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Weissbuch 1970

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NATO oder einzelne ihrer Mitglieder vorzugehen und ihre politischen<br />

Ziele mit Waffengewalt oder mit der Drohung von Waffengewalt durchzusetzen.<br />

Die militärischen Mittel der Allianz müssen jedem Gegner das<br />

eigene Risiko so groß ersch einen lassen, daß er auf die Anwendung oder<br />

Androhung von Gewalt verzichtet. Um aber das Risiko für den Gegner<br />

stets unannehmbar zu halten, mü ssen die Kampfmittel dem strategischen<br />

Zweck angepaßt sein. Das gilt für ihre Zahl wie für ihre Vielfalt. Abschreckung<br />

muß das ganze Spektrum umfassen, vom strategischnuklearen<br />

über den taktisch-nuklearen bis zum kon ventionellen Bereich.<br />

Dieses Prinzip hat sich in der Atlantischen Allianz nur allmählich durchgesetzt.<br />

41. ln den fünfziger Jahren - der Phase eindeutiger nuklearer Überlegenheit<br />

Amerikas - galt die Doktrin der Massiven Vergeltung. Die<br />

Vereinigten Staaten wollten sich nach dieser Doktrin .. vor allem auf ihre<br />

enorme Fäh igkeit verlassen, augenblicklich mit Mitteln und an Orten<br />

eigener Wahl jeden Angriff zu vergelten" (John Foster Dulles). Die Drohung<br />

mit dem massiven nuklearen Vergeltungsschl ag sollte die massive<br />

konventionelle Verteidigung ersetzen. Diese Idee konnte jedoch das<br />

rasche Aufholen der sowjetischen Kernwaffen- und Raketentechnik nicht<br />

lange überleben. Als der amerikanische Kontinent in die Reich weite der<br />

sowj etischen Kern waffen rückte, setzte sich bal d die Erkenntnis durch,<br />

daß die Erwiderung des Krem l auf einen amerikanisch en Vergeltungsschlag<br />

d ie Vereinigten Staaten tödlich treffen kön nte.<br />

Einen Ausweg schien vorübergehend die Entwicklu ng von Kernwaffen<br />

mit niedrigen Detonationswerten zu weisen. ln der zweiten Häl fte der<br />

fünfziger Jahre wurden solche Waffen für den taktischen Einsatz bei den<br />

in Europa stationierten Verbänden eingeführt. Sie dienten der Verstärku<br />

ng der Abschreckung. ln Mitteleuropa wäre jedoch eine ausgedehnte<br />

taktisch-nukleare Kriegführung gleichermaßen vernichtend wie ein strategisch-nuklearer<br />

Konflikt.<br />

Gegen Ende der fünfziger Jahre begann der Westen allmählich, sich an<br />

eine neue Strategie heranzutasten: eine Strategie der kontrollierten, abgestuften<br />

und flexiblen Erwiderung. Der einseitig-nukleare Akzent wurde<br />

aufgegeben. Ausgewogene Streitkräfte - konventionelle wie nukleare -<br />

sollten nu n die glaubwürdige Abschreckung jeder Agg ression bewi rken<br />

und eine angemessene Reaktion auf jede Art von Druck oder Angriff<br />

ermöglichen.<br />

42. Die En twicklung fand ihren Abschluß im Jahre 1967 mit der Festlegung<br />

des neuen strategischen Konzepts der Flexiblen Reakti on.<br />

Dieses Konzept gibt, sofern die erforderlichen Streitkräfte zeitgerecht,<br />

einsatzbereit, ausreichend und richtig disloziert zur Ve rfügung stehen,<br />

den Alliierten die Möglichkeit, in einer Krise oder im Falle eines Angriffs<br />

bemessen und angemessen zu reagieren. Mit dieser Doktrin sind Begriffe<br />

wie kontrollierte Eskalation und Vorneverteidig ung untrennbar verbunden.<br />

Laut NATO-Definition beruht sie auf zwei Grundsätzen:<br />

.. Der erste Grundsatz besteht darin, jeder Aggression durch eine d irekte<br />

Verteidigung auf etwa der gleichen Ebene entgegenzutreten, und der<br />

zweite darin. durch die Möglichkeit der Eskalation abschreckend zu wirken.<br />

Es ist das wesentliche Merkmal der neuen Strategie, daß ei n Ang re i­<br />

fer davon überzeugt sein muß , die NATO werde erforderlichenfalls Kernwaffen<br />

einsetzen, jedoch muß er g leichzeitig hinsichtlich des Zeitpunktes<br />

und der Umstände dieses Einsatzes im Ungewi ssen bleiben. "<br />

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