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Weissbuch 1970

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Diese Ostpolitik ist kein Alleingang. Sie fügt sich ein in die vorherrschende<br />

Strömung unserer Epoche: den Versuch zum Übergang von der<br />

Konfrontation zur Kooperat ion. Sie bewegt sich im Rahmen der Rechte<br />

und Verantwortlichkeiten, die unsere westlichen Alliierten in bezug auf<br />

Deutschland als Ganzes und auf Berlin haben. Sie ist fest im Atlantischen<br />

Bü ndnis verankert - ja, sie setzt, soll sie Erfolg haben, ei ne starke westliche<br />

Allianz und deren gleichgerichteten Willen geradezu voraus : Unsere<br />

Sicherheitspolitik bietet den Rückhalt für unseren Meinungsaustausch mit<br />

dem Osten. Die Pariser Verträge von 1954 und unsere Verpflichtungen in<br />

der NATO stehen nicht zu r Diskussion. Ohne kontinuierl iche Westpolitik ist<br />

eine erfolgreiche Ostpolitik nicht denkbar.<br />

Die Bundesregieru ng vollzieht ihre Politik gegenüber dem Osten so, wie<br />

sie es nach ihrer Amtsübern ahme im Herbst 1969 angekündigt hat. Dabei<br />

geht sie von der wirklichen Lage aus, wie sie in Europa gegeben ist. Sie<br />

läßt sich von einer dreifachen Einsicht leiten. Erstens: im osteuropäischen<br />

Bereich kann nichts Wesentliches ohne die Zustimmung Moskaus geschehen.<br />

Zweitens: Die Regieru ngen in Warschau, Ostberlin, Prag und den<br />

übrigen osteuropäischen Hauptstädten sind gleichwohl souveräne Staaten<br />

mit eigenem Willen und eigenem Gewicht. Drittens: Es wäre töri cht und<br />

gefährlich, Keile zwischen die Staaten des Warschauer Paktes treiben zu<br />

wollen. Die Bundesregierung hat parallel zu ihrem Meinungsaustausch<br />

mit der Sowjetunion auch das Gespräch mit Polen und der DDR aufgenommen.<br />

Sie hofft. daß Gespräche mit weiteren Mitgliedstaaten des Warschauer<br />

Paktes folgen können.<br />

Der Kern der Ostpolitik ist der Gewaltverzicht. Er soll die Grundlage für<br />

eine Verbesserung der Beziehungen zu allen osteuropäischen Staaten<br />

sein. Da das deutsche Volk in seiner Gesamtheit in näherer Zukunft nicht<br />

mit einem Friedensvertrag rechnen kann, soll der Gewaltve rzicht den Rahmen<br />

für die Regelung der einzelnen heute lösbaren politischen Probleme<br />

mit den verschiedenen Ländern Osteuropas bilden. Die Respektierung<br />

aller europäischen Grenzen müßte damit ebenso bekundet werden wie der<br />

Verzicht auf überlebte lnterventionsansprüche. Gewaltverzichte können<br />

einer europäischen Gesamtregelung und einer frei vereinbarten Friedensordnung<br />

nicht vorgreifen, sie aber näherbringen und jedenfalls ihr<br />

Ausbleiben erträglicher machen. Die Politik des Gewaltverzichts ist ein<br />

wichtiges Stück der Sicherheitspolitik.<br />

Zur Achtung der in einem Vierteljahrhundert gewachsenen Realitäten gehören<br />

auch die Sicherung und Verbesserung der Lage in und um Berlin.<br />

Die Bundesregierung sieht in den Berlin-Gesprächen der Vier Mächte eine<br />

wesentliche Ergänzung ihrer eigenen Bemühungen um einen modus<br />

vivendi in Deutschland. Berlin ist noch immer ein Gefahrenpunkt der Weltpolitik.<br />

Bei den Bemühungen um eine friedlichere, sichere Ordnung in<br />

Europa darf es nicht ausgelassen werden. Keines der gegenwärtigen Entspannungsvorhaben<br />

könnte Früchte tragen, wenn nicht die Lage in und<br />

um Berlin verbessert würde.<br />

Das Bündnis als Basi s<br />

14. Bei der westlichen Ausgleichspolitik nach Osten geht es nicht nur<br />

darum klarzumachen, daß niemand aus Konfliktsituationen profitieren<br />

kann. Darüber hinaus kommt es darauf an, neben der Gleichgewichtsstruktur<br />

im Militärischen eine Gleichgewichtsstruktur im Politischen und Psychologischen<br />

entstehen zu lassen, die dem prekären Frieden der Gegenwart<br />

einen stabileren Unterbau schafft.<br />

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