Denkmalpflegepreis 2016
Sonderdruck der Denkmalpflege des Kantons Bern und der Zeitschrift UMBAUEN+RENOVIEREN, Archithema Verlag
Sonderdruck der Denkmalpflege des Kantons Bern und der Zeitschrift UMBAUEN+RENOVIEREN, Archithema Verlag
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A<br />
ls die Glaskünstlerin Maya Manz das<br />
Haus an der Bernstrasse 9 Anfang 2014<br />
erworben hatte, um darin zwei Wohnungen<br />
und ein Atelier mit Verkaufsraum<br />
zu schaffen, bot es einen recht tristen Anblick;<br />
die Fassaden waren stark verwittert, ein<br />
Loch klaffte in der nordöstlichen Stirnfassade,<br />
und eine Plane deckte notdürftig das undichte<br />
Dach über dem Eingangstrakt. 1860 von<br />
Robert Roller junior als Büro- und Lagergebäude<br />
für die Leinwandfirma der Gebrüder Fankhauser<br />
errichtet, war in dem schlichten, aber<br />
sehr wohlproportionierten Riegbau während<br />
mehrerer Jahrzehnte eine Druckerei betrieben<br />
worden. 2006 wurde der Bau an einen Investor<br />
verkauft. Der Abbruch des Hauses stand<br />
zur Diskussion, konnte aber abgewendet werden.<br />
In der Folge liess der Investor durch die<br />
Architekten Hunziker und Partner aus Oftringen<br />
im grossen Garten einen Wohnungsneubau<br />
planen, dessen Tiefgaragenzufahrt einzig<br />
noch den Abbruch der angebauten Remise erforderte.<br />
Der schützenswerte Altbau wurde abparzelliert<br />
und kam wieder auf den Markt.<br />
Restaurierung orientiert sich<br />
am historischen Bestand<br />
Ein Glücksfall für die neue Bauherrin. Sie plante<br />
in Zusammenarbeit mit der kantonalen Denkmalpflege<br />
die Sanierung und den Umbau selber,<br />
engagierte für die Ausführung einen erfahrenen<br />
Bauleiter und arbeitete während unzähliger<br />
Stunden eigenhändig auf der Baustelle mit.<br />
Ausser den notwendigen Anpassungen an die<br />
neue Nutzung wurden alle Umbauphasen als<br />
historische Zeugnisse erhalten, instand gestellt<br />
und renoviert. Mussten Bauteile ersetzt werden,<br />
orientierte man sich am bauzeitlichen Originalbestand.<br />
Nach diesem Konzept wurden die Riegfassaden<br />
fachgerecht ergänzt und geflickt und<br />
in der bestehenden Farbgebung aus dem frühen<br />
20. Jahrhundert neu gestrichen. Die Eingangsachse<br />
erhielt wieder eine Zinkblecheindeckung,<br />
die Kamine historisch korrekte Hüte und die<br />
Fenster wurden material- und stilgerecht ersetzt.<br />
Die Zimmer und ihre Nutzungen wurden<br />
über die Stockwerke hinweg so auf die Wohnungen<br />
aufgeteilt, dass auch die zweite interne<br />
Treppe weiterhin voll funktionsfähig ist.<br />
Gewerbliche Patina blieb erhalten<br />
Im bauzeitlich erhaltenen Erdgeschoss, wo einst<br />
Leinenstoffe gehandelt und später Druckwaren<br />
produziert worden waren, baute man ein<br />
Bad, eine Küche und einen kleinen Verkaufsladen<br />
ein, der den direkten Treppenabgang ins<br />
Atelier im Untergeschoss nutzen kann und der<br />
neu von der Strasse her zugänglich ist. Die originalen<br />
Farben der Wandtäfer wurden leicht<br />
aufgehellt und die alten Parkette von Hand geschliffen,<br />
sodass die Patina ihrer gewerblichen<br />
Nutzung erhalten blieb. Im Obergeschoss, wo<br />
im ursprünglichen Lagerraum bereits in den<br />
1950er-Jahren eine Wohnung eingebaut worden<br />
war, wurden einzig der Standort der Küche<br />
verändert und wiederum die Oberflächen<br />
2<br />
aufgefrischt. Zusätzlich wurden zwei isolierte<br />
Kammern in den ansonsten kalt belassenen<br />
Dachraum eingebaut, die der oberen Wohnung<br />
als Gästezimmer dienen. Inzwischen ist auch<br />
der Neubau aufgerichtet – den Blickfang bildet<br />
aber wieder der Altbau.<br />
Würdigung<br />
So einfach und überzeugend kann Umbauen<br />
am Baudenkmal sein. Ein schlichtes, jedoch<br />
markantes Gebäude, dessen Umschwung fast<br />
gänzlich abhandengekommen ist, wurde auf<br />
selbstverständliche und grossartige Weise wiederbelebt.<br />
Der Bau behauptet sich überraschend<br />
im Strassenraum. Der kleine mediterran arrangierte<br />
Vorplatz, welcher situativ ganz unterschiedlich<br />
bis hin zum Autoabstellplatz genutzt<br />
wird, ist über zwei abgesenkte Fensteröffnungen<br />
erschlossen. Der Besucherin und dem Passanten<br />
tritt schon von weitem eine lebendige<br />
Gestaltung entgegen – allerdings ohne aufdringlich<br />
zu wirken. Im gepflegten Innern steht<br />
leichtes Mobiliar auf dem von schweren<br />
Druckerpressen und Druckerschwärze gezeichneten<br />
Parkettboden. Bei den vielen erbrachten<br />
aufwendigen Reparaturen und liebevollen Pflegemassnahmen<br />
erfreuen warme Farben und<br />
Oberflächen und auch eigenwillige Massnahmen,<br />
wie ein unkonventioneller eigenhändig<br />
applizierter Bodenanstrich, das Auge des Besuchers.<br />
Schien das Gebäude noch vor kurzem<br />
in seiner Existenz gefährdet, ist es mit seiner<br />
Geschichte und allerlei Geschichten wieder fit<br />
und bereit, die jetzigen und folgenden Generationen<br />
zu beherbergen. Der Spezialpreis würdigt<br />
das mit Sparsamkeit und feinem Gespür<br />
ausgeführte Teamwerk bei der Restaurierung<br />
und das grosse und vielseitige Engagement der<br />
Bauherrin.<br />
2 Wo einst Maschinen standen,<br />
wird heute gewohnt. Hier mussten<br />
lediglich die Oberflächen aufgefrischt<br />
werden.<br />
3 Das Treppenhaus im Obergeschoss<br />
erfuhr ausser einer<br />
farblichen Auffrischung keine<br />
Veränderung.<br />
3<br />
4 Aus den ehemaligen Büroräumen entstand eine neue<br />
Nutzungseinheit als Küche und Esszimmer. Der Schrank<br />
ist von Küche und Esszimmer her nutzbar.<br />
5 Das Atelier im Kellergeschoss wird durch die bestehende<br />
Treppe erschlossen, die direkt in das kleine, von der<br />
Wohnung abgetrennte Verkaufslokal im Erdgeschoss führt.<br />
4 5<br />
Fachkommission für Denkmalpflege<br />
Spezialpreis <strong>2016</strong><br />
Der Spezialpreis der Fachkommission für Denkmalpflege<br />
wird <strong>2016</strong> zum dritten Mal verliehen.<br />
Während die kantonale Denkmalpflege mit dem<br />
Hauptpreis die respektvolle Behandlung eines<br />
Baudenkmals mit Alltagsnutzung würdigt, richtet<br />
der Spezialpreis das Augenmerk generell auf<br />
eine beispielhafte Restaurierung oder auf eine<br />
spektakuläre Einzelmassnahme.<br />
Beim Spezialpreis geht es nicht um ein Baudenkmal<br />
mit Alltagsnutzung wie beim Hauptpreis,<br />
sondern um die sorgfältige Restaurierung<br />
eines aussergewöhnlichen Baudenkmals – mit<br />
entsprechend aufwendigen Massnahmen, um<br />
Kontaktadressen<br />
Bauleitung<br />
Hausflüsterer<br />
Dieter Ballmer und Maya Manz<br />
Obstgartenstrasse 10, 3400 Burgdorf<br />
T 034 423 37 54<br />
Bauberatung Denkmalpflege<br />
Isabella Meili-Rigert<br />
Denkmalpflege des Kantons Bern<br />
Münstergasse 32, 3011 Bern<br />
T 031 633 40 30, www.be.ch/denkmalpflege<br />
Malerarbeiten<br />
Innen: Antonio Zizzari<br />
Steinhofstrasse 41A, 3400 Burgdorf<br />
T 034 422 06 24<br />
Aussen: Pascal Singeisen<br />
Burgergasse 48, 3700 Burgdorf<br />
T 034 423 00 34, www.singeisen.ch<br />
Zimmerarbeiten<br />
Kühni AG<br />
Emmentalstrasse 102, 3435 Ramsei<br />
T 034 460 68 68, www.kuehni-ag.ch<br />
eine bemerkenswerte Lösung oder das herausragende<br />
Engagement einer Bauherrschaft. Zur<br />
Auswahl steht die ganze Palette möglicher Bautypen,<br />
also Kirchen, Schlösser und Gasthöfe<br />
ebenso wie Wohnhäuser, Villen, Gewerbebauten<br />
oder seltene Bautypen wie Wettersäulen und<br />
Staumauern. Ziel des <strong>Denkmalpflegepreis</strong>es und<br />
des Spezialpreises ist es, die Arbeit der Denkmalpflege<br />
an ein breites Publikum zu vermitteln<br />
und den Austausch mit Partnern zu fördern. Die<br />
Fachkommission für Denkmalpflege ist als<br />
externe Jury für die Wahl des Spezialpreises zuständig<br />
und bringt damit eine wichtige Aussensicht<br />
ein. Entscheidend sind zum einen allgemein<br />
gültige Kriterien wie die unbestrittene<br />
Qualität der Restaurierung, zum andern können<br />
auch innovative oder nachhaltige Lösungen den<br />
Ausschlag geben.<br />
Der <strong>Denkmalpflegepreis</strong> und der Spezialpreis<br />
zeigen auf, über welchen kulturellen<br />
Reichtum der Kanton Bern vom Jura bis ins<br />
Oberland verfügt und was im Bereich der Kulturpflege<br />
geleistet wird – insbesondere von privaten<br />
und öffentlichen Bauherrschaften, Architektinnen<br />
und Architekten und Bauschaffenden<br />
in Zusammenarbeit mit den Fachstellen.<br />
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