24.06.2016 Aufrufe

MEDIAkompakt 20: Trendsparenz

Die Zeitung des Studiengangs Mediapublishing an der Hochschule der Medien Stuttgart

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DIE ZEITUNG DES STUDIENGANGS MEDIAPUBLISHING<br />

DER HOCHSCHULE DER MEDIEN STUTTGART AUSGABE 02/<strong>20</strong>16 30.06.<strong>20</strong>16<br />

media<br />

kompakt<br />

RISE OF THE MACHINES<br />

WISSEN<br />

APP DICH GLÜCKLICH<br />

FÜHLEN<br />

FOODSHARING – TEILEN<br />

STATT WEGWERFEN<br />

MACHEN<br />

TRENDSPARENZ<br />

WAS UNS BEWEGT


2<br />

EDITORIAL<br />

mediakompakt<br />

Liebe Leserinnen,<br />

liebe Leser,<br />

3 Rise of the machines<br />

Unsere Zukunft mit Robotern<br />

4 Aktivismus – Step by Step<br />

Eine Anleitung zum Aktivismus<br />

heute halten Sie die <strong>20</strong>. Ausgabe der <strong>MEDIAkompakt</strong> in den Händen. Wenn man diese Zahl in<br />

Zeiträumen einer Hochschule interpretiert, bedeutet dies immerhin ein Zeitraum von 10 Jahren.<br />

Die mediale (und wahrscheinlich auch die reale) Welt sah vor einem Jahrzehnt noch völlig anders<br />

aus – übrigens auch die <strong>MEDIAkompakt</strong>. Mehrere visuelle Überarbeitungen haben die Zeitung<br />

gestalterisch weiterentwickelt, digitale Ausgaben werden als E-Paper und als App erstellt, die<br />

Projektsteuerung erfolgt in der „Cloud“. Was sich aber nicht verändert hat, ist das Konzept:<br />

Studierende des Verlagsstudiengangs Mediapublishing sollen am Ende ihres Studiums einmal die<br />

theoretisch erlernten Inhalte in der Praxis umsetzen. Dabei wird deutlich, wie komplex es ist mehrere<br />

unterschiedliche Arbeitsbereiche, von der Redaktion über die Anzeigenvermarktung, bis hin zur<br />

Produktion, zu koordinieren. Sicher auch eine gute Übung für die anstehenden beruflichen Aufgaben.<br />

Interessant ist auch immer der Themenfindungsprozess der Studierenden, die sich selbst ein Thema<br />

für die jeweilige Ausgabe geben. „<strong>Trendsparenz</strong>“ – was uns bewegt, gibt einen Einblick in die Welt<br />

junger Menschen, zwischen virtueller Realität und modernen Beziehungen, zwischen bewusstem<br />

Konsum und natürlicher Lebensfreude.<br />

Auch mit der <strong>20</strong>. Ausgabe ist wieder ein Kaleidoskop an Themen und lesenswerten Artikeln<br />

entstanden. Die <strong>MEDIAkompakt</strong> zeigt, wie vielfältig und nachhaltig ein gedrucktes Produkt sein<br />

kann. Ein großes Dankeschön deshalb an die motivierten Studierenden, aber auch an unsere<br />

Anzeigenkunden, die uns seit vielen Jahren durch Inserate das Projekt erst ermöglichen.<br />

Bleibt spannend, wie die <strong>MEDIAkompakt</strong> dann in 10 Jahren aussehen wird...<br />

6 Kultur mal ganz anders<br />

Wie Klassik erlernbar gemacht werden kann<br />

8 Supermarkt 2.0<br />

Wie sieht der Einkauf der Zukunft aus?<br />

9 Ein Milliarden Dollar Geschäft<br />

Broadcast Yourself<br />

10 Auch ihr werdet satt<br />

Der Trendbeobachter im Zukunftsgespräch<br />

12 Virtual Reality – mehr als ein Spielzeug<br />

VR-Experte Andreas Geiger im Gespräch<br />

14 Bis bald Schatz – Fernbeziehung meistern<br />

So nah und doch so fern<br />

16 Neue Esskultur<br />

Erkenntnisse am Tellerrand<br />

17 APP dich glücklich<br />

Das Geschäft mit der Liebe<br />

18 Mythos Authentizität:<br />

Zeig nicht dein wahres Gesicht!<br />

Über die Kunst der Verstellung im Beruf<br />

<strong>20</strong> Mit Social Media um die Welt<br />

Wie uns Weltenbummler mitnehmen<br />

21 Reparieren ist das neue Konsumieren<br />

Ein Café der anderen Art<br />

Prof. Christof Seeger<br />

Herausgeber<br />

22 Trampen – ein aussterbender Trend<br />

Unterwegs als Tramper<br />

24 Das bewusste Leben der jungen Generation<br />

Die „Y“- Generation<br />

26 foodsharing – Teilen statt wegwerfen<br />

Anleitung zum Essensretter<br />

IMPRESSUM<br />

mediakompakt<br />

Zeitung aus dem Studiengang Mediapublishing<br />

Hochschule der Medien Stuttgart<br />

HERAUSGEBER<br />

Prof. Christof Seeger<br />

Studiengang Mediapublishing<br />

Postanschrift: Nobelstraße 10<br />

70569 Stuttgart<br />

REDAKTION<br />

Prof. Christof Seeger (V.I.S.d.P.)<br />

E-Mail: seeger@hdm-stuttgart.de<br />

PROJEKTLEITUNG<br />

Ariane Dobren, Patrick Seibold<br />

ANZEIGENVERKAUF<br />

Alena Hof, Jacquline Lamp, Manuel Müller,<br />

Eda Öz, Mara-Tabea Sarcevic, Hanna Schindehütte,<br />

Michaela Schultheiß, Susanne Wirth<br />

PRODUKTION<br />

Sema Nur Aydin, Sarah Feldmaier, Charlotte Müller,<br />

Nadine Preyl, Markus Ruepp<br />

BILDREDAKTION<br />

Michael Bissinger, Lisa Obele<br />

GRAFIK TITELSEITE<br />

Unsplash<br />

MEDIANIGHT-TEAM<br />

Kathrin Erhardt, Katharina Grenz, Patricia Gillner, Helen<br />

Gorman, Lisa Kohler<br />

DRUCK<br />

Z-Druck Zentrale Zeitungsgesellschaft GmbH & Co. KG<br />

Böblinger Straße 70<br />

71065 Sindelfingen<br />

ERSCHEINUNGSWEISE<br />

Einmal im Semester zur Medianight<br />

27 Hungerspiele oder Leben auf einem neuen Planeten<br />

Dystopien in Literatur und Film<br />

28 Die Schattenseiten Stuttgarts<br />

Auf Streife mit einem Security<br />

30 Nachhaltig durch den Festival-Sommer!<br />

Gemeinsam grün feiern<br />

31 Die Trendfarben des Jahres <strong>20</strong>16<br />

Die Trendfarben des Jahres


2/<strong>20</strong>16 WISSEN<br />

3<br />

Bild: Sema Nur Aydin<br />

Roboter sind die Schöpfung des Menschen nach seinem Vorbild. Es gilt die Grenzen dieser Schöpfung auszuloten.<br />

Rise of the<br />

machines<br />

Intelligente Maschinen<br />

dringen immer weiter in<br />

unseren Alltag vor. Es gibt<br />

spannende Anwendungs -<br />

möglichkeiten, doch sollten<br />

wir auch über die Gefahren<br />

sprechen. Denn eins ist klar,<br />

ihre technologische Weiter -<br />

entwicklung lässt sich nicht<br />

mehr stoppen.<br />

VON PATRICK SEIBOLD<br />

Das Unterholz des Waldes knackt, Schritte<br />

sind zu hören und ein Summen liegt in<br />

der Luft. Es ist kein gewöhnliches Bild<br />

eines verschneiten Waldes, dass sich<br />

dem Betrachter hier bietet.<br />

Was sich hier durch den Wald bewegt, wird die<br />

Art und Weise, wie wir in Zukunft leben und<br />

arbeiten werden, verändern. Denn was hier noch<br />

etwas behäbig und unsicher durch den Wald<br />

stapft, stellt eine technologische Revolution dar.<br />

Die Rede ist von Systemen, wie beispielsweise<br />

Robotern, die mit einer künstlichen Intelligenz<br />

ausgestattet sind und sich mit zunehmender<br />

Geschwindigkeit weiterentwickeln.<br />

Eine Studie der London School of Economics<br />

besagt, dass rund 50% der Jobs automatisiert<br />

werden könnten. Schon jetzt kann man auf<br />

einigen Internetseiten nachschauen, ob sein Job<br />

gefährdet ist.<br />

Möglich wird dies durch enorme Rechen leis -<br />

tungen und komplexe Algorithmen. Vor 19 Jahren<br />

besiegte IBMs Schachcomputer Blue Deep den<br />

Schach weltmeister Garry Kasparow. Vor 5 Jahren<br />

gewann IBMs Supercomputer Watson in Jeopardy<br />

und in diesem Jahr besiegte Googles Programm<br />

AlphaGo den Go-Spieler Lee Sedol mit 4:1.<br />

Die heutigen Generationen können den „Aufstieg<br />

der Maschinen“ hautnah miterleben, indem sie<br />

vielleicht bald in einem autonom fahrenden Autositzen<br />

oder vielleicht sogar ihr zukünftiger<br />

Vorgesetzter ein Roboter sein wird . Ein Versuch des<br />

MIT zeigt, dass ein Mensch und ein Roboter unter<br />

Führung der Maschine bessere Ergebnisse erzielen<br />

können. Die Chancen mithilfe intelligenter Systeme<br />

produktiver arbeiten und den Menschen besser helfen<br />

zu können, wie z.B IBMs Supercomputer Watson, der<br />

in der Krebstherapie eingesetzt wird zeigt, sind<br />

vorstellbar und erstrebenswert.<br />

Doch gilt es auch, die andere Seite dieser Me -<br />

daille zu betrachten. Ein von Google veröffent lichtes<br />

Video zeigt eine Maschine mit mehreren Roboter -<br />

armen, die einzelne Gegen stände aus ihren jewei -<br />

ligen Kisten heben. Ein an sich un schein barer Vor -<br />

gang, doch die Maschine hat sich das Erkennen und<br />

Herauspicken der Gegenstände selber bei gebracht.<br />

Sie entwickelt gar eigene Stra te gien, indem sie<br />

beispielsweise erst einen Ge gen stand wegschiebt,<br />

um dann den gewünschten Gegenstand heraus -<br />

zuholen. Die alte Regel, die besagt, dass Maschinen<br />

nur kennen und können, was der Mensch ihnen<br />

einprogrammiert, scheint so nicht mehr zu gelten.<br />

Diese Maschine lernt von selbst und erzielt dadurch<br />

beeindruckende Resultate.<br />

Was wäre wenn in der Kiste eine Waffe ge -<br />

wesen wäre? Es sind u. a solche Gedankenspiele,<br />

die Menschen vor der Zukunft mit intelligenten<br />

Maschinen Angst machen. Aber auch die Tatsache,<br />

dass sich diese Systeme selber Dinge beibringen.<br />

Unlängst haben sich einige Forscher zusam -<br />

mengetan und für einen vernünftigen Um gang<br />

mit künstlicher Intelligenz aufgerufen. Sie sehen<br />

in dem Wettrüsten im Bereich der künst lichen<br />

Intelligenz eine mögliche Gefahr.<br />

Wer am Ende recht hat, darüber lässt sich zu<br />

diesem Zeitpunkt nur spekulieren. Was sich<br />

sagen lässt ist, dass intelligente Systeme immer<br />

weiter Teil unseres Lebens werden und dieses<br />

verändern werden.


4<br />

WISSEN<br />

mediakompakt<br />

Aktivismus – Step by Step<br />

Nur wenige Menschen stehen heutzutage aktiv für ihre Meinung ein, da ein öffentliches<br />

Vertreten der eigenen Wertevorstellungen schnell von anderen als belästigend wahrgenommen<br />

wird. Jedoch kann sinnvolle Veränderung nur gewährleistet werden, wenn die Mehrheit diese<br />

nicht nur toleriert, sondern sie begrüßt.<br />

VON SARAH FELDMAIER<br />

Habe Mut, dich deines eigenen Ver -<br />

standes zu bedienen! – ein Leit spruch<br />

von Immanuel Kant, der auch noch<br />

nach <strong>20</strong>0 Jahren Gewicht hat. Dabei<br />

ist nicht außer Acht zu lassen, dass<br />

Selbstaufklärung heute unter ganz anderen Vor -<br />

aussetzungen steht, als zu Zeiten Kants, denn sie<br />

muss sich gegen institutionelle und mentale<br />

Infrastrukturen behaupten. Dies sorgt dafür, dass<br />

viele Menschen bei der Aufnahme von Infor -<br />

mationen voreingenommen sind. Wir verdanken<br />

den Infrastrukturen zwar den Erfolg unserer<br />

Kultur, jedoch entwickelt sich unsere Gesellschaft<br />

zunehmend in eine nicht zukunfts fähige Rich -<br />

tung. Sie ignoriert die Wirklichkeit und ist<br />

rücksichtslos gegenüber denen, deren Zukunft sie<br />

damit zerstört.<br />

Selbstaufklärung muss sich des Weiteren ge -<br />

gen ein nie dagewesenes, mediales Infor ma tions -<br />

angebot durchsetzen. Zum einen ist es sehr<br />

einfach, sich Wissen zu beschaffen, zum anderen<br />

ist es umso schwerer, sich bei den verfügbaren<br />

Informationen zurechtzufinden und zwischen<br />

Seriosität und Täuschung zu differenzieren. Trotz<br />

bester Bedingungen in Deutschland, einem<br />

freiheitlich- demokratischem Land, behaupten die<br />

meisten Leute, sie hätten keine Einfluss mög -<br />

lichkeit. Man bezichtigt sich quasi selbst der<br />

Inkompetenz, etwas gegen die weitere Zerstörung<br />

der Welt tun zu können. Dies fällt den meisten<br />

Leuten gar nicht weiter auf, da so viele dies<br />

behaupten.<br />

Das Einverständnis mit der Verschlechterung<br />

der Zukunftsaussichten zeigt sich vor allem darin,<br />

dass in unserer Gesellschaft „Gutmensch“<br />

genauso als Beschimpfung gilt wie „Wutbürger“.<br />

Sind wir soweit gekommen, dass wir lieber<br />

„Schlechtmenschen“ sein wollen, nur um die<br />

eigene Lethargie nicht in Frage stellen zu müssen?<br />

Die Nachrichten vermitteln uns täglich, dass<br />

Klima, Wasser, Boden und Artenvielfalt mit<br />

wachsender Geschwindigkeit zerstört werden.<br />

Beunruhigung verursacht dies trotz der vielen<br />

Zeichen von Erosion, der Einschläge auf dem<br />

Finanzmarkt, im Sozialbereich und in der Umwelt<br />

jedoch bei den Wenigsten.<br />

Laut einer Umfrage der Boston Consulting<br />

Group glauben nur noch 13% der befragten<br />

Eltern, dass es ihren Kindern einmal bessergehen<br />

wird als ihnen selbst. Dies motiviert die restlichen<br />

87% trotzdem nicht, etwas dagegen zu tun. Nun<br />

soll hier nicht jedem bisher Untätigen Ignoranz<br />

unterstellt werden. Bei vielen Menschen stellt sich<br />

wohl eher die Frage nach dem „Wie“, nicht nach<br />

dem „Warum“. Denjenigen kann diese Anleitung<br />

eine kleine Starthilfe geben, denn bereits mit<br />

wenigen Minuten am Tag ist es möglich, etwas zu<br />

verändern.<br />

Wenn man Briefe oder Päckchen verschickt,<br />

können diese mit aussagekräftigen Stickern<br />

versehen werden, um Menschen aufzurütteln und<br />

über Missstände zu informieren. Verkäufer bei<br />

Ebay, Etsy und Co. können Flyer mit in ihre<br />

Pakete hineinlegen. Auch ein Aufkleber auf der<br />

Stoßstange oder Heckscheibe des Autos regt die<br />

Leute zum Nachdenken an. Soziale Netzwerke wie<br />

Facebook sind prädestiniert, um Botschaften zu<br />

verbreiten. Mit zwei, drei Klicks kann man viele<br />

Menschen erreichen. Ob man nun eine Petition,<br />

ein Video oder einen Artikel teilt, der Reiz liegt in<br />

der Vielfalt der Möglichkeiten. Auch die<br />

E-Mail-Signatur kann mit einem ausdrucksvollen<br />

Slogan oder einem Link versehen werden. Blogger<br />

können Banner einbauen oder Themen direkt<br />

ansprechen. Aktivismus ist aber kein Vollzeitjob.<br />

Im Alltag kann man durch das Auslegen von<br />

Informationsmaterialien seine Mit men schen auf -<br />

klären. Ob beim Friseur, Supermarkt, oder in der<br />

Apotheke gilt es vorab um Erlaubnis zu fragen,<br />

damit das Material nicht entsorgt wird. Flyer oder<br />

Aufkleber können im Computerprogramm der<br />

Wahl aufwändig gestaltet werden. Auch<br />

Unkreative können einen Flyer schnell selbst<br />

herstellen, indem sie einen aussagekräftigen<br />

Spruch auf eine Postkarte schreiben und diese<br />

mehrfach kopieren. Dadurch werden Zeit und<br />

Kosten gespart. Aktivistenseiten wie amnesty.de<br />

oder peta.de, stellen zudem meist Flyer, Plakate<br />

oder Broschüren kostenlos online zur Verfügung.<br />

Diese können entweder selbst ausgedruckt oder<br />

für geringe Beträge auch in guter Qualität bestellt<br />

werden.<br />

Ohne viel Aufwand kann man schnell<br />

Unterstützer in der richtigen Sache werden, wenn<br />

man eine Petition unterschreibt. Das geht auch<br />

auf der heimischen Couch, durch das In for -<br />

mie ren auf Onlineseiten wie change.org oder<br />

openpetition.de. Dort können sowohl vor han -<br />

dene Unternehmungen unterstützt, als auch eige -<br />

ne Petitionen kostenlos erstellt werden. Von<br />

Zuhause aus kann man des Weiteren einen<br />

Leserbrief verfassen. Wenn ein relevanter Bericht<br />

in der Zeitung publiziert oder im Fernsehen<br />

gesendet wird, ist eine Rückmeldung dazu an den<br />

Verfasser von hoher Bedeutung. Man kann sie in<br />

Form von Kommentaren bei Onlineausgaben,<br />

einer E-Mail an die zuständige Abteilung oder als<br />

klassischen Brief an die Redaktion mit Verweis auf<br />

den entsprechenden Bericht schreiben. Dies<br />

beeinflusst nicht nur den konkreten Fall, sondern<br />

gibt der Redaktion auch Rückschlüsse auf die<br />

zukünftige Berichterstattung. Egal ob kritisch oder<br />

lobend, wichtig ist lediglich klar Position zu<br />

beziehen. Mit einer entsprechenden Nachricht<br />

kann man sich nicht nur an die Medien wenden,<br />

sondern auch an Unternehmer, die in ihrem<br />

Verhalten und Auftreten rücksichtslos handeln.<br />

Die Kritik sollte dabei höflich formuliert sein und<br />

durch Argumente überzeugen. Denn wenn sich<br />

niemand beschwert oder Vorschläge anbringt,<br />

Bild: Markus Ruepp


2/<strong>20</strong>16 WISSEN<br />

5<br />

wird sich nichts ändern. Eine solche Situation<br />

ergibt sich beispielsweise beim Besuch der lokalen<br />

Bibliothek. Dort kann man Vorschläge unter -<br />

breiten, was das Angebot an Ratgebern oder Doku -<br />

mentarfilmen betrifft.<br />

Für Leute mit etwas mehr Zeit besteht die<br />

Möglichkeit, eine Demo zu organisieren. Diese<br />

muss ab einer Teilnehmerzahl von drei Personen<br />

mindestens 48 Stunden vorher bei den zustän -<br />

digen Behörden mit Angabe von Thema, Ort, Zeit,<br />

benötigten Mitteln, erwarteter Teil neh merzahl<br />

sowie dem/der verantwortlichen Ver sam mlungs -<br />

leiter/in mitsamt Kontaktdaten ange meldet<br />

werden. Welche Behörde zuständig ist, variiert<br />

jedoch von Stadt zu Stadt. Hier lässt sich eine<br />

kurze Recherche nicht umgehen. Die von<br />

öffentlicher Stelle erhaltene Bestätigung muss<br />

mitgeführt werden und der/die verantwortliche<br />

Leiter/in muss benannt und anwesend sein. Da<br />

möglichst viele Menschen aufmerksam gemacht<br />

werden sollen, ist es sinnvoll, die Presse ein zu -<br />

laden. Im Idealfall gibt es dann einen Bericht über<br />

die Aktion. Die Pressebetreuung sollte von einer<br />

Person, die mit den Fakten vertraut ist,<br />

übernommen werden. Das Demokonzept sollte<br />

gut durchdacht sein. Demoschilder oder Banner<br />

werden am besten mit Schablonen gefertigt. Zu<br />

beachten ist, dass sie groß genug angelegt werden,<br />

damit die Lesbarkeit gewährleistet ist. Auch sollte<br />

man sich Parolen vorab ausdenken und während<br />

der Demo rufen. Es ist außerdem wichtig, ein<br />

ordentliches und strukturiertes Bild abzugeben.<br />

Dies wirkt nicht nur professioneller auf die Presse,<br />

sondern vermindert auch Ärger mit der Polizei vor<br />

Ort. Allgemein sollte man den Umstehenden mit<br />

Höflichkeit begegnen, schließlich möchte man<br />

Aufklärungsarbeit betreiben und die Menschen<br />

nicht beleidigen.<br />

Eine weitere Möglichkeit stellt ein Infostand<br />

dar. Bei Anlässen wie einem Konzert, einem<br />

Ortsfest, oder einem verkaufsoffenen Sonntag in<br />

der Stadt kann dies genutzt werden. Hierbei<br />

gelten dieselben Regeln wie für die Demo. Der<br />

Aufbau an sich stellt auch kein Problem dar.<br />

Indem man einen Tapeziertisch mit einem Tuch<br />

abdeckt und mit ein paar Postern versieht, sorgt<br />

man bereits für Aufmerksamkeit. Außerdem<br />

sollten Flyer zum Mitnehmen vorhanden sein.<br />

Unter schriften aktionen können einen guten Ein -<br />

stieg darstellen, um Menschen anzusprechen und<br />

an den Stand zu holen.<br />

Wichtig ist nur, offen für seine Sache ein -<br />

zustehen. Das T-Shirt mit Botschaft, die Kaffee -<br />

tasse mit Spruch oder der Anhänger am Schlüssel -<br />

bund, durch entsprechendes Merch andising wirbt<br />

man effektiv für die Verbesserung des mo -<br />

mentanen Zustands.<br />

Noch haben wir es nicht mit der Zerstörung<br />

der Welt zu tun, durchaus aber mit Potential dazu.<br />

Deshalb ist Aktivismus nötig. Aktivismus gegen<br />

die physische Zerstörung der künftigen Überle -<br />

bensgrundlagen, aber auch gegen den Abbau des<br />

Sozialgefüges und die Auf gabe der Freiheit. Wer<br />

behauptet: „Als Einzelner kann ich doch nichts<br />

tun!“, liegt falsch. Jeder kann etwas verändern, es<br />

kommt auf jeden Einzelnen an. Keiner irrt mehr<br />

als derjenige, der nichts tut, weil er glaubt, zu<br />

wenig tun zu können.<br />

Bild: Michael Bissinger


6<br />

WISSEN<br />

mediakompakt<br />

Kultur mal ganz anders<br />

Klassische Kulturangebote sind für Jugendliche und Kinder oft nicht besonders reizvoll. Doch<br />

nicht alles muss schwer zugänglich sein.<br />

VON KATHRIN ERHARDT<br />

Lieber einen Abend lang in die Oper gehen,<br />

an statt ins Kino oder in einen Club fei -<br />

ern? Dafür werden sich heutzutage wohl<br />

die wenigsten Jugen dlichen ent schei den.<br />

Klassische Kulturan gebote werden gemie -<br />

den. Darunter fällt nicht nur die Oper. Auch das<br />

Ballett, das Theater, Ausstel lungen, Konzerte von<br />

Orchestern, Chören und Ensembles, sowie<br />

Museen werden von der „Jugend von heute“ ver -<br />

schmäht. Die Liste kann sicherlich noch viel<br />

länger sein. Wieso das so ist, ist vielen Orga -<br />

nisatoren dieser Veranstaltungen unklar. Dabei<br />

sind ihre Veranstaltungen doch endlich einmal<br />

etwas für die Bildung unserer Jugend, und dabei<br />

auch noch so aufwändig vorbereitet und<br />

künstlerisch wertvoll! Soweit der Blick von innen.<br />

Nach außen wirken solche Programme im Ge -<br />

gensatz zu einem Abend im Club eher etwas<br />

verstaubt, spießig und langweilig. Zu Dingen, die<br />

vor vielen Jahren als gute Unterhaltung und<br />

modern galten, fehlen heute der Zugang und das<br />

Interesse. Hier ist jedoch nicht Aufgeben die beste<br />

Methode, sondern es gilt einen Weg zu finden,<br />

klassische Kulturangebote auch Gruppen zugäng -<br />

lich zu machen, die nicht in der Zeit Goethes oder<br />

Mozarts aufgewachsen sind. Wirft man einen<br />

genaueren Blick auf die an ge botenen Veran -<br />

staltungen, wird man tatsächlich relativ schnell<br />

fündig. Zu einer Reihe an be kannten und popu -<br />

lären Events gesellen sich auch ein paar eher<br />

unbekanntere Ideen. Am besten verständ lich ge -<br />

macht werden kann dieses „zugänglich machen“<br />

am Beispiel des Young Classic Sound Orchestras<br />

in Karlsruhe. Auf dem Konzert pro gramm dieses<br />

Sinfonieorchesters ste hen nicht etwa klassische<br />

Werke von Beethoven oder Rachmaninow, mit<br />

denen die Schüler schon im Musikunterricht<br />

nichts anfangen konnten, son dern Filmmusik.<br />

Der Klang eines großen Orchesters mit talen -<br />

tierten Musikern, die Stücke unter anderem aus<br />

den Filmen Narnia, ET und Star Trek spielen. Es ist<br />

schwie rig, diesen Konzert abend nicht als beein -<br />

druckend und einzigartig in Erinnerung zu<br />

behalten. Der erste Schritt ist gemacht. Wer sich<br />

erst einmal in so ein Konzert getraut hat, wird<br />

Bild: pixabay


2/<strong>20</strong>16 WISSEN<br />

7<br />

Bild: unsplash<br />

vielleicht auch irgendwann neugierig auf ein<br />

klassisches Programm. Um schon den Kleinsten<br />

diesen Schritt zu erleichtern, haben momentan<br />

auch das Orchester und der Chor der Universität<br />

Stuttgart ein eher unge wöhnliches Programm<br />

auf ihrem Veran stal tungs kalender. Es wird das<br />

bekannte Werk „Carmina Burana“ von Carl Orff<br />

auf geführt. Das ist trotz unterhaltsamer Melo -<br />

dien keine ganz leichte Kost, schließlich werden<br />

weltliche Gesänge auf Latein dargeboten. Die<br />

Besonderheit hier liegt bei Kindern, die bei Teilen<br />

des Werkes mit auf der Bühne stehen und<br />

zusammen mit dem Chor singen. Eine Cho -<br />

reografie für die Sänger macht hierbei den<br />

gewissen Reiz aus. Die Texte werden mit ihren<br />

Lehrern und in den Proben geübt. Die Kinder<br />

sind motiviert und scheinen von der Größe des<br />

Ensembles ziemlich beeindruckt. Da bleibt auch<br />

mal der ein oder andere Mund eine Weile offen<br />

stehen. Die lateinischen Texte sind im Nu<br />

auswendig gelernt, es scheint fast so, als<br />

langweile sie das ständige Wiederholen. Durch<br />

solche Aktionen wird schnell die Berüh -<br />

rungsangst überwunden und, wer weiß, viel -<br />

leicht sogar in Zukunft ein größerer Bezug zur<br />

„klas sischen“ Musik hergestellt.<br />

Auch andere Veranstaltungen, wie die Stutt -<br />

gar ter Kriminacht zeichnen sich durch einen<br />

ganz besonderen Charme aus. Hier zieht es alle<br />

Ziel gruppen, egal ob Groß oder Klein, zu einer<br />

zwei wöchigen Veranstaltung, bestehend aus<br />

Lesungen und Vorträgen. Sogar Theater auffüh -<br />

rungen und Filme werden dargeboten. Durch<br />

dieses ganz besondere Flair wird die Be geisterung<br />

für Bücher auf eine ganz andere Art ge weckt, als<br />

es im Klassenzimmer in der Deutsch stunde über -<br />

haupt möglich ist. Vergleichbar damit ist die<br />

Lange Nacht der Museen, eine Veran stal tung in<br />

Stuttgart, bei der alle Museen von 18 bis 2 Uhr<br />

geöffnet haben. Der Anteil an Jugendlichen und<br />

Familien ist hoch. Auch Tschaikowskis Ballett<br />

„Dornröschen“ verzaubert nicht nur Erwach -<br />

sene. Der jugendliche und sogar noch jüngere<br />

Anteil im Publikum ist ungewöhnlich hoch. In<br />

den Pausen sieht man draußen Kinder wie<br />

verzaubert ihre eigenen Pirouetten drehen.<br />

Doch es gibt auch Versuche klassische Themen,<br />

wie Thomas Manns „Zauberberg“ durch mo -<br />

derne Interpre tationen interessanter zu ge -<br />

stalten. Hier wird Literatur als Theaterstück so<br />

neuartig präsentiert, dass es am Ende den<br />

Zuschauer zwar beeindruckt, jedoch auch etwas<br />

verstört zurück lässt. Für Kinder und Jugendliche<br />

sicher ein noch schwer erer Zugang als das<br />

Originalwerk selbst.<br />

Es wird klar, dass nicht alle Themen, die mit<br />

klassischer Kultur zu tun haben, zwingend<br />

verstaubt sein müssen und auch so präsentiert<br />

werden. Erste Ansätze sind da, man muss nur<br />

wissen, wo man suchen muss. Vielleicht ist die<br />

„Jugend von heute“ ja doch nicht so negativ auf<br />

Kultur zu sprechen, wie oft behauptet wird.<br />

Vielleicht müssen einfach nur die richtigen<br />

Angebote vorhanden sein.<br />

Anzeige<br />

Die digitale Zukunft<br />

der Verlage mitgestalten...<br />

DIALOG – Das Verlagssystem<br />

... ist schon immer Dein Traum? Funkinform entwickelt innovative Softwarelösungen<br />

für die Medienbranche und ist ganz vorne dabei, wenn es um die<br />

neuesten Technologien rund um den spannenden Bereich der Informationsaufbereitung<br />

und -verbreitung geht.<br />

Als Familienunternehmen verstehen wir es seit jeher, Innovation und Tradition<br />

zu vereinbaren. Wir bauen auf Zuverlässigkeit, Kreativität, Kompetenz und<br />

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Haben wir Dein Interesse geweckt? Wir freuen uns über<br />

Deine Bewerbung. Sende uns diese bitte per E-Mail an<br />

Herrn Peter Müller (mueller@funkinform.de).<br />

Informations- und Datentechnik GmbH<br />

Rudolf-Plank-Straße 31, 76275 Ettlingen, www.funkinform.de


8 WISSEN<br />

mediakompakt<br />

Supermarkt 2.0<br />

Wie sieht der Lebensmitteleinkauf der Zukunft aus? Fahrt zum Supermarkt, Suche nach den<br />

gewünschten Produkten, lange Warte schlangen an den Kassen oder Online-Produktsuche und<br />

alles mit einem Klick in den Warenkorb legen.<br />

VON NADINE PREYL<br />

Für weitere Informationen QR-Code abscannen.<br />

Bild: Nadine Preyl<br />

Vor allem in den Bereichen Bücher,<br />

Kleidung und Unterhaltungselektronik<br />

wächst der Online-Handel. Damit hat er<br />

den Einzelhandel bereits stark beein -<br />

flusst. Im Bereich Lebensmittel beträgt<br />

der Online-Anteil laut GfK-Handelsforschung<br />

bisher nur 1,2%. Doch woran liegt das?<br />

Supermärkte sind in gewisser Weise Trend -<br />

setter im Lebensmittelbereich. Änderungen von<br />

Essensgewohnheiten wie vegane Ernährung wer -<br />

den schnell aufgegriffen und ins Angebot über -<br />

nom men. Für die Menschen wird Nachhaltigkeit<br />

wie Bioprodukte, regionale und saisonale Erzeug -<br />

nisse bei Lebensmitteln immer wichtiger. Sie<br />

wollen frische Produkte sehen, riechen und<br />

fühlen, deshalb kaufen sie lieber vor Ort ein. Der<br />

Netto Markt verkauft z.B. seit kurzem krummes<br />

Obst und Gemüse.<br />

Gerade für Rollstuhlfahrer, alte Menschen mit<br />

Rollatoren oder Familien mit Kinderwagen ist der<br />

Einkauf heutzutage beschwerlich. Für diese Ziel -<br />

gruppe hat die Firma Follow Inspiration aus Porto<br />

einen selbstfahrenden Einkaufswagen namens<br />

wiiGO entwickelt, welcher im Herbst in Deutsch -<br />

land auf den Markt kommen soll. Mittels Bild -<br />

erkennung identifiziert der Einkaufswagen den<br />

Nutzer und folgt ihm dann durch den Markt.<br />

Dadurch kann der Supermarkt mög li cherweise fest -<br />

stellen, wie oft der Nutzer einkauft und ggf. wie<br />

lange. Falls Bilder und Einkaufsverhalten der<br />

Kunden ge spei chert werden, stellt sich die Frage<br />

nach dem Datenschutz.<br />

Einige Händler wie Rewe, Saturn und Media<br />

Markt stellen ihre Preisangaben bereits von<br />

Papierform auf digitale Schilder um. Dadurch<br />

sparen sie Arbeitszeit und Kosten, weil die Preise<br />

schneller geändert werden können. Auch für die<br />

Kunden ergeben sich Vorteile. Wenn sie mit<br />

ihren Smartphones die Preisschilder abscannen,<br />

er halten sie weitere zusätzliche Informationen<br />

wie Nährwerte, Herkunft und Herstellung des<br />

Produktes. Gerade bei Lebensmittelallergien sind<br />

diese Angaben sinnvoll, weil die Betroffenen<br />

gleich erfahren, welche Lebensmittel für sie<br />

geeignet sind. Anzeigen von Bewertungen zu<br />

Artikeln sind auch möglich. Elektronische Preis -<br />

schilder eignen sich des Weiteren zur Navi gation<br />

durch den Supermarkt, wenn der Kunde ein<br />

bestimmtes Produkt sucht. Das Finden von<br />

neuen Produkten gestaltet sich so schneller und<br />

einfacher. Verbraucherschützer befürchten aber,<br />

dass die Preise häufiger wechseln und Artikel bei<br />

steigender Nachfrage teurer werden könnten.<br />

Im Internet sind Preisvergleiche der einzel -<br />

nen Supermärkte schnell möglich. Auch werden<br />

die Menschen heutzutage immer bequemer und<br />

wollen wegen flexiblen Arbeitszeiten einkaufen,<br />

wann sie wollen. In diesem Fall bietet der<br />

Online-Supermarkt Vorteile gegenüber dem nor -<br />

malen Supermarkt. Kunden sparen Zeit und<br />

können ohne feste Öffnungszeiten ihre Lebens -<br />

mittel bestellen. Produkte werden durch die<br />

Such funktion einfacher und gezielter gefunden.<br />

Die Nachteile von Online-Supermärkten<br />

sind, dass viele von ihnen noch kein voll stän -<br />

diges Sortiment, vor allem bei frischen Lebens -<br />

mitteln, anbieten. Die Lieferung ist kom pliziert,<br />

weil Produkte unterschiedlich gekühlt und<br />

verpackt werden müssen, damit die Le bensmittel<br />

beim Kunden nicht beschädigt oder verdorben<br />

an kommen. Hierbei fällt auch viel Verpa ckungs -<br />

müll an. Online- Super märk te ha ben teilweise<br />

Mindestbestellwerte, hohe Versand- und Verpa -<br />

ckungs kosten und Frische zuschläge. Kon su -<br />

menten sollten daher bei den Lieferungen zu<br />

Hause sein.<br />

Was aber passiert, wenn Amazon mit seiner<br />

großen Logistik auf den Markt kommt? Bei<br />

Amazon Pantry können Prime Mitglieder in<br />

Deutschland bereits Getränke und Lebensmittel<br />

mit Ausnahme von frischen Produkten kaufen.<br />

Das Angebot Amazon Fresh für frische und<br />

tiefgekühlte Lebensmittel gibt es bisher nur in<br />

den USA. Experten gehen davon aus, dass<br />

Amazon Fresh dieses Jahr auch in Deutsch land<br />

startet. Es bleibt abzuwarten, wie dieser Markt -<br />

ein tritt sich auf die Lebensmittelbranche ins -<br />

gesamt aus wirken wird.<br />

Der Supermarkt der Zukunft sollte also am<br />

besten die Vorteile des Online-Handels mit dem<br />

klassischen Verkauf verbinden. Ein Beispiel dafür<br />

ist Emmas Enkel, eine Art moderner Tante-<br />

Emma-Laden, in welchem Kunden sowohl per -<br />

sön lich als auch online einkaufen können.<br />

Spielt Einkaufen online oder stationär in Zu -<br />

kunft überhaupt noch eine große Rolle? In ein<br />

paar Jahren erledigt vielleicht ein Haus halts -<br />

roboter die Einkäufe selbstständig.<br />

Bild: Nadine Preyl


2/<strong>20</strong>16 WISSEN<br />

9<br />

Ein Milliarden Dollar Geschäft<br />

– Broadcast Yourself<br />

„Eine neue Generation von Berühmtheiten“ stellt nicht nur klassische Werbekonzepte in Frage,<br />

sondern für manche YouTube-Stars kann die Videoplattform sogar die Möglichkeit eröffnen, das<br />

Hobby zum Beruf zu machen.<br />

VON EDA ÖZ<br />

Innerhalb weniger Jahre hat YouTube eine<br />

rasante Entwicklung zur erfolgreichsten Vi -<br />

deo platt form im Internet vollzogen. In<br />

Deutsch land rufen monatlich über 38 Mil -<br />

lionen User die Plattform von Google auf, was<br />

heißt, dass YouTube mittlerweile zu einem Global<br />

Play er der Videobranche geworden ist. Schon lan -<br />

ge findet man auf der Plattform nicht mehr nur<br />

„Katzenvideos“ oder verwackelte Handy auf nah -<br />

men. Inzwischen dominieren sogenannte You -<br />

Tuber das Bild der Videoplattform, die regel mäßig<br />

Videos drehen und diese dann auf der Platt form<br />

online stellen. Insbesondere in den letzten Jahren<br />

taucht Product Placement auch zunehmend auf<br />

der Videoplattform YouTube auf. Das Geschäfts -<br />

modell der Plattform zeichnet sich hauptsächlich<br />

durch das YouTube-Partnerprogramm aus, das<br />

Videokünstler an den Werbeeinnahmen beteiligt.<br />

Die Professionalisierung hat zahlreiche You -<br />

Tube-Künstler hervorgebracht, die mit Hilfe der<br />

Multi-Channel-Netzwerke mittler weile Abon -<br />

nentenzahlen in sechsstelliger Höhe vorweisen<br />

können. Von dieser Entwicklung profitieren<br />

inzwischen auch werbetreibende Unternehmen,<br />

die die Reichweite der YouTuber nutzen und<br />

durch Kooperationen Produktplatzierung in den<br />

Videos einsetzten.<br />

So hat der YouTube-Boom eine völlig neue<br />

Karrieremöglichkeit geschaffen: hauptberuflicher<br />

YouTube-Star. Über die Videoplattform lässt sich<br />

mit einfachen Mitteln ein Millionen-Publikum<br />

erreichen und populäre YouTuber können Geld<br />

über direkte Deals mit Unternehmen verdienen.<br />

Durch die enge Bindung der Fans an ihre<br />

YouTube-Stars sind deren Produktempfehlung en<br />

im Sinne von Mundpropaganda höchst<br />

wirkungsvoll. Wenn eine beliebte Beauty-Youtub -<br />

er in einen neuen Lippenstift lobt oder ein<br />

bekannter Fitness-Youtuber einen bestimmten<br />

Eiweiß-Shake empfiehlt, dann laufen Tausende<br />

von Jugendlichen los, um genau diese Produkte zu<br />

kaufen. Die Meinungsführerschaft bekannter Per -<br />

sonen zu nutzen, ist keine neue Erfindung der<br />

Werbebranche. Seit jeher werden Testimonials zu<br />

Werbezwecken eingesetzt. Neu ist nur die Platzier -<br />

ung einzelner Produkte innerhalb von You -<br />

Tube-Videos bekannter YouTuber.<br />

Influencer sind in diesem Kontext Menschen,<br />

die übers Netz direkt eine treue Fangemeinde für<br />

dies und jenes begeistern können und daher<br />

Trends mitentwickeln und das Meinungsgefüge<br />

im Internet mitbestimmen. Somit sind viele You -<br />

Tuber zu Vorbildern für Jugendliche geworden<br />

und bieten ein hohes Maß an Iden ti fika -<br />

tionsmöglichkeiten an, da sie selbst oft noch<br />

relativ jung sind, authentisch und boden stän dig<br />

erscheinen. Für Viele You Tube-Stars in der<br />

Altersgruppe der 12- bis 24-Jährigen spielt tra -<br />

ditionelles Fernsehen nur eine untergeordnete<br />

Rolle. Demnach gucken die Befragten in den USA<br />

im Schnitt 11,3 Stunden Onlinevideos in der<br />

Woche, das heißt, drei Stunden mehr als<br />

herkömmliches Fernsehen. Auch in Deutschland<br />

hat sich eine wachsende YouTube-Szene ent wi -<br />

ckelt. Einige der deutschen Stars verdienen<br />

teilweise bis zu sechsstellige Beträge im Jahr. Die<br />

Einnahmen bei YouTube hängen direkt mit der<br />

Popularität zusammen. Ein pauschaler Wert ist<br />

zwar nicht errechenbar. Doch Insider verraten:<br />

45% der Werbegelder kassiert YouTube, 55%<br />

bekommen die Blogger. Wie viel genau YouTube<br />

pro Werbeclip einnimmt, hängt von Jahreszeit,<br />

Werbekonjunktur, Zielgruppe und Umfeld ab. So<br />

können Werbetreibende etwa nach Klicks zahlen<br />

oder danach, wie lange eine Videoanzeige<br />

angesehen wurde. Dennoch gibt es etwa 50 bis<br />

100 Top-Leute in Deutschland, die davon leben.<br />

Für den Rest ist das ein Hobby.<br />

Dies wird noch einmal durch die Schön -<br />

heitsmesse „Glow“ stark verdeutlicht, die im<br />

Januar eine erfolgreiche Deutschland-Premiere<br />

feierte. Es checkten 4.<strong>20</strong>0 Menschen die neuesten<br />

Beautytrends und bekamen die Chance, sich von<br />

kulthaft verehrte YouTube-Heldinnen schminken<br />

zu lassen und viele deutsche und internationale<br />

YouTube-Stars bei einem Meet & Greet persönlich<br />

zu treffen, die sich sonst mit Blogs und Video -<br />

content im Internet präsentieren.<br />

Der Erfolg lässt sich also ganz einfach erklären:<br />

Ein aktiver und ehrlicher Austausch mit den<br />

Zuschauern – egal ob hinter oder vor der Kamera.<br />

„Es ist eine neue Generation von Berühmtheiten“,<br />

erklärt Jeetendr Sehdev, Professor für Marketing<br />

an der University of Southern California.<br />

Bild: Karolina Grabowska


10<br />

WISSEN<br />

mediakompakt<br />

Bild: Manuel Müller<br />

Mathias Haas ist DER<br />

TRENDBEOBACHTER.<br />

Pragmatisch und einfach<br />

erklärt er was uns in<br />

Zukunft erwartet und wie<br />

wir auf Trends aufmerksam<br />

werden können.<br />

Auch ihr<br />

werdet<br />

satt!<br />

Im Interview erklärt der<br />

Stuttgarter Trendbeobachter<br />

Mathias Haas die Zukunft der<br />

Printmedien, zukünftige<br />

Trends und wie er auf diese<br />

aufmerksam wird, für was die<br />

CIA zahlt und warum auch wir<br />

Studenten satt werden.<br />

VON MANUEL MÜLLER<br />

Kein Hellseher, Wahrsager oder Prophet:<br />

Mathias Haas ist DER TRENDBE -<br />

OBACHTER. Mit einfachen Worten er -<br />

klärt er die Zukunft, denn die ist laut<br />

ihm gar nicht so kompliziert. Der<br />

Wandlungshelfer zeigt, wie relevante Entwick -<br />

lungen früher entdeckt werden können und wie<br />

wir davon profitieren. Dabei verbindet der Prag -<br />

matiker die Realität mit der Zukunft und es geht<br />

ihm nicht um <strong>20</strong>30, sondern das „Hier und Jetzt“.<br />

Bereits während seines BWL Studiums legte der<br />

44- jährige großen Wert auf Technik und Fort -<br />

schritt und bemerkte so seine Trendaffinität.<br />

Heute macht der gelernte Betriebswirt als Redner,<br />

Moderator, Autor und Trendexperte auf sich<br />

aufmerksam.<br />

mediakompakt: Hallo Mathias Haas, lassen Sie uns<br />

doch direkt ins Interview einsteigen: Sind Sie experimentierfreudig?<br />

Mathias Haas: Offiziell, ja.<br />

mediakompakt: Ich nenne Ihnen verschiedene The -<br />

mengebiete und Sie mir die wichtigste Dimension<br />

aus Sicht eines Zukunftsexperten: Ernährung?<br />

Mathias Haas: Superfood, wie Açai, Goji und Chia,<br />

bekommt wahnsinnig viel „Venture Capital“<br />

(Anm. d. Red.: Venture Capital wird auch Risiko -<br />

kapital genannt und ist ein außerbörsliches Betei -<br />

ligungskapital).<br />

mediakompakt: Mobilität?<br />

Mathias Haas: Zweiräder produzieren die wahre<br />

Revolution.<br />

mediakompakt: Kleidung?<br />

Mathias Haas: Fashion -Tech, das T- Shirt funkt.<br />

mediakompakt: Immobilien?<br />

Mathias Haas: Mega- Cities sind die Speerspitze, der<br />

Rest läuft hinterher.<br />

mediakompakt: Verlagswesen?<br />

Mathias Haas: Deutlich schneller werden.<br />

mediakompakt: Vielen Dank für Ihre Spontanität.<br />

Mathias Haas: Die habe ich mir beibehalten<br />

mediakompakt: Wie meinen Sie das?<br />

Mathias Haas: Jeder verändert sich. Auch ihr werdet<br />

satt!<br />

mediakompakt: Das müssen Sie jetzt bitte erklären.<br />

Mathias Haas: Je erfolgreicher und älter wir Men -<br />

schen werden, desto größer ist die Gefahr, dass wir<br />

uns selbst für ziemlich genial halten. Alter verläuft<br />

gegenteilig zur Bereitschaft zu lernen, zu reflek -<br />

tieren, zuzuhören. Bei Ihrer Generation geht<br />

dieser Prozess vielleicht noch schneller, denn Sie<br />

hören ja täglich dass Sie zickig sein dürfen –<br />

demographischer Wandel und so. Der Bonustrack<br />

ist, dass laut FAZ jeder Vierte mehr als 100.000<br />

Euro erbt. Ich hoffe Sie sind nicht dabei.<br />

mediakompakt: Sie sind ja großzügig.<br />

Mathias Haas: Das macht Sie schlicht weg hung -<br />

riger. Und natürlich war das nicht so gemeint.<br />

Obwohl...<br />

mediakompakt: Thema Verlagswesen: Sie sagten<br />

„schneller werden“. Wie ist das zu verstehen?<br />

Mathias Haas: Wir haben letzten Sommer einen<br />

Autorenvertrag unterschrieben, im Januar abge -<br />

geben und diesen Mai wird ausgeliefert. Das mag<br />

schnell sein, doch schlussendlich verzeihen Men -<br />

schen – oder sagen wir Kunden – immer weniger<br />

Verzug. Jeder von uns ist durchoptimiert, da stört<br />

schon, dass in meinem Buch eine Kaufprämie zu<br />

eAutos gefordert wird und sie bereits beschlossen<br />

ist. Und das vor Verkauf des ersten Exemplars.<br />

mediakompakt: Printmedien vs. neue Medien: In<br />

welche Richtung entwickeln sich die Print -<br />

medien?<br />

Mathias Haas: 1. Print wird Statussymbol. 2. Guter<br />

Inhalt wird deutlich teurer und darf diesen Weg<br />

gehen und 3. Social Media verdient mit Daten -


2/<strong>20</strong>16 WISSEN<br />

11<br />

analyse. So wie Twitter schon heute eine Fünf -<br />

Prozent -Beteiligung an dem Unternehmen Data -<br />

minr hat. Dieser Analysedienst nimmt exklusiv<br />

die Meldungen auseinander. Mit komplexen<br />

Algo rithmen und Mustern werden aufgehende<br />

Unruhen, Anschläge und sogar Natur katas -<br />

trophen „predictive“ bevor sie passieren. Da zahlt<br />

sogar die CIA. Ganz im Ernst.<br />

mediakompakt: Gerade im Bereich der digitalen<br />

Medien bewegt sich enorm viel. Ein Trend jagt<br />

den nächsten. Besteht die Möglichkeit, dass der<br />

Markt von Trends übersättigt wird?<br />

Mathias Haas: Nein, Trends sind nur Überschriften<br />

von neuen Verhaltensweisen. Ein Journalist, ein<br />

Zukunftsforscher, im besten Falle wir – finden<br />

Überschriften wie „Big Data“, „Industrie 4.0“ oder<br />

„Nachhaltigkeit“. Wir Menschen sind zwar<br />

Schnäppchenjäger, sprich mit möglichst wenig<br />

Energie durch die Tür – aber wir befinden uns<br />

auch im Wettbewerb. Wer möchte nicht das neue<br />

Handy oder das schnellere Transportmittel? Der<br />

Nachtzug jedenfalls fährt nicht mal mehr nachts.<br />

mediakompakt: Ein Blick auf Ihre Homepage und<br />

Auftritte verraten uns spannende Trends. Wie<br />

werden Sie auf diese aufmerksam?<br />

Mathias Haas: Lesen, lesen, lesen. Hinfahren und<br />

sich selbst ein Urteil bilden. Interviews mit den<br />

Machern selbst. Und – vor allem – Zeit zum Den -<br />

ken. Der Kontext bringt den Sinn. Mein großer<br />

Appell: Nehmen Sie sich Zeit zum Denken. Mega -<br />

trends kommen nicht über Nacht. Wenn Sie sich<br />

regelmäßig und bewusst die Veränderungen<br />

ansehen, kommen sie nicht überraschend.<br />

mediakompakt: Trends finden in unserer Gesell-<br />

schaft oft sehr unterschiedlichen Anklang. Wie<br />

sehen bzw. erklären Sie sich die einerseits<br />

trendaffine und auf der anderen Seite die<br />

trendabstinenze Bevölkerung?<br />

Mathias Haas: Ich bin kein Psychologe, aber es<br />

scheint ja schon unterschiedliche Denkstile zu<br />

geben – auf jeden Fall unterschiedliche Erfah -<br />

rungen. Und das Alter spielt wohl die größte Rolle.<br />

Ältere Menschen haben schlichtweg eine Ausbil -<br />

dung, die länger her ist. Ältere Menschen nehmen<br />

weniger Risiko auf sich. Warum auch, die Woh -<br />

nung ist abbezahlt. Braucht man da wirklich noch<br />

einen neuen Bahnhof?<br />

mediakompakt: Spiegel, WDR und Huffington Post<br />

sind nur Auszüge Ihrer Medienpräsenz. Was hat<br />

sich in den letzten Jahren für Sie persönlich<br />

verändert bzw. wie sind Sie dahin gekommen, wo<br />

Sie heute stehen?<br />

Mathias Haas: Wir haben früh entschieden eine<br />

Marke aufzubauen, die auch ein sauberes Profil<br />

hat. DER TRENDBEOBACHTER ist eben kein<br />

klassischer Trend- oder Zukunftsforscher. Wir<br />

sind auch keine Wissenschaftler sondern Prag -<br />

matiker. Es ist schön, wenn wir hier auch bei<br />

gestressten Journalisten sichtbar werden.<br />

mediakompakt: Um Inspirationen einzuholen<br />

begeben Sie sich auch auf Trendreisen. Sie waren<br />

unter anderem auf einer Mindset -Tour im Silicon<br />

Valley in den Staaten. Was für Eindrücke und<br />

Ideen haben Sie mitgenommen?<br />

Mathias Haas: Das wir wirklich einen anderen<br />

„Mindset“ haben und dass wir nicht das Silicon<br />

Valley kopieren sollten. In Böblingen, Feuerbach<br />

und Esslingen habe ich recht wenig Ekstase entdeckt<br />

und im Valley gibt es wirklich einen „Gold Rush“.<br />

Doch deren Offenheit, Wissen und die hohe<br />

Grundgeschwindigkeit sind schon bemerkenswert.<br />

Als Beispiel: Google fährt dort wöchentlich 16.000<br />

Testkilometer in selbst fahrenden Autos und wir<br />

diskutieren, ob die Auto bahnen dafür schon bereit<br />

sind. Jetzt kooperiert Google mit Fiat- Chrysler.<br />

Nicht, dass wir noch die car2go -smarts mit selfdriving<br />

Fiat 500 in Benz town erleben.<br />

mediakompakt: Sie haben ein Buch über Trends<br />

geschrieben – BETA BUSINESS. Um was geht es in<br />

Ihrem Werk und was wollen Sie Ihren Lesern<br />

vermitteln?<br />

Mathias Haas: Dass wir unseren Lebensstandard<br />

nicht einfach über Generationen gepachtet<br />

haben, dass wir schneller sein und das Alpha- Tier -<br />

Gehabe ablegen müssen. Dafür ist keine Zeit<br />

mehr, denn auch die Türkei, Südkorea oder Indo -<br />

nesien kann Premium. Wir stehen auch in Vai -<br />

hingen im weltweiten Wettbewerb. Gestern kam<br />

eine Virtual Reality -Brille direkt aus China – für<br />

rund 30 Euro. Und diese war nicht aus Karton,<br />

sondern ziemlich sexy.<br />

mediakompakt: Haben Sie abschließend noch einen<br />

zukunftsträchtigen Tipp für unsere Leser?<br />

Mathias Haas: Auch die Berufswahl darf strategisch<br />

sein. Wollen Sie lieber Atomkraftwerke bauen<br />

oder zurückbauen? Beides ist ein Markt. Oder<br />

dann doch lieber Windkrafträder und Solar? Ent -<br />

scheiden Sie, was mehr Zukunft trägt.<br />

mediakompakt: Herzlichen Dank für Ihre Zeit, den<br />

spannenden Einblick in die Trends der Zukunft<br />

und Ihren Alltag.<br />

Mathias Haas: Aber gleichfalls.<br />

Hier werden Trends<br />

entdeckt: In den<br />

TRENDBEOBACHTER -<br />

Räumlichkeiten im<br />

Stuttgarter Süden<br />

bekommt man einen<br />

Einblick in eine innovative<br />

Exponaten- ausstellung an<br />

trendigen Produkten.<br />

Bild: Manuel Müller


12<br />

WISSEN<br />

mediakompakt<br />

Virtual Reality –<br />

mehr als ein Spielzeug<br />

Bild:Fraunhofer IPK, Konstantin Heß<br />

Andreas Geiger vom Fraun -<br />

hofer IPK im Gespräch über<br />

Forschung und Potential der<br />

Technik<br />

VON HELEN GORMAN<br />

Über Virtual Reality hört man aktuell<br />

viel im Bereich Gaming. Jedoch ver -<br />

birgt sich hinter der Technologie ein<br />

weit größeres Potential, vor allem was<br />

die Industrie betrifft. Diplom-Sport -<br />

ingenieur Andreas Geiger ist Mitarbeiter am Fraun -<br />

hofer IPK im Bereich „Virtuelle Produktentste -<br />

hung“ und ist Leiter des Virtual Reality Solutions<br />

Centers. VR ist dabei vor allem eine Technologie,<br />

die im Produktentwicklungsprozess eingesetzt wer -<br />

den kann, um in der Entwicklung befindliche Pro -<br />

dukte frühzeitig virtuell erlebbar zu machen und<br />

Fehler zu erkennen. Für die <strong>MEDIAkompakt</strong> hat er<br />

sich dazu bereit erklärt, einige Fragen über die<br />

Forschung und das Potential dieser Technologie zu<br />

beantworten.<br />

mediakompakt: Herr Geiger, wie darf man sich als<br />

Laie die Forschung im Bereich VR vorstellen?<br />

Andreas Geiger: Unserer Meinung nach ist die Inter -<br />

aktion mit der virtuellen Welt wichtig. Zum<br />

Beispiel wird bei Baubarkeitsuntersuchungen un -<br />

tersucht, ob Bauteile montiert werden können und<br />

somit, ob ein Einbau ohne Kollision zu bewerk -<br />

stelligen ist. Wir entwickeln dabei unter anderem<br />

Systeme, welche dem Nutzer ein haptisches Feed -<br />

back geben. Diese sind dann mit einer VR-<br />

Anwendung gekoppelt. Ebenfalls wurde bei uns ein<br />

Heckklappen-Simulator entwickelt. Dadurch lässt<br />

sich die Funktion einer Heckklappe bei unter -<br />

schiedlichen Umwelteinflüssen wie Temperatur<br />

prüfen, ohne dass das Fahrzeug real existieren<br />

muss. Auch dieser Simulator wird mit einer VR-<br />

Anwendung gekoppelt. Wir forschen also an<br />

Themen, um das zu entwickelnde Produkt früh -<br />

zeitig im Produktentwicklungsprozess erlebbar zu<br />

machen und auf dieser Basis Entscheidungen fällen<br />

zu können. Auch entwickeln wir gerade eine VR-<br />

Anwendung, bei der wir eine klassische 2D Ent -<br />

wicklungsanwendung in eine VR-Anwendung,<br />

welche mit den eigenen Händen bedient werden<br />

kann, überführen.<br />

mediakompakt: Das VR Solution Center wurde schon<br />

<strong>20</strong>01 gegründet. Erst jetzt wird die Technologie von<br />

der Öffentlichkeit so richtig gehyped. Haben Sie<br />

diese Entwicklung schon vor Jahren so prognosti -<br />

ziert?<br />

Andreas Geiger: Es gab bereits in den 90er Jahren<br />

einen großen VR-Hype, ein klassisches Stichwort<br />

hierfür ist „CAVE“. Das ist ein mehrseitiger, be -<br />

gehbarer Raum, welcher eine immersive Welt er -<br />

zeugt. Oder klassische „Powerwalls“. Das ist eine<br />

einfache Leinwand, die, ebenso wie eine CAVE, mit<br />

einem Tracking-System ausgestattet ist, stereosko -<br />

pische Darstellungen bereitstellt und dadurch ein<br />

Produkt erlebbar macht. Das heißt die Technik an<br />

sich ist schon relativ alt. Man kann sich das eigent -<br />

lich so vorstellen wie einen 3D-Kinofilm. Man trägt<br />

eine 3D-Shutterbrille, nur wird zusätzlich ein Tra -<br />

cking-System genutzt, wodurch die eigene Pers -<br />

pektive ständig neu berechnet wird. Somit kann<br />

sich der Nutzer frei um ein Objekt im Raum be -<br />

wegen und hat den Vorteil, dass alle das gleiche<br />

Objekt sehen und eine Diskussion somit ermöglicht<br />

wird. Hier hat man nicht die Einschränkung wie bei<br />

einer Datenbrille, in der ich „allein“ in einer VR<br />

Umgebung bin, sondern sehe auch die Mimik und<br />

Gestik der Kollegen. Diese sogenannte „Cave Auto -<br />

matic Virtual Environment“ wird heutzutage stan -<br />

dardmäßig bei den großen OEMs eingesetzt.<br />

mediakompakt: In welchem industriellen Bereich<br />

wird VR schon jetzt aktiv eingesetzt?<br />

Andreas Geiger: Primär größere Firmen und her -<br />

stellende Industrie, wie zum Beispiel dem Auto -<br />

mobil-Bereich. Es gibt auch im Medizin-Technik-<br />

Bereich einige, die es einsetzen. Durch den immer<br />

günstiger werdenden Einstiegspreis nutzen auch<br />

immer mehr klein und mittelständige Unter -<br />

nehmen VR. Die Kosten hierfür sind ab 600€ für<br />

das Head Mounted Display oder den Beamer,<br />

1.500€ für einen Rechner und eine Software für<br />

1.500€ und schon existiert ein Setup, mit dem ich<br />

immersiv mein Produkt erleben kann.<br />

mediakompakt: Wie „reif“ ist ihrer Meinung nach die<br />

Technik im Moment?<br />

Andreas Geiger: In den letzten Jahren war das Prob -<br />

lem die Nutzbarkeit und die Robustheit der Tech -<br />

nik. Datenbrillen in der industriellen Anwendung<br />

bedürfen noch relativ viel Forschung. Für den Nut -<br />

zer stellt sich natürlich auch die Frage, wie man die<br />

Daten möglichst einfach visualisieren kann. Hier -<br />

bei stellt sich immer das Problem, die Daten in die<br />

Hardware zu laden. Da ist noch Forschungs-, be -<br />

ziehungsweise Entwicklungsaufwand zu treiben,<br />

um einen effizienten Umgang mit der Technik hin -<br />

zubekommen.<br />

mediakompakt: Was wird, Ihrer Meinung nach, das<br />

nächste große Thema im Bereich VR werden?<br />

Andreas Geiger: Meiner Meinung nach wird kolla -<br />

boratives VR sehr wichtig werden. Das heißt, dass<br />

mehrere Personen zusammen in einer VR-Welt<br />

miteinander interagieren können. Da gibt es so<br />

Dinge wie den „Virtual Reality Chat“ – Wie kann<br />

ich in solchen Welten interagieren, wie kann ich<br />

ganze Räume übertragen, wie kann ich meinen<br />

Gegenüber mit seiner Gestik und Mimik in so einer<br />

Welt wahrnehmen, um auch non-verbale Kommu -<br />

nikation erleben zu können?<br />

mediakompakt: Wo sehen Sie das größte Potenzial<br />

von VR, abgesehen von Gaming?<br />

Andreas Geiger: Das größte Potenzial sehe ich darin,<br />

es hinzubekommen, dass die Software und Hard -<br />

ware super zusammenspielen, was vor allem auch<br />

die Kommunikation zwischen verschiedenen Leu -<br />

ten stark erhöhen kann, also die Fähigkeit jeman -<br />

dem etwas zu präsentieren und gleichzeitig den<br />

Vorteil haben, mit dieser Welt interagieren zu<br />

können, um dann zum Beispiel Schulungen oder<br />

Trainings, wie Operationen durchführen und tes -<br />

ten zu können. Es gibt auch Anwendungsfälle, wie<br />

z. B. Reparatursimulationen auf Raumschiffen, wie<br />

der ISS, auf der Erde durchzuführen. In einer guten<br />

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Zeitungsverlag Waiblingen GmbH & Co. Waiblingen KG<br />

Lisa Sporys<br />

Albrecht-Villinger-Straße 10, 71332 Waiblingen<br />

Lisa.Sporys@zvw.de, Telefon 07151 566-410


14<br />

FÜHLEN<br />

mediakompakt<br />

„Bis bald, Schatz“ –<br />

Fernbeziehung meistern<br />

Bild: Susanne Wirth<br />

Bei einer farlove.de-Umfrage<br />

gaben 54% an, schon mal<br />

eine Fernbeziehung geführt zu<br />

haben. Dass mittlerweile jeder<br />

zweite Deutsche diese<br />

Erfahrung macht, spricht für<br />

einen Wandel unserer<br />

Beziehungs gewohnheiten.<br />

Aber warum hat sich die Art<br />

und Weise wie wir<br />

Beziehungen leben so<br />

verändert und was hilft die<br />

zeitweilige Trennung vom<br />

Partner zu überstehen?<br />

VON SUSANNE WIRTH<br />

Fakt ist: Die heutige Generation steht<br />

beziehungstechnisch vor anderen Herausforderungen<br />

als die ihrer Eltern und<br />

Großeltern. Die Ursache hierfür liegt<br />

häufig im angestrebten Berufsziel. Der<br />

Wunsch nach Karriere führt oft zum Umzug des<br />

einen Partners in eine andere Stadt. Innerhalb<br />

Deutschlands führen etwa 10% der Pärchen eine<br />

Fernbeziehung.<br />

Es existieren aber noch eine Reihe weiterer<br />

Gründe für die Liebe auf Distanz. Der Trend, im<br />

Internet den richtigen Partner zu finden, ist einer<br />

davon. Wenngleich man in der Hand hat, die<br />

Online-Suche mit einer maximalen Kilometerzahl<br />

einzuschränken, nehmen Gefühle keine Rück-<br />

sicht auf Entfernung. Die gegenseitige Sympathie<br />

veranlasst Verliebte, die Welt durch die bekannt -<br />

lich rosarote Brille wahrzunehmen. Zukunftsgedanken<br />

werden verdrängt und rücken vorerst in<br />

den Hintergrund.<br />

Manch ein Single lernt seinen Partner im<br />

Urlaub kennen. In entspannter Atmosphäre eröffnet<br />

sich für viele Beziehungssuchende geradezu<br />

ein Paradies des Liebesglücks. Schnell wird aus<br />

einem Flirt etwas Ernstes. Zwei Prozent der Befragten<br />

führen eine Fernbeziehung innerhalb der<br />

europäischen Grenzen. Ein Prozent passieren sogar<br />

regelmäßig internationale Grenzen, um den<br />

Partner zu sehen. Angekommen im Alltag holt so<br />

manchen Verliebten die Realität erbarmungslos<br />

ein. Frust über fehlende Zärtlichkeit und Nähe sowie<br />

starke Sehnsucht sind die Folgen.<br />

Wie man mit der Distanz umgeht, hängt vom<br />

Charakter ab. Für viele erfordert das Alleinsein viel<br />

Selbstdisziplin, um nicht in der Einsamkeit zu<br />

versinken. Wichtig ist es, die Vorteile zu sehen:<br />

mehr Freiraum, Zeit für Selbstverwirklichung, Vor -<br />

freude aufs Wiedersehen, Bewahrung der Bezie -<br />

hungsfrische. Fixiert man sich zu sehr auf den<br />

Partner, erliegen sensible Gemüter im Alltag<br />

schnell dem Kummer. Der Austausch mit Freunden<br />

und die Stütze der Familie sind dann essentiell.<br />

Gerade Paare, die eine Wochenendbeziehung<br />

führen, laufen Gefahr, die Woche in 48 Stunden<br />

nachholen zu wollen. Daher ist es wichtig, Kompromisse<br />

einzugehen und keine zu hohen Erwartungen<br />

zu haben. Beide Partner müssen Verständnis<br />

dafür aufbringen, dass trotz der<br />

beschränkten Zeit am Wochenende auch andere<br />

Kontakte gepflegt werden wollen.<br />

Um gemeinsame Zukunftspläne zu schmieden,<br />

ist es entscheidend, offen über die nächsten<br />

Schritte in der Beziehung zu sprechen. Fragen wie<br />

„Wer besucht wen?“ und „Stehen dazu genug<br />

finanzielle Mittel zur Verfügung?“ gehören<br />

frühzeitig geklärt. Und schließlich: Wann besteht<br />

die Aussicht, zusammenzuziehen anstatt nur<br />

täglich miteinander zu skypen oder zu telefo-<br />

nieren? Es ist auch wichtig, sich nicht durch<br />

pauschale Aussagen wie „Fernbeziehungen sind<br />

doch sowieso zum Scheitern verurteilt“ ent -<br />

mutigen zu lassen. Schlechte Erfahrungen von<br />

Freunden oder Bekannten können unberechtigte<br />

Zweifel auslösen. Eine Beziehung fußt auf Ver -<br />

trauen in den Partner. Treue und Vertrauen sind<br />

die Voraussetzung dafür, dass Verunsicherung<br />

weicht und die Beziehung überlebt. Unglück -<br />

licherweise spielt Misstrauen gerade aufgrund der<br />

Digitalisierung immer häufiger eine Rolle. So<br />

kann die ständige Kontaktmöglichkeit gefährliche<br />

Risiken bergen. Die Option, im Messenger sehen<br />

zu können, wann der andere „zuletzt online…“<br />

war, führt schnell zu Streit bei Liebespaaren. Wer<br />

„überprüft“, wann der andere online geht, kann<br />

beim Gegenüber schnell auf Unverständnis<br />

stoßen. Natürlich hat man deshalb nicht gleich<br />

„Stalker-Potential“ aber die Möglichkeit verleitet<br />

dazu, den anderen zu überwachen. Ist man diesem<br />

Kontrollwahn erst verfallen, folgt oft Misstrauen.<br />

Dies belastet das schwerelose Miteinander und<br />

kann die Beziehung auf lange Sicht zerstören.<br />

Die Digitalisierung eröffnet aber auch Chancen.<br />

Es gibt Apps auf dem Markt, die eine<br />

Fernbeziehung erleichtern sollen. Mit der App<br />

„Joidy“ können sich Paare kostenpflichtige und<br />

kostenlose Geschenke schicken, z.B. Gutscheine<br />

und Songs. Auch weitere Apps wie „Without“ und<br />

„Avocado“ bezwecken, dass Paare trotz der<br />

Entfernung verbunden bleiben.<br />

Zur Verbesserung der zwischenmenschlichen<br />

Kommunikation entwickelte der Wissenschaftler<br />

Samani einen Kusssimulator –„Kissenger“. Küsst<br />

man den Plastik-Kopf auf seine überdimensionalen<br />

Silikonlippen, spürt der Partner durch<br />

Internetverbindung an den Lippen seines<br />

Pendant-Geräts Vibration und Druck. Das kuriose<br />

Gerät erheiterte zwar schon <strong>20</strong>12 die Medien,<br />

existiert jedoch bis heute nicht auf dem Markt. Es<br />

bleibt fraglich, ob dies ethischen Gründen oder<br />

dem fehlenden Bedarf an einem Fake-Kuss<br />

geschuldet ist.


2/<strong>20</strong>16 FÜHLEN<br />

15<br />

„Man wächst mehr zusammen“<br />

Monika und Daniel, beide 24, sind seit sechseinhalb Jahren<br />

zusammen. Seit fast drei Jahren führen sie eine Fernbeziehung<br />

und beweisen, dass „Liebe auf Distanz“ funktionieren kann.<br />

Die beiden Karlsruher trennen 1800 Kilometer. Daniels großer<br />

Wunsch, Medizin zu studieren, ließ sich nur durch einen<br />

Umzug nach Iasi (Rumänien) verwirklichen. Monika arbeitet in<br />

Karlsruhe und berichtet darüber, wie sie die von Daniel<br />

getrennte Zeit empfindet …<br />

VON SUSANNE WIRTH<br />

mediakompakt: Aus welchem Grund führt ihr eine<br />

Fernbeziehung?<br />

Monika: Daniel konnte diesen Studiengang in<br />

Deutschland nicht studieren. Nach langer Über -<br />

legung haben wir uns dann gemeinsam dafür<br />

entschieden.<br />

mediakompakt: Wie lange dauert die Fernbeziehung<br />

voraussichtlich?<br />

Monika: Maximal sechs Jahre. Ab dem dritten Jahr<br />

bestand die Möglichkeit nach Deutschland zu<br />

wechseln, dies hat bisher noch nicht geklappt.<br />

mediakompakt: Wie oft besucht ihr euch?<br />

Monika: Etwa alle sechs Wochen mit dem Flug -<br />

zeug. Daniel kommt in der studienfreien Zeit nach<br />

Deutschland und ich besuche Daniel in Rumänien<br />

so oft ich kann.<br />

mediakompakt: Wie verbringt ihr am liebsten die<br />

Zeit, wenn ihr euch seht?<br />

Monika: Ganz unterschiedlich. Viel Zeit zu zweit,<br />

aber auch viel Zeit mit Freunden und Familie. Bei<br />

Besuchen in Rumänien sind wir eigentlich ständig<br />

zusammen und unternehmen dort viel zu zweit<br />

und mit Daniels Freunden vor Ort. Kommt Daniel<br />

nach Deutschland, verbringt er natürlich auch<br />

Zeit mit seinen Freunden und seiner Familie.<br />

mediakompakt: War die Situation völlig ungewohnt<br />

oder habt ihr euch davor auch nur gelegentlich<br />

gesehen?<br />

Monika: Momentan ist die Situation natürlich<br />

nicht mehr neu. Allerdings haben wir davor keine<br />

Fernbeziehung geführt. Wir gingen auf die gleiche<br />

Schule und haben uns mehrmals die Woche<br />

gesehen.<br />

mediakompakt: Falls es bei euch gut funktioniert,<br />

was ist euer Geheimnis?<br />

Monika: Wir bauen uns gegenseitig auf und ver -<br />

suchen trotz Fernbeziehung so viel Zeit wie<br />

möglich miteinander zu verbringen. Anfangs<br />

skypten wir zu festgelegten Zeiten, mittlerweile<br />

tun wir dies, wenn es gerade passt. Wir sind dann<br />

später dazu übergegangen, dass einfach jeder für<br />

sich sein eigenes Leben lebt und planen soll, so<br />

dass man beschäftigt ist und sich auch ohne den<br />

Partner nicht so alleine fühlt. Dadurch sind wir<br />

weniger festgelegt, müssen keine Treffen mit<br />

Freunden verschieben oder absagen. Durch diese<br />

„Strategie“ skypen wir nun sogar häufiger. Auch<br />

unser gemeinsames Hobby – Serien schauen –<br />

führen wir in der getrennten Zeit fort. Wenn wir<br />

dann parallel auf Facebook miteinander schrei -<br />

ben, fühlt man sich auch ein bisschen näher, weil<br />

man weiß, der andere schaut gerade das Gleiche<br />

wie man selbst.<br />

mediakompakt: In welchen Situationen wünschst<br />

du dir besonders, ihr würdet keine Fernbeziehung<br />

führen?<br />

Monika: Zum Beispiel bei Events, wie der<br />

Abschlussfeier meines Studiums, an der Daniel<br />

nicht teilnehmen konnte. Ansonsten natürlich,<br />

wenn man sich alleine fühlt und den anderen sehr<br />

vermisst. Daniel wohnt mit zwei Freunden zusam -<br />

men, die wiederum häufig Besuch von ihren<br />

Freundinnen bekommen. In solchen Situationen<br />

fühlt er sich alleine.<br />

mediakompakt: Was fehlt dir in der Beziehung am<br />

meisten, was der Fernbeziehung geschuldet ist?<br />

Monika: Am meisten fehlen die Zärtlichkeiten und<br />

die Zeit zu zweit. Wenn man wirklich beieinander<br />

ist, kann man Stunden miteinander verbringen<br />

und erlebt gemeinsam tolle Dinge. Aber über<br />

Skype kann man eben nur reden und nach ein bis<br />

zwei Stunden hat man meist alles Erzählenswerte<br />

ausgetauscht.<br />

mediakompakt: Spielt bei euch Eifersucht eine große<br />

Rolle in der Beziehung?<br />

Monika: Wir sind beide manchmal eifersüchtig,<br />

können aber eigentlich ganz gut damit umgehen,<br />

weil wir den anderen in bestimmten Situationen<br />

verstehen können. Wir finden es beide wichtig,<br />

einander ehrlich zu sagen, wenn man eifersüchtig<br />

ist. Nur so kann man auch am besten darauf<br />

reagieren und den Partner entsprechend be -<br />

ruhigen.<br />

mediakompakt: Siehst du etwas Positives in der<br />

getrennten Zeit?<br />

Monika: Man schätzt den anderen auf jeden Fall<br />

viel mehr und wächst mehr zusammen, weil man<br />

zusammen so etwas Großes durchsteht. Positiv ist<br />

auch, dass Daniel viel Zeit zum Lernen hat und<br />

mir viel Zeit bleibt, um nach der Arbeit Sport zu<br />

treiben oder Freundinnen zu treffen.<br />

mediakompakt: Habt ihr Bedenken vor der Zeit,<br />

wenn ihr euch wieder regelmäßig/täglich seht?<br />

Monika: Beim ersten Wiedersehen war eine Un -<br />

gewissheit da, was einen erwartet. Mittlerweile<br />

freuen wir uns nur noch aufeinander und auch<br />

darüber, gemeinsame Freunde wiederzusehen. Da<br />

die Zeit, in der Daniel endgültig zurück nach<br />

Deutschland kommen kann, noch so weit weg ist,<br />

haben wir, was das angeht, keine Ängste. Wenn<br />

wir darüber reden, dann freuen wir uns immer<br />

darauf, weil wir dann die Zukunft ein bisschen<br />

planen. Zum Beispiel, dass wir dann zusammen<br />

ziehen könnten, dass Daniel dann noch einen<br />

Nebenjob machen könnte (was in Rumänien<br />

nicht so gut geht)…<br />

Vielen Dank, dass du dir Zeit für das Interview<br />

genommen hast und euch beiden alles Gute für<br />

euren gemeinsamen Lebensweg!<br />

Bild: Pixabay


16<br />

FÜHLEN<br />

mediakompakt<br />

Bild: Pixabay<br />

Neue<br />

Esskultur<br />

Egal ob in Bioläden, Supermärkten<br />

oder Discountern, in<br />

Deutschland greifen immer<br />

mehr Menschen zu Bio-<br />

Lebensmitteln. Im Jahr <strong>20</strong>15<br />

wuchs der Markt mit den Bio-<br />

Produkten um elf Prozent, der<br />

Umsatz stieg auf 8,62<br />

Milliarden Euro an. Dies liegt<br />

auch am stetigen Ausbau der<br />

Bio -Produktpalette im Discounterbereich.<br />

VON LISA OBELE<br />

Die Vorgänger der heutigen Bio -Lebens-<br />

mittel sind zu Beginn des <strong>20</strong>. Jahr -<br />

hunderts entstanden. Die damaligen<br />

Verbraucher waren Querdenker, hatten<br />

Interesse an Naturkost und suchten<br />

frische Lebensmittel, die frei von Zusatzstoffen<br />

und nur minimal bearbeitet waren. Nach dem<br />

zweiten Weltkrieg folgte eine Welle von Neu -<br />

gründungen ökologisch orientierter Höfe. Aller -<br />

dings mangelte es den Bio -Herstellern noch an<br />

ausgereiften Vermarktungs- und Vertriebsmög -<br />

lichkeiten, weswegen die Produkte im Verkaufs -<br />

regal oft nicht mehr allzu frisch anzusehen waren.<br />

Mitte bis Ende der 90er Jahre änderte sich dies<br />

langsam. Durch die optimierten Vertriebswege,<br />

verbesserte sich die Qualität und Frische der Pro -<br />

dukte. Damit stieg die Nachfrage für die Bio-<br />

Produkte langsam aber stetig. Spätestens die erste<br />

deutsche BSE -Kuh kurz vor Weihnachten <strong>20</strong>01<br />

verdarb vielen Verbrauchern den Appetit. Plötz -<br />

lich war der Bio- Markt groß genug, um auch für die<br />

konventionelle Industrie interessant zu werden,<br />

denn Bio -Produkte ge hören zu den wenigen<br />

Wachstumsmärkten. Hier können vergleichsweise<br />

hohe Preise durchgesetzt werden.<br />

Um Verbraucher zu schützen und Erzeuger<br />

transparenter zu machen, gibt es Öko- Verord -<br />

nungen auf nationaler und internationaler Ebene,<br />

Bio-Siegel, Dachverbände und Informations -<br />

plattformen für den Ökologischen Landbau.<br />

Gerade beim neuen EU- Siegel, welches sich auf die<br />

EU- Öko-Verordnung stützt, liegen die festgeleg -<br />

ten Richtlinien weit hinter denen der drei größten<br />

deutschen Bioverbände Bioland, demeter und Na -<br />

turland, weswegen Bio- Lebensmittel auch oft in<br />

der Kritik stehen nicht besser zu sein als die<br />

günstigeren. Alternativprodukte. Wer Bio will, ist<br />

besser beraten Produkte zu kaufen, die neben dem<br />

EU- Siegel auch ein Zeichen von einem der großen<br />

Anbauverbände tragen. Dafür gibt es dann zwar<br />

nicht zwingend mehr Geschmack oder ein Ge -<br />

sundheitswunder, aber immerhin die Gewissheit,<br />

dass die Waren nachhaltig und ökologisch<br />

korrekt hergestellt wurden.<br />

Laut einer Studie des Nestlé- Konzerns verliert<br />

das Kriterium Nummer 1 der vergangen Jahre, der<br />

Preis, im Food-Sektor immer mehr an Bedeutung.<br />

58 Prozent der Deutschen geben heute an, vor<br />

allem Wert auf eine hohe Qualität ihrer Nah -<br />

rungsmittel zu legen. Frische, Geschmack, Her -<br />

kunft und Nachhaltigkeit – all das findet beim<br />

Einkauf mittlerweile offenbar ebenso viel Beach -<br />

tung, wie das Preisschild. Entwickeln wir also eine<br />

neue Esskultur? Um die Fakten aus der aktuellen<br />

Food- Studie zu überprüfen wurden einige Kunden<br />

in einem Stuttgarter Bioladen und in einem Dis -<br />

counter zu ihren Ernährungsgewohnheiten be -<br />

fragt. Unabhängig vom Supermarkt bekam man<br />

die Aussage: „Für bessere Produkte bin ich bereit<br />

auch einen höheren Preis zu zahlen.“ von fast<br />

jedem Kunden zu hören. Besonders sensibel<br />

waren die Befragten im Hinblick auf tierische Pro -<br />

dukte. Artgerechte Tierhaltung und Fleisch von<br />

vermeintlich glücklichen Tieren sind in Deutsch -<br />

land ein großes Thema. Doch obwohl die Deut -<br />

schen vermehrt auf die Qualität und Her kunft<br />

ihrer Lebensmittel achten, stammen 98% aller in<br />

Deutschland zum Verzehr gehaltenen Tiere aus<br />

Massentierhaltungsbetrieben und Aqua kulturen.<br />

Laut Statista gaben die Deutschen im Jahr <strong>20</strong>15<br />

nur 13,6% ihres Einkommens für Lebensmittel,<br />

Getränke und Tabakwaren aus. Dies ist im EU-<br />

Durchschnitt sehr wenig und zeigt auf, dass bei<br />

vielen Konsumenten beim Bezahlen an der Super -<br />

marktkasse, doch der Geldbeutel mitentscheidet.<br />

Es ändert sich aktuell zwar viel bei den Essens -<br />

gewohnheiten der Deutschen, jedoch er nähren<br />

sich noch immer sehr viele Konsumenten stark<br />

preisorientiert. Die steigenden Zahlen des Bio -<br />

Umsatzes sind eine positive Änderung im<br />

Hinblick auf nachhaltigere Herstellungsmetho -<br />

den und zeigen auf, dass ein schrittweises Um -<br />

denken stattfindet. Vielleicht sind mehr Ver -<br />

braucher bald nicht nur bereit mehr Geld für<br />

bessere Produkte zu bezahlen, sondern tun es<br />

sogar tatsächlich. Bekanntlich die Erkenntnis ja<br />

der erste Schritt zur Besserung und immerhin ein<br />

guter Anfang.


2/<strong>20</strong>16 FÜHLEN<br />

17<br />

App dich glücklich –<br />

oder das Geschäft mit der Liebe<br />

Wie Dating -Apps den Appetit<br />

vieler Liebeshungriger stillen<br />

können – und so manch einer<br />

eher Hunger auf mehr<br />

bekommt.<br />

VON HANNA SCHINDEHÜTTE<br />

Kann Liebe ein Geschäft sein? Ist das<br />

denn dann noch romantisch genug?<br />

Die Antwort lautet Ja, denn wie in der<br />

Wirtschaft lebt auch hier der Markt von<br />

Angebot und Nachfrage der Gesellschaft.<br />

Liebe verkörpert schon seit Urzeiten Werte<br />

und Wünsche, nach denen sich der Großteil der<br />

Menschheit sehnt – viele Unternehmen wie<br />

Tinder, Parship, Lovoo und Co nutzen diese<br />

Bedürfnisse für ihren Erfolg. Aber wie erfolgreich<br />

ist das Geschäft mit der Liebe wirklich?<br />

Parship zum Beispiel behauptet, alle 11 Minu -<br />

ten würde sich ein Single auf ihrem Portal ver -<br />

lieben. Ist das jetzt etwas Schönes, oder wäre es<br />

nicht praktischer, wenn sich zwei verlieben<br />

würden? Ineinander? Sonst würde ja die Eigen -<br />

werbung von Parship eigentlich eine ziemlich<br />

traurige Botschaft vermitteln: Alle 11 Minuten<br />

verliebt sich ein Single über Parship – unglücklich.<br />

Woher kommt denn solch eine Statistik? Und darf<br />

man Liebe überhaupt in Statistiken ausdrücken,<br />

oder nimmt das nicht viel vom Zauber des<br />

schönen Zufalls, der schon so viele Menschen<br />

zusammengeführt hat? Nicht ohne Grund wurde<br />

diese Aussage vom Rheinisch- Westfälischen Insti -<br />

tut für Wirtschaftsforschung im Dezember <strong>20</strong>15<br />

zur „Unstatistik des Monats“ gekürt. Es ist schließ -<br />

lich noch kein Erfolg, wenn sich nur ein Mensch<br />

verliebt. Anti- Werbung also.<br />

Trotzdem erleben Dating- Portale und Apps<br />

wie beispielsweise Tinder einen Hype wie nie<br />

zuvor. Vielleicht weil jeder durch einen einfachen<br />

Links- Wisch (also das Wegklicken eines ‚unattrak -<br />

tiven‘ Profils) nun seiner Oberflächlichkeit freien<br />

Lauf lassen kann, ohne sich dafür rechtfertigen zu<br />

müssen, denn das Gegenüber bekommt davon<br />

praktischerweise nichts mit. Ist flirten in real life<br />

jetzt auf einmal old school? Der eigene Schatten,<br />

über den man dann springen muss, ist für manche<br />

vielleicht zu hoch. Und so eine App kann vieles<br />

natürlich auch leichter machen.<br />

Nehmen wir zum Beispiel Tinder. Das Prinzip<br />

der äußerst erfolgreichen App lässt sich sehr gut<br />

anhand eines anderen Grundbedürfnisses er -<br />

klären: Hunger. Jemand verspürt also ebendiesen,<br />

entscheidet sich heute mal online zu bestellen<br />

und greift nach seinem Handy. Öffnet die App<br />

und fängt an, sich durchs Angebot zu klicken. Je<br />

nachdem, worauf man Appetit verspürt, fängt<br />

man an, die unleckeren Angebote auszusortieren<br />

und seine Gelüste zu definieren. Praktisch, dass<br />

man auch gleich den Radius für das Einzugsgebiet<br />

einstellen kann, in dem man sich befindet. Wäre<br />

ja auch blöd, wenn man Angebote sieht, die<br />

einem gefallen, aber die Distanz einfach zu groß<br />

ist. Wenn alles glatt läuft, hat das Restaurant jetzt<br />

auch geöffnet – Match! Viele fanden das bestellte<br />

Gericht bestimmt auch lecker, aber da war doch<br />

dieses eine Gewürz, das irgendwie einen bitteren<br />

Beigeschmack verursacht hat. Zum Glück kann<br />

man sich ja beim nächsten Mal etwas anderes<br />

liefern lassen. Geschmäcker ändern sich eben. So<br />

manch einem schmeckt auch dauerhaft, was man<br />

da probiert hat, trotzdem findet nicht jeder sein<br />

Lieblingsgericht auf der Speisekarte.<br />

Für viele sind die Kommunikationskanäle<br />

und Möglichkeiten der Kontaktaufnahme im<br />

heutigen Zeitalter jedoch eine Hilfe, die eigene<br />

Schüchtern heit überwinden zu können und in<br />

Kontakt mit dem anderen Geschlecht zu kom -<br />

men, ohne den viel gefürchteten ‚ersten Schritt‘<br />

tun zu müssen. Denn der Kontakt entsteht quasi<br />

von allein, so bald Tinder ein Match anzeigt. Man<br />

muss nun nur noch den Mut aufbringen, eine<br />

Nachricht zu senden. Aber die Erfolgschancen<br />

auf eine Antwort stehen nicht schlecht, da das<br />

gegenseitige Interes se ja bereits durch das Match<br />

bestätigt wurde. Schon so manche Beziehung ist<br />

über eine Dating- App entstanden und es wird<br />

wohl immer nor maler werden, darüber auch<br />

offen zu reden. Auf vielen Profilen konnte man<br />

lesen „Wir können lügen, wo wir uns ken -<br />

nengelernt haben ;)“, aber durch die zu -<br />

nehmende Kommunikation der Digi tal Natives<br />

über Social Media etc. ist das nicht mehr<br />

unbedingt notwendig, da es für viele schon fast<br />

normal ist, sich auf diese Art und Weise ken -<br />

nenzulernen. Ob man das möchte, ist jedem<br />

selbst überlassen.<br />

Bild: Michael Bissinger


18<br />

FÜHLEN<br />

mediakompakt<br />

Bild: Unsplash/Christal Yuen


2/<strong>20</strong>16 FÜHLEN<br />

19<br />

Mythos Authentizität:<br />

Zeig nicht dein<br />

wahres Gesicht!<br />

Bei der Karriereplanung gilt es nicht nur, den richtigen Beruf<br />

zu finden, sondern auch seine wahre Berufung. Wir träumen<br />

von einem Job, in dem wir authentisch sein können. Dabei<br />

wird doch jedermann dafür bezahlt, auf professionelle Art und<br />

Weise seine Rolle als Angestellter oder Chef wahrzunehmen.<br />

Ein Plädoyer dafür, sein wahres Ich nicht ins Büro<br />

mitzunehmen.<br />

VON ARIANE DOBREN<br />

Ob es Authentizität überhaupt gibt, da -<br />

rüber kann man sich streiten. Wir alle<br />

sind täglich in verschiedenen Rollen<br />

unterwegs, als Sohn oder Toch ter,<br />

Freund oder Freundin, Kollege oder<br />

Kollegin, Vater oder Mutter. Das beginnt schon<br />

beim morgendlichen Brötchen holen, wenn wir<br />

statt der ausgebeulten Jogginghose, doch lieber in<br />

die Designerjeans schlüpfen. Bei jeder dieser<br />

Rollen gibt es eine gewisse Überschneidung von<br />

der eigenen Persönlichkeit und dem, was die<br />

jeweilige Rolle von uns fordert. Jede Facebook-<br />

Seite und jeder Twitter-Account ist heute eine<br />

Plattform zur beruflichen Selbstdarstellung und<br />

kann karriere förderlich sein – Stichwort Social<br />

Media Re cruiting. Gefragt ist nicht etwa die<br />

ungefilterte Echtheit, sondern die Kunst der<br />

„selektiven Authentizität“, bei der immer nur die<br />

Seite von uns zur Schau gestellt wird, die positiv<br />

besetzt ist. Erfolg hat demnach jener, der die Rolle<br />

des Authentischen glaubhaft spielt.<br />

Die ganze Welt ist eine Bühne, und wir sind<br />

die Schauspieler, wie William Shakespeare es<br />

einmal sagte. Apropos Schauspiel: Wenn jemand<br />

weiß, wie aufregend es sich anfühlt, Teil einer<br />

skrupellosen Intrige zu sein, dann ist es Holly -<br />

wood. Seien wir doch einmal ehrlich – wir lieben<br />

es, Kevin Spacey in seiner Rolle als durchtriebener<br />

Abgeordneter Frank Underwood in der Netflix-<br />

Serie „House of Cards“ dabei zuzuschauen, wie er<br />

ganz Washington D. C. durch sein doppeltes Spiel<br />

manipuliert und sich gewissenlos bis ins Oval<br />

Office lügt.<br />

Wir bewundern zwar insgeheim die ma -<br />

chiavellische Art, in der Charaktere wie Under -<br />

wood ihre Kontrahenten gegeneinander aus -<br />

spielen und Kapital aus deren Schwachstellen<br />

schlagen. Aber selbst derart durchkalkuliert und<br />

skrupellos zu handeln, kommt für die meisten von<br />

uns nicht in Frage. Wo bleibt da die Moral?,<br />

denken wir uns. Dabei ist die Intrige doch ei -<br />

gentlich nur eine konsequente Weiterführung der<br />

Kunst des taktisch klugen Verhaltens. Wie kommt<br />

es also, dass wir zu strategischen Spielchen im Job<br />

ein so zwiespältiges Verhältnis entwickelt haben?<br />

Warum widerstrebt uns solches Macht gehabe?<br />

Sollten wir nicht anfangen, mehr wie Spieler zu<br />

denken und nicht immer nur mit offenen Karten<br />

zu spielen, sondern auch mal zu bluffen? Mal<br />

bewusst Begeisterung vor dem Chef heucheln für<br />

ein Projekt, das einem nicht gefällt. Den<br />

inkompetenten Kollegen vor dem Vorstand auf -<br />

laufen lassen, anstatt ihm immer wieder den<br />

Arsch zu retten. Oder auch mal heimlich die E-<br />

Mails der Kollegen lesen, wenn der Computer eh<br />

gerade an ist.<br />

Leider (oder zum Glück?) steht die bewusste<br />

Verstellung im krassen Gegensatz zu unserer<br />

Sehnsucht nach Echtheit. Schon von Kindes bei -<br />

nen an wurde uns gepredigt: „Sei einfach du<br />

selbst, und alles wird gut!“ Der Authen -<br />

tizitätstrend ist allgegenwärtig. Wer den Such -<br />

begriff „authentisch leben“ bei Google eingibt,<br />

erhält über 300.000 Ergebnisse. Bliebe diese<br />

Forderung nach Authentizität nur auf die Welt<br />

der Esoterik beschränkt, könnte man dies schul -<br />

terzuckend abtun, doch selbst in Universitäts -<br />

seminaren wird man ausdrücklich vor einer<br />

„Inszenierung des Selbst“ gewarnt. Wunderbar!<br />

Verzichten wir doch bei unserem nächsten<br />

Bewerbungsgespräch mutig darauf, uns als sou -<br />

veräne, belastbare und hoch motivierte Muster -<br />

kandidaten darzustellen – und sammeln lieber<br />

Authentizitätspunkte, indem wir unser Herz auf<br />

der Zunge tragen und offen dazu stehen, dass der<br />

Umgang mit Zahlen und Budgets nicht gerade zu<br />

unseren Stärken gehört. Hoffentlich hat sich die<br />

simple Erfolgsbotschaft „Authentizität“ dann bis<br />

in die Führungsetagen herumgesprochen.<br />

Authentizität ist eben nicht der Schlüssel zu<br />

schnellem Erfolg. Bei nüchterner Betrachtung ist<br />

unser blindes Streben nach Authentizität im Beruf<br />

überhaupt nicht gerechtfertigt. Denn das Be -<br />

mühen, möglichst authentisch zu sein, kann<br />

leicht zu einer Verschmelzung mit der Rolle<br />

führen. Folglich nehmen wir Kritik und negatives<br />

Feedback persönlich und machen uns im in -<br />

nersten Kern angreifbar. Viele denken dann sogar,<br />

dass der Chef sie persönlich nicht mag – Sach- und<br />

Beziehungsebene geraten durch einander. Ein<br />

Beispiel: Wenn am Filmset der Regisseur einen<br />

Schauspieler auffordert, seine Rolle anders zu<br />

spielen, ist das ein notwendiger professioneller<br />

Austausch, bei dem die Inter pretation der Rolle<br />

bewertet wird und nicht der Schauspieler als<br />

Mensch.<br />

Klingt das alles sehr düster? Ein Dasein als<br />

Rollen-Marionette fristen?! So wollen wir nicht<br />

sein! Auf lange Sicht kann das natürlich nur<br />

gelingen, wenn sich die Rollen-Performance<br />

prinzipiell mit der eigenen Persönlichkeit, den<br />

eigenen Werten und Ansprüchen deckt. In der<br />

Regel suchen sich Menschen ihre Berufe ja so aus,<br />

dass sie aufgrund ihrer persönlichen Präferenzen,<br />

die üblichen Rollenerwartungen gut bedienen<br />

können. Und ist einmal eine professionelle<br />

Distanz zu der beruflichen Rolle aufgebaut, ist<br />

auch die Basis für eine gesunde Work-Life-Balance<br />

und damit eine effektive Burn-out-Prävention<br />

gelegt.<br />

Und die Moral von der Geschicht‘? Ver -<br />

suchen wir es doch alle einmal mit dem<br />

Gegenteil von Authentizität: Nehmen wir die<br />

Herausforderung der funktionalen Verstellung<br />

bewusst an, statt dem Mythos Authentizität<br />

aufzusitzen. Als taktisch kluger Hollywood -<br />

anwärter an den Zitzen der Macht saugen, statt<br />

weiterhin nur ein Laiendarsteller – Schrägstrich<br />

Versager – zu sein, der an seinem naiven Kinder -<br />

glauben an die Überzeugungskraft des Echten<br />

standhaft festhält. Es ist Zeit für deinen Auftritt:<br />

Sei einfach nicht du selbst!<br />

Literatur: „Mythos Authentizität: Die Kunst, die richtigen<br />

Führungsrollen zu spielen.“ von Rainer Niermeyer, Campus<br />

Verlag <strong>20</strong>08


<strong>20</strong><br />

MACHEN<br />

mediakompakt<br />

Bild: Pixabay<br />

Mit Social Media<br />

um die Welt<br />

wie nehmen Follower diese Urlaubsposts wahr?<br />

Mehr als vier von zehn gönnen dem Urlauber von<br />

ganzem Herzen seinen Spaß, genauso viele freuen<br />

sich über den Gruß von unterwegs oder machen<br />

dazu einen netten Kommentar. Viele fühlen sich<br />

inspiriert für eine eigene Reise und schätzen, auf<br />

diesem Weg wertvolle Reisetipps zu erhalten.<br />

Reisen liegt im Trend: Fotos vom Traumstrand in Ibiza, dem<br />

Wochenendtrip nach Paris oder ein Schnappschuss vom<br />

exotischen Thai-Food – heute millionenfach zu finden auf<br />

Facebook, YouTube, Snapchat und Instagram.<br />

VON CHARLOTTE MÜLLER<br />

Vor einer Urlaubsreise informieren sich die<br />

meisten Deutschen im Internet. Und<br />

auch während der Reise nutzen sie zu -<br />

nehmend „Local Based Services Apps“<br />

der Reiseanbieter. Während und nach<br />

dem Trip teilen sie ihre Erlebnisse mit Beiträgen in<br />

den sozialen Netzwerken. Die Tourismusbranche<br />

hat sich also aufgrund der Digitalisierung stark<br />

gewandelt. Von der Buchung über die Reise -<br />

planung und Aktionen am Urlaubsort bis zur<br />

Rückschau auf die Reise – der Umbruch trifft alle<br />

Bereiche der „Customer Journey“.<br />

#TOURISM<br />

Und die Unternehmen der Tourismusbranche<br />

reagieren auf diesen Trend, den ihre Kunden le -<br />

ben. Sie werten soziale Medien aus, um Reisenden<br />

individuelle Angebote machen zu können:<br />

Welche Videos und Bilder schauen sich ihre<br />

Kunden an? Welchen geben sie ein „Like“?<br />

Welchen Influencern, also Personen, die aufgrund<br />

ihres hohen Ansehens für das Marketing in -<br />

teressant sind, folgen sie? Diesen Influencern<br />

spendieren Reiseunternehmen teure Trips an die<br />

schönsten Orte unserer Erde. Ihr Ziel: ein schönes<br />

Foto mit dem „#SPONSERED by …“ und damit<br />

Aufmerksamkeit für ihre Marke. „Eigentlich ist es<br />

so wie auf einer Party“, sagt Marina Noble von<br />

touristik-aktuell.de. „Zwei stehen zusammen und<br />

plaudern, ein Dritter hört zu und erzählt es zwei<br />

Freunden weiter. Früher hieß dies Mund-zu-<br />

Mund-Propaganda. Heute steigt eine Riesen-Party,<br />

und [die sozialen Medien liefern] das Megafon.<br />

Während der Radius früher begrenzt war, kann<br />

sich heute eine Nachricht in Sekundenschnelle<br />

rund um den Globus verbreiten.“<br />

#TRAVEL<br />

Posts rund um den Globus verbreiten, Aufmerk -<br />

samkeit in Sozialen Medien bekommen – das<br />

erhoffen sich auch immer mehr Menschen wie du<br />

und ich. Laut einer Studie von lastminute.de<br />

postet mittlerweile mehr als jeder dritte Deutsche<br />

Fotos oder Kommentare von seiner Reise auf<br />

Netzwerken wie Instagram und Facebook. Neben<br />

dem Teilen von Reiseerlebnissen und -empfeh -<br />

lungen mit Familie und Freunden spielt vor allem<br />

die Selbstdarstellung eine Rolle: viele wünschen<br />

sich Likes, an erkennende Kommentare und dass<br />

andere sehen, wie schön das eigene Leben ist. Und<br />

#TRANSPARENZ<br />

Reisetipps und Inspirationen kann man auch von<br />

Video Bloggern auf YouTube bekommen, wie von<br />

Sandy und Benni vom Kanal „Life with Sandy and<br />

Benni“. Ähnlich wie viele andere nehmen auch sie<br />

uns mit auf den Sprung von 30 Meter hohen<br />

Klippen in Thailand, den Elefantenritt in Sri<br />

Lanka und Weihnachten am Strand in Bali. Was<br />

sie dabei vermitteln wollen ist ein Gefühl von<br />

Freiheit und Unabhängigkeit. Doch gleichzeitig<br />

haben ihre Zuschauer hohe Erwartungen an sie:<br />

Jede Woche ein neues Video hochladen, noch<br />

mehr spannende Erlebnisse teilen – sonst sinken<br />

die Views und damit das werbefinanzierte Ein -<br />

kommen. Bleibt da noch Zeit zum „im Moment<br />

Leben“, zum Genießen der vielen Reisen?<br />

#TREND<br />

Die Meinungen zu diesem Trend sind<br />

unterschiedlich. Eine Zuschauerin von Sandy und<br />

Benni schreibt: „Ich finde es so schön, dass ihr so<br />

‚frei‘ seid [… und] würde so gerne wie ihr Reisen<br />

und so vermeintlich sorglos leben.“ Andere sehen<br />

das skeptischer: „Reisen erweitert den Horizont.<br />

Das ist korrekt. Aber ihr merkt gar nicht, wie<br />

versteift ihr dem Gedanken Freiheit hinterher jagt<br />

[…] es gibt doch noch mehr. Auch alles, was ihr für<br />

versteift haltet, kann den Horizont erweitern. Eine<br />

gesunde Mischung wäre doch am besten.“<br />

Im Großen und Ganzen sind solche Reisevlogs<br />

aber sehr beliebt. Das haben auch Deutschlands<br />

erfolgreichste Youtuber erkannt und nutzen den<br />

Trend für sich: „DNER“ und andere YouTube-<br />

Stars, die bislang in ihren „Let’s Plays“ Computer -<br />

spiele wie Minecraft vorstellten, rollen jetzt auf<br />

Longboards durchs Land und filmen mit – einmal<br />

von Sylt bis in den Süden.


2/<strong>20</strong>16 MACHEN<br />

21<br />

Reparieren ist das<br />

neue Konsumieren<br />

„Wegwerfen? Is’ nicht!“ Der Trend der Do-it-yourself-Bewegung<br />

ist in deutschen Werkstätten angekommen und heißt Repair<br />

Café. Mit professioneller Unterstützung löten, schrauben und<br />

kleben die Besucher ihre kaputten Gegenstände, trinken Kaffee<br />

und kündigen der Wegwerfkultur den Kampf an.<br />

VON ALENA HOF<br />

Der Toaster funktioniert nicht mehr, die<br />

Kopfhörer haben einen Wackelkon -<br />

takt und als wäre das nicht schon<br />

ärgerlich genug, ist auch noch die<br />

Garantie abge laufen. Jeder kennt das,<br />

aber was machen?<br />

Entweder schmeißt man die Gegenstände weg<br />

oder man lässt sie reparieren. Leider sind die<br />

meisten Reparaturen teurer als der Neukauf, daher<br />

ist oft Ersteres der Fall. Laut einer Untersuchung<br />

der United Nations University sind in Deutsch -<br />

land <strong>20</strong>14 1,8 Millionen Tonnen Elektroschrott<br />

angefallen. Dies entspricht einer Menge von 21,6<br />

kg pro Kopf. Damit liegt Deutschland auf Platz<br />

vier hinter den USA, China und Japan der Elektro -<br />

schrottproduzenten und ist somit Spitzenreiter in<br />

Europa.<br />

Umweltschonend ist das nicht. Das dachte<br />

sich auch die niederländische Umweltjournalistin<br />

Martine Postma als sie <strong>20</strong>09 das erste Repair Café<br />

Gemeinsam reparieren, Spaß dabei haben und Kaffee trinken? Das geht in Repair Cafés!<br />

in Amsterdam gegründet hat, um dem Wegwerfen<br />

ein Ende zu bereiten.<br />

Das Konzept der Repair Cafés ist denkbar<br />

einfach – es handelt sich dabei um Hilfe zur Selbst -<br />

hilfe. Ehrenamtliche Helfer, die das handwerk -<br />

liche Know-how und Fachwissen mitbringen,<br />

stehen mit Rat und Tat beiseite und unterstützen<br />

die Besucher bei der Reparatur ihrer defekten<br />

Gegenstände. Ziel ist es, die Besucher für den<br />

Ressourcenverbrauch hinter den Produkten zu<br />

sensibilisieren, weitere Ressourcen zu schonen,<br />

Müll zu vermeiden und natürlich die Freude am<br />

Reparieren zu wecken. In Deutschland gibt es<br />

derzeit über 300 Repair Cafés, von denen sich<br />

sieben in Stuttgart befinden.<br />

Einmal im Monat verwandeln sich öffent -<br />

liche Einrichtungen wie Schulen oder Gemeinde -<br />

zentren in Repair Cafés und es wird alles repariert<br />

was geht. Jeder darf kommen, egal ob Besucher<br />

mit kaputtem Gegenstand, ambitionierter Helfer<br />

Bild: Alena Hof<br />

oder interessierter Gast. Die Bandbreite der zu<br />

reparierenden Gegenstände ist sehr groß. Neben<br />

elektrischen Geräten, wie Tablets, Smartphones,<br />

Staubsauger und PCs können auch Fahrräder,<br />

Spielzeuge, Möbel oder auch Kleider repariert<br />

werden. Wer sichergehen möchte, kann das<br />

entsprechende Repair Café auch vorab kontak -<br />

tieren und nachfragen. Es gelten jedoch die<br />

Regeln, dass jeder Besucher nur einen defekten<br />

Gegenstand mitbringen darf und nur das<br />

repariert wird, was man hintragen kann.<br />

Matthias B., einer der Organisatoren des Repair<br />

Cafés in Stuttgart-West sagt, dass es leider keine<br />

Garantie für eine erfolgreiche Reparatur gibt. „Es<br />

gibt gute und schlechte Tage. An guten Tagen<br />

kann bis zu 80% repariert werden, an schlechten<br />

vielleicht nur 50%. Versuchen sollte man es den -<br />

noch, die Um welt und der Geldbeutel danken es<br />

einem.<br />

Werkzeug, Material, Kaffee, Kuchen, Zeit und<br />

Energie werden von den Helfern und Organi -<br />

satoren des Repair Cafés zur Verfügung gestellt.<br />

Die Reparatur an sich kostet nichts. Trotzdem<br />

muss monatlich Miete gezahlt werden und das<br />

freiwillige Engagement verdient Anerkennung.<br />

Daher lebt diese Organisation von den Spenden<br />

der Besucher. Spezielle Ersatzteile müssen jedoch<br />

selbst besorgt werden.<br />

Hinter den Kulissen – Repair Café Stuttgart-West<br />

Es ist Samstag der 21. Mai, 9:50 Uhr, als ich im<br />

Eltern-Kind-Zentrum in Stuttgart Feuersee an -<br />

komme. Das Scrollrad meiner Apple Mouse ist<br />

schon längere Zeit kaputt und ich habe kein<br />

Werkzeug und keinen Mut um diese alleine zu<br />

reparieren, daher hoffe ich auf Hilfe im Repair<br />

Café. Im Erdgeschoss wird bereits ein großer<br />

Raum von vielen Helfern in eine Werkstatt um -<br />

funktioniert und zwei Besucher warten schon in<br />

einem kleinen Empfangsbereich. Bevor es los -<br />

geht, muss jeder eine Haftungserklärung unter -<br />

schreiben. In diesem Zusammenhang wird mir<br />

die Station „Elektronik” und eine Nummer zu -<br />

gewiesen – ein bisschen Ordnung muss schließ -<br />

lich sein. Ich habe Glück und werde gleich<br />

aufgerufen. Mein Helfer ist Ausilio S., der seit der<br />

Gründung mit an Bord ist und viel Erfahrung hat.<br />

Er führt mich zu unserem Platz und wir kommen<br />

gleich ins Gespräch, da ihm mein iPhone<br />

aufgefallen ist. So erfahre ich, dass auch Apple<br />

Produkte, die als irreparabel gelten (wenn man<br />

selbst Hand anlegt), repariert werden können.<br />

Gute Anleitungen, Werkzeuge und Ersatzteile<br />

findet man hierzu unter ifixit.com. Mit Ausilios<br />

Hilfe und dem richtigen Werkzeug fange ich an<br />

meine Mouse systematisch in ihre Einzelteile zu<br />

zerlegen. Sobald ich etwas nicht hinbekomme,<br />

hilft er mir weiter und erklärt mir die Dos and<br />

Don‘ts im Umgang mit geöffneten elektro -<br />

nischen Geräten. Ich lerne viel dazu und fühle<br />

mich gut aufgehoben. Das Reparieren macht<br />

großen Spaß und ist ein Erfolg. Um mich herum<br />

wird viel geredet und gelacht, die Atmosphäre ist<br />

locker. Ich führe noch weitere interessante<br />

Gespräche und bringe mehr über die Idee des<br />

Repair Cafés und die Beweggründe der Helfer in<br />

Erfahrung. Mein Fazit? Ich komme wieder und<br />

möchte selber helfen!


22<br />

MACHEN<br />

mediakompakt<br />

Trampen – ein<br />

aussterbender Trend<br />

Von A nach B zu kommen fällt heute leichter denn je. Mit<br />

günstigen Portalen wie mitfahr gelegenheiten.de, Rabatten der<br />

deutschen Bahn oder gut ausgebauten Linien für Nah- und<br />

Fernbusse fehlt es einem Reisenden nie an Alternativen. Doch<br />

kaum jemand nutzt mehr die günstigste, spontanste und sicher<br />

auch ereignisreichste Form des Reisens: Trampen.<br />

VON MICHAEL BISSINGER<br />

Neben den vielen preiswerten Alter -<br />

nativen gibt es sicher noch andere<br />

Gründe, warum Trampen nicht mehr<br />

so stark im Trend liegt. Zum Beispiel<br />

die Angst der Leute mit Fremden<br />

mitzufahren, die schlechte Planbarkeit einer<br />

Tramptour, das eigene Auto und so weiter…<br />

Warum all diese Punkte auch Vorteile sein<br />

können soll in diesem Artikel gezeigt werden,<br />

denn mit der Einhaltung einfacher Regeln des<br />

gesunden Menschenverstandes kann Trampen zu<br />

einer genialen Erweiterung aller anderen Trans -<br />

portmöglichkeiten werden.<br />

Daumen…<br />

An einer Straße zu stehen und den Daumen raus -<br />

zuhalten klingt nach dem üblichen Tramper -<br />

verhalten. Tatsächlich ist das eine der möglichen<br />

Vorgehensweisen, doch als erfahrene/r Tramper/in<br />

sollte man Mitfahrgelegenheiten eher an Rast -<br />

plätzen entlang der Autobahn oder Parkplätzen<br />

suchen. Das hat den großen Vorteil, dass man sich<br />

seine Fahrer so selbst aussuchen kann und sich ein<br />

Bild von ihnen machen kann, bevor man einsteigt.<br />

Auf der anderen Seite können sich auch die Fahrer<br />

ein Bild von dem potenziellen Mitfahrer machen,<br />

was die Entscheidung für sie ebenfalls erleichtert.<br />

Wenn kein Rastplatz in der Nähe ist, muss leider<br />

trotzdem der Daumen an der Straße ausgestreckt<br />

werden. Hier ist besondere Empathie für die Auto -<br />

fahrer angesagt. Der/die Tramper/in muss schon<br />

von weitem zu sehen sein und die Stelle muss sich<br />

zum sicheren Anhalten für den Autofahrer eignen.<br />

Bild: Michael Bissinger


2/<strong>20</strong>16 MACHEN<br />

23<br />

Schild...<br />

Ein Schild ist beim Trampen ein absolutes Muss.<br />

Doch auch hier gilt es einiges zu beachten: Wer<br />

von Stuttgart nach Barcelona trampen will, tut<br />

sich schwer weiterzukommen, wenn er auf sein<br />

Schild „Barcelona“ schreibt. Dort sollte immer die<br />

nächstgrößere Stadt stehen, damit potenzielle<br />

Fahrer sich auch angesprochen fühlen.<br />

Ein Schild kann man sich leicht aus Papp -<br />

kartons basteln. Einfach in den Tankstellen<br />

entlang des Weges fragen. Ein schwarzer Edding<br />

gehört natürlich zur fundamentalen Aus -<br />

rüstung.<br />

Aussteigen…<br />

Mit manchen Fahrern kommt man recht nah an<br />

das gewünschte Ziel heran. Doch nicht die Anzahl<br />

der Kilometer ist für ein gelungenes Trampen<br />

wichtig. Wer nach 1000 getrampten Kilometern<br />

irgendwo im Hinterland <strong>20</strong> Kilometer vom<br />

Endziel entfernt steht, wird trotzdem nicht mehr<br />

dort ankommen. Hier hätte es sich empfohlen<br />

schon 40 Kilometer früher an einem belebten<br />

Rastplatz auszusteigen und dort jemanden zu<br />

finden, der direkt zum Ziel fährt oder bei sehr<br />

ausgefallenen Zielen auf den öffentlichen Nah -<br />

verkehr umzusteigen. Hierfür gehört ins Tramp -<br />

gepäck ein Straßenaltas, am besten von ganz<br />

Europa oder wo auch immer man unterwegs ist.<br />

Hitchwiki…<br />

Wer sich beim Trampen entlang der Autobahn<br />

bewegt sollte keine Probleme haben, schnell und<br />

zügig hunderte von Kilometern zurückzulegen.<br />

Das große Problem ist allerdings aus den Städten<br />

zur Autobahn zu kommen, denn die Rasthöfe<br />

entlang der Autobahn sind bewusst schwer er -<br />

reichbar gebaut.<br />

Den nötigen Erfindergeist unter Aufwendung<br />

minimalster krimineller Energie bietet die Seite<br />

hitchwiki.org. Wie bei Wikipedia erstellen dort<br />

die Nutzer eigene Routen, um von den jeweiligen<br />

Städten an sogenannte Spots zu gelangen. Zu -<br />

meist beginnen die Routen recht harmlos mit dem<br />

Bus, enden dann aber nicht selten mit dem<br />

Erklimmen von Zäunen oder dem Schlüpfen<br />

durch ehemalige Bewässerungsanlagen. Verbots -<br />

schilder zu missachten und schwarz zu fahren ist<br />

in der Gemeinde der Tramper übrigens Grund -<br />

voraussetzung.<br />

Der Weg zur Autobahn kann körperlich sehr<br />

anstrengend sein, kostet aber meist nur ein paar<br />

Euro und danach steht der Weg in die Welt offen.<br />

Und ja, die Bereitschaft unsichere neue Wege zu<br />

beschreiten und eine gewisse Verrücktheit sind<br />

Grundvoraussetzung.<br />

Übernachten…<br />

Gerade bei weiter entfernten Zielen ist es wichtig<br />

auf die Nacht vorbereitet zu sein. Zwar passiert es<br />

extrem selten, dass ein/e Tramper/in an einem<br />

Punkt nicht mehr weiterkommt, doch für den Fall<br />

sollte das Equipment vorhanden sein die Nacht<br />

draußen zu verbringen. Also Schlafsack und eine<br />

Plane oder Zelt dabei haben. Es ist übrigens nicht<br />

zu unterschätzen, wie oft man beim Trampen<br />

neue Menschen kennenlernt, die sich freuen<br />

gestrandete Tramper bei sich zu Hause<br />

aufzunehmen, wenn man denn einen harmlosen<br />

Eindruck macht. Also immer freund lich sein und<br />

gratis Frühstück und Übernachtung sind (fast)<br />

gewiss.<br />

Streckenlänge…<br />

Trampen funktioniert nicht immer und überall:<br />

Um nah beieinanderliegende Ziele oder kleine<br />

Dörfer zu erreichen, ist es meist zu ungenau,<br />

außerdem fehlt es zwischen den Zielen an guten<br />

Spots. Hier sollte auf Bus und Bahn umgestiegen<br />

werden.<br />

Tramperinnen…<br />

Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen bleibt eine<br />

Sache klar: Frauen sollten lieber zu zweit<br />

trampen. Zwar gibt es zahllose Beispiele von<br />

Frauen, die problemlos alleine unterwegs sind,<br />

trotzdem sollte nicht jedem Fahrer bedin -<br />

gungslos vertraut und die falschen Gelegen -<br />

heiten geboten werden. Auf der anderen Seite<br />

werden Frauen übrigens auch viel öfter mit -<br />

genommen, was das höhere Risiko jedoch nicht<br />

ausgleicht.<br />

Wer diese Regeln einhält reist als Tramper/in mit<br />

maximaler Sicher heit durch die Welt, legt am<br />

Tag hunderte Kilo meter zurück, schont die<br />

Umwelt, wird von seinen Fahrern durch -<br />

gefüttert, lernt Land und Leute abseits der<br />

Touristikregionen kennen und das Beste: Es<br />

kostet keinen Cent.<br />

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24 MACHEN<br />

mediakompakt<br />

Bild: Pexels<br />

Gesunde Ernährung hat für<br />

die Y-Generation einen<br />

hohen Stellenwert.<br />

Das bewusste Leben<br />

der jungen Generation<br />

Generation was? So geht es<br />

vielen, die von der Generation<br />

„Y“ hören, oder wie man sie<br />

auch nennt: „Ypsiloner“.<br />

Viele verstehen, die nach<br />

1980 geborene, Generation<br />

als eine unzufriedene, aber<br />

dennoch ehrgeizige, die<br />

Arbeitswelt auf den Kopf<br />

stellende und smartphone -<br />

süchtige Spezies –<br />

Menschen, die alles hinter -<br />

fragen und sehr anspruchsvoll<br />

sind.<br />

VON KATHARINA GRENZ<br />

Als geschichtsvergessen, fremd gesteuert<br />

und programmiert, als gleichgültige<br />

und orientierungslose Untote, die sich<br />

seelenlos und geistesabwesend durch<br />

die Welt bewegen, beschreibt der<br />

österreichische Journalist Oliver Jeges die heute 18<br />

– 36 Jährigen in seinem Artikel auf welt.de. Hat<br />

dieser kritische Mann vielleicht doch Recht und<br />

die neue Generation ist für Nichts zu gebrauchen<br />

und sollte am besten aus der Welt ausscheiden,<br />

um der nachkommenden Gene ration nicht zur<br />

Last zu fallen? Das wäre ver mutlich die einfachste<br />

Lösung um Oliver Jeges wieder beruhigte Nächte<br />

zu sichern. Doch Mei nungsfreiheit steht<br />

bekanntlich jedem zu und so sollte einiges richtig<br />

gestellt werden, was Oliver Jeges in seinen<br />

Aussagen nicht bedacht hat. Dann fangen wir mal<br />

an...<br />

Als gleichgültig darf die „Y“-Generation<br />

wahrlich nicht bezeichnet werden. Denn noch<br />

nie zuvor hat sich eine Generation in ver -<br />

gleichbarer Weise mit Massentierhaltung, ge -<br />

sunder Ernährung oder dem bewussten Ein -<br />

kaufen von regionalen Produkten beschäftigt.<br />

Vieles wird kritisch hinterfragt und nicht mehr<br />

einfach so hingenommen. Es wird auf eigene<br />

Faust recherchiert, Studien werden gelesen und<br />

durch soziale Netzwerke Meinungen und<br />

Ratschläge von fremden Men schen geholt – da<br />

wird nicht mehr zu Mama und Papa gerannt und<br />

nach dem „Wieso?, Weshalb?, Warum?“ gefragt.<br />

Vor allem im Umgang mit einer bewussten<br />

und gesunden Lebenseinstellung ist die Y-Gene -<br />

ration sehr vorbildlich. Früher wurde alles ge -<br />

gessen was auf den Tisch kam – woher das Fleisch<br />

kam oder wie das Tier behandelt wurde, war<br />

Nebensache. Vegetarier oder gar Veganer waren<br />

für unsere Eltern früher nicht mehr als Fremd -<br />

worte. Die Y-Generation aber lehnt aus Über -<br />

zeugung Massentierhaltung ab. Das Kilo Fleisch<br />

für 1,99 € wird kritisch beäugt und es wird lieber in<br />

ein teureres Bioprodukt investiert. Deshalb haben<br />

es Fleischhersteller heutzutage schwer, wenn sie<br />

Fleischprodukte für utopische Niedrigpreise<br />

anbieten. Dieser Generation kann Nichts vorge -<br />

macht werden – ein Tier kann keine artgerechte<br />

Haltung für 1,99 € pro Kilo gehabt haben und das<br />

wissen Ypsiloner. Deshalb hat diese Einstellung<br />

rein gar nichts mit Gleichgültigkeit und einer<br />

ungesunden Lebenseinstellung zu tun. Außerdem<br />

sind sie in der Lage, mit ihren noch recht jungen<br />

Jahren aus Fehlern zu lernen: Das beste und<br />

aussagekräftigste Beispiel ist das sogenannte Binge<br />

Drinking oder Komasaufen genannt. Vor un -<br />

gefähr fünf Jahren war dieses Thema in allen<br />

Medien vertreten und es wurde darüber diskutiert,


2/<strong>20</strong>16 MACHEN<br />

25<br />

was dieses neue populäre Phänomen ausmacht.<br />

Die heute „älteren“ Semester der Ypsiloner tran -<br />

ken Alkohol bis zur Bewusstlosigkeit, was zu<br />

Alkoholvergiftungen oder Tod führte. Heute geht<br />

es bei ihnen vielmehr um Genusstrinken und das<br />

„Beisammen-Sitzen“, als in überfüllten Bars Shots<br />

für einen Euro das Stück bis zur Besinnungs -<br />

losigkeit zu trinken.<br />

Diese Generation bringt noch eher den Eltern<br />

was bei. Die Ypsiloner sind die Folgegeneration<br />

der sogenannten „Baby Boomer“. Bei diesen war<br />

alles vorprogrammiert: eine solide Ausbildung,<br />

Heirat, Kinder, noch mehr Kinder – und das am<br />

besten noch vor 30. Die Y-Generation aber<br />

möchte mehr vom Leben, und vor allem ein<br />

individuelles Leben. Selbstbestimmend, zufrie -<br />

denstellend und im optimalen Fall nicht akkurat<br />

durchgeplant. Für die Y-Generation ist es nicht<br />

von größter Bedeutung früh eine Familie zu<br />

gründen und mit Anfang <strong>20</strong> schon verheiratet<br />

und zweifache Mama oder Papa zu sein. Vielmehr<br />

hat diese Generation andere Prioritäten: reisen,<br />

die Welt erkunden, studieren. Kurz gesagt: die<br />

eigenen Träume individuell zu erfüllen und sich<br />

selbst kennenzulernen. Doch ist man damit<br />

automatisch egoistisch, nur weil man seine<br />

eigenen Ansprüche und Ziele vor eine Familien -<br />

planung stellt? So wie es die Baby-Boomer-<br />

Generation gerne behauptet? Die Antwort lautet:<br />

Ja und Nein! Natürlich wollen die Ypsiloner ihre<br />

eigenen Wünsche und Träume verwirklichen,<br />

studieren, reisen und nehmen sich ausreichend<br />

Zeit für sich selbst bevor das Leben aus Windeln<br />

wechseln, Kinderarztbesuchen und Brei kochen<br />

besteht. Doch beschäftigt sich diese Generation<br />

wie keine andere mit Dingen, die unsere Umwelt<br />

und andere Lebewesen betreffen. Sie lehnen<br />

Massentierhaltung ab, investieren Zeit und Geld<br />

in eine bewusste Lebensweise und setzen sich seit<br />

den neusten Ereignissen der Flüchtlingskrise für<br />

Menschen ein, die sie nicht einmal kennen. Dieses<br />

Handeln sollte mit Respekt angesehen werden –<br />

da sind Bezeichnungen wie Gleichgültigkeit und<br />

Egoismus fehl am Platz.<br />

Auch andere Aussagen, wie „orientierungslose<br />

Untote, die sich seelenlos und geistesabwesend<br />

durch die Welt bewegen“, lassen einen ver -<br />

wundert und überrascht zurück. Was Oliver Jeges<br />

vielleicht nicht bedacht hat: noch nie hat eine<br />

Generation so viel in Wissen und Bildung<br />

investiert wie die Y-Generation. Denn sie wissen,<br />

dass man nur so Erfolg im Leben haben kann.<br />

Dennoch verzeichnet sie Erfolg im Beruf nicht als<br />

wichtigsten Punkt für sich im Leben.<br />

Laut einer Trendstudie des Zukunftsinstituts<br />

von signium international aus dem Jahr <strong>20</strong>13<br />

müssen sich Führungskräfte aufgrund der Y-<br />

Generation stark umstellen: junge Menschen<br />

glänzen mit neueren und moderneren Studien -<br />

abschlüssen und für die Arbeitswelt mit neustem<br />

Input. Die Y-Generation bestimmt den Wandel<br />

der digitalen Welt, ist durch soziale Netzwerke wie<br />

Facebook, Instagram und Snapchat kommu -<br />

nikativ. Dadurch sind Ypsiloner laut signium<br />

international „zutiefst kommunikativ konsti -<br />

tuiert“. Gerade diese kommunikative Seite führt<br />

bei Führungskräften zu Kopfzerbrechen. Fast zwei<br />

Drittel der Y-Generation wollen ihren<br />

Vorgesetzten auf Augenhöhe begegnen. Das<br />

Muster der klassischen Autoritätshierarchie ist bei<br />

ihnen nicht erwünscht.<br />

Außerdem haben die „Wir“-Werte (Familie,<br />

Partnerschaft, Freunde) für die jungen Leute einen<br />

höheren Stellenwert als der berufliche Erfolg im<br />

klassischen Sinne. Auch hier spiegelt sich das<br />

Individuelle wieder: Kreativ sein, eigene Ideen<br />

verwirklichen, mitgestalten können ist für junge<br />

Frauen (72%) und Männer (69%) wichtiger als die<br />

Reisen, die Welt erkunden und sich selbst kennen lernen – die Y-Generation genießt das Leben in vollen Zügen.<br />

Bild: Pexels<br />

Eine Familie gründen? Ja klar – doch die Ypsiloner<br />

wollen sich damit Zeit lassen.<br />

Bild: Pexels<br />

Karriereleiter bis zur Führungs kraft hoch -<br />

zusteigen. Auf die Frage hin, was für sie besonders<br />

wichtig und erstrebenswert ist, gaben 89% an,<br />

unabhängig zu sein und das eigene Leben selbst<br />

bestimmen zu können. Daraufhin folgten „Spaß<br />

zu haben“, „das Leben zu genießen“ und einen<br />

„sinnvollen, erfüllenden Job zu haben“. Erst auf<br />

Platz 10 positionierten die Ypsiloner „Erfolg im<br />

Beruf“, sowie „eine gute Karriere“.<br />

Nach diesen Erkenntnissen bleibt eine Frage<br />

offen: wie kommt man dazu die Y-Generation<br />

derart falsch einzuschätzen und zu verstehen?<br />

Natürlich! Die Ypsiloner haben ihre eigenen<br />

Regeln, wollen ihre Wünsche in den Vordergrund<br />

stellen und orientieren sich ständig um; doch was<br />

kann an diesen Dingen verkehrt sein? Wir leben<br />

im modernen 21. Jahrhundert, in der die Homo-<br />

Ehe zugelassen wurde (das wurde aber auch<br />

langsam Zeit), junge Menschen aus ihren Kinder -<br />

zimmern heraus zu Youtube-Stars und Millio -<br />

nären werden.<br />

Außerdem haben Führungskräfte ein großes<br />

Los mit den Ypsilonern gezogen: So viel<br />

Neugierde und Wissen ist für Unternehmen ein<br />

großes Geschenk. Sie bringen neuen Input mit<br />

sich und verändern vor allem in der Arbeitswelt<br />

viel. Für viele Führungskräfte mag das eine<br />

große Umstellung sein und viele neue Res -<br />

sourcen fordern. Doch neuer Input und Krea -<br />

tivität – vor allem in unserem schnelllebigen<br />

Digitalzeitalter – sollte jedem Geschäftsführer<br />

dies wert sein.<br />

Desweiteren ist das Streben nach einer ei -<br />

genständigen Persönlichkeit und den indivi -<br />

duellen Wünschen, Zielen und Träumen bemer -<br />

kenswert. Den Eltern der Y-Generation wurde oft<br />

vorgetragen, wie sie zu leben haben und, was das<br />

Richtige sei. Deshalb die Bitte an alle Kritiker: Seid<br />

auch ihr mutig und lasst die Ypsiloner kreative,<br />

mutige, zielstrebige, ein wenig egoistische Indi -<br />

vidualisten sein.


26<br />

MACHEN<br />

mediakompakt<br />

foodsharing – Teilen statt<br />

wegwerfen<br />

Ein Trend der zunehmend an Aufmerksamkeit gewinnt und immer mehr Mitglieder für sich<br />

begeistern kann ist das foodsharing. Doch was genau verbirgt sich hinter der Aktion, wie kann<br />

man sich engagieren und welche Fakten gibt es rund um das Thema Essen teilen? Im Interview<br />

mit David Jans (foodsharing-Botschafter für Baden-Württemberg) werden diese und viele weitere<br />

Fragen geklärt.<br />

VON JACQULINE LAMP<br />

mediakompakt: Was ist foodsharing?<br />

David Jans: Wie bereits aus den englischen Wörten<br />

food = Essen und sharing = teilen, abzuleiten ist,<br />

bezieht sich das Konzept auf das Motto „Teile<br />

Lebensmittel, anstatt sie wegzuwerfen“.<br />

mediakompakt: Wie funktioniert foodsharing?<br />

David Jans: Über die Onlineplattform „food -<br />

sharing.de“ haben sowohl Privatpersonen, als<br />

auch Händler und Produzenten die Möglichkeit<br />

sich aktiv an der Lebensmittelrettung zu be -<br />

teiligen. Dazu kann man sich auf der Internetseite<br />

registrieren und auf der Plattform zusammen -<br />

gestellte Essenskörbe mit Lebensmitteln, welche<br />

selbst nicht mehr benötigt werden, anbieten.<br />

Selbstverständlich können auch selbst Essens -<br />

körbe von anderen angefragt und abgeholt wer -<br />

den. Zusätzlich zu den Essenskörben, gibt es über<br />

die sogenannten „Fair-Teiler“-Standorte die Mög -<br />

lichkeit, Lebensmittel einfach und unkompli ziert,<br />

ohne eine notwendige Online-Registrierung zu<br />

teilen oder abzuholen. „Fair-Teiler“ sind öffent -<br />

liche, jederzeit zugängliche Verteiler (Schränke,<br />

Schuppen, o. ä.), in welchen die Lebensmittel<br />

einfach abgeliefert werden können. So stehen sie<br />

direkt zum mitnehmen für andere bereit. Einer der<br />

beliebtesten „Fair-Teiler“ in Stuttgart befindet sich<br />

auf dem Unicampus in Vaihingen, alle weiteren<br />

Standorte sind auf der Website zu finden.<br />

mediakompakt: Wie kann man sich bei foodsharing<br />

engagieren?<br />

David Jans: Ein kleines Food-Quiz dient als<br />

Einstieg, um als „Foodsaver“ für foodsharing tätig<br />

sein zu können. Ein Botschafter aus der Region<br />

nimmt daraufhin Kontakt auf um weitere Fragen<br />

zu klären. Über einen Terminplan kann einge -<br />

tragen werden, wo und wann man gerne Lebens -<br />

mittel bei welchen Händlern und Produzenten<br />

abholen möchte. Es wird für die erste Abholung<br />

ein Treffen vereinbart und auf alle weiteren<br />

Fragen eingegangen.<br />

mediakompakt: Wo kann man das foodsharing -<br />

Team antreffen und welche Aktionen gibt es?<br />

David Jans: Der Festival-Sommer hat begonnen<br />

und foodsharing ist auf vielen großen Festivals<br />

vertreten. Vor Ort sind foodsharing-Stände<br />

vertreten um Informationen über die Thematik<br />

der Lebensmittelverschwendung zu geben, des -<br />

foodsharing „Fair-Teiler“ am Uni Campus in Vaihingen<br />

weitern gibt es auch gezielt die Möglichkeit nicht<br />

mehr benötigtes Essen zu tauschen oder für<br />

andere Festivalbesucher zu hinterlegen.<br />

mediakompakt: Wo sieht sich foodsharing in den<br />

nächsten 10 Jahren?<br />

David Jans: foodsharing etabliert sich zunehmend<br />

auch an vielen Schulen und möchte gerade schon<br />

in jungen Jahren das Bewusstsein für Lebens -<br />

mittelverschwendung aufzeigen. Hier sind mo -<br />

mentan auch viele Erfolge zu verzeichnen und<br />

bereits mehrere Schulen nehmen Vorträge der<br />

Botschafter/innen vor Schulklassen in Anspruch.<br />

Desweiteren erweitert foodsharing momentan<br />

Kooperationen mit Unternehmen, sodass z.B.<br />

Mitarbeiter Essen mit nach Hause nehmen<br />

können. Zusätzlich will foodsharing an weitere<br />

Erfolge mit großen Ketten anknüpfen wie z.B. die<br />

geglückte Kooperation mit Kaufland. Durch solch<br />

große Kooperationen will foodsharing dement -<br />

sprechend in den nächsten Jahren die Reichweite<br />

und Höhe seine Mitglieder erhöhen.<br />

mediakompakt: Was ist der Unterschied zwischen<br />

foodsharing und der Tafel?<br />

David Jans: foodsharing ist eine Ergänzung zur<br />

Tafel und steht in keiner Konkurrenz zu ihr. Die<br />

Bild: Michael Bissinger<br />

Tafel ist für bedürftige Menschen eine besonders<br />

wichtige Institution und steht daher bei der<br />

Essensabholung immer an erster Stelle. Es<br />

bestehen zusätzlich Kooperationen zwischen der<br />

Tafel und foodsharing, wie z.B. die Abholung von<br />

Lebensmittel welche, aufgrund von Zeit- oder<br />

Kapazitätsmangel, nicht mehr von der Tafel<br />

abgeholt werden können. Anders als die Tafel<br />

kann foodsharing speziell auf viele kleine<br />

Unternehmen zugehen und dort Lebensmittel<br />

retten. Aufgrund der vielen freiwilligen Helfer<br />

können so auch ein paar Brötchen beim Bäcker<br />

nebenan abgeholt werden, oder die wenigen<br />

Reste eines kleinen Biomarktes. Durch den<br />

Ursprung des foodsharings, des Anbietens und<br />

Abholens von Essenskörben, sowie das Hinter -<br />

legen von Lebensmitteln in den „Fair-Teilern“<br />

findet eine weitere klare Abgrenzung zur Tafel<br />

statt.<br />

mediakompakt: Was ist das Ziel von foodsharing?<br />

David Jans: foodsharings ganz großes Ziel ist es,<br />

dass sich der Verein wieder auflösen kann, da alle<br />

Aufklärung geleistet wurde und kein Überfluss<br />

und keine Verschwendung von Lebensmitteln<br />

mehr stattfindet.


2/<strong>20</strong>16 SEHEN<br />

27<br />

Hungerspiele oder<br />

Leben auf einem<br />

neuen Planeten<br />

Wir kommen nicht um sie herum, um all die dystopischen<br />

Geschichten. Ob im Kino oder in unseren Bücherregalen, sie<br />

begegnen uns immer wieder. Aber sind diese Geschichten<br />

wirklich nur reine Fiktion oder womöglich sogar ein Ausblick<br />

auf unsere Zukunft?<br />

VON MARA-TABEA SARCEVIC<br />

Der junge Hacker Neo muss erkennen,<br />

dass Maschinen die gesamte Mensch -<br />

heit versklavt haben, und opfert alles,<br />

um die Welt, so wie wir sie kennen, zu<br />

retten. Katniss Everdeen muss zum<br />

Vergnügen der reichen Oberschicht in Panem<br />

andere Kinder und Jugendliche töten und wird zur<br />

Symbolfigur des Widerstands gegen die Regie -<br />

rung. Der Farmer und ehemalige NASA-Astronaut<br />

Cooper lässt seine Kinder zurück, um einen neuen<br />

Heimatplaneten für die dem Untergang ge -<br />

weihten Bewohner der Erde zu finden.<br />

In den letzten Jahren wurde es zunehmend<br />

schwerer diesen dystopischen Szenarien zu ent -<br />

kommen. Wer hat nicht „Matrix“, „Die Tribute<br />

von Panem“ oder „Interstellar“ im Kino gesehen<br />

oder eines der unzähligen literarischen Werke, wie<br />

etwa Frank Schätzings „Der Schwarm“ oder die<br />

ebenfalls schon als Film adaptierte Jugendbuch -<br />

reihe „Die Bestimmung“ von Veronica Roth,<br />

gelesen?<br />

Laut Definition ist eine Dystopie das<br />

Gegenbild der Utopie, quasi eine Anti-Utopie.<br />

Hierbei wird ein pessimistisches Zukunftsszenario<br />

geschaffen, das eine Gesellschaft zeigt, die sich<br />

stark zum Negativen entwickelt hat. Schaut man<br />

sich die verschiedenen populären Geschichten<br />

an, erkennt man viele Gemeinsamkeiten: Im<br />

Fokus steht der Mensch als soziales Wesen, der<br />

entweder als Teil der Gesellschaft gezwungener -<br />

maßen in einer vorgeschriebenen Ordnung lebt<br />

oder sich als Rebell gegen ein totalitäres Regime<br />

oder die Technisierung zur Wehr setzen muss.<br />

Darüber hinaus gibt es immer eine Vorgeschichte<br />

über Kriege, Aufstände oder aber weltweite<br />

(Natur-)Katastrophen, die meist den Auslöser des<br />

gesellschaftlichen Wandels darstellen. Auffällig ist<br />

auch, dass die Lebensstandards der Unter- und<br />

Mittelschicht in diesen Geschichten oftmals weit<br />

unter jenen liegen, die wir heute kennen.<br />

Doch warum gefallen uns diese Geschichten<br />

mit ihren immer wiederkehrenden Elementen so<br />

sehr? Ist es nur die spannende Frage: Was kommt?<br />

Oder fühlen wir uns durch diese Bücher und Filme<br />

angesprochen, da uns diese erdachten Zukunfts -<br />

szenarien etwas über unser Leben und unsere<br />

Ängste im Hier und Jetzt erzählen? Denn, wenn<br />

man einmal genauer darüber nachdenkt, sind<br />

diese Szenarien wirklich so abwegig? Ist es<br />

tatsächlich so unwahrscheinlich, dass die<br />

Menschheit die Erde soweit herunterwirtschaftet,<br />

dass sie unbewohnbar wird? Ist ein weiterer<br />

Weltkrieg, mit Atomwaffen gekämpft, ein Ding<br />

der Unmöglichkeit? Oder eine von Menschen<br />

geschaffene Biowaffe, welche den Großteil der<br />

Bevölkerung ausmerzt?<br />

Die Autoren und Drehbuchschreiber müssen<br />

nur in die Welt hinausblicken und überzeichnet<br />

wiedergeben, was sie sehen. In vielen Ländern<br />

unserer Welt herrscht Krieg, egal ob Bürgerkriege<br />

oder Aufstände gegen bestehende Regierungen<br />

und Diktatoren. In Indien gibt es immer noch ein<br />

Kastensystem, in China herrscht eine Zensur wie<br />

in keinem anderen Land und die NSA überwacht<br />

uns alle auf Schritt und Tritt. Sind wir nicht<br />

vielleicht bereits in unserem ganz eigenen<br />

dystopischen Szenario angekommen?<br />

Im Jahr <strong>20</strong>14 durfte der dritte Teil der Tribute<br />

von Panem-Filmreihe, in welchem es zum ersten<br />

Mal ganz gezielt um die Rebellion gegen die<br />

Regierung geht, in China und Thailand nicht in<br />

den Kinos gezeigt werden. In Thailand ging es<br />

sogar noch weiter: Dort wurde die „Drei-<br />

Finger-Gruß“-Geste, die im Film als Geste für<br />

Dank, Respekt und Abschied gilt, als Protestgeste<br />

gegen die Militärregierung verwendet und darauf -<br />

hin verboten. Fünf Studenten wurden sogar fest -<br />

genommen, nachdem sie den Armeechef und<br />

selbsternannten Premierminister Prayuth Chanocha<br />

mit der Geste begrüßt hatten. Zeigt das nicht<br />

auch, dass diese „Geschichten“ doch etwas mehr<br />

sind als reine Fiktion?<br />

George Orwell, der Autor des Dystopieromans<br />

„1984“ schrieb im Jahr 1946: „Seit ungefähr 1930<br />

hat die Welt keinen Grund für irgendwelchen<br />

Optimismus geliefert. (…) Es ist durchaus möglich,<br />

daß die wichtigsten Probleme der Menschheit<br />

überhaupt nie gelöst werden. Aber dies ist auch<br />

undenkbar. Wer getraut sich schon, sich in der<br />

Welt von heute umzusehen und zu sagen: “So<br />

wird’s halt immer sein: selbst in einer Million<br />

Jahre wird es nicht wesentlich besser werden.”?“<br />

Die Dystopien spiegeln unsere Angst wieder,<br />

dass wir Menschen es nicht schaffen werden, uns<br />

zu bessern. Allerdings haben die meisten<br />

Geschichten dieser Art eine weitere Gemein -<br />

samkeit: ein Happy End! Also vielleicht zeigen sie<br />

nicht nur unsere Angst vor dem Untergang,<br />

sondern auch die Hoffnung, dass wir es trotz allem<br />

schaffen werden, die Welt wieder zu einem<br />

besseren Ort zu machen. Auch wenn dies<br />

bedeutet, dass wir dafür durch ein Wurmloch in<br />

eine andere Galaxie reisen und überhaupt erst<br />

einmal eine neue Welt finden müssen.<br />

Bild: Stocksnap


28<br />

SEHEN<br />

mediakompakt<br />

Bild: Michael Bissinger


2/<strong>20</strong>16 SEHEN<br />

29<br />

Die Schattenseiten<br />

Stuttgarts<br />

Ian* ist Mitte <strong>20</strong>. Er war Ringer und jobbte gelegentlich als<br />

Türsteher. Schließlich entschied er sich für eine Ausbildung<br />

zur Fachkraft für Schutz und Sicherheit. Seit zwei Jahren<br />

arbeitet er nun als Security für ein Sicherheitsunternehmen im<br />

öffentlichen Raum in Stuttgart. Zwischen Dealern, Dieben und<br />

gescheiterten Existenzen, gerät er immer wieder in gefährliche<br />

Situationen, die ihm so einiges abverlangen und absolute<br />

Professionalität erfordern. Er selbst kann sich, trotz der<br />

Risiken, keinen besseren Job für sich vorstellen.<br />

VON LISA KOHLER<br />

Es ist ein sonniger Sonntagvormittag im<br />

Mai. Obwohl das Thermometer 22 Grad<br />

anzeigt, trägt Ian dunkle Kleidung und<br />

schwere Stiefel. Unter seinem T-Shirt<br />

zeichnet sich eine kugel- und stich -<br />

sichere Weste ab, die seine breiten Schultern<br />

betont. Um die Taille trägt er seine Koppel, an der<br />

neben Handschuhen, Pfefferspray und seinem<br />

Funkgerät auch Handschellen befestigt sind. Das<br />

Funkgerät rauscht leise, hin und wieder ist eine<br />

undeutliche Durchsage zu vernehmen. Es ist<br />

Frühlingsfest in Bad Cannstatt.<br />

Ians Einsatzgebiet umfasst an gewöhnlichen<br />

Arbeitstagen die Stadtmitte sowie den Stuttgarter<br />

Hauptbahnhof. In Zweierstreifen überprüfen er<br />

und seine Kollegen täglich bestimmte Bereiche<br />

und Plätze in der Stuttgarter Innenstadt. Dabei<br />

arbeiten sie eng mit der Polizei und dem Ord -<br />

nungsdienst zusammen. Der 8. Mai ist allerdings<br />

kein gewöhnlicher Arbeitstag. Ian ist heute in der<br />

Nähe des Wasengeländes in Bad Cannstatt<br />

eingeteilt. „Letzter Frühlingsfesttag. Der Wasen -<br />

horror ist heute erst mal wieder vorbei bis zum<br />

Herbst“, sagt er und grinst schief. „Das sind<br />

immer besondere Schichten. Genauso wie bei<br />

Fußballspielen, Konzerten oder den Kirchenta -<br />

gen.“ Um die zwanzig Mitarbeiter arbeiten für das<br />

Sicherheitsunternehmen, in dem Ian angestellt<br />

ist. „Unsere Hauptaufgabe besteht darin, die<br />

Sicherheit der Allgemeinheit zu gewährleisten. Wir<br />

sorgen im öffentlichen Raum für Ordnung, indem<br />

wir Störfaktoren wie zum Beispiel alkoholisierte<br />

oder aggressive Personen unter Kontrolle bringen.“<br />

Die Uhr zeigt erst 11 Uhr am Vormittag an,<br />

trotzdem machen sich bereits zahlreiche in Dirndl<br />

und Lederhose gekleidete Besucher auf zum<br />

Wasengelände. Nicht wenige davon sind alkoho -<br />

lisiert. Einige werfen den Securities neugierige<br />

Blicke zu. „Sind wir mal ehrlich“, sagt Ian ohne<br />

seine Augen von der Menschenmenge abzu -<br />

wenden, die sich unablässig an ihm vorbeischiebt,<br />

„der Job Security ist extrem klischeebehaftet. Man<br />

denkt sofort an einen grobschlächtigen, aggres -<br />

siven und nicht besonders intelligenten Typ“, sagt<br />

er und lacht leise. Er selbst kennt genügend Men -<br />

schen in dieser Branche, die keineswegs diesem<br />

Klischee entsprechen. „In meinem Job musst du<br />

dich in Ausnahmesituationen unter Kontrolle ha -<br />

ben und einen kühlen Kopf bewahren. Außerdem<br />

musst du Autorität ausstrahlen, ohne dabei<br />

aggressiv zu wirken. Die Aufgaben sind vielfältig.<br />

Es geht nicht nur darum dazustehen und böse<br />

auszu sehen.“ Er selbst war früher Ringer und<br />

jobbte gelegentlich als Türsteher. Büroarbeit kam<br />

für ihn nicht in Frage. „Da würde mir die Action<br />

fehlen.“<br />

Während sich Sicherheitsunternehmen in der<br />

Vergangenheit vorwiegend mit Einzeltätern aus -<br />

einandersetzen mussten, sehen sie sich mittler -<br />

weile mit viel größeren und weitreichenderen<br />

Bedrohungen konfrontiert. Die Bandenkrimina -<br />

lität in Stuttgart stellt ein solches Problem dar. Die<br />

Drogen-, Bettler- und Diebesbanden in der Lan -<br />

deshauptstadt wachsen stetig und gehen immer<br />

organisierter vor. „Die Bandenkriminalität ist hier<br />

in Stuttgart ein sehr großes Problem. Die Eska -<br />

lationsstufen sind viel schneller erreicht. Die<br />

Gewaltbereitschaft dieser Banden ist extrem hoch.<br />

Es wird schnell mal ein Messer gezogen. Sowohl<br />

uns als auch der bewaffneten Polizei wird kaum<br />

noch Respekt entgegengebracht. Das finde ich<br />

sehr bedenklich“, so Ian. Darüber hinaus ist auch<br />

die Terrorangst in Stuttgart angekommen. „Wir<br />

haben verstärkt Anweisung auf verdächtige Per -<br />

sonen und Gegenstände zu achten. Es kommt<br />

schon mal vor, dass wir bestimmte Bereiche<br />

sperren und Menschen evakuieren müssen weil<br />

irgendwo ein einsamer Koffer herumsteht.“<br />

Ian greift sofort zu seinem Funkgerät, als eine<br />

Meldung eingeht. Eine Prügelei. Seine Kollegen in<br />

der Stadt werden übernehmen. Er und sein<br />

Kollege sind sofort alarmiert, als ein paar Männer<br />

in ihrer Nähe grölen aber die Lage bleibt ruhig.<br />

„Natürlich haben wir durch unseren Job ein<br />

erhöhtes Risiko verletzt zu werden. Aber ich<br />

persönlich denke mir, lieber greift einer mich an<br />

und ich weiß in dem Moment, was zu tun ist, als<br />

dass irgendein Passant angegriffen und verletzt<br />

wird.“<br />

Im Grunde genommen ist Ian Mädchen für<br />

alles. Er beantwortet Fragen, schlichtet bei Streits,<br />

tröstet bei Dramen und spielt auch schon mal<br />

spontan den Notarzt. Manchmal muss der Notarzt<br />

aber auch für ihn und seine Kollegen kommen.<br />

Messerangriffe, fliegende Flaschen oder eine<br />

Junkie-Nadel im Oberschenkel kommen vor. „Du<br />

musst manchmal in Situationen rein, in die du als<br />

normaler Mensch niemals reingehen solltest. Je<br />

nach Situation ist das nicht immer leicht aber du<br />

funktionierst dann einfach im Augenblick. Oft -<br />

mals wird dir erst im Nachhinein klar, was da<br />

gerade eigentlich passiert ist. Zum Beispiel wenn<br />

es zu tödlichen Unfällen kommt. Du musst die<br />

Passanten um dich herum psychologisch be -<br />

treuen, obwohl du selbst eigentlich total fertig<br />

bist. Du musst dich im Griff haben – immer. Du<br />

musst hundertprozentig professionell sein.“<br />

In jeder Großstadt gibt es Bedrohungen,<br />

manche davon sind offensichtlich, andere eher<br />

versteckt. „In Angst zu leben wäre falsch. Aber<br />

man sollte nicht leichtfertig Risiken eingehen.<br />

Man sollte seinen gesunden Menschenverstand<br />

einsetzen und nachts nicht alleine durch dunkle<br />

Gassen laufen, sondern in ein Taxi investieren –<br />

besonders als Frau. Oder sich nicht von irgend -<br />

welchen Gruppen provozieren lassen, sondern<br />

gelassen bleiben und sie ignorieren. Wenn man<br />

sich bedroht fühlt, kann man uns außerdem<br />

jederzeit ansprechen.“ Er persönlich freut sich<br />

immer, wenn er merkt, dass Menschen sich durch<br />

seine Anwesenheit wohler fühlen. „Deswegen<br />

mache ich diesen Job.“<br />

*Name durch Redaktion geändert


30<br />

SEHEN<br />

mediakompakt<br />

Wer feiern kann, muss auch aufräumen: Im Sommer<br />

locken wieder zahlreiche Festivals. Aber was passiert mit<br />

dem Müll?<br />

Nachhaltig<br />

durch den<br />

Festival-<br />

Sommer!<br />

Nachhaltigkeit: Dieser Begriff<br />

ist ein populäres Schlagwort<br />

unserer Zeit, das sich im<br />

Laufe der Jahre in allen<br />

Bereichen zu einem globalen<br />

Trend entwickelt hat. Was<br />

Nachhaltigkeit eigentlich<br />

bedeutet? Nichts Geringeres<br />

als die Welt zu retten!<br />

VON MICHAELA SCHULTHEISS<br />

Bild: Pixabay<br />

Wir müssen bewusster konsumieren,<br />

regionaler, gesünder und ökolo -<br />

gischer essen. Mehr öffentliche Ver -<br />

kehrsmittel benutzen, aber nicht<br />

fliegen, tolerant sein, aber Grenz -<br />

werte einhalten. Wir müssen Müll vermeiden,<br />

achtsam mit unseren Ressourcen umgehen, wir<br />

müssen, müssen, müssen.<br />

Und dieses Müssen macht es doch so schwer es<br />

umzusetzen. Vor allem uns, die in einer Zeit<br />

aufwuchsen, in der man alles bekam und das zu<br />

jeder Zeit und überall. Wir sollen lernen zu<br />

verzichten und Geld für Gebrauchtes ausgeben,<br />

wo es doch Neues zu Spottpreisen gibt. Wir sollen<br />

Nachhaltigkeit leben, in einer Zeit, in der das<br />

Studenten- und Arbeitsleben alles abverlangt.<br />

Kein Wunder, dass wir uns auf Ver -<br />

anstaltungen wie Festivals stürzen, als wären sie<br />

die Brücke in ein anderes Leben. Frei und<br />

unbestimmt wollen wir die Zeit genießen und<br />

noch lange von den Momenten zehren. Warum<br />

also sollten wir uns hier mit dem „wir-müssendie-Welt-retten“<br />

beschäftigen? Das „Müssen“, das<br />

auch unseren Alltag bestimmt?<br />

Wer sich damit schon seit ein paar Jahren<br />

beschäftigt, sind die Festivalveranstalter. Sie<br />

ließen sich diverse nachhaltige Maßnahmen ein -<br />

fallen, ohne den Spaß bei der Sache ein -<br />

zuschränken. Hierbei geht es vor allem darum,<br />

dem riesigen Müllaufkommen und der Lebens -<br />

mittelverschwendung entgegen zu wirken. Berge<br />

von Abfall, weggeworfene Verpackungen, leere<br />

Dosen, Essensreste oder Werbeartikel bestimmen<br />

nach tagelanger Dauerbelastung durch zigtausend<br />

feierwütige Besucher häufig das Bild.<br />

So gibt es mittlerweile das im Festivalticket<br />

enthaltene Müllpfand, das man durch die Abgabe<br />

eines prall gefüllten Müllsackes an einer Recy -<br />

clingstation wieder ausbezahlt bekommt. Dies<br />

variiert zwischen fünf und zehn Euro. Darüber<br />

freut sich jeder Studentengeldbeutel.<br />

Mit Umweltengagement lässt sich auch<br />

soziales Engagement verbinden. Auf einigen<br />

Festivals kann man die Pfandbecher an Koopera -<br />

tionspartner wie Viva con Aqua spenden. Viva<br />

con Aqua ist ein Netzwerk, das sich für den<br />

weltweiten menschenwürdigen Zugang zu sau -<br />

berem Trinkwasser einsetzt. Mit kreativen<br />

Aktionen sammeln sie Spenden für Wasser -<br />

projekte der Welthungerhilfe. Die Initiative ist auf<br />

mehr als 130 Festivals unterwegs.<br />

Als sehr erfolgreich hat sich auch das<br />

Foodsharing in den letzten Jahren erwiesen. Ganz<br />

nach dem Motto: Verwenden statt verschwenden!<br />

Lebensmittel, die nicht mehr mit nach Hause<br />

kommen, können bei einem Foodsharing-Zelt<br />

abgegeben werden. Alles was übrig bleibt, wird am<br />

Ende des Festivals an Tafeln gespendet. Somit wird<br />

verhindert, dass Lebensmittel weggeschmissen<br />

werden und man kann dabei noch etwas Gutes<br />

tun! Bei den Food Markets auf dem Festival -<br />

gelände legen die Veranstalter auch zunehmend<br />

Wert auf regionale und ökologische Zulieferer und<br />

natürlich auch auf ein gesteigertes veganes und<br />

vegetarisches Angebot. So ist für jeden Geschmack<br />

etwas dabei.<br />

Auch beim Campen gibt es Auswahl. Wer zwar<br />

laute Gitarren und brummende Beats auf dem<br />

Gelände mag, aber auch ein bisschen Ruhe und<br />

Sauberkeit zu schätzen weiß, kann sich mittler -<br />

weile bei allen Festivals im Green Camping<br />

einquartieren. Dies ist ein abgesperrter Camping -<br />

platz, der umweltbewussten Besuchern die Mög -<br />

lichkeit gibt, sauber und ruhig übernachten zu<br />

können.<br />

Um nicht nur umweltfreundlich zu campen,<br />

sondern auch grün an- und abzureisen, organi -<br />

sieren Festivalmacher nun extra Busse und Züge.<br />

Dies wirkt einer riesigen CO²-Wolke entgegen.<br />

Das Festivalticket gilt oftmals gleichzeitig für die<br />

Fahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln.<br />

Damit läuft die Party schon während der Anreise.<br />

Und auch Mitfahr gelegenheiten ermöglichen<br />

eine umweltfreund liche Anfahrt. So wird’s dann<br />

auch noch günstiger!<br />

Das Chiemsee Summer verfolgt sogar ein<br />

neues Energiekonzept, um so den Stromverbrauch<br />

zu reduzieren. Der Strom für das Festivalgelände<br />

wird nicht mehr aus Aggregaten bezogen, wie<br />

sonst auf Festivals üblich, sondern zu 100 Prozent<br />

aus Wasserkraft. Eine clevere und umweltscho -<br />

nende Idee.<br />

Doch greifen wir die Frage vom Anfang noch<br />

mal auf: Warum also sollten wir uns hier mit dem<br />

„wir-müssen-die-Welt-retten“ beschäftigen? Die<br />

Antwort ist: Eben, weil es kein Muss ist. Wir<br />

müssen die gesamte Komplexität der Nach -<br />

haltigkeit nicht verstehen, um es mit Freude<br />

umzusetzen. Es ist leichter als gedacht, gemein -<br />

sam grün zu feiern. Wir müssen uns nur einmal<br />

umdrehen und alte Rituale hinter uns lassen.


2/<strong>20</strong>16 SEHEN<br />

31<br />

Die Trendfarben des Jahres <strong>20</strong>16<br />

Das US-Unternehmen Pantone kürt jedes Jahr eine Trendfarbe. Dieses Jahr wurden erstmals<br />

zwei Töne ausgewählt: Die sanften Farben heißen Serenity und Rose Quartz.<br />

VON PATRICIA GILLNER<br />

Ein Team von mehreren internationalen<br />

Trendforschern des Pantone LCC<br />

Instituts mit Sitz in Carlstadt, New Jersey,<br />

USA, hat die zwei Trendfarben für das<br />

Jahr <strong>20</strong>16 festgelegt: Serenity und Rose<br />

Quartz. Die beiden zarten, pastelligen Farbtöne<br />

sind nun neben acht weiteren Trendfarben in der<br />

Farbpalette des Jahres vertreten. Serenity und Rose<br />

Quartz lösen damit ein dunkles Rot namens<br />

„Marsala“ aus dem Vorjahr ab. Besonders bei der<br />

diesjährigen Farbauswahl ist, dass es sich diesmal<br />

um ein Hauptfarben-Duo handelt. In den<br />

vorherigen Jahren wurde bisher immer nur eine<br />

„Leading Color“ präsentiert.<br />

Den Namen Pantone kennt man haupt -<br />

sächlich aus der Textil-, Grafik- und Druck -<br />

industrie vom „Pantone Matching System“,<br />

einem international verbreiteten Farbsystem, das<br />

mittlerweile über 1755 Farben umfasst. Da jede<br />

Farbe einem Code zugeordnet ist, dient dieses<br />

Farbsystem Menschen weltweit als Verständi -<br />

gungsgrundlage und gewährleistet eine erleich -<br />

terte Farbabsprache. Seit dem Jahr <strong>20</strong>00 gibt das<br />

Unternehmen Pantone LLC zusätzlich die<br />

Trendfarben des Jahres vor. Dabei werden<br />

bestehende Farbtrends auf der ganzen Welt beo -<br />

bachtet und die zehn wichtigsten Farben nach<br />

Auffassung von Trendforschern festgelegt. Kurz -<br />

um: bereits existierende, weltweite Trends bestim -<br />

men die Trendfarben des Folgejahres und werden<br />

durch das Unternehmen zusammen gefasst, kon -<br />

kret über ein Farbschema benannt und ver -<br />

öffentlicht.<br />

Der Kontrast zur auffälligen dunklen Farbe des<br />

Vorjahres könnte dabei nicht stärker sein: Die<br />

Pantonefarben von <strong>20</strong>16 treten als pastelliges<br />

Hellblau (Serenity) und zartes Puderrosa (Rose<br />

Quartz) in Erscheinung. Die meisten müssen<br />

dabei wohl unweigerlich an Babybekleidung und<br />

Kinderzimmer-Einrichtung denken, doch genau<br />

das Gegenteil ist der Fall. Laut dem Unternehmen<br />

Pantone sollen die ausgesuchten Farben den<br />

aktuellen Zeitgeist aufgreifen:<br />

„In many parts of the world we are<br />

experiencing a gender blur as it relates to fashion,<br />

which has in turn impacted color trends<br />

throughout all other areas of design. This more<br />

unilateral approach to color is coinciding with<br />

societal movements toward gender equality and<br />

fluidity, the consumer‘s increased comfort with<br />

using color as a form of expression, a generation<br />

that has less concern about being typecast or<br />

judged and an open exchange of digital<br />

information that has opened our eyes to different<br />

approaches to color usage.”<br />

Die ausgewählte Farbwelt soll widerspiegeln,<br />

dass die klassischen Geschlechterrollen in unserer<br />

Gesellschaft aufgebrochen werden und immer<br />

mehr verschwimmen. Aus diesem Grund werden<br />

die beiden sanft anmutenden Trendfarben auch<br />

häufig als Verlauf präsentiert (siehe Bild).<br />

Farben sind nicht nur schön anzusehen<br />

sondern wirken sich auch unweigerlich auf unser<br />

Wohlbefinden aus. So hat das Grün in<br />

Operationssälen beispielsweise eine beruhigende<br />

Wirkung auf Patienten. Sowohl die Farbe Serenity,<br />

was übersetzt Gelassenheit bedeutet, als auch die<br />

Farbe Rose Quartz strahlen Ruhe und Harmonie<br />

aus. Das ist kein Zufall. Die beiden unaufgeregten<br />

Farben wurden bewusst ausgewählt und sollen<br />

laut Leatrice Eiseman, Geschäftsführerin des<br />

Pantone LCC Instituts, einen Kontrast zum oft<br />

stressigen Alltag bilden: „As consumers seek<br />

mindfulness and well-being as an antidote to<br />

modern day stresses, welcoming colors that<br />

psychologically fulfill our yearning for re -<br />

assurance and security are becoming more<br />

prominent.“<br />

Diese Farbauswahl hat großen Einfluss in der<br />

Mode- und Beautywelt. Zahlreiche namhafte<br />

Modelabel, darunter Jil Sander, Gucci und<br />

Armani, präsentieren ihre diesjährigen Frühlingsund<br />

Sommerkollektionen in den Farben Serenity<br />

Serenity und Rose Quartz – die Trendfarben des Jahres<br />

und Rose Quartz und auch im Verpackungs -<br />

design, vor allem bei Kosmetika, trifft man<br />

momentan auf viele Produkte in diesen Farben.<br />

Auch Blogger widmen sich diesem Trend und<br />

organisieren ganze Blogparaden, in denen<br />

mehrere Blogger über die angesagten Farben<br />

schreiben. Beautybloggerin Steffi vom Blog<br />

Talasia.de rief beispielsweise Blogger dazu auf,<br />

einen Make-Up-Look in den Pantonefarben<br />

Serenity und Rose Quartz zu schminken und stieß<br />

dabei auf rege Beteiligung. Steffi über die<br />

Pantonefarben:<br />

„Für mich haben die diesjährigen Trendfarben<br />

im Hinblick auf die von mir organisierte<br />

Blogparade eine große Bedeutung gehabt. Im<br />

Alltag bin ich diesen beiden Farben jedoch bisher<br />

noch kaum begegnet. Ich bin allerdings schon<br />

sehr gespannt auf die Farben des Jahres <strong>20</strong>17,<br />

denn für neue Anregungen bin ich immer offen<br />

und so bieten die ausgewählten Trendfarben,<br />

bezogen auf Make-Up, eine tolle Möglichkeit für<br />

mich aus meiner Comfort Zone auszubrechen und<br />

etwas Anderes auszuprobieren.“<br />

Die nächste Trendfarbe – oder vielleicht auch<br />

wieder zwei – für das kommende Jahr wird im<br />

Dezember <strong>20</strong>16 durch Pantone bekannt gegeben.<br />

Man darf also gespannt sein, in welche Farbe sich<br />

das Jahr <strong>20</strong>17 kleiden wird.<br />

Bild: Patricia Gillner


Die nächste Ausgabe der <strong>MEDIAkompakt</strong> erscheint im Januar <strong>20</strong>17

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