De:Bug 164
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Etwas Glamour,<br />
Musiker mit tollem<br />
Look und ein paar<br />
clevere Statements<br />
- fertig war die<br />
Identifikationsquelle.<br />
<strong>De</strong>ad Can Dance:<br />
Lisa Gerrard & Brendan Perry, ca. 1984.<br />
Im gleichen Jahr erschien ihr erstes Album<br />
auf 4AD.<br />
TEXT OLIVER TEPEL<br />
Streit auf dem Schulhof. Ralph Records gegen Crépuscule/Factory gegen<br />
4AD. Es war 1984 eine zufällige Konstellation, andere wären ebenso denkbar<br />
gewesen, aber sie bot Anlass zur Verortung, für Selbstdarstellungen<br />
en gros und lieferte Einblick.<br />
Die Echos der parkatragenden K-Gruppen und einhergehende<br />
Oberstufen-<strong>De</strong>batten über eine maoistische oder trotzkistische<br />
Ausrichtung der Schülerzeitung waren längst verhallt. Unsere Generation<br />
hatte Pop nun komplett gefressen, mit Labels als weltanschaulicher<br />
Perspektive auf das Leben. Es war ein cleverer Schachzug der Post-<br />
Punk-Indies, jene geschickte Synthese aus Corporate <strong>De</strong>sign und individueller<br />
Covergestaltung von den klassischen Jazz Labels abzuschauen.<br />
Die Idee mit dem Basis-Sound, der in diverse Richtungen expandiert<br />
und evolviert, ergab sich meist von selbst, spätestens aber wenn eine<br />
Band einigermaßen erfolgreich verkaufte. Dazu noch etwas Glamour,<br />
Musiker mit tollem Look und ein paar clevere Statements - fertig war die<br />
Identifikationsquelle.<br />
"Ignorance of your culture is not considered cool" - den Residents-<br />
Spruch im nachgestellten Ralph-Records-<strong>De</strong>sign hatte einer an die <strong>De</strong>cke<br />
des Herrenklos jener Szene-Kneipe in der, so die Legende, das Label Ata-<br />
Tak erdacht worden war, ge-eddingt. Doch 1984 war Ralph längst kanonisiert,<br />
eine sichere Option, fern ihres Zeniths. Seine Bands, ob aggressiv,<br />
düster oder albern, trugen stets das Pop-Avantgarde-Signet, passend<br />
dazu: Cover im Underground Art-Stil. Man wusste Bescheid, so wie einst<br />
die verhassten Zappa-Hörer. Factory und Les Disques du Crépuscule verließen<br />
1984 den melancholischen Wave der Achse Manchester-Brüssel.<br />
Crépuscule förderte Entwicklungen in Richtung Pop, Bossa Bova, Minimal<br />
Music oder gar Swing. Factory Bands vertieften sich in aktuellen Disco-<br />
Funk. Tolle Platten erschienen, doch sie vergraulten zusehends alte<br />
Fans, die Falle des Eklektizismus oder des Versuchs, just entstandene<br />
Post-Punk-Klischees abzuschütteln. In den kommenden zwei Jahren<br />
wurden die informationskargen, oft extrem eleganten Cover gar von<br />
Textveröffentlichungen begleitet, das Label als Diskurs, ungefähr 1.5<br />
Menschen waren begeistert.<br />
Blood<br />
Aber wo war das Unmittelbare, der stilisierte Pathos und jenes Leiden,<br />
was die frühen 8er so prägte? Hier kam 4AD ins Spiel. Kaum jünger<br />
als Factory, trudelte es etwas länger um sein Image herum. Doch 1983<br />
hatte man Vaughan Olivers <strong>De</strong>sign und die Video Company 23 Envelope<br />
angeheuert. Ihr grafischer Stil passte perfekt zum Sound der gerade<br />
die Indie-Charts erobernden Cocteau Twins und dem soeben erfundenen<br />
Labelprojekt This Mortal Coil. Ein schwebender, teils transparent<br />
ungreifbarer Klang aus jenen Post-Punk-Gitarrennebelwänden, die die<br />
Batcave-Szene prägten, mitunter abgelöst von orchestralen Synthesizer-<br />
Arrangements, das war nun 4AD: Befindlichkeiten, nachtschwarz mit glitzernden<br />
Sternen am fernen Firmament. Das Hedonistisch-Trashige anderer<br />
früher Gothic Acts sparten sie aus und das machte sie angreifbar,<br />
oft "irgendwie peinlich" im Schulhofjargon. Dabei folgte 4AD sehr wohl<br />
dem Vorbild der Differenzierung des Sounds: Colourbox konnten elektronische<br />
Disco (welche über die Jahre zu MARRS leitete), Dif Juz gestalteten<br />
zart experimentelle Minimal-Stücke und Birthday Party lebten<br />
destruktive Aggression. Doch die alte Bohème-Idee des Andersseins<br />
basierte nun noch allein auf einem Gefühl und dessen Expression. <strong>De</strong>r<br />
Kreis war geschlossen. "Lonely as an eyesore the feeling describes itself"<br />
sangen einige Jahre später The Throwing Muses. Allein eine Geste<br />
der Provokation bekannter Stereotypen und Diskurse verblieb dem Label<br />
und war wohl der Grund, Diedrich Diederichsen zum Interview mit dem<br />
Labelchef Ivo Watts-Russell zu schicken. <strong>De</strong>nn This Mortal Coil coverten<br />
vor allem eine exquisite Auswahl an Hippie-Singer-Songwriter-Stücken,<br />
man verneigte sich (gleich dem Paisley-Underground der US-Westküste)<br />
vor dem alten Erzfeind.<br />
<strong>164</strong>–29<br />
WATERGATE<br />
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