juden-von-rothenfels
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Juden <strong>von</strong> Rothenfels 49<br />
Rothenfels, Blick über<br />
die Hauptstraße <strong>von</strong><br />
Norden nach Süden auf<br />
die Kirche, in der Bildmitte<br />
links der Giebel<br />
des Rathauses.<br />
Die 1928 oder kurz<br />
darauf entstandene<br />
Aufnahme zeigt fast unverändert<br />
die Situation<br />
zur Zeit der jüdischen<br />
Gemeinde.<br />
den beiden Familien in der Stadt und den vier Familien<br />
im Dorf ausgetragen. Dabei ist allen Beteiligten bewusst,<br />
dass keiner der beiden Orte allein für sich die<br />
<strong>von</strong> den Religionsgesetzen vorgeschriebenen zehn<br />
Männer für einen Gottesdienst zusammen bekommt.<br />
Während man im allgemeinen keine Mühe scheut, diese<br />
Zahl zu erreichen, werden nun die Unzumutbarkeit<br />
des Weges zwischen Stadt und Dorf und das hohe Alter<br />
je eines Gemeindemitglieds als Hindernis für die<br />
Einigung vorgetragen. Das Zerwürfnis scheint jedoch<br />
tiefer zu sitzen und ist <strong>von</strong> den direkt Beteiligten nicht<br />
zu heilen. Die Regierung des Fürstbischofs Adam<br />
Friedrich <strong>von</strong> Seinsheim (1755-1779), <strong>von</strong> den Streitparteien<br />
mit Darstellungen und Gegendarstellungen<br />
traktiert, entscheidet als letzte Instanz per Dekret für<br />
die Wiederherstellung der Schule in Berg<strong>rothenfels</strong><br />
und die Schließung der Einrichtung in Rothenfels. 273<br />
Eine versöhnliche Geste folgt zum Schluss: Solange<br />
der alte Moschel (Moyses Lazarus) noch lebt, darf<br />
er den Betraum in seinem Haus behalten und sollen<br />
die beiden Gemeindeteile ihre Einrichtungen wechselweise<br />
und gemeinsam aufsuchen. Da kein weiterer<br />
Streit in dieser Sache mehr aktenkundig ist, dürfte dieser<br />
Kompromiss <strong>von</strong> allen akzeptiert worden – und<br />
Moyses Lazarus bald darauf verstorben sein.<br />
Der Moderator des Verfahrens, der Amtskeller Papius,<br />
<strong>von</strong> der Hartnäckigkeit der Streitparteien spürbar<br />
entnervt, bringt übrigens den entscheidenden Aspekt<br />
in die Diskussion ein: Er fragt, an welchem Standort<br />
die Synagoge das geringere Übel sei. In Rothenfels,<br />
schreibt er, liegt die Schuhl […] im Städtlein, wo das<br />
Juden Ceremonieweeßen verdrüßlich anzuhören, und<br />
je zuweilen das Sacratissimum vorbeÿ und in die<br />
273 StAWt-R Rep. 5g Nr. 2 (Protokolle, Briefe und Dekrete 1772-<br />
74).<br />
neben Haüßer getragen wird. Auf dem Berg hingegen<br />
befindet sich das Anwesen so zu sagen am Endte des<br />
Orths. 274 Die Fürstliche Hofkanzlei übernimmt das Argument<br />
und verfügt zugunsten <strong>von</strong> Berg<strong>rothenfels</strong>,<br />
weilen die Jüdische Feÿer in der stadt dem alldasigen<br />
Christlichen gottes dienst mehr zur stöhrung und ärgerniß,<br />
alß in dem sogenannten Rotenfelß auf dem<br />
berg, welches nur ein Dorf, und ohne Kirche seÿe, gereichen<br />
könne. 275<br />
Der Vorgang dokumentiert zugleich die geradezu<br />
paranoide Furcht der katholischen Obrigkeiten vor Berührungen<br />
ihrer Untertanen mit der anderen Religion,<br />
die sich im Hochstift Würzburg auch in Geboten zur<br />
Fernhaltung der Juden <strong>von</strong> Kirchen und Prozessionen<br />
und zu Kontaktverboten an Sonn- und Feiertagen ausdrückt.<br />
276<br />
Die Entscheidung über den Standort der Schule<br />
bleibt künftig unangefochten. 1817, in einem Bericht<br />
des Königlichen Herrschaftsgerichts Rothenfels an die<br />
Kreisregierung über Die Verhältniße der Jüdischen<br />
Glaubens Genoßen heißt es: Hiemit wird zugleich die<br />
unterthänigste Anzeige verbunden, daß zu Berg<strong>rothenfels</strong><br />
ein jüdisches Bethaus bestehe, zu deßen Errichtung<br />
die Concession <strong>von</strong> der vormals Fürst-<br />
Bischöflich Würzburgischen Regierung unterm 5 ten<br />
Oct. [richtig: 8. Oktober] 1773 ertheilt worden ist. 277<br />
Und die bayerische Kreisregierung bestätigt: Was das<br />
274 StAWt-R Rep. 5g Nr. 2 (Bericht 22. 9. 1773).<br />
275 StAWt-R Rep. 5g Nr. 2 (Protokoll 8. 10. 1773). Das Argument<br />
der Störung des christlichen Gottesdienstes ist weit hergeholt:<br />
Das Anwesen der Familie Moyses (Haus Nr. 4 = Hauptstraße<br />
14) liegt an der Nordspitze der Stadt, die jüdische Feier kann<br />
<strong>von</strong> hier die Kirche akustisch nicht erreichen.<br />
276 Vgl. I. König, Judenverordnungen, S. 175-178, 221-223, 299 f.<br />
277 StAWü Regierung <strong>von</strong> Unterfranken Nr. 8663 (Bericht 11. 10.<br />
1817).