Weissbuch 1970
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Verflechtungen in der Allianz<br />
55. Vielfältige Verflechtungen und Verpflichtungen verknüpfen die Bundesrepublik<br />
Deutsch land mit den übrigen Alliierten. Auch außerhalb der<br />
NATO-Institutionen arbeitet die Bundesrepublik mit nahezu allen NATO<br />
Partnern bilateral oder multilateral in Verteidigungsfragen zusammen.<br />
Die Schwerpunkte sind: Harmonisierung der Führungs- und Einsatzgrundsätze,<br />
Zusammenarbeit in der Ausbildung, gemeinsame Rüstungsprojekte.<br />
Regelmäßige Besprechungen der militärischen Führungsstäbe finden<br />
bilateral statt mit Frankreich, den USA, Großbritannien, Dänemark<br />
und den Niederlanden. Ständige Kontakte gibt es unter anderem auch mit<br />
Italien.<br />
Die vielfältigen Formen und Sachgebiete der multilateralen und bilateralen<br />
Zusammenarbeit der NATO-Partner unterhalb der politischen Ebene<br />
und außerhalb der militärischen Integration sind ein wesentliches Element<br />
der Bündniswirklichkeit Sie werden bei der Beurteilung der Allianz oft<br />
überse hen, weil sie zu einer Selbstverständlichkeit geworden sind.<br />
56. Die Vorstellung, daß sich die Staaten Westeuropas innerhalb der<br />
Atlantischen Allianz ein eigenes Profil geben, dem Bündnis eine "europäische<br />
Etage" einziehen müßten, ist zwei Jahrzehnte alt. Ihr liegt die<br />
Einsicht zugrunde, daß eine europäische Identität, eine engere politische<br />
und militärische Zusammenarbeit der westeuropäischen Partner der<br />
NATO notwendig ist, wenn das Bündnis den Entwicklungen der siebziger<br />
Jahre gerecht werden will. Es· fehlt nicht an Beweggründen für diese<br />
Idee :<br />
Erstens wächst mit dem Bestreben der beiden Weltmächte, von der Konfrontation<br />
zu einer begrenzten Kooperation zu finden, die Verantwortung<br />
der europäischen Bündnismitg lieder, ihre besonderen Interessen gemeinsam<br />
zu formul ieren und gemeinsam zu Gehör zu bringen.<br />
Z weitens unterliegen die Modalitäten der amerikanischen Bindung an<br />
Europa dem Wandel. Am grundsätzlichen Engagement Amerikas wird<br />
sich dabei allerdings nichts ändern; Präsident Nixon hat dies in seiner<br />
außenpolitischen Botscha ft vom 18. Februar <strong>1970</strong> erneut unterstrichen.<br />
Drittens werden alle Mitgliedsstaaten der Allianz während der kommenden<br />
Jah re in die Schere zwischen steigenden Verteidigungskosten und budgetären<br />
Begrenzungen geraten. Die Westeuropäer könnten durch engere<br />
militärische Zusammenarbeit Wege zu größerer Rationalisierung und<br />
höherer Kostenwirksamkeit finden, die dem ganzen Bündnis zug ute<br />
kommen würden.<br />
Viertens wird sich aus unterschiedlichen Gründen in allen Ländern die<br />
Frage stellen, ob die gegenwärtigen Wehrstrukturen beibehalten werden<br />
können oder neuen Lösungen weichen sollen.<br />
Hier tut Koordination. zumal der westeuropäischen Staaten, not. Es mangelt<br />
nicht an institutionellen Ansätzen für eine engere siche rheitspolitische<br />
Zusammenarbeit. Sie finden si ch unter anderem bei der Euro-Group in<br />
der NATO und bei der WEU.<br />
Auf längere Sicht mißt die Bundesregierung der europäischen Zusammenarbeit<br />
auch auf dem Verteidigungssektor sehr hohe Bedeutung zu. Der<br />
Auftrag der Haager Konferenz vom 1. 2. Dezember 1969 wird dazu führen,<br />
daß zu gegebener Zeit auch Aspekte der Verteidigung in die Überleg<br />
ungen zur politischen Einigung Europas einbezogen werden. Eine volle<br />
europäische Verteidigungsgemeinschaft würde jedoch die politische Eini-<br />
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