juden-von-rothenfels
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Juden <strong>von</strong> Rothenfels 55<br />
leitungen auch im Bereich der Straße, aus denen sich<br />
öffentliche und private Brunnen speisten 315 , so dass die<br />
Mikwe an dieser Stelle mit dem nötigen frischen Wasser<br />
versorgt werden konnte.<br />
Die bayerische Kreisregierung lässt nach der Vereinnahmung<br />
Unterfrankens die zunächst als sehr ungesund<br />
und schädlich befundenen Judentauchen<br />
amtsärztlich visitieren und kontrollieren. Der Rothenfelser<br />
Districts-Physicus kann alsbald einen hygienisch<br />
einwandfreien Zustand der Monatsbäder in<br />
seinem Bereich vermelden. 316<br />
Die neuzeitliche Judengemeinde <strong>von</strong> Rothenfels<br />
und Berg<strong>rothenfels</strong> besitzt keinen eigenen Friedhof.<br />
Ihre Toten bringt sie auf den um 1600 gegründeten<br />
großen Verbandsfriedhof nach Laudenbach bei Karlstadt<br />
am Main, den sich bis zu 14 Kultusgemeinden<br />
der Region teilen – also nicht auf den nahegelegenen,<br />
jüngeren Friedhof bei Karbach. 317 In Laudenbach sind<br />
nach aktuellem Kenntnisstand fünf Grabsteine <strong>von</strong><br />
Rothenfelser Jüdinnen und Juden aus dem 18. und 19.<br />
Jahrhundert zu identifizieren. 318 Während die meisten,<br />
teils schon abgewitterten Grabsteine aus rotem Sandstein<br />
die typischen schlichten Formen mit einem<br />
schmucklosen Halbbogen zeigen, ist die älteste Stele<br />
(<strong>von</strong> 1775) aus der Familie Hirsch mit barocken Voluten<br />
verziert. Der jüngste Grabstein (<strong>von</strong> 1889) führt<br />
mit seiner Größe und einem neugotischen Blendmaßwerk<br />
das Selbstbewusstsein der Familie Heil vor. 319<br />
Das Thema Konversion ist in Rothenfels nicht unbekannt.<br />
Bereits während der Gegenreformation gibt<br />
es im Fürstbistum missionarische Bemühungen um<br />
Protestanten, Juden und Muslime. Nicht wenige Angehörige<br />
der verfolgten Minderheiten erhoffen sich vom<br />
Übertritt zum katholischen Glauben verbesserte Daseinsbedingungen.<br />
Das Würzburger Julius-Spital ist<br />
der landesweit zentrale Ort für ihren Religionsunterricht<br />
und die Taufen. 320 Doch auch der Stadtpfarrer<br />
315 Vgl. P. Kolb, Berg<strong>rothenfels</strong>, S. 87 f und Abb. 6 im Anhang; W.<br />
Mogge, Dies uralt Haus, S. 241-245.<br />
316 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8663 (Berichte 1825,<br />
1829). Die Verordnung zur Kontrolle der Kellerquellenbäder<br />
der Israelitinnen vom 15. 10. 1828 bei G. Döllinger, Sammlung,<br />
S. 151.<br />
317 Vgl. L. Scherg, Jüdisches Leben, S. 26 f; L. Mayer, Jüdische<br />
Friedhöfe, S. 106-111. – Ein Gräberverzeichnis der <strong>von</strong> 1850<br />
bis 1886 in Laudenbach beigesetzten Juden enthält auch Rothenfelser<br />
und Berg<strong>rothenfels</strong>er Namen, u. a. Nathan Freudenberger<br />
(1868) und seine Frau Regina Freudenberger [geb.<br />
Schlesinger] (1868), das Kind Nathan Heil (1850), Abraham<br />
Heil (1875), David Heil (1877), Joseph Heil (1874), Benjamin<br />
Herrmann (1868), Dolz Heß [geb. Heil] (1864) und ihren Mann<br />
Hajm Heß aus Würzburg(1866), Michael Kahn aus Steinbach<br />
(1865), das Kind Riela Kahn (1875), Minna Weinstock [geb.<br />
Herrmann] (1864) (HStA Stuttgart J 386 Bü 340).<br />
318 Freundliche Mitteilungen und Vermittlung der Inschriften <strong>von</strong><br />
Georg Schnabel, Karlstadt.<br />
319 Der Grabstein für Rosel Heil trägt auf dem Sockel den Namen<br />
des Steinmetzen: Joh. Straub <strong>von</strong> Bergrothenfelz [!].<br />
320 A. W[endehorst], Juden, S. 52. Eine entsprechende regionale<br />
Rolle des Julius-Spitals in Rothenfels ist auszuschließen<br />
(freundlicher Hinweis <strong>von</strong> Dr. Peter Kolb, Würzburg).<br />
Friedhof Laudenbach: Grabstein Rosel Heil (1889)<br />
<strong>von</strong> Rothenfels begleitet solche Konversionen. In der<br />
Pfarrmatrikel sind etliche zuvor protestantische und<br />
jüdische Personen verzeichnet, die hier bekehrt wurden<br />
und in hiesiger Pfarrkirche das Glaubensbekenntnis<br />
ablegten. 321 Aus der örtlichen Judengemeinde ist<br />
jedoch niemand dabei.<br />
Zwei spektakuläre Fälle finden in Rothenfels hohe<br />
Beachtung. Am 10. März 1771 werden in der Stadtpfarrkirche<br />
zwei junge Juden, 22 und 20 Jahre alt,<br />
Brüder aus Homburg am Main, nach vorangegangenem<br />
Religionsunterricht getauft. Sie bekommen neue<br />
Vornamen, nämlich die ihrer Paten, des Centgrafen<br />
Franz Ludwig Lippert und des Stadtschreibers Franz<br />
Nikolaus Fleischmann, und den Zunamen Christenfels,<br />
hergeleitet <strong>von</strong> der Stadt Rothenfels. Bald darauf<br />
gehen sie nach Frankfurt unter die kaiserlichen<br />
Kriegsvölker. 322<br />
321 Nachrichten über jüdische Konvertiten in Rothenfels, die aber<br />
nicht aus der dortigen jüdischen Gemeinde stammen: Am 2. 1.<br />
1733 stirbt Michael Joseph, ein getaufter Jude. Am 8. 2. 1740<br />
lässt sich Peter Philipp Glück, vor seiner Hochzeit Jude, mit<br />
seiner Frau Margaretha nach vierzigjähriger christlicher Ehe ein<br />
zweites Mal trauen. Außerdem die im Folgenden genannten<br />
Konversionen <strong>von</strong> 1719 und 1771. DAW Amtsbücher aus Pfarreien<br />
4281 (Matrikeldatei); PfarrAR Pfarrchronik (Chronik I) S.<br />
114-116.<br />
322 PfarrAR Pfarrchronik (Chronik I) S. 116. Der Stadt Rothenfels<br />
erbringen solche Konversionen offensichtlich einen hohen Prestigegewinn<br />
und beachtliche Kosten. Auf Anordnung des Amtskellers<br />
werden die beiden jungen Männer während des