Denkmalpflegepreis 2016
Sonderdruck der Denkmalpflege des Kantons Bern und der Zeitschrift UMBAUEN+RENOVIEREN, Archithema Verlag
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Bauen und Wohnen im historischen Umfeld:<br />
Lust oder Last – oder von beidem etwas?<br />
Als Architekt setzt Sven Harttig auf die Ästhetik und die Qualität der<br />
alten Bausubstanz statt auf Luxus. Für ihn und seine Familie ist es eine<br />
grosse Bereicherung, in einem historischen Bauwerk zu wohnen.<br />
SPEZIALPREIS <strong>2016</strong><br />
Wohnliches<br />
Gewerbehaus<br />
Sven Harttig<br />
Wie beraten Sie als Architekt eine Bauherrschaft,<br />
die ein historisches Gebäude<br />
besitzt und dieses renovieren oder umbauen<br />
will?<br />
Das ist sehr individuell. Als Architekt ist man<br />
sicher in einer Vermittlerrolle, zwischen der<br />
Bauherrschaft, dem Gebäude, der Denkmalpflege.<br />
Die Leute sind sehr verschieden; es gibt<br />
jene, die die historische Bausubstanz schätzen<br />
und bereit sind, ihren Horizont zu öffnen, nach<br />
dem Motto: je mehr fachliche Meinungen, desto<br />
besser. Andere Bauherrschaften haben eher<br />
Berührungsängste, gerade bezüglich denkmalpflegerischer<br />
Aspekte, oder sehen mehr die<br />
wirtschaftliche Seite. Als Architekt muss man<br />
prüfen, wo man die Leute abholen kann, wie<br />
weit man gehen kann. Entsprechend muss ein<br />
auf die Bauherrschaft zugeschnittenes Renovierungskonzept<br />
erarbeitet werden. Dabei ist<br />
es wichtig, auch die finanzielle Seite zu beachten.<br />
Man muss einen Umbau in einem vernünftigen<br />
Rahmen halten, pragmatische Lösungen<br />
sind gefragt.<br />
Wie arbeiten Sie mit der Denkmalpflege<br />
zusammen?<br />
Die Diskussionen mit der Denkmalpflege sind<br />
oft intensiv, aber auch wertvoll: Oft ist es hilfreich,<br />
als Architekt einen Sparringpartner zu<br />
haben! Ich lernte den Bauberater der Denkmalpflege<br />
als kooperativen Partner kennen,<br />
dem bewusst ist, dass eine Bauherrschaft im<br />
Extremfall auch alle denkmalpflegerischen<br />
Vorschläge von sich weisen kann. Die finanzielle<br />
Unterstützung bei der Sanierung von Altbau<br />
ten ist hingegen immer willkommen und<br />
kann Einfluss auf die Entwicklung eines Bauprojekts<br />
haben.<br />
Es heisst oft «Denkmalpflege gleich<br />
teuer». Wie beurteilen Sie dies?<br />
Sanieren ist generell relativ teuer. Bei der Sanierung<br />
eines Altbaus gilt eigentlich das Gleiche<br />
wie für einen Neubau: Wenn man sich für<br />
gute Material- und Handwerkerqualität entscheidet,<br />
hat dies seinen Preis. Die fachgerechte<br />
Rekonstruktion von historischen Bauteilen<br />
kann kostspielig sein, man schafft damit aber<br />
auch einen Mehrwert. Der Mehraufwand, der<br />
bei der Restaurierung von historischen Bau-<br />
« Die Qualitäten alter<br />
Bauten kennenzulernen und<br />
zu verstehen, hat mein<br />
Architekturverständnis<br />
beeinflusst. »<br />
teilen entsteht, wird in der Regel durch die<br />
finanziellen Beiträge mehr oder weniger gedeckt.<br />
Interessanterweise ist die Sanierung jüngerer<br />
Bauten aus den 1960er- und 70er-Jahren<br />
oft komplexer als jene von älteren Gebäuden.<br />
Ältere Bauten haben den Vorteil, dass die Fügungen<br />
klar und die Leitungen sichtbar sind.<br />
Es sind eigentlich «mechanische» Bauten. Das<br />
macht die Restaurierung einfacher.<br />
Wer fühlt sich von historischen Bauten<br />
angesprochen?<br />
Ein Publikum, das den Wert eines solchen Baus<br />
erkennt, die originale Bausubstanz schätzt, und<br />
bereit ist, dafür etwas zu bezahlen. Altbauwohnungen<br />
sind beliebt, auch wenn ihr Standard<br />
häufig nicht mit einer Neubauwohnung zu vergleichen<br />
ist; zum gleichen Preis kann man in<br />
vielen Fällen auch in einen Neubau ziehen. Ich<br />
denke, die Ambiance macht sehr viel aus und<br />
bringt die Leute dazu, trotz eventueller Abstriche<br />
beim Komfort lieber in Altbauten zu<br />
wohnen.<br />
Was genau macht für Sie die Anziehungskraft<br />
dieser Häuser aus?<br />
Ich habe den Eindruck, dass in alten Häusern<br />
mehr Leute spontan finden «das gefällt mir,<br />
hier fühle ich mich wohl», als dies in modernen<br />
Bauten der Fall ist. Über die Gründe kann<br />
man philosophieren … Es hat wahrscheinlich<br />
mit unserer Wahrnehmungserfahrung zu tun.<br />
Alte Häuser rufen Bilder hervor, die uns vertraut<br />
sind, zu denen wir Assoziationen haben.<br />
Die Auseinandersetzung mit alten Häusern hat<br />
auch mein Verständnis für moderne Bauten<br />
verändert. Die Qualitäten alter Bauten kennenzulernen<br />
und zu verstehen, hat mein Architekturverständnis<br />
beeinflusst.<br />
Was bedeutet es für Sie persönlich und<br />
für Ihre Familie, in einem historischen<br />
Bauwerk zu wohnen?<br />
Es ist eine Bereicherung für uns! Wir sind heute<br />
schon gespannt, welchen Stellenwert das<br />
Haus für unsere Kinder in 20 Jahren haben<br />
wird. Auf jeden Fall versuchen wir, ihnen die<br />
Wertschätzung für ein solches Gebäude weiterzugeben.<br />
Es gibt Momente, in denen wir auf<br />
dem Sofa sitzen und uns ein spezielles Detail<br />
auffällt, das wir so noch nie wahrgenommen<br />
haben. Dies sind kleine Glücksmomente. Es ist<br />
für uns keine Einschränkung, in einem denkmalgeschützten<br />
Haus zu wohnen, eher das Gegenteil<br />
ist der Fall. Wenn man eine andere<br />
Wohnvorstellung hat, soll man sich nicht für<br />
ein solches Haus entscheiden.<br />
I nterview: Elisabeth Schneeberger<br />
1 Das ehemalige Büro- und Lagergebäude<br />
in Burgdorf ist ein Blickfang<br />
an der alten Ausfallstrasse nach Bern.<br />
Der Spezialpreis der Fachkommission für Denkmalpflege würdigt das<br />
Engagement einer Bauherrin, die sich mit viel Elan für einen ehemaligen<br />
Lager- und Gewerbebau in Burgdorf eingesetzt hat.<br />
Text: Isabella Meili-Rigert, Hermann Häberli, Fotos: Verena Menz, Redaktion: Silvia Steidinger<br />
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