Chirurgie 2/2012 - BÖC Berufsverband österreichischer Chirurgen ...
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Themen der Zeit: Zentrumsbildung<br />
Zentrumsbildung in der<br />
Pankreaschirurgie – cui bono?<br />
Autor: T. Mayrhofer, Zwettl<br />
Mit dem ÖSG 2010 wurden in Österreich erstmals<br />
verbindliche Mindestfrequenzregeln<br />
(MFS: Mindestfrequenzen pro Jahr und KA<br />
Standort) in der <strong>Chirurgie</strong> eingeführt, und zwar<br />
betreffend Ösophagus- und Pankreaschirurgie.<br />
Das Bundesland Niederösterreich ging<br />
mit seinem RSG – angeblich im Bestreben um<br />
Umsetzung der Vorgaben des ÖSG – noch einen<br />
Schritt weiter und untersagte mit 1.1.2011 planbare<br />
Ösophagus-, Pankreas-, und Leberresektionen<br />
an 18 der 20 chirurgischen Abteilungen<br />
des Landes.<br />
Das Streben nach Verbesserung der Ergebnisqualität<br />
in der <strong>Chirurgie</strong> ist, nicht zuletzt<br />
angesichts der großen interinstitutionellen<br />
Schwankungsbreite derselben, notwendig. Das<br />
Stützen dieser Bemühungen auf Leistungsmengen/<br />
Ergebnis Korrelationen ist problematisch,<br />
wie u.a. Gerichtsurteile in Deutschland gezeigt<br />
haben, die dort geltende Mindestmengenregelungen<br />
wegen unzureichender Nachweisbarkeit<br />
eben dieser Zusammenhänge aufgehoben und<br />
außer Kraft gesetzt haben.<br />
Zahlreiche retrospektive unkontrollierte Studien<br />
beschreiben tatsächlich eine Leistungsmengen/<br />
Ergebnis Korrelation für einige komplexe<br />
Eingriffe wie beispielsweise Pankreasresektionen.<br />
Die dabei konstant zu beobachtenden<br />
hohen Schwankungsbreiten der Ergebnisqualität<br />
innerhalb der durch die Leistungsmenge<br />
definierten Gruppen sprechen allerdings stark<br />
gegen eine Kausalität dieser Beziehung. Das<br />
entscheidende Problem dieser Studien ist aber<br />
die nahezu ausnahmslose Verwendung von<br />
Datenbanken, die nicht zum Zweck der Qualitätsmessung,<br />
sondern aus administrativen<br />
Gründen erstellt wurden. Somit sind wichtige<br />
Parameter wie Komorbidität u.v.a. nicht ausreichend<br />
detailliert abgebildet. Die Schwierigkeit<br />
und Beliebigkeit der Interpretation derartiger<br />
Studien zeigt sich in folgendem Beispiel:<br />
Eine gerne zitierte, rezente Metaanalyse (1) mit<br />
insgesamt mehr als 140.000 Patienten – besser<br />
Datensätzen, da ja keiner der Autoren auch<br />
nur einen einzigen dieser Patienten je gesehen<br />
hat – betont erneut die oben angeführte inverse<br />
Korrelation von Leistungsmenge und Mortalität<br />
in der Pankreaschirurgie. Bemerkenswert<br />
ist, dass nahezu drei Viertel dieser Daten-<br />
sätze (103.000) aus einer einzigen Studie (2)<br />
stammen; deren Autoren ziehen jedoch eine<br />
grundlegend andere Schlussfolgerung aus ihrer<br />
Untersuchung, der Untertitel dieser Studie lautet<br />
nämlich: „A Plea for Outcome-Based and Not<br />
Volume-Based Referral Guidelines“.<br />
Zahlreiche Publikationen belegen, dass auch<br />
komplexe Operationen mit guter Qualität<br />
in „low volume“ Institutionen durchgeführt<br />
werden können (3, 4). Wir selbst haben die<br />
Ergebnisse der Pankreaskarzinomchirurgie an<br />
unserer Abteilung im Detail am Österreichischen<br />
<strong>Chirurgen</strong>kongress 2009 präsentiert:<br />
Eine Duodenopankreatektomie Mortalität – bei<br />
extrem weiter Mortalitätsdefinition – von 5,5%,<br />
ein medianes Überleben von 19 Monaten und<br />
ein 5 Jahresüberleben von 25,2%. Diese Daten<br />
haben uns Anerkennung im Kreis hochkompetenter<br />
Kollegen gebracht.<br />
Eine kanadische Studie (5) untersuchte den<br />
Effekt der Zentrumsbildung in der Pankreaschirurgie<br />
in Ontario und Quebec: auch die<br />
hier beobachteten Ergebnisse unterminieren,<br />
so die Schlussfolgerung der Autoren, die<br />
„volume/outcome“ Hypothese! Sie betonen<br />
darüber hinaus, dass es trotz der Vielzahl von<br />
Studien zur volume/ outcome Beziehung in der<br />
chirurgischen Onkologie keine qualitativ hochwertigen<br />
Untersuchungen zum Effekt erfolgter<br />
Zentralisierungsmaßnahmen auf die Ergebnisqualität<br />
gibt.<br />
US-Amerikanische Autoren (6) berechneten<br />
mit Hilfe eines Statistikmodells („goodness<br />
of fit“), dass die Fallzahl weniger als 2% der<br />
Unterschiede in postoperativer Mortalität nach<br />
Pankreasresektionen erklärt.<br />
Auch für Österreich liegt eine Analyse zu Operationsfrequenz<br />
und Ergebnisqualität in der Pankreaschirurgie<br />
auf Basis der LKF Routinedaten<br />
für die Jahre 2000 – 2008 vor (7), die von Befürwortern<br />
als Argument für eine Zentralisierung<br />
dieser Leistungen gesehen wird. Bei genauerer<br />
Betrachtung der Daten zeigt sich allerdings,<br />
dass die Chirurgische Abteilung mit der niedrigsten<br />
Mortalität nach Pankreasresektion (2%)<br />
in Österreich eine „low volume“ Institution mit<br />
knapp 7 derartigen Operationen/ Jahr ist, während<br />
für die Abteilung mit der zweithöchsten<br />
OP Frequenz (ca. 23/ Jahr) eine Mortalität von<br />
T. Mayrhofer, Zwettl<br />
<strong>Chirurgie</strong> · Ausgabe 2/<strong>2012</strong> 35