Urologie: Blasenrehabilitation - Karger
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<strong>Urologie</strong><br />
Sexualfunktion und Fertilität<br />
bei Querschnittlähmung<br />
Symptombezogene Übersicht zu Erektionsstörungen und<br />
Infertilität, Genese, Diagnostik und Therapie inklusive eigener<br />
Therapieresultate bei Paraplegie.<br />
Sexualität (lat.) ist die «Gesamtheit der<br />
auf Befriedigung des Geschlechtstriebs gerichteten<br />
Lebensäusserungen» [1] .<br />
Nach Paeslack [2] ist nach Eintritt einer<br />
Querschnittlähmung der/die betroffene<br />
Patient/in keinesfalls ein sexuelles Neutrum,<br />
sondern biologisch weiterhin als<br />
Mann bzw. Frau existent.<br />
Aktuelle Zahlen zum Sexualverhalten<br />
aus den USA belegen, dass die Frequenz<br />
sexueller Aktivitäten verheirateter oder in<br />
fester Partnerschaft lebender Paraplegiker<br />
sich der von Paaren ohne neurologische<br />
Defekte (USA 124/Jahr) annähert [3]<br />
( Abb. 33 ) .<br />
Jedoch resultieren als Folge partieller<br />
oder vollständiger Schädigungen des Nervensystems<br />
besonders für den Mann erhebliche<br />
Störungen der Sexualfunktion,<br />
die sich in unvollständiger oder fehlender<br />
Erektionsfähigkeit, fehlendem Samenerguss<br />
und verminderter Spermaqualität<br />
äussern.<br />
Die Ursachen der erektilen Dysfunktion<br />
(ED) konnten weitgehend aufgeklärt<br />
werden. Die partiell oder vollständig ausgefallene<br />
Koordination im autonomen<br />
Nervensystem lässt nur eine ungenügende<br />
Freisetzung der Transmittersubstanz<br />
Stickstoffmonoxid zu, die durch die Relaxation<br />
der glatten Muskulatur der Corpora<br />
cavernosa im Penis eine ausreichende<br />
Erektion ermöglicht.<br />
Zusätzlich können auch durch Stoffwechselkrankheiten<br />
wie Diabetes mellitus,<br />
Sexualfunktion und Fertilität bei Querschnittlähmung<br />
Atherosklerose u.ä. Veränderungen an den<br />
Nerven bzw. Blutgefässen im Penis auftreten,<br />
die die Erektion beeinträchtigen. Ergänzend<br />
sind auch «normale» Alterungsprozesse<br />
auf zellulärem Niveau zu erwarten<br />
und führen wie bei vielen älteren<br />
Männern zu ED [5] .<br />
Die Störungen der Ejakulation dagegen<br />
sind durch unzureichende neurogene Stimulationsmöglichkeit<br />
(autonomes Nervensystem)<br />
und teilweise durch Nebenwir-<br />
Abb. 33. Sexualverhalten bei Paraplegie [4].<br />
kungen von Medikamenten zu erklären<br />
(Medikamente, die die Blasenmuskulatur,<br />
aber auch die Muskulatur der Samenleiter<br />
lähmen, wie z.B. Oxybutynin, Tolteridin).<br />
Die verminderte Spermaproduktion<br />
sowie weitere Qualitätsmängel im Ejakulat<br />
sind bis heute ursächlich unklar geblieben.<br />
Somit können zum aktuellen Zeitpunkt<br />
sowohl die ED als auch Kinderlosigkeit bei<br />
Para-/Tetraplegie nur symptomatisch behandelt<br />
werden.<br />
Die Inzidenz der ED bei Paraplegie wird<br />
von Stone [6] mit 75% angegeben, bei inkompletter<br />
Lähmung sind Erektionen<br />
leichter auslösbar, gleichfalls ist nach Kaplan<br />
et al. [7] eine höhere Erektionsfrequenz<br />
bei supranukleärer Neuronläsion im Vergleich<br />
zur infranukleären Neuronläsion<br />
bekannt.<br />
Bors und Comarr [8] berichten bereits<br />
1960 über Erektionen bei 44% kompletter<br />
und 56% inkompletter Paraplegiker. Ejakulationen<br />
waren möglich bei 5% kompletter<br />
und 18% inkompletter Paraplegiker.<br />
Die American Society for Reproductive<br />
Medicine gibt 1998 an, dass 60% der Paraplegiker<br />
ausreichende Erektionen haben,<br />
aber nur 10% Ejakulationen [9] .<br />
Derry et al. [10] berichten von 50% der<br />
Paraplegiker, die zum Geschlechtsverkehr<br />
ausreichende Erektionen hatten.<br />
Zhu et al. [11] nennen 1999 eine Inzidenz<br />
von 50% für die ED bei Paraplegie in<br />
China.<br />
Die zahllosen Berichte über die letzten<br />
4 Jahrzehnte lassen eine Zahl von etwa<br />
50% für die ED und etwa 90–95% für die<br />
Anejakulation als realistisch erscheinen.<br />
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