Europa rebelliert - Alte und neue Zeiten
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2 | M E I N U N G<br />
WOCHENZEITUNG FÜR POLITIK, WIRTSCHAFT, KULTUR, WISSEN UND DEBATTE<br />
Parteitag der FDP<br />
Vertane Chance<br />
Von Hinrich Rohbohm<br />
ie FDP steckt in einem Tief. Mehr noch: Sie hat ein „Marken-<br />
Dproblem“, wie es der schleswig-holsteinische Fraktionsvorsitzende<br />
Wolfgang Kubicki auf dem Rostocker Parteitag am vergangenen Wochenende<br />
so treffend analysierte. Der Versuch der Liberalen, mit <strong>neue</strong>n<br />
Köpfen enttäuschte Wähler zurückzugewinnen, ist nachvollziehbar,<br />
reicht aber allein nicht aus.<br />
Die FDP muß auch inhaltlich zeigen, daß sie eine glaubwürdige<br />
<strong>Alte</strong>rnative zu den anderen etablierten Parteien sein kann. Derzeit ist<br />
sie das definitiv nicht. Vielmehr reiht sie sich ein in das linksliberale<br />
„Wir alle sind die Mitte“-Gefühl, obwohl diesen Einheitsbrei immer<br />
weniger Bürger zu sich nehmen mögen. Mit Positionen wie Atomausstieg,<br />
Klimaschutz <strong>und</strong> Euro-Schönrederei serviert sie potentiellen<br />
Wählern genau jene Mainstream-Kost, die auch Union, SPD <strong>und</strong><br />
Grüne auf den Speiseplan gesetzt haben. Genau damit aber setzt sie<br />
zum langen Marsch in die Überflüssigkeit an – trotz <strong>neue</strong>r Köpfe.<br />
Die Preisgabe der rechten Mitte durch die Union gab der FDP<br />
die Chance, <strong>neue</strong> Wählerschichten zu erreichen, deren Stimmen sie<br />
wegen fehlender <strong>Alte</strong>rnativen bei der B<strong>und</strong>estagswahl bereits geliehen<br />
bekommen hatte. Doch die Liberalen richten sich nun lieber nach<br />
den Medien statt nach den Menschen. Eine Chance wurde vertan, die<br />
Wahlniederlagen werden sich wie bei der Union fortsetzen.<br />
W<br />
Krankenkassen-Konkurs<br />
Sturm im Wasserglas<br />
Von Jens Jessen<br />
n Berlin hat die Pleite der City BKK zu Irritationen der Versicherten<br />
I<strong>und</strong> der Krankenversicherungen geführt. An sich war es das Ziel<br />
des im Jahr 2007 beschlossenen Ges<strong>und</strong>heitsfonds in der gesetzlichen<br />
Krankenversicherung, einen funktionierenden Risikostrukturausgleich<br />
zu installieren, der Insolvenzen verhindert. Die unterschiedlichen Ausgaben<br />
der Kassen – je nach Krankheitszustand ihrer Klientel – sollen<br />
damit ausgeglichen werden.<br />
Kassen mit jungen, ges<strong>und</strong>en Mitgliedern erhalten deshalb weniger<br />
Geld aus dem Ges<strong>und</strong>heitsfonds. Kassen mit Versicherten, die durch<br />
viele Krankheiten aus einer Liste mit achtzig Leiden <strong>und</strong> Tausenden<br />
Einzeldiagnosen gekennzeichnet sind, fließt aus dem Fonds weitaus<br />
mehr Geld zu. Die Insolvenz der City BKK in Berlin macht deutlich,<br />
daß der Fonds weder kurz- noch langfristige Probleme löst.<br />
Die Hauptstadt ist stärker als andere Städte <strong>und</strong> urbane Regionen<br />
in Deutschland durch eine ungünstige Bevölkerungsstruktur<br />
belastet. Die Zahl der Jüngeren <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>en nimmt ab. Weniger<br />
Beitragszahlern stehen immer mehr immer älter werdende Menschen<br />
gegenüber. Eine höhere Lebenserwartung erfordert mehr Behandlung.<br />
Die wiederum führt zu höheren Ges<strong>und</strong>heitskosten. Berlin erlebt jetzt<br />
im kleinen, was in Kürze in ganz Deutschland ankommen wird: das<br />
große Kassensterben.<br />
Erweitertes Verbandsklagerecht<br />
Zweischneidig<br />
Von Arnold Steiner<br />
er Europäische Gerichtshof hat in der vergangenen Woche ent-<br />
Dschieden, daß Umweltverbänden in Deutschland ein erweitertes<br />
Klagerecht zusteht. Auch bisher gab es ein solches Verbandsklagerecht<br />
für Umweltverbände, allerdings nur insoweit, wie es auch Privatpersonen<br />
zustehen würde. Dies sei jedoch keine ausreichende Umsetzung<br />
europäischer Richtlinien, stellten die Richter fest.<br />
Künftig können Umweltschutzorganisationen auch dann gegen<br />
Entscheidungen vorgehen, wenn diese „möglicherweise erhebliche<br />
Auswirkungen auf die Umwelt haben“. Ihnen wird nun auch dort<br />
ein Klagerecht einzuräumen sein, wo zwar ein öffentliches Interesse<br />
an einer Klärung besteht, aber kein subjektives Recht eines einzelnen<br />
verletzt wird. Mit dieser Entscheidung wird ein weiteres Mal von Luxemburg<br />
unmittelbar in die deutsche Legislative eingegriffen. Welche<br />
Folgen dies haben wird, ist noch nicht abzusehen.<br />
Es hängt auch davon ab, wie die betroffenen Verbände von ihrem<br />
<strong>neue</strong>n Recht Gebrauch machen werden. Mit genügend Augenmaß<br />
genutzt, wird sicher ein Korrektiv für Fälle geboten, in denen kein<br />
anderer Kläger die Möglichkeit hat, eine Behördenentscheidung überprüfen<br />
zu lassen. Die erweiterte Kompetenz kann allerdings auch<br />
schnell in ein Verhinderungsinstrument umschlagen, das sinnvolle<br />
Industrieansiedlungen erheblich verzögert.<br />
ie sagte der Münchner Philosophieprofessor<br />
Thomas Buchheim so trefflich:<br />
„Dadurch, daß ich mit dem Gehirn den-<br />
ke, denkt aber doch nicht das Gehirn statt meiner.“<br />
Nutzen wir also dieses w<strong>und</strong>ervolle Instrument, das<br />
uns vom Schöpfer gegeben wurde, nach Kräften<br />
dazu, all jenen auf die Schliche zu kommen, die<br />
dem Volk auch noch den größten Unfug in die<br />
Köpfe blasen wollen.<br />
Wie etwa – als nur ein Beispiel unter vielen – das<br />
unerhört schäbige Pingpongspiel mit der „Kinderarmut“.<br />
Vor drei Jahren hatte die Organisation für<br />
wirtschaftliche Zusammenarbeit <strong>und</strong> Entwicklung<br />
(OECD) wieder einmal grollend über Deutschland<br />
zu Gericht gesessen: Angeblich darben hierzulande<br />
16,3 Prozent der 10,3 Millionen Kinder unterhalb<br />
der Armutsgrenze. Welch ein gef<strong>und</strong>enes Fressen,<br />
welch eine Steilvorlage für die hiesige Gutmenschen-<br />
Industrie! Sofort ertönte natürlich wieder deren<br />
Schlachtruf nach „sozialer Gerechtigkeit“ in ungezählten<br />
Quasselr<strong>und</strong>en <strong>und</strong> der gedruckten Presse.<br />
Neuer deutscher Flaggenstreit: „Wir hätten da noch zwei Vorschläge ...“<br />
PAUL ROSEN<br />
W<br />
Falsche Studie zu Kinderarmut<br />
Für dumm verkauft<br />
»Welch ein gef<strong>und</strong>enes<br />
Fressen, welch eine<br />
Steilvorlage für die<br />
hiesige Gutmenschen-<br />
Industrie!«<br />
KOLUMNE VON ROLF DRESSLER<br />
Nicht zum Nulltarif<br />
B<strong>und</strong>eswehr: Die Aussetzung der Wehrpflicht wird teurer als behauptet<br />
er heutzutage Soldat ist, kennt<br />
keinen anderen Zustand als die<br />
„Reform“ oder „Transforma-<br />
tion“. Sie ist ein ständiger Begleiter der<br />
B<strong>und</strong>eswehr seit der deutschen Einheit vor<br />
über 20 Jahren. Die Soldaten wissen nicht,<br />
wo es hingeht <strong>und</strong> was sie eigentlich sollen.<br />
Mal ist mehr Landesverteidigung angesagt,<br />
dann wieder weniger. Mal müssen Fähigkeiten<br />
für Einsätze r<strong>und</strong> um den Globus<br />
erworben werden, dann wird der Radius<br />
wieder enger gezogen. Deutschland werde<br />
auch am Hindukusch verteidigt, lautete ein<br />
Schlüsselsatz des früheren Verteidigungsministers<br />
Peter Struck (SPD). Der Satz<br />
hörte sich gut an; die dahinterstehende<br />
Frage, wie eine deutsche Geopolitik aussehen<br />
könnte, wurde aber nicht beantwortet.<br />
Da sich die deutsche Politik unabhängig<br />
von den politischen Farben der jeweiligen<br />
Regierungen um eine genaue Definition<br />
deutscher außenpolitischer Interessen<br />
herumdrückt, bleibt auch der Auftrag der<br />
B<strong>und</strong>eswehr unklar, nachdem der Feind<br />
von damals, der Ostblock, nicht mehr<br />
existiert. Über Einsätze im Innern, die<br />
in anderen Ländern eine Selbstverständlichkeit<br />
sind, wird man sich nicht einig.<br />
Entsprechend unklar sind die Vorgaben für<br />
die Truppe. Selbst die Nato sucht händeringend<br />
nach <strong>neue</strong>n Aufgaben <strong>und</strong> hat sie<br />
nur zum Teil in der Terrorismusbekämpfung<br />
gef<strong>und</strong>en.<br />
Frühere Verteidigungsminister mißbrauchten<br />
die B<strong>und</strong>eswehr nach der<br />
deutschen Einheit als Steinbruch. Die<br />
Soldatenzahl wurde verkleinert, Kasernen<br />
wurden geschlossen, Schiffe <strong>und</strong> Flugzeuge<br />
aufgegeben, Panzer verkauft. Ein Konzept<br />
stand nie dahinter. Mehr Auslandseinsätze<br />
sollte es geben <strong>und</strong> gab es schließlich<br />
auch. Die Öffentlichkeit w<strong>und</strong>erte sich nur<br />
darüber, daß eine 280.000 Mann starke<br />
Truppe Probleme hatte, ein paar tausend<br />
Soldaten in Afghanistan <strong>und</strong> auf dem<br />
Balkan präsent zu halten. Die Erklärung<br />
war einfach: Die Truppe hatte sich seit<br />
Ruckzuck <strong>und</strong> reflexhaft folgsam legte die schwarzgelbe<br />
B<strong>und</strong>esregierung 20 Euro je Sprößling beim<br />
Kindergeld zu – was Väterchen Staat, sprich: uns<br />
Steuerzahler, seither lockere vier Milliarden extra<br />
kostet; pro Jahr, versteht sich.<br />
Ende April 2011 nun versuchten die Fremdbestimmer<br />
von der OECD Deutschland <strong>und</strong> die<br />
Deutschen auf dreisteste Weise gleich noch einmal<br />
für dumm zu verkaufen: Jetzt plötzlich behaupten<br />
den Tagen eines Verteidigungsministers<br />
Franz Josef Strauß nicht wesentlich geändert.<br />
Wehrpflichtige wurden eingezogen<br />
für einen Krieg, der nicht mehr kam.<br />
Die Luftwaffe übt immer noch, fremde<br />
Flieger abzufangen <strong>und</strong> die Marine das<br />
Minenlegen in der Ostsee. Nur wenige<br />
Kräfte sind mit internationalen Einsätzen<br />
befaßt. Außerdem notwendige Experten<br />
werden aus den verschiedenen Einheiten<br />
herausgefischt, so daß die B<strong>und</strong>eswehr<br />
im internationalen Einsatz heute mehr<br />
„Die erhofften Einsparungen<br />
muß sich<br />
der Finanzminister<br />
abschminken.<br />
Sonst bekommt er<br />
das, was er bezahlt<br />
hat: Kreisklasse-<br />
Niveau in der Sicherheitspolitik.“<br />
an einen zusammengewürfelten Haufen<br />
erinnert als an Einheiten, die den Namen<br />
„Einheit“ verdienen würden.<br />
Natürlich hat sich einiges verändert.<br />
Generäle konnten in Militärdingen unerfahrenen<br />
Politikern Thesen schmackhaft<br />
machen, daß die B<strong>und</strong>eswehr nicht nur<br />
drei Teilstreitkäfte, sondern in Gestalt der<br />
Streitkräftebasis <strong>und</strong> der Sanität noch zwei<br />
weitere braucht, was zu einer Inflation von<br />
Stäben geführt hat. Die Rüstungsindustrie<br />
drehte ahnungslosen Politikern teures Gerät<br />
an, das keiner braucht wie den Euro-<br />
Fighter, den Militärtransporter A400M<br />
oder lautlose U-Boote <strong>und</strong> nicht funktionierende<br />
Hubschrauber. Fahrzeuge mit Minenschutz<br />
für die Einsatzgebiete hingegen<br />
waren <strong>und</strong> sind Mangelware. Überforderte<br />
Politiker suchten nach Wahlgeschenken<br />
<strong>und</strong> schafften die Wehrpflicht ab. Außerdem<br />
verlangte der Finanzminister weitere<br />
acht Milliarden Euro Einsparungen.<br />
Mit Verlaub: So kann eine Regierung<br />
mit einer Armee nicht umgehen. Was fehlt<br />
sie völlig skrupellos, „man“ (Wirtschaftsforscher,<br />
die Regierung Merkel?) habe sie vor drei Jahren<br />
angeblich mit gänzlich falschem Statistikmaterial<br />
beliefert. Die deutsche Kinderarmutsrate liege – o<br />
W<strong>und</strong>er – in Wahrheit nur halb so hoch, nämlich<br />
bei 8,3 Prozent; dank der geradezu vorbildlich hohen<br />
finanziellen staatlichen Hilfen für bedürftige<br />
Familien.<br />
Schuld an diesen haarsträubenden Machenschaften<br />
will selbstredend niemand sein. Beim Deutschen<br />
Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) faselt man<br />
davon, daß „die Gruppe nicht befragungsbereiter<br />
Personen“ zwar früher zu „statistischen Unsauberkeiten“<br />
geführt habe, inzwischen aber sei sie für die<br />
Erhebungen zur Armut „relevant“ geworden. Im<br />
übrigen habe es eine Datenpanne bei der Zahlenzulieferung<br />
des DIW an die OECD nie gegeben.<br />
Also alles klar im deutschen „Absurdistan“?<br />
Rolf Dressler war langjähriger Chefredakteur beim<br />
„Westfalen-Blatt“ in Bielefeld <strong>und</strong> ist nun freier Journalist.<br />
<strong>und</strong> was auch der <strong>neue</strong> Verteidigungsminister<br />
Thomas de Maizière (CDU) nicht wird<br />
leisten können, ist eine Aufgabenbeschreibung,<br />
sozusagen die Militärpolitik. Die<br />
Fragen lauten: Was wollen wir mit einer<br />
Armee in Deutschland? Soll sie im Land<br />
eingesetzt werden <strong>und</strong> eventuell polizeiliche<br />
Aufgaben übernehmen? Was bedeutet<br />
heute Landesverteidigung? Was sind die<br />
deutschen Interessen <strong>und</strong> wie weit soll der<br />
Einsatzhorizont gehen? Nur <strong>Europa</strong> oder<br />
auch der Rest der Welt? Wenn diese Fragen<br />
beantwortet würden, dann könnten<br />
daraus Materialbedarf <strong>und</strong> Truppenstärken<br />
entwickelt werden. Beispiele zeigen<br />
das: Wenn die B<strong>und</strong>eswehr nicht bis ins<br />
südliche Afrika vorstoßen soll, braucht sie<br />
auch keine Transportflugzeuge, die ohne<br />
Zwischenstopp dorthin fliegen können.<br />
Und wenn der Schutz vor „dreckigen<br />
Bomben“ im ABC-Bereich Polizeiaufgabe<br />
ist, braucht man bei der B<strong>und</strong>eswehr<br />
nur kleine ABC-Komponenten. Und wer<br />
von Heimatschutzbataillonen redet, muß<br />
die Antwort geben, womit er sie ausrüsten<br />
will: Panzer oder Schlagstöcke?<br />
Die Politik ist dabei, das Pferd von hinten<br />
aufzuzäumen, indem sie zuerst mit<br />
Personalzahlen wie 150.000 bis 180.000<br />
Soldaten operiert <strong>und</strong> dann die Aufgaben<br />
zu beschreiben versucht. Und selbst diese<br />
Zahlen werden nicht erreicht werden<br />
können, wenn den Zeit- <strong>und</strong> Berufssoldaten<br />
nicht mehr Sold gezahlt <strong>und</strong> das<br />
persönliche Umfeld verbessert wird: Wie<br />
in der amerikanischen Armee sind Häuser<br />
für die Soldatenfamilien auf dem Kasernengelände,<br />
Kindergärten <strong>und</strong> Schulen<br />
erforderlich, um qualifizierten Nachwuchs<br />
zu gewinnen. Das kostet Geld, genauso<br />
wie die für <strong>neue</strong> Aufgaben zu bauenden<br />
Schützenpanzer, Flugzeuge, Hubschrauber<br />
<strong>und</strong> Schiffe (zum Beispiel Truppentransporter)<br />
Geld kosten. Die <strong>neue</strong> B<strong>und</strong>eswehr<br />
wird, selbst wenn ihre Ziele <strong>und</strong> Aufgaben<br />
wieder nur unvollständig beschrieben<br />
werden, viel Geld kosten. Die erhofften<br />
Einsparungen muß sich der Finanzminister<br />
abschminken. Sonst bekommt er das, was<br />
er bezahlt hat: Kreisklasse-Niveau in der<br />
Sicherheitspolitik.<br />
Lesereinspruch<br />
Zitate<br />
„Man erzählt uns immer wieder,<br />
daß die Flüchtlinge aus Nordafrika<br />
ein Problem sind, aber das wahre<br />
Problem sind die Europäer <strong>und</strong> ihre<br />
Unfähigkeit solidarisch zu handeln.<br />
Wenn man dem Druck der Populisten<br />
nachgibt, haben wir bald Gesichtskontrollen<br />
an unseren Grenzen<br />
– dunkelhäutige Menschen werden<br />
kontrolliert, weiße dürfen passieren<br />
– so schaffen wir ein <strong>Europa</strong> à<br />
la carte.“<br />
Daniel Cohn-Bendit, grüner <strong>Europa</strong>abgeordneter,<br />
in einer Rede vor<br />
dem EU-Parlament am 10. Mai 2011<br />
„Ich finde es cool, nicht jede Mode<br />
mitzumachen, sondern Traditionen<br />
zu pflegen.“<br />
Thomas (Tommy) Hilfiger, amerikanischer<br />
Modeschöpfer, in der „Welt<br />
kompakt“ vom 10. Mai 2011<br />
„Die Deutschen haben sich in den<br />
vergangenen Jahren an ein positives<br />
Selbstbild gewöhnt. Frei von den<br />
Schatten der Vergangenheit. Sie<br />
haben dabei die Gefahren der Gegenwart<br />
übersehen. Eine Immunität<br />
gegen Rechts hat ihnen die Nazizeit<br />
nicht eingebracht. Man braucht<br />
keinen besonders verworfenen<br />
Volkscharakter zu unterstellen, um<br />
sich über deutsche Anfälligkeit für<br />
rechtes Gedankengut zu sorgen. Es<br />
ist schon schlimm genug, wenn die<br />
Deutschen hier keinen Deut besser<br />
sind als ihre Nachbarn.“<br />
Jakob Augstein, Herausgeber, im<br />
„Freitag“ vom 12. Mai 2011<br />
„Ich frage mich, ob es die Deutschen<br />
der zweiten <strong>und</strong> dritten Generation<br />
auf Dauer nicht selbst ermüdend<br />
finden, die Rolle des ‘Buße tuenden<br />
Deutschen’ ewig weiterzuspielen.<br />
(...) Das Leben selbst ist ja nie starr,<br />
es ist im Fluß.“<br />
Malgorzata Sikorska-Miszczuk,<br />
polnische Dramatikerin, in der „Berliner<br />
Zeitung“ vom 12. Mai 2011<br />
„Wer bei uns etwas zu sagen hat,<br />
spricht von den ‘Menschen in unserem<br />
Land’ oder von den ‘Menschen<br />
in Deutschland’, obwohl ‘Deutsche’<br />
<strong>und</strong> ‘Menschen in Deutschland’ keineswegs<br />
dasselbe sind. (...) Eine klare<br />
Sprache belebt die Gesellschaft.<br />
Der Verzicht auf sie macht einsam<br />
<strong>und</strong> verletzlich. Das gilt für beide<br />
Seiten, für die Sprechenden <strong>und</strong> für<br />
die, über die gesprochen wird. Unser<br />
aller Würde äußert sich darin, daß<br />
wir uns mit Takt <strong>und</strong> Scharfsinn<br />
der Mühe unterziehen, die richtigen<br />
Namen füreinander zu finden.<br />
Genau darauf verzichtet die Rede<br />
vom Menschen – sei es aus Bequemlichkeit,<br />
Angst oder Hochmut. Die<br />
Rede vom bloßen Menschen ist<br />
menschenverachtend.“<br />
Andreas Krause Landt, Verleger, im<br />
„Deutschlandradio“ am 13. Mai 2011<br />
„Wir sind kein Volk der Radfahrer,<br />
sondern eine stolze Autonation.“<br />
Uwe Hück, Porsche-Betriebsratschef,<br />
in der „Bild am Sonntag“ vom 15.<br />
Mai 2011<br />
„Bis in die dritte Generation zurückzugehen,<br />
hieße, ‘Migrationsmumien’<br />
zu schaffen. Das ist eine Quelle<br />
für Streitereien. Fallen Österreicher,<br />
Spätaussiedler <strong>und</strong> Nord-Schleswiger<br />
auch unter die Quote? Vor<br />
lauter Frauen-, Jugend-, Ost- <strong>und</strong><br />
Migrantenquoten muß man dann<br />
auf das Kästchen achten, in das man<br />
gesteckt werden kann.“<br />
Heinz Buschkowsky, Bezirksbürgermeister<br />
von Berlin-Neukölln (SPD),<br />
im „Focus“ vom 16. Mai 2011<br />
Rachegelüste<br />
JUNGE FREIHEIT<br />
Nr. 21/11 | 20. Mai 2011<br />
Zu: „Sofort wegsperren“ von Hinrich Roh- Strafe davonkommen. Sie werden ihr<br />
bohm (JF 18/11)<br />
Urteil schon noch bekommen, <strong>und</strong> bei<br />
ch möchte hier Rechtsstaatlichkeit dem, was sie sich hier geleistet haben,<br />
Ianmahnen <strong>und</strong> dem Autor wider- wird es nicht wenig sein.<br />
sprechen. Um einen Tatverdächtigen in Ich finde das Vorgehen der Tatver-<br />
Untersuchungshaft nehmen zu können, dächtigen auch abstoßend <strong>und</strong> bin auch<br />
ist außer dem dringenden Tatverdacht für ein hartes, aber gerechtes Urteil. Nur<br />
ein Haftgr<strong>und</strong> erforderlich. Wenn der sollte es unseren rechtsstaatlichen Prin-<br />
Haftrichter keine Flucht-, keine Verdunzipien entsprechen. Darauf sollten wir<br />
kelungs- oder keine Wiederholungsge- schon Wert legen.<br />
fahr erkennen kann, muß er ihn wieder<br />
laufen lassen. So steht es im Gesetz, so<br />
sollte es auch gehandhabt werden <strong>und</strong><br />
so ist es auch richtig.<br />
LOTHAR MELCHIN, BÜCKEBURG<br />
Die Forderung des Autors („... gehört<br />
weggesperrt. Und das sofort.“) mag<br />
niedere Rachegelüste befriedigen. Mit<br />
rechtsstaatlichen Regeln hat sie nichts<br />
zu tun. Daß die Tatverdächtigen zur Zeit<br />
nicht in Untersuchungshaft genommen<br />
wurden, bedeutet ja nicht, daß sie ohne<br />
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JUNGE FREIHEIT Leserforum<br />
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