Rep. 82l Nr. 473 (unpaginiert).<br />
109 Eine Neuerung bei der jüdischen Namensgebung: Die beiden<br />
zeichnen mit zweiteiligen Namen, werden aber nach bisheriger<br />
Sitte auch als Hirsch oder Hirschlein und Berl oder Berlein geführt.
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 25<br />
Rothenfels: Gastwirtschaft „Zum Rothen Ochsen“<br />
gezogen 110 , stammen also aus den bereits seit längerem<br />
hier lebenden Familien. Sie können hochstiftische<br />
Schutzbriefe vorweisen, der eine ausgestellt <strong>von</strong> Fürstbischof<br />
Friedrich Karl <strong>von</strong> Schönborn (1729-1746),<br />
der andere <strong>von</strong> Anselm Franz <strong>von</strong> Ingelheim (1746-<br />
1749). 111 Die Stadtverordneten zeigen sich verbittert<br />
über diese relativ frisch ausgegebenen Aufenthaltsgenehmigungen<br />
– sie haben seinerzeit gemäßigte als<br />
wohl gegründete beschwerde gegen diese und alle<br />
Neuzugänge eingelegt und sind deshalb sogar für Rebellen<br />
und wiederspänstige unterthanen angesehen<br />
worden, und sie durften bei Strafandrohung und Verlust<br />
der hochfürstlichen Gnade nichts weiter gegen<br />
jene Juden und deren erschlichenen Schutz unternehmen.<br />
Jetzt aber, so der Vortrag aus Rothenfels, sind die<br />
Folgen unübersehbar und muss zur Rettung der Stadt<br />
gehandelt werden, und zwar nicht nur mit der sofortigen<br />
Eliminierung <strong>von</strong> Hirsch und Berl, sondern auch,<br />
daß ferner hin kein anderer Judt mehr dahin aufgenomen<br />
werden solle. 112<br />
Bürgermeister und Räte wie auch sambtliche bürgerschaft<br />
zu Rottenfels lassen nun jede Zurückhaltung<br />
fahren. Zwei ausführliche Eingaben, hier in Kurzform<br />
zusammengefasst, lassen in unbeschönigter Deutlich-<br />
110 Wie Anm. 1.<br />
111 Die Schutzbriefe sind nicht erhalten. Für 1743 gibt es in den<br />
Akten einen bruchstückhaften Vorgang wegen Zulassung des<br />
Juden Hirsch (StAWt-R Rep. 65g Nr. 47, Anlagen).<br />
112 StAWt-R Rep. 65g Nr. 47 (1749 mit Anlagen 1702, 1704, 1719,<br />
1734, 1736, 1743).<br />
keit und gehässiger Diktion den <strong>juden</strong>feindlichen Gehalt<br />
jener Kontroversen erkennen. Die Juden, heißt es<br />
dort, sind das Verderben jeder christlichen Gemeinde,<br />
wo immer sie sich einschleichen und einnisten. Mit ihrer<br />
Handelschaft und ihrem Wucher verdrängen und<br />
ruinieren sie die bürgerlichen Kaufleute und die einheimischen<br />
Gewerbe. Die schadhaffte Vermehrung eines<br />
so wucherischen Volkes kann nicht im Sinne der<br />
hochfürstlichen Regierung sein, weil deren christliche<br />
Untertanen sich gegen die finanzstarken Geschäftspraktiken<br />
der Juden nicht behaupten können<br />
und an den Bettelstab gebracht werden.<br />
Als die haupt- und wahre ursach der Beschwerden<br />
schildern die Rothenfelser einmal mehr die Wohnungsnot<br />
in ihrer Stadt. Hier, so schreiben sie, gibt es<br />
inzwischen so wenig Wohnraum, dass nicht einmal<br />
alle Bürger eigene Häuser erlangen können, sondern<br />
viele sich mit kümmerlichen bestandt quartiren (Mietwohnungen)<br />
behelfen und in Einzelfällen schon nach<br />
Berg<strong>rothenfels</strong> ausweichen müssen. Umso schädlicher,<br />
so die anders nicht zu erwartende Schlussfolgerung,<br />
ist die Aufnahme mehrerer Juden, die überall,<br />
wo sie zugelassen werden, bekantlich also baldt nach<br />
Häusern streben und andere Interessenten durch Ausnützen<br />
der Notlage verschuldeter Bürger und Bezahlen<br />
überhöhter Preise ausstechen. Auf diese Weise habe<br />
vor wenigen Jahren der Judt Mossel das Haus eines<br />
Bürgers an sich gebracht, so eines <strong>von</strong> denen besten<br />
und gelegensten Häusern im orth, und zwar ein<br />
schildtberechtigtes wirthshaus gewesen – nämlich das<br />
alte Ochsenwirthshaus gleich gegenüber der Stadtpfarrkirche.<br />
Diese Transaktion erregt die Stadtoberen noch immer<br />
in höchstem Maße. Da sei der bürgerlichen Gewerbschaft<br />
eines der besten Objekte verloren<br />
gegangen, und die Bürgerschaft müsse das täglich mit<br />
wehmüthigsten augen ansehen. Auch bekomme die<br />
Hochfürstliche Hofkammer statt der bisherigen jährlichen<br />
mehr als 50 Gulden aus den Erträgen des Wirtsund<br />
Gasthauses nur noch wenige Gulden Schutzgeld –<br />
mit diesem finanziellen Argument soll wohl die Landesregierung<br />
empört werden. Und als ein besonderer<br />
Scandal der Christenheith wird beklagt, dass die beiden<br />
dort nun wohnenden Judenfamilien <strong>von</strong> ihren<br />
Fenstern aus den christlichen Gottesdienst mithören<br />
und bei geöffneten Kirchentüren auch mitten in die<br />
Kirch hinein sehen können. Fazit: Der Fürstbischof<br />
kann und darf nicht hinnehmen, seine unterthänigst<br />
treu devotigsten Burgerschaft [...] <strong>von</strong> diesen denen<br />
Christen ohnehin so gehässig als schädlichen Juden<br />
gesinndel aus ihren besten Häuseren sich verdrengt zu<br />
sehen. 113<br />
Auf geradezu atemberaubende Weise werden mit<br />
dieser Argumentation nicht nur allgemein die antisemitischen<br />
Klischees bedient, sondern konkret auch die<br />
tatsächlichen Abläufe dieses Hauskaufes verdreht –<br />
113 StAWt-R Rep. 65g Nr. 47 (unpaginiert; undatiert, 1749).
26 Winfried Mogge<br />
fünf Jahre zuvor hatte sich bei einer Versteigerung unter<br />
den Augen der landesherrlichen Amtsleitung kein<br />
anderer Interessent gefunden. 114<br />
Die <strong>von</strong> der Abschaffung betroffenen Hirsch und<br />
Berl geben trotz des wohl kaum erträglichen öffentlichen<br />
Zornes nicht so schnell auf. Ihre Klage über den<br />
drohenden Verlust der Heimat und der wirtschaftlichen<br />
Existenz wurde einleitend zitiert. Sie berufen<br />
sich auf ihre legale Anwesenheit in Rothenfels – und<br />
sind damit zunächst erfolgreich. Die Beschlusslage ist<br />
verwirrend. Die Ausweisung hatte noch der am 9. Februar<br />
1749 verstorbene Fürstbischof Anselm Franz<br />
<strong>von</strong> Ingelheim verfügt. In der Vakanzzeit verhandeln<br />
die ungleichen Rothenfelser Streitparteien mit dem regierenden<br />
Domkapitel; das Gremium akzeptiert die<br />
Argumente <strong>von</strong> Hirsch und Berl und kippt den vorherigen<br />
Befehl. 115 Doch der am 14. April 1749 gewählte<br />
Karl Philipp <strong>von</strong> Greiffenclau, <strong>von</strong> den Stadtverordneten<br />
mit neuer Petition und fuesfälligsten Bitten traktiert,<br />
stellt die alte Ordnung wieder her und dekretiert:<br />
Rothenfels muss generell nicht mehr als zwei Judenhaushalte<br />
aufnehmen; die beiden überzähligen Juden<br />
sollen abgeschafft werden, Hirsch soll seine Wohnung<br />
nach Berg<strong>rothenfels</strong> verlegen, Berl in das nahegelegene<br />
Amtsdorf Karbach. 116<br />
Über den weiteren Verlauf des Verfahrens enthalten<br />
diese Akten nichts außer mehreren Anfragen der<br />
Würzburger Administration bei der Rothenfelser<br />
Amtsleitung nach dem Vollzug der Anordnungen. Tatsächlich<br />
verlassen die beiden Familien im Jahr 1750<br />
die Stadt und gehen nach Berg<strong>rothenfels</strong>, Berl erst<br />
später nach Karbach. 117<br />
Die <strong>von</strong> allen Beteiligten als dramatisch erlebte<br />
114 Vgl. unten S. 42.<br />
115 StAWt-R Rep. 65g Nr. 47 (unpaginiert; undatiert und 6. 3., 7.<br />
3., 5. 4. 1749). Der Amtskeller zu Rothenfels wird umgehend<br />
angewiesen, den Beschluss des Domkapitels umzusetzen.<br />
Hirsch und Berl wiederum beantragen, das Dekret des Domkapitels<br />
und nicht nur den zuvor <strong>von</strong> der Bürgerschaft erschlichenen<br />
Ausweisungsbeschluss in das Amtsprotokoll einzutragen<br />
und auf dem Rathaus ordentlich zu publizieren. Denn sie befürchten,<br />
es mögten nach einiger zeit die rottenfelser inwohnere<br />
die sach anwiederumb hervorsuchen und unß auf das neue allerhand<br />
tricas verursachen. – Der zitierte Beschluss des (ansonsten<br />
traditionell <strong>juden</strong>feindlichen) Domkapitels hat wahrscheinlich<br />
sehr handfeste finanzielle Gründe: Beim Tod eines<br />
Fürstbischofs werden alle Schutzbriefe der hochstiftischen Juden<br />
ungültig und routinemäßig <strong>von</strong> dem regierenden Gremium<br />
erneuert, das dafür ein besonderes Interregnumsgeld kassiert.<br />
Vgl. I. König, Judenverordnungen, S. 70 f.<br />
116 StAWt-R Rep. 65g Nr. 47 (unpaginiert; undatiert und 13. 6.<br />
1749); dazu StadtAR II 2/7 S. 371, 384. Die Ausweisung <strong>von</strong><br />
Hirsch und Berl wird in einer Bürgerversammlung am 9. 4.<br />
1749 diskutiert und befürwortet. Im Ratsprotokoll vom 24. 6.<br />
1749 ist notiert, dass der fürstbischöfliche Ausweisungsbeschluss<br />
der gesamten Bürgerschaft vorgelesen wurde und eine<br />
Kopie beim Amtsprotokoll verwahrt wird.<br />
117 StAWt-R Rep. 82l Nr. 473 (unpaginiert; Akten 1772/73); Stadt-<br />
AR III 11/3 (Bürgermeisterrechnung 1734/35) S. 8 und III 11/4<br />
(Bürgermeisterrechnung 1753) S. 46. Aus den <strong>von</strong> der Stadtkasse<br />
vereinnahmten Beisassengeldzahlungen für Berg<strong>rothenfels</strong><br />
geht hervor, dass die Ausweisungen vollzogen wurden.<br />
Kontroverse <strong>von</strong> 1749 hat ein Nachspiel. Zwei Jahre<br />
später sehen sich Bürgermeister und Rat genötigt, ihren<br />
Protest gegen jede Aufstockung der ihnen zugewiesenen<br />
jüdischen Haushalte erneut vorzutragen. Der<br />
Anlass: Der in der Stadt verbliebene Moschel möchte<br />
seinen neunzehnjährigen Sohn Nathan in Rothenfels<br />
ansässig machen. Der junge Mann, bisher schon ausgestattet<br />
mit einem gültigen Schutzbrief, will die Witwe<br />
des in Karbach gesessenen und verstorbenen Jud<br />
Samuel heiraten und dem über 50 Jahre alten gehbehinderten<br />
Vater in Rothenfels beim Handelsgeschäft<br />
helfen. Der Fall wird vor dem Oberamtmann Joseph<br />
Christian Lochner <strong>von</strong> Hüttenbach (1749-1789) verhandelt<br />
und beschieden: Lässt man nun den Nathan in<br />
Rothenfels zu, dann werden bald weitere Judensöhne<br />
folgen und sich in dem armen Städtlein einnisten. Die<br />
vorgebliche Hülffleistung für den Vater kann Nathan<br />
ebenso gut <strong>von</strong> Karbach aus erbringen, zumal Moschel<br />
ein Mann beÿ seinen noch geruhsamen Jahren,<br />
wohlbemittelt und ohnehin mit einen Knecht versehen<br />
ist. So wird also Nathan in das benachbarte Amtsdorf<br />
eingewiesen, aus dem seine künftige Frau stammt. Das<br />
Verfahren entspricht, so der Oberamtmann, der bekannten<br />
Intention des Regenten, daß der dem gemeinen<br />
weesen jederzeit mehr schädlich als nützliche<br />
Juden Anwachsen vielmehr vergringeret alß vermehret<br />
werden solle. 118<br />
Nach diesen Aktionen in der Mitte des 18. Jahrhunderts<br />
spielt das Thema Ausweisungen in Rothenfels<br />
keine Rolle mehr. Innerhalb der Stadtmauern<br />
wohnen in eigenen Häusern jetzt nur noch der alt gewordene<br />
Moschel (Moyses Lazarus) und sein Sohn<br />
Mayer (Mayer Moyses), später der aus dem Dorf in<br />
die Stadt umgezogene Nathan Isack (Nathan Heil) und<br />
seine Erben. 119 Mit diesen Familien hat man sich offensichtlich<br />
abgefunden, auch wenn die alte Konkurrenzangst<br />
immer wieder geschürt wird.<br />
118 StAWt-R Rep. 65g Nr. 47 (unpaginiert; undatiert und 28. 1., 30.<br />
1. und 8. 2. 1751). – Der Vorgang zeigt die Möglichkeit des Erwerbs<br />
eines Schutzbriefes durch Verzicht eines bereits etablierten<br />
Schutzbriefinhabers. In diesem Fall tritt 1749 der relegirte<br />
Jud Löwelein (Löblein) aus Veitshöchheim sein auf Rothenfels<br />
umgeschriebenes Patent an Moschels Sohn Nathan ab. Auf dieselbe<br />
Weise macht 1825 Nathan Heil seinen Sohn Joseph in Rothenfels<br />
ansässig; vgl. S. 38.<br />
119 StadtAR II 7/2 S. 58; dazu auch StAWt-R Rep. 82l Nr. 473 (unpaginiert;<br />
Akten 1772/73). – Moschel wird 1751 als über 50<br />
Jahre alt bezeichnet. 1773 ist er 78 Jahre alt, also 1694/95 geboren.<br />
Von 1753 bis 1795 zahlt er bzw. sein Sohn Bede (Grundsteuer)<br />
für sein Haus (vgl. Anm. 242), <strong>von</strong> 1753 bis 1781<br />
Beisassengeld (StadtAR III 11/4 bis 11/26). Offensichtlich ist<br />
sein Sohn Mayer als Hausbesitzer, Geschäftsinhaber und Steuerzahler<br />
nachgefolgt, ohne dies im Grundsteuerbuch korrigieren<br />
zu lassen. Mayer wird als Zahler <strong>von</strong> Beisassengeld <strong>von</strong> 1769<br />
bis 1793 genannt (StadtAR III 11/18 bis 11/35), 1798 seine Witwe<br />
(StadtAR III 11/37, S. 23). 1799 tritt ein Isack Mayer –<br />
wahrscheinlich ein Sohn – bei einem Rechtsstreit auf (Stadt AR<br />
II 2/14, S. 21-29). Zur Familie Heil vgl. S. 35 f, 43, 45, 58 f. –<br />
Die Angaben in der Stadtchronik über die letzten Juden in Rothenfels<br />
sind unvollständig (StadtAR IV 3/3 S. 202; IV 3/5 S.<br />
18; IV 3/7 Bl. 10).
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 27<br />
Rothenfels um 1800<br />
Anonyme Zeichnung (Bleistift und Feder) aus der Pfarrchronik<br />
Die <strong>von</strong> den Stadtoberen so oft dramatisierte Wohnungsnot<br />
in Rothenfels muss bei Betrachtung der für<br />
jene Zeit vorliegenden demografischen Daten relativiert<br />
werden. Es trifft zu, dass die Kleinststadt in der<br />
ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, nach quälend langsamer<br />
Erholung <strong>von</strong> den wirtschaftlichen Folgen des<br />
Dreißigjährigen Krieges, einen bescheidenen Aufschwung<br />
nimmt. Die Bevölkerung wächst zwischen<br />
etwa 1700 und 1750 allerdings stark <strong>von</strong> 66 auf 98<br />
Haushalte (Bürger, Mann, Mannschaften oder Hofstätten<br />
genannt). 120 Der Amtskeller zählt für das Jahr 1743<br />
in der Stadt 82 Hofstätten und 472 Einwohner. 121 1748<br />
sind es 98 Haushalte 122 , 1754 als vorläufiger Höhepunkt<br />
125 123 . Der älteste Stadtplan <strong>von</strong> Rothenfels <strong>von</strong><br />
1843 zeigt eine drangvolle Enge mit rund 130 Wohnhäusern,<br />
Ställen und Scheunen innerhalb der Mauern<br />
und etlichen Anwesen darüber hinaus. 124 Hundert Jahre<br />
zuvor war die Bebauung noch nicht so dicht, da gab<br />
120 Vgl. P. Kolb, Chronik, S. 107 f, 183; G. Christ, Lohr, S. 338-<br />
341; W. Mogge, Dies uralt Haus, S. 96 f, 314 f.<br />
121 StAWt-R R 76, Amtsrechnung Jg. 1743/44, S. 280 f; vgl. die<br />
Abbildungen im Anhang S. 62 f. Dazu W. Mogge, Dies uralt<br />
Haus, S. 97, 315.<br />
122 StAWü Standbuch Nr. 942 S. 231-243. Vgl. W. Mogge, Dies uralt<br />
Haus, S. 314.<br />
123 StadtAR II 4/1 (Bürger-Matric 1754). Dort sind die Haushalte<br />
und Witwen für Rothenfels, Berg<strong>rothenfels</strong>, Windheim und<br />
Zimmern aufgelistet, mit einem Zählfehler 276 (statt richtig<br />
277).<br />
124 Vgl. die Abbildung S. 39.<br />
es sogar Platz für landwirtschaftliche Betriebe in der<br />
Stadt; auch sorgten familiär und beruflich bedingte<br />
Wegzüge sowie Todesfälle stets für Wechsel und neu<br />
verfügbaren Wohnraum.<br />
Angesichts dieser Zahlen und Fakten kann die immer<br />
wieder vorgetragene Bedrohung der Existenz der<br />
Stadtbevölkerung durch einige wenige jüdische Familien<br />
nur als maßlose Übertreibung und Zweckpropaganda<br />
verstanden werden. Jedenfalls gehört sie zum<br />
bewährten Programm der Dämonisierung und Ausgrenzung<br />
dieser Minderheit.<br />
8. Ausgrenzungen und Anpassungen<br />
Am 4. Januar 1750 tagt im Rothenfelser Rathaus der<br />
Stadtrat in großer Besetzung: Bürgermeister und zwölf<br />
Ratsherren in Anwesenheit des fürstbischöflichen<br />
Oberamtmanns, des Amtskellers und eines Vertreters<br />
des Stadtpfarrers. Ein Tagesordnungspunkt mit hoher<br />
Priorität: Es gibt Beobachtungen und Beschwerden,<br />
dass durch die Schloder- oder Bettel Juden gefährliche<br />
und ansteckende Krankheiten in die Bürgerschaft gebracht<br />
worden sind. Also ist solches denen dahiesigen<br />
Juden sowohl als auch der Maynfährung bey unnachlessiger<br />
straff eines guldtens verbotten worden, das<br />
weder gedachte Juden derley bettel gesindel beherbergen,<br />
noch auch ermelte Maynfehrer undter obiger<br />
straff solche uber den Mayn hieher führen [...]. Einzi-
28 Winfried Mogge<br />
ge Ausnahme ist die Überfahrt <strong>von</strong> Juden, die ein<br />
Cammer Zeichen – einen Passierschein für zugelassene<br />
Händler und Reisende – vorweisen können. 125<br />
Mit diesem Ratsbeschluss wird ein bitterernstes soziales<br />
Problem der Zeit angesprochen. Noch Jahrzehnte<br />
nach dem Dreißigjährigen Krieg, nach Pogromen<br />
vor allem in osteuropäischen und habsburgischen Ländern<br />
leben im 18. Jahrhundert auch in Franken ungezählte<br />
heimatlose und verarmte Juden buchstäblich auf<br />
der Straße, ohne Chance, einen Schutzbrief zu erwerben<br />
oder Arbeit und Obdach zu bekommen. Sie vermehren<br />
das ungeordnete Heer des rechtlosen<br />
fahrenden Volkes. Ihre Stigmatisierung als Überträger<br />
ansteckender Krankheiten – vor allem der gefürchteten<br />
Pest – lässt auch im Hochstift Würzburg die Obrigkeiten<br />
nicht ruhen, alle möglichen Grenz- und<br />
Flusspassagen zu schließen. Nun wird in Rothenfels<br />
wie allerorts den ansässigen Juden sogar die <strong>von</strong> ihrem<br />
Glauben vorgeschriebene Beherbergung durchziehender<br />
Religionsgenossen verboten. 126<br />
Der Vorgang <strong>von</strong> 1750 ist kein Rothenfelser Einzelfall.<br />
Mit Grenzüberwachungen und Verboten, verkündet<br />
in einer kaum überschaubaren Menge <strong>von</strong><br />
Mandaten, versuchen die fränkischen Landesherrschaften<br />
und Städte mehr oder weniger erfolgreich,<br />
die Bettel<strong>juden</strong> <strong>von</strong> ihren Territorien fernzuhalten. Dabei<br />
wissen sie sich übrigens einig mit den Organisationen<br />
der ansässigen Juden, die einerseits mit der<br />
finanziellen Belastung durch die Versorgung der Armen<br />
überfordert sind, andererseits unter der diskriminierenden<br />
Gleichsetzung mit Schloderern und<br />
Schnorrern zu leiden haben. In jener Zeit bleibt es bei<br />
restriktiven Abwehrmaßnahmen; die Ursachen der<br />
massenhaften Verelendung <strong>von</strong> Juden werden erst <strong>von</strong><br />
Autoren und Obrigkeiten der späten Aufklärungszeit<br />
erkannt und thematisiert. 127<br />
Für die Rothenfelser Schutz<strong>juden</strong> wird die panische<br />
Angst der christlichen Bevölkerung vor den entwurzelten<br />
Fremden eine weitere Belastung des<br />
Verhältnisses zu den Nachbarn und verschärfte Ausgrenzung<br />
bedeutet haben. Ohnehin ist es schwer nachvollziehbar,<br />
wie sich das alltägliche Zusammenleben<br />
auf so engem Raum einer Kleinststadt erträglich gestalten<br />
ließ – bei so aggressiver Feindseligkeit, wie sie<br />
namentlich <strong>von</strong> den Bürgermeistern und Ratsherren<br />
als Repräsentanten der Bürgerinnen und Bürger vorgetragen<br />
wurde. Die wenigen jüdischen Familien, so<br />
scheint es, haben dies mit Anpassung und Unauffälligkeit<br />
versucht und mit unerschöpflicher Leidensfähigkeit<br />
geschafft.<br />
125 StadtAR II 2/7 S. 428 f. Mit der <strong>von</strong> der Würzburger Hofkammer<br />
organisierten Ausgabe <strong>von</strong> Kammerzeichen wird versucht,<br />
die zugelassenen Händler und Reisenden <strong>von</strong> den Massen der<br />
Bettler zu trennen. Vgl. dazu Anm. 150.<br />
126 Vgl. E. Schubert, Arme Leute, S. 156-158, 168-173; B. Rösch,<br />
Judenweg, S. 253-261.<br />
127 Vgl. E. Schubert, Arme Leute, S. 171-173; I. König, Judenverordnungen,<br />
S. 45 f, 181-184, 298 f.<br />
Ein Spiegelbild für Ausschnitte aus dem Alltagsleben<br />
sind die (ab 1531 erhaltenen) Ratsprotokolle. Da<br />
die Ratsherrenversammlung zugleich das für ortsinterne<br />
Vergehen und Streitfälle zuständige Stadtgericht<br />
bildet, lässt sich aus diesen Dokumenten auch ablesen,<br />
wie die Menschen miteinander umgehen. Das Bild ist<br />
freilich einseitig, weil diese Quellen nicht über das<br />
friedliche Zusammenleben berichten, sondern über die<br />
justiziablen Zwischenfälle. Und so stellt sich die<br />
kleinstädtische katholische Gesellschaft hier dar als<br />
eine höchst streit- und rauflustige Gruppe untereinander<br />
missgünstiger Nachbarn. An der Tagesordnung<br />
sind vor allem Beleidigungen und Verleumdungen,<br />
Schlägereien und Körperverletzungen, Diebstähle,<br />
Verkaufs- und Erbschaftsstreitigkeiten, Streit um Wasser-<br />
und Weidenutzungen. 128 Von der exzessiven Denunziationslust<br />
zur Zeit der Hexenprozesse unter den<br />
Fürstbischöfen Julius Echter <strong>von</strong> Mespelbrunn und<br />
Philipp Adolph <strong>von</strong> Ehrenberg soll hier ganz geschwiegen<br />
werden. 129 Im Vergleich zu ihren christlichen<br />
Nachbarn sind die Juden vor Gericht geradezu<br />
auffallend unauffällig, und das nicht nur wegen ihrer<br />
geringen Zahl.<br />
Man muss lange suchen, bis man ihnen in den Protokollbüchern<br />
als Frevlern begegnet. 1679 werden<br />
Perlein und Meierlein mit Geldstrafen wegen Verwendung<br />
falscher Gewichte belegt. 130 Das ist keine jüdische<br />
Spezialität, sondern eine häufige Übung auch<br />
christlicher Händler und Gegenstand permanenter obrigkeitlicher<br />
Überwachung und Ahndung. 131 Ansonsten<br />
kommen eher kuriose Straftaten vor. 1699 muss Jöstlein<br />
zwei Gulden zahlen, weil er einen Bürger als verlogenen<br />
gesellen gescholten hat, und er geht für zwei<br />
Stunden ins Gefängnis, weil er mit dem Hut auf dem<br />
Kopf die Ratsstube betrat. 132 1764 zahlt Jud Männleins<br />
Sohn vom Berg zwei Gulden Strafe, weil er aus<br />
einem Garten Birnen aufgelesen und die erboste Eigentümerin<br />
auch noch beleidigt hat. 133 Dieses Vergehen<br />
ist zeitlos: 1849 wird Benjamin Freudenberger<br />
angezeigt, nachdem er einen verbotenen Weg begangen<br />
und Äpfel aufgesammelt hat. 134 Männlein und Nathan<br />
machen sich 1771 strafbar, indem sie über einen<br />
Zaun des Pfarrers steigen oder durch die Centwiese<br />
laufen. 135<br />
Eine Ausnahme <strong>von</strong> der gepflegten Unauffälligkeit<br />
passiert in einer Winternacht des Jahres 1732, als Teil-<br />
128 Ausgewertet wurden die Ratsprotokolle StadtAR II 2/1 (1531-<br />
1553), II 2/6 (1642-1725), II 2/10 (1763-1770). Vgl. P. Kolb,<br />
Chronik, S. 75-79.<br />
129 Vgl. W. Mogge, Dies uralt Haus, S. 73-75.<br />
130 StadtAR IV 3/3 S. 202. Der Autor der Stadtchronik nennt keine<br />
Quellen; im Ratsprotokollbuch der Zeit (StadtAR II 2/6) findet<br />
sich dazu kein Vorgang.<br />
131 StadtAR II 1/1 S. 3-6, 9 f; IV 3/3 S. 173-178), IV 3/4 S. 74 f<br />
(Vorschriften für Maße, Gewichte und Preise).<br />
132 StadtAR II 2/6 S. 539; vgl. IV 3/3 S. 298.<br />
133 StadtAR II 2/10 S. 238-243; vgl. IV 3/5 S. 23.<br />
134 StadtAR II 1/4 (unpaginiert), 3. 9. 1849.<br />
135 StadtAR II 2/11 S. 128, 131.
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 29<br />
nehmer einer wohl allzu temperamentvollen Beschneidungsfeier<br />
vor dem Haus eines Glaubensgenossen im<br />
Städtchen randalieren, Tür und Fenster beschädigen<br />
und die christlichen Nachbarn aus dem Schlaf reißen;<br />
derlei insolenz wird mit Geldbußen geahndet. 136 Andererseits<br />
kann es geschehen, dass das Stadtgericht den<br />
tätlichen Übergriff <strong>von</strong> Christen auf ein jüdisches<br />
Kind mit einer empfindlichen Geldstrafe ahndet. 137<br />
Untereinander verhalten sich die Glaubensgenossen<br />
nur selten unfriedlich. 1680 werden Moÿses aus<br />
Rothenfels und Feiferlein aus Karbach angeklagt, weil<br />
sie wegen einer Vormundschaft mit schlägen über einander<br />
kommen und der Jud Feiferlein am maul gebluet.<br />
Sie bekommen beide eine Rugstrafe – der eine,<br />
weil er provoziert und in des Gegners Haus tumultuirt,<br />
der andere, weil er allzu heftig zugeschlagen hat. 138<br />
1773 und 1775 stehen zwei streitbare Berg<strong>rothenfels</strong>er<br />
Juden vor dem Stadtgericht: Männlein gegen Löblein<br />
<strong>von</strong> Urspringen 139 , dann Nathan gegen Löb <strong>von</strong> Greußenheim<br />
140 ; in beiden Fällen waren schon länger<br />
schwelende Streitigkeiten und Beleidigungen in blutige<br />
Schlägereien übergegangen, was allen Beteiligten<br />
nun Geldstrafen und Abmahnungen einbringt.<br />
Relativ häufig holen Juden sich Geldbußen ab,<br />
weil sie ihre Kühe und Ochsen auf gemeindeeigenen<br />
Wiesen oder in fremden Baumgärten grasen ließen.<br />
Auch damit stehen sie nicht allein. Wohl jeder christliche<br />
Haushalt in der Stadt, vom Dorf ganz zu schweigen,<br />
hält eine Kuh oder Ziegen und Schweine und<br />
Federvieh, und wohl jede Familie riskiert Grenzüberschreitungen<br />
bei der Freilandfütterung. Einmal im Jahr<br />
tagt ein Ausschuss des Stadtrates als Ruggericht und<br />
verteilt dutzendweise an zahlreiche Einwohner die<br />
Geldstrafen vor allem für die im Lauf der Monate <strong>von</strong><br />
Feldhütern, Revierjägern oder Mitbürgern angezeigten<br />
illegalen Viehweiden. 141<br />
Wenn die Juden das Stadtgericht in eigener Sache<br />
in Anspruch nehmen, dann geht es fast ausschließlich<br />
um säumige Schuldner bei Kreditvergaben oder um<br />
ungetreue Handelspartner beim An- und Verkauf <strong>von</strong><br />
Vieh. In allen in den Quellen aufgefundenen Fällen<br />
endet das Verfahren zugunsten der klagenden Juden<br />
oder mit einem Vergleich, dem sie zustimmen – ein<br />
Hinweis übrigens auf das allgegenwärtige Risiko bei<br />
136 StadtAR II 2/7 S. 3. Die Feier findet im Haus <strong>von</strong> Moschel<br />
statt, der tumult vor dem Haus <strong>von</strong> Perl; Festteilnehmer sind außerdem<br />
die hießigen Hirschle und Schlummell sowie frembde<br />
Juden.<br />
137 StadtAR II 2/7 S. 230-234. Hier ein Urteil vom 25. 8. 1743,<br />
nachdem christliche Geschäftsleute die Tochter des Juden<br />
Hirsch des Diebstahls bezichtigt und geschlagen hatten.<br />
138 StadtAR II 2/6 S. 351 f.<br />
139 StadtAR II 2/11 S. 516-519, 534-540, 544.<br />
140 StadtAR II 2/11 S. 631-636. Es handelt sich wohl um Nathan,<br />
den Sohn Männleins.<br />
141 Ausgewertet wurden StadtAR II 2/6 (Ratsprotokolle 1642-<br />
1725), II 2/8 (Ratsprotokolle 1751-1755), II 2/10 (Ratsprotokolle<br />
1763-1770), II 2/11 (Ratsprotokolle 1770-1776), III 11/10<br />
(Bürgermeisterrechnung 1760), III 11/19 (Bürgermeisterrechnung<br />
1770).<br />
Geld- und Handelsgeschäften. 142 Der Stadtrat, auch<br />
wenn selbst als Kreditnehmer betroffen, achtet auf<br />
korrekte Abwicklung. Sogar auf Kompromisse lässt<br />
man sich ein: Als 1761 der hiesige Schutzjude Moÿßel<br />
der Stadt einen durch sein Versehen verjährten Schuldschein<br />
präsentiert, wird beschlossen, ihm aus Kulanz<br />
noch die Hälfte des Geldbetrages anzuerkennen und<br />
auszuzahlen. 143<br />
Hin und wieder ist auch der in der Burg Rothenfels<br />
residierende Amtmann mit Rechtsangelegenheiten der<br />
Juden befasst. Dabei geht es zum Beispiel um den<br />
Viehtrieb in hochstiftischen Wäldern, einen Dauerkonflikt<br />
nicht nur mit den jüdischen Viehhändlern. 144 Da<br />
die Amtsprotokolle verloren gegangen und nur wenige<br />
Auszüge daraus in anderen Aktenüberlieferungen erhalten<br />
sind, lässt sich nichts über die Häufigkeit solcher<br />
Vorgänge sagen. Gelegentlich werden auch die<br />
Gremien der fürstbischöflichen Regierung in Würzburg<br />
bemüht, wenn es zum Beispiel darum geht, einem<br />
Rothenfelser Juden zu seinem Recht gegen<br />
säumige Schuldner zu verhelfen. 145<br />
Im Hintergrund zahlreicher Stadtgerichtsverfahren<br />
schwelt, ausgesprochen oder unausgesprochen, stets<br />
die auf Konkurrenzangst gegründete pauschale Verdächtigung,<br />
„die Bürger“ würden durch „die Juden“ in<br />
Geld- und Handelsgeschäften beschwehret, betrogen<br />
und dardurch gar verderbt werden. Der Stadtrat lässt<br />
deshalb die Waren der jüdischen Händler nach Herkunft<br />
und Wert streng kontrollieren. 146 Umgekehrt fällt<br />
auf, dass Juden vermehrt als Kläger vor das Stadtgericht<br />
ziehen, was wohl ein Indiz für wachsendes<br />
Selbstbewusstsein und zunehmende Rechtssicherheit<br />
der Minderheit ist. –<br />
Den Aufenthalt im Hochstift Würzburg und in<br />
Rothenfels müssen die Juden mehrfach und teuer bezahlen.<br />
Der Schutzbrief des Fürstbistums, die lebensnotwendige<br />
Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung,<br />
kostet beim Erwerb eine große einmalige Summe und<br />
bringt der Hofkammer zudem Gebühren für die alljährliche<br />
Verlängerung ein. Beim Tod eines Fürstbi-<br />
142 Ausgewertet wurden StadtAR II 2/6 (Ratsprotokolle 1642-<br />
1725) S. 417, 441, 511; II 2/8 (Ratsprotokolle 1751-1755) S.<br />
179 f, 237, 256-258, 270-272, 281, 331, 621 f, 729-731; II 2/10<br />
(Ratsprotokolle 1763-1770) passim; II 2/11 (Ratsprotokolle<br />
1770-1776) S. 38-41, 172-174, 271 f, 611-616; II 2/14<br />
(Ratsprotokolle 1799-1802) S. 21-29, 36 f.<br />
143 StadtAR IV 3/5 S. 20. Es geht um ein Darlehen <strong>von</strong> 23 Stück<br />
Karolin (eine süddeutsche Goldmünze) für die Gemeinde. Mit<br />
eindeutigem Tonfall kommentiert der Autor der Stadtchronik,<br />
Oberlehrer Georg Max Fuß (1867-1939), später den Vorgang:<br />
den Juden hätte ich mögen die dicken Hände reiben sehen!<br />
(StadtAR IV 3/7 Bl. 10).<br />
144 StAWt-R Rep. 26h Nr. 21 (1752).<br />
145 StAWt-F Rep. 229 Nr. 31 (Inhalt: Klage des Moyses Jud zu<br />
Rottenfels gegen den Schmiedemeister Melchior Albert zu<br />
Trennfeld wegen säumiger Zahlungen für Darlehen, Vieh- und<br />
Weinkauf, 1745/46); StAWt-R Rep. 82l Nr. 473 (Inhalt: Jud<br />
Männlein <strong>von</strong> Berg, Amts Rothenfels verklagt Andreas Beck aus<br />
Kredenbach auf Ausgleich <strong>von</strong> Forderungen für Darlehen und<br />
Viehverkäufe, 1764).<br />
146 StadtAR II 2/7 S. 66.
30 Winfried Mogge<br />
schofs muss die zusätzliche Erneuerung mit einem Interregnumsgeld<br />
bezahlt werden. Beim Ableben eines<br />
Schutzbriefinhabers gelten die erworbenen Rechte nur<br />
für die Witwe, nicht aber für die Kinder fort, und müssen<br />
<strong>von</strong> den Söhnen neu beantragt und gekauft werden.<br />
147 Nach der Säkularisation besteht übrigens die<br />
nunmehr löwensteinische Herrschaft auf der Fortzahlung<br />
der Schutzgelder als eine Domainen Revenue. 148<br />
An die Kommune geht ein jährliches Beisassengeld<br />
<strong>von</strong> in der Regel vier Gulden pro jüdischer Familie.<br />
Obschon sie keine Bürgerrechte besitzen, müssen<br />
die Juden die ortsüblichen Frohnden leisten. Alle im<br />
Amt wohnenden oder handelnden Glaubensgenossen<br />
zahlen dem Amtmann und dem Keller ein Neujahrsgeld<br />
und etliche Gerichts- und Verwaltungsgebühren –<br />
die Judengulden oder Judenabgaben gehören zu den<br />
zahlreichen Akzidenzien der würzburgischen, dann löwensteinischen<br />
Beamten. Auch der katholische Geistliche<br />
– in Rothenfels der Stadtpfarrer – bekommt<br />
paradoxerweise ein Neujahrsgeld <strong>von</strong> den Juden, begründet<br />
als Ersatz für entgangene Stolgebühren bei<br />
nicht ausgeübten Amtshandlungen. 149<br />
Besonders erfindungsreich ist die Würzburger Hofkammer<br />
bei der Erhebung <strong>von</strong> Zöllen. Rothenfels ist<br />
eine <strong>von</strong> vielen Zollstationen, der hiesige Zollverwalter<br />
arbeitet sich durch einen ständig wachsenden Wust<br />
<strong>von</strong> Vorschriften und Tarifen. Unterschiedliche Gebühren<br />
zahlt man für alle möglichen über die kleinräumigen<br />
Grenzen hinweg geführten Waren und für Vieh.<br />
Die meisten Juden, für ihren Lebensunterhalt auf Handelsgeschäfte<br />
verwiesen, müssen viel reisen; sie schulden<br />
den Leibzoll, mit dem sie selbst bei der<br />
Überschreitung <strong>von</strong> Landesgrenzen wie eine Ware<br />
verzollt werden. Auch auswärtige oder ritterschaftli-<br />
147 Vgl. I. König, Judenverordnungen, S. 39-44, 62 f, 160 f, 207-<br />
209. Im Hochstift Würzburg kostet das jährliche Schutzgeld für<br />
Familien lange Zeit im Schnitt zehn Gulden in den Dörfern,<br />
zwölf Gulden in den Landstädten, letzteres auch in Berg<strong>rothenfels</strong><br />
und Rothenfels (StAWü Judenschaft Nr. 1; StAWt-R Rep.<br />
79h Nr. 19). 1792/93 bis 1800/01 werden in Rothenfels und<br />
Berg<strong>rothenfels</strong> jährlich zwischen zwei und drei Gulden rheinischer<br />
Währung für Schutz- und Extra Gelder berechnet (StAWü<br />
Rechnung 39.022).<br />
148 StAWt-R Rep. 79h Nr. 19. Die Fürstliche Regierung zu Wertheim<br />
beauftragt am 27. 3. 1803 die Amtskellerei Rothenfels mit<br />
einem Bericht, wie die zahlreichen ordinären und extraordinären<br />
Contributionen der wenigen Schutz<strong>juden</strong> im Amt Rothenfels<br />
durch einen einheitlichen mäßigen Schatzungsfuß zu<br />
ersetzen seien. Zu dieser kleinen Reform kommt es nicht, sondern<br />
zur allmählichen und langwierigen Verweigerung und Abschaffung<br />
der zahlreichen Abgaben.<br />
149 StAWü Standbuch Nr. 799, Bestallungen und Accidentia der<br />
Rothenfelser Oberamtmänner, Keller usw. (vgl. W. Mogge,<br />
Dies uralt Haus, S. 103, 310, 312); Statistische Sammlung Nr.<br />
280 fol. 232 f. 1804 werden in Rothenfels die Neujahrsgelder<br />
für den Oberamtmann abgeschafft, weil diese Stelle nicht mehr<br />
besetzt wird (StAWt-R Rep. 12i Nr. 35, Rep. 41e Nr. 2). Die<br />
Neujahrsgelder an den Stadtpfarrer gehören 1833 zu den Beschwerdepunkten<br />
der jüdischen Gemeinde (vgl. unten S. 34).<br />
Sie werden in Bayern generell erst 1881 im Rahmen der entschädigungslosen<br />
Abschaffung aller persönlichen Sonderabgaben<br />
der Juden aufgehoben (vgl. unten S. 35).<br />
che Juden müssen Freizeichen kaufen, wenn sie hochstiftisches<br />
Land passieren oder hier handeln wollen. 150<br />
Bei Verheiratungen wird ein Brautzoll für die Durchreise<br />
der Verlobten kassiert, bei der Überführung Verstorbener<br />
zum Friedhof Totenzoll. Wenn ein Jude<br />
einen Sohn oder eine Tochter außer Land verheiratet,<br />
muss er für das mitgegebene Heiratsgut (die Heimsteuer)<br />
eine Nachsteuer zahlen. 151<br />
Neben solchen individuellen Abgaben wird auch<br />
die sambtliche <strong>juden</strong>schafft des Hochstifts, die sich<br />
um die Mitte des 17. Jahrhunderts in einer Interessenvertretung<br />
namens Altwürzburger Land<strong>juden</strong>schaft organisiert<br />
hat, kollektiv zu besonderen Zahlungen<br />
herangezogen – die wiederum auf die Kultusgemeinden<br />
und deren Mitglieder umzulegen sind. Einen Eindruck<br />
dieser Belastungen vermittelt eine Bittschrift<br />
der Abgeordneten der Judenschaft <strong>von</strong> 1749 an den<br />
Fürstbischof. Etliche vorangegangene gravamina und<br />
die Ergebnisse einer Audienz beim neu gewählten Regenten<br />
Karl Philipp <strong>von</strong> Greiffenclau sind in dieses<br />
Papier eingeflossen. Demnach muss zu jener Zeit ein<br />
jährliches korporatives Schutzgeld <strong>von</strong> 800 Gulden<br />
und zu jedem Jahreswechsel ein Neujahrsgeld <strong>von</strong><br />
1.000 Talern an die Hofkammer gezahlt werden. Diese<br />
und andere Forderungen, so die Delegierten, können<br />
viele Juden schon jetzt nicht mehr aufbringen, weshalb<br />
ihnen Verarmung und völliges Verderben droht. 152<br />
Die Kosten für das 1719 <strong>von</strong> der Regierung als<br />
Mittler- und Kontrollinstanz gegründete Judenamt<br />
werden ebenfalls auf die Kultusgemeinden umgelegt.<br />
Selbstverständlich müssen diese ihre eigenen Einrichtungen<br />
wie Synagoge und Schule, Friedhof und Armenfürsorge,<br />
ihre Ortsrabbiner und Lehrer und<br />
sonstigen Angestellten selbst finanzieren, ebenso das<br />
Gehalt und die Auslagen für den Oberrabbiner, der<br />
nicht nur das gelehrte Oberhaupt der Judenschaft, sondern<br />
auch für die Aufsicht und Rechtsprechung in innerjüdischen<br />
Angelegenheiten zuständig ist. 153<br />
Zur Einordnung solcher Informationen muss man<br />
wissen, dass im Fürstbistum Würzburg – und das<br />
heißt: in den Landämtern – zu jener Zeit nur zwischen<br />
422 und 466 Schutz<strong>juden</strong> des Hochstifts, der Stifte<br />
und Klöster leben. 154 (Mit solchen Zahlen sind nicht<br />
150 StAWt-R Rep. 99b Nr. 55 (1803), Nr. 70 (1805-16), Nr. 83<br />
(1808/09). Darin u. a. Verordnungen zum Leibzoll, Muster der<br />
verschiedenen Zollzeichen, Abrechnungen des Rothenfelser<br />
Zollverwalters, Namenslisten der im Amt Rothenfels handelnden<br />
Juden (z. B. 1803: 62 Personen allein aus dem hochstiftischen<br />
Umland). Der 24 Stunden gültige, täglich neu<br />
einzulösende Leibzoll kann durch einen Jahrzoll ersetzt werden.<br />
151 StAWt-R Rep. 41e Nr. 1. Vgl. I. König, Judenverordnungen, S.<br />
63-68, 210-219. Die Nachsteuer sind Juden und Christen generell<br />
bei Vermögenstransfer in andere Staaten schuldig. Die Juden<br />
werden jedoch in der Regel mit höheren Prozentsätzen<br />
abkassiert und bekommen keine Befreiungen.<br />
152 StAWü Gebrechenamtsakten VI W 256. Zu diesen und weiteren<br />
korporativen Abgaben I. König, Judenverordnungen, S. 68-73.<br />
153 Vgl. I. König, Judenverordnungen, S. 68-72, 76-78, 82-84, 227-<br />
229.<br />
154 StAWü G 16.727 fol. 5 und 5'. Die Zahlen der dortigen kleinen
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 31<br />
die Personen, sondern die Haushalte gemeint.) Die<br />
<strong>von</strong> Adeligen und anderen Korporationen Abhängigen<br />
werden <strong>von</strong> ihren Schutzherren auf ähnliche Weise abgeschöpft.<br />
Die Rothenfelser und Berg<strong>rothenfels</strong>er Juden haben<br />
ihren Teil der Belastungen wohl stets auf sich genommen<br />
und aufgebracht, um unbehelligt in ihrer<br />
Heimat bleiben zu können. In der zweiten Hälfte des<br />
18. Jahrhunderts macht sich ihr Zuwachs an Rechtssicherheit<br />
in einer zunehmenden Anzahl <strong>von</strong> Klagen<br />
beim Stadtgericht bemerkbar. Nun kommen in Rothenfels<br />
auch keine Vertreibungen oder Ausweisungsanträge<br />
mehr vor. Während aus manchen Orten des<br />
Hochstifts Würzburg pogromähnliche Stimmungen<br />
der Bevölkerung und Ausschreitungen gegen Juden zu<br />
verzeichnen sind 155 , gibt es hier keine Berichte dieser<br />
Art. Schlussendlich scheint es in Rothenfels eine Zeit<br />
friedlicher Koexistenz zwischen Christen und Juden<br />
gegeben zu haben.<br />
9. Schritte zur Emanzipation<br />
Der Beginn des 19. Jahrhunderts bringt für das würzburgische<br />
Unterfranken umwälzende Neuerungen des<br />
politischen und gesellschaftlichen Systems. Auch für<br />
die Juden ergeben sich daraus veränderte Lebensbedingungen.<br />
Zum Verständnis der staatlichen und administrativen<br />
Zuständigkeiten, die in den historischen<br />
Akten begegnen, muss ein Blick auf die Neuordnung<br />
der politischen Landkarte geworfen werden. 156<br />
Am Anfang steht die vom napoleonischen Frankreich<br />
diktierte Säkularisation der deutschen geistlichen<br />
Staaten Ende 1802. Das bisherige Hochstift Würzburg<br />
fällt dem Kurfürstentum Bayern zu. Für wenige Jahre<br />
wird es an die neuen Fürstentümer Würzburg und<br />
Aschaffenburg aufgeteilt – ein Zwischenspiel während<br />
der Verschiebung <strong>von</strong> Ländermassen unter den großen<br />
deutschen Staaten. Auch die Fürsten <strong>von</strong> Löwenstein-<br />
Wertheim-Rochefort (später Rosenberg genannt) holen<br />
bei der Säkularisation für sich als Entschädigung für<br />
Verluste auf dem linken Rheinufer einige würzburgische<br />
und mainzische Ämter und Klöster heraus, darunter<br />
das bisherige Amt Rothenfels.<br />
Statistiken sind aus den Judenschutzgeldrechnungen gezogen.<br />
Addiert werden Schutz<strong>juden</strong> des Hochstifts: 358 (1719), 351<br />
(1745), 377 (1749), 355 (1754), 388 (1763), der Stifte und<br />
Klöster: 72 (1719), 65 (1745), 72 (1749), 75 (1754), 78 (1763),<br />
insgesamt: 430 (1719), 422 (1745), 449 (1749), 430 (1754),<br />
466 (1763). Die Schutz<strong>juden</strong> der Adeligen und anderer Korporationen<br />
sind in der Quelle nicht enthalten. – Weitere statistische<br />
Daten bei L. Scherg, Land<strong>juden</strong>tum, S. 229-231.<br />
155 Beispiele aus Franken bei E. Schubert, Arme Leute, S. 158-160<br />
und zugehörige Anmerkungen.<br />
156 Zu den Entwicklungen in Deutschland: E. R. Huber, Verfassungsgeschichte,<br />
Bd. I S. 25-85, 314-322. Die verwaltungsrechtlichen<br />
Strukturen u. a. des Amtes Rothenfels und ihre<br />
Veränderungen im 19. Jh. detailliert bei: G. Christ, Lohr, S.<br />
348-394, 396-400, 409-418.<br />
Die löwensteinischen Fürsten werden bald darauf<br />
<strong>von</strong> der fortschreitenden politischen Flurbereinigung<br />
selbst getroffen – 1806 werden sie mediatisiert, verlieren<br />
die Souveränität über ihre weit verstreuten Länder,<br />
kommen unter die Hoheit der umliegenden, neu konstruierten<br />
Territorien. Für die Region um Rothenfels<br />
heißt das: Die auf der rechten Mainseite gelegenen<br />
Besitzungen der Löwensteiner gehören nun zum Staat<br />
des Fürstprimas Karl Theodor <strong>von</strong> Dalberg (1802-<br />
1813), der 1803 sein altes Erzstift Mainz in das Fürstentum<br />
Aschaffenburg, ab 1810 Großherzogtum<br />
Frankfurt retten konnte. Die linksmainischen Teile gehen<br />
an das Großherzogtum Baden, das hier ein kurzlebiges<br />
Amt Steinbach einrichtet.<br />
Dieser Zustand währt nur bis 1814, bis zur Auflösung<br />
und Neuverteilung der Würzburger und Frankfurter<br />
Großherzogtümer. Das ehemalige Hochstift<br />
Würzburg fällt zum zweiten Mal und nun endgültig an<br />
das 1806 zum Königreich erhobene Bayern. Das betrifft<br />
auch Rothenfels: Seit dem 3. Juni 1814 sind die<br />
Burg, die Stadt und die rechtsmainischen Teile des<br />
Amtes staatsrechtlich bayerisch. 1819 kommen nach<br />
einem Gebietstausch auch die alten Amtsteile auf der<br />
linken Mainseite wieder hinzu.<br />
In der Folgezeit sind die Gewinner der Mediatisierung<br />
bestrebt, ihre alten und neuen Herrschaften zu<br />
modernen Flächenstaaten zusammenzufügen. Das<br />
heißt, sie müssen ein Gemenge verschiedenster Territorien,<br />
Rechtssysteme und Verwaltungsformen entwirren<br />
und vereinheitlichen. Der Vorgang wird erschwert<br />
durch die Tatsache, dass die mediatisierten Fürsten<br />
keinesfalls <strong>von</strong> der politischen Bildfläche verschwinden.<br />
Sie behaupten weiterhin eine Reihe <strong>von</strong> Herrschaftsrechten,<br />
Einkünften und Privilegien. Die<br />
souveränen Staaten behalten sich die Gesetzgebung,<br />
die oberste Gerichtsbarkeit, die obere Polizeigewalt,<br />
die militärische Konskription und die Besteuerung<br />
vor; den Fürsten hingegen stehen weiterhin alle Besitzungen,<br />
Zehnten und Feudaleinkünfte als Patrimonialoder<br />
Privateigentum zu, außerdem etliche Herrschaftsrechte,<br />
vor allem die Zivil- und Kriminalgerichtsbarkeit<br />
in niederer Instanz.<br />
Mit dieser komplizierten Art einer Unterherrschaft<br />
haben, wie alle Untertanen, auch die Juden ihre Not –<br />
die Gesetzgebung kommt aus Bayern, vertreten durch<br />
die königliche Kreisregierung in Würzburg, die Ausführung<br />
und Überwachung obliegt den fürstlichen Behörden<br />
in Wertheim und Rothenfels, dann Neustadt,<br />
die nach wie vor auch eine Vielzahl <strong>von</strong> Abgaben beanspruchen;<br />
da sind Zuständigkeitsprobleme vorprogrammiert.<br />
Nach dem staatlichen Übergang an Bayern wird<br />
die löwensteinische Verwaltungs- und Justizbehörde<br />
Rothenfels, die frühere würzburgische Amtskellerei,<br />
zum Herrschaftsgericht. Eine tiefgreifende Veränderung<br />
der rechtlichen Verhältnisse kommt jedoch erst<br />
mit dem Jahr 1848. Als ein Ergebnis der bürgerlichen<br />
Revolution und mit der Politik des reformorientierten
32 Winfried Mogge<br />
Königs Maximilian II. (1848-1864) fällt endlich und<br />
endgültig auch die alte Grundherrschaft in Bayern.<br />
Das bedeutet die Trennung <strong>von</strong> Justiz und Verwaltung,<br />
die Übertragung der grundherrlichen Gerichtsbarkeit<br />
und Polizei auf den Staat. Die Folgen für Rothenfels<br />
sind die Umwandlung des fürstlichen Herrschaftsgerichts<br />
in ein königliches Landgericht (1853), das heißt<br />
die völlige Lösung des Justizwesens <strong>von</strong> der Standesherrschaft,<br />
und die Ablösung des mittelalterlichen Systems<br />
der Grundlasten durch eine einheitliche<br />
Besteuerung. 157<br />
Vor diesem zeitgeschichtlichen Hintergrund vollzieht<br />
sich die bayerische Judenpolitik auch in Unterfranken.<br />
Sie führt, um das Ergebnis eines langen<br />
Prozesses vorwegzunehmen, im 19. Jahrhundert zur<br />
bürgerlichen Emanzipation und rechtlichen Gleichstellung<br />
der religiösen Minderheit.<br />
Der in der gesamten Bevölkerung zunehmende Widerstand<br />
gegen das im Zeitalter der Aufklärung diskreditierte<br />
Feudalsystem macht sich im Amt Rothenfels<br />
zunächst bei den Abgaben und Dienstleistungen bemerkbar.<br />
Schon in den letzten Jahren der fürstbischöflichen<br />
Herrschaft mehren sich Verweigerungen <strong>von</strong><br />
Bürgern und Bauern. In der Region wird, wie überall,<br />
auch die Judenschaft mutig. Ihr Protest setzt zuerst bei<br />
den Neujahrsgeldern an, die nicht nur die im Amt Rothenfels<br />
lebenden, sondern auch alle dort handelnden<br />
Juden dem würzburgischen Oberamtmann und seinen<br />
Beamten zahlen müssen. 158<br />
Bald werden auch Leibzoll und Viehzoll nicht mehr<br />
widerstandslos entrichtet. Die jüdischen Händler aus<br />
Urspringen und Laudenbach, aus den ritterschaftlichen<br />
Enklaven Steinbach und Wiesenfeld und aus der Grafschaft<br />
Wertheim beschäftigen die nunmehr löwensteinischen<br />
Behörden jahrelang mit Eingaben und<br />
Zahlungsverweigerungen; sie erreichen zunächst Zugeständnisse<br />
<strong>von</strong> der Ablösung des Leibzolls durch ein<br />
pauschales jährliches Taschengeleit bis zur völligen<br />
Befreiung <strong>von</strong> diesen Kosten. Die Verhandlungen gestalten<br />
sich schwierig, weil man es jeweils mit Bittstellern<br />
und Gegnern zu tun hat, die unterschiedlichen<br />
und wechselnden souveränen Staaten unterstehen –<br />
Königreich Bayern, Großherzogtum Baden, Großherzogtum<br />
Würzburg und Fürstprimatiat. 159 Fast gleichzeitig<br />
fällt 1807 und 1808 in den genannten Ländern<br />
dieses <strong>von</strong> den Betroffenen und nun auch <strong>von</strong> den Regierungen<br />
als menschenunwürdig empfundene System<br />
der Personalbesteuerung. 160 Die schrittweise Abschaffung<br />
weiterer Rezeptions- und Schutzgelder braucht in<br />
Bayern noch einige Jahrzehnte. 161<br />
157 Vgl. W. Mogge, Dies uralt Haus, S. 82-90.<br />
158 StAWt-R Rep. 12i Nr. 35 (1800), Rep. 41e Nr. 2 (1804); vgl.<br />
Anm. 149.<br />
159 StAWt-R Rep. 99b Nr. 37 (1806-09), Nr. 49 (1803), Nr. 55<br />
(1803), Nr. 56 (1803), Nr. 65 (1804), Nr. 83 und 84 (1807-09).<br />
160 G. Döllinger, Sammlung, S. 229-232; I. König, Judenverordnungen,<br />
S. 63-66.<br />
161 G. Döllinger, Sammlung, S. 238-245.<br />
Ein Meilenstein auf dem Weg zur Judenemanzipation<br />
ist das Edikt über die Verhältnisse der jüdischen<br />
Glaubensgenossen im Königreiche Baiern vom 10.<br />
Juni 1813. 162 Es gibt den Juden ansatzweise Bürgerrechte,<br />
erlaubt ihnen die freie Wahl fast aller Berufe<br />
und Gewerbe, ermöglicht den freien Erwerb <strong>von</strong> Häusern<br />
und Grundstücken zur eigenen Bewohnung und<br />
Bewirtschaftung. Unverkennbar ist in den Hauptbestimmungen<br />
des Judenedikts eine erzieherische Absicht:<br />
Es gilt, die Juden <strong>von</strong> ihren bisherigen ebenso<br />
unzureichenden als gemeinschädlichen Erwerbsarten<br />
abzuleiten und sie zu allen bürgerlichen Nahrungszweigen,<br />
als Feldbau, Handwerken, Treibung <strong>von</strong> Fabriken<br />
und Manufakturen und des ordentlichen<br />
Handels zuzulassen. Erlaubt wird bei entsprechender<br />
Qualifikation und Konzession und bei ausreichendem<br />
Vermögen auch die Betätigung im ordentlichen Wechsel-,<br />
Groß- und Detailhandel, gänzlich verboten soll<br />
künftig aller Hausier-, Noth- und Schächerhandel<br />
sein. 163<br />
Weitere in das bisherige Leben eingreifende Bestimmungen<br />
des Gesetzeswerkes sind vor allem: Die<br />
bisherigen eigenen jüdischen Korporationen und Sonderrechtsgemeinden<br />
werden aufgelöst; die Juden sollen<br />
an ihren Wohnorten künftig zur politischen<br />
Kommune zählen und dort dieselben Rechte haben<br />
wie die Christen. Und: Den jüdischen Glaubensgenossen<br />
im Königreiche wird vollkommene Gewissensfreiheit<br />
gesichert; ihre Kultusgemeinden gelten künftig<br />
als Privat-Kirchengesellschaften. Organisation und<br />
Arbeit der Kirchengemeinden und die Ausbildung der<br />
Rabbiner und Lehrer unterliegen nun der staatlichen<br />
Aufsicht und Qualitätskontrolle. 164<br />
So progressiv diese und weitere Bestimmungen<br />
auch sind, so erfreulich für die Juden der relativ gesicherte<br />
rechtliche Status auch ist – die freie Wahl des<br />
Aufenthaltsortes bleibt ihr Wunschtraum. Die neuen<br />
bürgerlichen Rechte und Vorzüge werden nur denjenigen<br />
gewährt, die als Staatsbürger an ihren bisherigen<br />
Wohnorten ausdrücklich zugelassen, das heißt bei den<br />
Polizeibehörden in besondere Matrikeln eingetragen<br />
werden. Dazu muss man frühere Schutzbriefe, Konzessionen<br />
und Aufenthaltsgenehmigungen vorlegen,<br />
die Familienverhältnisse offenlegen und ein Mindestvermögen<br />
nachweisen. Damit verbunden ist die verpflichtende<br />
Annahme gleichbleibender, vererblicher<br />
Familiennamen. Und es gilt die alles entscheidende<br />
Einschränkung: Die Zahl der Juden-Familien an den<br />
162 Benutzte Veröffentlichung des Judenediktes: K. Weber, Neue<br />
Gesetz- und Verordnungen-Sammlung, Bd. 1 (1880), S. 417-<br />
423. Mit zahlreichen anderen die Juden betreffenden bayerischen<br />
Verordnungen auch bei G. Döllinger, Sammlung, Bd. 6<br />
(1838), S. 1-7.<br />
163 Judenedikt (wie Anm. 162), §§ 14 bis 20, Zitate §§ 15, 19, 20.<br />
Zahlreiche weitere Verordnungen zu Gewerbsbetrieb und Handelsbetrieb<br />
bei G. Döllinger, Sammlung, S. 79-140.<br />
164 Judenedikt (wie Anm. 162), §§ 21 bis 31, Zitat § 23. Zahlreiche<br />
weitere Verordnungen zu Religions- und Kirchen-Verhältnisse<br />
bei G. Döllinger, Sammlung, S. 141-198.
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 33<br />
Burg Rothenfels,<br />
Amtskellerei:<br />
Sitz des fürstlichen<br />
Herrschaftsgerichts,<br />
dann königlichen<br />
Landgerichts<br />
Orten, wo sie dermal bestehen, darf in der Regel nicht<br />
vermehrt werden, sie soll vielmehr nach und nach vermindert<br />
werden, wenn sie zu groß ist. 165<br />
Erst 1861, nach vielen vergeblichen publizistischen<br />
und politischen Vorstößen, fallen diese <strong>von</strong><br />
Juden und Bürgerrechtlern als diskriminierend empfundenen<br />
Matrikelparagraphen. Auch weitere rechtliche<br />
Beschränkungen und drückende Sonderabgaben<br />
hat der Erlass <strong>von</strong> 1813 noch nicht beseitigt: Stoff für<br />
die Kämpfe der nächsten Jahrzehnte. 166<br />
Im ehemaligen Hochstift Würzburg, im nachmaligen<br />
Untermainkreis, und so auch im früheren Amt Rothenfels<br />
gilt das Judenedikt erst seit dem staatlichen<br />
Übergang an Bayern. Eine entsprechende Verordnung<br />
vom 5. Dezember 1816 wird im folgenden Jahr zügig<br />
umgesetzt. 167 Vorher schon gibt es ähnliche Gesetzgebungen<br />
über die Bürgerrechte der Israeliten in den<br />
beiden Großherzogtümern Frankfurt und Würzburg,<br />
und so gehen die kurzzeitig zu diesen Staaten gehörenden<br />
neuen bayerischen Untertanen einige formale<br />
Schritte zur Emanzipation gleich doppelt. 168<br />
Für die Juden in Rothenfels und Berg<strong>rothenfels</strong> bedeutet<br />
die Einführung der Matrikeln nicht nur keinen<br />
Fortschritt in Richtung Freizügigkeit, sondern im Gegenteil<br />
eine Verengung der früheren Zulassungen an<br />
ihren Wohnorten. Die Stadt bekommt nur eine Matri-<br />
kelstelle zugeteilt, das Dorf zwei. Familiengründungen<br />
und Zuzug neuer Familien scheinen so ausgeschlossen<br />
zu sein. Allerdings wird die Schärfe des Judenedikts in<br />
der Praxis der Ansässigmachung unterlaufen: Es gibt<br />
zahlreiche Ausnahmeregelungen für einzelne Personen<br />
und Orte und etliche Immatrikulationen über die<br />
Normzahl hinaus, und es besteht die (auch in unserem<br />
Ort wahrgenommene) Möglichkeit, als Beisasse oder<br />
mit einer außerordentlichen Judenschutzerteilung in<br />
der politischen Gemeinde zum temporären Aufenthalt<br />
zugelassen zu werden, was immerhin eine Wohn- und<br />
Arbeitsgenehmigung bedeutet, wenn auch ohne Bürgerrecht.<br />
169<br />
Bayern ist seit dem Religionsedikt <strong>von</strong> 1803 der<br />
Vorreiter unter den deutschen Ländern, was die volle<br />
Gleichberechtigung der christlichen Konfessionen betrifft.<br />
170 Die Gleichstellung der Juden hingegen geht<br />
nur langsam voran. Die vom Geist der Aufklärung geprägten<br />
Regierungen hemmen sich dabei selbst durch<br />
den im Judenedikt sichtbaren Generalplan, die Emanzipation<br />
der Israeliten nur schrittweise unter Abarbeitung<br />
eines Erziehungsprogramms zur Assimilation und<br />
Integration in die bürgerliche Gesellschaft zu gewähren.<br />
Sie scheitern aber auch und immer wieder im<br />
bayerischen Landtag mit ihren Regierungsvorlagen,<br />
den umstrittenen Erlass <strong>von</strong> 1813 ganz oder teilweise<br />
165 Judenedikt (wie Anm. 162), §§ 1 bis 13, Zitat § 12.<br />
166 Vgl. S. 35. – Die restriktive bayerische Ansiedlungs- und Familienpolitik<br />
gilt nicht nur für Juden: Freizügige Ansässigkeit in<br />
Bayern gibt es auch für Christen noch nicht, wenn es ihnen an<br />
Vermögen mangelt. Als Alternative bleibt für Juden und Christen<br />
oft nur Abwanderung und Auswanderung.<br />
167 G. Döllinger, Sammlung, S. 7-13.<br />
168 G. Döllinger, Sammlung, S. 233-238. Die vergleichsweise progressive<br />
Verordnung des Großherzogtums Frankfurt über die<br />
rechtliche Gleichstellung der Juden und die Ablösung aller Lasten<br />
datiert vom 7. 2. 1811.<br />
169 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8511; Statistische<br />
Sammlung Nr. 617 (Ansässigmachungen im Untermainkreis<br />
1817-1834/35, dabei solche über die Normalzahl in Berg<strong>rothenfels</strong>,<br />
Rothenfels, Greußenheim und Karbach). Allgemein dazu<br />
G. Döllinger, Sammlung, S. 31-76; R. Mehler, Matrikelbestimmungen,<br />
S. 149-155. Letzterer widerspricht der in der Literatur<br />
vorherrschenden Meinung, die Matrikelbestimmungen seien generell<br />
restriktiv gewesen, und verweist auf die oft liberale Praxis<br />
der Vergabe <strong>von</strong> Matrikelstellen und Ausnahmeregelungen<br />
(S. 163-178).<br />
170 M. Spindler, Handbuch, Bd. IV/1 S. 51.
34 Winfried Mogge<br />
zu revidieren. 171 Diese Versuche werden vorbereitet<br />
und begleitet durch einen zunehmenden politischen<br />
und publizistischen Kampf jüdischer und christlicher<br />
Intellektueller, die <strong>von</strong> der Gleichheit aller Menschen<br />
träumen und die Ausgrenzungen einer jahrhundertelang<br />
verfolgten Minderheit als Skandal empfinden.<br />
Nach der Julirevolution 1830 in Frankreich und im<br />
„Vormärz“, den Jahren vor der Märzrevolution <strong>von</strong><br />
1848, werden die Rufe nach völliger Gleichberechtigung<br />
auch der Juden unüberhörbar. 172<br />
Immerhin räumen die bayerische Verfassung <strong>von</strong><br />
1818 und das Gemeindeedikt aus demselben Jahr den<br />
Juden in den Kommunen volle Rechte als Gemeindebürger<br />
ein. 173 Und immerhin starten in Bayern flächendeckende<br />
Aktionen, die Verhältnisse der jüdischen<br />
Glaubensgenossen zu erfassen und zu begutachten<br />
und so die Revision des Judenedikts vorzubereiten.<br />
Für unsere Region heißt das: Die Königliche Regierung<br />
des Untermainkreises in Würzburg fordert zunächst<br />
den unteren Behörden jährliche Berichte über<br />
die demografischen Zahlen und die wirtschaftlichen<br />
und kulturellen Verhältnisse der Juden ab. Die israelitischen<br />
Gemeinden, wie sie jetzt heißen, beantworten<br />
selbst umfangreiche Fragebögen, die 1833 zu einem<br />
Zahlenwerk zusammengefügt werden. Ausdrücklich<br />
vorgesehen und nachgefragt sind dabei auch Beschwerden<br />
und Verbesserungsvorschläge der Betroffenen<br />
zu ihren bürgerlichen Verhältnissen. 174 Diese<br />
Rückmeldungen werden, wenn auch in jahrelanger zäher<br />
Arbeit, sorgfältig registriert und in Reformvorschläge<br />
umgesetzt. 175<br />
Aus Berg<strong>rothenfels</strong> kommt ein bemerkenswerter<br />
Katalog <strong>von</strong> konkreten Beschwerdepunkten, der zugleich<br />
ins Grundsätzliche geht. In den Orten, die ehe-<br />
171 Vgl. R. Mehler, Matrikelbestimmungen, S. 7-15. Der Autor,<br />
neuerer Forschungsliteratur folgend, unterscheidet zwei historische<br />
Wege bei der Judenemanzipation: den liberal-revolutionären,<br />
der die rechtliche Gleichstellung vollständig gewährt<br />
und die weitere Integration dem freien Spiel der gesellschaftlichen<br />
und ökonomischen Kräfte überlässt (z. B. Frankreich), und<br />
den aufgeklärt-etatistischen mit schrittweisem Vorgehen und<br />
Erziehungsanspruch der Regierung (z. B. Bayern).<br />
172 Vgl. U. Gehring-Münzel, Emanzipation, S. 61-142.<br />
173 Vgl. G. Döllinger, Sammlung, S. 77 f.<br />
174 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8663 (Berichte des<br />
Herrschaftsgerichts Rothenfels 1816 ff); Statistische Sammlung<br />
Nr. 279 (Fragebogen mit Beschränkung auf die Familien mit<br />
Matrikeleintrag), Nr. 280 (fol. 221-227: Fragepunkte über die<br />
allgemeinen und bürgerlichen Verhältnisse der Israeliten; fol.<br />
228-237: Erklärungen <strong>von</strong> Nathan Freudenberger zum Fragebogen<br />
für die israelitische Gemeinde Berg<strong>rothenfels</strong> und Rothenfels,<br />
7. 1. 1833). Ein hier nicht zu referierender Teil der<br />
Ausführungen Freudenbergers ist eine mehrseitige Darstellung<br />
der Grundsätze des jüdischen Glaubens. Die ebenfalls vorgegebene<br />
Frage nach der Errichtung einer obersten kirchlichen Behörde<br />
der israelitischen Glaubens Angelegenheiten beantwortet<br />
er nicht, während die Karbacher Gemeinde die Einführung einer<br />
solchen Behörde fordert.<br />
175 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8540, 8541 (Anordnungen,<br />
Korrespondenzen, Berichte und Zusammenfassungen<br />
der Verhältnisse und Beschwerden der israelitischen Glaubensgenossen,<br />
1833-36).<br />
mals zum Hochstift Würzburg gehörten, so heißt es in<br />
dem <strong>von</strong> Nathan Freudenberger unterzeichneten Papier<br />
vom 7. Januar 1833, bestehen noch immer Verordnungen<br />
aus dem Zeitalter der religions Intoleranz<br />
und der Knechtschaft, deren Anwendung im Widerspruch<br />
zur Reichsverfassung steht, indem die Verfassung<br />
des Reichs einem jeden Staatsbürger ohne<br />
Rücksicht auf Religion gleichartige Behandlung in der<br />
Rechtspflege zusichert. Dabei geht es vor allem um die<br />
noch immer bestehende Ungleichbehandlung <strong>von</strong> Israeliten<br />
und Nicht-Israeliten bei Geld- und Handelsgeschäften.<br />
176<br />
Auch andere Belastungen und Widersinnigkeiten<br />
werden genannt und zur Abschaffung vorgeschlagen:<br />
die Neujahrsgeldzahlungen an den katholischen Stadtpfarrer,<br />
die Fronleistungen und Beisassengelder an die<br />
Kommune und die Schutzgeldforderungen des fürstlich-löwensteinischen<br />
Rentamtes. Das alles, betont der<br />
Verfasser, läuft noch immer weiter, obwohl die Juden<br />
längst ordentliche Gewerbe ausüben und normale<br />
Steuerzahler sind. Die Pflichten lasse man sie erfüllen,<br />
doch <strong>von</strong> den staatsbürgerlichen Rechten schließe man<br />
sie aus. Besonders unerträglich sind dem Schreiber die<br />
Hindernisse bei der Niederlassung und Familiengründung,<br />
also die Einschränkungen durch die Matrikelbestimmungen:<br />
Wenn schon der Israelit allen Gesetzen vollen Genüge<br />
geleistet, hat er seinen gesetzlichen Militär-<br />
Dienste überstanden, und hat er alle Mitteln und<br />
Fähigkeiten, sich bürgerlich zu ernähren, so kann er<br />
seine Ansäßigmachung doch nicht erlangen, so die<br />
Normal-Zahl überschritten werden soll. Außerdem<br />
wird mit Recht als Beschwerde angeführt, daß alle<br />
Israeliten <strong>von</strong> Staatsämtern ausgeschlossen sind.<br />
Fazit: Wir tragen gehorsamst darauf an, uns den uebrigen<br />
Staatsbürger[n] des Königreichs so wohl in der<br />
Rechtspflege als wie in der Ansäßigmachung und<br />
zwar in allen Orten wo auch bisher keine Israeliten in<br />
denselben wohnten gleich zustellen und uns die Pforte<br />
zur Zulassung der Staatsämter zu öffnen, und uns gnädigst<br />
ein zulassen. 177<br />
176 Konkret geht es um die 1623 und erneut 1699 verordnete Beurkundungspflicht<br />
<strong>von</strong> Darlehensgeschäften und Handelsverträgen.<br />
Demnach müssen Verträge <strong>von</strong> Juden mit Christen<br />
gerichtlich angezeigt und protokolliert werden. Anderenfalls<br />
können Geldforderungen <strong>von</strong> den Schuldnern bestritten und<br />
vom Gericht abgewiesen werden. Einige Lockerungen wie die<br />
Ausnahme <strong>von</strong> Beträgen unter 12 bzw. 25 Gulden ändern nichts<br />
an der Belastung durch diese Vorschriften. – Ein anderer Punkt<br />
der Rothenfelser Beschwerden ist das Verbot der (jahrhundertelang<br />
zu beiderseitigem Nutzen praktizierten) Haltung <strong>von</strong><br />
Halbvieh. Das heißt: Tiere jüdischer Händler wurden gegen<br />
Preisnachlass oder Nutzungsrecht und abschließende Teilung<br />
des Ertrages zur Fütterung und Aufzucht bei christlichen Bauern<br />
eingestellt. – Beide Verordnungen gelten als Civilrechtliche<br />
Ausnahmegesetze der israelitischen Glaubensgenossen im Königreich<br />
Bayern im Gebiet des ehemaligen Hochstifts Würzburg<br />
zunächst fort. Vgl. G. Döllinger, Sammlung, Anhang S.<br />
11-16, 21-23; I. König, Judenverordnungen, S. 56, 185-191,<br />
199-201.<br />
177 StAWü Statistische Sammlung Nr. 280 fol. 223, 230'-233.
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 35<br />
So fällt aus dem kleinen Rothenfels am Main, verkörpert<br />
in der Person des jüdischen Gemeindesprechers<br />
Nathan Freudenberger in Berg<strong>rothenfels</strong>, eine<br />
vom Geist des „Vormärz“ geprägte Stimme in den<br />
Chor der Emanzipationsforderungen ein. Dass der so<br />
mühsam erkämpfte Prozess der Integration in die bürgerliche<br />
Gesellschaft auch einschneidende Strukturveränderungen<br />
des Land<strong>juden</strong>tums bis hin zur<br />
Auflösung zahlreicher Gemeinden mit sich bringen<br />
wird, ist zu dieser Zeit und an diesem Ort kein Thema.<br />
178<br />
1833 also werden in Bayern Daten erhoben und<br />
Reformvorschläge gesammelt. Die aus dem ganzen<br />
Land gebündelten Anträge werden nur langsam umgesetzt:<br />
1849 mit der erstmaligen Wahl <strong>von</strong> Juden in die<br />
bayerische Abgeordnetenkammer, 1850 mit einer zunächst<br />
zurückgenommenen, im folgenden Jahr erfolgreichen<br />
zivilrechtlichen Gleichstellung, endlich (durch<br />
Landtagsabschied vom 10. November 1861) mit der<br />
Aufhebung der Matrikelbestimmungen über Ansässigmachung<br />
und Gewerbebetrieb. Es bedarf noch einer<br />
ganzen Serie <strong>von</strong> Landes- und übergeordneten Bundesgesetzen<br />
zur Freizügigkeit der Juden und zur<br />
Gleichberechtigung der Konfessionen, bis mit dem<br />
Beitritt Bayerns zur Verfassung des Deutschen Reiches<br />
am 13. Mai 1871 die Israeliten tatsächlich<br />
Staatsbürger mit vollen Rechten sind. 179<br />
Alle diese Schritte zur Emanzipation gehen nicht<br />
reibungslos <strong>von</strong>statten, sondern werden <strong>von</strong> heftigen<br />
politischen, publizistischen und populistischen Protestbewegungen<br />
konservativer Gruppierungen und zunehmend<br />
antisemitisch begründeten Ausschreitungen<br />
begleitet. In Bayern treten bürgerliche und kirchliche<br />
Kreise 1849 einen Adressensturm los – organisierte<br />
Proteste gegen die Judenemanzipation. Das Innenministerium<br />
sammelt die Petitionen und wertet sie statistisch<br />
aus, verlangt auch <strong>von</strong> den örtlichen Obrigkeiten<br />
Berichte über die öffentliche Stimmung betr. Gleichstellung<br />
der Israeliten. So sind wir über den Umfang,<br />
die Urheber und die Motivationen der Bevölkerung in<br />
den meisten Orten informiert. 180<br />
Aus dem ehemaligen Amt Rothenfels berichtet<br />
Joseph Georg Häcker als Leiter der Königlichen Gerichts-<br />
und Polizeibehörde. Demnach wurden aus seinem<br />
(19 Orte umfassenden) Bezirk nur zwei Adressen<br />
gegen die Judenemanzipation abgesandt: aus Karbach,<br />
organisiert vom Vorsteher der Nachbargemeinde<br />
Marktheidenfeld, und aus Pflochsbach, ausgehend<br />
178 Zum Emanzipationsprozess und seinen Folgen für das fränkische<br />
Land<strong>juden</strong>tum vgl. L. Scherg, Jüdische Gemeinden, S.<br />
149-154.<br />
179 Vgl. U. Gehring-Münzel, Würzburger Juden, S. 499-523. Dazu<br />
Judenedikt (wie Anm. 162), hier die Anmerkungen des Herausgebers<br />
S. 418. Erst durch Gesetz vom 26. 3. 1881 werden in<br />
Bayern die letzten für Juden noch bestehenden persönlichen<br />
Sonderabgaben aufgehoben.<br />
180 Vgl. J. F. Harris, The People Speak!, bes. S. 159-187 (Regierungsbezirk<br />
Unterfranken).<br />
vom dortigen Pfarrer. Man verhält sich in dieser Frage<br />
überwiegend passiv: In keiner Gemeinde giebt sich<br />
eine günstige Stimmung für die Judenemanzipation<br />
kund. […] Doch wird aus diesem Anlaß weder eine<br />
Feindseligkeit gegen die Juden verübt, noch sonst die<br />
Ordnung in irgend einer Art gestört. 181<br />
Die Vorbehalte, soweit sie überhaupt artikuliert<br />
werden: Man befürchtet den Aufstieg <strong>von</strong> Juden in öffentliche<br />
Ämter. Scharfe antisemitische Töne leistet<br />
sich hier nur der katholische Pflochsbacher Pfarrer Johann<br />
Adolph Kraus: So lange die Kinder Israels noch<br />
auf ihr mosaisches Gesetz, oder ihren Talmud beharren,<br />
kann keine bürgerliche und politische Gleichstellung<br />
derselben <strong>von</strong> den hiesigen Einwohnern<br />
gewünscht werden; lieber eine gänzliche Entfernung<br />
derselben aus Deutschland nach Palästina, ihrer Herkunft.<br />
182<br />
Es gibt keine Selbstzeugnisse, wie die Juden <strong>von</strong><br />
Berg<strong>rothenfels</strong> und Rothenfels diese Kämpfe empfinden<br />
und kommentieren. Sicher ist jedoch: Sie nehmen<br />
die endlich erlangte Gleichstellung mit allen Rechten<br />
für sich in Anspruch, in der Kommune wie im Staat.<br />
Bei den Gemeindeversammlungen wie bei den Landtagswahlen<br />
sind sie – jedenfalls die volljährigen steuerzahlenden<br />
Männer – dabei. 183<br />
10. Leben und Arbeiten in Rothenfels<br />
Am 10. Oktober 1817 legt Nathan Isack vor dem<br />
Herrschaftsgericht im Amtshaus der Burg Rothenfels<br />
den Unterthans Eid auf den König und das Königreich<br />
Bayern ab und bekommt die begehrte erste und einzige<br />
Matrikelstelle für die Stadt. 184 Seinen neuen Familiennamen<br />
Heil hat er bereits 1811 angenommen, als ein<br />
Teil des alten würzburgischen Amtes Rothenfels für<br />
wenige Jahre zum Großherzogtum Frankfurt gehörte.<br />
Nathan Heil ist nun 64 Jahre alt und kann einen Würzburger<br />
Schutzbrief <strong>von</strong> 1796 vorweisen. Er ist verheiratet,<br />
hat vier Söhne und vier Töchter, die Großfamilie<br />
181 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken, Präsidialakten 325 (unpaginiert).<br />
182 Wie Anm. 181 (Rothenfelser Bericht vom 21. 1. 1850, Anlagen<br />
vom 18. und 19. 1. 1850). Die Adresse aus Pflochsbach, heißt es<br />
in dem Bericht, wurde allerdings vom Pfarrer ohne jeden Auftrag<br />
selbst gefertigt und nur <strong>von</strong> wenigen Einwohnern unterzeichnet.<br />
Johann Adolph Kraus, 1847-1886 Pfarrer in<br />
Pflochsbach am Main, trat auch als Kirchenhistoriker hervor,<br />
u. a. mit einer Darstellung der Benediktinerabtei Neustadt am<br />
Main (1856).<br />
183 StadtAR 41-3, 41-4 (undatiert). Die vorliegenden Berg<strong>rothenfels</strong>er<br />
Urwahllisten verzeichnen als Nachweis für die Wahlberechtigung<br />
Steuerveranlagungen bis 1865/66, es handelt sich<br />
also um die bayerische Landtagswahl 1866. Wahlberechtigt<br />
sind hier die Bürger israelitischen Glaubens Nathan Freudenberger,<br />
Hille Hamburger, Abraham Heil, David Heil und Benjamin<br />
Herrmann.<br />
184 Den Staatsbürgereid legen Israeliten im Beisein eines Rabbiners<br />
zunächst auf die Bibel ab. Seit 1823 werden sie generell<br />
nach jüdischem Ritus auf die Thora vereidigt. Vgl. G. Döllinger,<br />
Sammlung, S. 24, 286 f.
36 Winfried Mogge<br />
ernährt sich mit Vieh- und Warenhandel. 185 Vier Jahre<br />
zuvor ist Nathan vom Berg ins Tal umgezogen und hat<br />
dort ein Haus erworben. Während seine Söhne David<br />
und Abraham später wieder in das Dorf gehen und als<br />
Landwirte und Viehhändler arbeiten, bleibt Joseph als<br />
Handelsmann in der Stadt. 186<br />
1825 zieht Nathan sich aus dem aktiven Geschäft<br />
zurück; er tritt dem Sohn Joseph zur Ansässigmachung<br />
in Rothenfels seinen Schutzbrief, die mit 600<br />
Gulden bewertete Hälfte seines Wohnhauses und<br />
1.200 Gulden als Heimsteuer ab und stellt weitere 600<br />
Gulden Bargeld in Aussicht. Josephs Einbürgerung<br />
und die Geschäftsübernahme gelingen allerdings erst<br />
im dritten Anlauf – der Stadtrat setzt der Konkurrenz<br />
für die christlichen Krämer hartnäckigen Widerstand<br />
mit immer neuen Verzögerungen entgegen. 187 1831<br />
müssen dann Nathans Erben den umfangreichen<br />
Nachlass des Patriarchen unter sich aufteilen. 188<br />
Die Familie Heil gewinnt dank neuer Gruppen <strong>von</strong><br />
Schriftquellen Profil. Das sind zum einen zahlreiche<br />
Einträge in den Grundsteuerkatastern, die die bayerische<br />
Regierung zur Vereinheitlichung des Steuerwesens<br />
landesweit anlegen lässt. 189 Zum anderen ist eine<br />
sehr spezielle Quelle zur Rothenfelser Handelsgeschichte<br />
erhalten – das <strong>von</strong> der Stadtverwaltung geführte<br />
Vieh-Protokollbuch, zwar nur ein Stück aus<br />
einer ehemals längeren Reihe, aber doch fast 50 Jahre<br />
des 19. Jahrhunderts abdeckend. 190 In solchen Viehkontraktenbüchern<br />
werden die Verkäufe <strong>von</strong> Nutzund<br />
Schlachttieren genau protokolliert und treten anschauliche<br />
Details zur Wirtschafts- und Bevölkerungsstruktur<br />
eines Ortes oder einer Region hervor. 191<br />
Im Fall Rothenfels sind die in unregelmäßigen Abständen,<br />
oft an zwei Terminen im Monat, abgeschlossenen<br />
Geschäfte verzeichnet, stets mit Ort und Datum,<br />
185 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8663 fol. 255 ff; vgl.<br />
D. Rosenstock, Judenmatrikeln, S. 191.<br />
186 Vgl. S. 43.<br />
187 StadtAR II 9/2 (Kontraktenbuch 1818-1833, unpaginiert), 20.<br />
10. 1825; II 2/16 (Ratsprotokolle 1818-1823), 13. 6. und 1. 8.<br />
1819; II 2/17 (Ratsprotokolle 1823-1828), 23. 10. und 30. 11.<br />
1823. – Seit 1819 beantragt Nathan Heil die Ansässigmachung,<br />
Schutzerteilung und Verehelichung seines Sohnes Joseph in Rothenfels.<br />
Der Stadtrat häuft die Bedenken: Das Haus der Familie<br />
Heil sei als offener Laden nicht geeignet, die Höhe der<br />
Heimsteuer nicht gewiss, Joseph habe nur bei der Landwehr<br />
und nicht beim Militär gedient, die Zahl der Judenfamilien in<br />
der Stadt dürfe nicht vermehrt werden, es bestehe kein Bedarf<br />
für ein weiteres Handelsunternehmen in der Stadt. Die Genehmigung<br />
wird schließlich auf den Handel mit Ellenwaren (Stoffen,<br />
Tuchen) beschränkt; Joseph Heil hatte auch die Erlaubnis<br />
für rauhe Viehhäute und andere Landesprodukte beantragt. Erst<br />
Jahre später zahlt er in Rothenfels 15 fl Bürgereinzugsgeld;<br />
StadtAR III 11/77 (Gemeinderechnung 1832/33) S. 143.<br />
188 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8663 (unpaginiert; 19.<br />
4. 1831); StadtAR II 9/2 (25. 10. 1831). Von 1813 bis 1829/30<br />
zahlt Nathan Heil in Rothenfels Beisassengeld bzw. Judengeld,<br />
1830/31 und 1832/33 stehen Nathan Heils Erben dafür ein<br />
(StadtAR III 11/50 bis 11/77).<br />
189 Vgl. S. 40.<br />
190 StadtAR II 9/1 (Vieh-Protokollbuch 1814-1861).<br />
191 Vgl. B. Weinhold, Viehkontraktenbücher, passim.<br />
Ausschnitt aus dem Rothenfelser Kontraktenbuch:<br />
Vertrag der Erben Nathans Heils, 25. 10. 1831.<br />
Unterschriften: Hajum Heß (in hebräischen Schriftzeichen),<br />
Michael Kahn, David Heil für sich und<br />
Joseph Heil, Abraham Heil, Giedel (hebräisch)), Giedel<br />
Heil; zur Beglaubigung: Schleicher, Vorsteher.<br />
Angabe der anwesenden Zeugen (in der Regel des<br />
Stadtvorstehers), Namen des Käufers und des Verkäufers,<br />
Beschreibung des Tieres, Preis, Barkauf oder<br />
Zahlungsziel, Nachlass nach Landes Brauch und sonstigen<br />
Konditionen. Gekauft und verkauft werden hier<br />
keine Herden, sondern jeweils nur einzelne Tiere:<br />
Kühe, Kälber und Ochsen; Pferde spielen in dieser armen<br />
Gegend als Arbeitstiere fast keine Rolle. Käufer<br />
sind Handwerker und Bauern aus Rothenfels und den<br />
umliegenden Orten, Verkäufer meist jüdische, aber<br />
auch christliche Händler aus der Stadt, aus Berg<strong>rothenfels</strong>,<br />
Karbach, Ansbach, Erlenbach, Greußenheim,<br />
Urspringen und Laudenbach, also dem Bereich des alten<br />
Landamtes und darüber hinaus. In der Zeit <strong>von</strong><br />
1815 bis 1830 ist Nathan Heil (auch mit Verwendung<br />
seines alten Namens Nathan Isack Heil) im örtlichen<br />
Viehgeschäft dominant. Seine Söhne David und Abraham<br />
treten die Nachfolge an. 192<br />
Der Viehhandel ist jahrhundertelang eine der Existenzgrundlagen<br />
der fränkischen Land<strong>juden</strong>, bedingt<br />
durch ihre Ausschließung <strong>von</strong> fast allen Berufen und<br />
192 StadtAR II 9/1 (nur teilweise paginiert).
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 37<br />
begünstigt durch ihre landesweiten Vernetzungen. 193<br />
Für Rothenfels gibt es einige wenige Hinweise, die etwas<br />
aussagen über frühere Dimensionen des Handels<br />
und auch über Probleme bei der Ausübung dieser Arbeit.<br />
1752 werden Hirschlein <strong>von</strong> Berg<strong>rothenfels</strong>,<br />
Moyses <strong>von</strong> Rothenfels und Pfeuffer <strong>von</strong> Karbach<br />
vom fürstbischöflichen Revierjäger zu Greußenheim<br />
angezeigt, weil sie ihr Vieh zur Mast in hochfürstliche<br />
Waldungen getrieben haben. Es handelt sich um Herden<br />
<strong>von</strong> jeweils 60 und 30 Stück. 194 Männlein <strong>von</strong><br />
Berg<strong>rothenfels</strong> und seine Söhne holen sich mehrmals<br />
Rugstrafen ab, weil sie nicht nur einzelne Tiere, sondern<br />
auch mal 14, 15 oder 28 Stück Vieh in der Flur<br />
weiden ließen. 195<br />
Konkurrenzkämpfe mit den Einwohnern um Viehweiden<br />
und Viehwege, anderenorts an der Tagesordnung,<br />
deuten sich in Rothenfels bei den geschilderten<br />
Bemühungen der Stadtoberen zur Ausweisung der Juden<br />
an. Der Viehhandel, der ein besonderes Vertrauensverhältnis<br />
der Vertragspartner erfordert und zudem<br />
obrigkeitlich scharf kontrolliert wird, verläuft hier<br />
weitgehend konfliktfrei; nur selten kommt es zum<br />
Streit etwa wegen eines kranken Tieres. 196 Für den Fall<br />
einer gerichtlichen Auseinandersetzung gibt es besondere<br />
Eidesformeln: Der christliche Vertragspartner<br />
schwört zu gott und seinen lieben Heiligen, der jüdische<br />
auf Adonaÿ Ewiger allmächtiger gott ein Herr<br />
über alle Melachim ein eintziger gott meiner Vätter,<br />
der du uns die heilige Thora gegeben hast. 197<br />
In anderen für Juden bislang zugänglichen Handelssparten<br />
wird es zunehmend eng und sorgen die<br />
christlichen Kleinunternehmer für die Ausschaltung<br />
der Konkurrenz. Das wird deutlich bei einem Vorgang<br />
<strong>von</strong> 1804/08, als sich zunächst Jüdlein Salomon aus<br />
Karbach und dann sämtliche Krämer und Juden dieses<br />
Ortes bei der nunmehr fürstlich-löwensteinischen Regierung<br />
beschweren, weil ihnen der bisherige Seifen-,<br />
Lichter- und Ölhandel in der Stadt Rothenfels verboten<br />
wurde. Salomon beklagt gar den völligen Verlust<br />
seines Einkommens. Ihm wird kühl mitgeteilt, dass die<br />
Seifensiederei in Rothenfels als zünftiges Gewerbe<br />
193 Vgl. I. König, Judenverordnungen, S. 201 f; B. Rösch, Judenwege,<br />
S. 204-221.<br />
194 StAWt-R Rep. 26h Nr. 71.<br />
195 StadtAR II 2/11 S. 226, 496 f, 650, 658, 662.<br />
196 StadtAR II 2/11 S. 23.<br />
197 StadtAR II 2/10 S. 24-26. Es handelt sich im konkreten Fall um<br />
eine Klage des Juden Oscher aus Karbach gegen Joseph Roth<br />
aus Rothenfels wegen eines Ochsenkaufes, verhandelt vor dem<br />
Stadtgericht am 12. 4. 1763. Der Streit wird zugunsten <strong>von</strong><br />
Oscher entschieden. Wortlaut des Judeneides bei P. Kolb, Chronik,<br />
S. 371 f Anm. 381. – Der mit drastischen Formulierungen<br />
nicht eben sparsame Judeneid gipfelt in dem Satz über Strafen<br />
im Falle eines unrechten oder betrügerischen Schwures: […] so<br />
seÿe ich beraubt aller gnadten des ewigen gottes und mir werden<br />
aufferlegt alle straffen die und fluch die gott denen Verfluchten<br />
Judten aufferlegt hat [...].Dieser Satz hält sich noch in<br />
der Eidesformel für Juden im Königreich Bayern: Mir sollen<br />
auferlegt werden alle Strafen und Flüche, die Gott den verfluchten<br />
Juden auferlegt hat. Vgl. G. Döllinger, Sammlung, Anhang<br />
S. 9.<br />
verfasst wurde, zu dem er als Jude nicht zugelassen<br />
sei. 198<br />
Der Ausschluss <strong>von</strong> der Zunftorganisation ist also<br />
nach wie vor das erprobte Mittel, Juden <strong>von</strong> Handwerksberufen<br />
fernzuhalten. Auch das herkömmliche<br />
Kreditgeschäft, das ihnen so lange den Ruf und Hass<br />
als Wucherer eingetragen hat, mussten die Juden<br />
längst an christliche Unternehmer abgeben. In den Rothenfelser<br />
Unterlagen ist im 19. Jahrhundert jedenfalls<br />
keine Rede mehr <strong>von</strong> jüdischen Geldverleihgeschäften,<br />
ausgenommen die Gewährung <strong>von</strong> Kleinkrediten<br />
bei Viehverkäufen. Das Judenedikt <strong>von</strong> 1813 schneidet<br />
diese und andere traditionelle Erwerbszweige ab –<br />
und eröffnet zugleich ein weites Feld neuer Betätigungen,<br />
das für die aussterbenden Rothenfelser Juden<br />
aber kaum noch in Frage kommt.<br />
Zur Erfassung der allgemeinen und bürgerlichen<br />
Verhältnisse der Juden in Bayern lässt die Regierung,<br />
wie bereits berichtet, 1833 umfangreiche statistische<br />
Daten sammeln. Für die Stadt Rothenfels wird in diesem<br />
Stichjahr nur noch eine Familie und ein einziges<br />
jüdisches Kleinunternehmen – ein Kramhandel im offnen<br />
Laden – gemeldet. 199 Das Bild ändert sich gegen<br />
Ende des 19. Jahrhunderts noch einmal kurz und eher<br />
kläglich. Ganze drei für wenige Jahre gemeldete kleine<br />
Gewerbe haben sich hier auf Schnittwaren (Textilien)<br />
verlegt. Die Handlung <strong>von</strong> Joseph Heil wird 1874<br />
geschlossen, die eines Abraham Heil (nicht identisch<br />
mit Josephs gleichnamigem Bruder) 1879, beide wegen<br />
Todes der Inhaber und <strong>von</strong> den Witwen nicht fortgeführt.<br />
Das Geschäft <strong>von</strong> David Grünewald endet<br />
1887 wegen Wegzugs der Familie nach Karbach. 200<br />
Die Lage ist eindeutig: Für jüdische Bewohner ist<br />
dieser Ort nicht mehr attraktiv, auch eine israelitische<br />
Kultusgemeinde hat hier keine Existenzgrundlage<br />
mehr. 201<br />
11. Leben und Arbeiten in Berg<strong>rothenfels</strong><br />
Wann die erste jüdische Familie im Dorf Berg<strong>rothenfels</strong><br />
ankommt, lässt sich nicht feststellen. Die für die<br />
Stadt Rothenfels so nutzbringend herangezogenen<br />
Zahlenwerke des 17. Jahrhunderts schweigen sich hier<br />
aus, ebenso die Ratsprotokollbücher. Die erste bekannte<br />
und sozusagen amtliche Nachricht stammt aus<br />
dem Jahr 1720, aus der Auflistung aller Einwohner des<br />
Hochstifts Würzburg anlässlich der Erbhuldigung des<br />
Fürstbischofs Johann Philipp Franz <strong>von</strong> Schönborn.<br />
Da wird für Berg<strong>rothenfels</strong> ein Jud Wolff genannt,<br />
198 StAWt-R Rep. 100e Nr. 38, Nr. 47.<br />
199 StAWü Statistische Sammlung Nr. 279. In einem zeitgleichen<br />
Formular im selben Vorgang (Nr. 280) wird in Rothenfels überhaupt<br />
kein jüdischer Betrieb registriert. Zutreffend ist ein Betrieb:<br />
Joseph Heil wird für seine Handelschaft zur Steuer<br />
veranlagt.<br />
200 StadtAR IV 8/5, IV 8/6, II 10/3; vgl. unten S. 58.<br />
201 Vgl. unten S. 57 f.
38 Winfried Mogge<br />
über den sonst nichts zu erfahren ist. 202 Zehn Jahre<br />
später werden die Namen Schlomm und Behrlein aufgeführt,<br />
bald darauf noch Itzig. 203 Die Szene ändert<br />
sich rasch durch Wegzug und Tod.<br />
Die Zahl der Berg<strong>rothenfels</strong>er Juden vermehrt sich<br />
schlagartig durch die Ausweisungen <strong>von</strong> Perlein<br />
(1734), Männlein (1736), Moyses Berl und Nathan<br />
Hirsch (1749/50) aus Rothenfels. 204 Als sie nicht gänzlich<br />
fortgejagt, sondern zu gnadten noch auf den berg<br />
transmittiret werden, behalten sie ihren Status als<br />
Schutz<strong>juden</strong>. 205 Im Dorf ziehen sie nicht nur ihre eigenen<br />
Nachkommen groß, sondern auch minderjährige<br />
Kinder verstorbener Verwandter. 206 Für kurze Zeit<br />
(1763) tritt hier außerdem ein Schutzjude Sender oder<br />
Sendter auf, der mit Streitigkeiten um Geld- und Holzgeschäfte<br />
aktenkundig wird. 207<br />
Als eine Folge des Einschnittes <strong>von</strong> 1750 bilden<br />
die Berger ihre eigene, <strong>von</strong> den Glaubensgenossen in<br />
der Stadt abgelöste Kultusgemeinde. 208 Diese neue<br />
Konstellation erhellt aus einem Vorgang <strong>von</strong> 1772/73,<br />
als es strittig um die Judenschulen in der Stadt und im<br />
Dorf geht. 209 Zu diesem Zeitpunkt leben in Berg<strong>rothenfels</strong><br />
vier Familien mit Würzburger Schutzbriefen:<br />
Schlommel (oder Schlummel), Männlein (jetzt in zweiter<br />
Generation, auch Moises Männlein genannt) und<br />
des letzteren Söhne Nathan und Abraham. 210 Sie alle<br />
ernähren sich vom Waren- und Viehhandel; Schlommel<br />
gilt als verarmt und wird <strong>von</strong> Männlein unterstützt,<br />
alle anderen sind vermögend. Von Konflikten<br />
mit der christlichen Bevölkerung wissen die schriftlichen<br />
Quellen der Zeit nichts zu berichten.<br />
Der politische Umsturz <strong>von</strong> 1802/03 und der<br />
schrittweise Übergang der unterfränkischen Region an<br />
Bayern macht sich selbstverständlich auch für die Juden<br />
in Berg<strong>rothenfels</strong> bemerkbar. Das Judenedikt <strong>von</strong><br />
1813 gilt in den neuerworbenen bayerischen Landes-<br />
202 StAWü Standbuch Nr. 933 fol. 519. – Die handschriftliche<br />
Ortsgeschichte <strong>von</strong> Berg<strong>rothenfels</strong> (1913 begonnen <strong>von</strong> Volksschullehrer<br />
Anton Göpfert), kennt nur vereinzelte Hinweise auf<br />
Juden ohne Quellenangaben (StadtAR 43-2, S. 21). Vgl. die allgemeinen<br />
Bemerkungen zur Stadt- und Pfarrchronik in Anm.<br />
52.<br />
203 StAWü Standbuch Nr. 937 fol. 1603 (1731); StAWt-R J 2 Nr. 8<br />
(um 1731); StAWt-R Rep. 5g Nr. 2 (1750).<br />
204 Vgl. S. 24-26, 67.<br />
205 StAWt-R Rep. 65g Nr. 47 (19. 1. 1736); StAWü Gebrechenamtsakten<br />
VI W 292 (1751).<br />
206 StAWt-R Rep. 65g Nr. 47 (unpaginiert; Anlagen 1734-36).<br />
207 StadtAR II 2/10 S. 17-19, 28-32, 48 f, 104.<br />
208 Vgl. S. 48.<br />
209 Vgl. S. 48 f.<br />
210 StAWt-R Rep. 5g Nr. 2. Dazu StAWü Gebrechenamtsakten VI<br />
W 292 (unpaginiert, 1751): Die Namen werden bestätigt durch<br />
eine Verhandlung vor dem Oberamtmann Joseph Christian<br />
Lochner <strong>von</strong> Hüttenbach. Der verlobte Jud Nathan hiesiger<br />
Schutz Jud (es handelt sich wohl um den Sohn Männleins) hatte<br />
den Stadtschultheißen zu Wertheim und einige dortige junge Juden<br />
verklagt, die ihm bei einem Verwandtenbesuch in Wertheim<br />
gewaltsam einen ungerechtfertigten Brautzoll abgenommen hatten.<br />
Zu den religionsgeschichtlichen Hintergründen werden gehört:<br />
Israël Kohn hiesiger Reba und Judten Schulmeister und<br />
Judt Schlumel und Männlein beede Schutz Judten <strong>von</strong> Berg.<br />
teilen erst ab 1816. Die mögliche Freude über diesen<br />
ersten Schritt hin zur bürgerlichen Gleichstellung wird<br />
stark getrübt durch die Einführung der Matrikeln im<br />
folgenden Jahr, erlebt als restriktive Maßnahme zur<br />
Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Juden. 211<br />
Berg<strong>rothenfels</strong> bekommt nur zwei Matrikelstellen<br />
zugeteilt. Am 10. Oktober 1817 werden deren Inhaber<br />
auf König und Vaterland vereidigt und ihre familiären<br />
und finanziellen Verhältnisse abgefragt und protokolliert.<br />
Eine Kuriosität der Bürokratie: In die Liste werden<br />
die beiden bereits verstorbenen Familienväter<br />
eingetragen. Ihre neuen Familiennamen hatten sie<br />
schon 1811 bei der Vereidigung auf das Großherzogtum<br />
Frankfurt angenommen. Nathan Hirsch hieß seitdem<br />
Nathan Herrmann und Moises Männlein wurde<br />
zu Moises Freudenberger. Vor dem Herrschaftsgericht<br />
erscheinen nun als Vertreter der Familien deren älteste<br />
Söhne zur Zeremonie. 212<br />
Isaak Nathan (Herrmann) teilt den Tod seiner Eltern<br />
mit. Er ist 26 Jahre alt und der älteste <strong>von</strong> zwei<br />
Brüdern und vier Schwestern. Die Familie besitzt<br />
einen fürstbischöflichen Schutzbrief <strong>von</strong> 1773 und betreibt<br />
Warenhandel.<br />
Nathan Moises (Freudenberger), 30 (?) Jahre alt,<br />
hat eine 64jährige Mutter und zwei (wahrscheinlich<br />
unverheiratete) Schwestern im Hause. 213 Mit einem<br />
Schacherhandel (Hausier- und Tauschhandel) ernährt<br />
er die Familie, die einen Würzburger Schutzbrief <strong>von</strong><br />
1782 vorweist. Nathan Freudenberger fällt in den<br />
nächsten Jahrzehnten auf als gewandter Sprecher der<br />
kleinen jüdischen Gemeinde <strong>von</strong> Berg<strong>rothenfels</strong> und<br />
Rothenfels und unerschrockener Vorkämpfer für die<br />
Bürgerrechte seiner Glaubensgenossen.<br />
Falls die Familien Herrmann und Freudenberger<br />
ihre Eintragung in die Matrikeln gefeiert haben sollten,<br />
wäre dies verfrüht gewesen. Einige Tage nach der<br />
Zeremonie gibt es eine Korrektur durch die Königliche<br />
Kreisregierung in Würzburg. Die alten fürstbischöflichen<br />
Schutzbriefe, so der Befund, nun<br />
Voraussetzung für die neue Qualität als Staatsbürger,<br />
galten und gelten üblicherweise auch für die Witwen<br />
der Verstorbenen, nicht aber für die Kinder. Fazit: Die<br />
Matrikeleinträge für Nathan Hirsch (Herrmann) und<br />
Moises Männlein (Freudenberger) werden für ungültig<br />
erklärt, stattdessen wird allein die Witwe Giedel<br />
Männlein (Freudenberger) eingetragen und vereidigt.<br />
Alle anderen Angehörigen bleiben immerhin als Beisassen<br />
im Dorf akzeptiert. 214<br />
Die Behörden beobachten und reglementieren die<br />
211 Vgl. R. Flade, Würzburger Juden, S. 71 f; D. Rosenstock, Judenmatrikeln,<br />
S. 13-23.<br />
212 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8663 fol. 255 ff; vgl.<br />
D. Rosenstock, Judenmatrikeln, S. 192.<br />
213 Demnach wäre Nathan 1787 geboren. Laut Personenstandsregister<br />
ist er 1868 mit 84 Jahren gestorben, also 1784 geboren<br />
(StAWü Jüdische Standesregister 114).<br />
214 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8663 fol. 263 f; Stadt-<br />
AR 311-6 ff (Jahresrechnungen 1823/24 ff).
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 39<br />
weitere Entwicklung der Verhältnisse der<br />
Juden selbstverständlich auch in Berg<strong>rothenfels</strong>.<br />
Die bereits zitierte Statistik für<br />
das Herrschaftsgericht (das frühere Amt)<br />
Rothenfels ergibt: Im Stichjahr 1833 leben<br />
hier in vier Orten 38 israelitische Familien<br />
(oder 182 Seelen), da<strong>von</strong> nur eine<br />
in Rothenfels (drei Seelen) und drei in<br />
Berg<strong>rothenfels</strong> (15 Seelen). In der Stadt<br />
wird in der Zeit nur noch ein jüdischer<br />
Handelsbetrieb registriert, im Dorf gibt<br />
es einen selbstständigen landwirtschaftlichen<br />
Betrieb, einen Groß- und Detailhandel<br />
und einen Hausierhandel. 215 Die<br />
Zahlen sind insofern irritierend, als in<br />
Berg<strong>rothenfels</strong> weitere Familien und<br />
Einzelpersonen zugezogen sind und geduldet werden.<br />
Die Namen der Familienvorstände oder Beisassengeld<br />
zahlenden jüdischen Männer im Dorf lauten zu<br />
der genannten Zeit: Nathan Freudenberger; David<br />
Heil; Amsel (Anschel), Benjamin, Löb (Löw, Leb) und<br />
Oschel Hamburger sowie Benjamin, Isaak, Jakob und<br />
Nathan Herrmann. 216 Außerdem wohnen hier einige<br />
Waisen, Witwen und ledige Verwandte, die weder zur<br />
politischen noch zur jüdischen Gemeinde zählen. Die<br />
Verwandtschaftsverhältnisse gehen aus den wenigen<br />
überlieferten Daten nicht immer hervor. 217 Zu den erklärten<br />
Zielen der bayerischen Judenpolitik zählt es,<br />
die Israeliten zu bürgerlichen Nahrungszweigen zu erziehen<br />
und <strong>von</strong> dem ihnen bislang aufgezwungenen<br />
Noth- und Hausirhandel abzubringen. 218 Die Obrigkeiten<br />
führen auch im Amt Rothenfels genaue Aufzeichnungen<br />
über die jährlich vergebenen Konzessionen für<br />
215 StAWü Statistische Sammlung Nr. 280; vgl. die Tabellen S. 60<br />
und 61.<br />
216 StAWü Statistische Sammlung Nr. 280 fol. 228'; Regierung <strong>von</strong><br />
Unterfranken Nr. 8663 (19. 4. 1831). Das volle Gemeindebürgerrecht<br />
hat zu der Zeit in Berg<strong>rothenfels</strong> und Rothenfels nur<br />
David Heil, der Betreiber der selbstständigen Ökonomie (das<br />
heißt: eines landwirtschaftlichen Betriebes). Die Familien Freudenberger,<br />
Heil, Hamburger und Herrmann sind in den Berg<strong>rothenfels</strong>er<br />
Jahresrechnungen als Steuerzahler vielfach genannt:<br />
StadtAR 311-5 (1822/23) bis 311-33 (1850/51), dazu auch die<br />
Urkunden zu den Jahresrechnungen: StadtAR 312-1 (1819/20)<br />
bis 312-13 (1833/34). – Nathan Freudenberger wird mehrmals<br />
noch mit seinem Vaternamen Moses bezeichnet. Die jüdische<br />
Familie Herrmann ist nicht zu verwechseln mit gleichzeitigen<br />
gleichnamigen christlichen Familien in Berg<strong>rothenfels</strong>.<br />
217 StAWü Jüdische Standesregister 114; dazu die Jahresrechnungen<br />
StadtAR 311-5 bis 311-33 und die Heberegister StadtAR<br />
IV 9/10 bis IV 9/18. Nachweisbar sind mit Hilfe der Beisassengelder<br />
außerdem Löb Hamburgers Witwe Giedel (1835/36 bis<br />
1848/49) und Löb Hamburgers Kinder (1849/50). – In Berg<strong>rothenfels</strong><br />
zahlt jeder jüdische Haushalt jährlich 4 Gulden, ab<br />
1824/25 nach rheinischer Währung 1 Gulden 40 Kreuzer. Die<br />
für fast drei Jahrzehnte verzeichneten Beisassen- oder Judengelder<br />
hören generell 1851 auf. Danach ist nur noch ein jüdischer<br />
Neuzugang (Nathan Kahn 1870) mithilfe der<br />
Bürgeraufnahmegelder bzw. Heimathgebühren nachweisbar;<br />
vgl. Anm. 343.<br />
218 Zur wechselvollen Geschichte des jüdischen Hausierhandels im<br />
Hochstift Würzburg zwischen Verbot und Zwang vgl. I. König,<br />
Judenverordnungen, S. 53-58, 196-199.<br />
Verhältnisse im Herrschaftsgericht Rothenfels (1822-1825)<br />
1822/23 1823/24 1824/25<br />
Judenfamilien im Bezirk ansässig 36 37 36<br />
Seelen 171 178 184<br />
Hausierpatente erteilt 21 18 14<br />
Schulpflichtige Kinder 25 22 34<br />
Jünglinge in Handwerkslehre 4 6 7<br />
Jünglinge in Gesellenausbildung - - 4<br />
Quelle: StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8663<br />
Hausierer – und erste Erfolgsmeldungen über jüdische<br />
Lehrlinge und Gesellen in Handwerksberufen. 219 Bis<br />
zur Umsetzung der berufsbezogenen Bestimmungen<br />
des Edikts <strong>von</strong> 1813 soll noch viel Zeit vergehen, und<br />
auch die Berg<strong>rothenfels</strong>er Familien werden mehrmals<br />
ausdrücklich auf die Verbote des Hausierhandels und<br />
der Mäckelei und Unterkäuferei verwiesen und verpflichtet.<br />
220<br />
Die Einschränkung traditioneller Erwerbszweige<br />
betrifft hier freilich bald niemanden mehr – die hiesigen<br />
Juden haben sich auf Landwirtschaft und im Sinne<br />
der Gesetzgebung erlaubten Handel verlegt. 221 Nur die<br />
Familien Hamburger und Herrmann handeln noch als<br />
Reisende mit Ellenwaren (Stoffen). 222 Aus dem Rahmen<br />
fällt Hänlein (Hille, Hila) Hamburger, der letzte<br />
seiner Familie in Berg<strong>rothenfels</strong>, der als gelernter<br />
219 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8663; dazu auch Stadt-<br />
AR II 8/3 S. 153. Dazu passt zeitlich und inhaltlich ein Bericht<br />
des Pflegschaftsausschusses der Gemeindeverwaltung <strong>von</strong><br />
Berg<strong>rothenfels</strong> an das Fürstliche Herrschaftsgericht vom 15. 9.<br />
1830 über die beruflichen Verhältnisse der Israelitten; gemeldet<br />
wird ein Ackerbauer, nebenher Viehhändler [David Heil] und<br />
ein schulentlassener Handwerker, der in Kleinwallstadt zum<br />
Buchbinder ausgebildet wird [Hänlein Hamburger] (StadtAR<br />
21-1 S. 686 f). – Die Hausierpatente werden jährlich gegen<br />
Vorlage <strong>von</strong> Leumunds- und Vermögenszeugnissen überprüft<br />
und erneuert. Bei der Konzessionserteilung gibt es zunächst<br />
Übergangsregelungen für Familienväter, die nichts anderes gelernt<br />
haben als den Hausierhandel. Eine kleine Statistik <strong>von</strong><br />
1824/25 (StAWü Statistische Sammlung Nr. 617 fol. 74) zeigt,<br />
dass der Klein- und Kramhandel als Broterwerb der Land<strong>juden</strong><br />
noch länger dominiert. Die im Berichtsjahr zur Ansässigmachung<br />
im bayerischen Untermainkreis zugelassenen 77 Juden<br />
sind: Händler und Krämer (22), Feldbauern (16), Metzger (11),<br />
Seifensieder und Lichterzieher (8), Schneider (4), Tuchmacher<br />
(3), Rotgerber (3), Schuster (2), Weber (2), Kürschner (1),<br />
Weißgerber (1), Sattler (1), Privatlehrer (2), Vorsänger (1).<br />
220 StadtAR 21-3 (19. 10. 1845), 24-5 (14. 11. 1855); vgl. P. Kolb,<br />
Berg<strong>rothenfels</strong>, S. 35 f. Die Verordnungen des Landgerichts<br />
werden jeweils der gesamten Gemeindeversammlung vorgelesen,<br />
dann gesondert den Israeliten und <strong>von</strong> diesen im Protokollbuch<br />
der Gemeindeverwaltung unterschrieben.<br />
221 Vgl. S. 40.<br />
222 StAWü Statistische Sammlung Nr. 618 (Verzeichnis der hausierenden<br />
Juden). Die letzten Konzessionen (für Benjamin Herrmann<br />
und Löb Hamburgers Witwe Giedel) für den<br />
Hausierbezirk Rothenfels stammen <strong>von</strong> 1831 und 1833.
40 Winfried Mogge<br />
Buchbinder arbeitet. 223 Mit angemeldetem Gewerbe<br />
kommt regelmäßig der koschere Metzger Maier Freudenreich<br />
aus Urspringen ins Dorf. 224 Erhebliche Probleme<br />
jedoch bereiten den Behörden ortsfremde<br />
Hausierer namentlich aus Karbach und Urspringen,<br />
die ohne Konzession mit Schnitt- und Ellenwaaren<br />
und überhaupt mit Waaren angeblich gegen Bestellung<br />
auch im Rothenfelser Bezirk umherziehen; das Königliche<br />
Landgericht droht mit Polizeiarrest und Beschlagnahme<br />
und verpflichtet die Gemeindevorsteher<br />
zur scharfen Aufsicht. 225<br />
Das bayerische Edikt hat den Juden unter anderem<br />
die (fast) freie Berufswahl und den Erwerb <strong>von</strong> Grund<br />
und Boden eröffnet. Die Familien Freudenberger und<br />
Heil nutzen diese neuen Möglichkeiten alsbald und<br />
kaufen Häuser und Land vor allem in Berg<strong>rothenfels</strong>.<br />
226<br />
Die ersten Juden, die hier als Oeconomen – das<br />
heißt selbstständige Landwirte – arbeiten, sind David<br />
und Abraham Heil. David zieht 1826 <strong>von</strong> der Stadt<br />
hinauf ins Dorf, erwirbt hier die zu der Zeit einzige<br />
vergebene Matrikelstelle, Abraham folgt 1846.<br />
Berg<strong>rothenfels</strong> hat sich 1822 aus dem Gemeindeverband<br />
mit Rothenfels und Windheim gelöst und eine eigene<br />
Kommune gebildet; der junge David Heil muss<br />
also als erster den neuen Gemeinderat überzeugen,<br />
dass er bereits über Haus- und Grundbesitz im Dorf<br />
und ein beträchtliches Geldvermögen verfügt und so<br />
alle Voraussetzungen für das Bürgerrecht nach dem<br />
Judenedikt erfüllt. Er hat Feldgüter nicht nur angekauft,<br />
sondern auch selbst bewirtschaftet und durch<br />
seinen Fleiß bewiesen, daß er sich als Bauersmann<br />
ernähren kann. 227 Der jüngere Bruder, zum Start eben-<br />
223 StadtAR 48-5 (unpaginiert), 24. 3. 1887. Am 23. 3. 1887 stirbt<br />
der ledige Buchbinder Hila Hamburger, geboren am 18. 10.<br />
1814, Sohn <strong>von</strong> Löb und Giedel Hamburger (VG Marktheidenfeld,<br />
Standesamt Berg<strong>rothenfels</strong>, Sterberegister Bd. II). Im selben<br />
Monat werden Hänlein Hamburgers Mobilien versteigert<br />
(StadtAR 41-45, Versteigerungs-Anzeige für den 31. 3. 1887).<br />
224 StadtAR 48-5 (unpaginiert), 19. 9. 1889 und 26. 3. 1890 mit<br />
Abmeldung des Gewerbes in Berg<strong>rothenfels</strong>.<br />
225 StadtAR II 8/3. In dem Erlass vom 16. 9. 1860 heißt es: Dieser<br />
Unfug beeinträchtigt die ordentlichen Gewerbsberechtigten<br />
und belästigt die Einwohner, sowie auch in der Regel Uebervortheilungen<br />
mit unterlaufen.<br />
226 Vgl. S. 43, 45 f.<br />
227 StadtAR 21-1, S. 547-550 (18. und 20. 10. 1826). Der Gemeinderat<br />
hat zunächst Bedenken gegen die Aufnahme nach Berg<strong>rothenfels</strong>,<br />
weil dadurch die Anzahl der jüdischen Familien im<br />
Ort vermehrt wird, stellt jedoch fest, dass die Vermögensausstattung<br />
des Antragstellers und seine Absicht, als Bauersmann<br />
zu arbeiten, dem Sinne des Judenedikts entspricht. David Heils<br />
Grundvermögen wird auf 1.485 fl 30 kr beziffert; es wurde ihm<br />
vom Vater Nathan Heil als Heimsteuer übertragen. Der Pflegschaftsausschuss<br />
<strong>von</strong> Rothenfels bestätigt, Davids Aufführung<br />
sei undatelhaft. Vom Militärdienst wurde er 1823 dispenciert.<br />
Ab 20. 11. 1826 ist er Bürger und Ortsnachbar <strong>von</strong> Berg<strong>rothenfels</strong><br />
(StadtAR 21-1 S. 163, 254 f, 548-550). 1829 plant er die<br />
Verehelichung mit Lea Stern aus Rottenbauer (heute Ortsteil<br />
<strong>von</strong> Würzburg), die aus ungenannten Gründen nicht zustande<br />
kommt. Am 17. 8. 1831 heiratet er die Handelsmanntochter Rosetta<br />
(Rosel) Stern aus Miltenberg, die 800 fl als Mitgift in die<br />
Ehe einbringt (StadtAR 21-1 S. 163, 254 f; StAWü Jüdische<br />
falls <strong>von</strong> der Familie mit Grundstücken und Kapital<br />
ausgestattet, hat dann keine Mühe, die Ansässigmachung<br />
zu erreichen. Der Gemeinderat stellt lobend<br />
fest: Abraham Heil hat in diesem Frühjahre [1846]<br />
mit besonderem Fleiße seinen Grundbesitz bestellt,<br />
sich selbst thätig bewiesen, geackert gesäet etc. und<br />
blos dabei einen Knecht beigezogen. Sein Viehstand<br />
besteht in zwei tüchtigen Arbeitsochsen und einer<br />
Kuh. 228<br />
Die Brüder Heil bewirtschaften zwei benachbarte<br />
Höfe. Systematisch erkaufen und ersteigern sie <strong>von</strong><br />
alteingesessenen Familien und <strong>von</strong> der Kommune<br />
Gärten, Wiesen, Äcker und Waldstücke. Ihr umfangreicher<br />
Besitz lässt sich dank der inzwischen eingeführten<br />
Grundsteuerkataster genau rekonstruieren;<br />
zum Schluss sind es insgesamt fast 160 Positionen in<br />
der Berg<strong>rothenfels</strong>er Flur, teils in besten Lagen und<br />
mit großen Parzellen auch aus ehemaligem Land der<br />
Burg. 229 Im Grundsteuerkataster und im Standesregister<br />
steht als Berufsbezeichnung der Brüder Bauer. Solche<br />
Zeilen sollte man nicht überinterpretieren, aber<br />
vielleicht schwingt dort die Genugtuung mit, ein Ziel<br />
erreicht zu haben, das den Glaubensgenossen jahrhundertelang<br />
verwehrt war.<br />
Neben der Landwirtschaft bleibt der traditionelle<br />
Viehhandel ein wichtiger Erwerbszweig der Berg<strong>rothenfels</strong>er<br />
Juden. Auch für das Dorf hat sich ein Viehkontraktenbuch<br />
erhalten, das 34 Arbeitsjahre um die<br />
Mitte des 19. Jahrhunderts mit Namen und Daten dokumentiert.<br />
Bis 1854 ist David Heil in diesem Geschäft<br />
dominant, gefolgt <strong>von</strong> seinem Bruder Abraham,<br />
doch auch andere jüdische und christliche Viehhändler<br />
sind hier häufig aktiv. 230<br />
Handelsmann nennt sich der mit der Familie Heil<br />
verwandte Viehhändler Nathan Kahn, der letzte jüdische<br />
Neuzugang im Dorf, selbst aufgewachsen in einer<br />
geschützten adeligen Enklave in Steinbach bei<br />
Lohr. Als er 1896 nach Lohr geht und dort das Bürgerrecht<br />
erwirbt, endet die Geschichte des jüdischen Lebens<br />
und Arbeitens in Berg<strong>rothenfels</strong>. 231<br />
Standesregister 114). Der Gemeinderat protokolliert bei der (für<br />
Juden und Christen obligatorischen) Erlaubnisprozedur: […] so<br />
ist es gar nicht zu bezweifeln, daß Supplikant [sich] als ein<br />
rechtschaffener Bürger ernähren würde.<br />
228 StadtAR 21-3 (unpaginiert, 1. 5. 1846). Am 20. 10. 1847 heiratet<br />
Abraham Heil die Weinhändlerstochter Hanna Lindheim aus<br />
Marktsteft (StAWü Jüdische Standesregister 114).<br />
229 StAWü GrStKat Rothenfels: Grund-, Saal- und Lagerbuch Bd.<br />
V fol. 1091, 1094; GrStKat Berg<strong>rothenfels</strong>: Grund-, Saal- und<br />
Lagerbuch Bd. IV fol. 1062-1105, 1171-1206; Renoviertes<br />
GrStKat Bd. I S. 7 f, 137-145, 149-158. Die Erwerbungen der<br />
Brüder Heil datieren laut Grundsteuerkataster <strong>von</strong> 1826 bis<br />
1856. Ergänzende Bestätigungen für den Hausbesitz bietet das<br />
Grundbuch der Brandversicherung, begonnen 1830 (StadtAR<br />
40-1). Ein genaues Verzeichnis der Grundstücke lassen sich David<br />
und Abraham Heil anlässlich einer Aufteilung des zunächst<br />
gemeinsamen Besitzes 1845 protokollieren (StadtAR 25-4, unpaginiert).<br />
230 StadtAR 25-3 (Protokoll über die Vieh-Contracte zu Berg<strong>rothenfels</strong>,<br />
1840-1874). Vgl. S. 36.<br />
231 Vgl. S. 55 f und die Stammtafel S. 70.
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 41
42 Winfried Mogge<br />
12. Häuser der Juden<br />
Der Grundriss der Kernstadt Rothenfels kündet noch<br />
<strong>von</strong> der mittelalterlichen Burgsiedlung, die heutige<br />
Bausubstanz stammt jedoch aus nachmittelalterlicher<br />
Zeit. Sie wird geprägt <strong>von</strong> Bürgerhäusern und Gemeinschaftsbauten<br />
des 16. bis 18. Jahrhunderts, <strong>von</strong><br />
Renaissance und Barock. 232 Da ist es müßig, nach baulichen<br />
Spuren der ersten Judengemeinde zu suchen.<br />
Auch schriftliche Zeugnisse oder archäologische Befunde<br />
liegen dazu nicht vor.<br />
Einige Wohnstätten der neuzeitlichen jüdischen<br />
Gemeinde lassen sich mit urkundlichen Nachrichten<br />
einkreisen, aber nicht genau lokalisieren, andere in<br />
heute noch bestehenden Anwesen wiederfinden. Aus<br />
dem Neubeginn während des Dreißigjährigen Krieges<br />
gibt es nach heutigem Wissensstand nur eine dürre<br />
Mitteilung <strong>von</strong> 1646: Die Vermietung eines reparaturbedürftigen<br />
Hauses aus dem Besitz des Rothenfelser<br />
Julius-Spitals an einen Juden Jöstlein. 233<br />
Eine weitere, indirekte Information – nun schon<br />
aus der Nachkriegszeit – verdanken wir einer Urkunde<br />
vom 14. Juli 1677. Es geht um einen Besitz der Familie<br />
Voit <strong>von</strong> Rieneck noch aus mittelalterlicher Zeit:<br />
ein Haus innerhalb der Rothenfelser Stadtmauern samt<br />
Hof und Garten, dazu einige Felder und Wiesen und<br />
Krautgärten im Umland. Anna Maria Fuchs <strong>von</strong> Dornheim,<br />
eine geborene Voit <strong>von</strong> Rieneck, erbt diesen<br />
Komplex – und verkauft ihn im folgenden Jahr an das<br />
Hochstift Würzburg. Das Gebäude, und darauf kommt<br />
es in unserem Zusammenhang an, ist an einen Juden<br />
vermietet: Aus der Voitischen Behausung gibt der Judt<br />
Moÿses zue Haus Zins Jehrlich 5 fl [Gulden]. 234 Zweifellos<br />
handelt es sich um den Moÿses, der in dieser<br />
Zeit in und um Rothenfels als Händler agiert und auch<br />
der Jud am Mainthor genannt wird. 235<br />
Dieses ehemalige Adelshaus lag demnach in der<br />
Nähe des (1841 abgebrochenen) Maintores (oder<br />
Fahrtores), durch das man zur Fähre nach Zimmern<br />
gelangte, also unterhalb des Platzes der Kirche und<br />
des Spitals. Von hier bis zum südlichen Stadtausgang<br />
befand sich im Mittelalter in einem eigenen Quartier<br />
eine Gruppe adeliger Häuser, <strong>von</strong> denen keine Reste<br />
mehr erhalten sind. Die neuzeitliche Bebauung an die-<br />
232 Der Stadtplan (Abbildung S. 41) ist ein Ausschnitt aus der „Uraufnahme“<br />
<strong>von</strong> 1843 (Landesamt für Digitalisierung, Breitband<br />
und Vermessung, München, NW.085.61c). Eine farbige Abbildung<br />
und ausführliche Erläuterungen finden sich bei W. Mogge,<br />
Stadt Rothenfels, S. 13 f. Die Identifikation der alten Hausnummern<br />
erleichtert ein Häuserverzeichnis mit Konkordanz bei der<br />
Stadtverwaltung Rothenfels. – Zur Baugeschichte <strong>von</strong> Rothenfels<br />
vgl. A. Feulner, Kunstdenkmäler, S. 97-109; M. Petzet,<br />
Denkmäler in Bayern, Bd. VI S. 200.<br />
233 P. Kolb, Juliusspital-Stiftung, S. 147 (aus der Spitaljahresrechnung<br />
1646). Vgl. oben S. 19.<br />
234 StAWt-R US 1677 Juli 14 (Specification), US 1678 März 9<br />
(Kaufbrief); StAWü Libri diversarum formarum Nr. 50 fol.<br />
1273-1281. Vgl. P. Kolb, Chronik, S. 157 f.<br />
235 StadtAR IV 3/4 S. 70, 76; vgl. Anm. 88.<br />
ser Stelle stammt aus dem 18. und 19. Jahrhundert, da<br />
sind keine Rückschlüsse auf frühere Anwesen möglich.<br />
236<br />
Für die jüdischen Wohn- und Geschäftshäuser der<br />
nächsten Generationen finden sich keine direkten<br />
Nachweise vor Ort. Der 1736 ausgewiesene Männlein<br />
verliert bei der <strong>von</strong> den Stadtoberen betriebenen Enteignung<br />
sein <strong>von</strong> meinen gros und Elteren etlich und<br />
20 Jahr ruhig besessenes wohnhaus. 237 Leider nennt er<br />
bei seiner Klage keine Namen, so dass wir nicht wissen,<br />
wer seine Vorfahren sind, und auch die Lage des<br />
ererbten Hauses bleibt uns verborgen. Auch das zur<br />
selben Zeit <strong>von</strong> der Stadt eingezogene bürgerliche<br />
Haus, das Nathan seinem Sohn Perlein vererbt hat,<br />
lässt sich nicht lokalisieren. 238 Da die Ratsherren so intensiv<br />
die Rückgewinnung für die angeblich oder tatsächlich<br />
unter Wohnungsnot leidende christliche<br />
Bürgerschaft erstreben, müssen es zwei stattliche Objekte<br />
in zentraler Lage gewesen sein.<br />
Über den Scandal, den ein Hauskauf der Judt Mossel<br />
et Consorti im Stättlein verursachte, wurde bereits<br />
berichtet. 239 Das 1585 erbaute Ochsenwirthshaus, die<br />
heutige Gastwirtschaft „Zum Rothen Ochsen“ (Hauptstraße<br />
67), war und ist eines der herausragenden Fachwerkhäuser<br />
<strong>von</strong> Rothenfels. Beim Erwerb bei einer<br />
Versteigerung im Jahr 1744 hatten die neuen Besitzer<br />
angeblich alle christlichen Interessenten ausgestochen.<br />
Tatsächlich wurde damals auch bei einer öffentlichen<br />
Bürgerversammlung kein anderer Käufer gefunden. 240<br />
Die verwandten Familien Moyses Berl und Nathan<br />
Hirsch bewohnen es seither gemeinsam – mit regierungsamtlicher<br />
Zustimmung. Sie können sich nicht<br />
lange an diesem Besitz erfreuen – 1749 verlieren sie<br />
ihn, bei ihrem erzwungenen Auszug aus Rothenfels,<br />
nach einem Rechtsstreit um das Auslösungsrecht. 241<br />
236 Vgl. W. Mogge, Stadt Rothenfels, S. 12-15. – Im Beth-Buch für<br />
1752-1803 wird ein Wohnhaus die Rienecker behausung genannt<br />
aufgeführt, Inhaber ist 1752-76 der Krämer Joseph<br />
Schwindt, Vorbesitzer der Bäcker Michael Dauch (StadtAR II<br />
7/2 S. 56). Wahrscheinlich ist dies eine letzte schriftliche Erinnerung<br />
an den früheren Besitz der Voit <strong>von</strong> Rieneck.<br />
237 StAWt-R Rep. 65g Nr. 47 (unpaginiert; Anlagen 1736).<br />
238 StAWt-R Rep. 65g Nr. 47 (unpaginiert; Anlagen 1736); vgl. S.<br />
24.<br />
239 Vgl. S. 25 f.<br />
240 StAWt-R Rep. 65g Nr. 47 (unpaginiert, undatiert), 1749; Stadt-<br />
AR II 2/7 S. 252 f. Vorbesitzer des Hauses ist der ehemalige<br />
Bürger und Metzger Sebastian (Baast) Ulrich, bei dessen Ausschatzung<br />
das Objekt verkauft wird, laut Stadtrat 600 Gulden<br />
über dem Wert, so dass kein Bürger habe mithalten können. Bei<br />
einer Bürgerschaftsversammlung am 16. 3. 1744 in Anwesenheit<br />
des Oberamtmannes Philipp Emmerich Philibert <strong>von</strong> Hettersdorf<br />
und des Amtskeller Franz Joseph Stern wird<br />
protokolliert, dass die jüdischen Erwerber der Hochfürstlichen<br />
Regierung für das Haus 1.800 Reichstaler bar oder 2.000<br />
Reichstaler bei Zahlung innerhalb vier Jahren geboten hatten,<br />
falls sich kein christlicher Liebhaber fände. Auch für ihr Angebot,<br />
gegen 1.700 Reichstaler vom Kauf zurückzutreten, wenn<br />
ein Bürger das Haus einlösen wolle, fand sich kein Interessent.<br />
241 StadtAR II 2/7 S. 372-375. Neuer Besitzer des Hauses wird der<br />
Bürger und Bäckermeister Michel Dauch. Zum Lösungsrecht<br />
vgl. oben S. 24.
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 43<br />
Offensichtlich unumstritten und jahrzehntelang<br />
wohnen Moschel (Moyses Lazarus) und sein Sohn<br />
Mayer (Mayer Moyses) unter eigenem Dach. Im Rothenfelser<br />
Stadtarchiv ist für die zweite Hälfte des 18.<br />
Jahrhunderts ein Haus- und Grundsteuerbuch erhalten;<br />
darin findet sich Judt Moÿses dahir als Hausbesitzer.<br />
Die Eintragungen zeigen: Von 1753 bis 1795 zahlt die<br />
Familie alljährlich die Bede. Diese Quelle nennt jeweils<br />
die Eigentümer und die Vor- und Nachbesitzer<br />
der Häuser oder Parzellen, kennt jedoch noch keine<br />
Adressen. 242 Der Name des Nachfolgers, Sebastian<br />
Uhl, führt über spätere Grundsteuerverzeichnisse zu<br />
dem gesuchten Haus: Es ist die alte Nummer 4 (heute<br />
Hauptstraße 14), jetzt ein Neubau, der keine Spuren<br />
der historischen Nutzung mehr aufweist. Der Vorgängerbau,<br />
ein schmales Fachwerkhaus mit steinernem<br />
Untergeschoss und ausgebautem Dach, wird im<br />
Grundsteuerkataster als Wohnhaus mit Stallung bezeichnet.<br />
243 Hier also, am nördlichen Rand der Stadt,<br />
lebte die Familie Moyses und befand sich das langjährige<br />
Zentrum der jüdischen Gemeinde. 244<br />
Eindeutig identifizierbar ist auch der uns zeitlich<br />
schon nähergerückte Besitz der Familie Heil. Mehrere<br />
Steuerunterlagen und Privatverträge aus dem 19. Jahrhundert<br />
ergänzen einander und lassen einen Abschnitt<br />
in der Hausgeschichte des Ortes hervortreten. Der Vater<br />
Nathan Isack (alias Nathan Heil), vorher in Berg<strong>rothenfels</strong>,<br />
hat 1813 ein Haus in Rothenfels ganz in der<br />
Nähe des Rathauses erworben. Der Sohn Abraham<br />
zahlt 1831 die Erbengemeinschaft aus und verkauft<br />
das Wohnhaus zwei Jahre darauf seinem Bruder<br />
Joseph. 245 In den Listen zur Feststellung der Steuereinnahmen<br />
<strong>von</strong> 1810 bis 1859 erscheint Nathan, dann<br />
Joseph mit Veranlagungen für Wohnhaus, Handelschaft<br />
und Bürgerrecht. 246 Es handelt sich um das vormalige<br />
Haus Nr. 15, heute Mainstraße 10: ein<br />
mehrgeschossiges Wohnhaus mit Stall und Keller, allerdings<br />
nicht mit einer Schaufassade zur Hauptstraße,<br />
242 StadtAR II 7/2 S. 58. Vorbesitzer des Hauses (Name dort durchgestrichen)<br />
ist Sebastian Alberth, der wiederum hatte das Wohnhauß<br />
neben Hanns Jörg Völcker <strong>von</strong> Conrad Bessinger<br />
erkaufft. 1772 wird Moschels Sohn Mayer als Eigentümer des<br />
Hauses genannt (StAWt-R Rep. 5g Nr. 2).<br />
243 Erster Nachbesitzer des Hauses ist Sebastian (Bast) Uhl. Er<br />
zahlt Steuern <strong>von</strong> seinem Wohnhaus <strong>von</strong> Meier Moses Bekommen;<br />
das Beth-Buch nennt hier ausnahmsweise keine Daten<br />
(StadtAR II 7/2 S. 58, 348). Auf Sebastian Uhl folgen ab 1834<br />
mehrere Mitglieder der Büttnerfamilie Uhl, ab 1852 wechselnde<br />
Besitzer (StadtAR II 7/4 S. 260 ff, II 7/5 S. 41, II 7/6 unpaginiert;<br />
StAWü GrStKat Rothenfels: Grund- Sal- und Lagerbuch<br />
Bd. I). – Die Familie Uhl besaß in Rothenfels mehrere Häuser,<br />
darunter das mit Philipp Uhl Küferei bezeichnete Haus Nr. 84,<br />
jetzt Hauptstraße 39 (freundliche Mitteilung <strong>von</strong> Hellmuth<br />
Harth, Rothenfels).<br />
244 Vgl. S. 48, 53.<br />
245 StadtAR II 7/5 S. 33; II 9/2, 20. 10. 1825, 25. 10. 1831, 3. 12.<br />
1833.<br />
246 StadtAR II 7/4 S. 453; II 7/5 S. 33; II 7/6 Haus Nr. 15; II 7/7 S.<br />
178; StAWü GrStKat Rothenfels: Grund- Saal- und Lagerbuch<br />
Bd. I fol. 98; Renoviertes GrStKat S. 30. Dazu gehört ein<br />
Grundstück Rain ober der Ziegelhütte. In den Quellen für 1810<br />
wird das Haus als Nr. 12½ bezeichnet und die Nr. 15 nachgetragen.<br />
Im Schatzungs-Lagerbuch ist Michel Scheiner als Vorbesitzer<br />
genannt, im Renovierten Grundsteuerkataster eine<br />
Umschreibung auf Andreas Schüppert nachgetragen. – Vgl.<br />
dazu den Stadtplan in der „Uraufnahme“ <strong>von</strong> 1843 (Abbildung<br />
S. 41), der noch Hofraum und Stallgebäude zeigt. Der Zugang<br />
vom Gässchen aus zum Keller des Wohnhauses hat ein rundbogiges<br />
Sandsteingewände, zeigt aber keine Spuren der früheren<br />
jüdischen Bewohner des Hauses.
44 Winfried Mogge<br />
Oben: Rothenfels, Blick <strong>von</strong> der Mainseite auf das<br />
Julius-Spital. In der Lücke vorn standen Häuser auf<br />
dem Stumpf der Stadtmauer und das Maintor.<br />
Mitte: Hauptstraße Richtung Norden, Aufnahme<br />
<strong>von</strong> 1942 bei beginnendem Hochwasser. Auf der rechten<br />
Seite das letzte Haus mit hohem, ausgebautem<br />
Giebel ist Hauptstraße Nr. 14 (ehemals Haus Nr. 4).<br />
Unten: Dieselbe Ansicht in neuer Aufnahme. Der<br />
Neubau mit schmuckloser Fassade und glattem Dach<br />
ersetzte das alte Haus Nr. 4.<br />
Oben: Rothenfels, mainseitige Häuserzeile. In der<br />
Mitte Mainstraße Nr. 10 (ehemals Haus Nr. 15), rechts<br />
da<strong>von</strong> der Eingang zum „Judenwinkel“.<br />
Mitte: Der „Judenwinkel“, Durchschlupf zwischen<br />
den Häusern Hauptstraße Nr. 26 und 28.<br />
Unten: Nördlicher Stadtausgang, im Hintergrund<br />
auf dem Berg die Burg und das Amtshaus. Das mittige<br />
Haus Hauptstraße Nr. 25 (ehemals Haus Nr. 95) steht<br />
linksseitig auf dem Stumpf der Wehrmauer zur Burg,<br />
also bereits außerhalb der Kernstadt.
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 45<br />
sondern mit einem Giebel zur Mainseite und dem Eingang<br />
im schmalen Durchschlupf zwischen den alten<br />
Hausnummern 12 (heute Hauptstraße 26) und 14<br />
(Hauptstraße 28). Just dieser Durchgang trug ehemals<br />
den Namen Judenwinkel oder, in der heutigen Erinnerung<br />
alter Einwohner, Jüdewinkel oder Judengasse. 247<br />
Zur aktuellen Situation: Während die beiden Vorderhäuser<br />
schön verzierte Fassaden mit Handwerkerzeichen<br />
und der Jahreszahl 1753 über den Türen zeigen,<br />
sind die auf den Stümpfen der Stadtmauer aufsitzenden<br />
Hinterhäuser völlig schmucklos. Miteinander<br />
zwar verbunden, bilden Vorder- und Rückgebäude derzeit<br />
wie ehedem getrennte Wohneinheiten.<br />
Der Familie Heil gehört in Rothenfels ein zweites<br />
Haus: die alte Nr. 95 (heute Hauptstraße 25), ein äußerlich<br />
unscheinbares Gebäude, auf der bergseitigen<br />
Stadtmauer aufsitzend, neben dem damals schon verschwundenen<br />
Obertor außerhalb der Altstadt gelegen.<br />
Der Immobilienbesitz der Familie in der Stadt kommt<br />
bei Hanna Heil zusammen, der Witwe des jüngsten der<br />
Brüder Josef, David und Abraham. Die verkauft die<br />
Häuser schließlich an christliche Bürger. 248 Zuvor hat<br />
der jüdische Kaufmann David Grünewald, verheiratet<br />
mit Fanny Heil, einer Tochter <strong>von</strong> Abraham und Hanna<br />
Heil, das Haus Nr. 95 einige Jahre lang besessen<br />
und bewohnt. 249<br />
In Berg<strong>rothenfels</strong> lassen sich sechs jüdische Wohnstätten<br />
identifizieren. 250 Aus den schriftlichen Quellen<br />
geht nicht hervor, wo die ersten Generationen lebten.<br />
Mittelpunkt der kleinen, 1750 gebildeten Kultusgemeinde<br />
ist das Anwesen der Familie Männlein. Im<br />
Grundsteuerkataster wird es als Haus Nr. 56 ausgewiesen,<br />
als Wohnhaus mit Keller, Stallung und Hofraum,<br />
und so ist es auch in der „Uraufnahme“ <strong>von</strong> 1843<br />
sichtbar. Dazu gehören einige in der Dorfflur verstreute<br />
Gärten und Äcker. 251 Heute steht an der Stelle<br />
(Berg<strong>rothenfels</strong>er Straße 30) ein zur Unkenntlichkeit<br />
der historischen Substanz modernisiertes, mit dem früheren<br />
Nachbarhaus zusammengelegtes Gebäude, die<br />
ehemalige Bäckerei und Gaststätte „Berger Stuben“.<br />
247 StadtAR IV 3/4 S. 101. Nach einem späteren Besitzer des Hauses<br />
Mainstraße 10, Oswald Scheeb, heißt der Durchgang auch<br />
Scheebsgasse (freundliche Hinweise <strong>von</strong> Hans Walter, Rothenfels).<br />
248 StAWü GrStKat Rothenfels: Renoviertes GrStKat S. 21 (1876:<br />
Nr. 15 verkauft an Andreas Schüppert), S. 182 (1887: Nr. 95<br />
verkauft an Georg Gerhard).<br />
249 StadtAR II 10/3 (unpaginiert, 15. 8. 1887; dort heißt es Nr. 85,<br />
wohl ein Schreibfehler); II 10/4 (unpaginiert, 4. 8. 1885; dort<br />
heißt es Nr. 95). Im Heberegister für 1883 wird David Grünewald<br />
mit Grundsteuer für Haus Nr. 95 aufgeführt (StadtAR IV<br />
9/8). In den Standesamtsregistern wird wechselweise Nr. 91<br />
und 93 genannt (VG Marktheidenfeld, Standesamt Karbach,<br />
Heiratsbuch Bd. I, Sterbebuch Bd. I).<br />
250 Vgl. die Einzelnachweise Anm. 251-261; dazu StadtAR 40-16<br />
(Brandversicherung). Die alten Hausnummern finden sich in<br />
der „Uraufnahme“ <strong>von</strong> 1843 (Landesamt für Digitalisierung,<br />
Breitband und Vermessung, München, NW.085.62d).<br />
251 StAWü GrStKat Berg<strong>rothenfels</strong>: Grund-, Saal- und Lagerbuch<br />
Bd. V fol. 1427-1432; Renoviertes GrStKat Bd. I S. 10 sowie S.<br />
205 f.<br />
Oben: Berg<strong>rothenfels</strong>, Berg<strong>rothenfels</strong>er Straße 30<br />
und 32. Das mehrfach modernisierte ehemalige Haus<br />
Nr. 56 (links) war Wohngebäude und Mittelpunkt der<br />
jüdischen Gemeinde.<br />
Mitte: Berg<strong>rothenfels</strong>er Straße 45 und 43. Links<br />
das ehemalige Haus Nr. 14, rechts die Alte Schule.<br />
Unten: Zum Alten Herrgott 14 (ehemals Haus Nr.<br />
40). Hier und zwei Häuser weiter am nordwestlichen<br />
Ortsausgang befanden sich die Bauernhöfe der Familie<br />
Heil.
46 Winfried Mogge<br />
Beispiel für die<br />
Rothenfelser Haus- und<br />
Grundsteuerbücher:<br />
Ausschnitt aus dem Bede-<br />
Buch 1752 bis 1803,<br />
Eintragungen für Familie<br />
Moyses 1753 bis 1795.<br />
Rechte Seite:<br />
Berg<strong>rothenfels</strong>,<br />
Ausschnitt aus der<br />
„Uraufnahme“ <strong>von</strong> 1843.<br />
Die Dorfstraße endet rechts<br />
vor dem Eingang zur Burg.<br />
Die Häuser der Juden<br />
liegen verstreut in der<br />
Ortsmitte und am<br />
westlichen Rand.<br />
Der 1736 aus der Stadt Rothenfels ausgewiesene<br />
Männlein hat dieses Anwesen wohl gleich bei seinem<br />
erzwungenen Übergang in das Dorf bezogen. Zunächst<br />
bewohnt er das Bürgerhaus gemeinsam mit seinem<br />
Glaubensgenossen Schlommel und Wand an<br />
Wand mit der christlichen Familie Johann Aulenbach.<br />
Hier richten die Berger alsbald ihren Betraum ein, was<br />
noch ein strittiges Thema sein wird. 252 1772 zerstört<br />
ein Brand das Haus, die Familie Männlein baut es<br />
wieder auf. 253 1820 kommt es – nun in der dritten Generation<br />
– an Nathan mit dem neuen Namen Freudenberger.<br />
254<br />
1763 wird ein weiterer Hauskauf aktenkundig: Der<br />
christliche Bürger Johann Germann übereignet sein<br />
Wohnhaus dem Juden Nathan Hirsch. 255 Drei Generationen<br />
lang wohnt hier die Familie Hirsch, ab 1811 mit<br />
dem neuen Namen Herrmann; es handelt sich um die<br />
alte Nr. 59 (an der Stelle der heutigen Berg<strong>rothenfels</strong>er<br />
Straße 32). 256 Hier hat zuvor der Schutzjude Sender<br />
zur Miete gelebt, der sich beim Besitzerwechsel eine<br />
neue Bleibe suchen muss. 257<br />
252 Vgl. S. 48 f.<br />
253 StAWt-R Rep. 5g Nr. 2 (unpaginiert). Auch die Nachbarhäuser<br />
<strong>von</strong> Johann Aulenbach und Michel Abt werden ergriffen und<br />
beschädigt; die Brandversicherung (Feuer- und Brandgewehrungsanstalt<br />
des Hochstifts) erstattet wegen fahrlässiger Brandstiftung<br />
nur einen Teil des Schadens.<br />
254 StAWü GrStKat Berg<strong>rothenfels</strong>: Renoviertes GrStKat Bd. I S.<br />
205 f.<br />
255 StadtAR II 2/10 S. 17-19.<br />
256 StAWü GrStKat Berg<strong>rothenfels</strong>: Renoviertes GrStKat Bd. I S.<br />
212; StadtAR 23-11, 40-1.<br />
257 StadtAR II 2/10 S. 17-19.<br />
Anfangs und Mitte des 19. Jahrhunderts wird die<br />
Familie Hamburger in Berg<strong>rothenfels</strong> als Hausbesitzer<br />
aktenkundig. Ihr gehört das kleine Anwesen Nr. 23<br />
(Berg<strong>rothenfels</strong>er Straße 21), erworben 1825. 258<br />
Die wirtschaftlich erfolgreichsten jüdischen Einwohner<br />
des Dorfes stammen aus der Familie Isack,<br />
seit 1811 mit neuem Namen Heil. Dem Vater Nathan<br />
gehört seit ungenannter Zeit in Berg<strong>rothenfels</strong>, wo er<br />
bis 1813 wohnt, das Häuschen Nr. 14 (Berg<strong>rothenfels</strong>er<br />
Straße 45), gleich neben dem ersten Schulgebäude.<br />
259 Seine Erben veräußern es an einen christlichen<br />
Bürger. 260 Nathans Söhne, die tüchtigen Brüder David<br />
und Abraham, erwerben zwei nebeneinander liegende<br />
Höfe am nordwestlichen Ortsausgang: die damaligen<br />
Häuser Nr. 40 (Wohnhaus mit Keller, Stallung, Scheuer<br />
mit Stallung und Holzhalle, Hofraum) und Nr. 42<br />
(Wohnhaus, Backofen mit Keller, zwei Stallungen,<br />
Scheuer mit Keller und Hofraum), alles umgeben <strong>von</strong><br />
Baum- und Gemüsegärten. 261 Heute befinden sich hier<br />
258 StAWü GrStKat Berg<strong>rothenfels</strong>: Renoviertes GrStKat Bd. I S.<br />
61; StadtAR 40-1.<br />
259 StadtAR II 9/2 (unpaginiert), 25. 10. 1831. Die Lagebeschreibung<br />
in dieser Quelle lautet: neben dem Schulgebäude und Georg<br />
Weyrich, im Grundbuch der Brandversicherung (StadtAR<br />
40-1): Haus Nr. 14, alte Plannummer 43.<br />
260 StAWü GrStKat Berg<strong>rothenfels</strong>: Renoviertes GrStKat Bd. I S.<br />
41 f; StadtAR 40-1. Im Grundbuch der Brandversicherung, begonnen<br />
1830, werden als Besitzer genannt: Nathan Heils Erben<br />
und Johannes Klopf, zur Zeit Johann Roth.<br />
261 StAWü GrStKatRothenfels: Grund-, Saal- und Lagerbuch Bd. V<br />
fol. 1091, 1094; Renoviertes GrStKat S. 30, 38, 41; GrStKat<br />
Berg<strong>rothenfels</strong>: Grund-, Saal- und Lagerbuch Bd. IV fol. 1062-<br />
1105, 1171-1206; Renoviertes GrStKat Bd. I S. 137-158.
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 47<br />
(Zum Alten Herrgott 14 und 18) neuere oder stark renovierte<br />
Wohnhäuser, im Hintergrund noch alte<br />
Scheunen oder Ställe.<br />
Der letzte Berg<strong>rothenfels</strong>er Jude Nathan Kahn<br />
zieht – wahrscheinlich im Zusammenhang mit seiner<br />
Hochzeit im Jahr 1871 – in das Anwesen seines<br />
Schwiegervaters David Heil (Haus Nr. 40). Er kauft<br />
einen Garten und einen Acker dazu, betreibt aber keine<br />
Landwirtschaft mehr. 262<br />
Es gibt auch andere, auswärtige Juden, die Häuser<br />
und Grundstücke in Berg<strong>rothenfels</strong> erwerben, vor allem<br />
Joseph Adler I (1852) und Löb Adler (1855) aus<br />
Urspringen, Benjamin Bernay (1855) aus dem nahegelegenen<br />
Amtsdorf Karbach. Doch keiner <strong>von</strong> ihnen<br />
siedelt sich hier an, die Objekte werden jeweils bald<br />
wieder verkauft. 263<br />
Bei den An- und Verkäufen <strong>von</strong> Immobilien wird<br />
mehrmals die (katholische) Witwe Margaretha Hirschlein<br />
genannt, die trotz dieses Namens keine verwandtschaftlichen<br />
Beziehungen zu den jüdischen Familien<br />
hat. Sie erbt <strong>von</strong> ihrem Mann, dem Steinhauer Johann<br />
Hirschlein, Grundbesitz (1839) und kauft <strong>von</strong> Löb Adler<br />
ein bäuerliches Haus mit Ställen und Gemüsegarten<br />
(1855); ein anderes ihrer Grundstücke wird später<br />
auf Nathan Kahn umgeschrieben. 264<br />
Mit dem Tod <strong>von</strong> Hänlein Hamburger in Berg<strong>rothenfels</strong><br />
(1887) und dem Verkauf des letzten Hauses<br />
der Familie Heil in Rothenfels (1887) endet hier die<br />
Geschichte jüdischer Hauseigentümer. Gegen Ende<br />
des 19. Jahrhunderts befinden sich sämtliche Wohnstätten<br />
jüdischer Familien im Besitz christlicher Einwohner.<br />
265 Keiner der Erben ist hier geblieben.<br />
262 StAWü GrStKat Berg<strong>rothenfels</strong>: Renoviertes GrStKat Bd. I S.<br />
61, 137 ff, 149 ff; StadtAR 48-5 (unpaginiert), 4. 4. 1884, 30. 3.<br />
1888, 31. 12. 1893, 27. 12. 1896; StadtAR 21-6, S. 157 (21. 6.<br />
1896). In den Gewerbeunterlagen wird Nathan Kahn als Viehhändler<br />
und Makler geführt. Das Land in Berg<strong>rothenfels</strong> hat er<br />
aus dem Besitz der Witwe Margaretha Hirschlein übernommen.<br />
263 StAWü GrStKat Rothenfels: Grund-, Saal- und Lagerbuch Bd.<br />
V fol. 1475, 1480, 1490; GrStKat Berg<strong>rothenfels</strong>: Grund-, Saalund<br />
Lagerbuch Bd. I S. 199-202, Bd. II S. 346 f, Bd. III S. 774,<br />
Bd. IV S. 935 f, 977. – Das Judenedikt <strong>von</strong> 1813 (§ 16) untersagt<br />
Juden den Kauf <strong>von</strong> Häusern und liegenden Gütern, wenn<br />
sie nicht zur eigenen Bewohnung und Bebauung, sondern zum<br />
Wiederverkauf erworben werden. Ausnahme: Erwerb bei öffentlichen<br />
Versteigerungen und in Konkursfällen. Da<strong>von</strong> haben die<br />
auswärtigen jüdischen Käufer in Berg<strong>rothenfels</strong> offensichtlich<br />
Gebrauch gemacht.<br />
264 StAWü GrStKat Rothenfels: Grund-, Saal- und Lagerbuch Bd.<br />
XIII fol. 3690; GrStKat Berg<strong>rothenfels</strong>: Grund-, Saal- und<br />
Lagerbuch Bd. III S. 668, Bd. V S. 1475; Renoviertes GrStKat<br />
Berg<strong>rothenfels</strong> Bd. I S. 27, 213, 935 f. Es handelt sich um das<br />
damalige Haus Nr. 60, ein Hinterhaus zur Dorfstraße, nahe dem<br />
heutigen Neubau Berg<strong>rothenfels</strong>er Straße 32. – Im Grundsteuerkataster<br />
heißt es mehrmals fälschlich Anna Maria Hirschlein,<br />
sie selbst unterschreibt Margreta Hierschlein.<br />
265 In einem undatierten Verzeichnis der Brandversicherung (nach<br />
1875) für Berg<strong>rothenfels</strong> wird nur noch Hinlein Hamburger<br />
(Haus Nr. 23) als Hauseigentümer genannt. Haus Nr. 14 gehört<br />
Johann Roth, Nr. 40 Anna Greß, Nr. 42 Anton Emmerich, Nr.<br />
56 Friedel Tannenwald, Nr. 59 Karl Ambros Roth (StadtAR 40-<br />
16). Haus Nr. 40 wurde zunächst noch <strong>von</strong> David Heil (+ 1877)<br />
auf die Witwe Rosetta Heil (+ 1889) umgeschrieben (StAWü<br />
Renoviertes GrStKat Berg<strong>rothenfels</strong> Bd. I S. 7, 137).
48 Winfried Mogge<br />
13. Streit um die Synagoge<br />
Einen gemeinschaftlich genutzten Raum wird es in<br />
Rothenfels seit Beginn der neuzeitlichen Judengemeinde<br />
gegeben haben. Aktenkundig wird er zum ersten<br />
Mal im Jahr 1750. Es ist die Zeit der erzwungenen<br />
Abwanderung einiger Familien aus der Stadt in das<br />
Dorf. Bei der Gelegenheit spaltet sich die Gemeinde<br />
nicht nur organisatorisch: Sie zerstreitet sich fast zweieinhalb<br />
Jahrzehnte lang an der Frage, in welchem<br />
Ortsteil die legitime Synagoge liegt und künftig sein<br />
soll.<br />
Zunächst einmal können beide Parteien ihre eigene<br />
Judenschule behaupten. So nämlich nennt man in Rothenfels<br />
wie überhaupt in Deutschland seit dem Mittelalter<br />
den Raum, in dem nicht nur Gottesdienst<br />
gefeiert und gemeinsam gebetet, sondern auch Versammlung<br />
und religiöse Unterrichtung gehalten<br />
wird. 266 In der Stadt wie im Dorf handelt es sich nicht<br />
um eine förmliche oder offene Synagoge, das heißt<br />
einen eigenen Bau nach dem Vorbild der großen jüdischen<br />
Gemeinden, sondern jeweils um eine zu diesem<br />
Zweck hergerichtete Stube in einem privaten Wohnhaus.<br />
267<br />
Die Stadt-Schuhl, so heißt es in den Schriftquellen,<br />
besteht schon <strong>von</strong> denen Zeiten her, wo der erstere<br />
Jud die Stadt Rottenfels betretten. 268 Ein genauer<br />
Standort wird nirgends benannt. Zum Zeitpunkt des<br />
zitierten Streites zwischen den Stadt<strong>juden</strong> und den<br />
Berg<strong>juden</strong> befindet sich der Bet- und Versammlungsraum<br />
im Anwesen des Moschel (Moyses Lazarus) und<br />
seines Sohnes Mayer (Mayer Moyses), das sich als<br />
Haus Nr. 4 (heute Hauptstraße 14) identifizieren<br />
lässt. 269 Die Berg-Schuhl wird 1750 in dem bereits genannten<br />
Wohnhaus der Familie Männlein in einer kleinen<br />
Stube oder Ercker oben untern Dachstuhl<br />
eingerichtet, mit einem Almemor, dem Podest in der<br />
Raummitte, das einen Stuhl (Gestell) zum Auflegen<br />
der Schriftrollen trägt, und einem Hakodesch, dem<br />
Thoraschrein zur Aufbewahrung der heiligen Schriften.<br />
270 In derart bescheidenen Verhältnissen also halten<br />
die Rothenfelser und Berg<strong>rothenfels</strong>er Juden ihre Ceremonien<br />
ab. Beide Häuser sind durch Um- und Neubauten<br />
ersetzt und zeigen keine Spuren ihrer<br />
damaligen Verwendung mehr.<br />
Als die Berger ihre Schul einrichten, protestiert der<br />
266 Jüdisches Lexikon, Bd. III Sp. 444 f.<br />
267 StAWt-R Rep. 5g Nr. 2 (unpaginiert; Auseinandersetzungen um<br />
die Synagogen 1772-74 mit Kopien aus 1750 und 1762).<br />
268 StAWt-R Rep. 5g Nr. 2 (Bericht 6. 10. 1773).<br />
269 Vgl. S. 43.<br />
270 StAWt-R Rep. 5g Nr. 2 (Bericht 31. 5. 1772). Der katholische<br />
Amtskeller Papius missversteht die hebräischen Begriffe Almemor<br />
zu Allmemmer und Hakodesch zu Onagotesch. Er erläutert<br />
seinen Bericht an die fürstbischöfliche Regierung über die Einrichtung<br />
der Schuhl in Berg<strong>rothenfels</strong>: Verständtiglich den stuhl<br />
in der Mitte worauf die Geschriebenen 10 Gebott Geleget und<br />
abgeleßen, dann Eine Aufbehaltnus sothaner 10 Gebotten in<br />
Form eines Tabernackels.<br />
Städter Moschel heftig gegen diese Transferirung. Der<br />
Oberamtmann in Rothenfels, der Judenamtmann der<br />
Würzburger Regierung und der für innerjüdische Konflikte<br />
als Richter zuständige Rabbiner <strong>von</strong> Heidingsfeld<br />
werden mit dem Streit befasst und bringen knapp<br />
vor der gerichtlichen Auseinandersetzung einen Kompromiss<br />
zustande: Die Mitglieder der bisher einen Gemeinde<br />
sollen abwechselnd die Beträume in der Stadt<br />
und im Dorf zur gemeinsamen Zeremonie aufsuchen.<br />
Der Vergleich wird <strong>von</strong> beiden Seiten nicht eingehalten.<br />
271<br />
Am 24. April 1772 wird die Judenschule auf dem<br />
Berg durch einen nächtlichen Brand zerstört. Nach einer<br />
Osterfeier, so das Untersuchungsergebnis, wurde<br />
vergessen, eine Kerze zu löschen. 272 Als die Familie<br />
Männlein das Haus wieder aufbauen möchte, türmen<br />
sich zunächst gleich mehrere Hindernisse auf. Zum<br />
einen wollen die Berg<strong>rothenfels</strong>er Mitglieder des<br />
Stadtrates die Baugenehmigung durch das fürstbischöfliche<br />
Landamt verhindern. Zum anderen meldet<br />
sich der Rothenfelser Glaubensgenosse Moschel mit<br />
neuerlichem Einspruch gegen das nach seiner Darstellung<br />
<strong>von</strong> Anbeginn illegale Projekt der abtrünnigen<br />
Berg<strong>juden</strong>. Offensichtlich verzichtet er nur schwer auf<br />
seine bisherige Rolle als Mittelpunkt und wohl auch<br />
Sprecher der kleinen Gemeinde.<br />
Nun gerät der Vorgang in die Hände der Bürokratie.<br />
Brandversicherung, Rothenfelser Amt und Würzburger<br />
Regierung stellen zunächst und generell die<br />
rechtliche Grundlage beider Beträume in Frage. Hat es<br />
dafür jemals eine regierungsamtliche Konzession gegeben,<br />
und haben die Juden dafür jemals eine Abgabe<br />
gezahlt? Die Betroffenen verteidigen geschickt ihre<br />
Ansicht, mit der Zuteilung der Schutzbriefe hätten sie<br />
auch das Recht erworben, private Betstuben zur Ausübung<br />
ihrer religiösen Zeremonien auszustatten, so<br />
wie das in allen kleinen Gemeinden im Hochstift üblich<br />
sei. Der juristisch versierte Amtskeller Johann<br />
Wilhelm Cyriacus Papius (1759-1783) rät der fürstbischöflichen<br />
Regierung, den Rothenfelser Juden gegen<br />
Zahlung einer jährlichen Recognition den Betrieb einer<br />
Schule zu gestatten, angesichts der geringen Zahl<br />
der Gemeindeglieder aber nur einer einzigen für beide<br />
Ortsteile, und den Betroffenen die Wahl des Standortes<br />
zu überlassen.<br />
Der sich über fast zwei Jahre und zahlreiche Sitzungstage<br />
in der Rothenfelser Amtskellerei hinziehende<br />
Konkurrenzkampf soll hier nicht weiter referiert<br />
werden; er wird mit erstaunlicher Schärfe zwischen<br />
271 StAWt-R Rep. 5g Nr. 2 (Protokolle und Briefe 1750, 1762 und<br />
1772). Der Vergleich vom 31. 5. 1750 besagt, dass die Berg<strong>rothenfels</strong>er<br />
jeweils ein halbes Jahr in die Stadt, die Rothenfelser<br />
ein dreiviertel Jahr in das Dorf gehen sollen. Der gemeinsame<br />
Schulmeister soll abwechselnd zwei Jahre im Dorf und ein Jahr<br />
in der Stadt wohnen. Am 20. 8. 1762 mahnt Judenamtmann Georg<br />
Friedrich Zehner unter Strafandrohung die Einhaltung des<br />
außergerichtlichen Vergleichs an.<br />
272 Vgl. Anm. 253.
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 49<br />
Rothenfels, Blick über<br />
die Hauptstraße <strong>von</strong><br />
Norden nach Süden auf<br />
die Kirche, in der Bildmitte<br />
links der Giebel<br />
des Rathauses.<br />
Die 1928 oder kurz<br />
darauf entstandene<br />
Aufnahme zeigt fast unverändert<br />
die Situation<br />
zur Zeit der jüdischen<br />
Gemeinde.<br />
den beiden Familien in der Stadt und den vier Familien<br />
im Dorf ausgetragen. Dabei ist allen Beteiligten bewusst,<br />
dass keiner der beiden Orte allein für sich die<br />
<strong>von</strong> den Religionsgesetzen vorgeschriebenen zehn<br />
Männer für einen Gottesdienst zusammen bekommt.<br />
Während man im allgemeinen keine Mühe scheut, diese<br />
Zahl zu erreichen, werden nun die Unzumutbarkeit<br />
des Weges zwischen Stadt und Dorf und das hohe Alter<br />
je eines Gemeindemitglieds als Hindernis für die<br />
Einigung vorgetragen. Das Zerwürfnis scheint jedoch<br />
tiefer zu sitzen und ist <strong>von</strong> den direkt Beteiligten nicht<br />
zu heilen. Die Regierung des Fürstbischofs Adam<br />
Friedrich <strong>von</strong> Seinsheim (1755-1779), <strong>von</strong> den Streitparteien<br />
mit Darstellungen und Gegendarstellungen<br />
traktiert, entscheidet als letzte Instanz per Dekret für<br />
die Wiederherstellung der Schule in Berg<strong>rothenfels</strong><br />
und die Schließung der Einrichtung in Rothenfels. 273<br />
Eine versöhnliche Geste folgt zum Schluss: Solange<br />
der alte Moschel (Moyses Lazarus) noch lebt, darf<br />
er den Betraum in seinem Haus behalten und sollen<br />
die beiden Gemeindeteile ihre Einrichtungen wechselweise<br />
und gemeinsam aufsuchen. Da kein weiterer<br />
Streit in dieser Sache mehr aktenkundig ist, dürfte dieser<br />
Kompromiss <strong>von</strong> allen akzeptiert worden – und<br />
Moyses Lazarus bald darauf verstorben sein.<br />
Der Moderator des Verfahrens, der Amtskeller Papius,<br />
<strong>von</strong> der Hartnäckigkeit der Streitparteien spürbar<br />
entnervt, bringt übrigens den entscheidenden Aspekt<br />
in die Diskussion ein: Er fragt, an welchem Standort<br />
die Synagoge das geringere Übel sei. In Rothenfels,<br />
schreibt er, liegt die Schuhl […] im Städtlein, wo das<br />
Juden Ceremonieweeßen verdrüßlich anzuhören, und<br />
je zuweilen das Sacratissimum vorbeÿ und in die<br />
273 StAWt-R Rep. 5g Nr. 2 (Protokolle, Briefe und Dekrete 1772-<br />
74).<br />
neben Haüßer getragen wird. Auf dem Berg hingegen<br />
befindet sich das Anwesen so zu sagen am Endte des<br />
Orths. 274 Die Fürstliche Hofkanzlei übernimmt das Argument<br />
und verfügt zugunsten <strong>von</strong> Berg<strong>rothenfels</strong>,<br />
weilen die Jüdische Feÿer in der stadt dem alldasigen<br />
Christlichen gottes dienst mehr zur stöhrung und ärgerniß,<br />
alß in dem sogenannten Rotenfelß auf dem<br />
berg, welches nur ein Dorf, und ohne Kirche seÿe, gereichen<br />
könne. 275<br />
Der Vorgang dokumentiert zugleich die geradezu<br />
paranoide Furcht der katholischen Obrigkeiten vor Berührungen<br />
ihrer Untertanen mit der anderen Religion,<br />
die sich im Hochstift Würzburg auch in Geboten zur<br />
Fernhaltung der Juden <strong>von</strong> Kirchen und Prozessionen<br />
und zu Kontaktverboten an Sonn- und Feiertagen ausdrückt.<br />
276<br />
Die Entscheidung über den Standort der Schule<br />
bleibt künftig unangefochten. 1817, in einem Bericht<br />
des Königlichen Herrschaftsgerichts Rothenfels an die<br />
Kreisregierung über Die Verhältniße der Jüdischen<br />
Glaubens Genoßen heißt es: Hiemit wird zugleich die<br />
unterthänigste Anzeige verbunden, daß zu Berg<strong>rothenfels</strong><br />
ein jüdisches Bethaus bestehe, zu deßen Errichtung<br />
die Concession <strong>von</strong> der vormals Fürst-<br />
Bischöflich Würzburgischen Regierung unterm 5 ten<br />
Oct. [richtig: 8. Oktober] 1773 ertheilt worden ist. 277<br />
Und die bayerische Kreisregierung bestätigt: Was das<br />
274 StAWt-R Rep. 5g Nr. 2 (Bericht 22. 9. 1773).<br />
275 StAWt-R Rep. 5g Nr. 2 (Protokoll 8. 10. 1773). Das Argument<br />
der Störung des christlichen Gottesdienstes ist weit hergeholt:<br />
Das Anwesen der Familie Moyses (Haus Nr. 4 = Hauptstraße<br />
14) liegt an der Nordspitze der Stadt, die jüdische Feier kann<br />
<strong>von</strong> hier die Kirche akustisch nicht erreichen.<br />
276 Vgl. I. König, Judenverordnungen, S. 175-178, 221-223, 299 f.<br />
277 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8663 (Bericht 11. 10.<br />
1817).
50 Winfried Mogge<br />
jüdische Bethaus zu Berg<strong>rothenfels</strong> betrifft, so wird<br />
die fernere Benutzung desselben den Juden gestattet,<br />
jedoch dörfen sie ohne Höchste Erlaubniß kein neües<br />
errichten. 278<br />
Knapp vier Jahrzehnte später steht die Synagoge<br />
erneut im Mittelpunkt einer juristischen Auseinandersetzung.<br />
Nun wehrt sich die Judenschaft zu Stadt- und<br />
Berg<strong>rothenfels</strong> einmütig gegen die Fürstlich Löwenstein-Wertheim-Rosenbergische<br />
Standes-Herrschaft,<br />
die zwar die Souveränität über ihre Länder verloren<br />
hat, aber ihre alten Einkünfte aus der Grundherrschaft<br />
zäh verteidigt. Hintergrund sind die politischen Veränderungen<br />
im Königreich Bayern in der Revolutionszeit<br />
um 1848, in unserem Zusammenhang die<br />
Ablösung des mittelalterlichen Systems der Grundlasten<br />
durch eine einheitliche Besteuerung. 279<br />
Das löwensteinische Rentamt in Neustadt behauptet<br />
nun, die Rothenfelser Juden müssten seit unvordenklichen<br />
Zeiten einen jährlichen Recognitionszins<br />
<strong>von</strong> zwei Gulden für die Errichtung ihrer Schule in einem<br />
eigenen Gebäude in Berg<strong>rothenfels</strong> zahlen. Die<br />
Betroffenen weigern sich bereits seit 1847, die durch<br />
die Zeitläufte überholte und rechtlich nicht mehr begründete<br />
Abgabe zu entrichten. Das Rentamt reicht<br />
1853 eine Besitzklage ein – und verliert in drei Instanzen,<br />
weil die Beweismittel nicht ausreichen, einen<br />
Rechtsanspruch auf das eingeforderte Gefälle zu begründen.<br />
280<br />
Dem Prozess verdanken wir eine knappe Beschreibung<br />
der Berg<strong>rothenfels</strong>er Judenschule. Der Aschaffenburger<br />
Bauinspektions-Ingenieur Konrad Götz gibt<br />
nach einer Ortsbesichtigung als Zeuge zu Protokoll:<br />
Das fragliche Lokale der Judenschule, welches nur<br />
zum Zwecke der Abhaltung des Gottesdienstes dient,<br />
befindet sich in einem auf dem Satteldache des fragli-<br />
278 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8663 (Brief 7. 11.<br />
1817).<br />
279 Vgl. W. Mogge, Dies uralt Haus, S. 90, 385 Anm. 374 und 375.<br />
280 StAWt-R Lit. B Nr. 2913 und 2914. Der Rechtsstreit zieht sich<br />
<strong>von</strong> der ersten Klage vom 13. 3. 1853 bis zum Schlussurteil<br />
vom 27. 6. 1859 hin. Die Urteilsbegründungen des Königlichen<br />
Landgerichts Rothenfels (16. 4. 1855), des Königlichen Bezirksgerichts<br />
Aschaffenburg (4. 1. 1859) und des Königlichen<br />
Appellationsgericht <strong>von</strong> Unterfranken und Aschaffenburg (27.<br />
6. 1859) in Kurzform: Das vom Kläger als einziges Beweismittel<br />
vorgelegte Dekret der damaligen fürstbischöflichen Regierung<br />
vom 8. 10. 1773 beinhaltet das Recht zur Haltung einer<br />
Judenschule. Als Anerkennung für diese Erlaubnis wurde der<br />
Judenschaft eine jährliche Abgabe auferlegt. Die Standesherrschaft<br />
begründet ihre Forderung als Gefälle auf ein bestimmtes<br />
Gebäude oder Grundstück und liegt damit falsch. Die Forderung<br />
ist auch nicht im Grundsteuerkataster eingetragen und<br />
schon deshalb nicht weiter geltend zu machen. Die bisherigen<br />
Zahlungen erfolgten wegen der Judenschule, nicht auf diese.<br />
Die alte Bezeichnung Rekognition beinhaltet kein dingliches<br />
oder persönliches Recht. Ein vielleicht zu behauptender Rechtsanspruch<br />
der Grundherrschaft aus den <strong>von</strong> 1774 bis 1846 gezahlten<br />
Abgaben ist durch das bayerische Ablösungsgesetz vom<br />
4. 6. 1848 erledigt. – Das Appellationsgericht weist schließlich<br />
die erneute Revision zurück, weil der Anwalt der Fürstlichen<br />
Verwaltung weitere Begründungen oder Beweismittel zu spät<br />
einreicht (27. 6. 1859).<br />
chen Gebäudes vor etwa 30-40 Jahren erbauten Erkervorsprunge,<br />
zu welchem eine sehr steile und unbequeme<br />
hölzerne Stiege führt. Weder die Bauart dieses<br />
Erkervorsprunges, welch letzterer aus Riegelfachwerk<br />
besteht, noch die in sehr schlechtem Zustande befindliche,<br />
mit schmalen Trittbrettern versehene Stiege lassen<br />
erkennen, daß dieser Theil des Gebäudes, sowie<br />
der übrige größere Theil des Hauses deßhalb erbaut<br />
worden ist, um in demselben Gottesdienst abzuhalten.<br />
281<br />
Die sonst bei Synagogen üblichen baulichen Merkmale,<br />
Wandeinrichtungen, Fenster, Symbole oder Beschriftungen,<br />
so der Gutachter weiter, fehlen hier<br />
gänzlich. Mit keinem Wort erwähnt er die in früheren<br />
Berichten bezeugte Möblierung der Betstube mit Almemor<br />
und Thoralade – die erscheint für seine Feststellung<br />
der ursprünglichen Zweckbestimmung des<br />
gesamten Hauses wohl unerheblich. Die Standesherrschaft<br />
steht trotz teurer Rechtsanwälte mit ihrer Argumentation<br />
für einen steuerpflichtigen Synagogenbau<br />
auf verlorenem Posten.<br />
Die Akten zu diesem Prozess, der wie der biblische<br />
Kampf zwischen David und Goliath anmutet, bekunden<br />
nebenher, dass die jüdische Gemeinde <strong>von</strong> Rothenfels<br />
und Berg<strong>rothenfels</strong> nach wie vor im Dorf im<br />
Hause Freudenberger zusammenkommt. Die in der<br />
Stadt verbliebenen Juden haben nun offensichtlich keine<br />
Probleme, den durch eine alte gepflasterte Fahrstraße<br />
und eine neue barocke Steintreppe erschlossenen<br />
Berg zu ersteigen und gemeinsam mit den Verwandten<br />
und Freunden den Sabbat und die Festtage zu feiern.<br />
14. Unterricht und Kultus<br />
Über das alltägliche Leben der Rothenfelser Juden,<br />
ihre Sitten und Gebräuche, ihre Kleidung und Speisen<br />
geben die bisher aufgefundenen schriftlichen Quellen<br />
keine Auskunft. 282 Wohl aber finden sich einige Hinweise<br />
zur religiösen und sprachlichen Kultur.<br />
Die Rothenfelser und Berg<strong>rothenfels</strong>er Juden sind<br />
– wie die Mehrzahl der unterfränkischen Land<strong>juden</strong><br />
und ihr geistiges Zentrum in Heidingsfeld oder Würzburg<br />
– gesetzestreue Traditionalisten, also, mit einer<br />
verallgemeinernden Bezeichnung, Orthodoxe. 283 Ihre<br />
Gottesdienste richten sich nach der Ordnung und<br />
Schrift des alt jüdischen Ritus. 284 Gemeinsame Gebete<br />
und Vorlesungen werden selbstverständlich in der hebräischen<br />
Sprache gehalten. 285 Auch private Gebetbücher<br />
sind, wie aus einer Fundstelle in den Rothenfelser<br />
281 StAWt-R Lit. B Nr. 2914 (unpaginiert; Ortstermin und Zeugenaussagen<br />
vom 10. 7. 1857).<br />
282 Als Einführung in die Alltagskultur der fränkischen Juden neuerdings<br />
St. M. Lowenstein, Alltag und Tradition.<br />
283 Vgl. L. Scherg, Land<strong>juden</strong>tum, S. 235; ders., Jüdische Gemeinden,<br />
S. 175; St. M. Lowenstein, Alltag und Tradition, S. 17 f.<br />
284 StAWü Statistische Sammlung Nr. 280 fol. 234'.<br />
285 StAWü Statistische Sammlung Nr. 280 fol. 237.
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 51<br />
Ratsprotokollen indirekt hervorgeht, auf Hebräisch<br />
verfasst. 286 Im Alltag verständigt man sich untereinander<br />
auf Jiddisch, mit der Umwelt auf Deutsch mit unterfränkischen<br />
Einfärbungen. 287 Schreiben kann man<br />
in der Regel in deutschen und hebräischen Schriftzeichen;<br />
nur sehr selten leistet eine Jüdin oder ein Jude in<br />
den Rothenfelser Akten die Unterschrift in Hebräisch.<br />
288<br />
Etliche Nachrichten zeugen <strong>von</strong> der jederzeitigen<br />
Sorge der Familien um die Einhaltung der religiösen<br />
Vorschriften und die Erziehung der Kinder. Auch eine<br />
so kleine Gemeinde scheint stets einen ausgebildeten<br />
Fachmann für Kultus und Unterricht bei sich gehabt<br />
und finanziert zu haben. Die wechselnden Bezeichnungen<br />
Reba, Rabbiner, Schulmeister, Lehrer und Vorsinger<br />
erlauben meist noch keine Aussagen über<br />
dessen Qualifikationen und Tätigkeiten. Während in<br />
großen Landgemeinden wie Karbach ein Orts-Rabi<br />
amtieren kann und zuständig ist für alle kirchlichen<br />
Angelegenheiten wie Gottesdienste, Religionsunterricht,<br />
Trauungen, die Überwachung der Speisevorschriften<br />
und das Schächten 289 , ist für Rothenfels kein<br />
derart umfassender Aufgabenkatalog bekannt, sondern<br />
allenfalls ein Lehrer und Vorsänger anzunehmen.<br />
Die früheste Nennung stammt hier aus dem Jahr<br />
1655: Die ersten aktenkundigen Rothenfelser Judenfamilien<br />
bezahlen gemeinsam einen ledigen Kerl Habriel<br />
als Hausgenossen und Lehrer ihrer zahlreichen<br />
Kinder. 290 Die weiteren Nachrichten in chronologischer<br />
Aufreihung:<br />
1736 gibt es Ärger mit den Stadtoberen – ein jüdischer<br />
Lehrer wohnt in Rothenfels und weigert sich,<br />
das ortsübliche Beisassengeld zu zahlen. 291 1750 tritt<br />
286 Der Hinweis findet sich 1771 anlässlich eines Stadtgerichtsverfahrens<br />
gegen den Juden Leser, Knecht beim Juden Moÿsel dahier.<br />
Leser wird verklagt, er habe Vieh im Garten eines Bürgers<br />
weiden lassen; als Beweis wird ein dort aufgefundenes hebarisch<br />
büchlein vorgelegt und dem Knecht zugeordnet. Leser bestreitet,<br />
den Garten betreten zu haben; er habe morgens<br />
zwischen sieben und acht Uhr in der Nähe gebetet und auf einem<br />
Stein am Weg sein gebettbüchlein liegen lassen. StadtAR<br />
II 2/11 S. 142-144.<br />
287 Vgl. St. M. Lowenstein, Alltag und Tradition, S. 8 f; Mitten unter<br />
uns, S. 40. In den für die vorliegende Arbeit herangezogenen<br />
Akten fanden sich keine Dokumente privater Art und in jiddischer<br />
Sprache bzw. in hebräischen Schriftzeichen. Die amtlichen<br />
Korrespondenzen und Protokolle wurden in der Regel <strong>von</strong><br />
professionellen Schreibern auf Deutsch geschrieben und <strong>von</strong><br />
den Absendern nur unterzeichnet.<br />
288 StadtAR II 9/2 (Vertrag der Erben des Nathan Heil, 1831; vgl.<br />
oben S. 36); StAWt-R Rep. 100e Nr. 38 (Beschwerde des Jüdlein<br />
Salomon aus Karbach, 1804; vgl. oben S. 37).<br />
289 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8498 (1819). – Die<br />
Bezeichnung kirchliche Angelegenheiten gehört zur Wortwahl<br />
der christlichen Behörden. Nach dem bayerischen Judenedikt<br />
<strong>von</strong> 1813 (§ 30) ist der Wirkungskreis der Rabbiner [...] ausschließend<br />
auf die kirchlichen Verrichtungen beschränkt; sie<br />
dürfen keine Gerichtsbarkeit mehr ausüben und sich nicht mehr<br />
in bürgerliche oder Gemeindeangelegenheiten einmischen.<br />
290 StAWü Administrationsakten 8318 (5. 7. 1655).<br />
291 StadtAR II 2/7 S. 62. Der Rat beruft sich auf alte Privilegien<br />
der Stadt, das keiner dahier freӱ gedultet werdten solle; vgl.<br />
StadtAR II 1/1 S. 2. Dagegen steht das geltende Recht, dass<br />
hier ein Schulmeister auf 292 , der 1751 einen Namen<br />
und eine Geschichte bekommt: Israël Kohn hiesiger<br />
Reba und Judten Schulmeister welcher aus Böhmen<br />
gebürthig, sich aber verschiedene Jahren hindurch in<br />
Franckhen Landt aufgehalten 293 .<br />
Auch 1762 und 1772/73, also offensichtlich durchgängig,<br />
gibt es einen Schulmeister, der bei der Teilung<br />
der Gemeinde weiter gemeinsam bezahlt wird und jeweils<br />
zwei Jahre auf dem berg und ein Jahr in dem<br />
stättlein leben soll. Derselbe Mann wird auch als Vorsinger<br />
bezeichnet, was seine Hauptaufgabe als Leiter<br />
der kultischen Handlungen beweist. 294 Es handelt sich<br />
offensichtlich um den Lehrer, der einmal während des<br />
Streites um den Standort der Synagoge genannt wird:<br />
Isac Judenschulmeister alto übersetzt 1772 ein Dokument<br />
des Oberrabbiners zu Heidingsfeld aus dem Hebräischen<br />
ins Deutsche. 295<br />
Die jüdischen Kinder in den Rothenfelser Amtsorten<br />
werden also <strong>von</strong> eigenen Lehrern oder <strong>von</strong> den<br />
Rabbinern unterrichtet. Während man sich in den<br />
großen Kultusgemeinden Greußenheim und Karbach<br />
eigene Schulhäuser leistet, kommen die Schulkinder in<br />
Rothenfels und Berg<strong>rothenfels</strong> in Privathäusern oder<br />
in der Betstube zusammen. Ihr Unterricht, für den die<br />
Familien keine finanziellen Opfer scheuen, umfasst<br />
die Fächer und Lehrpläne einer Elementarschule, Religion<br />
und hebräische Sprache. 296 So bald und wo immer<br />
es möglich ist, besuchen sie die öffentlichen<br />
(christlichen) Volksschulen. Das geschieht allgemein<br />
seit Beginn des 19. Jahrhunderts, mit der Einführung<br />
der Volksschulpflicht in den deutschen Staaten – im<br />
Amt Rothenfels greifen nun die entsprechenden bayerischen<br />
Gesetze <strong>von</strong> 1802, die ab 1813 generell auch<br />
für die Juden gelten. 297<br />
In der Stadt Rothenfels, die bereits seit dem 16.<br />
Jahrhundert eine freiwillig zu besuchende Schule mit<br />
einem hauptamtlichen Lehrer unterhält 298 , wachsen<br />
zwar so gut wie keine jüdischen Kinder mehr nach. Im<br />
Rabbiner, Schulmeister und andere Angestellte der jüdischen<br />
Gemeinden im Hochstift Würzburg einen Sonderstatus haben:<br />
Sie brauchen keinen Schutzbrief und zahlen keine Steuern; vgl.<br />
I. König, Judenverordnungen, S. 45, 180 f.<br />
292 StAWt-R Rep. 5g Nr. 2 (Protokoll 4. 6. 1750).<br />
293 StAWü Gebrechenamtsakten VI W 292 (11. 8. 1751).<br />
294 StAWt-R Rep. 5g Nr. 2 (Berichte und Protokolle 18. 8. 1762,<br />
22. 5. 1772, 6. 10. 1773).<br />
295 StAWt-R Rep. 5g Nr. 2 (27. 5. 1772). alto heißt allda, nämlich<br />
in Rothenfels.<br />
296 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8663 (Berichte des<br />
Herrschaftsgerichts Rothenfels 1817 ff); Statistische Sammlung<br />
Nr. 279, 280 (Übersicht über die allgemeinen und bürgerlichen<br />
Verhältnisse der Israeliten im Untermainkreis 1833/34). – Einer<br />
der seltenen Hinweise auf die Ausbildung der Land<strong>juden</strong>mädchen:<br />
Bei der Ausstellung der Heiratszeugnisse der Gemeindeverwaltung<br />
<strong>von</strong> Berg<strong>rothenfels</strong> für Jede (Jethe) Herrmann (geb.<br />
1798) heißt es 1830, sie sei eine gute Haushälterin und habe<br />
den Schulunterricht beÿ ihren Glaubensgenossen erhalten<br />
(StadtAR 21-1 S. 664).<br />
297 Vgl. M. Spindler, Handbuch, Bd. IV/2 S. 952-955; G. Döllinger,<br />
Sammlung, S. 200-219.<br />
298 Vgl. P. Kolb, Chronik, S. 228 ff.
52 Winfried Mogge<br />
Dorf Berg<strong>rothenfels</strong> aber gehen sie als Werktags-<br />
Schüler in die 1804 dort gegründete Volksschule. 299<br />
Als Folge der Ausdünnung ihrer Gemeinde durch<br />
Abwanderung und Überalterung verzichten die hiesigen<br />
Juden nun auf einen eigenen angestellten Schulmeister.<br />
In den 1820er Jahren stellen fünf Familien im<br />
Dorf nur noch fünf, kurzzeitig sechs Schulkinder. 300<br />
Bei der regierungsamtlichen Erfassung der kirchlichen<br />
und rechtlichen Verhältnisse der Israeliten in den neuen<br />
bayerischen Landesteilen wird es aktenkundig: In<br />
Berg<strong>rothenfels</strong> und Rothenfels gibt es nur noch wenige<br />
schulpflichtige jüdische Kinder und somit auch<br />
kein eigenes Personal für den Religions- und Sprachunterricht.<br />
301<br />
In der Schlussphase der Gemeinde sorgen die Familien<br />
Heil und Kahn noch einmal für Nachwuchs, so<br />
dass sich die Notwendigkeit ergibt, die israelitische<br />
Religionsschule neu zu organisieren. Man verpflichtet<br />
dazu den in der nach wie vor großen jüdischen Kultusgemeinschaft<br />
Karbach fest angestellten Lehrer und<br />
Vorsänger: 1859 Jonas Löwenthal, 1865 dessen Nachfolger<br />
Hirsch Eschwege. Im Sommer an fünf Tagen,<br />
im Winter an zwei Tagen in der Woche kommt nun der<br />
Lehrer nach Rothenfels oder wandern bei guter Witterung<br />
die Schulkinder nach einer Mainüberfahrt ins<br />
sechs Kilometer entfernte Nachbardorf. Bei der nächsten<br />
Neubesetzung der Karbacher Stelle im Jahr 1896<br />
spielt die Rothenfelser Gemeinde keine Rolle mehr. 302<br />
Die Gebete und Gottesdienste der für Stadt und<br />
Dorf vereinigten Kultusgemeinde leitet seit etwa 1821<br />
der Gemeindevorsteher Nathan Freudenberger als<br />
Vorsinger. Um diese Position gibt es eine Auseinandersetzung<br />
zwischen den Israeliten zu Berg<strong>rothenfels</strong><br />
und der löwensteinischen Verwaltung, die sogar den<br />
König in München erreicht. Der Hintergrund: Mit Verordnung<br />
vom 28. November 1828 hatte die bayerische<br />
Regierung die kirchlichen Verhältnisse der Judengemeinden<br />
neu reglementiert und bestimmt, für die Ausübung<br />
des Religionscultus müsse überall ein geprüfter<br />
Vorsänger angestellt werden. Der zu der Zeit für Rothenfels<br />
verantwortliche Distriktsrabbiner in Aschaffenburg<br />
hatte den unentgeltlich in dieser Funktion<br />
tätigen Nathan Freudenberger geprüft und für geeignet<br />
befunden, die als staatliche Behörde damals noch zuständige<br />
Fürstliche Regierungs- und Justizkanzlei in<br />
Kreuzwertheim dieses Zeugnis jedoch nicht anerkannt.<br />
Die Folge war ein vom Herrschaftsgericht Rothenfels<br />
ausgesprochenes strafbewehrtes Verbot jeder<br />
Andachtsversammlung.<br />
299 StadtAR 312-4 ff; vgl. P. Kolb, Berg<strong>rothenfels</strong>, S. 92 ff.<br />
300 StadtAR 312-4 (1822/23) bis 312-9 (1828/29). Die Schulkinder<br />
kommen aus den Familien Benjamin, Löb und Oschel Hamburger,<br />
Isaak und Jacob Herrmann.<br />
301 StAWü Statistische Sammlung Nr. 280 fol. 221-227, 235'-236.<br />
302 StAWü Landratsamt Marktheidenfeld 2327 (Korrespondenzen<br />
und Verträge 1858/59, 1865, 1896). Die Verträge unterzeichnen<br />
für die Israelitische Cultusgemeinde Rothenfels und Berg<strong>rothenfels</strong><br />
die Brüder Abraham, Joseph und David Heil.<br />
Die Berg<strong>rothenfels</strong>er beschwören in ihrem Appell<br />
an König Ludwig I. einen unlösbaren Gehorsamskonflikt:<br />
Das Verbot sei unvereinbar mit den jüdischen<br />
Vorschriften für gemeinschaftliche Gebete und mit der<br />
verfassungsgemäß garantierten freien Religionsausübung.<br />
Einen bezahlten Vorsänger wiederum könne<br />
die auf wenige Familien beschränkte Judengemeinde<br />
sich finanziell nicht leisten, zumal an diesem Ort auch<br />
kein Religionsunterricht mehr zu erteilen sei. Die Aktion<br />
ist erfolgreich: Auf Seiner Königlichen Majestät<br />
allerhöchsten Befehl erteilt das Staatsministerium des<br />
Innern die Ausnahmegenehmigung für Nathan Freudenberger<br />
als ehrenamtlicher Vorsänger. 303<br />
Unverzichtbar ist für jede Judengemeinde ein Betund<br />
Versammlungsraum mit der Mindestausstattung<br />
einer Synagoge. Als im Konflikt <strong>von</strong> 1772/73 um den<br />
Standort der Synagoge die Rothenfelser Amtsleitung<br />
kurzerhand beide Schulen bis zu einer Einigung<br />
schließen lässt, geraten die Streitparteien angesichts<br />
der bevorstehenden jüdischen Feiertage in höchste<br />
Not. Sie erreichen die befristete Freigabe ihrer beiden<br />
Stuben für die Gebete und Zeremonien; der damalige<br />
Berg<strong>rothenfels</strong>er Sprecher Männlein erwirkt auch die<br />
Herausgabe einiger Schriftrollen aus den Rothenfelser<br />
Beständen an die Berger. 304<br />
Die Kleinstgemeinde im ländlichen Raum hat gelegentlich<br />
Schwierigkeiten bei der Einhaltung der religiösen<br />
Vorschriften. Als die Schließung beider<br />
Rothenfelser Schulen droht und der Amtskeller die Zusammenlegung<br />
mit dem benachbarten Amtsort Karbach<br />
in die Diskussion einbringt, lehnen die<br />
betroffenen jüdischen Familien dies vehement ab: Die<br />
nach den Religionsgesetzen am Sabbat stark eingeschränkte<br />
Entfernung <strong>von</strong> ihren Wohnungen würde<br />
überschritten, und sie dürften an diesem Tag auch keinen<br />
Fluss überqueren. 305 Später, als die Gemeinde aus<br />
eigener Kraft keinen Minjan (vollständigen Gottesdienst)<br />
mehr zustande bringt, nimmt man die Regelungen<br />
zur Überbrückung der Sabbatweggrenzen in<br />
Anspruch. In der Erhebung <strong>von</strong> 1833 über die Verhältnisse<br />
der israelitischen Glaubensgenossen teilt der<br />
nunmehr gemeinsame Gemeindesprecher <strong>von</strong> Rothenfels<br />
und Berg<strong>rothenfels</strong> mit, da man die nötige Anzahl<br />
303 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8663 (1831). Unterzeichner<br />
der Petition vom 19. 4. 1831 sind Nathan Freudenberger,<br />
David Heil und Benjamin Herrmann. In der Statistik <strong>von</strong><br />
1833 über die Religionsverhältnisse wird Nathan Freudenberger<br />
als ehrenamtlicher Vorsänger für die gemeinsame Gemeinde<br />
Berg<strong>rothenfels</strong> und Rothenfels genannt. Auch in den Amtsorten<br />
gibt es keine Rabbiner mehr; die Gottesdienste leitet hier der<br />
Vorsänger, der zugleich Religionslehrer ist: in Greußenheim<br />
Moses Weitzenfelder, in Karbach Benjamin Lämmlein (StAWü<br />
Statistische Sammlung Nr. 280 fol. 226', 227).<br />
304 StAWt-R Rep. 5g Nr. 2 (Protokoll 9. 9. 1773, Bericht 22. 9.<br />
1772). Die Thorarollen der Berg<strong>rothenfels</strong>er Gemeinde sind offensichtlich<br />
beim Brand <strong>von</strong> 1772 vernichtet worden. In der<br />
Rothenfelser Judenschule werden drei Gebotte verwahrt, Amtskeller<br />
Papius verfügt die Herausgabe <strong>von</strong> einem oder zwei Exemplaren<br />
an die Berger.<br />
305 StAWt-R Rep. 5g Nr. 2 (Bericht 10. 12. 1772).
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 53<br />
<strong>von</strong> zehn volljährigen männlichen Individuen selbst<br />
nicht mehr erreiche, müsse man an einem jeden Sabbat<br />
und Festtagen solche auf unsere Kosten kommen<br />
lassen, um den Gottesdienste abhalten zu können. 306<br />
Das heißt, man lädt gegen Bezahlung Glaubensgenossen<br />
aus größeren Nachbargemeinden ein, um die Vorschriften<br />
zu erfüllen.<br />
Die Aufsicht über die jüdischen Gemeinden im<br />
Amt Rothenfels führt während der Zugehörigkeit zum<br />
Hochstift der Würzburger Oberrabbiner, der <strong>von</strong> 1792<br />
bis 1813 seinen Sitz in Heidingsfeld hat, zuletzt also<br />
der berühmte Gelehrte Abraham Bing (1752-1841).<br />
Als eine Folge der Säkularisation wechselt die Zuständigkeit<br />
für Rothenfels und Berg<strong>rothenfels</strong> an das Distriktsrabbinat<br />
Aschaffenburg in die Hände des dortigen<br />
Rabbiners Hillel Wolf Sondheimer (1749-1832). Nach<br />
der Neuverteilung der Rabbinatsbezirke im Jahr 1839<br />
ist es wieder Würzburg, konkret: der seit 1840 dort<br />
amtierende Seligmann Bär Bamberger (1807-1878). 307<br />
Die Arbeit der Rabbiner hat sich seit dem bayerischen<br />
Judenedikt freilich einschneidend gewandelt,<br />
hat ihre traditionelle Unabhängigkeit verloren: Mit einer<br />
zunehmenden Fülle <strong>von</strong> Anordnungen und Gesetzen<br />
reglementiert nun der Staat die Verhältnisse der<br />
israelitischen Cultusgemeinden <strong>von</strong> den Gottesdiensthandlungen<br />
bis zum Unterricht, <strong>von</strong> den Beschneidungen<br />
und Vereidigungen bis zu den Beerdigungen. 308<br />
Die räumliche Ferne des geistlichen Leiters wird in<br />
den Landgemeinden als Nachteil erlebt, sobald es vor<br />
Ort keinen eigenen Rabbiner oder Schulmeister mehr<br />
gibt. Aufenthalte des Oberrabbiners sind in den Rothenfelser<br />
Unterlagen nicht nachweisbar. In kirchlichen<br />
Angelegenheiten springt hier zunächst noch der<br />
Orts-Rabi Lazarus Rosenbusch <strong>von</strong> Karbach ein, bis<br />
auch diese Position nicht mehr besetzt wird. 309 Am 10.<br />
Oktober 1817, bei der Vereidigung der immatrikulierten<br />
Juden im Amtshaus der Burg, ist ein Rabbiner namens<br />
Jacob Erlanger dabei, aber der kommt <strong>von</strong><br />
außerhalb zu der Zeremonie und wird sonst in Rothen-<br />
306 StAWü Statistische Sammlung Nr. 280 fol. 234'. Vgl. dazu: Jüdisches<br />
Lexikon, Bd. IV/2 Sp. 896 (Techum schabbat, Sabbatgrenze)<br />
und Bd. II Sp. 486-489 (Eruw techumin, Vereinigung<br />
der Sabbatweggrenzen).<br />
307 StAWü Statistische Sammlung Nr. 280 fol. 226, 233 (Datenerhebung<br />
1833/34). – Nach der Säkularisation und dem Übergang<br />
der Region an das Fürstliche Haus Löwenstein-Wertheim-Rosenberg<br />
gibt es zunächst Irritationen wegen der Zuständigkeiten:<br />
1808 beklagt sich der Wertheimer Rabbiner [Samuel]<br />
Hirsch [Adler] bei der Domänenkanzlei, er bekomme seit einigen<br />
Jahren keine Amtsgebühren und Akzidenzien mehr <strong>von</strong> der<br />
Judenschaft des Amtes Rothenfels. StAWt-R Rep. 41e Nr. 2.<br />
308 StAWü Landratsamt Lohr Nr. 1585; vgl. Anm. 289.<br />
309 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8498 fol. 61 (29. 12.<br />
1819). Der Vorgang wird erwähnt im Zusammenhang mit dem<br />
Kampf der Karbacher jüdischen Gemeinde gegen ihre Unterstellung<br />
unter den Würzburger Oberrabbiner Abraham Bing.<br />
Der Karbacher privilegirte und verpflichtete Orts-Rabiner Lazarus<br />
Rosenbusch betreut demnach auch die Amtsorte Greußenheim<br />
und Rothenfels. In der Statistik <strong>von</strong> 1833 über die<br />
Religionsverhältnisse (wie Anm. 307) wird auch für Karbach<br />
kein eigener Rabbiner mehr genannt.<br />
fels nicht mehr genannt. 310 Aus dem Jüdischen Standesregister<br />
für Rothenfels und Berg<strong>rothenfels</strong>, beginnend<br />
mit dem Jahr 1829, geht hervor: Beschneidungen<br />
werden <strong>von</strong> den Rabbinern aus Urspringen ausgeführt,<br />
Beisetzungen <strong>von</strong> den Amtskollegen oder Religionslehrern<br />
in Laudenbach, dem Ort des Verbandsfriedhofs.<br />
Die wenigen Trauungen dieser Zeit feiert man an<br />
verschiedenen Orten: mit Rabbiner Nathan Heinemann<br />
aus Urspringen, mit Lehrer Benjamin Lämmlein<br />
aus Karbach, mit Oberrabbiner Seligmann Bär Bamberger<br />
in Würzburg, mit Distriktsrabbiner Abraham<br />
Adler aus Aschaffenburg. 311<br />
Sämtliche Kosten für ihren Kultus, ihre Einrichtungen<br />
und ihr Personal tragen die Israeliten selbst. Auch<br />
die kleine Gemeinde Rothenfels erhebt dafür stets eine<br />
Umlage, gestaffelt nach Einkommen und Vermögen<br />
der Familien. Das gilt auch für die Armenpflege – bis<br />
zu ihrer bürgerlichen Gleichberechtigung haben die<br />
Juden keinen Anteil an der kommunalen Versorgung,<br />
sondern finanzieren die soziale Fürsorge für ihre bedürftigen<br />
Mitglieder aus eigenen Mitteln. Im Jahr der<br />
statistischen Erhebungen 1833 heißt es allerdings für<br />
Berg<strong>rothenfels</strong> und Rothenfels, dass sich hier keine israelitischen<br />
Arme befinden. 312<br />
Zum jüdischen Kultus gehört eine Mikwe, ein Bad<br />
mit fließendem Wasser für die rituellen Waschungen<br />
vor den gemeinsamen Gebeten und die symbolische<br />
Reinigung der Frauen nach der Menstruation und der<br />
Geburt. Die kleinen Gemeinden hatten dafür in der<br />
Regel keine eigene Einrichtung in Form eines Badehäuschens,<br />
sondern einen Raum im Untergeschoss des<br />
Hauses ihrer Betstube.<br />
In der Stadt Rothenfels lässt sich eine solche Kellermikwe<br />
nicht lokalisieren. Das ehemalige Anwesen<br />
der Familie Moyses Lazarus, also das Haus Nr. 4 (heute<br />
Hauptstraße 14), wo sich die Betstube befand, hat<br />
keinen Keller, und beim Abbruch des baufälligen Hauses<br />
und Neubau 1972/77 wurden hier keine Spuren einer<br />
mit Wasser versehenen Badestube bemerkt. 313 Im<br />
Dorf Berg<strong>rothenfels</strong> befand sie sich im früheren Haus<br />
Nr. 56, also unter einem Dach mit dem Betraum. Bei<br />
einem Umbau des jetzt dort stehenden Wohnhauses in<br />
den Jahren 1977/78 war das Ritualbad im alten Keller<br />
für kurze Zeit sichtbar, bevor es – leider ohne zeichnerische<br />
oder fotografische Dokumentation des Bestandes<br />
– zugeschüttet wurde. 314 Das Dorf verfügte<br />
ehemals über mehrere Wasseradern und Quellwasser-<br />
310 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8663. Herkunft oder<br />
Amtsort und biografische Daten zu Jacob Erlanger ließen sich<br />
nicht ermitteln.<br />
311 StAWü Jüdische Standesregister 114.<br />
312 StAWü Statistische Sammlung Nr. 280 fol. 230, 234', 235.<br />
313 Freundliche Mitteilung <strong>von</strong> Werner Zürn (Rothenfels). Zur<br />
Hausgeschichte vgl. S. 43.<br />
314 Die Mikwe befand sich in der linken Ecke des Hauses in einem<br />
in den Hang gebauten, gefliesten Keller. Die nach starken Regenfällen<br />
noch spürbare Wasserader ist verrohrt und in die Kanalisation<br />
abgeleitet. (Freundliche Mitteilungen <strong>von</strong> Elisabeth<br />
Ehring und Walter Rausch, Rothenfels.)
54 Winfried Mogge<br />
Grabsteine für Juden aus Rothenfels und Berg<strong>rothenfels</strong><br />
auf dem Verbandsfriedhof Laudenbach am Main.<br />
Die Inschriften, soweit noch zu entziffern, in Kurzform:<br />
Oben links: Frau Malez, Tochter des Herrn Hirsch<br />
<strong>von</strong> Rothenfels, Frau des Herrn Mosche Leib <strong>von</strong> hier,<br />
gestorben […] 5535 [1774 oder 1775].<br />
Oben rechts: Nathan Jziak [Isaak], Sohn <strong>von</strong> David<br />
Chaim [Herrmann] [Datum nicht lesbar].<br />
Unten links: Nathan, Sohn des Naphtali [Hirsch],<br />
gestorben 6. Cheschwan 5577 [28. Oktober 1816].<br />
Unten rechts: Tochter <strong>von</strong> Izrak, Sohn <strong>von</strong> Natan,<br />
gestorben 25. Tischri 5579 [25. Oktober 1818].<br />
Abbildung Seite 53: Rosel Heil, geborene Stern, Frau<br />
des David Heil, gestorben 26. Nisan 5649 [27. April<br />
1889]. – Im Sterberegister des Standesamtes Berg<strong>rothenfels</strong><br />
wird der 26. April 1889 als Todestag genannt,<br />
die Differenz entsteht bei der Kalenderumrechnung.
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 55<br />
leitungen auch im Bereich der Straße, aus denen sich<br />
öffentliche und private Brunnen speisten 315 , so dass die<br />
Mikwe an dieser Stelle mit dem nötigen frischen Wasser<br />
versorgt werden konnte.<br />
Die bayerische Kreisregierung lässt nach der Vereinnahmung<br />
Unterfrankens die zunächst als sehr ungesund<br />
und schädlich befundenen Judentauchen<br />
amtsärztlich visitieren und kontrollieren. Der Rothenfelser<br />
Districts-Physicus kann alsbald einen hygienisch<br />
einwandfreien Zustand der Monatsbäder in<br />
seinem Bereich vermelden. 316<br />
Die neuzeitliche Judengemeinde <strong>von</strong> Rothenfels<br />
und Berg<strong>rothenfels</strong> besitzt keinen eigenen Friedhof.<br />
Ihre Toten bringt sie auf den um 1600 gegründeten<br />
großen Verbandsfriedhof nach Laudenbach bei Karlstadt<br />
am Main, den sich bis zu 14 Kultusgemeinden<br />
der Region teilen – also nicht auf den nahegelegenen,<br />
jüngeren Friedhof bei Karbach. 317 In Laudenbach sind<br />
nach aktuellem Kenntnisstand fünf Grabsteine <strong>von</strong><br />
Rothenfelser Jüdinnen und Juden aus dem 18. und 19.<br />
Jahrhundert zu identifizieren. 318 Während die meisten,<br />
teils schon abgewitterten Grabsteine aus rotem Sandstein<br />
die typischen schlichten Formen mit einem<br />
schmucklosen Halbbogen zeigen, ist die älteste Stele<br />
(<strong>von</strong> 1775) aus der Familie Hirsch mit barocken Voluten<br />
verziert. Der jüngste Grabstein (<strong>von</strong> 1889) führt<br />
mit seiner Größe und einem neugotischen Blendmaßwerk<br />
das Selbstbewusstsein der Familie Heil vor. 319<br />
Das Thema Konversion ist in Rothenfels nicht unbekannt.<br />
Bereits während der Gegenreformation gibt<br />
es im Fürstbistum missionarische Bemühungen um<br />
Protestanten, Juden und Muslime. Nicht wenige Angehörige<br />
der verfolgten Minderheiten erhoffen sich vom<br />
Übertritt zum katholischen Glauben verbesserte Daseinsbedingungen.<br />
Das Würzburger Julius-Spital ist<br />
der landesweit zentrale Ort für ihren Religionsunterricht<br />
und die Taufen. 320 Doch auch der Stadtpfarrer<br />
315 Vgl. P. Kolb, Berg<strong>rothenfels</strong>, S. 87 f und Abb. 6 im Anhang; W.<br />
Mogge, Dies uralt Haus, S. 241-245.<br />
316 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8663 (Berichte 1825,<br />
1829). Die Verordnung zur Kontrolle der Kellerquellenbäder<br />
der Israelitinnen vom 15. 10. 1828 bei G. Döllinger, Sammlung,<br />
S. 151.<br />
317 Vgl. L. Scherg, Jüdisches Leben, S. 26 f; L. Mayer, Jüdische<br />
Friedhöfe, S. 106-111. – Ein Gräberverzeichnis der <strong>von</strong> 1850<br />
bis 1886 in Laudenbach beigesetzten Juden enthält auch Rothenfelser<br />
und Berg<strong>rothenfels</strong>er Namen, u. a. Nathan Freudenberger<br />
(1868) und seine Frau Regina Freudenberger [geb.<br />
Schlesinger] (1868), das Kind Nathan Heil (1850), Abraham<br />
Heil (1875), David Heil (1877), Joseph Heil (1874), Benjamin<br />
Herrmann (1868), Dolz Heß [geb. Heil] (1864) und ihren Mann<br />
Hajm Heß aus Würzburg(1866), Michael Kahn aus Steinbach<br />
(1865), das Kind Riela Kahn (1875), Minna Weinstock [geb.<br />
Herrmann] (1864) (HStA Stuttgart J 386 Bü 340).<br />
318 Freundliche Mitteilungen und Vermittlung der Inschriften <strong>von</strong><br />
Georg Schnabel, Karlstadt.<br />
319 Der Grabstein für Rosel Heil trägt auf dem Sockel den Namen<br />
des Steinmetzen: Joh. Straub <strong>von</strong> Bergrothenfelz [!].<br />
320 A. W[endehorst], Juden, S. 52. Eine entsprechende regionale<br />
Rolle des Julius-Spitals in Rothenfels ist auszuschließen<br />
(freundlicher Hinweis <strong>von</strong> Dr. Peter Kolb, Würzburg).<br />
Friedhof Laudenbach: Grabstein Rosel Heil (1889)<br />
<strong>von</strong> Rothenfels begleitet solche Konversionen. In der<br />
Pfarrmatrikel sind etliche zuvor protestantische und<br />
jüdische Personen verzeichnet, die hier bekehrt wurden<br />
und in hiesiger Pfarrkirche das Glaubensbekenntnis<br />
ablegten. 321 Aus der örtlichen Judengemeinde ist<br />
jedoch niemand dabei.<br />
Zwei spektakuläre Fälle finden in Rothenfels hohe<br />
Beachtung. Am 10. März 1771 werden in der Stadtpfarrkirche<br />
zwei junge Juden, 22 und 20 Jahre alt,<br />
Brüder aus Homburg am Main, nach vorangegangenem<br />
Religionsunterricht getauft. Sie bekommen neue<br />
Vornamen, nämlich die ihrer Paten, des Centgrafen<br />
Franz Ludwig Lippert und des Stadtschreibers Franz<br />
Nikolaus Fleischmann, und den Zunamen Christenfels,<br />
hergeleitet <strong>von</strong> der Stadt Rothenfels. Bald darauf<br />
gehen sie nach Frankfurt unter die kaiserlichen<br />
Kriegsvölker. 322<br />
321 Nachrichten über jüdische Konvertiten in Rothenfels, die aber<br />
nicht aus der dortigen jüdischen Gemeinde stammen: Am 2. 1.<br />
1733 stirbt Michael Joseph, ein getaufter Jude. Am 8. 2. 1740<br />
lässt sich Peter Philipp Glück, vor seiner Hochzeit Jude, mit<br />
seiner Frau Margaretha nach vierzigjähriger christlicher Ehe ein<br />
zweites Mal trauen. Außerdem die im Folgenden genannten<br />
Konversionen <strong>von</strong> 1719 und 1771. DAW Amtsbücher aus Pfarreien<br />
4281 (Matrikeldatei); PfarrAR Pfarrchronik (Chronik I) S.<br />
114-116.<br />
322 PfarrAR Pfarrchronik (Chronik I) S. 116. Der Stadt Rothenfels<br />
erbringen solche Konversionen offensichtlich einen hohen Prestigegewinn<br />
und beachtliche Kosten. Auf Anordnung des Amtskellers<br />
werden die beiden jungen Männer während des
56 Winfried Mogge<br />
Eine andere Bekehrung hat ihre bildlichen Spuren<br />
bis heute sichtbar hinterlassen. Am unteren Teil der<br />
barocken Treppe <strong>von</strong> der Stadt zur Burg Rothenfels<br />
steht neben einer zeitgleichen Kreuzwegstation der sagenumwobene<br />
Judenbildstock. In qualitätvoller Steinmetzarbeit<br />
ist die biblische Ölbergszene dargestellt:<br />
Christus kniet betend auf einem Felsen; ihm gegenüber<br />
erkennt man eine kleine weibliche Gestalt, die<br />
<strong>von</strong> einem Lichtstrahl aus einer mit einem Putto besetzten<br />
Wolke getroffen wird. Den Anlass für die Stiftung<br />
dieses Steines verkündet die Inschrift auf der<br />
Rückseite, in buchstabengetreuer Wiedergabe 323 :<br />
DIESE BILTNUS<br />
IST VON MARIA<br />
PHILIPPINA SCHARLOTA<br />
NIDERHÖFERIN ZUR<br />
DANCKSAGUNG WEGEN<br />
IHRES BERUFS VON DEM<br />
JUDENTHM ZUM WAREN<br />
CATHOLISHEH GLAUBEN<br />
AUF DEN SCHLOSSBERG<br />
ZU STATT ROTHENFELS<br />
GESEZT WORDEN<br />
den 3 october<br />
ANNO 1752<br />
Religionsunterrichts und der Zeit der Taufe <strong>von</strong> der Stadt untergebracht<br />
und verpflegt und anschließend noch nach Würzburg<br />
gefahren. StadtAR III 11/19 S. 112, III 11/20 S. 111 (Ausgaben<br />
Geld ad pias causas, insgesamt rund 33 fl für Quartier, Zehrung,<br />
Fahrtkosten, brodt undt weck).<br />
323 Buchstabengetreue Wiedergabe mit originalen Schreibfehlern;<br />
alle bisherigen Veröffentlichungen enthalten darüber hinausgehende<br />
Lesefehler.<br />
Der Vorgang hat allerlei fantasievolle Erklärungen<br />
zur Person und Herkunft der Stifterin und zu den Hintergründen<br />
ihrer Konversion hervorgebracht. Nüchterne<br />
Auskunft gibt die Rothenfelser Pfarrchronik, die<br />
wiederum die alten Pfarrmatrikeln und somit auch Namen<br />
und Lebenslauf des jüdischen Mädchens aus dem<br />
Wolfskelischen Orte Reichenberg 324 kennt: am 7. September<br />
1719 unter großem Zulaufe des Volkes in der<br />
Stadtpfarrkirche <strong>von</strong> Rothenfels getauft, damals 24<br />
Jahre alt, am 8. Januar 1720 mit dem Büttnermeister<br />
Johann Michael Weitzel verheiratet, am 11. September<br />
1781 hochbetagt als Pfründnerin im hiesigen Julius-<br />
Spital verstorben. Prominente Taufpaten sind der<br />
fürstbischöfliche Oberamtmann Philipp Emmerich<br />
Philibert <strong>von</strong> Hettersdorf (1711-1749) und seine Frau<br />
Charlotta Katharina Brigitta, geborene <strong>von</strong> Guttenberg;<br />
<strong>von</strong> ihnen bekommt die junge Frau ihre neuen<br />
Vornamen. 325 Die in literarische und volkstümliche<br />
Sammlungen eingegangenen Legenden vom armen,<br />
schönen, verfolgten Judenmädchen sind freie Erfindungen.<br />
326<br />
324 Reichenberg (Unterfranken) bei Würzburg, Sitz der Freiherren<br />
Wolffskeel <strong>von</strong> Reichenberg.<br />
325 PfarrAR Pfarrchronik S. 116; DAW Amtsbücher aus Pfarreien<br />
4281 (Matrikeldatei).<br />
326 Vgl. B. Rösch, Judenweg, S. 340 f, 345 (mit Nachweis und Zusammenfassung<br />
bisheriger Literatur, was hier nicht wiederholt<br />
werden soll). Dort (S. 332-350) auch Ausführungen über weitere<br />
fränkische Judensteine und die Instrumentalisierung der Juden<br />
in regionalen Sagen. So ein Judenbildstock <strong>von</strong> 1612 an der<br />
Friedhofsmauer des nahegelegenen Dorfes Roden, der laut lokaler<br />
Überlieferung an die Ermordung eines jüdischen Händlers
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 57<br />
Auch die Mitglieder der jüdischen Kultusgemeinde<br />
hatten auf ihren Wegen zwischen der Stadt Rothenfels<br />
und dem Dorf Berg<strong>rothenfels</strong> diesen Gedenkstein vor<br />
Augen. Die Zeitgenossen verstanden zweifellos seine<br />
Botschaft: Über den individuellen Anlass hinaus fand<br />
hier eine missionarische Demonstration für die Überlegenheit<br />
des Katholizismus statt. 327<br />
Von einer Konversion aus den eigenen Reihen ist<br />
erst nach dem Ende der Rothenfelser Kehillah die<br />
Rede: Die Tochter Frieda des letzten hiesigen Juden<br />
Nathan Kahn tritt, sehr zum Leidwesen des orthodox<br />
jüdischen Vaters, 1901 zum katholischen Glauben<br />
über und heiratet im selben Jahr den Steinhauer Andreas<br />
Benno Völker aus Berg<strong>rothenfels</strong>; im Lohrer<br />
Bürgerakt heißt es lakonisch, sie werde seitens ihres<br />
verwitweten Vaters als verstoßen betrachtet. 328<br />
15. Das Ende der Kehillah Rothenfels<br />
Das Ende der jüdischen Gemeinde <strong>von</strong> Rothenfels und<br />
Berg<strong>rothenfels</strong> kommt bereits vor 1900 in einem<br />
schleichenden Prozess. Von einer Kehillah im Sinne<br />
einer lebendigen Kultusgemeinschaft kann wohl schon<br />
länger keine Rede mehr sein. Die Schriftquellen geben<br />
keinen Aufschluss über eine formelle Abmeldung als<br />
Korporation oder eine Auflösung der Synagoge und<br />
den Verbleib des Interieurs. Der Tod des Gemeindesprechers<br />
Nathan Freudenberger (1868) und seiner<br />
Nachfolger Joseph, David und Abraham Heil innerhalb<br />
weniger Jahre (1874-1877) dürfte der Anfang<br />
vom Ende gewesen sein. Die im 19. Jahrhundert hier<br />
ansässigen Familien sterben aus – und ihre Kinder ziehen<br />
fort. Insofern ist dieser Ort ein charakteristisches<br />
Beispiel für den Untergang zahlreicher mainfränkischer<br />
Land<strong>juden</strong>gemeinden. 329<br />
Aufschlüsse über die eine Zeit lang expansive Entaus<br />
Rothenfels erinnern soll – wogegen einzuwenden ist, dass<br />
zu jener Zeit in unserem Ort keine Juden nachweisbar sind.<br />
327 Vgl. B. Rösch, Judenweg, S. 345. – Der Judenbildstock wurde<br />
1949 mutwillig zerstört, der Aufsatz fand sich 1951 in Hafenlohr<br />
in einer Gartenmauer, wurde renoviert und am alten Platz<br />
wieder aufgestellt. Anmerkung in PfarrAR Pfarrchronik S. 327.<br />
328 PfarrAR Familienbuch Berg<strong>rothenfels</strong> S. 458 f; DAW Amtsbücher<br />
aus Pfarreien 4294. Zitat aus: StadtA Lohr 150.2/K (Bürgerakt<br />
Nathan Kahn). Vgl. S. 58 und die Stammtafel S. 70. –<br />
Frieda (Friederike Maria) Kahn konvertiert am 9. 4 1901 und<br />
heiratet am 12. 5 1901 (laut Standesamt Lohr: 3. 9. 1900) den<br />
Vater ihrer Kinder. In den amtlichen Schriftquellen finden sich<br />
Hinweise auf die Aufenthaltsorte Philadelphia (USA) und Lohr<br />
am Main, schließlich wieder Berg<strong>rothenfels</strong>. In der Familie<br />
Völker gibt es mündlich überlieferte Erinnerung an die schöne,<br />
dunkelhaarige Judefride, die als Witwe bei der Familie in<br />
Berg<strong>rothenfels</strong> lebte (freundliche Mitteilung <strong>von</strong> Barbara Endres,<br />
Marktheidenfeld). Der Werdegang der Kinder wurde im<br />
Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht recherchiert: David, jetzt<br />
Joseph (1894-?, vermisst im Ersten Weltkrieg), Erna, jetzt Barbara<br />
(1896-1966), Rupert Alfred (1906-?) (PfarrAR Familienbuch<br />
Berg<strong>rothenfels</strong> S. 459, und freundliche Auskunft des<br />
Standesamts Lohr).<br />
329 Vgl. L. Scherg, Jüdische Gemeinden, S. 154-157.<br />
wicklung und das fast gleichzeitige Ende der jüdischen<br />
Familien <strong>von</strong> Rothenfels und Berg<strong>rothenfels</strong><br />
gibt ein nur wenige Seiten umfassendes Standesregister.<br />
Die Geschichte dieses Dokumentes ist so bizarr,<br />
dass sie erzählt zu werden verdient. Seit 1820 müssen<br />
in dem neuen bayerischen Untermainkreis die christlichen<br />
Ortspfarrer Personenstandsregister auch für die<br />
jüdischen Gemeinden führen. Die enden meist mit der<br />
landesweiten Einrichtung der kommunalen Standesämter<br />
am 1. Januar 1876. In den 1940er Jahren geraten<br />
die Listen in das Blickfeld nationalsozialistischer Behörden,<br />
werden beschlagnahmt und als Forschungsmaterial<br />
für die Überprüfung <strong>von</strong> „Ariernachweisen“<br />
verfilmt und genutzt. Diesen Weg geht auch die Rothenfelser<br />
„Judenmatrikel“; nach ihrer Beschlagnahme<br />
am 3. Februar 1942 gilt sie als verschollen, auch eine<br />
zuvor im Pfarramt noch angefertigte Abschrift ist verloren<br />
gegangen. 330 Eine Kopie des am 14. März 1945<br />
(!) im Außenlager Schloss Rathsfeld des „Reichssippenamtes“<br />
aufgenommenen Filmes jedoch hat sich im<br />
Staatsarchiv Würzburg erhalten. 331<br />
Das nach dem Muster der Pfarrmatrikeln angelegte<br />
Verzeichnis enthält vier Trauungen, zwölf Geburten<br />
und 19 (eigentlich 20) Sterbefälle 332 der Familien<br />
Freudenberger, Hamburger, Heil, Herrmann und Kahn<br />
aus den Jahren 1829 bis 1875 mit detaillierten Angaben<br />
zu den Personen. 333 Eine Interpretation der Daten<br />
und ihre Verknüpfung mit Informationen aus anderen<br />
Schriftquellen ergibt gleich mehrere Erklärungen für<br />
das Ende dieser Kehillah.<br />
Die Stadt Rothenfels taucht bezeichnenderweise in<br />
dem jüdischen Standesregister fast nicht mehr auf.<br />
Notiert ist hier allein die Hochzeit <strong>von</strong> Joseph Heil<br />
(1795-1874) mit Jethe Stiefel (1810-?) aus dem badischen<br />
Hochhausen im Jahr 1836; Kinder aus dieser<br />
Ehe werden nicht vermeldet. 334 Aus anderen schriftlichen<br />
Quellen erfahren wir <strong>von</strong> einem Händler namens<br />
Abraham Heil in Rothenfels nur das Jahr des Todes<br />
und der Geschäftsaufgabe (1879); wie er mit den ansässigen<br />
Heils verwandt ist, bleibt offen. 335<br />
Außerdem halten sich in der Stadt noch vereinzelte<br />
Mitglieder der alten Familie Mayer Moyses (Mayer)<br />
330 B. Polster, Quellen zur jüdischen Familienforschung, S. 167-<br />
169, 172, 202 Anm. 9.<br />
331 StAWü Jüdische Standesregister 114.<br />
332 Ein Todesfall, ein nach der Geburt verstorbenes Kind, ist nicht<br />
im Sterberegister, sondern im Geburtenregister notiert.<br />
333 Vgl. unten S. 71-73. Die folgenden biografischen Daten sind ergänzt<br />
aus: PfarrAR Familienbücher für Berg<strong>rothenfels</strong> und Rothenfels;<br />
VG Marktheidenfeld, Standesämter Berg<strong>rothenfels</strong><br />
und Rothenfels: Geburts-, Heirats- und Sterberegister.<br />
334 StAWü Jüdische Standesregister 114. Eine erste Verlobung <strong>von</strong><br />
Joseph Heil mit Esther Selig aus Kirchschönbach (Prichsenstadt),<br />
bezeugt in einem Vorgang <strong>von</strong> 1819 (StadtAR II 2/16,<br />
13. 6. 1819), führte nicht zur Hochzeit.<br />
335 StadtAR II 10/3, II 10/4. Mehrere Mitglieder der Familie Heil,<br />
1877-1883 in den Heberegistern für die Kapitalrenten- und Einkommensteuer<br />
genannt, lassen sich nicht eindeutig zuordnen<br />
(StadtAR IV 9/9 bis IV 9/18).
58 Winfried Mogge<br />
auf. 336 Ein kurzes Gastspiel gibt Joseph Bernay (1769-<br />
1848), wohl identisch mit einem Viehhändler aus einer<br />
großen Karbacher Familie. 337 Schließlich kommt,<br />
wenn auch nur für ein Jahrzehnt, der Schnittwarenhändler<br />
David Grünewald (1850-?) aus Karbach hinzu,<br />
der 1879 Fanny Heil (1852-?) aus Berg<strong>rothenfels</strong> –<br />
eine Tochter <strong>von</strong> Abraham und Hanna Heil – heiratet<br />
und 1887 in seinen Heimatort zurückkehrt. 338<br />
Im Dorf Berg<strong>rothenfels</strong> zeichnet sich zunächst<br />
reichliches Leben in die Zukunft ab. Dort, bei den Familien<br />
Heil und Kahn, häufen sich in der „Judenmatrikel“<br />
die Trauungen und Geburten. David Heil (1800-<br />
1877) hat mit seiner Frau Rosetta (Rosel) Stern (1807-<br />
1889) drei, Abraham Heil (1802-1875) mit seiner Frau<br />
Hanna Lindheim (1820-?) sechs Kinder. Insgesamt<br />
fünf überleben die Geburt oder das Kleinkindalter.<br />
Niemand aus dieser Generation bleibt in dem Dorf, die<br />
Landwirtschaften der Väter werden nach deren Absterben<br />
auf neue Besitzer verteilt. 339 Die weiteren Lebenswege<br />
der Nachkommen Heil ließen sich mit nur<br />
einer Ausnahme bisher nicht ermitteln. 340<br />
Die beiden Berg<strong>rothenfels</strong>er Großfamilien Hamburger<br />
und Herrmann haben in der im Standesregister<br />
genannten Zeit überhaupt keine Geburten zu verzeichnen.<br />
Verheiratet sind der alt gewordene Amsel Hamburger<br />
(1755-1833) und der jung verstorbene<br />
Benjamin Hamburger (1792-1832). Weitere Männer<br />
und Frauen ziehen Kinder im Dorf groß, die aber keine<br />
bleibenden Spuren hinterlassen. Auffallend viele<br />
Mitglieder beider Familien, Männer wie Frauen, bleiben<br />
ledig.<br />
Schließlich endet mit der dritten Generation auch<br />
die Familie Freudenberger. Der für damalige Verhältnisse<br />
steinalt gewordene Nathan Freudenberger (1784-<br />
1868) und seine Frau Regina Schlesinger (1791-<br />
1868), beide im Dorf verstorben, erscheinen im Personenstandsregister<br />
nicht mit Kindern. Die dürften vor<br />
dem Einsetzen dieses Dokumentes geboren worden<br />
und bald weggezogen sein. 341 Auch <strong>von</strong> einem Bruder<br />
Abraham Freudenberger fehlt jegliche weitere Nachricht.<br />
342<br />
336 StadtAR IV 3/4 S. 101 (1876 eine Witwe Mayer genannt).<br />
337 StadtAR IV 3/7 Bl. 10 (1812); StadtAR II 9/1 (1817).<br />
338 StadtAR II 10/4 (unpaginiert; 4. 8. 1885), II 10/3 (unpaginiert;<br />
15. 8. 1887), 41-2 (unpaginiert; 14. 11. 1879); vgl. Anm. 200<br />
und 249.<br />
339 StAWü GrStKat Berg<strong>rothenfels</strong>: Renoviertes GrStKat Bd. I S. 7<br />
f; vgl. Anm. 265.<br />
340 Rachel Baer geb. Grünewald (1885-1941?), Enkelin <strong>von</strong> Abraham<br />
und Hanna Heil; vgl. S. 59.<br />
341 Einige in den Akten genannte Personen namens Freudenberger<br />
sind nicht genau zuzuordnen. Ein Benjamin, 1849 mit einer<br />
Rugstrafe bedacht, dürfte ein Sohn <strong>von</strong> Nathan und Regina<br />
Freudenberger sein (StadtAR II 1/4, 3. 9. 1849). Eine Hanna<br />
Freudenberger, 36 Jahre alt, die 1827 Heiratserlaubnis erhält,<br />
dürfte eine Schwester des jüngeren Nathan sein (StadtAR 21-1<br />
S. 572). Sicher hingegen ist: Eine Joanna Schön Freudenberger,<br />
27 Jahre alt, 1818 verheiratet mit Jakob Tannenwald aus Karbach,<br />
ist eine Tochter des älteren Nathan und seiner Frau Beß<br />
geb. Hirsch (StAWü Jüdische Standesregister 51).<br />
342 Vgl. S. 38.<br />
Die letzte nach Berg<strong>rothenfels</strong> zugezogene Familie<br />
hält sich hier keine zwei Generationen. Nathan Kahn<br />
(1832-1913) aus Steinbach bei Lohr bekommt 1870<br />
das Heimat- und Bürgerrecht im Dorf und heiratet<br />
Rosa Heil (1839-1895), die Tochter des Landwirts David<br />
Heil. 343 Nach dem Tod seiner Frau geht er nach<br />
Lohr am Main. Dort erwirbt er ein Haus (die alte Nr.<br />
107, jetzt Gerbergasse 16) und 1906 die Bürgerrechte.<br />
Als altersschwacher Mann kommt er 1913 in das Städtische<br />
Hospital Lohr, dann in das Israelitische Krankenhaus<br />
Würzburg, wo er noch im selben Jahr stirbt. 344<br />
Die Tochter Frieda (1872-1930) findet sich nach verschlungenen<br />
Umwegen über Philadelphia (USA) mit<br />
ihrem Mann Andreas Benno Völker (1870-1907) in<br />
Lohr und schließlich wieder in Berg<strong>rothenfels</strong> ein. 345<br />
Eine Tochter Riela (1873-1875) stirbt schon als Kleinkind.<br />
346 Der Sohn Michael Kahn (1875-1943) wandert<br />
nach Frankfurt am Main ab, wo er als Kaufmann firmiert.<br />
347<br />
Warum die Rothenfelser Juden im letzten Drittel<br />
des 19. Jahrhunderts ihr Interesse an dem Mainstädtchen<br />
und dem zugehörigen Dorf verlieren, warum sich<br />
auch keine neuen Familien hier anmelden, wird nirgends<br />
genannt. Offensichtlich aber bietet der Ort ihnen<br />
keine beruflichen Chancen mehr. Daran kann auch die<br />
Eröffnung der Eisenbahnlinie zwischen Lohr und<br />
Wertheim im Jahr 1881, mit Station und Umschlagplatz<br />
in Rothenfels, nichts mehr ändern. 348 Auch der<br />
Wegfall der engen staatlichen Zuzugs- und Aufenthaltsbestimmungen<br />
seit 1861 wirkt sich hier nicht<br />
mehr spürbar aus. Im Gegenteil: Die endliche Erlangung<br />
der bürgerlichen Gleichberechtigung der Juden<br />
mit freier Wahl des Berufes und des Wohnortes hat die<br />
Tore in die nahe und die weite Welt geöffnet. Die benachbarten<br />
Mittelstädte und die entfernteren Großstädte<br />
– vor allem Frankfurt am Main – locken mit der<br />
Aussicht auf berufliches Fortkommen und gesellschaftlichen<br />
Aufstieg. Aus einigen Orten im heutigen<br />
Main-Spessart-Kreis sind Auswanderungen in die Vereinigten<br />
Staaten bekannt. 349 So auch aus Berg<strong>rothenfels</strong>:<br />
1840 emigrieren drei junge, ledige Frauen <strong>von</strong><br />
hier nach Nordamerika, darunter die Jüdin Rosina<br />
Hamburger. 350<br />
343 StadtAR 41-2; 311-49 fol. 22 (Jahresrechnung 1870: Nathan<br />
Kahn zahlt 25 fl Heimathgebühren; die gleichzeitig neu aufgenommenen<br />
christlichen Bürger zahlen nur 10 fl).<br />
344 StadtA Lohr 150.2/K (Bürgerakt Nathan Kahn).<br />
345 Vgl. Anm. 328.<br />
346 StAWü Jüdische Standesregister 114.<br />
347 StadtA Lohr 150.2/K (Bürgerakt Nathan Kahn).<br />
348 Vgl. P. Kolb, Chronik, S. 203 f.<br />
349 Vgl. z. B. die Ortsartikel Heßdorf, Karbach und Urspringen in:<br />
www.alemannia-judaica.de.<br />
350 StadtAR 21-1 S. 965 f. Der Gemeinderat stellt Rosina Hamburger<br />
(27) die nötigen Leumunds- und Gesundheitszeugnisse aus<br />
und bestätigt den Nachweis des obligatorischen Reisegeldes; es<br />
gibt auch keine Verwandten mehr, die ihr irgend ein Hindernis<br />
in den Weg legen könnten. Auswanderungsanträge werden auch<br />
für die Christinnen Anna Maria Wießmann (28) und Margaretha<br />
Herrmann (24) genehmigt.
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 59<br />
16. Verstreut, verschollen, ermordet<br />
Nur wenige Nachrichten gibt es über Nachkommen<br />
der Rothenfelser und Berg<strong>rothenfels</strong>er Juden. Im Ort<br />
selbst ließen sich bei den Recherchen für die vorliegende<br />
Publikation keine Erinnerungen mehr abrufen;<br />
möglicherweise führen die folgenden Hinweise noch<br />
zu weiteren Materialfunden oder gar zu Überlebenden<br />
der Enkel- und Urenkelgenerationen. Nachweisbar<br />
sind bisher einige Opfer der nationalsozialistischen<br />
Verfolgungen:<br />
Rachel Grünewald, am 9. Januar 1885 in Rothenfels<br />
geboren, ist seit 1910 verheiratet mit dem Weingroßhändler<br />
Hippolyt Baer (1877-?) aus Sulz am<br />
Wald, dessen Geschäft in Frankfurt am Main seit 1933<br />
boykottiert wird und nach dem November-Pogrom<br />
1938 eingeht. Das Ehepaar wird 1940 mit ungenanntem<br />
Ziel verschleppt und stirbt vermutlich in einem<br />
nationalsozialistischen Vernichtungs- oder Konzentrationslager;<br />
das letzte Lebenszeichen stammt vom 12.<br />
Dezember 1941. Drei in Frankfurt geborenen Kindern<br />
– Josef (1911-?), Babette (1913-?) und Max (1917-?)<br />
– gelingt noch rechtzeitig über die Niederlande die<br />
Flucht ins Exil. Die jüngste Tochter Clementine, geboren<br />
am 24. März 1924 in Frankfurt, als Achtzehnjährige<br />
<strong>von</strong> dort deportiert, kommt am 11. Juni 1942 im<br />
Vernichtungslager Sobibor ums Leben. 351<br />
Der am 17. März 1875 in Berg<strong>rothenfels</strong> geborene<br />
Michael Kahn, Kaufmann in Frankfurt am Main, verheiratet<br />
seit 1914 mit der Lohrer Handelsmanntochter<br />
Meta Kahn,wird am 15. September 1942 ins Ghetto<br />
Theresienstadt deportiert, wo er am 2. Februar 1943<br />
umkommt. Seine Frau, geboren am 14. Juni 1891, als<br />
Kranke in der Landesheil- und Pflegeanstalt Erbach-Eichberg<br />
untergebracht, wird am 5. Februar 1941<br />
<strong>von</strong> dort in die Tötungsanstalt Hadamar verbracht und<br />
ermordet. Nachkommen des Paares lassen sich in den<br />
(unvollständig erhaltenen) Frankfurter Einwohnermeldeunterlagen<br />
nicht ermitteln. 352<br />
Epilog<br />
„Jetzt ist kein einziger Jude hier mehr ansässig“, notierte<br />
der katholische Pfarrer <strong>von</strong> Rothenfels um 1900<br />
in einem Nachsatz zur Pfarrchronik. 353 Dabei sollte es<br />
bleiben – die letzte Generation derer, die so zäh um ihr<br />
Lebensrecht in dem Ort gekämpft hatten, starb um<br />
1870/75 aus; die Witwen folgten den Männern nach;<br />
<strong>von</strong> ihren Nachkommen blieb niemand dort. 354<br />
351 Freundliche Mitteilungen des Jüdischen Museums Frankfurt am<br />
Main, des Instituts für Stadtgeschichte Frankfurt am Main und<br />
des Bürgerbüros Neuhof-Fulda. Vgl. die wenigen Daten in: Gedenkbuch<br />
Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen<br />
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945<br />
(www.bundesarchiv.de/gedenkbuch); Zentrale Datenbank der<br />
Holocaustopfer (db.yadvashem.org/names). – Für den Sohn<br />
Josef Baer ließ sich ermitteln: 17. 2. 1932 Zuzug nach Neuhof<br />
bei Fulda, 16. 1. 1933 Wegzug nach Almelo (Niederlande).<br />
352 Freundliche Mitteilungen des Jüdischen Museums, Frankfurt<br />
am Main, und des Instituts für Stadtgeschichte, Frankfurt am<br />
Main; vgl. Gedenkbuch (wie Anm. 351).<br />
353 PfarrAR Pfarrbuch S. 298.<br />
354 Ausgenommen die Konvertitin Frieda Völker geb. Kahn; vgl.<br />
oben S. 57 f.
60 Winfried Mogge<br />
Rothenfels<br />
Die älteste bisher bekannte fotografische Aufnahme (Ausschnitt),<br />
entstanden vor dem Bau des Bahndammes (1880), Fotograf unbekannt
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 61<br />
Anhang 1<br />
Schutz<strong>juden</strong> im Amt Rothenfels (17. bis 18. Jahrhundert)<br />
1655 1675 1699 1720 1725 1731 1743 1748<br />
Haushalte<br />
Personen<br />
Haushalte<br />
Personen<br />
Haushalte<br />
Personen<br />
Haushalte<br />
Haushalte<br />
Haushalte<br />
Haushalte<br />
Haushalte<br />
Rothenfels 2 20 2 6 4 22 3 3 4 2 4<br />
Berg<strong>rothenfels</strong> - - - - - - 1 1 2 2 3<br />
Birkenfeld - - - - 1 8 2 2 2 2 2<br />
Greußenheim - - 1 5 1 6 2 2 3 3 3<br />
Karbach - - 1 8 4 25 7 10 8 11 4<br />
Zimmern - - - - 1 5 - - - - -<br />
gesamt 2 20 4 19 11 66 15 18 19 20 16<br />
Erfasst sind nur die Schutz<strong>juden</strong> des Hochstifts Würzburg, nicht die der Adeligen und anderer<br />
Körperschaften. In Rothenfels und Berg<strong>rothenfels</strong> leben ausschließlich hochstiftische Schutz<strong>juden</strong>,<br />
in Karbach auch solche der Herren <strong>von</strong> Sickingen und des Julius-Spitals Würzburg.<br />
Quellen:<br />
1655: StAWü Administrationsakten 8318 (unpaginiert)<br />
1675: StAWü Administrationsakten 8318 (unpaginiert)<br />
1699: StAWü Gebrechenamtsakten VI W 273 (unpaginiert)<br />
1720: StAWü Standbuch Nr. 933 fol. 519<br />
1725: StAWü Standbuch Nr. 935 fol. 805<br />
1731: StAWü Standbuch Nr. 937 fol. 1603<br />
1743: StAWt-R R 76, Rothenfelser Amtsrechnung Jg. 1743/44 S. 280<br />
1748: StAWü Standbuch Nr. 942 S. 248
62 Winfried Mogge<br />
Anhang 2<br />
Juden im Herrschaftsgericht Rothenfels (19. bis 20. Jahrhundert)<br />
1817 1830 1833 1871 1904 1905<br />
Personen<br />
Personen<br />
Familien<br />
Personen<br />
Personen<br />
Personen<br />
Personen<br />
Rothenfels 8 4 1 3 4 - -<br />
Berg<strong>rothenfels</strong> 14 14 3 15 10 3 -<br />
Greußenheim 37 59 9 54 38 25 23<br />
Karbach 89 114 25 110 87 81 79<br />
gesamt 148 191 38 182 139 109 102<br />
Quellen:<br />
1817: StAWt-R R 76 (Rothenfelser Rentamtsrechnung Jg. 1816/17)<br />
1830: A. Rottmayer, Statistisch-topographisches Handbuch (1830), S. 519-525<br />
1833: StAWü Statistische Sammlung Nr. 280; Regierung <strong>von</strong> Unterfranken 8540<br />
1871: K. statistisches Bureau, Ergebnisse der Volkszählung 1871 (1873), S. 180, 189<br />
1904: K. Bayer. Statistisches Bureau, Ortschaften-Verzeichnis 1904 (1904), Sp. 1357-1361, 1393<br />
1905: K. Statistisches Bureau, Gemeinde-Verzeichnis 1905 (1906), S. 230-232, 243<br />
Weitere Zahlenreihen aus den Gemeinde-Verzeichnissen bei:<br />
G. Christ, Lohr, S. 79 f.<br />
Erfasst sind nur die Schutz<strong>juden</strong> des Hochstifts Würzburg, nicht die der Adeligen und der<br />
geistlichen Körperschaften. Hinzu kommen z. B. in Berg<strong>rothenfels</strong> Einzelpersonen, Witwen<br />
und elternlose Kinder, die nur geduldet und keine Gemeindemitglieder sind.
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 63<br />
Anhang 3<br />
Juden im Herrschaftsgericht Rothenfels (1833)<br />
Ansässig Erwerbszweige Bildung und<br />
Kult<br />
Familienzahl<br />
Seelenzahl<br />
Familien mit vollem Bürgerrecht<br />
Groß- und Detailhandel<br />
Ordentliche Gewerbe und Handwerke<br />
Selbstständige Ökonomiebetriebe<br />
Not- und Hausierhandel<br />
Rabbiner, Lehrer, Vorsänger<br />
Schulpflichtige Kinder<br />
Eigene Religionsschule<br />
Eigene Betstube oder Synagoge<br />
Rothenfels 1 3 - - 1 - - - - - -<br />
Berg<strong>rothenfels</strong> 3 15 1 1 - 1 1 - - - 1<br />
Greußenheim 9 54 9 - 2 1 5 1 15 1 1<br />
Karbach 25 110 8 3 3 - 18 1 31 1 1<br />
gesamt 38 182 18 4 6 2 24 2 46 2 3<br />
Ergänzungen:<br />
In Berg<strong>rothenfels</strong> wohnen außerdem eine Einzelperson, zwei Witwen und mehrere<br />
elternlose Kinder (nur geduldet, keine Gemeindemitglieder).<br />
Ein Vorsänger in Berg<strong>rothenfels</strong> ist ehrenamtlich tätig und in den Statistiken nicht<br />
aufgeführt.<br />
Zum Vergleich die Zahlen der christlichen Familien:<br />
Rothenfels 200, Berg<strong>rothenfels</strong> 115, Greußenheim 148, Karbach 225, gesamt 688.<br />
Quellen:<br />
StAWü Statistische Sammlung Nr. 279, 280<br />
(Daten erfasst nach Nr. 280, dort kleinere Abweichungen zu Nr. 279)
64 Winfried Mogge<br />
Anhang 4<br />
Seelen-Register 1743<br />
───────────────────────────────────────────────────────
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 65<br />
Einwohner-Statistik für das fürstbischöflich-würzburgische Amt Rothenfels aus der Amtsrechnung für 1743/44<br />
(Aus: StAWt-R R 76, Jg. 1743/44, S. 280/281).<br />
Verzeichnet werden die Einwohner für die zu der Zeit 18 Amtsorte (vgl. die Karte S. 16), aufgeschlüsselt nach<br />
Männern, Frauen, Söhnen, Töchtern, Knechten und Mägden (insgesamt 6.191 Personen). Auf der zweiten Seite<br />
folgen zwei Gruppen ohne Bürgerrechte: Beisitzer (Beisassen) und Juden. Während die Bürger mit genauen<br />
Kopfzahlen (Seelen) gelistet sind, werden letztere nur nach Haushaltungen gezählt. In den beiden letzten Spalten<br />
werden noch die bewirtschafteten (bebauten, gebauten) und unbewirtschafteten (öthen) Hofstätten addiert.<br />
Orte:<br />
Rothenfels<br />
Zimmern<br />
Berg<strong>rothenfels</strong><br />
Windheim<br />
Karbach<br />
Birkenfeld<br />
Greußen(heim)<br />
Roden<br />
Ansbach<br />
Waldzell<br />
Steinfeld<br />
Neustadt<br />
Erlach<br />
Pflochsbach<br />
Sendelbach<br />
Hafenlohr<br />
Esselbach<br />
Oberndorf<br />
Nicht dabei:<br />
Marienbrunn<br />
(zu Hafenlohr)
66 Winfried Mogge<br />
Anhang 5<br />
Jüdische Familien in Rothenfels (17. bis 19. Jahrhundert)<br />
────────────────────────────────────────────────────────────────<br />
Jöstlein Joseph Mendlein<br />
1646 1655,1675 1655,1675<br />
1675 tot<br />
┌─────┴─────┐<br />
Moyses Jöstle Mayer Perlein Samuel Aaron<br />
Jude am Maintor Jöstlein Meyerlein Behrlein 1688-1694 1702,1704<br />
1671-1699 1699 1675-1706 1675-1701<br />
1719 tot<br />
Moyses (Moschel) Nathan Perlein Hirsch<br />
Moyses Lazarus 1720 Behrlein Hirschlein<br />
(1694/95-1775) 1731 tot 1732,1736 1720-1743<br />
1736 nach B.<br />
│<br />
Perlein Männlein<br />
[junior] Männle<br />
1734,1736 1734-1775<br />
1736 nach B. ¦ │ 1736 nach B.<br />
¦ │<br />
┌─┴───────────────────┐ ?<br />
Mayer Nathan Behrlein Moyses Berl Nathan Hirsch<br />
Mayer Moyses Nathan Moyses Behrlein Moyses Perlein Hirschlein<br />
1750-1795 1749,1751 1753,1763 1749,1751 1734-1760<br />
1798 tot 1751 nach Karbach 1753 in Karbach 1749 nach B. 1749 nach B.<br />
¦ 1759 tot 1759 tot<br />
¦<br />
?<br />
Isack Mayer Nathan Isack (Heil)<br />
1799 (1753-1830)<br />
1813 <strong>von</strong> B.<br />
┌─┴────────────────────────┐<br />
Joseph Heil David Heil Abraham Heil Joseph Bernay<br />
(1795-1874) (1800-1877) (1802-1875) (1769-1848)<br />
1826 nach B. 1846 nach B.<br />
Abraham Heil David Grünewald<br />
1879 1879-1887<br />
1879 tot 1887 nach Karbach<br />
Versuch einer Darstellung nach Generationen und Familien<br />
Korrekturen und Ergänzungen vorbehalten<br />
Zahlen ohne Klammern: Jahre der Erwähnung<br />
Zahlen mit Klammern: Lebensdaten<br />
B. = Berg<strong>rothenfels</strong><br />
R. = Rothenfels
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 67<br />
Anhang 6<br />
Jüdische Familien in Berg<strong>rothenfels</strong> (18. und 19. Jahrhundert)<br />
────────────────────────────────────────────────────────────────<br />
Wolff Schlommel Behrlein<br />
1720 1731-1773 1720<br />
1731 tot<br />
Itzig Perlein Männlein<br />
1750,1772 Behrlein Männle<br />
1732,1736 1734-1775<br />
1736 <strong>von</strong> R. 1736 <strong>von</strong> R.<br />
¦<br />
?<br />
Isaac Nathan Nathan Hirsch Moyses Berl<br />
1743 Hirschlein Perlein<br />
1734-1760 1749-1751<br />
1749 <strong>von</strong> R. 1749 <strong>von</strong> R.<br />
1759 tot 1759 tot<br />
│ ┌─┴─────────────────┐<br />
Nathan Isack Nathan Hirsch Sender Moises Männlein Nathan Männlein<br />
(Heil) (Herrmann) Sendter (Freudenberger) (Freudenberger)<br />
(1753-1830) 1754-1774,1811 1763,1773 1764-1782,1811 1751-1818<br />
1813 nach R. 1816 tot 1817 tot<br />
┌─┴────────┐ ┌──┴─────────────┐ ┌─┴────────────────┐<br />
David Abraham Isaak Nathan Jakob Nathan Nathan Moises Abraham Moises<br />
Heil Heil (Herrmann) (Herrmann) (Freudenberger) (Freudenberger)<br />
(1800-1877) (1802-1875) (1791-1830) 1819-1833 (1784-1868) 1773-1797<br />
1826 <strong>von</strong> R. 1846 <strong>von</strong> R.<br />
¦<br />
┌───────────┴────┐ ?<br />
Amsel Benjamin Nathan Benjamin<br />
Hamburger Herrmann Herrmann Freudenberger<br />
(1755-1833) (1799-1868) 1820-1829 1849<br />
¦<br />
┌─┴────────────────┐ ?<br />
Löb Benjamin Oschel Benjamin<br />
Hamburger Hamburger Hamburger Herrmann<br />
1822-1835 (1792-1832) 1822-1831 1817-1878<br />
│<br />
Hänlein Hamburger Nathan Kahn<br />
(1814-1887) (1832-1913)<br />
1870 <strong>von</strong> Steinbach<br />
1896 nach Lohr<br />
Versuch einer Darstellung nach Generationen und Familien<br />
Korrekturen und Ergänzungen vorbehalten<br />
Zahlen ohne Klammern: Jahre der Erwähnung<br />
Zahlen in Klammern: Lebensdaten<br />
B. = Berg<strong>rothenfels</strong><br />
R. = Rothenfels
68 Winfried Mogge<br />
Anhang 7<br />
Stammtafel Männlein / Freudenberger<br />
──────────────────────────────────────────────────────<br />
Männlein<br />
1734-1775 genannt<br />
1736 <strong>von</strong> Rothenfels nach Berg<strong>rothenfels</strong><br />
┌───┴─────────────────────────────────────────────────┐<br />
Moises Männlein ∞ Giedel geb. NN Nathan Männlein ∞ Beß geb. Hirsch<br />
1764-1782, 1817 tot 1751-1818<br />
ab 1811 Freudenberger<br />
ab 1811 Freudenberger<br />
┌───┴─────────────────────────────────────────────────┐<br />
Nathan Moises NN (Tochter) NN (Tochter) Abraham Moises<br />
(Freudenberger) (Freudenberger)<br />
* 1784 1773-1797<br />
+ 6.7.1868<br />
∞ Regina geb. Schlesinger<br />
* 1791<br />
+ 13.3.1868<br />
¦<br />
?<br />
Benjamin Freudenberger<br />
1849<br />
Zahlen ohne Zeichen: Jahre der Erwähnung<br />
Korrekturen und Ergänzungen vorbehalten
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 69<br />
Anhang 8<br />
Stammtafel Isack / Heil<br />
───────────────────────────────────────────────────────────────<br />
Nathan Heil (bis 1811: Nathan Isack)<br />
Viehhändler<br />
* 1753<br />
+ 5.8.1830<br />
∞ Riela (Riele) geb. NN<br />
┌───┴─────────────────────────────────────────────────────────────────┐<br />
Joseph Heil David Heil Abraham Heil NN NN Giedel Dolz Feigel<br />
Handelsmann Bauer Bauer (Jentel) (Vogel)<br />
* 1795 * 26.3.1800 Bergr. * 1802 Bergr. ∞ 1. Simon ∞ Hajm ∞ Michael<br />
+ 3.7.1874 Roth. + 6.6.1877 Bergr. + 25.4.1875 Roth. Fröhlich Heß Kahn<br />
∞ Jethe ∞ Rosetta (Rosel) ∞ Hanna ∞ 2. David<br />
geb. Stiefel geb. Stern geb. Lindheim Grünebaum<br />
* 1810 Hochhausen * 1807 Miltenberg * 22.4.1820 Marktsteft<br />
+ 27.4.1889 Bergr.<br />
┌───────────────────┴───────┐ ┌─────┴─────────────────────────────────┐<br />
Nathan Riele Reiz (Rosa) Riele Elia Nathan Reiz (Rosa) Vögele (Fanny) Golda<br />
* 6.10.1832 * 31.5.1836 * 6.9.1839 Bergr. * 1848 * 1850 * 1850 * 1852 * 1852 * 1857<br />
+ 1.3.1834 + 11.11.1895 Bergr. + 1850 + 1850 ∞ David + 1858<br />
∞ Nathan Kahn Grünewald<br />
* 30.5.1832 Steinbach<br />
+ 28.12.1913 Würzburg<br />
Bergr. = Berg<strong>rothenfels</strong><br />
Roth. = Rothenfels<br />
Korrekturen und Ergänzungen vorbehalten
70 Winfried Mogge<br />
Anhang 9<br />
Stammtafel Kahn / Völker<br />
──────────────────────────────────────────────────────────────<br />
Michael (Michel) Kahn ∞ Feigel (Vogel) Kahn geb. Heil<br />
Handelsmann<br />
Handelsmanntochter<br />
* 1794 Steinbach * 1811 Bergr.<br />
+ 2.1.1865 Steinbach + 4. 5. 1875 Steinbach<br />
┌────────────────┴───────────────────────────────────────────┐<br />
Rosetta Nathan Kahn Sani (?) Babett Sigmund Isak Benjamin<br />
* 1829 Handelsmann * 1834 * 1836 * 1839 * 1846 *1848<br />
* 30.5.1832 Steinbach + 1847<br />
+ 28.12.1913 Würzburg<br />
∞ Reiz (Rosa) Kahn geb. Heil<br />
* 6.9.1839 Bergr.<br />
+ 11.11.1895 Bergr.<br />
┌─────────────┴──────────────────────────────────────────────┐<br />
Frieda (Friederike Maria) Kahn (Völker) Riela Kahn Michael Kahn<br />
( konvertiert 9.4.1901) Kaufmann<br />
* 21.7.1872 Bergr. * 10.10.1873 Bergr. * 17.3.1875 Bergr.<br />
+ 11.3.1930 Bergr. + 27.2.1875 Bergr. + 2.2.1943 Theresienstadt<br />
∞ Andreas Benno Völker*<br />
∞ Meta Kahn geb. Kahn<br />
Steinhauer (kath.)<br />
Handelsmanntochter<br />
* 14.6.1870 Bergr. * 14.6.1891 Lohr<br />
+ 10.12.1907 Bergr. + 5.2.1941 Hadamar<br />
┌───────┴───────────────────────────────────────┐<br />
David (Joseph) Völker Erna (Barbara) Völker Rupert Alfred Völker<br />
* 9.4.1894 Philadelphia * 19.6.1897 Lohr * 9.7.1906 Bergr.<br />
vermisst im 1. Weltkrieg + 25.6.1966 Würzburg<br />
* Vater: Johann Michael Völker (1835-1915), Bergr.<br />
Mutter: Maria Anna geb. Harth (1841-1896), Bergr.<br />
Bergr. = Berg<strong>rothenfels</strong><br />
Roth. = Rothenfels<br />
Korrekturen und Ergänzungen vorbehalten
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 71<br />
Anhang 10<br />
Personenstandsregister 1829-1875<br />
────────────────────────────────────────────────────────────────<br />
Von 1820 bis 1875 mussten im bayerischen Untermainkreis die christlichen Ortspfarrer Personenstandsregister<br />
auch für die jüdischen Gemeinden führen. Die Rothenfelser „Judenmatrikel“ ist in einer schadhaften, schwer lesbaren<br />
Kopie erhalten (StaWü Jüdische Standesregister 114; vgl. oben S. 57). Das schmale Heft enthält vier Trauungen,<br />
zwölf Geburten und 20 Sterbefälle aus den Jahren 1829 bis 1876 mit Angaben zu den Familien.<br />
Die dort chronologisch aufgelisteten Daten werden im Folgenden in alphabetischer Sortierung nach Namen zusammengezogen.<br />
Weggelassen sind hier weitere Angaben des Originals – bei Geburten: Name der Hebamme<br />
oder des Geburtshelfers, bei Knaben auch Tag der Beschneidung und Name des Beschneiders; bei Trauungen:<br />
Ort der Trauung, Name des Rabbiners oder Lehrers; bei Sterbefällen: Stunde und Ursache des Todes, Name des<br />
Arztes, Tag und Ort der Beisetzung (in der Regel am nächsten oder übernächsten Tag in Laudenbach), Name des<br />
Rabbiners oder Lehrers; bei allen: Angabe der Religion (Jude bzw. Jüdin bzw. Israelit).<br />
Errechnete oder aus anderen Quellen hinzugefügte Daten sind in eckige Klammern gesetzt (vgl. Anm. 333). Bei<br />
den Kindern ist als Geburts- und Sterbeort stets Berg<strong>rothenfels</strong> einzusetzen. Weitere Namen und Familienzusammenhänge<br />
erschließen sich über die Tabellen und Stammtafeln im Anhang.<br />
Abkürzungen:<br />
V = Vater<br />
M = Mutter<br />
∞ = verheiratet<br />
K = Kind<br />
Bergr. = Berg<strong>rothenfels</strong><br />
Roth. = Rothenfels<br />
Freudenberger, Nathan * [1784] + 6.7.1868 Bergr. 84 Jahre<br />
Handelsmann<br />
Berg<strong>rothenfels</strong> Nr. 56<br />
V: Freudenberger [vorher Männlein], Moises<br />
M: Freudenberger, Giedel<br />
∞ Schlesinger, Regina * [1791] + 13.3.1868 Bergr. 77<br />
Hamburger, Anschel * [1755] + 1.1.1833 Bergr. 78<br />
Berg<strong>rothenfels</strong><br />
verheiratet<br />
Hamburger, Benjamin * [1792] + 4.5.1832 Bergr. 40<br />
Berg<strong>rothenfels</strong> Nr. 23<br />
verheiratet<br />
Hamburger, Giedel + 9.12.(?)1849 Bergr. 64<br />
Berg<strong>rothenfels</strong><br />
Witwe [∞ Hamburger, Löw]<br />
Hamburger, Madel + 20.9.1853 Bergr. 31<br />
Berg<strong>rothenfels</strong> Nr. 23<br />
ledig<br />
Hamburger, Reichel + 14.(?)1.1838 Bergr. 73<br />
Berg<strong>rothenfels</strong><br />
Witwe<br />
>>
72 Winfried Mogge<br />
Heil, Abraham * 1802 Bergr. + 25.4.1875 Bergr. 73<br />
Bauer / Handelsmann<br />
Berg<strong>rothenfels</strong> Nr. 42<br />
V: Heil, Nathan<br />
M: Riela (Riele)<br />
∞ Lindheim, Hanna (20.10.1847) * 22.4.1820 Marktsteft<br />
V: Lindheim, Elias<br />
M: Lindheim, Lina<br />
K: Riele * 28.8.1848<br />
K: Elia * 16.8.1850 + 19.8.1850<br />
K: Nathan * 16.8.1850 + 19.8.1850<br />
K: Reiz (Rosa) * 13.5.1852<br />
K: Vögele (Fanny) * 13.5.1852<br />
K: Golda * 5.1.1857 + 27.11.1858<br />
Heil, David * [26.3.]1800 Bergr. + [6.6.1877] Bergr. [77]<br />
Bauer<br />
Berg<strong>rothenfels</strong> Nr. 40<br />
V: Heil, Nathan<br />
M: Riela (Riele)<br />
∞ Stern, Rosetta (Rosel) (17.8.1831) * 1807 Miltenberg + [27.4.1889] [92]<br />
V: Stern, Simon Levi<br />
M: Stern, Reitz<br />
K: Nathan * 6.10.1832 + 1.3.1834<br />
K: Riele * 31.5.1836<br />
K: Reitz (Rosa) * 6.9.1839 + [11.11.1895] [56]<br />
Heil, Joseph * 1795 Roth. + 3.7.1874 Roth. 79<br />
Handelsmann<br />
Rothenfels Nr. 15<br />
V: Heil, Nathan<br />
M: Riela (Riele)<br />
∞ Stiefel, Jethe (5.5.1836)<br />
* 1810 Hochhausen<br />
V: Stiefel, Marx<br />
M: Stiefel, Elster<br />
Heil, Nathan [vorher Isack, Nathan] * [1753] + 5.8.1830 Roth. 77<br />
Handelsmann<br />
Berg<strong>rothenfels</strong> Nr. 14 / Rothenfels Nr. 15<br />
∞ Riela (Riele)<br />
Herrmann, Benjamin * [1799] + 28.2.1868 Bergr. 69<br />
Handelsmann<br />
Berg<strong>rothenfels</strong> Nr. 59<br />
ledig<br />
Herrmann, Dolz * [1776] + 5.12.1834 Bergr. 58<br />
Berg<strong>rothenfels</strong><br />
ledig<br />
Herrmann, Ester * [1799] + 24.6.1829 Bergr. 30<br />
Berg<strong>rothenfels</strong><br />
ledig<br />
Herrmann, Isack [vorher Nathan, Isack] * [1791] + 21.11.1830 Bergr. 39<br />
Berg<strong>rothenfels</strong><br />
V: Herrmann [vorher Hirsch], Nathan<br />
ledig >>
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 73<br />
Kahn, Nathan * 30.5.1832 Steinbach + [28.12.1913 Würzburg] [81]<br />
Handelsmann<br />
Steinbach / Berg<strong>rothenfels</strong> Nr. 40<br />
V: Kahn, Michael<br />
M: Heil, Vogel<br />
∞ Heil, Rosa (Reiz) (6.2.1871) * 6.9.1839 Bergr. + [11.11.1895 Bergr.] [56]<br />
V: Heil, David<br />
M: Stern, Rosetta (Rosel)<br />
K: Frieda * 21.7.1872 + [11.3.1930] [58]<br />
K: Riela * 10.10.1873 + 27.2.1875<br />
K: Michael * 17.3.1875 + [2.2.1943 Theresienstadt][68]<br />
Weinstock, Minna [geb. Herrmann] * [1876] + 28.4.1864 Bergr. 78<br />
Berg<strong>rothenfels</strong> Nr. 59 (vorher Hochhausen)<br />
Witwe [∞ Weinstock, Löb]
74 Winfried Mogge<br />
Anhang 11<br />
Jüdische Wohnstätten in Rothenfels und Berg<strong>rothenfels</strong><br />
Ortsteil<br />
Daten, soweit<br />
feststellbar<br />
Familie(n)<br />
alte<br />
Hausnr.<br />
heutige<br />
Adresse<br />
Rothenfels 13. bis 15. Jh. ? ?<br />
Anmerkungen<br />
Mitte 17. bis<br />
Mitte 18. Jh.<br />
? ?<br />
1677/78 Moyses ? ? Jude am Maintor<br />
Voitisches Haus<br />
1744-1749 Moyses Berl<br />
Nathan Hirsch<br />
1753-1795 Moyses Lazarus<br />
Mayer Moyses<br />
1813-1876 Isack / Heil 15 Mainstr. 10<br />
66 Hauptstr. 67 Ochsenwirtshaus<br />
4 Hauptstr. 14 ersetzt durch Neubau<br />
…. -1887<br />
Berg<strong>rothenfels</strong> Anfang 18. bis<br />
Mitte 18. Jh.<br />
Heil<br />
Grünewald<br />
1736- .... Männlein /<br />
Freudenberger<br />
1763- .... Hirsch /<br />
Herrmann<br />
95 Hauptstr. 25<br />
? ?<br />
56 Berg<strong>rothenfels</strong>er Str. 30 Berger Stuben<br />
59 Berg<strong>rothenfels</strong>er Str. 32 ersetzt durch Neubau<br />
…. -1831 Isack / Heil 14 Berg<strong>rothenfels</strong>er Str. 45<br />
1826-1896 Heil<br />
Kahn<br />
40 Zum Alten Herrgott 14 “<br />
1845- .... Heil 42 Zum Alten Herrgott 18 “<br />
1825-1887 Hamburger 23 Berg<strong>rothenfels</strong>er Str. 21 “<br />
Korrekturen und Ergänzungen vorbehalten
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 75<br />
Literatur und Quellen<br />
1. Literatur<br />
Arnold, Klaus: Abweichung im Glauben – Judenverfolgung<br />
– Volksbewegung. In: Unterfränkische Geschichte,<br />
hg. <strong>von</strong> Peter Kolb und Ernst-Günter<br />
Krenig. Bd. 2: Vom hohen Mittelalter bis zum Beginn<br />
des konfessionellen Zeitalters, S. 337-356.<br />
Würzburg 1992.<br />
Battenberg, Friedrich: Das Europäische Zeitalter der<br />
Juden. Zur Entwicklung einer Minderheit in der<br />
nichtjüdischen Umwelt Europas. In zwei Teilbänden.<br />
Teilband I: Von den Anfängen bis 1650, Teilband<br />
II: Von 1650 bis 1945. Darmstadt 1990.<br />
Battenberg, J. Friedrich: Aus der Stadt auf das Land?<br />
Zur Vertreibung und Neuansiedlung der Juden im<br />
Heiligen Römischen Reich. In: Jüdisches Leben<br />
auf dem Lande, hg. <strong>von</strong> Monika Richarz und Reinhard<br />
Rürup (Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlungen<br />
des Leo Baeck Instituts 56), S. 9-35.<br />
Tübingen 1997.<br />
Battenberg, J. Friedrich: Die Juden in Deutschland<br />
vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts (Enzyklopädie<br />
deutscher Geschichte Bd. 60). München<br />
2001.<br />
Baum, Hans-Peter: Jüdische Geschichte. In: Geschichte<br />
der Stadt Würzburg, hg. <strong>von</strong> Ulrich Wagner.<br />
Bd. II: Vom Bauernkrieg 1525 bis zum<br />
Übergang an das Königreich Bayern 1814, S. 762-<br />
772. Stuttgart 2004.<br />
Baum, Hans-Peter / Leng, Rainer / Meier, Robert: Kehillot<br />
Keddoschot (Heilige Gemeinden). Die Geschichte<br />
der unterfränkischen Juden im Spiegel der<br />
neuen Ausstellung des Jüdischen Dokumentationszentrums<br />
(Stadtarchiv Würzburg, Kleine Reihe<br />
30). Würzburg 2007.<br />
Brämer, Andreas: Der lange Weg <strong>von</strong> der Duldung zur<br />
Emanzipation. In: Die Geschichte der Juden in<br />
Deutschland, hg. <strong>von</strong> Arno Herzig und Cay Rademacher,<br />
S.80-97. Hamburg 2007.<br />
Braunfels, Ludwig: Die Mainufer und ihre nächsten<br />
Umgebungen. Mit 54 Stahlstichen, nach Originalzeichnungen<br />
<strong>von</strong> Fritz Bamberger. Würzburg<br />
1847.<br />
Brenner, Michael / Eisenstein, Daniela F. (Hg.): Die<br />
Juden in Franken (Studien zur Jüdischen Geschichte<br />
und Kultur in Bayern Bd. 5). München 2012.<br />
Bundesarchiv (Hg.): Gedenkbuch Opfer der Verfolgung<br />
der Juden unter der nationalsozialistischen<br />
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945. Online.<br />
Christ, Günter: Lohr am Main. Der ehemalige Landkreis<br />
(Historischer Atlas <strong>von</strong> Bayern, Teil Franken,<br />
Reihe I H. 34). München 2007.<br />
Feulner, Adolf (Bearb.): Die Kunstdenkmäler <strong>von</strong> Unterfranken<br />
& Aschaffenburg. H. IX: Bezirksamt<br />
Lohr (Die Kunstdenkmäler des Königreichs Bayern<br />
Bd. 3: Regierungsbezirk Unterfranken &<br />
Aschaffenburg, H. IX). München 1914.<br />
Flade, Roland: Die Würzburger Juden. Ihre Geschichte<br />
vom Mittelalter bis zur Neuzeit. Mit einem Beitrag<br />
<strong>von</strong> Ursula Gehring-Münzel. 2., erw. Aufl.<br />
Würzburg 1996.<br />
Gehring-Münzel, Ursula: Emanzipation. In: Roland<br />
Flade, Die Würzburger Juden. Ihre Geschichte<br />
vom Mittelalter bis zur Neuzeit. 2., erw. Aufl.<br />
Würzburg 1996, S. 61-142.<br />
Gehring-Münzel, Ursula: Die Würzburger Juden <strong>von</strong><br />
1803 bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. In: Geschichte<br />
der Stadt Würzburg, hg. <strong>von</strong> Ulrich Wagner.<br />
Bd. III/1: Vom Übergang an Bayern bis zum<br />
21. Jahrhundert, S. 499-528. Stuttgart 2007.<br />
Germania Judaica. Bd. I: Von den ältesten Zeiten bis<br />
1238, hg. <strong>von</strong> I. Elbogen, A. Freimann und H. Tykocinski.<br />
Tübingen 1963; Bd. II: Von 1238 bis zur<br />
Mitte des 14. Jahrhunderts, 1. und 2. Halbband, hg.<br />
<strong>von</strong> Zvi Avneri. Tübingen 1968; Bd. III: 1350-<br />
1519, 1. Teilband, hg. <strong>von</strong> Arye Maimon. Tübingen<br />
1987; 2. Teilband, hg. <strong>von</strong> Arye Maimon,<br />
Mordechai Breuer und Yacov Guggenheim. Tübingen<br />
1995; 3. Teilband (Gebietsartikel, Einleitungsartikel<br />
und Indices). Tübingen 2003.<br />
Guggenheimer, Eva H. und Heinrich W.: Etymologisches<br />
Lexikon der jüdischen Familiennamen. München<br />
u. a. 1996.<br />
Harris, James F.: The People Speak! Anti-Semitism<br />
and Emancipation in Nineteenth-Century Bavaria<br />
(Social History, Popular Culture, and Politics in<br />
Germany). Ann Arbor (USA) 1994.<br />
Haverkamp, Alfred (Hg.): Geschichte der Juden im<br />
Mittelalter <strong>von</strong> der Nordsee bis zu den Südalpen.<br />
Kommentiertes Kartenwerk. Teil 1: Kommentarband,<br />
Teil 2: Ortskatalog, Teil 3:Karten (Forschungen<br />
zur Geschichte der Juden, Abt. A:<br />
Abhandlungen, Bde. 14/1, 14/2, 14/3). Hannover<br />
2002.<br />
Heintze, Albert / Cascorbi, Paul: Die deutschen Familiennamen<br />
geschichtlich, geographisch, sprachlich,<br />
hg. <strong>von</strong> P. Cascorbi. 7., verb. Aufl. Halle / Berlin<br />
1933.<br />
Herzig, Arno / Rademacher, Cay (Hg.): Die Geschichte<br />
der Juden in Deutschland. Hamburg 2007.<br />
Huber, Ernst Rudolf: Deutsche Verfassungsgeschichte<br />
seit 1789. Bd. I: Reform und Restauration 1789 bis<br />
1830. (Nachdruck der 2. Aufl.) Stuttgart 1960.<br />
Hundsnurscher, Franz / Taddey, Gerhard: Die jüdischen<br />
Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte,<br />
Schicksale. Stuttgart 1968.<br />
Jüdisches Lexikon. Ein enzyklopädisches Handbuch<br />
jüdischen Wissens in vier Bänden, begr. <strong>von</strong> Georg<br />
Herlitz und Bruno Kirschner. Berlin 1927-1930.<br />
König, Imke: Judenverordnungen im Hochstift Würzburg<br />
(15. - 18. Jh.) (Studien zu Policey und Policeywissenschaft).<br />
Frankfurt am Main 1999.
76 Winfried Mogge<br />
Kolb, Peter: Berg<strong>rothenfels</strong> 1822-1972. Rothenfels<br />
(1997).<br />
Kolb, Peter: Die Juliusspital-Stiftung zu Rothenfels.<br />
Würzburg 1985.<br />
Kolb, Peter: Rothenfelser Chronik. Die Geschichte<br />
der kleinsten Stadt Bayerns. Würzburg 1992.<br />
Kolb, Peter / Krenig, Ernst-Günter (Hg.): Unterfränkische<br />
Geschichte. Bd. 2: Vom hohen Mittelalter bis<br />
zum Beginn des konfessionellen Zeitalters. Würzburg<br />
1992; Bd. 4/2: Vom Ende des Dreißigjährigen<br />
Krieges bis zur Eingliederung in das Königreich<br />
Bayern. Würzburg 1999; Bd. 5/2: Von der Eingliederung<br />
in das Königreich Bayern bis zum beginnenden<br />
21. Jahrhundert. Würzburg 2002.<br />
Lowenstein, Steven M.: Alltag und Tradition. Eine<br />
fränkisch-jüdische Geographie. In: Die Juden in<br />
Franken, hg. <strong>von</strong> Michael Brenner und Daniela F.<br />
Eisenstein (Studien zur Jüdischen Geschichte und<br />
Kultur in Bayern Bd. 5), S. 5-24. München 2012.<br />
Mayer, Lothar: Jüdische Friedhöfe in Unterfranken.<br />
Petersberg 2010.<br />
Mehler, Richard: Die Matrikelbestimmungen des<br />
bayerischen Judenediktes <strong>von</strong> 1813. Historischer<br />
Kontext – Inhalt – Praxis (Franconia Judaica Bd.<br />
6). Würzburg 2011.<br />
Mitten unter uns. Land<strong>juden</strong> in Unterfranken vom<br />
Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Begleitheft zur<br />
Wanderausstellung. Kooperationsprojekt „Land<strong>juden</strong>tum<br />
in Unterfranken“ und Johanna-Stahl-Zentrum.<br />
Würzburg 2013.<br />
Mogge, Winfried: Burg Rothenfels im Hochmittelalter.<br />
In: Spessart – Monatszeitschrift für die Kulturlandschaft<br />
Spessart, Oktober 2012, S. 3-14.<br />
Mogge, Winfried: Die Anfänge <strong>von</strong> Rothenfels. Legenden<br />
und Tatsachen. In: Spessart – Monatszeitschrift<br />
für die Kulturlandschaft Spessart, Juni<br />
2013, S. 17-24.<br />
Mogge, Winfried: Die Stadt Rothenfels im Mittelalter.<br />
Beobachtungen zur Siedlungs- und Bevölkerungsstruktur.<br />
In: Spessart – Monatszeitschrift für die<br />
Kulturlandschaft Spessart, Juli 2013, S. 11-17.<br />
Mogge, Winfried: „Dies uralt Haus auf Felsengrund<br />
...“. Rothenfels am Main: Geschichte und<br />
Gestalt einer unterfränkischen Burg. Würzburg<br />
2012.<br />
Nied, Edmund: Fränkische Familiennamen, urkundlich<br />
gesammelt und sprachlich gedeutet. Heidelberg<br />
1933.<br />
Müller, Karlheinz: Die jüdische Gemeinde. In: Geschichte<br />
der Stadt Würzburg, hg. <strong>von</strong> Ulrich Wagner.<br />
Bd. I: Von den Anfängen bis zum Ausbruch<br />
des Bauernkriegs, S. 515-542. Stuttgart 2001.<br />
Müller, Karlheinz: Die Würzburger Judengemeinde im<br />
Mittelalter. Von den Anfängen um 1100 bis zum<br />
Tod Julius Echters (1617) (Mainfränkische Studien<br />
Bd. 70). Würzburg 2004.<br />
Müller, Karlheinz / Schwarzfuchs, Simon / Reiner,<br />
Abraham (Rami) (Hg.) unter Mitarbeit <strong>von</strong> Edna<br />
Engel: Die Grabsteine vom jüdischen Friedhof in<br />
Würzburg aus der Zeit vor dem Schwarzen Tod<br />
(1147-1346). Bd. 1: Einleitungen. Würzburg 2011.<br />
Bd. 2: Die Inschriften, Teil 1. Würzburg 2011 (Veröffentlichungen<br />
der Gesellschaft für fränkische<br />
Geschichte, Reihe IX: Darstellungen aus der fränkischen<br />
Geschichte, Bd. 58).<br />
Ophir, Baruch Zvi: Pinkas Hakehillot. Encyclopaedia<br />
of Jewish Communities from their Foundation till<br />
after the Holocaust. Germany – Bavaria. Jerusalem<br />
1972.<br />
Petzet, Michael / Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege<br />
(Hg.): Denkmäler in Bayern. Bd. VI:<br />
Unterfranken. Ensembles – Baudenkmäler – Archäologische<br />
Geländedenkmäler, bearb. <strong>von</strong> Denis<br />
André Chevalley. München 1985.<br />
Pfister, Christian: Wetternachhersage. 500 Jahre Klimavariationen<br />
und Naturkatastrophen (1496-<br />
1995). Bern / Stuttgart / Wien 1999.<br />
Polster, Gabriele: Quellen zur jüdischen Familienforschung<br />
im Pfarrbücherbestand des Diözesanarchivs<br />
Würzburg. In: Würzburger Diözesangeschichtsblätter<br />
Bd. 65/2003, S. 167-202.<br />
Pomerance, Aubrey: Die Memorbücher der jüdischen<br />
Gemeinden in Franken. In: Die Juden in Franken,<br />
hg. <strong>von</strong> Michael Brenner und Daniela F. Eisenstein<br />
(Studien zur Jüdischen Geschichte und Kultur in<br />
Bayern Bd. 5), S. 95-113. München 2012.<br />
Richarz, Monika / Rürup, Reinhard (Hg.): Jüdisches<br />
Leben auf dem Lande (Schriftenreihe wissenschaftlicher<br />
Abhandlungen des Leo Baeck Instituts<br />
56). Tübingen 1997.<br />
Ries, Rotraud: Verfolgung, Vertreibung und vorsichtiger<br />
Neuanfang (1350-1650). In: Die Geschichte<br />
der Juden in Deutschland, hg. <strong>von</strong> Arno Herzig<br />
und Cay Rademacher, S. 50-65. Hamburg 2007.<br />
Rödel, Dieter: Das erste Salbuch des Hochstifts Würzburg.<br />
Agrargeschichtliche Analyse einer spätmittelalterlichen<br />
Quelle (Studien zur bayerischen<br />
Verfassungs- und Sozialgeschichte Bd. XIII).<br />
München 1987.<br />
Rösch, Barbara: Der Judenweg. Jüdische Geschichte<br />
und Kulturgeschichte aus Sicht der Flurnamenforschung<br />
(Jüdische Religion, Geschichte und Kultur<br />
Bd. 8). Göttingen 2009.<br />
Rosenstock, Dirk (Bearb.): Literatur zur jüdischen Geschichte<br />
Unterfrankens (Stadtarchiv Würzburg,<br />
Hinweise – Informationen Nr. 27). Würzburg<br />
2003.<br />
Ruf, Theodor: Die Grafen <strong>von</strong> Rieneck. Genealogie<br />
und Territorienbildung. Teil I: Genealogie 1085 bis<br />
1559 und Epochen der Territorienbildung (Mainfränkische<br />
Studien Bd. 32/I, zugleich Schriften des<br />
Geschichts- und Museumsvereins Lohr am Main<br />
Folge 18/I). Würzburg 1984.<br />
Ruf, Theodor: Quellen und Erläuterungen zur Geschichte<br />
der Stadt Lohr am Main bis zum Jahr<br />
1559. Lohr a. M. 2011.
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 77<br />
Scherg, Leonhard: Die Epoche des Land<strong>juden</strong>tums.<br />
In: Unterfränkische Geschichte, hg. <strong>von</strong> Peter Kolb<br />
und Ernst-Günter Krenig. Bd. 4/2: Vom Ende des<br />
Dreißigjährigen Krieges bis zur Eingliederung in<br />
das Königreich Bayern, S. 227-243. Würzburg<br />
1999.<br />
Scherg, Leonhard: Die Jüdischen Gemeinden. In: Unterfränkische<br />
Geschichte, hg. <strong>von</strong> Peter Kolb und<br />
Ernst-Günter Krenig. Bd. 5/2: Von der Eingliederung<br />
in das Königreich Bayern bis zum beginnenden<br />
21. Jahrhundert, S. 149-188. Würzburg 2002.<br />
Scherg, Leonhard: Jüdisches Leben im Main-Spessart-<br />
Kreis. Orte, Schauplätze, Spuren (Orte jüdischer<br />
Kultur). Haigerloch 2000.<br />
Scherg, Leonhard / Harth, Martin: Juden im Landkreis<br />
Marktheidenfeld (Historischer Verein Marktheidenfeld<br />
und Umgebung e. V. Nr. 13/1993).<br />
Marktheidenfeld 1993.<br />
Schubert, Ernst: Arme Leute, Bettler und Gauner im<br />
Franken des 18. Jahrhunderts (Veröffentlichungen<br />
der Gesellschaft für Fränkische Geschichte Reihe<br />
IX Bd. 26). Neustadt a. d. Aisch 1983.<br />
Schwierz, Israel: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens<br />
in Bayern. Eine Dokumentation. 2. Aufl.<br />
München 1992.<br />
Spindler, Max (Hg.): Handbuch der bayerischen Geschichte.<br />
Bd. IV/1: Das neue Bayern 1800-1970.<br />
München 1979.<br />
Wagner, Ulrich (Hg.): Geschichte der Stadt Würzburg.<br />
Bd. I: Von den Anfängen bis zum Ausbruch des<br />
Bauernkriegs. Stuttgart 2001; Bd. II: Vom Bauernkrieg<br />
1525 bis zum Übergang an das Königreich<br />
Bayern 1814. Stuttgart 2004; Bd. III/1: Vom Übergang<br />
an Bayern bis zum 21. Jahrhundert. Stuttgart<br />
2007.<br />
Weinhold, Beate: Viehkontraktenbücher als Quelle zur<br />
Alltagskultur im Spessart des 19. Jahrhunderts. Ein<br />
Forschungsbericht. In: Frankenland – Zeitschrift<br />
für Fränkische Landeskunde und Kulturpflege H.<br />
4/2007, S. 231-244.<br />
Wendehorst, Alfred (Bearb.): Das Bistum Würzburg.<br />
Teil 3: Die Bischofsreihe <strong>von</strong> 1455 bis 1617 (Germania<br />
Sacra Neue Folge 13: Die Bistümer der Kirchenprovinz<br />
Mainz). Berlin / New York 1978.<br />
[Wendehorst, Alfred]: Die Juden. In: Würzburg. Geschichte<br />
in Bilddokumenten, hg. <strong>von</strong> Alfred Wendehorst,<br />
S. 50-54. München 1981.<br />
Wendehorst, Alfred (Hg.): Würzburg. Geschichte in<br />
Bilddokumenten. München 1981.<br />
Wiesemann, Falk: Judaica bavarica. Neue Bibliographie<br />
zur Geschichte der Juden in Bayern. Essen<br />
2007.<br />
Zeugnisse jüdischer Geschichte in Unterfranken. Mit<br />
Beiträgen <strong>von</strong> Hans-Peter Baum, Karlheinz Müller,<br />
Hermann Süß und Ludwig Wamser (Schriften<br />
des Stadtarchivs Würzburg H. 2). Würzburg 1987.<br />
2. Gedruckte Quellen<br />
Andernacht, Dietrich: Regesten zur Geschichte der Juden<br />
in der Reichsstadt Frankfurt am Main <strong>von</strong><br />
1401-1519 (Forschungen zur Geschichte der Juden,<br />
Abt. B: Quellen, Bd. 1). Teil 2: Die Regesten<br />
der Jahre 1456-1496. Hannover 1996.<br />
Bayerische Akademie der Wissenschaften (Hg.): Monumenta<br />
Boica. Bd. 40 (Monumentorum Boicorum<br />
Collectio Nova Bd. XIII). München 1870; Bd. 45<br />
(Monumentorum Boicorum Collectio Nova Bd.<br />
XVIII). München 1899.<br />
Baum, Hans-Peter: Quellen zu Judenverfolgungen<br />
<strong>von</strong> 1147 bis 1938. In: Zeugnisse jüdischer Geschichte<br />
in Unterfranken (Schriften des Stadtarchivs<br />
Würzburg H. 2), S. 19-58. Würzburg 1987.<br />
Döllinger, G[eorg]: Sammlung der im Gebiete der innern<br />
Staats-Verwaltung des Königreichs Bayern<br />
bestehenden Verordnungen, aus amtlichen Quellen<br />
geschöpft und systematisch geordnet […]. Bd. 6:<br />
Verhältnisse der israelitischen Glaubensgenossen<br />
[…]. München 1838.<br />
Engel, Wilhelm (Bearb.): Urkundenregesten zur Geschichte<br />
der Stadt Würzburg (1201-1401) (Regesta<br />
Herbipolensia I Quellen und Forschungen zur Geschichte<br />
des Bistums und Hochstifts Würzburg Bd.<br />
V). Würzburg 1952.<br />
Hoffmann, Hermann (Bearb.): Das älteste Lehenbuch<br />
des Hochstifts Würzburg 1303-1345. Erster Teilband<br />
(Quellen und Forschungen zur Geschichte<br />
des Bistums und Hochstifts Würzburg Bd. XXV).<br />
Würzburg 1972.<br />
K[önigliches] Bayer[isches] Statistisches Bureau<br />
(Hg.): Ortschaften-Verzeichnis des Königreichs<br />
Bayern mit alphabetischem Ortsregister (Beiträge<br />
zur Statistik des Königreichs Bayern H. LXV).<br />
München 1904.<br />
K[önigliches] statistisches Bureau (Hg.): Ergebnisse<br />
der Volkszählung im Königreiche Bayern vom 1.<br />
December 1871 nach einzelnen Gemeinden (Gemeinde-Verzeichniss)<br />
(Beiträge zur Statistik des<br />
Königreichs Bayern H. XXVIII). München 1873.<br />
Königl[iches] Statistisches Bureau in München (Bearb.):<br />
Vollständiges Ortschaften-Verzeichnis des<br />
Königreichs Bayern […] enthaltend die Bevölkerung<br />
nach dem Ergebnisse der Volkszählung vom<br />
1. December 1875. München 1877.<br />
K[önigliches] Statistisches Bureau (Hg.): Gemeinde-<br />
Verzeichnis für das Königreich Bayern, nach den<br />
endgültigen Ergebnissen der Volkszählung vom 1.<br />
Dezember 1905 (Beiträge zur Statistik des Königreichs<br />
Bayern H. LXVIII). München 1906.<br />
Kreutz, Bernhard: Quellen zur Geschichte der Juden<br />
im Bistum Würzburg (1273-1347). In: Corpus der<br />
Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen<br />
Reich, hg. <strong>von</strong> Alfred Haverkamp und<br />
Jörg R. Müller. Trier / Mainz 2015. Online.<br />
Lang, C[arl] H[einrich] v[on] (Bearb.): Regesta sive
78 Winfried Mogge<br />
Rerum Boicarum Autographa ad annum usque<br />
MCCC e Regni Scriniis fideliter in Summas contracta.<br />
Bd. II. München 1823.<br />
Lang, Carl Heinrich <strong>von</strong> / Freyberg, Maximilian Frhr.<br />
<strong>von</strong> (Bearb.): Regesta sive Rerum Boicarum Autographa<br />
e Regni Scriniis fideliter in Summas contracta.<br />
Bd. V. München 1836.<br />
Rosenstock, Dirk (Bearb.): Die unterfränkischen Judenmatrikeln<br />
<strong>von</strong> 1817. Eine namenkundliche und<br />
sozialgeschichtliche Quelle (Veröffentlichungen<br />
des Stadtarchivs Würzburg Bd. 13). Würzburg<br />
2008.<br />
Rottmayer, Anton (Bearb.): Statistisch-topographisches<br />
Handbuch für den Unter-Mainkreis des Königreichs<br />
Bayern. Würzburg 1830.<br />
Salfeld, Siegmund (Hg.): Das Martyrologium des<br />
Nürnberger Memorbuches. Berlin 1898.<br />
Schäfer, Bernhard: Das Würzburger Landgericht in<br />
der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts und seine ältesten<br />
Protokolle. Edition und Auswertung. Teil II:<br />
Edition. Würzburg 2002. Online.<br />
Weber, Karl (Zusammenst.): Neue Gesetz- und Verordnungen-Sammlung<br />
für das Königreich Bayern<br />
mit Einschluß der Reichsgesetzgebung. Enthaltend<br />
die auf dem Gebiete der Verfassung und Verwaltung<br />
geltenden oder die Interessen des Staatsbürgers<br />
betreffenden Gesetze, Verordnungen und<br />
sonstigen Bestimmungen. Bd. 1. Nördlingen 1880.<br />
3. Online-Dokumentationen<br />
www. alemannia-judaica.de<br />
www.bundesdarchiv.de/gedenkbuch<br />
www.johanna-stahl-zentrum-de/forschung/<br />
literaturlisten<br />
www.land<strong>juden</strong>tum-unterfranken.de<br />
db.yadvashem.org/names<br />
4. Archivalische Quellen<br />
Diözesanarchiv Würzburg (DAW)<br />
Amtsbücher aus Pfarreien 4281, 4294<br />
(Matrikeldatenbank)<br />
Hauptstaatsarchiv Stuttgart<br />
J 386 Bü 340 (Gräberverzeichnis Laudenbach<br />
1850-1886). Online.<br />
Katholische Pfarrgemeinde Rothenfels, Pfarrarchiv<br />
(PfarrAR)<br />
Familienbuch für Berg<strong>rothenfels</strong> (Rothenfels C 4)<br />
Familienbuch für Rothenfels (Rothenfels B 4)<br />
Pfarrchronik (Chronik I)<br />
Pfarrbuch (Chronik II)<br />
Pfarrmatrikelkartei (Kartei Hepp)<br />
Rothenfelser Gotteshausrechnungen 1563-1749<br />
Landesamt für Digitalisierung, Breitband und<br />
Vermessung, München<br />
Uraufnahmen <strong>von</strong> 1843 NW.085.61c, NW.085.62b,<br />
NW.085.62d<br />
Staatsarchiv Wertheim (StAWt)<br />
Freudenbergsches Archiv (StAWt-F)<br />
Rep. 229 Nr. 31<br />
Gemeinsames Archiv (StAWt-G)<br />
Rep. 54 Nr. 101<br />
Rep. 102 Nr. 2433<br />
Rep. 229 Nr. 31<br />
Rosenbergsches Archiv (StAWt-R)<br />
J 2 Nr. 8<br />
Lit. B Nr. 2913, 2914<br />
Rep. 5g Nr. 2<br />
Rep. 12i Nr. 35<br />
Rep. 26h Nr. 21. 71<br />
Rep. 41e Nr. 1, 2, 3<br />
Rep. 54 Nr. 101<br />
Rep. 65g Nr. 47<br />
Rep. 79h Nr. 19<br />
Rep. 82l Nr. 473<br />
Rep. 99b Nr. 37, 49, 55, 56, 65, 70, 83, 84<br />
Rep. 100e Nr. 38, 47<br />
R 76 (Rothenfelser Amtsrechnungen) Jg. 1683/84 bis<br />
1697/98, 1743/44, 1816/17<br />
S 2 Nr. 474, 522<br />
Urkundenselekt US 1341 Juni 8, US 1677 Juli 14,<br />
US 1678 März 9<br />
Staatsarchiv Würzburg (StAWü)<br />
Administrationsakten 8318, 8322<br />
G 16.727<br />
Gebrechenamtsakten IV R 153, VI W 256, VI W 273,<br />
VI W 292<br />
Grundsteuerkataster Berg<strong>rothenfels</strong>: Grund- Saal- und<br />
Lagerbuch Bde. I-V<br />
Grundsteuerkataster Berg<strong>rothenfels</strong>: Renoviertes<br />
Grundsteuerkataster Bd. I<br />
Grundsteuerkataster Rothenfels: Grund- Saal- und<br />
Lagerbuch Bde. I-V, XIII<br />
Grundsteuerkataster Rothenfels: Renoviertes<br />
Grundsteuerkataster<br />
Judenschaft Nr. 1, 81<br />
Jüdische Standesregister 51 (Karbach), 114 (Rothenfels),<br />
130 (Steinbach)<br />
Landratsamt Lohr Nr. 1585<br />
Landratsamt Marktheidenfeld Nr. 2327
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 79<br />
Libri diversarum formarum Nr. 50<br />
Rechnung 39.022<br />
Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8498, 8511, 8540,<br />
8541, 8663<br />
Regierung <strong>von</strong> Unterfranken, Präsidialakten Nr. 325<br />
Salbuch Nr. 1, 136, 137, 138<br />
Standbuch Nr. 799, 929, 933, 935, 937, 942<br />
Statistische Sammlung Nr. 279, 280, 617, 618<br />
Würzburger Urkunden WU 6507, WU 7746,<br />
WU 8620<br />
Stadtarchiv Lohr<br />
150.2/K (Bürgerakt Nathan Kahn)<br />
Stadtarchiv Rothenfels (StadtAR)<br />
II 1/1 Stadtbuch B („Anno 1413“)<br />
II 1/3 Strafbuch 1777-1796<br />
II 1/4 Strafbuch 1843-1900<br />
II 2/1 Ratsprotokolle 1531-1553 (Stadtbuch D)<br />
II 2/2 Ratsprotokolle 1590-1594 (Stadtbuch F)<br />
II 2/3 Ratsprotokolle 1592-1616 (Stadtbuch E)<br />
II 2/4 Ratsprotokolle 1594-1595 (Stadtbuch G)<br />
II 2/5 Ratsprotokolle 1630-1641 (Stadtbuch K)<br />
II 2/6 Ratsprotokolle 1642-1725 (Stadtbuch L)<br />
II 2/7 Ratsprotokolle 1732-1751 (Stadtbuch N)<br />
II 2/8 Ratsprotokolle 1751-1755 (Stadtbuch O)<br />
II 2/10 Ratsprotokolle 1763-1770 (Stadtbuch Q)<br />
II 2/11 Ratsprotokolle 1770-1776 (Stadtbuch R)<br />
II 2/14 Ratsprotokolle 1799-1802 (Stadtbuch Z)<br />
II 2/15 Ratsprotokolle 1802-1818<br />
II 2/16 Ratsprotokolle 1818-1823<br />
II 2/17 Ratsprotokolle 1823-1828<br />
II 4/1 Bürger-Matric 1754<br />
II 7/1 Beth-Register 1531 (Stadtbuch U)<br />
II 7/2 Beth-Buch 1752-1803<br />
II 7/4 Schatzungs-Heb-Register 1810<br />
II 7/5 Schatzungs-Lagerbuch 1810-1853<br />
II 7/6 Besitzbuch 1817-1846<br />
II 7/7 Beet-Lagerbuch 1842-1859<br />
II 8/3 Verkündungsbuch für die Gemeinde<br />
Rothenfels 1850-1863<br />
II 9/1 Vieh-Protokollbuch 1814-1861<br />
II 9/2 Kontraktenbuch 1818-1833<br />
II 10/3 Gewerbe-Niederlassungs-Register<br />
1878-1900<br />
II 10/4 Gewerbe-Anmelde-Register 1878-1900<br />
III 7/1 Gotteshaus-Rechnung 1687/88<br />
III 11/1<br />
bis III 11/102 Bürgermeister- bzw.<br />
Gemeinderechnungen 1551 bis 1861/62<br />
III 12/1 Urkunden zur Bürgermeisterrechnung 1811<br />
IV 3/3<br />
IV 3/4<br />
IV 3/5<br />
Chronik der Stadtgemeinde Rothenfels<br />
(Chronik Fuß), Bd. I<br />
Chronik der Stadtgemeinde Rothenfels<br />
(Chronik Fuß), Bd. II<br />
Chronik der Stadtgemeinde Rothenfels<br />
(Chronik Fuß), Bd. III<br />
IV 3/6 Chronik der Stadtgemeinde Rothenfels<br />
(Chronik Fuß), Bd. IV<br />
IV 3/7 Chronik der Stadtgemeinde Rothenfels<br />
(Chronik Fuß), Bd. V (Reste)<br />
IV 8/5 Gewerbe-Anmelderegister 1868-1877<br />
IV 8/6 Register der Gewerbe-Niederlegungen<br />
1868-1878<br />
IV 9/7 Aufnahmegebühren für Bürger 1869-1896<br />
IV 9/9 bis IV 9/18 Heberegister für Grund-<br />
Haus-, Gewerbe-, Kapitalrenten- und<br />
Einkommensteuer 1876 bis 1883<br />
Archiv Berg<strong>rothenfels</strong><br />
21-1 Sitzungsprotokolle der Gemeindeverwaltung<br />
1817-1841<br />
21-2 Sitzungsprotokolle der Gemeindeverwaltung<br />
1836-1844<br />
21-3 Sitzungsprotokolle der Gemeindeverwaltung<br />
1844-1868<br />
21-5 Sitzungsprotokolle der Gemeindeverwaltung<br />
1880-1890<br />
21-6 Sitzungsprotokolle der Gemeindeverwaltung<br />
1891-1905<br />
23-11 Grundbuch der Bedegefälle 1825-1841<br />
24-5 Abschriften diverser Rundschreiben usw.<br />
1849-1856<br />
25-3 Protokolle diverser Viehkaufverträge<br />
1840-1874<br />
25-4 Protokolle diverser Kaufverträge 1845-1853<br />
311-1 bis 311-74 Jahresrechnungen 1812/18 bis<br />
1895<br />
312-1 bis 312-13 Urkunden zur Berg<strong>rothenfels</strong>er<br />
Gemeinderechnung 1819/20 bis 1833/34<br />
40-1 Grundbuch der Brandversicherung 1830<br />
40-16 Brandversicherung nach 1875<br />
41-2 Heimatrecht, Eheschließung 1844-1875<br />
41-3 Urwahllisten Teil 1, Mitte 19. Jh.<br />
41-4 Urwahllisten Teil 2, Mitte 19. Jh.<br />
41-11 Bürgerverzeichnisse 1869-1911<br />
41-45 Zwangsvollstreckung, Versteigerung<br />
1882-1931<br />
43-2 Ortsgeschichte <strong>von</strong> Berg<strong>rothenfels</strong><br />
(Chronik Göpfert)<br />
48-5 Gewerbeabmeldungen 1882-1931<br />
Verwaltungsgemeinschaft (VG) Marktheidenfeld<br />
Standesamt Berg<strong>rothenfels</strong>: Geburtsregister Bde. I und<br />
II, Heiratsregister Bd. I, Sterberegister Bde. I-III<br />
Standesamt Rothenfels: Geburtsregister [Bde. I und<br />
II], Heiratsregister [Bd. I], Sterberegister<br />
[Bde. I-II]<br />
Standesamt Karbach: Heiratsbuch Bd. I, Sterbebuch<br />
Bd. I
80 Winfried Mogge<br />
Abbildungsnachweis<br />
Ludwig Braunfels, Die Mainufer und ihre nächsten<br />
Umgebungen, Würzburg 1847: S. 6<br />
Wolfgang Denninger, Unterpleichfeld: S. 9<br />
Günter Giessler, Rothenfels: Umschlagbild, S. 43<br />
Hellmut Harth, Rothenfels: S. 44 mitte links<br />
Landesamt für Digitalisierung, Breitband und<br />
Vermessung (Bayerische Vermessungsverwaltung),<br />
München:<br />
S. 15 rechts (Ausschnitt aus NW.085.62b),<br />
S. 41 (Ausschnitt aus NW.085.61c),<br />
S. 47 (Ausschnitt aus NW.085.62d)<br />
Luftbilddokumentation Klaus Leidorf, Buch: S. 85<br />
Winfried Mogge, Berlin: S. 16, 18, 25, 33, 44 oben<br />
links und rechts, 44 mitte rechts, 44 unten links<br />
und rechts, 45 alles, 54 oben rechts, 56 links<br />
Pfarreiengemeinschaft St. Laurentius, Pfarrarchiv<br />
Rothenfels: S. 27<br />
Leonhard Scherg, Marktheidenfeld: S. 56 rechts<br />
Georg Schnabel, Karlstadt: S. 3, 54 oben links,<br />
54 unten links und rechts, 55<br />
Staatsarchiv Wertheim: S. 64, 65<br />
(StAWt-R R 76, Rothenfelser Amtsrechnung<br />
Jg. 1743/44)<br />
Staatsarchiv Würzburg: S. 11, 13<br />
(StAWü WU 6507, WU 7746)<br />
Stadtarchiv Lohr: S. 49, 60<br />
Stadtarchiv Rothenfels: S. 15 links, 23, 36, 46, 87<br />
Dank<br />
Für freundliche Hilfe vieler Art (sachkundige Hinweise,<br />
Hilfe bei den Recherchen, Übertragung hebräischer<br />
Namen, Beschaffung und Nachdruckerlaubnis <strong>von</strong><br />
Bildern) ist zu danken:<br />
Gerhard Bregenzer, Rothenfels<br />
Wolfgang Denninger, Unterpleichfeld<br />
Rebekka Denz M. A., Braunschweig<br />
Dr. Martina Edelmann, Veitshöchheim<br />
Elisabeth Ehring, Rothenfels<br />
Barbara Endres, Marktheidenfeld<br />
Ingrid Engelke, Rothenfels<br />
Michal Friedlander, Berlin<br />
Günter Giessler, Rothenfels<br />
Hellmuth Harth, Rothenfels<br />
Josef Harth, Lohr<br />
Dr. Ingrid Heeg-Engelhart, Würzburg<br />
Martina Heine, Wertheim<br />
Dr. Peter Kolb, Würzburg<br />
Klaus Leidorf, Buch<br />
Wiltrud Mogge, Berlin<br />
Prof. Dr. Dr. Karlheinz Müller, Würzburg<br />
Norbert Oestel, Rothenfels<br />
Walter Rausch, Rothenfels<br />
Rosemarie Richartz, Rothenfels<br />
Dr. Rotraud Ries, Würzburg<br />
Roswitha Roth, Rothenfels<br />
Udo Roth, Rothenfels<br />
Dr. Leonhard Scherg, Marktheidenfeld<br />
Georg Schnabel, Karlstadt<br />
Siegfried Straub, Rothenfels<br />
Dr. Torben Stretz, Trier<br />
Hans Walter, Rothenfels<br />
Claudia Wieland, Wertheim<br />
Werner Zürn, Rothenfels<br />
Bürgerbüro Neuhof-Fulda<br />
Diözesanarchiv Würzburg<br />
Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main<br />
Jüdisches Museum Berlin, Bibliothek<br />
Jüdisches Museum Frankfurt am Main<br />
Landesamt für Digitalisierung, Breitband und<br />
Vermessung, München<br />
Pfarreiengemeinschaft St. Laurentius,<br />
Marktheidenfeld<br />
Staatsarchiv Wertheim<br />
Staatsarchiv Würzburg<br />
Stadtarchiv Lohr<br />
Stadtarchiv Würzburg<br />
Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg<br />
Stadtverwaltung Rothenfels<br />
Standesamt Lohr<br />
Verwaltungsgemeinschaft Marktheidenfeld<br />
Für sachkundige Hinweise und kritisches Lektorat ist<br />
Rotraud Ries und Leonhard Scherg besonders zu danken.
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 81<br />
Abkürzungen<br />
Anm.<br />
Anmerkung<br />
Bd., Bde.<br />
Band, Bände<br />
bearb., Bearb.<br />
bearbeitet, Bearbeiter(in)<br />
bzw.<br />
beziehungsweise<br />
d<br />
denar (Pfennig)<br />
DAW<br />
Diözesanarchiv Würzburg<br />
ders.<br />
derselbe<br />
f, ff folgende Seite(n)<br />
fl<br />
florin (Gulden)<br />
fol.<br />
folio (Blatt)<br />
geb.<br />
geboren<br />
gest.<br />
gestorben<br />
GrStKat<br />
Grundsteuerkataster<br />
H. Heft<br />
hg., Hg.<br />
herausgegeben,<br />
Herausgeber(in)<br />
Jh.<br />
Jahrhundert<br />
kath.<br />
katholisch<br />
kr<br />
Kreuzer<br />
lb<br />
libra (Pfund)<br />
Nr.<br />
Nummer<br />
PfarrAR<br />
Pfarrarchiv Rothenfels<br />
Rep.<br />
Repertorium<br />
S. Seite(n)<br />
StA<br />
Staatsarchiv<br />
StadtA<br />
Stadtarchiv<br />
StadtAR<br />
Stadtarchiv Rothenfels<br />
StAWt<br />
Staatsarchiv Wertheim<br />
StAWü<br />
Staatsarchiv Würzburg<br />
u. a. unter anderem<br />
v. <strong>von</strong><br />
VG<br />
Verwaltungsgemeinschaft<br />
vgl.<br />
vergleiche<br />
z. B. zum Beispiel<br />
Personenregister<br />
Namen, die sich nicht im Text finden, sind in den Anmerkungen<br />
zu suchen.<br />
Bei Namenswechsel durch Heirat, Taufe oder Annahme<br />
fester Familiennamen steht der Ursprungsname in<br />
eckigen Klammern.<br />
Aaron 22, 23, 66<br />
Aaron (Sohn des Feyferl) 20<br />
Aaron zum Fröhlichen Mann (Geldgeber) 20<br />
Abraham (Sohn des Ambsell) 20<br />
Abt, Michael 46<br />
Adler, Abraham (Distriktsrabbiner) 53<br />
Adler, Joseph I (Makler) 47<br />
Adler, Löb (Makler) 47<br />
Adler, Samuel Hirsch (Rabbiner) 53<br />
Albert, Melchior (Schmied) 29<br />
Albert, Sebastian 43<br />
Ambsell (Händler) 20<br />
Armleder s. Uissigheim<br />
Aulenbach, Johann 46<br />
Baer, Babette 59<br />
Baer, Clementine 59<br />
Baer, Hippolyt (Weinhändler) 59<br />
Baer, Joseph 59<br />
Baer, Max 59<br />
Baer [Grünewald], Rachel 58, 59<br />
Bamberger, Seligmann Bär (Oberrabbiner) 53<br />
Bauer, Franz Anton (Pfarrer) 15<br />
Beck, Andreas (Landwirt) 29<br />
Beeß (Besse) (Frau des Mendlein) 19<br />
Behr , Behrlein, Berlein s. Perlein<br />
Behrlein, Moyses s. Moyses<br />
Berl (Perlein), Moyses 7, 24-26, 38, 42, 66, 67, 74<br />
Bernay, Benjamin 47<br />
Bernay, Joseph 58, 66<br />
Besse s. Beeß<br />
Bessinger, Conrad (Steinhauer) 43<br />
Bestian (zu Rothenfels) 14<br />
Bibra, Lorenz <strong>von</strong> (Fürstbischof) 17<br />
Bing, Abraham (Oberrabbiner) 53<br />
Christenfels, Franz Ludwig 55<br />
Christenfels, Franz Nikolaus 55<br />
Dalberg, Karl Theodor <strong>von</strong> (Fürstprimas) 31<br />
Dauch, Michael (Bäcker) 42<br />
Davit (Lehrer) 20<br />
Dettelbach, <strong>von</strong> (Familie) 14<br />
Echter <strong>von</strong> Mespelbrunn, Julius (Fürstbischof) 18, 28<br />
Ehrenberg, Philipp Adolph <strong>von</strong> (Fürstbischof) 28<br />
Elle (Dienstmagd) 20<br />
Emmerich, Anton 47<br />
Endres, Hans (Flößer) 20<br />
Erlanger, Jacob (Rabbiner) 53<br />
Eschwege, Hirsch (Lehrer) 52<br />
Ester (Frau des Joseph) 19<br />
Feyferl (Feiferl, Feiferlein) (Händler) 20, 29<br />
Fleischmann, Franz Nikolaus (Stadtschreiber) 55
82 Winfried Mogge<br />
Freudenberger [Moises], Abraham 38, 58, 67, 68<br />
Freudenberger, Benjamin 28, 58, 67, 68<br />
Freudenberger [Hirsch], Beß 58, 68<br />
Freudenberger [Männlein], Giedel 38, 68, 71<br />
Freudenberger, Hanna 58<br />
Freudenberger, Joanna Schön s. Tannenwald<br />
Freudenberger [Männlein], Moises 38, 67, 68, 71<br />
Freudenberger [Männlein], Nathan 29, 38, 67, 68, 71<br />
Freudenberger [Moises], Nathan 34, 35, 38, 39, 46,<br />
50, 52, 55, 57, 58, 67, 68<br />
Freudenberger [Schlesinger], Regina 55, 58, 68, 71<br />
Freudenreich, Maier (Metzger) 40<br />
Fröhlich [Heil], Giedel (Jentel) 36, 69<br />
Fröhlich, Simon 69<br />
Fuchs <strong>von</strong> Dornheim, Anna Maria 42<br />
Fuß, Georg Max (Lehrer) 15, 29<br />
Gerhard, Georg 45<br />
Germann, Johann 46<br />
Glück, Margaretha 55<br />
Glück, Peter Philipp 55<br />
Greiffenclau, Johann Philipp <strong>von</strong> (Fürstbischof)<br />
22, 23<br />
Greiffenclau, Karl Philipp <strong>von</strong> (Fürstbischof) 26, 30<br />
Göpfert, Anton (Lehrer) 38<br />
Götz, Konrad (Ingenieur) 50<br />
Gottfried (Schultheiß) 10<br />
Greß, Anna 47<br />
Grünebaum, David (Händler) 69<br />
Grünewald, David (Händler) 37, 45, 58, 66<br />
Grünewald, Rachel s. Baer<br />
Grünewald [Heil], Vögele (Fanny) 45, 58, 69, 72<br />
Grumbach, <strong>von</strong> (Edelfreie) 10, 11<br />
Grumbach, Marquard II. <strong>von</strong> 9<br />
Gutradt (Tochter des Feyferl) 20<br />
Guttenberg, Charlotta Katharina Brigitta <strong>von</strong><br />
s. Hettersdorf<br />
Habriel (Lehrer) 19, 51<br />
Häcker, Joseph Georg (Herrschaftsrichter) 35<br />
Hamburger, Amsel (Amschel) 39, 58, 67, 71<br />
Hamburger, Benjamin 39, 52, 58, 67, 71<br />
Hamburger, Giedel (Handelsfrau) 39, 40, 71<br />
Hamburger, Hänlein (Hila, Hille, Hinlein)<br />
(Buchbinder) 35, 39, 40, 47, 67<br />
Hamburger, Löb (Löw) 39, 40, 52, 67, 71<br />
Hamburger, Madel 71<br />
Hamburger, Oschel 39, 52, 67<br />
Hamburger, Reichel (Witwe) 71<br />
Hamburger, Rosina 58<br />
Heil, Abraham (Landwirt) 35, 36, 40, 43, 45, 46, 52,<br />
55, 57, 58, 66, 67, 69, 72<br />
Heil, Abraham (Händler) 37, 57, 66<br />
Heil, David (Landwirt) 35, 36, 39, 40, 45-47, 52, 54,<br />
55, 57, 58, 66, 67, 69, 72, 73<br />
Heil, Dolz s. Heß<br />
Heil, Elia (Kind) 69, 72<br />
Heil, Fanny (Vögele) s. Grünewald<br />
Heil, Feigel (Vogel) s. Kahn<br />
Heil, Giedel s. Fröhlich<br />
Heil, Golda (Kind) 69, 72<br />
Heil [Lindheim], Hanna 40, 45, 58, 69, 72<br />
Heil [Stiefel], Jethe 57, 69, 72<br />
Heil, Joseph (Händler) 26, 36, 37, 43, 45, 52, 55, 57,<br />
66, 69, 72<br />
Heil [Isack], Nathan (Händler) 26, 35, 36, 40, 43,<br />
46, 51, 66, 67, 69, 72<br />
Heil, Nathan (Kind) 55, 69, 72<br />
Heil, Reiz (Rosa) 69, 72<br />
Heil, Reiz (Rosa) s. Kahn<br />
Heil, Riela (Riele) 69, 72<br />
Heil, Riele (Kind) 69, 72<br />
Heil [Stern], Rosetta (Rosel) 40, 47, 54, 55, 58, 69,<br />
72, 73<br />
Heil, Vögele (Fanny) s. Grünewald<br />
Heinemann, Nathan (Rabbiner) 53<br />
Heinrich de Windau (Priester) 10<br />
Herrmann, Benjamin (Händler) 35, 39, 52, 55, 67,<br />
72<br />
Herrmann, David 54<br />
Herrmann, Dolz 72<br />
Herrmann, Ester 72<br />
Herrmann, Margaretha 58<br />
Herrmann [Nathan], Isaak (Isack) 38, 39, 52, 67, 72<br />
Herrmann [Nathan], Jakob 39, 52, 67<br />
Herrmann, Jede (Jethe) 51<br />
Herrmann, Minna s. Weinstock<br />
Herrmann [Hirsch], Nathan 38, 46, 54, 67, 72<br />
Herrmann, Nathan 39, 67<br />
Heß, Hajm (Hajum) (Händler) 36, 55, 69<br />
Heß [Heil], Dolz 55, 69<br />
Hettersdorf [Guttenberg], Charlotta Katharina Brigitta<br />
<strong>von</strong> 56<br />
Hettersdorf, Philipp Emmerich Philibert <strong>von</strong><br />
(Oberamtmann) 42, 56<br />
Hirsch (Hirschlein) (Händler) 21, 29, 37, 66<br />
Hirsch, Beß s. Freudenberger<br />
Hirsch, Malez s. Leib<br />
Hirsch, Nathan s. Herrmann<br />
Hirsch (Hirschlein), Nathan 7, 24-26, 37, 38, 42, 54,<br />
66, 67, 74<br />
Hirschlein, Johann (Steinhauer) 47<br />
Hirschlein, Margaretha (Witwe) 47<br />
Hutten, <strong>von</strong> (Familie) 20<br />
Ingelheim, Anselm Franz <strong>von</strong> (Fürstbischof) 7, 25,<br />
26<br />
Isaak, Nathan 54<br />
Isac (Lehrer) 51<br />
Isack, Nathan s. Heil<br />
Itzig 38, 67<br />
Jacob (Sohn des Feyferl) 20<br />
Jacob (<strong>von</strong> Rothenfels) 14<br />
Jentlein (Tochter des Ambsell) 20<br />
Jöstle (Jöstlein) 20, 28, 66<br />
Jöstlein 19, 42, 66<br />
Johel zum Birnbaum (Geldgeber) 20<br />
Joseph (Händler) 19-21, 66<br />
Joseph de Wertheim 11, 12
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 83<br />
Joseph, Michael 55<br />
Jud, Eva (Müllersfrau) 17<br />
Jud (Jude, Jüde), Hans (Müller) 17<br />
Jud, Heintz 17<br />
Jud, Paul (Landwirt) 17<br />
Judith (Tochter des Feyferl) 20<br />
Kahn, Babett 70<br />
Kahn, Benjamin 70<br />
Kahn [Heil], Feigel (Vogel) 69, 70, 73<br />
Kahn, Frieda s. Völker<br />
Kahn, Isak (Kind) 70<br />
Kahn [Kahn], Meta 59, 70<br />
Kahn, Michael (Händler) 36, 55, 58, 59, 69, 70, 73<br />
Kahn, Nathan (Händler) 39, 40, 47, 57, 58, 67, 69,<br />
70, 73<br />
Kahn, Riela (Kind) 55, 58, 70, 73<br />
Kahn [Heil], Reiz (Rosa) 58, 69, 70, 72, 73<br />
Kahn, Rosetta 70<br />
Kahn, Sani (?) 70<br />
Kahn, Sigmund 70<br />
Klopf, Johannes 46<br />
König Armleder s. Uissigheim<br />
König Rintfleisch s. Rintfleisch<br />
Kohn, Israël (Rabbiner) 38, 51<br />
Kraus, Johann Adolph (Pfarrer) 35<br />
Lämmlein, Benjamin (Lehrer) 52, 53<br />
Lang, Hans gen. Stockstatter (Wirt) 20<br />
Lazarus, Moses (Moises, Moschel, Moyses, Moyßel)<br />
21, 26, 29, 37, 43, 45, 46, 48, 49, 51, 53, 66, 74<br />
Lea (Frau des Feyferl) 20<br />
Leib [Hirsch], Malez 54<br />
Leser (Knecht) 51<br />
Liebman (Sohn des Ambsell) 20<br />
Lindheim, Elias (Weinhändler) 72<br />
Lindheim, Hanna s. Heil<br />
Lindheim, Lina 72<br />
Lippert, Franz Ludwig (Centgraf) 55<br />
Lochner <strong>von</strong> Hüttenbach, Joseph Christian<br />
(Oberamtmann) 26, 38<br />
Löb (Händler) 29<br />
Löblein (Händler) 29<br />
Löblein (Löwelein) 26<br />
Löwenstein-Wertheim-Rosenberg, <strong>von</strong> (Fürsten)<br />
31, 50, 53<br />
Löwenthal, Jonas (Lehrer) 52<br />
Ludwig I. (König <strong>von</strong> Bayern) 52<br />
Ludwig IV. (Kaiser) 10, 14<br />
Männlein (Männle) 24, 28, 29, 38, 42, 46, 48, 52,<br />
66-68<br />
Männlein, Giedel s. Freudenberger<br />
Männlein, Moises s. Freudenberger<br />
Männlein, Nathan s. Freudenberger<br />
Maria (Frau des Moyses) 20<br />
Maximilian II. (Kaiser) 17<br />
Maximilian II. (König <strong>von</strong> Bayern) 32<br />
Mayer s. Moyses, Mayer<br />
Mayer (Mayerlein, Meier, Meierlein, Meyer, Meyerlein)<br />
(Sohn des Mendlein) 20, 21, 28, 66<br />
Mayer, Isack 26, 66<br />
Meier, Meierlein s. Mayer<br />
Mendlein (Sohn des Feyferl) 20<br />
Mendlein (Händler) 19-21, 66<br />
Meyer, Meyerlein s. Mayer<br />
Moises, Abraham s. Freudenberger<br />
Moises, Nathan s. Freudenberger<br />
Moschel, Moses, Moyses s. Lazarus<br />
Moyses (Sohn des Joseph) 20<br />
Moyses, Behrlein (Sohn des Lazarus) 66<br />
Moyses, Jude am Maintor 20, 21, 29, 42, 66, 74<br />
Moyses, Mayer (Händler) 26, 43, 48, 57, 66, 74<br />
Moyses, Nathan (Sohn des Lazarus) 26, 66<br />
Mynner, Heintz 15<br />
Nathan s. Moyses, Nathan<br />
Nathan (Händler) 21, 23, 24, 42, 66<br />
Nathan de Rothenfels 9, 11-14<br />
Nathan, Isaac 67<br />
Nathan, Isack s. Herrmann<br />
Nathan (nicht zuzuordnende Namensträger) 54, 55<br />
Niederhöfer, Maria Philippina Charlotta 56<br />
Oscher (Viehhändler) 37<br />
Papius, Johann Wilhelm Cyriacus (Amtskeller)<br />
48, 49, 53<br />
Perl s. Perlein<br />
Perlein (Behrlein) (Händler) 29, 38, 66, 67<br />
Perlein (Behrlein) (Sohn des Mendlein) 20-23, 28, 66<br />
Perlein (Behrlein) (Sohn des Nathan) 21, 23, 24, 42,<br />
66<br />
Pfeuffer (Viehhändler) 37<br />
Pleichfeld, Billung d. J. <strong>von</strong> (Ritter) 11<br />
Rachel (Tochter des Joseph) 20<br />
Rieneck, <strong>von</strong> (Grafen) 9-11<br />
Rintfleisch gen. König Rintfleisch 13<br />
Rosenbusch, Lazarus (Rabbiner) 53<br />
Roth, Johann 46, 47<br />
Roth, Joseph (Landwirt) 37<br />
Roth, Karl Ambros 47<br />
Salomon (Krämer) 37, 51<br />
Samuel (Händler) 21, 66<br />
Samuel (in Karbach) 26<br />
Scheeb, Oswald 45<br />
Scheiner, Michael 43<br />
Scherenberg, Rudolf II. <strong>von</strong> (Fürstbischof) 10<br />
Schim'on (aus Wertheim) 12<br />
Schlesinger, Regina s. Freudenberger<br />
Schlomm (Schlommel, Schlummel) (Händler) 29,<br />
38, 46, 67<br />
Schönborn, Friedrich Karl <strong>von</strong> (Fürstbischof) 24, 25<br />
Schönborn, Johann Philipp Franz <strong>von</strong> (Fürstbischof)<br />
23, 37<br />
Schüppert, Andreas 44, 45<br />
Schwindt, Joseph (Krämer) 42<br />
Seinsheim, Adam Friedrich <strong>von</strong> (Fürstbischof) 49<br />
Selig, Esther 57<br />
Sender (Sendter) (Händler) 38, 46, 67<br />
Sickingen, <strong>von</strong> (Familie) 20, 61<br />
Sondheimer, Hillel Wolf (Distriktsrabbiner) 53
84 Winfried Mogge<br />
Stern, Franz Joseph (Amtskeller) 42<br />
Stern, Lea 40<br />
Stern, Reitz 72<br />
Stern, Rosetta (Rosel) s. Heil<br />
Stern, Simon Levi (Händler) 72<br />
Stiefel, Elster 72<br />
Stiefel, Jethe s. Heil<br />
Stiefel, Marx 72<br />
Straub, Johann (Steinmetz) 55<br />
Tannenwald, Friedel 47<br />
Tannenwald, Jakob 58<br />
Tannenwald [Freudenberger], Joanna Schön 58<br />
Tinctorius, Matthias (Pfarrer) 16<br />
Truhendingen, Siegfried <strong>von</strong> (Fürstbischof) 12<br />
Uhl, Philipp (Küfer) 43<br />
Uhl, Sebastian (Küfer) 43<br />
Uissigheim, Arnold <strong>von</strong> gen. König Armleder 13<br />
Ulrich, Sebastian (Metzger) 42<br />
Völcker, Hanns Jörg 43<br />
Völker, Andreas Benno (Steinhauer) 57, 58, 70<br />
Völker, [David] Joseph 57, 70<br />
Völker, [Erna] Barbara 57, 70<br />
Völker [Kahn], [Frieda] Friederike Maria 57-59, 70,<br />
73<br />
Völker, Johann Michael 70<br />
Völker [Harth], Maria Anna 70<br />
Völker, Rupert Alfred 57, 70<br />
Voit <strong>von</strong> Rieneck (Familie) 42<br />
Voit <strong>von</strong> Rieneck, Eitel (Ritter) 10, 17<br />
Weber, Hans (Schiffer) 15<br />
Weinstock, Löb (Viehhändler) 73<br />
Weinstock [Herrmann], Minna (Witwe) 55, 73<br />
Weitzel, Johann Michael (Büttner) 56<br />
Weitzel, Maria Philippina Charlotta s. Niederhöfer<br />
Weitzenfelder, Moses (Lehrer) 52<br />
Weyrich, Georg 46<br />
Wießmann, Anna Maria 58<br />
Wirsberg, Friedrich <strong>von</strong> (Fürstbischof) 17<br />
Wölfflein (in Zimmern) 20<br />
Wolff 37, 67<br />
Wolfskeel, Otto II. <strong>von</strong> (Fürstbischof) 10, 14<br />
Wolfskeel <strong>von</strong> Reichenberg (Freiherren) 56<br />
Zehner, Georg Friedrich (Judenamtmann) 48<br />
Zinia (Frau des Ambsell) 20<br />
Ortsregister<br />
Die häufig genannten Orte Rothenfels, Berg<strong>rothenfels</strong><br />
und Würzburg werden im Register nicht verzeichnet.<br />
Ortsnamen, die sich nicht im Text finden, sind in den<br />
Anmerkungen zu suchen.<br />
Almelo 59<br />
Ansbach 18, 36, 64, 65<br />
Arnstein 13, 24<br />
Aschaffenburg 50, 52, 53<br />
Birkenfeld 18, 19, 61, 64, 65<br />
Erbach-Eichberg 59<br />
Erlach 18, 64, 65<br />
Erlenbach 36<br />
Esselbach 18, 64, 65<br />
Frankfurt am Main 7, 14, 20, 55, 58, 59<br />
Gemünden 13, 14, 19<br />
Greußen s. Greußenheim<br />
Greußenheim (Greußen) 18-20, 29, 33, 36, 37,<br />
51-53, 61-65<br />
Hadamar 59, 70<br />
Hafenlohr 18, 57, 64, 65<br />
Heidenfeld s. Marktheidenfeld<br />
Heidingsfeld 17, 50, 51, 53<br />
Hochhausen 57, 69, 72<br />
Homburg am Main 13, 55<br />
Jerusalem 12<br />
Karbach 18-22, 26, 29, 33-37, 40, 47, 51-53, 55, 58,<br />
61-66<br />
Karlstadt 7, 13, 18, 55<br />
Kirchschönbach 57<br />
Kleinwallstadt 39<br />
Kredenbach 29<br />
Laudenbach 7, 18, 32, 36, 53-55, 71<br />
Lohr 13, 16, 18-20, 40, 57-59, 67, 70<br />
Marienbrunn (Mergenbrunn) 18, 65<br />
Marktheidenfeld (Heidenfeld) 18, 19, 35<br />
Marktsteft 40, 69, 72<br />
Mergenbrunn s. Marienbrunn<br />
Miltenberg 40, 69, 72<br />
Neuhof-Fulda 59<br />
Neustadt am Main 9, 18, 20, 35, 50, 64, 65<br />
Oberndorf 18, 64, 65<br />
Pflochsbach 18, 35, 64, 65<br />
Philadelphia 57, 58<br />
Rathsfeld 57<br />
Reichenberg 56<br />
Rieneck 13<br />
Roden 18, 56, 64, 65<br />
Röttingen 13<br />
Rottenbauer 40<br />
Sendelbach 18, 64, 65<br />
Sobibor 59<br />
Steinbach 18, 20, 31, 32, 40, 55, 67, 69, 70, 73<br />
Steinfeld 18, 64, 65<br />
Sulz am Wald 59<br />
Theresienstadt 59, 70, 73<br />
Trennfeld 29<br />
Unterdürrbach 11<br />
Urspringen 18, 29, 32, 36, 40, 47, 53<br />
Veitshöchheim 26<br />
Waldzell 18, 64, 65<br />
Wertheim 8, 12, 20, 30, 38, 53, 58<br />
Wiesenfeld 18, 32<br />
Windau s. Windheim<br />
Windheim (Windau) 10, 17, 18, 27, 64, 65<br />
Zimmern 17-20, 27, 61, 64, 65
Juden <strong>von</strong> Rothenfels 85<br />
Nachwort und Nachträge<br />
Am 10. Dezember 2015 wurde dieses Buch im Rathaus<br />
zu Rothenfels einem großen und höchst interessierten<br />
Publikum vorgestellt. Kurz darauf war die<br />
erste, gedruckte Auflage vergriffen. Der Nachdruck einer<br />
Kleinstauflage verbot sich aus Kostengründen.<br />
Umso erfreulicher ist es, dass nun, mit freundlichem<br />
Einverständnis des Verlages Königshausen & Neumann,<br />
im Rahmen des neuen Internet-Auftritts des<br />
Förderkreises Synagoge Urspringen e. V. eine online-<br />
Ausgabe zur Verfügung gestellt werden kann. Hier, bei<br />
der Schaltstelle zur Erforschung und Bewahrung der<br />
Geschichte der Juden im heutigen Main-Spessart-<br />
Kreis, ist der richtige Ort für diese Publikation.<br />
Dies ist auch eine Gelegenheit, Korrekturen und<br />
Ergänzungen zur ersten Auflage anzubringen. Einige<br />
kleinere Fehler wurden im vorliegenden Text verbessert,<br />
einige Nachträge sind auf dieser Seite angehängt.<br />
Denn das Thema ist nicht etwa abgeschlossen.<br />
Weitere eigene Nachforschungen und auch erste Hinweise<br />
<strong>von</strong> Bürgerinnen und Bürgern <strong>von</strong> Rothenfels<br />
und Berg<strong>rothenfels</strong> zeigen, dass weiterführende Ergebnisse<br />
möglich sind.<br />
Nachträge<br />
Eine Durchsicht der Jahresrechnungen des Amtes Rothenfels<br />
aus dem 17. Jahrhundert ergab: Die einheimischen<br />
jüdischen Händler lieferten Baumaterial und<br />
Gebrauchswaren auch in die Burg. 1683/84 verkaufte<br />
Moyses Jude zu Rottenfels dem Amtskeller in der Burg<br />
Bretter und Nägel. 355 Von 1683/84 bis 1697/98 taucht<br />
Jud Perlein (Berlein, Behrlein) als Lieferant für Bretter,<br />
Nägel und Blei auf, einmal (1697/98) besorgt er<br />
für die Burg auch zwei eiserne Öfen und zwei Wasserkrüge.<br />
356 Die biografischen Mitteilungen im Buch (S.<br />
21 und Tabellen) werden durch diese Daten ergänzt<br />
und bestätigt.<br />
Zu den Nachkommen der letzten jüdischen Familie<br />
in Berg<strong>rothenfels</strong> (vgl. S. 57 und 70) gibt es eine Ergänzung:<br />
Erna Völker (1896-1966), Tochter <strong>von</strong> Frieda<br />
Völker geborene Kahn (1872-1930) und Andreas<br />
Benno Völker (1870-1907), verstorben in Würzburg,<br />
lebte als ledige Zigarrenarbeiterin in Berg<strong>rothenfels</strong>,<br />
Haus Nr. 45 (ein inzwischen nicht mehr vorhandenes<br />
Häuschen an der Straße Zum Alten Herrgott). 357 Obwohl<br />
sie nach der Konversion und Verheiratung ihrer<br />
Mutter (1901) selbst katholisch war, behielt sie den –<br />
nicht unfreundlich gemeinten – Spitznamen „Jüde<br />
Erna“. 358<br />
355 StAWt-R R 76, Amtsrechnung Jg. 1683/84 fol. 87.<br />
356 StAWt-R R 76, Amtsrechnungen Jg. 1683/84 fol. 87', 1687/88<br />
fol. 79', 1688/89 fol. 76', 1693/94 fol. 98', 1695/96 fol. 96',<br />
1696/97 fol. 97, 1697/98 fol. 96.<br />
357 Freundliche Mitteilungen der Verwaltungsgemeinschaft Marktheidenfeld,<br />
dort des Standesamtes, und des Standesamtes Lohr.<br />
358 Freundliche Mitteilung <strong>von</strong> Roswitha Roth (Berg<strong>rothenfels</strong>).<br />
Korrekturen<br />
Die Besitzer der gedruckten Ausgabe <strong>von</strong> 2015 wollen<br />
bitte folgende Korrekturen nachtragen:<br />
S. 42 Anm. 232: Abbildung S. 41 (nicht 39)<br />
S. 43 Anm. 246: Abbildung S. 41 (nicht 39)<br />
S. 84, Personenregister:<br />
Ergänzen bei Völker, [David] Joseph: 70<br />
Ergänzen bei Völker, [Erna] Barbara: 70<br />
Ergänzen bei Völker, Rupert Alfred: 70<br />
Nachtragen: Völker, Johann Michael 70<br />
Nachtragen: Völker [Harth], Maria Anna 70<br />
Nachfragen<br />
Seit dem Ende der jüdischen Gemeinde <strong>von</strong> Rothenfels<br />
und Berg<strong>rothenfels</strong> und dem Verkauf ihrer letzten<br />
Häuser sind 130 und mehr Jahre vergangen. Die ehemaligen<br />
Wohnstätten wurden inzwischen mehrmals<br />
modernisiert oder durch Neubauten ersetzt. Der ehemalige<br />
„Judenkirchhof“ war sogar schon im späten<br />
Mittelalter aufgelassen. Trotzdem ist nicht auszuschließen,<br />
dass sich noch Spuren oder Erinnerungen<br />
auftun.<br />
Von den infrage kommenden Museen und Sammlungen<br />
gab es nur Fehlanzeigen. Vielleicht ist trotz aller<br />
bisher ergebnislosen Nachfragen „vor Ort“ doch<br />
noch etwas zu finden – ein Türpfosten mit einer „Mesusa“<br />
(Rille für eine Kapsel mit Segenssprüchen) verbaut,<br />
eine hebräische Inschrift versteckt, der Rest<br />
eines Inventars der Betstuben oder Wohnungen ererbt?<br />
Oder ein Bild, eine Fotografie, ein Bericht, ein Brief<br />
ehemaliger Nachbarn aus der Zeit der Groß- und Urgroßeltern<br />
verwahrt, eine Erinnerung mündlich überliefert?<br />
Vielleicht gibt es Hinweise auf oder gar<br />
Kontakte mit Nachfahren jüdischer Familien aus Rothenfels<br />
und Berg<strong>rothenfels</strong> in Würzburg, Frankfurt<br />
oder den USA?<br />
Der Verfasser ist für jeden Hinweis dankbar!<br />
Berlin, März 2016<br />
Dr. Winfried Mogge<br />
Rauentaler Str. 12, 13465 Berlin<br />
(039) 46 999 705<br />
w.mogge@arcor.de<br />
www.winfried-mogge.de<br />
Hinweis<br />
Eine Kurzfassung zur Geschichte der jüdischen Gemeinde<br />
<strong>von</strong> Rothenfels und Berg<strong>rothenfels</strong> findet sich<br />
in der Datenbank der Arbeitsgemeinschaft Alemannia<br />
Judaica:<br />
www.alemannia-judaica.de/<strong>rothenfels</strong>_synagoge.htm
Vom selben Autor<br />
ist zu Burg und Stadt Rothenfels erschienen:<br />
„Dies uralt Haus auf Felsengrund ...“<br />
Rothenfels am Main:<br />
Geschichte und Gestalt einer unterfränkischen<br />
Burg<br />
Rothenfels / Burg Rothenfels<br />
Schnell Kunstführer Nr. 740<br />
5., neu bearbeitete Auflage<br />
24 Seiten mit 19 Abbildungen<br />
Verlag Schnell & Steiner, Regensburg 2009<br />
ISBN 978-3-7954-4473-0<br />
Burg Rothenfels im Hochmittelalter<br />
In: Spessart – Monatszeitschrift für die Kulturlandschaft<br />
Spessart, Oktober 2012, S. 3-14<br />
Die Anfänge <strong>von</strong> Rothenfels<br />
Legenden und Tatsachen<br />
In: Spessart – Monatszeitschrift für die Kulturlandschaft<br />
Spessart, Juni 2013, S. 17-24<br />
Die Stadt Rothenfels im Mittelalter<br />
Rothenfels am Main zählt zu den wenigen unzerstörten<br />
und noch bewohnten deutschen Burgen des<br />
Mittelalters. Im Jahr 1150 gegründet als Sitz der<br />
edelfreien fränkischen Familie <strong>von</strong> Grumbach, kam<br />
sie 1343 an das Fürstbistum Würzburg, dem sie bis<br />
Ende 1802 als Amts- und Gerichtssitz diente. 1919<br />
zog mit der katholischen Jugendbewegung Quickborn<br />
neues Leben in die alten Mauern ein. Heute<br />
arbeitet die Burg als unabhängige Tagungsstätte und<br />
Jugendherberge.<br />
Die romanische Anlage der Anfangszeit ist in guten<br />
Teilen noch sichtbar, ergänzt durch spätgotische<br />
Neubauten des 16. Jahrhunderts, ein spätbarockes<br />
Amtshaus und weitläufige Wirtschaftsgebäude.<br />
Nach jahrzehntelangen Sanierungen gilt Rothenfels<br />
als Musterbeispiel für die gelungene Erhaltung eines<br />
Kulturdenkmals mit neuer Nutzung.<br />
Die Schicksale der Burg werden hier vor dem Hintergrund<br />
der fränkischen und deutschen Geschichte<br />
nachgezeichnet. Ausführlich wird auch die Baugeschichte<br />
analysiert und dokumentiert, ergänzt mit<br />
zahlreichen historischen und aktuellen Plänen, Abbildungen<br />
und Fotografien. Politische, soziale und<br />
religiöse Entwicklungen, Wirtschafts- und Kunstgeschichte<br />
kommen zusammen, mit teils überraschenden<br />
Ergebnissen quer zur bisherigen Forschung.<br />
464 Seiten, einschließlich 231 Abbildungen und 15<br />
Farbseiten<br />
Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2012<br />
ISBN 978-8260-4989-7<br />
Beobachtungen zur Siedlungs- und Bevölkerungsstruktur<br />
In: Spessart – Monatszeitschrift für die Kulturlandschaft<br />
Spessart, Juli 2013, S. 11-17<br />
Ein „unrentierliches Objekt“?<br />
Rothenfels im Fokus der Grafen <strong>von</strong> Wertheim und<br />
Fürsten <strong>von</strong> Löwenstein-Wertheim-Rosenberg<br />
In: Wertheimer Jahrbuch 2012, Wertheim 2013,<br />
S. 85-116<br />
„ain starcke veste burgk“<br />
Zur Baugeschichte der Burg Rothenfels am Main<br />
In: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und<br />
Kunst Bd. 65, Würzburg 2014, S. 29-58<br />
Gralsburg und Ehrenmal<br />
Anmerkungen zur Idee und Ideologie der<br />
Jugendburg<br />
In: Burgen und Schlösser – Zeitschrift für Burgenforschung<br />
und Denkmalpflege, 2/2014, S. 105-115<br />
Der Alltag war bunt<br />
Die farbige Gestaltung und Ausstattung <strong>von</strong> Burgen<br />
am Beispiel <strong>von</strong> Rothenfels<br />
In: Beiträge zur Geschichte der Stadt und des<br />
Raumes Lohr, Ausgabe 2015 (Schriften des Geschichts-<br />
und Museumsvereins Lohr a. Main Folge<br />
58/2015), S. 63-85
Finis.<br />
Schriftzug aus dem Rothenfelser Ratsprotokollbuch 1732-1751
In der unterfränkischen Kleinstadt Rothenfels am Main gab<br />
es schon im Mittelalter eine jüdische Gemeinde, die in unbekannter<br />
Zeit unterging. Erst im 17. Jahrhundert siedelten sich in<br />
der Stadt, danach in dem zugehörigen Dorf Berg<strong>rothenfels</strong> Juden<br />
erneut an. Deren Geschichte endete vor 1900 wegen Überalterung<br />
der Familien und Abwanderung ihrer jungen Mitglieder. Einige<br />
Nachkommen sind in Würzburg und Frankfurt am Main – und in<br />
nationalsozialistischen Vernichtungslagern nachweisbar.<br />
Die bisher unbekannte Geschichte dieser kleinen fränkischen<br />
Land<strong>juden</strong>gemeinde wird hier aus zahlreichen amtlichen Akten,<br />
Korrespondenzen und Protokollen rekonstruiert. Auch die vor<br />
Ort fast völlig verwehten Spuren der Juden werden entdeckt: ein<br />
schon vor Jahrhunderten aufgelassener Friedhof, die ehemaligen<br />
Wohnstätten und die nur noch literarisch überlieferten Gemeindezentren.<br />
So entsteht ein Bild der wechselhaften Geschicke der Rothenfelser<br />
und Berg<strong>rothenfels</strong>er jüdischen Familien, ihres Lebens und Arbeitens<br />
als Händler und Bauern. Deutlich wird der lange Weg einer<br />
religiösen Minderheit im Wandel der Politik zwischen Vertreibung<br />
und Duldung, Ausgrenzung und Emanzipation.