Urologie: Blasenrehabilitation - Karger
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von semirigiden Implantaten die Behandlungsmethode<br />
durch Perforation und Infektion<br />
bei Paraplegie in Verruf kam [20] .<br />
Nach einer mehrjährigen ständigen Zunahme<br />
in der Verwendung von Phosphodiesterase-5-Hemmern<br />
zeigt sich trotz guter<br />
Wirkung und nur geringen Nebenwirkungen<br />
bei Paraplegikern in der Schweiz<br />
wieder eine Verschiebung zur SKAT, überwiegend<br />
mit Prostaglandin E 1 . Die Ursache<br />
ist rein ökonomischer Art, da die Kosten<br />
der oralen Therapeutika im Gegensatz zur<br />
SKAT von den Krankenkassen nicht, von<br />
den Unfallversicherungen nur teilweise<br />
und limitiert erstattet werden («Lifestylemedikament»).<br />
Zum Ausblick bleiben der Einsatz neuer<br />
Phosphodiesterase-5-Hemmer [21] , Prostaglandin<br />
E 1 als topisch wirksames Gel,<br />
Melanokortinrezeptoragonisten und Kaliumkanalöffner<br />
[22] .<br />
Spermaentnahme<br />
Bei Kinderwunsch und der oben genannten<br />
Tatsache, dass nur etwa 10% der Paraplegiker<br />
Sperma durch Ejakulation bereitstellen<br />
können, kommt der sicheren und<br />
ausreichenden Spermaentnahme (assistierte<br />
Ejakulation) für die meist nötigen<br />
Verfahren der assistierten Reproduktion<br />
grosse Bedeutung zu.<br />
In der Reihenfolge geringster Invasivität<br />
steht die penile Vibratorstimulation<br />
(PVS) an erster Stelle, Erstbeschreibungen<br />
der Methode bei Paraplegie fi nden sich bei<br />
Bors und Comarr [8] .<br />
Brindley [23] entwickelte einen eigenen<br />
Vibrostimulator, den auch wir mehrere<br />
Jahre benutzten.<br />
Durch Vibratorstimulation des N. pudendus<br />
(S 2 –S 4 ) an der Glans penis kommt<br />
es bei intaktem sakralem Refl exbogen zur<br />
Ejakulation. Häufi gste Frequenzen liegen<br />
um 100 Hz, gelegentlich auch niedriger, die<br />
Amplitude schwankt von 2,5 bis 3 mm.<br />
Aktuell verwenden wir die Vibratoren<br />
Ferti Care ® personal der Firma Multicept<br />
A/S (Dänemark).<br />
Eine medikamentöse Unterstützung<br />
der PVS durch Parasympathikomimetika<br />
wurde wegen der aufgetretenen Nebenwirkungen<br />
wieder aufgegeben.<br />
Bei durch PVS nicht auslösbarer ante-<br />
oder retrograder Ejakulation kann unmittelbar<br />
zur transrektalen Elektrostimulation<br />
(TES) übergegangen werden.<br />
Sexualfunktion und Fertilität bei Querschnittlähmung<br />
Abb. 35. SPZ Nottwil: Erektionsgrad (E2–E5)<br />
nach SKAT mit Prostaglandin E 1 (n = 305).<br />
Die Erstbeschreibung der aus der Veterinärmedizin<br />
stammenden Methode bei<br />
Paraplegie erfolgte bereits 1948 durch<br />
Horne et al. [24] .<br />
Aktuell verwenden wir die Elektrostimulation<br />
Power Unit Seager Model 14<br />
[25] .<br />
Über eine transrektal eingeführte Elektrode<br />
werden sympathische Fasern des<br />
Plexus hypogastricus stimuliert, es resultiert<br />
eine Emission mit Ausfl iessen des<br />
Spermas.<br />
Die Methode ist nicht an den intakten<br />
sakralen Refl exbogen gebunden und kann<br />
daher auch bei Paraplegie unter L 3 und bei<br />
Bedarf auch bereits im spinalen Schock<br />
eingesetzt werden.<br />
Im Allgemeinen sind pro Seite 3–5<br />
sinusförmige Stimulationen mit den Parametern<br />
10–15 V und 1–5 A ausreichend<br />
zur antegraden Spermaemission.<br />
Zu beachten ist bei PVS und TES, dass<br />
durch die Stimulation eine autonome Dysrefl<br />
exie bei Tetraplegie und Paraplegie<br />
oberhalb von Th 4–6 ausgelöst werden<br />
kann.<br />
Durch prophylaktische Nifedipingabe,<br />
Blutdruckmonitoring und Reduktion des<br />
Blutvolumens durch Anlegen von Manschetten<br />
an den Extremitäten lassen sich<br />
die typischen Symptome der autonomen<br />
Dysrefl exie beherrschen.<br />
Bei inkompletter Paraplegie ist für die<br />
TES eine kurzdauernde Anästhesie (z.B.<br />
Propofol) notwendig.<br />
Selten ist bei Obliteration der Samenwege<br />
nach Infektionen oder vorausgegangener<br />
früherer Vasoresektion eine operative<br />
Intervention durch mikrochirurgische<br />
epididymale Spermienaspiration oder testikuläre<br />
Spermienextraktion notwendig,<br />
sie werden jedoch dort primär eingesetzt,<br />
wo die vorgenannten Verfahren zur Nervenstimulation<br />
nicht verfügbar sind.<br />
Im SPZ Nottwil war durch assistierte<br />
Ejakulation bei 482 Paraplegikern – bei<br />
45% durch PVS, bei 55% durch TES – eine<br />
antegrade Spermaentnahme möglich.<br />
Spermauntersuchung<br />
Zur Beurteilung und Klassifi zierung der<br />
nach Brackett et al. [26] fast immer verminderten<br />
Spermaqualität erfolgen nach<br />
längerer, oft mehrjähriger Anejakulation<br />
mehrere Spermiographien in kurzen Abständen.<br />
Häufi g fi ndet sich initial eine Hyperspermie,<br />
erst nach mehrfachen Spermaentnahmen<br />
kann die Qualität sicher<br />
klassifi ziert werden ( Tab. 1 , Abb. 36 ).<br />
Über die Ursachen der meist schweren<br />
Fertilitätsstörung bei Paraplegie liegen<br />
über 4 Jahrzehnte hinweg umfangreiche<br />
Studienergebnisse vor, die man zurzeit wie<br />
folgt zusammenfassen kann:<br />
Trotz unterschiedlicher Läsionshöhe<br />
und Vollständigkeit der Paraplegie sind die<br />
Spermabefunde im Vergleich zu neurologisch<br />
gesunden Männern überwiegend<br />
schlecht.<br />
Einfl üsse von so genannten Lifestylefaktoren<br />
wie erhöhte Skrotaltemperatur,<br />
seltene Ejakulationen, verschiedene Methoden<br />
der Blasenentleerung, Harnwegsinfektionen,<br />
Antibiotika, Spermaantikörper,<br />
teilweise leichte Störungen in der<br />
Synthese der Sexualhormone und ihrer<br />
Vorstufen, Veränderungen in der Histolo-<br />
Abb. 36. SPZ Nottwil: Oligoasthenoteratozoospermiebefunde<br />
bei Paraplegie (n = 205).<br />
205<br />
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