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Juden <strong>von</strong> Rothenfels 29<br />

nehmer einer wohl allzu temperamentvollen Beschneidungsfeier<br />

vor dem Haus eines Glaubensgenossen im<br />

Städtchen randalieren, Tür und Fenster beschädigen<br />

und die christlichen Nachbarn aus dem Schlaf reißen;<br />

derlei insolenz wird mit Geldbußen geahndet. 136 Andererseits<br />

kann es geschehen, dass das Stadtgericht den<br />

tätlichen Übergriff <strong>von</strong> Christen auf ein jüdisches<br />

Kind mit einer empfindlichen Geldstrafe ahndet. 137<br />

Untereinander verhalten sich die Glaubensgenossen<br />

nur selten unfriedlich. 1680 werden Moÿses aus<br />

Rothenfels und Feiferlein aus Karbach angeklagt, weil<br />

sie wegen einer Vormundschaft mit schlägen über einander<br />

kommen und der Jud Feiferlein am maul gebluet.<br />

Sie bekommen beide eine Rugstrafe – der eine,<br />

weil er provoziert und in des Gegners Haus tumultuirt,<br />

der andere, weil er allzu heftig zugeschlagen hat. 138<br />

1773 und 1775 stehen zwei streitbare Berg<strong>rothenfels</strong>er<br />

Juden vor dem Stadtgericht: Männlein gegen Löblein<br />

<strong>von</strong> Urspringen 139 , dann Nathan gegen Löb <strong>von</strong> Greußenheim<br />

140 ; in beiden Fällen waren schon länger<br />

schwelende Streitigkeiten und Beleidigungen in blutige<br />

Schlägereien übergegangen, was allen Beteiligten<br />

nun Geldstrafen und Abmahnungen einbringt.<br />

Relativ häufig holen Juden sich Geldbußen ab,<br />

weil sie ihre Kühe und Ochsen auf gemeindeeigenen<br />

Wiesen oder in fremden Baumgärten grasen ließen.<br />

Auch damit stehen sie nicht allein. Wohl jeder christliche<br />

Haushalt in der Stadt, vom Dorf ganz zu schweigen,<br />

hält eine Kuh oder Ziegen und Schweine und<br />

Federvieh, und wohl jede Familie riskiert Grenzüberschreitungen<br />

bei der Freilandfütterung. Einmal im Jahr<br />

tagt ein Ausschuss des Stadtrates als Ruggericht und<br />

verteilt dutzendweise an zahlreiche Einwohner die<br />

Geldstrafen vor allem für die im Lauf der Monate <strong>von</strong><br />

Feldhütern, Revierjägern oder Mitbürgern angezeigten<br />

illegalen Viehweiden. 141<br />

Wenn die Juden das Stadtgericht in eigener Sache<br />

in Anspruch nehmen, dann geht es fast ausschließlich<br />

um säumige Schuldner bei Kreditvergaben oder um<br />

ungetreue Handelspartner beim An- und Verkauf <strong>von</strong><br />

Vieh. In allen in den Quellen aufgefundenen Fällen<br />

endet das Verfahren zugunsten der klagenden Juden<br />

oder mit einem Vergleich, dem sie zustimmen – ein<br />

Hinweis übrigens auf das allgegenwärtige Risiko bei<br />

136 StadtAR II 2/7 S. 3. Die Feier findet im Haus <strong>von</strong> Moschel<br />

statt, der tumult vor dem Haus <strong>von</strong> Perl; Festteilnehmer sind außerdem<br />

die hießigen Hirschle und Schlummell sowie frembde<br />

Juden.<br />

137 StadtAR II 2/7 S. 230-234. Hier ein Urteil vom 25. 8. 1743,<br />

nachdem christliche Geschäftsleute die Tochter des Juden<br />

Hirsch des Diebstahls bezichtigt und geschlagen hatten.<br />

138 StadtAR II 2/6 S. 351 f.<br />

139 StadtAR II 2/11 S. 516-519, 534-540, 544.<br />

140 StadtAR II 2/11 S. 631-636. Es handelt sich wohl um Nathan,<br />

den Sohn Männleins.<br />

141 Ausgewertet wurden StadtAR II 2/6 (Ratsprotokolle 1642-<br />

1725), II 2/8 (Ratsprotokolle 1751-1755), II 2/10 (Ratsprotokolle<br />

1763-1770), II 2/11 (Ratsprotokolle 1770-1776), III 11/10<br />

(Bürgermeisterrechnung 1760), III 11/19 (Bürgermeisterrechnung<br />

1770).<br />

Geld- und Handelsgeschäften. 142 Der Stadtrat, auch<br />

wenn selbst als Kreditnehmer betroffen, achtet auf<br />

korrekte Abwicklung. Sogar auf Kompromisse lässt<br />

man sich ein: Als 1761 der hiesige Schutzjude Moÿßel<br />

der Stadt einen durch sein Versehen verjährten Schuldschein<br />

präsentiert, wird beschlossen, ihm aus Kulanz<br />

noch die Hälfte des Geldbetrages anzuerkennen und<br />

auszuzahlen. 143<br />

Hin und wieder ist auch der in der Burg Rothenfels<br />

residierende Amtmann mit Rechtsangelegenheiten der<br />

Juden befasst. Dabei geht es zum Beispiel um den<br />

Viehtrieb in hochstiftischen Wäldern, einen Dauerkonflikt<br />

nicht nur mit den jüdischen Viehhändlern. 144 Da<br />

die Amtsprotokolle verloren gegangen und nur wenige<br />

Auszüge daraus in anderen Aktenüberlieferungen erhalten<br />

sind, lässt sich nichts über die Häufigkeit solcher<br />

Vorgänge sagen. Gelegentlich werden auch die<br />

Gremien der fürstbischöflichen Regierung in Würzburg<br />

bemüht, wenn es zum Beispiel darum geht, einem<br />

Rothenfelser Juden zu seinem Recht gegen<br />

säumige Schuldner zu verhelfen. 145<br />

Im Hintergrund zahlreicher Stadtgerichtsverfahren<br />

schwelt, ausgesprochen oder unausgesprochen, stets<br />

die auf Konkurrenzangst gegründete pauschale Verdächtigung,<br />

„die Bürger“ würden durch „die Juden“ in<br />

Geld- und Handelsgeschäften beschwehret, betrogen<br />

und dardurch gar verderbt werden. Der Stadtrat lässt<br />

deshalb die Waren der jüdischen Händler nach Herkunft<br />

und Wert streng kontrollieren. 146 Umgekehrt fällt<br />

auf, dass Juden vermehrt als Kläger vor das Stadtgericht<br />

ziehen, was wohl ein Indiz für wachsendes<br />

Selbstbewusstsein und zunehmende Rechtssicherheit<br />

der Minderheit ist. –<br />

Den Aufenthalt im Hochstift Würzburg und in<br />

Rothenfels müssen die Juden mehrfach und teuer bezahlen.<br />

Der Schutzbrief des Fürstbistums, die lebensnotwendige<br />

Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung,<br />

kostet beim Erwerb eine große einmalige Summe und<br />

bringt der Hofkammer zudem Gebühren für die alljährliche<br />

Verlängerung ein. Beim Tod eines Fürstbi-<br />

142 Ausgewertet wurden StadtAR II 2/6 (Ratsprotokolle 1642-<br />

1725) S. 417, 441, 511; II 2/8 (Ratsprotokolle 1751-1755) S.<br />

179 f, 237, 256-258, 270-272, 281, 331, 621 f, 729-731; II 2/10<br />

(Ratsprotokolle 1763-1770) passim; II 2/11 (Ratsprotokolle<br />

1770-1776) S. 38-41, 172-174, 271 f, 611-616; II 2/14<br />

(Ratsprotokolle 1799-1802) S. 21-29, 36 f.<br />

143 StadtAR IV 3/5 S. 20. Es geht um ein Darlehen <strong>von</strong> 23 Stück<br />

Karolin (eine süddeutsche Goldmünze) für die Gemeinde. Mit<br />

eindeutigem Tonfall kommentiert der Autor der Stadtchronik,<br />

Oberlehrer Georg Max Fuß (1867-1939), später den Vorgang:<br />

den Juden hätte ich mögen die dicken Hände reiben sehen!<br />

(StadtAR IV 3/7 Bl. 10).<br />

144 StAWt-R Rep. 26h Nr. 21 (1752).<br />

145 StAWt-F Rep. 229 Nr. 31 (Inhalt: Klage des Moyses Jud zu<br />

Rottenfels gegen den Schmiedemeister Melchior Albert zu<br />

Trennfeld wegen säumiger Zahlungen für Darlehen, Vieh- und<br />

Weinkauf, 1745/46); StAWt-R Rep. 82l Nr. 473 (Inhalt: Jud<br />

Männlein <strong>von</strong> Berg, Amts Rothenfels verklagt Andreas Beck aus<br />

Kredenbach auf Ausgleich <strong>von</strong> Forderungen für Darlehen und<br />

Viehverkäufe, 1764).<br />

146 StadtAR II 2/7 S. 66.

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