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Juden <strong>von</strong> Rothenfels 31<br />

die Personen, sondern die Haushalte gemeint.) Die<br />

<strong>von</strong> Adeligen und anderen Korporationen Abhängigen<br />

werden <strong>von</strong> ihren Schutzherren auf ähnliche Weise abgeschöpft.<br />

Die Rothenfelser und Berg<strong>rothenfels</strong>er Juden haben<br />

ihren Teil der Belastungen wohl stets auf sich genommen<br />

und aufgebracht, um unbehelligt in ihrer<br />

Heimat bleiben zu können. In der zweiten Hälfte des<br />

18. Jahrhunderts macht sich ihr Zuwachs an Rechtssicherheit<br />

in einer zunehmenden Anzahl <strong>von</strong> Klagen<br />

beim Stadtgericht bemerkbar. Nun kommen in Rothenfels<br />

auch keine Vertreibungen oder Ausweisungsanträge<br />

mehr vor. Während aus manchen Orten des<br />

Hochstifts Würzburg pogromähnliche Stimmungen<br />

der Bevölkerung und Ausschreitungen gegen Juden zu<br />

verzeichnen sind 155 , gibt es hier keine Berichte dieser<br />

Art. Schlussendlich scheint es in Rothenfels eine Zeit<br />

friedlicher Koexistenz zwischen Christen und Juden<br />

gegeben zu haben.<br />

9. Schritte zur Emanzipation<br />

Der Beginn des 19. Jahrhunderts bringt für das würzburgische<br />

Unterfranken umwälzende Neuerungen des<br />

politischen und gesellschaftlichen Systems. Auch für<br />

die Juden ergeben sich daraus veränderte Lebensbedingungen.<br />

Zum Verständnis der staatlichen und administrativen<br />

Zuständigkeiten, die in den historischen<br />

Akten begegnen, muss ein Blick auf die Neuordnung<br />

der politischen Landkarte geworfen werden. 156<br />

Am Anfang steht die vom napoleonischen Frankreich<br />

diktierte Säkularisation der deutschen geistlichen<br />

Staaten Ende 1802. Das bisherige Hochstift Würzburg<br />

fällt dem Kurfürstentum Bayern zu. Für wenige Jahre<br />

wird es an die neuen Fürstentümer Würzburg und<br />

Aschaffenburg aufgeteilt – ein Zwischenspiel während<br />

der Verschiebung <strong>von</strong> Ländermassen unter den großen<br />

deutschen Staaten. Auch die Fürsten <strong>von</strong> Löwenstein-<br />

Wertheim-Rochefort (später Rosenberg genannt) holen<br />

bei der Säkularisation für sich als Entschädigung für<br />

Verluste auf dem linken Rheinufer einige würzburgische<br />

und mainzische Ämter und Klöster heraus, darunter<br />

das bisherige Amt Rothenfels.<br />

Statistiken sind aus den Judenschutzgeldrechnungen gezogen.<br />

Addiert werden Schutz<strong>juden</strong> des Hochstifts: 358 (1719), 351<br />

(1745), 377 (1749), 355 (1754), 388 (1763), der Stifte und<br />

Klöster: 72 (1719), 65 (1745), 72 (1749), 75 (1754), 78 (1763),<br />

insgesamt: 430 (1719), 422 (1745), 449 (1749), 430 (1754),<br />

466 (1763). Die Schutz<strong>juden</strong> der Adeligen und anderer Korporationen<br />

sind in der Quelle nicht enthalten. – Weitere statistische<br />

Daten bei L. Scherg, Land<strong>juden</strong>tum, S. 229-231.<br />

155 Beispiele aus Franken bei E. Schubert, Arme Leute, S. 158-160<br />

und zugehörige Anmerkungen.<br />

156 Zu den Entwicklungen in Deutschland: E. R. Huber, Verfassungsgeschichte,<br />

Bd. I S. 25-85, 314-322. Die verwaltungsrechtlichen<br />

Strukturen u. a. des Amtes Rothenfels und ihre<br />

Veränderungen im 19. Jh. detailliert bei: G. Christ, Lohr, S.<br />

348-394, 396-400, 409-418.<br />

Die löwensteinischen Fürsten werden bald darauf<br />

<strong>von</strong> der fortschreitenden politischen Flurbereinigung<br />

selbst getroffen – 1806 werden sie mediatisiert, verlieren<br />

die Souveränität über ihre weit verstreuten Länder,<br />

kommen unter die Hoheit der umliegenden, neu konstruierten<br />

Territorien. Für die Region um Rothenfels<br />

heißt das: Die auf der rechten Mainseite gelegenen<br />

Besitzungen der Löwensteiner gehören nun zum Staat<br />

des Fürstprimas Karl Theodor <strong>von</strong> Dalberg (1802-<br />

1813), der 1803 sein altes Erzstift Mainz in das Fürstentum<br />

Aschaffenburg, ab 1810 Großherzogtum<br />

Frankfurt retten konnte. Die linksmainischen Teile gehen<br />

an das Großherzogtum Baden, das hier ein kurzlebiges<br />

Amt Steinbach einrichtet.<br />

Dieser Zustand währt nur bis 1814, bis zur Auflösung<br />

und Neuverteilung der Würzburger und Frankfurter<br />

Großherzogtümer. Das ehemalige Hochstift<br />

Würzburg fällt zum zweiten Mal und nun endgültig an<br />

das 1806 zum Königreich erhobene Bayern. Das betrifft<br />

auch Rothenfels: Seit dem 3. Juni 1814 sind die<br />

Burg, die Stadt und die rechtsmainischen Teile des<br />

Amtes staatsrechtlich bayerisch. 1819 kommen nach<br />

einem Gebietstausch auch die alten Amtsteile auf der<br />

linken Mainseite wieder hinzu.<br />

In der Folgezeit sind die Gewinner der Mediatisierung<br />

bestrebt, ihre alten und neuen Herrschaften zu<br />

modernen Flächenstaaten zusammenzufügen. Das<br />

heißt, sie müssen ein Gemenge verschiedenster Territorien,<br />

Rechtssysteme und Verwaltungsformen entwirren<br />

und vereinheitlichen. Der Vorgang wird erschwert<br />

durch die Tatsache, dass die mediatisierten Fürsten<br />

keinesfalls <strong>von</strong> der politischen Bildfläche verschwinden.<br />

Sie behaupten weiterhin eine Reihe <strong>von</strong> Herrschaftsrechten,<br />

Einkünften und Privilegien. Die<br />

souveränen Staaten behalten sich die Gesetzgebung,<br />

die oberste Gerichtsbarkeit, die obere Polizeigewalt,<br />

die militärische Konskription und die Besteuerung<br />

vor; den Fürsten hingegen stehen weiterhin alle Besitzungen,<br />

Zehnten und Feudaleinkünfte als Patrimonialoder<br />

Privateigentum zu, außerdem etliche Herrschaftsrechte,<br />

vor allem die Zivil- und Kriminalgerichtsbarkeit<br />

in niederer Instanz.<br />

Mit dieser komplizierten Art einer Unterherrschaft<br />

haben, wie alle Untertanen, auch die Juden ihre Not –<br />

die Gesetzgebung kommt aus Bayern, vertreten durch<br />

die königliche Kreisregierung in Würzburg, die Ausführung<br />

und Überwachung obliegt den fürstlichen Behörden<br />

in Wertheim und Rothenfels, dann Neustadt,<br />

die nach wie vor auch eine Vielzahl <strong>von</strong> Abgaben beanspruchen;<br />

da sind Zuständigkeitsprobleme vorprogrammiert.<br />

Nach dem staatlichen Übergang an Bayern wird<br />

die löwensteinische Verwaltungs- und Justizbehörde<br />

Rothenfels, die frühere würzburgische Amtskellerei,<br />

zum Herrschaftsgericht. Eine tiefgreifende Veränderung<br />

der rechtlichen Verhältnisse kommt jedoch erst<br />

mit dem Jahr 1848. Als ein Ergebnis der bürgerlichen<br />

Revolution und mit der Politik des reformorientierten

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