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Weissbuch 1970

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sich seit Anfang der fünfziger Jahre zunehmend zum nuklearen Patt verfestigt<br />

hat.<br />

Seitdem gilt, daß es in einem totalen nuklearen Krieg keinen Sieger mehr<br />

geben kann. Auch ein nuklearer Überraschungsangriff vermöchte einem<br />

Angreifer nur einen vorübergehenden Vorteil zu sichern, solange beide<br />

Supermächte unverwundbare Vergeltungsstreitkräfte bereithalten, um<br />

selbst aus der Mitte eines völlig verwüsteten Landes oder auch aus den<br />

Tiefen der Weltmeere zum tödlichen Gegenschlag auszuholen. Wo sich<br />

die Supermächte gegenüberstehen, heißt die Regel: Wer zuerst schießt,<br />

stirbt als zweiter. Hierin jedoch liegt die Garantie für das Funktionieren<br />

der gegenseitigen Abschreckung. Winston Churchills Voraussage aus dem<br />

Jahre 1955 hat sich erfüllt, "daß wir durch einen Prozeß sublimer Ironie<br />

ein Stadium der Geschichte erreichen, in dem die Sicherheit der Wechselbalg<br />

des Terrors und Überleben ein Zwillingsbruder der Vernichtung ist".<br />

Westeuropa ist durch sein Bündnis mit den Vereinigten Staaten in dieses<br />

Frieden und Sicherheit verbürgende System einbezogen. Sein<br />

Interesse muß weiterhin darauf gerichtet sein, daß ihm die Schutzfunktion<br />

des Bündnisses erhalten bleibt. Selbst die kombinierten Machtmittel<br />

Westeuropas reichen nicht aus, um jenes Gleichgewicht der Verteidigungs-<br />

und Vergeltungsarsenale herzustellen, das die Gegenseite zur<br />

Rationalität politischen Verhaltens veranlaßt Nur die enge Verbindung<br />

zwischen Westeuropa und den Vereinigten Staaten vermag dieses Gleichgewicht<br />

zu schaffen, wobei die militärische Präsenz der Amerikaner auf<br />

dem europäischen Kontinent für die Wirksamkeit und Verläßlichkeit dieser<br />

Kräfteverbindung erforderlich bleibt.<br />

Sicherung des Patts<br />

5. ln gleicher Weise müssen die Europäer ein Interesse daran haben, daß<br />

das derzeitige nukleare Gleichgewicht nicht aus den Angeln gehoben<br />

wird. Es wäre dies das Ende ihrer Sicherheit.<br />

Das nuklearstrategische Patt ist das Ergebnis von zwanzig Jahren technischer<br />

Entwicklung. Das amerikanische Kernwaffenmonopol, das der<br />

Weit in Hiroshima und Nagasaki signalisiert wurde, dauerte nur vier<br />

Jahre. Im August 1949 wurde es gebrochen, als die Sowjets ihre erste<br />

Atombombe zündeten. Im Jahre 1953 - neun Monate nach den Amerikanern<br />

- erprobten sie die erste Wasserstoffbombe. Zwar behielten die<br />

Vereinigten Staaten mit ihrer Flotte von Langstreckenbombern zunächst<br />

die eindeutige Überlegenheit an Trägerwaffen; doch legten sich die<br />

Sowjets bald ebenfalls eine Bomberflotte zu und meldeten 1957 als erste<br />

die erfolgreiche Erprobung interkontinentaler Raketen (ICBM = lntercontinental<br />

Ballistic Missiles). Ende der fünfziger Jahre stellten Moskau<br />

wie Washington solche Fernraketen in Dienst.<br />

6. Beide Seiten verschafften sich im Laufe der Zeit ein nukleares Arsenal,<br />

das ausreichen würde, den Gegner in einem Konflikt mehrfach zu vernichten<br />

(overkill capacity). Angesichts dieser Zerstörungsgewalt schlug es<br />

nicht mehr zu Buche, daß die USA vorübergehend noch eine nukleare<br />

Überlegenheit besaßen - von 1950 bis 1966 eine überwältigende, 1966<br />

bis 1969 eine beachtliche Überlegenheit. Die einseitige Abschreckung ist<br />

zur gegenseitigen Abschreckung geworden. Wohl gibt es bei einzelnen<br />

Waffensystemen gewisse Asymmetrien, aufs Ganze gesehen gleichen sie<br />

sich jedoch aus. Es besteht ein grobes Gleichgewicht der Potentiale.<br />

" Auf Grund dieser Entwicklung", so erklärte Präsident Nixon am 18. Februar<br />

<strong>1970</strong> in einer Botschaft zur Weltpolitik, " ist es zu einer unausweich-<br />

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