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der Anwohner, sondern der<br />
Stadt entsteht.<br />
Der soziale Raum, in den hier<br />
eingegriffen wird, beschreibt<br />
Bourdieu als „relationale (An)<br />
Ordnung von Menschen<br />
und Menschengruppen im<br />
permanenten Verteilungskampf“<br />
(Löw nach Bourdieu<br />
2001: 181), und stellt damit<br />
einen Raum der Beziehungen<br />
dar. Die Struktur des<br />
Raumes manifestiert sich in<br />
räumlichen Gegensätzen,<br />
einem mehrdimensionalem<br />
Raum, der sich als „Ensemble<br />
objektiver Kräfteverhältnisse“<br />
(Bourdieu 1985, S. 10) verstehen<br />
lässt. Demzufolge hält<br />
jeder Akteur eine Stellung im<br />
Raum inne; der Zusammenstoß<br />
zweier innerhalb des<br />
sozialen Raumes weit voneinander<br />
entfernten Akteuren<br />
wird vermieden. Stoßen diese<br />
Akteure im Raum aufeinander,<br />
werden Handlungen<br />
provoziert.<br />
Durch das Festival werden<br />
Künstler, Interessierte und<br />
Touristen in einen Raum eingeladen,<br />
welchen sie sonst<br />
nicht erschließen. Durch das<br />
Zusammenbringen dieser<br />
Akteure wird ein neuer Raum<br />
geschaffen. Das Festival und<br />
die Kunst, senden neue Impulse<br />
aus, die alle Akteure<br />
im Raum bewegen. Anwohnende,<br />
Passierende und Aufmerksame,<br />
aber auch Menschen,<br />
die durch Medien von<br />
dem Festival und dem Viertel<br />
erfahren, werden ungewollt<br />
in ihrer Handlungsstruktur<br />
beeinflusst. „Above all, I see<br />
this as a space of experimentation.“<br />
, schätzt Pedro die Situation<br />
im Viertel ein.<br />
Die Wechselwirkung, welche<br />
im Raum durch das Festival<br />
zwischen Abwohnenden<br />
und Besuchenden entstehen,<br />
kann mit Hilfe von Martina<br />
Löw beschrieben werden.<br />
In ihrem Verständnis entsteht<br />
Raum erst durch die aktive<br />
Verknüpfung von Menschen,<br />
dabei können sowohl Dinge<br />
als auch Menschen miteinander<br />
verknüpft werden.<br />
Sie unterscheidet dabei in<br />
sich zwei sich gegenseitig<br />
bedingende, raumkonstituierende<br />
Vorgänge: das Spacing<br />
und die Syntheseleistung.<br />
Spacing umfasst das Errichten,<br />
Bauen und Positionieren<br />
von sozialen Gütern (materielle<br />
Dinge, symbolische<br />
Güter, dies sind im Rahmen<br />
des Festivals die Murals und<br />
Kunstwerke) und Lebewesen<br />
im Raum, also Besuchende.<br />
Dabei wird „Raum als relationale<br />
(An-)Ordnung von sozialen<br />
Gütern und Menschen“<br />
(Löw, 2001, S.158) definiert.<br />
Das bewusste Positionieren<br />
in Relation zu anderen Positionierungen<br />
wird vorausgesetzt.<br />
Die Syntheseleistung<br />
verknüpft die sinnlich wahrnehmbaren<br />
Elemente zu einer<br />
räumlichen Einheit.<br />
Der damit einhergehende<br />
Wahrnehmungs- und Erinnerungsprozess<br />
fasst Menschen<br />
und Güter zu habituell geprägten<br />
Räumen zusammen<br />
und ist somit atmosphärisch<br />
erfahrbar. So sind Räume das<br />
Resultat von Handlungen,<br />
ebenso strukturiert Handlung<br />
aber auch Räume.<br />
Durch das Positionieren des<br />
Festivals in einem Randbezirk<br />
von Lissabon, welcher bis<br />
dato nie medial vertreten war,<br />
entsteht eine neue räumliche<br />
Einheit. Der dynamische<br />
Prozess des Handelns lässt<br />
bei Anwohnenden und Besuchenden<br />
ein Miteinander,<br />
Nebeneinander und zum<br />
Teil auch Gegeneinander<br />
entstehen; jede Handlung<br />
welche hierdurch impliziert<br />
wird, markiert und symbolisiert<br />
den Raum neu.<br />
So entsteht aus dem Viertel<br />
durch die Intervention des<br />
Festivals ein neuer Raum,<br />
welcher nicht nur durch die<br />
Kunst, sondern auch als Ergebnis<br />
der Raumkonstitution<br />
ein atmosphärisches Miteinander<br />
schaffen kann. In der<br />
eigentlichen Gesellschaft<br />
wird eine Parallelgesellschaft,<br />
ein Gegenbild zur Gesellschaft<br />
gezeichnet, welches<br />
Foucault auch als „Illusionsoder<br />
Kompensationsraum“<br />
(Löw nach Foucault, 2001)<br />
bezeichnet.<br />
Das Street-Art-Festival im<br />
Bairro Padre Cruz, eine Heterotopie<br />
der Gesellschaft,<br />
dient als Raum, „der verdeutlicht,<br />
wo man nicht ist und damit<br />
offensichtlich macht, wo<br />
man ist“ (Löw nach Foucault,<br />
2001). Durch die Offensichtlichkeit<br />
und Anziehungskraft,<br />
welche das Festival mit sich<br />
bringt, wird das Viertel in die<br />
Mitte der Öffentlichkeit gedrängt,<br />
um auf sich und die<br />
Probleme aufmerksam zu<br />
machen, Missstände werden<br />
offenbart. Was und wie viel<br />
das Festival tatsächlich für<br />
das Viertel und die Anwoh-<br />
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