25.09.2016 Aufrufe

DIE SUCHE NACH AL-ANDALUS - Teil IV. – Jordanien - Herrschen und Genießen

Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts, mit dem überraschenden Welterfolg der ERZÄHLUNGEN VON DER ALHAMBRA des Amerikaners Washington Irving, besann sich die Arabische Welt wieder auf die Maurenzeit in Spanien, und das Abendland entdeckte al-Andalus mit romantischer Begeisterung. Erst im 20. Jh. erinnerten arabische und maghrebinische Literaten und Poeten mit schmerzerfüllten, sehnsuchtsvollen oder romantisch-verklärten Worten an das verlorene „Paradies al-Andalus“. Der Glanz der arabischen Hochkultur im Abendland und ihr dramatischer Untergang fesselten und berührten auch mich. Das Ergebnis waren vier Bücher – jedes für sich betrachtet die spanische Maurenzeit aus einer anderen Warte. Die Blütezeit der islamischen Kultur hatte mit den osmanischen Eroberungen im Vorderen Orient ein jähes Ende gefunden: vom Byzantinischen Reich (1453) über Persien, Syrien, Ägypten und ganz Nordafrika bis an die Grenze des marokkanischen Königreichs. Der fast zu gleicher Zeit stattfindende Überlebenskampf der spanischen Mauren und letztendliche Untergang von al-Andalus Ende des 15. Jh., mehrere tausend Meilen westwärts, blieb fast unbemerkt. Meine Suche nach Zusammenhängen führte mich in die Länder von denen ich wusste oder vermutete, dass sie schon im frühen Mittelalter einen kulturellen Einfluss, einen bedeutenden Anteil an der erstaunlichen Entwicklung des früheren, recht rustikalen westgotischen Hispanien zum legendären, im Orient und Abendland bis heute viel gepriesenen "Paradies al-Andalus" gehabt hatten: Marokko, Syrien, Usbekistan und die Große Seidenstraße, Jordanien und Iran (Persien). Könnte ich heute noch in diesen Ländern anschauliche Spuren, greifbare Zeugen von ihrem Einfluss auf al-Andalus oder ihrer befruchtenden Verbindung mit dem islamischen Spanien finden die mir erlaubten es nachzuvollziehen? Oder umgekehrt, in welchem Land hatte al-Andalus seinerseits ein nachhaltiges Erbe hinterlassen? Bei allen Reisen waren meine Fragen dieselben:... (mehr im Vorwort, S. 3)

Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts, mit dem überraschenden Welterfolg der ERZÄHLUNGEN VON DER ALHAMBRA des Amerikaners Washington Irving, besann sich die Arabische Welt wieder auf die Maurenzeit in Spanien, und das Abendland entdeckte al-Andalus mit romantischer Begeisterung. Erst im 20. Jh. erinnerten arabische und maghrebinische Literaten und Poeten mit schmerzerfüllten, sehnsuchtsvollen oder romantisch-verklärten Worten an das verlorene „Paradies al-Andalus“.
Der Glanz der arabischen Hochkultur im Abendland und ihr dramatischer Untergang fesselten und berührten auch mich. Das Ergebnis waren vier Bücher – jedes für sich betrachtet die spanische Maurenzeit aus einer anderen Warte. Die Blütezeit der islamischen Kultur hatte mit den osmanischen Eroberungen im Vorderen Orient ein jähes Ende gefunden: vom Byzantinischen Reich (1453) über Persien, Syrien, Ägypten und ganz Nordafrika bis an die Grenze des marokkanischen Königreichs. Der fast zu gleicher Zeit stattfindende Überlebenskampf der spanischen Mauren und letztendliche Untergang von al-Andalus Ende des 15. Jh., mehrere tausend Meilen westwärts, blieb fast unbemerkt.
Meine Suche nach Zusammenhängen führte mich in die Länder von denen ich wusste oder vermutete, dass sie schon im frühen Mittelalter einen kulturellen Einfluss, einen bedeutenden Anteil an der erstaunlichen Entwicklung des früheren, recht rustikalen westgotischen Hispanien zum legendären, im Orient und Abendland bis heute viel gepriesenen "Paradies al-Andalus" gehabt hatten: Marokko, Syrien, Usbekistan und die Große Seidenstraße, Jordanien und Iran (Persien). Könnte ich heute noch in diesen Ländern anschauliche Spuren, greifbare Zeugen von ihrem Einfluss auf al-Andalus oder ihrer befruchtenden Verbindung mit dem islamischen Spanien finden die mir erlaubten es nachzuvollziehen? Oder umgekehrt, in welchem Land hatte al-Andalus seinerseits ein nachhaltiges Erbe hinterlassen? Bei allen Reisen waren meine Fragen dieselben:... (mehr im Vorwort, S. 3)

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<strong>DIE</strong> <strong>SUCHE</strong> <strong>NACH</strong> <strong>AL</strong>-AND<strong>AL</strong>US<br />

in Marokko <strong>–</strong> Syrien <strong>–</strong> Usbekistan <strong>–</strong> <strong>Jordanien</strong> <strong>–</strong> Persien (Iran)<br />

<strong>Teil</strong> <strong>IV</strong>. <strong>–</strong> <strong>Jordanien</strong><br />

<strong>Herrschen</strong> <strong>und</strong> <strong>Genießen</strong><br />

© Isabel Blanco del Piñal


<strong>DIE</strong> <strong>SUCHE</strong> <strong>NACH</strong> <strong>AL</strong>-AND<strong>AL</strong>US<br />

in Marokko <strong>–</strong> Syrien <strong>–</strong> Usbekistan <strong>–</strong> <strong>Jordanien</strong> <strong>–</strong> Persien (Iran)<br />

Inhalt der Reihe<br />

©Isabel Blanco del Piñal<br />

<strong>Teil</strong> I. Marokko <strong>und</strong> al-Andalus <strong>–</strong> Hüter des maurischen Erbes<br />

(veröffentlicht)<br />

https://www.yumpu.com/user/rosenoiregf<br />

<strong>Teil</strong> II. Syrien <strong>und</strong> Al-Andalus <strong>–</strong> Reichtum <strong>und</strong> Toleranz<br />

(veröffentlicht)<br />

https://www.yumpu.com/user/rosenoiregf<br />

<strong>Teil</strong> III. Usbekistan, die Seidenstraße <strong>und</strong> Al-Andalus <strong>–</strong> Wissen <strong>und</strong> Handel<br />

(veröffentlicht)<br />

https://www.yumpu.com/user/rosenoiregf<br />

<strong>Teil</strong> III. Uzbekistan, the Silk Road and al-Andalus <strong>–</strong> Knowledge and Trade<br />

English version <strong>–</strong> (published)<br />

https://www.yumpu.com/user/rosenoiregf<br />

<strong>Teil</strong> <strong>IV</strong>. <strong>Jordanien</strong> <strong>und</strong> al-Andalus <strong>–</strong> <strong>Herrschen</strong> <strong>und</strong> <strong>Genießen</strong><br />

(veröffentlicht)<br />

https://www.yumpu.com/user/rosenoiregf<br />

<strong>Teil</strong> V. Persien (Iran) <strong>und</strong> al-Andalus <strong>–</strong> Wasserbau <strong>und</strong> paradiesische Gärten<br />

(veröffentlicht)<br />

https://www.yumpu.com/user/rosenoiregf<br />

Ψ<br />

Titelbild: Fresko (8. Jh.) Wüstenschlösschen der Omaijaden Qusair ‘Amra, <strong>Jordanien</strong><br />

Anmerkung: Jedem Kapitel liegt das gesamte Verzeichnis der Serie „Die Suche nach al-Andalus“<br />

bei.<br />

Links in Fußnoten oder im Text: mit dem cursor auf den link gehen, STRG gedrückt halten <strong>und</strong><br />

anklicken<br />

Kontakt: Facebook: https://www.facebook.com/isabel.blancodelpinal<br />

Alle digitalen Magazine gratis lesen: https://www.yumpu.com/user/rosenoiregf<br />

Webseite: www.rosenoire.de Email: rosenoiregf@gmail.com<br />

2


Einstimmung<br />

Erst gegen Ende des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts, mit dem überraschenden Welterfolg der ERZÄHLUNGEN VON<br />

DER <strong>AL</strong>HAMBRA des Amerikaners Washington Irving, besann sich die Arabische Welt wieder auf die<br />

Maurenzeit in Spanien, <strong>und</strong> das Abendland entdeckte al-Andalus mit romantischer Begeisterung.<br />

Der Glanz der arabischen Hochkultur im Abendland <strong>und</strong> ihr dramatischer Untergang fesselten <strong>und</strong><br />

berührten auch mich. Das Ergebnis waren vier Bücher 1 <strong>–</strong> jedes für sich betrachtet die spanische<br />

Maurenzeit aus einer anderen Warte. Die Blütezeit der islamischen Kultur hatte mit den osmanischen<br />

Eroberungen im Vorderen Orient ein jähes Ende gef<strong>und</strong>en: vom Byzantinischen Reich (1453) über<br />

Persien, Syrien, Ägypten <strong>und</strong> ganz Nordafrika bis an die Grenze des marokkanischen Königreichs. Der<br />

fast zu gleicher Zeit stattfindende Überlebenskampf der spanischen Mauren mehrere tausend Meilen<br />

westwärts <strong>und</strong> der letztendliche Untergang von al-Andalus am Ende des 15. Jh., blieben fast unbemerkt.<br />

Meine Suche nach Zusammenhängen führte mich in die Länder von denen ich wusste oder vermutete,<br />

dass sie schon im frühen Mittelalter einen kulturellen Einfluss, einen bedeutenden Anteil an der<br />

erstaunlichen Entwicklung des früheren, recht rustikalen. westgotischen Hispanien zum legendären, im<br />

Orient <strong>und</strong> Abendland gleichermaßen <strong>und</strong> bis heute viel gepriesenen "Paradies al-Andalus" gehabt<br />

hatten: Marokko, Syrien, Usbekistan, <strong>Jordanien</strong> <strong>und</strong> Iran. Könnte ich heute noch in diesen Ländern<br />

anschauliche Spuren, greifbare Zeugen von ihrem Einfluss auf al-Andalus oder ihrer befruchtenden<br />

Verbindung mit dem islamischen Spanien finden die mir erlaubten das nachzuvollziehen? Oder<br />

umgekehrt, in welchem Land hatte al-Andalus seinerseits ein nachhaltiges Erbe hinterlassen? Bei allen<br />

Reisen waren meine Fragen dieselben:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Vom 8. bis zur Mitte des 13. Jh. erlebte die gesamte arabische Kultur eine Blütezeit die<br />

allgemein als „Goldenes Zeitalter des Islam 2 “ bezeichnet wird. Wie konnte das maurische<br />

Spanien den außerordentlichen Wissensstand, das hohe Niveau an Gelehrtheit erreichen die<br />

auch das mittelalterliche Europa bereicherten <strong>und</strong> befruchteten? Lag das Land nicht am<br />

äußersten westlichen Ende der damals bekannten Welt?<br />

Fast 8 Jahrh<strong>und</strong>erte lang war die Iberische Halbinsel die Heimat der Mauren gewesen. Al-<br />

Andalus gilt heute als leuchtendes Beispiel für das tolerante Miteinander der Religionen.<br />

Tatsächlich gab es diese Toleranz nur in wenigen Jahrh<strong>und</strong>erten. In welchem muslimischen Land<br />

würde ich noch greifbare Hinweise auf diese Toleranz finden?<br />

Wie kam es zu dem legendären Reichtum von al-Andalus?<br />

In welchem Land würde ich Zeugen finden von der Lebensfreude der syrischen <strong>und</strong> maurischen<br />

Omaijaden? Im 8. Jh., in der Zeit des noch jungen Islam, herrschten sie über ein Großreich: vom<br />

damaligen Syrien über ganz Nordafrika <strong>und</strong> den größten <strong>Teil</strong> der Iberischen Halbinsel. Unter den<br />

maurischen Emiren <strong>und</strong> Kalifen der Dynastie erreichte das orientalisch-sinnliche Raffinement in<br />

al-Andalus einen Höhepunkt <strong>und</strong> … gab es schon immer ein Bilderverbot im Islam?<br />

Al-Andalus war auch berühmt für Wasserbau, für hydraulische Systeme <strong>und</strong> paradiesische<br />

Gärten. Woher hatten die spanischen Araber dieses Wissen? Nach der Eroberung von al-Andalus<br />

gegen Ende des 15. Jh. übernahmen die Christen das fortschrittliche Wassermanagement der<br />

spanischen Araber <strong>–</strong> die maurische Institution des Wassergerichts von Valencia tagt heute noch<br />

<strong>–</strong> es gilt als die älteste Institution Europas.<br />

Ψ<br />

1 s. Anhang ganz am Ende<br />

2 Mehr über diesen Begriff unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Bl%C3%BCtezeit_des_Islam<br />

3


Al-Andalus, das hispano-arabische Spanien<br />

von 711-1031<br />

Mein bisheriger Streifzug durch die Geschichte<br />

der Länder ergab, dass al-Andalus in Marokko<br />

mit seiner Musik, seiner Architektur <strong>und</strong><br />

seinen Traditionen fest verankert ist. Zwischen<br />

beiden Ländern hatte seit dem frühen<br />

Mittelalter 3 eine Symbiose stattgef<strong>und</strong>en,<br />

dennoch hat Marokko seit vielen<br />

Jahrh<strong>und</strong>erten eine ganz eigene Persönlichkeit<br />

entwickelt. Der Geist von al-Andalus ist, seit<br />

dem 9. Jh. bis heute immer präsent geblieben.<br />

Al-Andalus lebt weiter auf der anderen Seite<br />

der Meerenge von Gibraltar.<br />

Syrien war das Mutterland der arabischen<br />

Kultur im Abendland gewesen. In den ersten<br />

Jahrh<strong>und</strong>erten nach der Eroberung war al-<br />

Andalus noch ein Übersee-Emirat des ausgedehnten Omaijadenreichs. In der ersten Hälfte des 10. Jh.<br />

sagte sich das Große Kalifat von Cordoba vom arabischen Mutterland los <strong>–</strong> das maurische Spanien<br />

wurde ein unabhängiger Staat. Er entwickelte im Lauf der Jahrh<strong>und</strong>erte einen ganz eigenen hispanoarabischen<br />

Charakter der zu einem großen <strong>Teil</strong> auch von den günstigen, klimatischen Gegebenheiten<br />

bestimmt wurde. In Damaskus <strong>und</strong> Aleppo fand ich überzeugende Beispiele zu meinen Fragen nach<br />

Toleranz <strong>und</strong> Reichtum. Meine Reisen nach Usbekistan <strong>und</strong> an die Große Seidenstraße waren nur eine<br />

logische Folge um Antworten auf die Frage zu finden wie Reichtum durch regen Handel generiert wurde<br />

<strong>und</strong> wie Wissenschaften <strong>und</strong> neue Technologien ihren Weg ins Abendland fanden; wie sie in der<br />

gesamten muslimischen Welt zum Goldenen Zeitalter des Islam 4 führten <strong>und</strong> letztendlich auch al-<br />

Andalus, das Land am äußersten Ende der damals bekannten westlichen Welt, befruchteten.<br />

Es war nicht einfach historische Verbindungen zum Bilderverbot im Islam oder zur Lebensfreude der<br />

Omaijaden zu finden. Sie waren die syrischen Stammväter der arabo-andalusischen Emire <strong>und</strong> Kalifen<br />

gewesen. Aus dieser Herrscherdynastie gingen auch die ersten Kalifen nach dem Propheten im Orient<br />

hervor. Es war die Zeit des jungen Islam, noch bevor sich im Lauf der nachfolgenden Jahrh<strong>und</strong>erte, wie<br />

auch in der christlichen Religion, religiöse Gesetze <strong>und</strong> Regeln verschärfen sollten. Einst gehörte auch<br />

<strong>Jordanien</strong> zum Omaijadenreich nur ist dort verschwindend wenig aus dieser Zeit erhalten geblieben.<br />

Um es gleich vorweg zu nehmen: Aber, um es gleich vorweg zu nehmen: Auch meine anfängliche,<br />

vorletzte Frage wurde in <strong>Teil</strong> <strong>IV</strong> „<strong>Herrschen</strong> <strong>und</strong> genießen“ zufriedenstellend beantwortet.<br />

Und im Iran, im ehemaligen Persien, fand ich Antworten auf meine letzte Frage nach dem Wissen um<br />

Wasserbau, nach den so oft gerühmten persischen Gärten <strong>und</strong> dem Ursprung der maurischen<br />

Wasserkultur. Schon im Altertum <strong>und</strong> im frühen Mittelalter betrieben die Perser Wasserbau,<br />

Wassermanagement mit einfachen aber effektiven hydraulischen Systemen. Das persische Reich der<br />

Sasaniden ging ab dem Jahr 651 in arabischen Eroberungszügen unter, Spanien wurde Anfang des 78.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts von den Arabern erobert. Vor allem im heutigen Andalusien finden wir noch herrliche<br />

Gärten wie die der Alhambra in Granada oder des Alcázar mit einem eigenen, dem persischen sehr<br />

ähnlichen hydraulischen System. Und die Tradition der andalusischen patios lässt unzählige<br />

andalusische Innenhöfe kleinen Paradiesen gleichen.<br />

3 wie z. B. die Gründung des Viertels der Andalusier/Quartier des Andalous in Fès (9. Jh.) durch hispano-arabische<br />

Einwanderer<br />

4 749 <strong>–</strong> 1258 AC<br />

4


Zunächst ein wenig Geschichte …<br />

Ausdehnung des syrischen Omaijadenreichs 5<br />

Al-Andalus, das maurische Hispanien, war anfangs ein Übersee-Emirat des Kalifats der Omaijaden.<br />

Diese dynamische, ausgesprochen eroberungsfreudige Dynastie hatte ihren Ursprung in einer der<br />

einflussreichsten Familien von Mekka. Sie regierten von 661 bis ca. 750 n. Chr., die Hauptstadt ihres<br />

Reichs war Damaskus. In nicht einmal 100 Jahren hatten sie ihr Reich bis an den Indus 6 im Osten<br />

<strong>und</strong> über Ägypten <strong>und</strong> Nordafrika bis nach al-Andalus, das hispano-arabische Spanien im Westen<br />

ausgedehnt.<br />

Bis ca. 709 waren die Berber <strong>und</strong> damit der Maghreb unterworfen <strong>und</strong> schon im Jahr 711 begannen<br />

von Marokko aus unter der Führung des Gouverneurs von Tanger Tariq ibn Ziyad die<br />

Eroberungszüge gegen die Westgoten auf der Iberischen Halbinsel. Entscheidend wurde die<br />

Schlacht am Fluss Guadalete (Juli 711) 7, in der der Roderich, der König der Westgoten fiel. Innerhalb<br />

von nur sieben Jahren wurde Hispanien erobert. Natürlich rankt sich auch um die erste Invasion des<br />

Tariq ibn Ziyad eine Legende <strong>–</strong> hier soll Verrat im Spiel gewesen sein: Ein westgotischer<br />

Widersacher von König Roderich soll die Berber nach der Vergewaltigung seiner Tochter durch<br />

Roderich ins Land gerufen haben. Das heutige Gibraltar wurde nach dem Namen des berberischen<br />

Feldherrn benannt <strong>–</strong> im Spanischen eine Ableitung vom arabischen Jabal Ṭāriq, „Berg des Tariq“.<br />

Für die arabische Namensgebung „al-Andalus“ gibt es wissenschaftliche Vermutungen, die<br />

tatsächliche Bedeutung ist jedoch bis heute unklar.<br />

Ψ<br />

5 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Map_of_expansion_of_Caliphate.svg (hochgeladen von Tariq Ibn Ziyad,<br />

06:14, 22 November 2012. Adjustments according to the original source,<br />

http://www.gl.iit.edu/govdocs/maps/Middle%20East-Age%20of%20the%20Caliphs.gif)<br />

6 Der Indus hat seine Quelle in Tibet, seine Wasser durchbrechen den Himalaya. In Pakistan bildet er ein 7800 km2<br />

großes Delta bevor er im Arabischen Meer endet.<br />

7 Südlich vom Ort Arcos de la Frontera(Andalusien)<br />

5


An der Westmauer der Moschee-Kathedrale, Cordoba<br />

Der Untergang der Omaijaden beruhte letztendlich auf<br />

dem leidenschaftlichen Streit um die rechtmäßige<br />

Nachfolge des Propheten Mohammed. Am Ende behielt<br />

der Stamm der Abbasiden, die Nachfahren von<br />

Mohammeds Onkel väterlicherseits al-ʿAbbās ibn ʿAbd al-<br />

Muttalib, die Oberhand. Die Omaijaden konnten keine<br />

verwandtschaftliche Bindung an den Propheten<br />

nachweisen, das führte zur Spaltung ihrer Anhänger. Als es<br />

dann auch noch Machtkämpfe innerhalb der Dynastie <strong>und</strong><br />

zwischen verschiedenen Stammesclans gab war ihr<br />

Untergang besiegelt: Im Jahr 747 brach im Osten des<br />

heutigen Iran eine Revolution gegen die Omaijaden aus,<br />

im Jahr 750 waren sie endgültig besiegt. Die Entmachtung<br />

durch die Abbasiden überlebten nur wenige Mitglieder der<br />

Herrscherfamilie. Einem Omaijadenprinz gelang jedoch die<br />

Flucht über Nordafrika nach al-Andalus. Bis in die Mitte<br />

des 8. Jh. kämpften dort verschiedene muslimische<br />

Stämme <strong>und</strong> Clans um die Vorherrschaft, der Überlebende konnte sich dank vieler Anhänger der<br />

Omaijadendynastie durchsetzen <strong>und</strong> rief 756 als Abd al-Rahman I. 8 das Emirat von Cordoba aus. Er<br />

wurde der Stammvater der maurischen Omaijadendynastien.<br />

War die friedliche Koexistenz der Religionen ein Weg zu Reichtum <strong>und</strong><br />

Fortschritt?<br />

In der Moschee-Kathedrale, Cordoba<br />

Bis zum Jahr 784 teilten sich Muslime<br />

<strong>und</strong> Christen mehrere Jahre lang die<br />

Kirche St. Vinzenz der Märtyrer in<br />

Cordoba, der Hauptstadt von al-<br />

Andalus. Die muslimische Gemeinde<br />

wurde im Lauf der Jahre durch den<br />

Ansturm von Zuwanderern aus dem<br />

Orient <strong>und</strong> Nordafrika so zahlreich<br />

dass eine eigene Moschee dringend<br />

nötig war. Die Christen erhielten das<br />

Recht außerhalb des inneren<br />

Mauergürtels von Cordoba eine neue<br />

Kirche zu bauen. Die neue Moschee<br />

wurde auf den Gr<strong>und</strong>festen der<br />

christlichen Kirche errichtet 9 .<br />

8 Vollständiger Name: Abd al-Rahman ibn Mu'awiya ibn Hisham ibn Abd al-Malik ibn Marwan<br />

9 Ihre F<strong>und</strong>amente liegen unter der heutigen Moschee-Kathedrale von Cordoba <strong>und</strong> sind vom Boden der Gebetshalle<br />

aus teilweise sichtbar.<br />

6


Patio im Real Alcázar in Sevilla. Der „maurische“ <strong>Teil</strong> des<br />

Palasts wurde unter dem Christenkönig Don Pedro I. nach der<br />

Eroberung der Stadt im 14. Jh., errichtet.<br />

Jeder Herrscher von al-Andalus nach Abd al-Rahman I.<br />

erweiterte das Gebetshaus das heute zu den ältesten<br />

<strong>und</strong> berühmtesten der Welt gehört: die Moschee-<br />

Kathedrale von Cordoba. Bei einer Besichtigung lassen<br />

sich gut die verschiedenen Bauphasen <strong>und</strong> Stilrichtungen<br />

bis hin zum Anbau der Almohadendynastie, der letzten<br />

berberischen Dynastie, die von 1147 bis 1269 nicht nur<br />

über Marokko, auch über al-Andalus herrschte.<br />

Eine nicht zu strenge Interpretation des Islam gepaart<br />

mit einer gewissen Art von religiöser Toleranz könnten<br />

der Schlüssel zur wirtschaftlichen, wissenschaftlichen<br />

<strong>und</strong> schöngeistigen Blütezeit in al-Andalus gewesen sein.<br />

Die Omaijaden förderten die Wissenschaften <strong>und</strong> die<br />

Schönen Künste, sie liebten die Literatur, die Dichtkunst<br />

<strong>und</strong> die Musik <strong>und</strong> bis heute ist die Ästhetik maurischer<br />

Paläste <strong>und</strong> die Schönheit kunstvoll angelegter Gärten berühmt. In überlieferten Chroniken ist auch<br />

die Rede von Dichterr<strong>und</strong>en am Hof des Kalifen <strong>und</strong> von Singsklavinnen die Musikinstrumente<br />

beherrschten, tanzen <strong>und</strong> sogar aus dem Stegreif dichten konnten.<br />

Die Toleranz könnte der fruchtbare Boden gewesen sein auf dem sich auch Handel <strong>und</strong> Handwerk<br />

entfalten konnten. Im Dreireligionenreich al-Andalus war sie ein Garant für sozialen Frieden <strong>–</strong> die<br />

wichtigste Voraussetzung für wirtschaftliches Wohlergehen. Lange bevor die Araber das<br />

westgotische christliche Hispanien eroberten gab es bereits eine stattliche jüdische Bevölkerung.<br />

Danach blieben nicht nur viele Christen, auch zahlreiche Sefarden 10. in al-Andalus. Ihr historisches<br />

Gedächtnis sagte ihnen dass die Araber milde Herren waren vorausgesetzt ihr Herrschaftsanspruch<br />

wurde anerkannt <strong>und</strong> ihre Religion gebührend geachtet. Für die spanischen Omaijaden galt<br />

offenbar die einfache Weisheit: „Lass den Untertanen ihre Bräuche <strong>und</strong> religiösen Traditionen, gib<br />

ihnen die Möglichkeit einen bescheidenen Wohlstand zu schaffen, dann werden sie zufrieden ihre<br />

Arbeit verrichten <strong>und</strong> die Steuerquellen werden sprudeln“. Die Abbasiden hatten ihr Machtzentrum<br />

nach Bagdad verlegt. Dort begann um das Jahr 825 eine Blütezeit der Wissenschaften <strong>–</strong> im Bayt al-<br />

Hikma 11 wurden alle wissenschaftlichen Werke der griechischen Antike ins Arabische übersetzt 12 .<br />

Obwohl die Abbasiden im 8. Jh. die Omaijaden gestürzt hatten, war das kein Gr<strong>und</strong> für die<br />

spanischen Nachkommen dieser Dynastie nicht beste Beziehungen zum Abbasidenreich zu pflegen.<br />

Der Waren- <strong>und</strong> Wissensaustausch funktionierte bestens: Palmyra, Damaskus <strong>und</strong> Aleppo blieben<br />

die Drehscheiben für den Handel entlang der Seiden- <strong>und</strong> der Weihrauchstraße. Von dort<br />

erreichten die Handelsgüter auch den äußersten, muslimischen Westen der Welt. Und aus Bagdad<br />

kamen alle wissenschaftlichen Erkenntnisse die in al-Andalus die Gr<strong>und</strong>lage für weiteres Forschen<br />

<strong>und</strong> bahnbrechende Neuerungen waren.<br />

10 Die Juden kamen schon unter den Römern nach Hispanien, sie sahen in dem Land das mythische Sefarad. Daher<br />

werden die jüdischen Einwohner von al-Andalus Sefarden (auch Sepharden) genannt. Der Name bezieht sich auf den<br />

Schluss der kürzesten Prophezeiung im A.T. von Obadja (auch Abdias) „…<strong>und</strong> die Weggeführten von Jerusalem, die in<br />

Se(ph)farad leben, werden die Städte im Südland besitzen …“ (gemeint war die Wüste Negev/Negeb, sie liegt im Süden<br />

Israels). Inzwischen bedeutet das Wort in der jüdischen Welt so viel wie Diaspora.<br />

11 Haus der Weisheit, (ähnlich einer Universität)<br />

12 u. A. Euklid, Galen, Hippokrates, Platon, Aristoteles, Ptolemäus oder Archimedes.<br />

7


Denkmal Kalif Hakam II., Cordoba<br />

Im 10. Jh. erreichte die Blütezeit von al-<br />

Andalus ihren Höhepunkt unter Kalif Abd al-<br />

Rahman III. 13 . Er wurde 929 als Herrscher über<br />

al-Andalus ausgerufen <strong>und</strong> nahm als erster den<br />

Titel Kalif 14 an. Sein Sohn Kalif Hakam II. 15 ,<br />

erwies sich nach dem Tod des Vaters als<br />

würdiger Erbe.<br />

Von insgesamt r<strong>und</strong> sieben Jahrh<strong>und</strong>erten<br />

Präsenz der Muslime in Spanien war ein<br />

knappes Jahrh<strong>und</strong>ert eine recht kurze<br />

Zeitspanne um das F<strong>und</strong>ament der maurischen<br />

Hochkultur in Spanien zu schaffen. Und doch<br />

gelang es. Das Große Kalifat von Cordoba, das<br />

Großreich al-Andalus, wurde berühmt für einen märchenhaften Reichtum der Kalifen, für eine<br />

tolerante Haltung gegenüber Andersgläubigen <strong>und</strong> eine außergewöhnlich dynamische Entwicklung<br />

des Handels, für die Förderung von Bildung <strong>und</strong> der schönen Künste, der Wissenschaften, der<br />

Landwirtschaft <strong>und</strong> von Handel <strong>und</strong> Handwerk. Die Bibliothek der Kalifen von Cordoba war<br />

legendär, darin wurden 400.000 der wichtigsten handschriftlichen Übersetzungen aus der<br />

griechischen Antike <strong>und</strong> berühmter arabischer Wissenschaftler aufbewahrt, <strong>und</strong> jeder<br />

Wissensdurstige hatte Zutritt zu dieser Bibliothek.<br />

Die Kalifen Abd al-Rahman III. <strong>und</strong> nach ihm sein Sohn Hakam II. legten besonderen Wert auf die<br />

Bildung ihrer Untertanen, auch die der einfachen Bevölkerungsschicht. Die Schulen in den Städten<br />

waren kostenlos <strong>und</strong> auf dem Land fanden sich immer Lehrer die gegen Naturalien Kinder <strong>und</strong><br />

Erwachsene unterrichteten denn ein altes arabisches Sprichwort besagt: „ein berühmter Schüler<br />

gereicht auch seinem Lehrer zur Ehre“. Das Studium der arabischen Sprache wurde für jedermann<br />

von großer Bedeutung <strong>–</strong> nur wer sie beherrschte konnte auf einen der begehrten Posten am<br />

Herrscherhof oder in Verwaltungen hoffen. Und auch die Lebensbedingungen in den großen<br />

Städten wurden erheblich verbessert: Im 10. Jh. hatte Cordoba die ersten Straßenlaternen in<br />

Europa <strong>und</strong> Abwässer wurden unterirdisch entsorgt.<br />

Als Kalif Hakam II. starb war sein Sohn Hisham II. gerade einmal 10 Jahre alt. Der Kalifenthron<br />

wurde zum Streitobjekt für machthungrige Emporkömmlinge <strong>–</strong> im Jahr 1010 brach ein<br />

verheerender Bürgerkrieg aus. Er erschütterte al-Andalus bis in die Gr<strong>und</strong>festen. Bis ins Jahr 1031<br />

hinein gab es noch eine schnelle Folge von Kalifen <strong>und</strong> Antikalifen, dann zerfiel das Große Kalifat<br />

von Cordoba in eine Vielzahl kleine Splitterreiche: die Königreiche taifa 16 . Es war das Ende der<br />

spanischen Omaijaden. Die Könige der Taifas konnten ihre Pfründe wahren bis ins Jahr 1095, dann<br />

war es mit der Blütezeit in al-Andalus <strong>und</strong> auch mit der bis heute gepriesenen Toleranz im Land der<br />

drei Religionen erst einmal vorbei <strong>–</strong> das muslimische Spanien wurde von marokkanischen<br />

Kriegermönchen, den berberischen Almoraviden erobert <strong>und</strong> Marrakesch wurde auch die<br />

Hauptstadt von al-Andalus.<br />

13 regierte von 912-961<br />

14 . Der Titel „Kalif“ hat verschiedene Bedeutungen: Die älteste ist vorislamisch <strong>und</strong> bedeutet „Stellvertreter (des<br />

Herrschers)“. Nach Gründung des Islam kann er sowohl „Stellvertretung, Nachfolge, Herrscher oder Richter“, als auch<br />

„Herrscher aller Gläubigen“ bedeuten.<br />

15 Hakam II. regierte von 961-976<br />

16 Aus dem Arabischen: Splitterpartei, auch Abtrünnige<br />

8


<strong>Jordanien</strong> <strong>und</strong> al-Andalus<br />

Blick vom Zitadellenhügel auf den nächsten Berg. Das<br />

römische Amphitheater ist hervorragend erhalten.<br />

Amman ist einer der ältesten bewohnten Orte der Welt.<br />

Rabbat-Ammon nannten die Ammoniter die Stadt der<br />

Sieben Hügel. Sie gehörten zu den semitischen<br />

Volksstämmen <strong>und</strong> werden häufig in der Heiligen Schrift<br />

erwähnt. Nach der Eroberung durch Alexander den<br />

Großen, bis in die Römerzeit hieß Rabbat-Ammon<br />

Philadelphia 17 , erst nach der arabischen Eroberung<br />

durch die Omaijaden im Jahr 635 erhielt die Stadt den<br />

Namen Amman. Ihre Geschichte ist wechselhaft: aus<br />

der ursprünglich kleinen Ansiedlung die Amman vor<br />

Jahrtausenden einmal war wurde immer wieder unter<br />

dem Einfluss mehrerer Hochkulturen eine blühende<br />

Stadt, aus unbekannten Gründen wurde sie immer<br />

wieder verlassen. Römer, Byzantiner, Araber haben<br />

Zeugen vergangener Blütezeiten hinterlassen. Nach<br />

Untergang der Omaijadendynastie in Syrien im Jahr 750,<br />

versank sie auch wieder in Bedeutungslosigkeit; an der Wende zum 20. Jh. war der Ort ein Dorf mit<br />

2.000 Seelen. Gegen 1920, als König Abdallah Ibn Husain I. Amman zur Hauptstadt erklärte, zählte<br />

das Städtchen nicht mehr als 5.000 Einwohner.<br />

Im Garten der Stiftung Darat al-<br />

Funun 18 , Stadtviertel al-Weibdeh<br />

Nach der Erschaffung des Staats<br />

Israel im Jahr 1948 <strong>und</strong> nach der<br />

Besetzung des Westjordanlands<br />

durch jüdische Truppen Ende der<br />

60er Jahre wurde Amman Ziel<br />

zahlreicher auch gutsituierter<br />

Flüchtlinge. Mit dem Niedergang<br />

von Beirut, der führenden<br />

Metropole im Vorderen Orient,<br />

in den 70er <strong>und</strong> 80er Jahren<br />

wurde aus Amman eine<br />

Millionenstadt; inzwischen ist sie<br />

das Finanz- <strong>und</strong> Wirtschaftszentrum<br />

des Vorderen Orients.<br />

Heute leben im Stadtgebiet mehr als 2 Millionen Menschen, ehemalige Vororte sind von der<br />

Metropole verschluckt worden. Alles in allem zählt Amman inzwischen über 4 Millionen Einwohner<br />

<strong>und</strong> hat sich über 19 Hügel ausgedehnt.<br />

17 Nach König Ptolemaios II. Philadelphos<br />

18 Eine Stiftung für zeitgenössische Kunst<br />

9


Auf dem Zitadellenhügel <strong>–</strong> die<br />

Ruinen des Herkulestempels<br />

Für die Erk<strong>und</strong>ung Ammans<br />

sollte man gut zu Fuß sein oder<br />

sich mit Bussen oder Taxen<br />

behelfen. Ein gewisses Risiko ist<br />

dabei weil die Richtung der<br />

Busse in arabischer Sprache<br />

angegeben, die Haltestellen,<br />

wenn überhaupt, nicht auf<br />

Englisch gekennzeichnet sind<br />

<strong>und</strong> die wenigsten Taxifahrer<br />

diese Sprache verstehen. Daher<br />

ist es besser die Wanderschuhe<br />

anzuziehen <strong>und</strong> von einem<br />

Stadtteil einmal bergunter <strong>und</strong><br />

zum nächsten wieder bergauf laufen. Der positive Nebeneffekt zeigt sich spätestens das nächste<br />

Mal wenn man sich auf die Waage stellt. Ein Vorteil ist dass es nicht viele Stadtteile gibt die so<br />

interessant wären dass man sie unbedingt gesehen haben muss. Wie eingangs erwähnt sind kaum<br />

mehr Zeugen der Omaijadenherrschaft vorhanden. Allerdings wurden in <strong>Jordanien</strong> ca. 40 km vor<br />

der saudi-arabischen Grenze meine letzten beiden Fragen nach der Lebensfreude <strong>und</strong> dem<br />

Bilderverbot so überwältigend <strong>und</strong> im wahrsten Sinn des Wortes so bildhaft beantwortet dass ich<br />

hellauf begeistert war <strong>–</strong> genau das war es wonach ich gesucht hatte!<br />

In Amman beschränken sich Zeugen der damaszenischen Dynastie auf den Hügel der Zitadelle,<br />

Jabal al-Qal'a: die Empfangshalle des Qasr 19 , ein Rest der ehemaligen Moscheemauer <strong>und</strong> auf eine<br />

große, offene Zisterne. Auf dem Hügel sind noch Überreste des römischen Herkulestempels <strong>und</strong><br />

einer byzantinischen Kirche zu<br />

sehen. <strong>Jordanien</strong> liegt in einem<br />

erdbebengefährdeten Gebiet,<br />

viele Gebäude sind der immer<br />

wiederkehrenden Naturgewalt<br />

zum Opfer gefallen. Der ganze<br />

archäologische Komplex des<br />

Qasr mit den angrenzenden<br />

Gebäuden diente wahrscheinlich<br />

dem Statthalter der Omaijaden<br />

als Residenz <strong>und</strong> Sitz des<br />

Verwaltungsapparats. Der Jabal<br />

al-Qal'a ist einer der 7 historischen<br />

Hügel der Stadt;<br />

Ausgrabungen haben belegt,<br />

dass er schon im Neolithikum<br />

besiedelt war.<br />

Mittagspause mit Schischa inmitten römischer Ruinen<br />

19 Befestigte, palastähnliche Residenz mit Wohn- <strong>und</strong> Verwaltungsgebäuden<br />

10


Jabal al-Qal'a: Überreste der byzantinischen Kirche, im Hintergr<strong>und</strong>, die Kuppel der Omaijadenresidenz<br />

Mitte: Fassade des Omaijadenpalasts. Gegenüber lag die Moschee. Unten: Rest<br />

einer Moscheemauer, dahinter werden die Säulen der ehemaligen Gebetshalle<br />

durch r<strong>und</strong>e Blöcke angedeutet.<br />

11


Empfangshalle des Palasts: der Gr<strong>und</strong>riss ähnelt dem einer byzantinischen Kirche: ein<br />

Mittel- <strong>und</strong> 2 Seitenschiffe unter großzügigen Gewölben. Die Wände waren aufwändig<br />

mit kunstvollen Steinmetzarbeiten verziert <strong>–</strong> davon ist nur ein kleiner <strong>Teil</strong> erhalten.<br />

Unten: Rückansicht der Empfangshalle. Von hier aus markieren r<strong>und</strong>e Steinblöcke eine<br />

lange frühere Kolonnade an denen weitere Gebäude lagen von denen nur noch die<br />

Gr<strong>und</strong>mauern erkennbar sind.<br />

12


Seite aus den Qumranrollen 20<br />

Sehr beeindruckend sind auf dem Hügel<br />

der Zitadelle einzelne Exponate des<br />

Archäologischen Museums Amman 21 , von<br />

denen einige zwischen 6.500-8.000 Jahre<br />

alt sind <strong>und</strong> von archaischen Zivilisationen<br />

erzählen. Das Modell eines kunstvoll<br />

gearbeiteten Wasserbeckens aus<br />

Alabaster oder Marmor erinnert stark an<br />

die herrlichen Steinmetzarbeiten von<br />

Medina Azahara in der Nähe von Cordoba.<br />

Dieses erste Jordanische Museum für<br />

Archäologie 22 wurde 1951 auf dem Hügel<br />

der Zitadelle gegründet. Danach entstand<br />

eine Zweigstelle in Ostjerusalem das vor<br />

1967 zu <strong>Jordanien</strong> gehörte. Nach der<br />

Besetzung Ostjerusalems durch Israel<br />

verlor das Museum die gesamte<br />

Sammlung in dieser Zweigstelle, darunter<br />

einige der wertvollen Schriftrollen vom<br />

Toten Meer, die Qumran-Rollen, darunter<br />

war auch die einzige Kupferrolle. Weitere<br />

Schriftrollen sind inzwischen im neuen<br />

Jordanischen Museum von Amman<br />

ausgestellt im modernen Viertel Ras al-<br />

‘Ayn. Heute zeigt das Museum auf dem<br />

Zitadellenhügel vorwiegend F<strong>und</strong>e von der Jungsteinzeit bis in die die byzantinische Zeit.<br />

Außerordentlich sind in diesem Museum verschiedene archaische Statuen von einer F<strong>und</strong>stelle<br />

namens Ain Ghazal. Sie waren eine Sensation, es sind die ältesten Zeugen menschlichen Lebens in<br />

der Region. Mehrere Statuen gefertigt aus einem Gemisch von gebranntem Kalk <strong>und</strong> Lehm wurden<br />

nahe Ain Ghazal, durch Zufall ganz in der Nähe von Amman beim Bau einer Autobahn entdeckt.<br />

Dort fand man fand die Überreste einer früh-neolithischen Siedlung die zwischen 7.000 <strong>und</strong> 5.000<br />

v. Chr. 2000 Jahre lang bewohnt war. Manche Statuen sind fast menschengroß, besonders<br />

interessant sind die paarweise gefertigten, die einen gemeinsamen Torso haben. Die einzelnen<br />

Stücke wurden so gut es ging zusammengeführt, ergänzt <strong>und</strong> restauriert. Es wird angenommen<br />

dass die Statuen dem Ahnenkult dienten. Ihre Augen sind zwar geschlossen, die Konturen der<br />

Augen, der Pupillen <strong>und</strong> zuweilen auch die Lippen waren mit Erdpech 23 gezeichnet. Hierdurch<br />

erhalten die Gesichter eine besondere Eindringlichkeit, sie wirken merkwürdig intensiv <strong>und</strong> ich<br />

glaube niemand bleibt davon unberührt.<br />

20 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Amman_BW_10.JPG, upload 13.03.2012, author & user Berthold Werner.<br />

Dead Sea Scroll 4Q175|1=<strong>Jordanien</strong>, Amman, Schriftrolle vom Toten Meer 4Q175. GNU Free Documentation License,<br />

Version 1.2 or any later version<br />

21 Ebenfalls auf dem Hügel der Zitadelle<br />

22 Mathaf al-Ātār al-Urdunnī<br />

23 Bitumen<br />

13


Statuen von Ain Ghazal<br />

Archäologisches Museum Amman, Zitadellenhügel<br />

14


Oben: Ausschnitt von einer Statue aus Ain Ghazal<br />

Unten: Sarkophage aus Ton (Eisenzeit)<br />

15


Ein weiteres F<strong>und</strong>stück auf jordanischer Erde ist ebenso außerordentlich wie die Statuen von Ain<br />

Ghazal: die Mescha-Stele 24 , ein Gedenkstein aus Basalt mit einer Inschrift in moabitischer Sprache.<br />

Der Stein ist das älteste erhaltene Zeugnis einer Sprache die mit dem Hebräischen verwandt ist. Die<br />

Inschrift stammt aus der Zeit von König Mescha (850 B.C.), König der Moabiter, der darin der<br />

Befreiung seines Volkes aus der Abhängigkeit <strong>und</strong> Vasallenpflicht von König Ahab 25 des Nordreichs<br />

Israel gedenkt <strong>und</strong> Kemosch, dem Hauptgott seines Reiches für dessen Hilfe hierfür dankt. Der Text<br />

ist lang, König Mescha schildert darin wie er das Nordreich Israel <strong>und</strong> König Ahab besiegte 26 . Die<br />

Basalt-Stele wurde 1868 von dem elsässischen Missionar Frederick Augustus Klein in der<br />

wüstenähnlichen Gegend Dibon (auch Dhiban), östlich vom Toten Meer entdeckt.<br />

Links: Die Mescha-Stele (Basalt) mit den Originalbruchstücken, Louvre Museum<br />

Paris. Sie wurden originalgetreu zusammengesetzt <strong>und</strong> fehlende <strong>Teil</strong>e ergänzt. 27 .<br />

Rechts: Gipsabdruck der Stele, Orientalisches Institut, Chicago 28<br />

24 auch Moabiterstein oder Meshastein genannt.<br />

25 war von etwa 871 bis 852 B.C. König des Nordreichs Israel.<br />

26 Der ganze Text unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Mescha-Stele (s. Auszug nächste Seite)<br />

27 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:P1120870_Louvre_st%C3%A8le_de_M%C3%A9sha_AO5066_rwk.JPG.<br />

Upload by user Mbzt, 15.10.2012. Titel: “Stèle de Mésha, roi de Moab, commémorant sa victoire sur les rois d’Israël de<br />

la dynastie d’Omri“. GNU Free Documentation License, Version 1.2 or any later version. Die fehlenden <strong>Teil</strong>e wurden von<br />

der Stiftung Palestine Exploration F<strong>und</strong> <strong>und</strong> der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (legs prof. Schlottmann) für<br />

die Wiederherstellung gefertigt.<br />

28 Foto: user Daderot, 22.08.2014, upload 30.06.2015, Creative Commons CC0 1.0 Universal Public Domain Dedication.<br />

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Mesha_Stele_%28Moabite_Stone%29,_plaster_replica_of_the_basalt_origin<br />

al_in_the_Louvre,_Dhiban,_Jordan,_Iron_Age_IIB,_c._830_BC_-_Oriental_Institute_Museum,_University_of_Chicago_-<br />

_DSC07740.JPG<br />

16


Da der Missionar ihn nicht gleich mitnehmen konnte ließ er den Gedenkstein in der Obhut von<br />

Beduinen die ihn aber teilweise zerstörten. Als er wiederkam fand er nur noch Bruchstücke vor.<br />

Heute steht das Original im Louvre-Museum, Kopien davon gibt es im Britischen Museum in London,<br />

im Orientalischen Institut, Chicago <strong>und</strong> im Archäologischen Museum Amman auf dem Hügel der<br />

Zitadelle.<br />

Die Inschrift beginnt mit: „Ich bin Mescha, Sohn des Kemosch […], König von Moab, der Diboniter.<br />

Mein Vater war König über Moab dreißig Jahre, <strong>und</strong> ich herrschte nach meinem Vater. Und ich<br />

machte dieses Höhenheiligtum für Kemosch in Qarchoh (Anmerk. vermutlich ein <strong>Teil</strong> von Dibon), ich<br />

baute sie als Zeichen der Rettung, denn er rettete mich vor allen Angreifern <strong>und</strong> ließ mich<br />

triumphieren über alle meine Gegner...“<br />

„Omri war König über Israel <strong>und</strong> bedrängte Moab viele Tage denn Kemosch zürnte seinem Land.<br />

Und es folgte ihm sein Sohn. Und auch er sprach: „Ich will Moab bedrängen.“ In meinen Tagen<br />

sprach er (so). Aber ich triumphierte über ihn <strong>und</strong> über sein Haus. Und Israel ist sicher für immer zu<br />

Gr<strong>und</strong>e gegangen (…). Und ich baute Baal-Meon 29 <strong>und</strong> machte die Zisterne darin <strong>und</strong> ich baute<br />

Qirjatan 30 (…)“.<br />

„Und die Leute von Gad wohnten im Lande Atarot von jeher. Und der König von Israel hat für sich<br />

Atarot gebaut. Ich griff die Stadt an <strong>und</strong> nahm sie ein. Und ich tötete alles Volk (?) der Stadt als<br />

Opfer für Kemosch <strong>und</strong> für Moab. Und ich brachte von dort den Altar ihres (Gottes) Dod (=<br />

Geliebter) <strong>und</strong> schleppte ihn vor Kemosch in Qerjot. Und ich ließ dort die Leute von Scharon <strong>und</strong> die<br />

Leute von Maharot wohnen. Und Kemosch sprach zu mir: Geh, nimm Nebo (im Kampf) gegen<br />

Israel.“<br />

„Und ich zog bei Nacht los <strong>und</strong> kämpfte gegen es vom Anbruch der Morgenröte bis Mittag. Und ich<br />

nahm es ein <strong>und</strong> tötete alle: siebentausend Männer <strong>und</strong> Sklaven <strong>und</strong> Frauen <strong>und</strong> Sklavinnen <strong>und</strong><br />

Dirnen, denn ich hatte es dem Kemosch geweiht. Und ich nahm von dort die (Kult-)Geräte JHWHs<br />

<strong>und</strong> schleppte sie vor Kemosch. Und der König von Israel hatte Jahaz gebaut <strong>und</strong> lagerte darin<br />

während seines Feldzuges gegen mich. Da vertrieb ihn Kemosch vor mir.“<br />

„Und ich nahm aus Moab zweih<strong>und</strong>ert Mann, alle seine Anführer. Und ich brachte sie nach Jahaz<br />

<strong>und</strong> nahm es ein, um es Dibon anzugliedern. Ich baute Qarhoh, die Mauern, die Mauern des Parks<br />

<strong>und</strong> die Mauern der Zitadelle. Und ich baute seine Tore <strong>und</strong> ich baute seine Türme <strong>und</strong> ich baute den<br />

Palast des Königs <strong>und</strong> ich machte die Dämme des Becken[s für die Quellen] inmitten der Stadt. Aber<br />

eine Zisterne gab es nicht inmitten der Stadt, in Qarhoh.“<br />

„Da sagte ich zu allem Volk: Macht euch jeder eine Zisterne in seinem Haus. Und ich habe die<br />

Gruben hauen lassen für Qarhoh durch Gefangene Israels. Ich habe Aroër gebaut <strong>und</strong> machte die<br />

Straße am Arnon. Ich habe Bet-Bamot gebaut, denn es war eine Ruine. Ich habe Beser gebaut, denn<br />

es war in Trümmern, mit fünfzig Mann aus Dibon, denn ganz Dibon sind meine Untertanen. Ich<br />

regierte über H<strong>und</strong>ert in den Städten, die ich dem Land angegliedert habe.“<br />

„Und ich baute [Mede]ba <strong>und</strong> Bet-Diblatan <strong>und</strong> Bet-Baal-Meon <strong>und</strong> trug dort davon […] Kleinvieh<br />

des Landes(…). 31<br />

Ψ<br />

29 Baal-Meon ist ein biblischer Name (Genesis) <strong>und</strong> war die Stadt des Reuben (auch: Rubem), dem ältesten Sohn Jakobs<br />

<strong>und</strong> seiner Frau Leah. Heute ist es wahrscheinlich die Stadt Ma’in in Israel<br />

30 Kirjathajim, heute Chirbet el-Qureye, 5 km nordwestlich von Dibon<br />

31 aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Mescha-Stele Nicht kursiv geschriebene (Orts-)Namen können unter dem Link<br />

nachgeschlagen werden.<br />

17


Und endlich … ein Hinweis auf Luxus <strong>und</strong> orientalische Sinnesfreuden<br />

…<br />

Das Gipsmodell im Archäologischen Museum Amman ist eine detailgetreue Replique<br />

eines kunstvollen Kuppelzentrums aus Stuck im Hisham bin Abdel-Malik Palast,<br />

Khirbat al-Mafdschar, in der Nähe von Jericho. In der Mitte sind 3 Frauen- <strong>und</strong> 3<br />

Männerköpfe abgebildet. Mehr dazu auf den nächsten Seiten.<br />

18


Ein Wüstenschloss der syrischen Omaijaden: Khirbat al-Mafdschar<br />

Jetzt kommen wir endlich zum Untertitel dieses <strong>Teil</strong>s meiner Suche nach Al-Andalus <strong>und</strong> zur<br />

Antwort auf meine letzte beiden Fragen: „In welchem Land würde ich Spuren finden von der<br />

Lebensfreude der syrischen Omaijaden? Mit den maurischen Kalifen dieser Dynastie erreichte auch das<br />

sinnlich-orientalische Raffinement in al-Andalus einen Höhepunkt im 10. Jh. Neben den Staatsgeschäften<br />

gaben sie sich gern dem Genuss von allem hin was das Leben nur bieten konnte, <strong>und</strong> … gab es immer<br />

schon ein Bilderverbot im Islam?“<br />

©Copyright statement: This is part of a cooperation project between Birzeit University in<br />

Palestine and the Norwegian University of Life Sciences (2009-2011). Project f<strong>und</strong>ed by<br />

QIF/World Bank. Project team: Ramzi HASSAN, Shadi GHADBAN, Omar ABOUDI, Yousif<br />

KHATEEB, Hamed S<strong>AL</strong>EM, Nour SHARKASI 32<br />

Ich muss vorausschicken dass ich diese archäologische F<strong>und</strong>stätte im Jahr 2012 nicht besuchen<br />

konnte <strong>–</strong> sie liegt in der Nähe von Jericho in den Palästinensischen Autonomiegebieten, vier<br />

Kilometer entfernt von der ostjordanischen Grenze. Die Überreste des Palasts <strong>und</strong> die von dort<br />

stammenden F<strong>und</strong>stücke gehören mit zur bedeutendsten Hinterlassenschaft der syrischen<br />

Omaijaden wie auch Qasr al-Hayr al-Sharqi oder Qusair ‘Amra 33 . Letzteres konnte bei dieser Reise<br />

im Jahr 2012 besuchen <strong>und</strong> dort auch fotografieren. Aber selbst ohne Khirbat al-Mafdschar gesehen<br />

zu haben bieten archäologische Studien <strong>und</strong> einige Überlieferungen über das Hofleben der<br />

syrischen Omaijaden ausreichend Stoff für die Interpretation eines exquisiten Lebensstils <strong>und</strong> ihres<br />

Bestrebens sich an allen sinnlichen Wahrnehmungen zu erfreuen. Dahingehend gibt es große<br />

Übereinstimmungen mit Überlieferungen von den spanischen Omaijaden im 10. Jh.<br />

Wie auch im Fall des maurischen Spaniens können archäologische Literatur über das Bauwerk an<br />

sich <strong>und</strong> überlieferte Chroniken über das Hofleben <strong>und</strong> seinen Bauherrn beide zu neuem Leben<br />

erwecken. Sehr hilfreich für die Vorstellungskraft ist eine w<strong>und</strong>erbare, mit sanften Klängen<br />

untermalte 3D-Video-Rekonstruktion von Khirbat al-Mafdschar <strong>–</strong> zu finden unter:<br />

https://www.youtube.com/watch?v=caZTi-ULFLs&feature=youtu.be<br />

32 Bild: Ausschnitt aus der 3D-Video Rekonstruktion <strong>–</strong> unter : https://www.youtube.com/watch?v=caZTi-<br />

ULFLs&feature=youtu.be<br />

33 Qusair = kleiner Palast. Qasr al-Hayr al-Sharqi, erbaut 729 unter Kalif Hisham, liegt in der syrischen Wüste, ca. 120 km<br />

von Palmyra <strong>und</strong> 120 km von den Ruinen der alten Stadt Rusafa entfernt. Das Wüstenschloss wurde von den<br />

Umayyadenkalifen in Damaskus als Sommerresidenz genutzt. Es liegt in der jordanischen Wüste, ca. 40 km vor der<br />

saudi-arabischen Grenze.<br />

19


Modell des Hamam 34 , Hisham-Palast (bei<br />

Jericho 35 )<br />

Die Überreste der Wüstenschlösser der<br />

Omaijaden wie Khirbat al-Mafdschar<br />

oder Qusair ‘Amra 36 , zeugen auch vom<br />

Selbstverständnis<br />

einer<br />

Herrscherdynastie die ein Großreich<br />

geschaffen hatte. Sie zeichnen ein Bild<br />

das nicht nur politische Macht<br />

wiedergibt, sie zeigen auch die Freude<br />

an exquisiter Lebensart im weitesten<br />

Sinn <strong>und</strong> die Freude an orientalischer<br />

Opulenz. Das Selbstverständnis der<br />

syrischen Omaijaden war auch<br />

charakteristisch für den maurischen<br />

Zweig der Dynastie. Als erstes Kalifat<br />

nach dem Propheten verstanden sich die syrischen Herrscher als seine rechtmäßigen Nachfolger.<br />

Das war jedoch kein Gr<strong>und</strong> sich nicht mit Luxus <strong>und</strong> Schönheit in all ihren Erscheinungsformen zu<br />

umgeben <strong>und</strong> alle Freuden die das Leben nur bieten konnte, ausgiebig zu genießen. Die<br />

überlieferten Chroniken aus al-Andalus bieten hierfür eine Fülle von Details. Derart ausführliche<br />

Berichte sind für die syrischen Omaijaden rar aber es gibt sie, wie wir in der Folge sehen werden.<br />

Khirbat al-Mafdschar wurde in der Regierungszeit von Kalif Hisham ibn Abd al-Malik 37 gebaut <strong>und</strong><br />

wird daher Hisham-Palast genannt obwohl sein Thronfolger Prinz Walid bin Yazid als eigentlicher<br />

Bauherr gilt <strong>und</strong> als Kalif Walid II. nur 2 Jahre regierte, von 743-744.<br />

Mit einer Gesamtfläche von r<strong>und</strong> 500 m2 gehört die Palastanlage mit zu den größten der syrischen<br />

Omaijaden. Anliegende Gebäude <strong>und</strong> weitläufige Bewässerungsanlagen zeugen zudem von einem<br />

großen, landwirtschaftlichen Betrieb. Die Mosaiken, Stuckverzierungen <strong>und</strong> Skulpturen des Hisham-<br />

Palasts werden zu den hochwertigsten Kunsthandwerksarbeiten ihrer Zeit gezählt. Mit Hilfe der<br />

UNESCO konnte eine Gruppe palästinensisch-italienischer Archäologen umfangreiche Ausgrabungen<br />

<strong>und</strong> Restaurierungen durchführen, sodass heute selbst die Ruinen des Palasts noch<br />

beeindrucken. Schon an der Palastfassade geben teilweise noch erhaltene Fresken <strong>und</strong> einzelne<br />

Stuckverzierungen Anlass zu Bew<strong>und</strong>erung ebenso wie erhaltene <strong>und</strong> restaurierte <strong>Teil</strong>e von<br />

geometrischen Mosaikteppichen im Inneren der Anlage. Inzwischen wird angenommen dass die<br />

Palastanlage auch nach den Omaijaden von den Abbasiden <strong>und</strong> wahrscheinlich sogar bis in die Zeit<br />

der Ayyubiden 38 genutzt wurde. Besondere Aufmerksamkeit widmen alle Archäologen dem<br />

Hamam, das Badehaus des Palasts, der ungewöhnlich großzügig <strong>und</strong> prächtig gestaltet war <strong>und</strong><br />

offenbar auch für offizielle Anlässe wie Audienzen genutzt wurde. Die Eingangshalle wurde von<br />

einer großen Kuppel gekrönt <strong>und</strong> war ungewöhnlich reich ausgestattet: das Dach ruhte auf 16<br />

Säulen, der Boden war mit einem geometrisch gemusterten Mosaikteppich belegt, die Wände mit<br />

Stuckmotiven oder Fresken von Tieren <strong>und</strong> Pflanzen verziert.<br />

34 orientalisches Bad<br />

35 Bathhouse model, Hisham's Palace on a rainy day, Jericho, by Deror Avi upload Dec. 2012, Wikimedia Commons,<br />

GNU-Lizenz für freie Dokumentation.<br />

36 Qusair al-‘Amra wird nachfolgend ausführlich beschrieben <strong>und</strong> mit eigenem Bildmaterial unterlegt.<br />

37 Kalif Hisham ibn Abd al-Malik regierte von 724-743<br />

38<br />

12. bis 13. Jh. Der bekannteste Herrscher der Dynastie war Sultan Saladin.<br />

20


Rechts: Tänzerin aus der Empfangshalle des Hamam von Khirbat al-<br />

Mafdschar. Heute im Rockefeller Museum, Jerusalem 39 . Unten:<br />

Plan des Hamam (nach R.W. Hamilton 40 von Prof. Doris Behrens-<br />

Abouseif 41 )<br />

In der Empfangshalle wurden Statuen von Athleten, von<br />

Tänzerinnen mit entblößten Brüsten <strong>und</strong> Überreste einer Skulptur<br />

Walids II. gef<strong>und</strong>en die auf zwei Löwen stand. Während das<br />

Badehaus selbst alle bekannten Elemente eines orientalischen<br />

Hamam aufweist, ist die Bestimmung eines kleinen Diwans 42 darin<br />

bis heute nicht eindeutig geklärt. Das Bodenmosaik am Eingang<br />

des Raums <strong>und</strong> auf den Bänken weist ein geometrisches Muster<br />

auf, das Halbr<strong>und</strong> ist durch eine Stufe leicht erhöht <strong>und</strong> als<br />

einziges im ganzen Palast mit einer figürlichen Darstellung<br />

mosaiziert.<br />

Blick auf das Séparée 43<br />

39 Tänzerin:. Hisham's Palace (Khirbat al Mafjar) remains at the Rockefeller Museum, Jerusalem by Deror_Avi, upload<br />

08.11. 2013, Wikimedia Commons, GNU-Lizenz für freie Dokumentationen<br />

40 R. W. Hamilton, Khirbat al-Mafjar: an Arabian Mansion in Jordan Valley (Oxford, 1959)<br />

41 Doris Behrens-Abouseif in: The Lion-Gazelle Mosaic at Khirbat al-Mafjar, S. 11-18, Universität München (Deutschland)<br />

https://eprints.soas.ac.uk/388/1/Lion-Gazelle_mosaic.pdf , S. 19<br />

42 (arab.) Als Diwan/Iwan wird auch ein überkuppeltes oder mit einem Tonnengewölbe überdecktes Halbr<strong>und</strong><br />

bezeichnet das an einer Seite offen ist oder eine offene, überdachte Vorhalle.<br />

43 The Diwan, Hisham's Palace on a rainy day, Jericho, by Deror_Avi, upload 09.12.2012, Wikimedia Commons, GNU-<br />

Lizenz für freie Dokumentationen.<br />

21


Das Löwe-Gazellen-Mosaik im Hamam im<br />

Hisham-Palast 44<br />

Der Diwan wurde von der<br />

Empfangshalle des Hamam aus<br />

betreten, die eher reduzierten Maße<br />

deuten auf einen privaten Raum hin.<br />

Das Mosaikbild auf dem leicht<br />

erhöhten Halbr<strong>und</strong> des Iwans ist das<br />

einzige im Palast mit figürlichen<br />

Abbildungen: Es stellt einen Baum mit<br />

Früchten, drei Gazellen <strong>und</strong> einem<br />

Löwen dar. Das Motiv ist so exakt mit<br />

winzigen Mosaiksteinchen gelegt, die<br />

Bordüren an den Rändern sind so<br />

plastisch herausgearbeitet, dass der<br />

Eindruck eines Teppichs entsteht. Zusammen mit dem vorher erwähnten Kuppelzentrum aus Stuck<br />

gilt das Mosaik als besonders wertvolles Erbe aus der syrischen Omaijadenzeit. Das Badehaus war<br />

eine opulent ausgestatteten Wohlfühloase für den Bauherrn, ein Ort der alle sinnlichen<br />

Wahrnehmungen anregte <strong>und</strong> bei den Gästen des Kalifen gewiss eine nachhaltige Erinnerung<br />

hinterließ.<br />

Fassade im Innenhof der Omaijadenmoschee,<br />

Damaskus (Sept. 2010)<br />

Die Art der Darstellung des Gazellenmosaiks<br />

erinnert mich sehr an die<br />

Mosaikfassade im Innenhof der<br />

Omaijadenmoschee in Damaskus.<br />

Auch hier überwiegt das Pflanzenmotiv,<br />

erneut eine Interpretation des<br />

Lebensbaums.<br />

Beide Kunstwerke weisen auf einen<br />

byzantinischen Einfluss hin. Wenn<br />

auch die politischen Beziehungen<br />

zwischen Byzantinern <strong>und</strong> Omaijaden<br />

immer wieder von Eroberungs- <strong>und</strong><br />

Abwehrkämpfen geprägt waren,<br />

wussten die arabischen Kalifen die<br />

byzantinische Freskenmalerei <strong>und</strong><br />

Mosaikkunst sehr wohl zu schätzen.<br />

Und dies nicht nur im Orient: An der<br />

herrlichen, mosaikverzierten Front der Gebetsnische der Moschee<strong>–</strong>Kathedrale in Cordoba die von<br />

spanischen Omayadenkalifen errichtet wurde, waren ebenfalls byzantinische Kunsthandwerker<br />

beteiligt.<br />

44 Quelle: The Yorck Project: 10.000 Meisterwerke der Malerei. DVD-ROM, 2002. ISBN 3936122202. Distributed by<br />

DIRECTMEDIA Publishing GmbH. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Arabischer_Mosaizist_um_735_001.jpg<br />

File Upload Bot (Eloquence), upload 19.05 2005, Title: Bodenmosaik des Audienzzimmers im Badehaus von Khirbat al-<br />

Mafdschar, <strong>Jordanien</strong>, Szene: Apfelbaum mit Gazellen <strong>und</strong> Löwe, Bodenmosaik. GNU-Lizenz für freie Dokumentationen<br />

22


„Der König <strong>und</strong> seine Hofleute“. Frontispiz von einer<br />

Ausgabe des Manuskripts des Kitāb al-Aghānī (Buch der<br />

Lieder) von Abu al-Faradsch al-Isfahani 45<br />

Es gibt zwar viele archäologische Studien über den Palast<br />

<strong>–</strong> die meisten sind sachlicher Natur <strong>und</strong> beschränken sich<br />

auf Fakten 46 . Es gibt eine Fülle von Berichten über das<br />

Hofleben der spanischen Omaijaden aber spärlich sind<br />

ähnliche Schilderungen über die syrische Dynastie. Der<br />

Kitab al-Aghani (das Buch der Lieder) aus dem Jahr 960<br />

von Abu al-Faradsch al-Isfahani 47 liefert hierzu offenbar<br />

die meisten Informationen. Abu al-Faradsch war ein<br />

arabischer Historiker, Literat <strong>und</strong> Poet. Er wirft etwas<br />

Licht auf den Menschen Walid II. der als Kalif nur zwei<br />

Jahre regierte. Orientalische Chronisten sind w<strong>und</strong>erbare<br />

Erzähler, sie verweben Fakten mit Geschichten <strong>und</strong><br />

schmücken geschichtliche Abläufe mit romantischen,<br />

dramatischen, kuriosen oder amüsanten Geschehnissen<br />

über das Leben der Menschen die ihre Zeit gestaltet haben, aus. Damit werden geschichtliche<br />

Abläufe kurzweilig <strong>und</strong> historische Bauwerke <strong>und</strong> Persönlichkeiten erwachen zu neuem Leben. Und<br />

so ist auch das Buch der Lieder des Abu al-Faradsch nicht nur eine Sammlung von Liedern aus<br />

Arabien <strong>und</strong> Persien vom 7. bis ins 10. Jh., es enthält ebenfalls eine Fülle von Einzelheiten über die<br />

alten, arabischen Stämme <strong>und</strong> gibt einen historischen Überblick beginnend mit der vorislamischen<br />

Zivilisation bis in seine Zeit. Angesichts seines Geburts- <strong>und</strong> Todesjahres hat Abu al-Faradsch al-<br />

Isfahani die Blütezeit der Omaijaden nicht selbst erlebt, er hat sich also der orientalischen Tradition<br />

der schriftlichen <strong>und</strong> mündlichen Überlieferungen bedient. Insgesamt arbeitete Abu al-Faradsch 50<br />

Jahre seines Lebens an dem umfangreichen Werk. Die erste gedruckte Ausgabe erschien 1868 <strong>und</strong><br />

umfasst 20 Bände. 48 .<br />

Als große Hilfe bei der Vorstellung über den Menschen Walid ibn Yazid, der als Kalif Walid II. nur<br />

von 743 bis 744 regierte <strong>und</strong> in der Regierungszeit seines Onkels Kalif Hisham den Bau des Hisham-<br />

Palasts wahrscheinlich konzipiert <strong>und</strong> überwacht hat, erwies sich eine Studie von Frau Prof. Dr.<br />

Doris Behrens-Abouseif über das Löwe-Gazellen-Mosaik, darin geht sie auch auf die Person des<br />

Kalifen ein 49 <strong>und</strong> gibt dem Archäologen Robert Hamilton (Oxford, 1959) Raum, einer der<br />

Wissenschaftler die das Wüstenschloss schon früh erforscht haben. Er erk<strong>und</strong>ete die Ruinen unter<br />

dem Einfluss der Berichte über die syrischen Omaijaden des Abu al-Faradsch <strong>und</strong> war von dessen<br />

Schilderungen über die Dynastie als solche <strong>und</strong> über den Menschen Walid II. fasziniert.<br />

45 Bildtitel: King and his court. Arab painting is the frontispice of a manuscript of Kitāb al-Aghānī (Book of Songs) of Abu<br />

al-Faraj al-Isfahani. It may be a representation of Badr al-Din Lu'lu', between circa 1218 and circa 1219 AD. Istanbul,<br />

Bibliothèque nationale (Millet Kütüphanesi), madrasa Feyzullah Efendi, 1566, fol. 1 r. Source/Photographer:<br />

Ettinghausen, Richard (1977) Arab Painting, Geneva: Skira, p. 65 ISBN: 0847800954. Licensing: This file has been<br />

identified as being free of known restrictions <strong>und</strong>er copyright law, including all related and neighboring rights.<br />

46 Dimitri C. Baramki, der 1933 mit Ausgrabungen begann <strong>und</strong> seine Studie 1944 veröffentlichte, ebenso wie R. W.<br />

Hamilton, 1959, Whitcomb, 1988 oder K.A.C. Creswell, 1969 <strong>und</strong> andere.<br />

47 auch: Abu al-Faraj, geb. 897 in Isfahan - gest. 967 in Bagdad<br />

48 Digitalisat; Das Manuskript kann in arabischer Sprache unter: https://archive.org/details/al-aghani-asfhani gelesen<br />

werden<br />

49 s. Fußnote 40, S. 21<br />

23


Was Hamilton in diesem Werk gelesen hatte inspirierte ihn derart, dass er die Erzählungen teilweise<br />

in sein erstes Werk Khirbat al-Mafdschar, An Arabian Mansion in the Jordan Valley 50 einfließen ließ.<br />

Die Persönlichkeit des Walid nahm ihn so gefangen dass er 1988 noch ein Buch veröffentlichte mit<br />

dem Titel: Walid and his friends: An Umayyad Tragedy. Glücklicherweise kann ich nur sagen, damit<br />

verlieh er der Gestalt des Walid <strong>und</strong> den Ruinen von Khirbat al-Mafdschar neues Leben. Demnach<br />

war Walid II. ein ausgesprochener Genießer aller schönen Dinge die das Leben zu bieten hatte. In<br />

ihrer Studie bezeichnet Frau Behrens-Abouseif ihn mit einem Augenzwinkern als „Playboy“. Und wir<br />

können uns fragen ob der Raum mit dem halbr<strong>und</strong>en Mosaik als Rückzugsort für intime Treffen mit<br />

einer Geliebten oder einer Favoritin gedacht war? Auch die syrischen Omaijaden hatten einen<br />

Harem wie alle orientalischen <strong>und</strong> maurischen Herrscher <strong>–</strong> die Frauen dienten der Zerstreuung <strong>und</strong><br />

Unterhaltung. In diesem Zusammenhang sei kurz daran erinnert dass in der Empfangshalle des<br />

Hamam neben Abbildungen von athletischen, männlichen Körpern auch weibliche Skulpturen mit<br />

entblößtem Oberkörper 51 <strong>und</strong> kunstvollen Frisuren gef<strong>und</strong>en wurden.<br />

Walid reiste viel im Reich umher <strong>und</strong> besuchte abwechselnd seine Paläste; er liebte die Jagd, den<br />

Wein <strong>und</strong> umgab sich gern mit Dichtern, Musikern <strong>und</strong> Tänzerinnen. Alle Prinzen <strong>und</strong> Kalifen der<br />

Omaijaden in Syrien wie später auch im maurischen al-Andalus hatten eine exzellente Erziehung<br />

genossen <strong>und</strong> waren gebildet. Walid war selbst ein begabter Poet <strong>und</strong> hat als solcher die Dichtkunst<br />

seiner Zeit beeinflusst. Er verkleidete sich gern, mochte Späße <strong>und</strong> konnte sich köstlich amüsieren<br />

wenn jemandem ein Streich gespielt wurde.<br />

Das berühmte Bodenmosaik mit dem Löwen <strong>und</strong> den Gazelle interpretiert Frau Behrens-Abouseif in<br />

diesem besonderen Fall anders als in den allseits bekannten Darstellungen aus dem persischen oder<br />

arabischen Raum auf denen ein Löwe im Kampf mit einem Stier abgebildet ist als Symbol für den<br />

Herrscher <strong>und</strong> einen gefährlichen Feind. Demnach wäre das Bild keine Anspielung auf kriegerische<br />

Intentionen oder auf den Instinkt der Nahrungsbeschaffung des Löwen: Hier verkörpert der Löwe<br />

den König, die Macht, <strong>und</strong> die Gazellen sind ein Symbol für liebreizende Mädchen. Dafür spricht<br />

dass die beiden Gazellen auf der linken Seite ruhig weiter Blätter von den Büschen pflücken anstatt<br />

die Flucht zu ergreifen. In der persischen, arabischen <strong>und</strong> auch in der maurischen Poesie wird ein<br />

begehrtes weibliches Geschöpf häufig als „Gazelle“ bezeichnet <strong>und</strong> seine Vorzüge mit denen der<br />

grazilen Tiere zu verglichen.<br />

Saßen Musiker <strong>und</strong> SängerInnen auf den Steinbänken am Anfang des Raums? Gab es vor dem<br />

erhöhten Halbr<strong>und</strong> einen Vorhang der zugezogen werden konnte während Walid sanften oder<br />

anregenden Klängen lauschte die den Raum erfüllten? Hatte sich im Webmuster des Vorhangs das<br />

Löwe-Gazellenmotiv wiederholt? Es ist überliefert dass Kalifen der Omaijaden, Abbasiden <strong>und</strong> der<br />

Fatimiden 52 hinter einem Vorhang verborgen blieben bis sie sich in einem bestimmten Moment den<br />

Anwesenden zeigten <strong>und</strong> dass es Vorhänge gab mit Motiven von Landschaften, Tieren oder<br />

Pflanzen. Bei Berichten über Walid wird auch erwähnt, dass er gern hinter einem Vorhang saß um<br />

Musik <strong>und</strong> Gesang zu lauschen. Hielt er sich dahinter allein auf oder kam es dort zu zärtlichen<br />

Begegnungen mit einer begehrten „Gazelle“? Frau Behrens-Abouseif gibt in ihrer Arbeit einige<br />

Zeilen von Walids Versen wieder, viele seiner Gedichte drehen sich um den Wein <strong>und</strong> die Liebe 53 .<br />

50 erschienen bei: Clarendon Press, Oxford 1959<br />

51 Einige Figuren sind im The Rockefeller Museum, Jerusalem ausgestellt, siehe Bild unter:<br />

http://www.metmuseum.org/exhibitions/listings/2012/byzantium-and-islam/blog/where-in-the-world/posts/khirbatal-mafjar<br />

52 Die Fatimiden herrschten von 909 bis 1171 in Nordafrika (Maghreb) <strong>und</strong> Ägypten <strong>und</strong> eine Zeit lang auch in Syrien<br />

53 Alle nachfolgenden Verszeilen sind der englischen Studie von Frau Behrens-Abouseif entnommen: Doris Behrens-<br />

Abouseif in:The Lion-Gazelle Mosaic at Khirbat al-Mafjar, S. 11-18, Universität München (Deutschland)<br />

https://eprints.soas.ac.uk/388/1/Lion-Gazelle_mosaic.pdf Ref. S. 15-16<br />

24


So schwärmt er von einem Mädchen namens Salma <strong>und</strong><br />

vergleicht ihre Vorzüge mit denen einer Gazelle.<br />

„Salma, meine Geliebte,<br />

ich liebe eine Antilope<br />

Für ihre dunklen Augen <strong>und</strong><br />

makellosen Nacken <strong>und</strong> Hals.“<br />

Bei einer Jagd verfolgte Walid einmal eine Antilope hält<br />

dann aber plötzlich inne als er ihre Augen <strong>und</strong> ihren Hals<br />

sieht die ihn an seine geliebte Salma erinnern:<br />

„Wir fingen eine Antilope <strong>und</strong> hätten sie erlegt,<br />

verheißungsvoll lief sie nach rechts.<br />

Doch dann schauten ihre Augen Uns vorsichtig an <strong>–</strong><br />

Es war das Ebenbild von Eurem Blick!<br />

Wir ließen sie ziehen.<br />

Wäre es nicht um Unserer Liebe<br />

Zu Euch wäre sie gewiss gestorben.<br />

Nun kleine Antilope, bist Du sicher <strong>und</strong> frei.<br />

So spring davon,<br />

sei glücklich mit anderen Antilopen.“<br />

Nicht nur die Gazelle diente als poetischer Vergleich, in der frühen arabischen Poesie wird die<br />

Angebetete auch als Garten oder Paradies beschrieben wie in diesen Zeilen von Walid:<br />

„Salma, Ihr ward ein Paradies <strong>und</strong> seine Früchte<br />

jeglicher Art, waren reif gepflückt zu werden.“<br />

In der maurischen Lyrik gibt es einen reichen Schatz an romantischer <strong>und</strong> erotischer Poesie in der<br />

Mädchen <strong>und</strong> Frauen als Gazellen, als Objekte der Huldigung oder des Begehrens erwähnt werden<br />

wie hier bei al-Mutamid ibn Abbad, Dichterkönig von Sevilla im 11. Jahrh<strong>und</strong>ert, der seiner<br />

Hauptfrau Itimad von einem Feldzug ein Liebesgedicht überbringen lässt:<br />

„(…)Möge Gott die Herrin meines Hauses<br />

mit feinem Regen erfrischen,<br />

so wie sie es tat mit meinem Herzen!<br />

Ihr Hals ist einer Antilope <strong>und</strong><br />

ihre Augen sind Gazellen gleich,<br />

sie duftet wie ein Blumengarten,<br />

biegsam ist ihre Taille, wie eine Weidenrute.“ (…)<br />

Al-Mutamid ibn Abbad,<br />

Dichterkönig von Sevilla (11. Jh.) 54<br />

Ψ<br />

54 Aus: Geschichten aus al-Andalus, Isabel Blanco del Piñal, Verlag RoseNoire Gisela Fischer, München 2006, S. 57<br />

25


Als Kalif war Walid II. bei seinen Untertanen umstritten <strong>–</strong> er regierte nur zwei Jahre, zwei Jahre in<br />

denen er sich oft in seinen Wüstenpalästen zur Zerstreuung <strong>und</strong> zum Jagen aufhielt; darunter war<br />

auch das Jagdschlösschen Qusair ‘Amra zu dem ich nach diesem Abschnitt ausführlich komme.<br />

Auch dort ist der Hamam erhalten geblieben, <strong>und</strong> die Wände waren über <strong>und</strong> über mit Fresken<br />

bedeckt. Die F<strong>und</strong>stätte liegt auf jordanischem Gebiet in einer steppenähnlichen Wüste, nicht weit<br />

von der saudi-arabischen Grenze entfernt.<br />

Bei seinem unbeschwerten Lebenswandel mangelte es Walid II. allerdings an Klugheit <strong>und</strong><br />

Weitsicht die einen Monarchen auszeichnen sollten, die Dynastie verlor während seiner<br />

Regierungszeit gravierend an Ansehen. Seine Herrschaft führte zu erheblichen Spannungen unter<br />

den arabischen Stämmen von denen einige ihm letztendlich die Gefolgschaft verweigerten.<br />

Unruhen erschütterten das Reich, immer wieder flammten Revolten auf. Als er auch noch zwei<br />

seiner unmündigen Söhne die ihm eine Sklavin geboren hatte zu Thronfolgern ernannte, war das<br />

Maß voll <strong>–</strong> mit nur 40 Jahren wurde er 744, nach nur zweijähriger Regierungszeit ermordet.<br />

Das war das Ende der syrischen Omaijaden, ihr Reich zersetzte sich von innen heraus. Gleichzeitig<br />

war es der Beginn einer neuen, aufstrebenden <strong>und</strong> kraftvollen Dynastie: die Abbasiden, die 750<br />

gewaltsam die Herrschaft über das große Reich antraten. Sie töteten fast alle Mitglieder des<br />

Omaijadengeschlechts <strong>und</strong> erkoren Bagdad zur neuen Hauptstadt ihres Reichs. Mehr Details über<br />

das Hofleben der syrischen Omaijaden liefert auch das Kapitel La Dolce Vita in Early Islamic Syria in<br />

Studies in Medieval Islamic Architecture, Tl. 1, von Robert Hillenbrand 55 interessant.<br />

Ψ<br />

Bei der Machtübernahme durch die Abbasiden war fast die ganze Omaijadendynastie ausgelöscht<br />

worden. Nur Prinz, Abd al-Rahman ibn Mu'awiya konnte dem Massaker entkommen <strong>und</strong> erreichte<br />

nach mehrjähriger Flucht durch Nordafrika über Marokko die Iberische Halbinsel. Als Emir Abd al-<br />

Rahman I. herrschte er von 756<strong>–</strong>788 über das maurische Spanien. Er gab dem Emirat von Cordoba<br />

eine organisatorische <strong>und</strong> politische Struktur <strong>und</strong> zeichnete sich durch Kunstverstand <strong>und</strong> eine rege<br />

Bautätigkeit aus. Unter anderem ließ er den ersten <strong>Teil</strong>abschnitt der Moschee von Cordoba<br />

errichten, die heute als Moschee-Kathedrale ein einmaliges europäisches Kulturerbe darstellt. Er<br />

schuf das F<strong>und</strong>ament für die maurische Hochkultur in Spanien.<br />

Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, <strong>und</strong> weil ich nicht nur Spanien sondern auch das<br />

Königreich Marokko als Hüter des maurischen Erbes betrachte, dass nach einer Revolte im Jahr 786<br />

gegen die neue Dynastie der Abbasiden noch ein Flüchtling seine syrische Heimat verlassen musste:<br />

Idris ibn Abdallah aus dem Stamm der Aliden. Nach einer abenteuerlichen Flucht durch Nordafrika<br />

kam er in Marokko an. Er blieb in dem Land <strong>und</strong> verbreitete den Islam unter den Berbern. Sie<br />

betrachteten ihn im Lauf der Zeit als so rechtschaffen dass sie ihn zum Imam ernannten. Im Jahr<br />

789 wurde der ehemalige Flüchtling als Idris I. 56 von nordmarokkanischen Berberstämmen zum<br />

Herrscher ausgerufen. Er starb im Jahr 791, sein Sohn übernahm als Idris II. den Thron. In Marokko<br />

ist die maurische Kultur im Lauf vieler Jahrh<strong>und</strong>erte in die eigene eingeflossen, sie lebt weiter in<br />

Bauwerken, im Brauchtum <strong>und</strong> der Musik des Königreichs.<br />

55 In: La Dolce Vita in Early Islamic Syria: The Evidence of Later Umayyad Palaces Hillenbrand, Robert. (2001) <strong>–</strong> Studies in<br />

medieval Islamic architecture Tl. 1, S. 58-113.<br />

REGESTA IMPERII, Akademie der Wissenschaften <strong>und</strong> der Literatur, Mainz. http://opac.regestaimperii.de/lang_de/anzeige.php?buchbeitrag=La+Dolce+Vita+in+Early+Islamic+Syria%3A+The+Evidence+of+Later+Uma<br />

yyad+Palaces&pk=1012385<br />

56 Idris I. liegt in der nordmarokkanischen Ortschaft Moulay Idris begraben. Die Moschee über seinem Grab ist der<br />

heiligste Wallfahrtsort Marokkos. Bis weit in das 20. Jh. hinein war das Betreten nicht nur der Moschee, auch des<br />

ganzen Orts Nicht-Muslimen untersagt.<br />

26


Bevor wir zum letzten Kapitel über die syrischen Omaijaden übergehen möchte ich die überlieferte<br />

Beschreibung eines luxuriösen <strong>und</strong> privaten orientalischen Hamam in Bagdad einfügen. Wir können<br />

den Wert der zahlreichen Handschriften die die Neuzeit erreichten gar nicht hoch genug<br />

einschätzen <strong>–</strong> die arabischen Chronisten, Lobredner, Poeten <strong>und</strong> Reisende waren wie Reporter<br />

ihrer Zeit. Ihr literarisches Erbe war <strong>und</strong> ist weiterhin eine wertvolle Gr<strong>und</strong>lage für Arabisten <strong>und</strong><br />

Archäologen. Sie hielten minutiös alles fest was im Reich passierte, gaben jedes Detail aus dem Hof<strong>und</strong><br />

Gesellschaftsleben wieder, schilderten politische Verwicklungen <strong>und</strong> kriegerische Auseinandersetzungen<br />

<strong>und</strong> genauso wie in den Klatschkolumnen von heute wurde auch damals ausführlich über<br />

das Privatleben maßgeblicher Persönlichkeiten berichtet. Auch Bauwerke <strong>und</strong> Anlagen wurden mit<br />

einer solchen Überfülle von Details beschrieben dass wir Paläste, Moscheen, Gärten <strong>und</strong>, wie<br />

nachfolgend auch einen Hamam, dank der Schilderungen tatsächlich zu sehen vermeinen.<br />

Die begeisterte Beschreibung des Besuchers eines luxuriösen Bades nimmt uns gefangen <strong>–</strong> sie ist<br />

meiner Übersetzung des Buchs „Rosen der Wüste <strong>–</strong> Die Architektur in der arabischen Literatur“ von<br />

Prof. María Jesús Rubiera 57 entnommen. Ihr Kapitel „Bäder“ beginnt so:<br />

„Öffentliche Bäder waren eine weit verbreitete Einrichtung in der arabischmuslimischen<br />

Zivilisation, die sie von der griechisch-römischen Kultur übernommen<br />

hatte. Für wenig Geld konnte man hier alle Lust genießen, die Wasserdampf <strong>und</strong><br />

Schwimmbecken zu geben vermögen. In Luxusbädern oder in den privaten Bädern die<br />

in den Palästen gebaut wurden, konnte man außerdem den Anblick von schönen<br />

Gemälden, Skulpturen oder eine besonders erlesene Architektur bew<strong>und</strong>ern wie wir sie<br />

noch im Omaijadenpalast Qusair Amra 58 sehen können. Häufig waren die Bäder Häuser<br />

der Lust im wahrsten Sinne des Wortes, wo man sowohl mit Männern als auch mit<br />

Frauen schlafen konnte“. [Anm: Es folgt der Originaltext mit der Beschreibung eines<br />

Hamam in Bagdad aus dem 13. Jh.]:<br />

„„Badr al-Din al-Hasan ibn Zafir al-Irbili, der Heilkünstler, erzählt Folgendes:<br />

In Bagdad, im Haus des Fürsten Scharaf al-Din Harun 59 , Sohn des Wesirs Schams al-Din<br />

Muhammad al-Dschawini 60 , sah ich ein Bad von vollendeter Ausführung <strong>und</strong><br />

w<strong>und</strong>erbar in seinen Formen, sehr hell <strong>und</strong> umgeben von Blumen <strong>und</strong> Bäumen. Ich<br />

durfte es mit einer Empfehlung von Baha al-Din ibn al-Fachr Isa al-Irbili besuchen. Der<br />

Aufseher der Bäder war ein alter <strong>und</strong> würdiger abessinischer Diener der mich während<br />

meines Besuchs begleitete.<br />

Ich sah die Wasserbecken, die Fenstergitter, die Wasserrohre aus Silber, einige davon<br />

waren vergoldet. Manche hatten Wasserhähne die aussahen wie Vögel, <strong>und</strong> wenn das<br />

Wasser aus ihnen lief, machte es ein angenehmes Geräusch. Es gab schön geformte<br />

Marmorbecken die das [verbrauchte] Wasser aufnahmen das dann in ein Becken im<br />

Garten abfloss.<br />

57 Lehrstuhl für Arabistik <strong>und</strong> Islamk<strong>und</strong>e an der Universität Alicante <strong>und</strong> sehr bekannte Autorin. Ihr großer Erfolg La<br />

arquitectura en la literatura Árabe wurde von mir übersetzt. Titel: Rosen der Wüste <strong>–</strong> die Architektur in der arabischen<br />

Literatur. Verlag RoseNoire Gisela Fischer, München, 2001<br />

58 Nachfolgend berichte ich ausführlich über das Jagdschlösschen Qusair Amra<br />

59 Auch: Sharaf al-Din Harun Juvayni<br />

60 Auch: Shams al-Din Muhammad Juvayni, war von 1263 bis 1285 ein hochgestellter Wesir <strong>und</strong> Finanzminister unter<br />

drei mongolischen <strong>Teil</strong>fürsten (Ilchane/Ilkhane) die 1256<strong>–</strong>1335 über ein großes Reich herrschten das sich zeitweise über<br />

ganz Persien, Mesopotamien <strong>und</strong> große <strong>Teil</strong>e Zentralasiens <strong>und</strong> Anatoliens erstreckte. Er wurde 1285 angeklagt einen<br />

Fürsten vergiftet zu haben <strong>und</strong> hingerichtet.<br />

27


Der Aufseher zeigte mir an die zehn getrennte Pavillons, einer war schöner gestaltet als<br />

seine Brüder; danach brachte er mich zu einem der mit einem Eisenschloss verschlossen<br />

war. Er öffnete es <strong>und</strong> ging mit mir durch einen langen Korridor aus reinstem Marmor;<br />

in der Mitte des Gangs befand sich ein quadratisches Zimmer, in dem wohl bis zu vier<br />

sitzende <strong>und</strong> zwei liegende Personen Platz fanden; seine vier Wände glänzten wie<br />

Spiegel, sodass jeder seinen ganzen Körper von den Wänden wiedergegeben sah; der<br />

Boden hatte Muster aus roten, gelben, grünen <strong>und</strong> vergoldeten Steinen, alle aus Glas,<br />

gefärbt mit roter <strong>und</strong> gelber Farbe; die grüne Farbgebung, so sagt man, kommt von<br />

den Byzantinern <strong>und</strong> der Goldton ist vergoldetes Glas. Das Muster war w<strong>und</strong>erschön<br />

<strong>und</strong> zeigte verschiedene Figuren die sich der Lust hingaben sodass sich beim Betrachter<br />

Verlangen regte. Der Wärter sagte mir: “Das wurde so nach den Wünschen meines<br />

Herrn gemacht damit, wenn jemand es betrachtet <strong>und</strong> sieht was die Figuren<br />

miteinander machen, seine Lust erweckt wird <strong>und</strong> er den dringenden Wunsch verspürt,<br />

mit dem geliebten Wesen zu schlafen“.<br />

Dieser Raum lag abseits von allen anderen <strong>und</strong> war für diesen Zweck bestimmt. Wenn<br />

Fürst Scharaf al-Din Harun sich im Bad mit einer schönen Frau oder einer Sklavin die er<br />

liebte treffen wollte, tat er es in diesem Zimmer denn er sah, wie sich das Muster vom<br />

Boden an den Wänden in allen Einzelheiten spiegelte, <strong>und</strong> gleichzeitig sah jeder im<br />

Zimmer den Körper seines Gespielen; in der Mitte des Raums war ein Becken aus<br />

geädertem Marmor mit einer Wasserzuführung in der Mitte <strong>und</strong> zwei Hähnen, einer für<br />

kaltes Wasser <strong>und</strong> der andere für warmes Wasser. Rechts <strong>und</strong> links standen zwei<br />

Säulen aus geschliffenem Glas mit zwei Räucherpfannen mit Parfüm <strong>und</strong> Aloeholz.<br />

Auch sah ich einen sehr großen, hell erleuchteten Raum, für den man viel Geld<br />

ausgegeben hatte. Ich fragte den Wärter nach diesen hohen erleuchteten Wänden,<br />

indem ich sagte: “Wer hat das gemacht?” Und er antwortete mir, dass er es nicht<br />

wüsste. Aber nie zuvor hatte ich vorher ein Zimmer wie dieses gesehen oder je von<br />

etwas Vergleichbarem gehört, auch gab es keins wie dieses im ganzen Bad. Beide,<br />

Raum <strong>und</strong> Bad, waren das Schönste was man beschreiben könnte, aber ich könnte<br />

nicht wiedergeben welche Wirkung ihr Anblick <strong>und</strong> ihre Betrachtung in mir hervorrief.<br />

Lassen wir es gut sein mit dem, was ich gesagt habe““.<br />

Al-Maqqari 61 , Nafh al-Tib 62<br />

Ψ<br />

61 Abū l-‘Abbās Ahmad al-Maqqarī kurz al-Maqqari (auch:Makkari) genannt, (geb. in Tlemcen, Algerien 1578, gest. in<br />

Kairo 1632)<br />

62 Vollständiger Titel: Der Hauch von Wohlgeruch vom grünen Zweig Andalusiens <strong>und</strong> Lebensbeschreibung seines Wesirs,<br />

Lisān ad-Dīn ibn al-Chatīb. Arab. Originaltitel: Nafh at-tīb min ġusn al-Andalus ar-raīb wa-ḏkr wazīri-hā Lisān ad-Dīn Ibn<br />

al-Haṭīb. Das Werk besteht aus 2 <strong>Teil</strong>en in 9 Bänden <strong>und</strong> ist der Einfachheit halber als Nafh al-Tib bekannt. Der erste<br />

<strong>Teil</strong> ist eine Sammlung von Texten, Prosa <strong>und</strong> Lyrik einer Vielzahl von arabischen <strong>und</strong> maurischen Autoren über die<br />

Geschichte <strong>und</strong> das Gesellschaftsleben der Araber im Orient, vor allem aber der Muslime auf der Iberischen Halbinsel<br />

28


Qusair ‘Amra 63 Ein Jagdschlösschen in der Wüste:<br />

Nur r<strong>und</strong> 70 km von der saudi-arabischen Grenze entfernt stehen in der jordanischen Wüste die<br />

Überreste eines kleinen Palasts der wahrscheinlich ein Jagdschloss gewesen war. Ich hatte schon so<br />

viel darüber gelesen dass ich, als ich die F<strong>und</strong>stätte im Jahr 2012 von außen sah zunächst von ihren<br />

reduzierten Maßen etwas enttäuscht war. Von dem ehemaligen Palast selbst ist nichts mehr<br />

erhalten. Es ist fast ein W<strong>und</strong>er dass ein nach römischem Vorbild angelegter Hamam nicht nur als<br />

Bauwerk, sondern auch das was sich in seinem Inneren verbirgt noch existiert. In der versandeten<br />

Landschaft um das kleine Bauwerk sind noch Spuren eines längst ausgetrockneten Flusslaufs zu<br />

erkennen <strong>–</strong> vor mehr als 1000 Jahren muss diese Gegend ganz anders ausgesehen haben. Ein tiefer<br />

gemauerter Brunnenschacht wenige Meter vom Badehaus entfernt ist Zeuge dafür dass damals das<br />

Leben spendende Nass ausreichend vorhanden war.<br />

Wenn ich anfangs von der Außenansicht enttäuscht war wurde ich schon beim Betreten des<br />

Hamam schnell eines Besseren belehrt. Die Mauern hüten einen Schatz früh-islamischer Kunst der<br />

im Jahr 1898 von dem Österreicher Alois Musil 64 l entdeckt wurde. In Anbetracht der vergangenen<br />

Zeitspanne seit dem Bau des Badehauses im Jahr 734 ist der inzwischen restaurierte archäologische<br />

Komplex einigermaßen gut erhalten, was zum einen der Abgeschiedenheit <strong>und</strong> zum anderen dem<br />

trockenen Wüstenklima zu verdanken ist. Außergewöhnlich an dem Badehaus ist, dass alle<br />

Innenwände, Kuppeln oder Tonnengewölbe einst ganzflächig mit Fresken bemalt waren <strong>–</strong> in satten,<br />

leuchtenden gelben <strong>und</strong> blauen Farben wie sie auch in der byzantinischen Freskokunst vorkommen.<br />

In einer Kuppel ist ein Antlitz wiedergegeben das von Christen als ein Abbild Jesu interpretiert wird.<br />

Wäre dem tatsächlich so, könnte es ein weiterer Hinweis auf Kunsthandwerker aus dem<br />

christlichen Byzanz sein. In einer großen Kuppel des Badehauses sind noch Spuren eines fast exakt<br />

wiedergegebenen Tierkreises zu sehen.<br />

63 Arab. für kleines Schloss, kleiner Palast. Auch als Qasr ‘Amra, Quseir ‘Amra oder Qusayr ‘Amra bekannt. Seit 1985<br />

gehört es zum Weltkulturerbe der UNESCO<br />

64 Alois Musil (geb. Juni 1868 <strong>–</strong> gest. April 1944 im Protektorat Böhmen <strong>und</strong> Mähren) war ein österreichischtschechischer<br />

Orientalist, Theologe <strong>und</strong> Geograph.<br />

29


Links: Al-Walid ibn Yazid als Pantokrator. Zeichnung nach<br />

©Vaclav Fiala 65. kurz nach der Entdeckung des Hamam<br />

Unten links: Selbst in der Vergrößerung ist heute die Szene<br />

der Zeichnung unter dem Halbr<strong>und</strong> nicht mehr zu erkennen.<br />

Schemenhaft sind nur noch die beiden Figuren links <strong>und</strong><br />

rechts des Throns zu erraten. Darunter, in der Nische unter<br />

dem Bogen (s. blauen Pfeil) genau gegenüber vom Eingang<br />

zum Badehaus präsentierte sich der Thronfolger wenn er<br />

Gäste empfing.<br />

Viele Fresken wurden durch Vandalismus<br />

beschädigt, manche bis zur Unkenntlichkeit<br />

zerkratzt, doch ist selbst das was übrig blieb<br />

beeindruckend <strong>und</strong> zeugt vom standes- <strong>und</strong><br />

machtbewussten Lebensgefühl einer Dynastie die<br />

sich hier als ein in Geisteswissenschaften bewandertes, kunstorientiertes, sinnenfrohes <strong>und</strong> dem<br />

Volk zugewandtes Herrscherhaus darstellt <strong>und</strong> das, obwohl muslimischen Glaubens, alle irdischen<br />

Freuden ausgiebig zu genießen wusste. Damit belegen die Fresken dass es kein Bilderverbot im<br />

frühen Islam gab <strong>und</strong> dass Abbilder von Menschen<br />

oder Tieren nicht verboten waren. Dargestellt sind<br />

Motive in Anlehnung an alt-griechische<br />

Philosophie, Tiere, Pflanzen <strong>und</strong> Jagdszenen, im<br />

Tonnengewölbe des großen Mittelschiffs<br />

Handwerker mit ihren Werkzeugen <strong>und</strong> hier <strong>und</strong> da<br />

an den Wänden, nackte oder halbnackte Männer<br />

<strong>und</strong> Frauen bei verschiedenen Beschäftigungen.<br />

Auch ein humoriges Fresko wie ein Laute<br />

spielender Bär fehlen nicht. Die Errichtung des<br />

Palasts wird ebenfalls dem Thronfolger Walid<br />

zugeschrieben obwohl damit gewiss auch in der<br />

Regierungszeit von Kalif Hisham ibn Abd al-Malik<br />

begonnen wurde; das resultiert aus einer Inschrift<br />

die den Namen Al-Walid ibn Yazid 66 ohne den<br />

Kalifentitel erwähnt.<br />

In diesem Hamam gibt es eine Empfangshalle mit<br />

einem großen Mittelschiff <strong>und</strong> zwei Nebenschiffen<br />

angelegt wie eine Basilika, ähnlich der<br />

Omaijadenmoschee in Damaskus. Direkt gegenüber<br />

vom Eingang der Empfangshalle gab es ein<br />

berühmtes wenn auch nicht mehr erkennbares<br />

Fresko: Danach war der zukünftige Kalif dargestellt als Weltallherrscher ähnlich christlichorthodoxen<br />

Fresken. In der Vergrößerung sind nur noch zwei Figuren die rechts <strong>und</strong> links neben<br />

dem Thron standen <strong>und</strong> die zwei gew<strong>und</strong>enen Säulen zwischen ihnen <strong>und</strong> dem Thron zu erahnen.<br />

Daher können wir die obige Zeichnung von Vaclav Fiala nicht hoch genug werten.<br />

65 Qusayr ‘Amra: Art and the Umayyad Elite in Late Antique Syria by Garth Fowden, Cap. “O God, bless the Amir”,<br />

S. 115-140. University of California Press, Berkeley - Los Angeles, California - London. University of California Press, Ltd.,<br />

London, England. ©2004, by the Regents of the University of California<br />

66 Siehe vorheriges Kapitel Khirbat al-Mafdschar<br />

30


Ausschnitt aus den „Sechs Königen“.<br />

Das Fresko geht in das Tonnengewölbe<br />

eines Seitenschiffs über.<br />

Zusammen mit meinen eigenen Bildern<br />

im Jahr 2012 können wir uns in etwa<br />

vorstellen was die Besucher nach dem<br />

Betreten der Halle sahen die in den<br />

lebhaftesten Farben strahlte. Im<br />

rechten Seitenschiff ist teilweise noch<br />

ein berühmtes Fresko zu sehen: die<br />

Darstellung von sechs Königen. Sie<br />

waren in griechischer <strong>und</strong> arabischer<br />

Schrift benannt, vier der Inschriften<br />

konnten entziffert werden:<br />

Caesar, als „Kaisar“, Herrscher über das<br />

Römische Reich, Roderich, als König der Westgoten in Hispanien „Rodorikus“, der Anfang des 8.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts im Auftrag der syrischen Omaijaden besiegt wurde, der Chosrau von Persien<br />

„Chosroës“ <strong>und</strong> „Negus“, ein Königs- <strong>und</strong> Kaisertitel im alten Äthiopien 67 . War das Fresko so zu<br />

interpretieren dass sie von den Omaijaden besiegt wurden, oder entsprach es eher der Vorstellung<br />

des Thronfolgers dass er als Kalif als Gleicher unter Gleichen den ruhmreichen Königen damaliger<br />

Weltreiche ebenbürtig sein würde 68 ? Nachfolgend eine Bilderreihe mit Ausschnitten von<br />

verschiedenen Fresken, die meisten bedürfen keiner Kommentare <strong>–</strong> wir können nur bew<strong>und</strong>ernd<br />

darüber staunen.<br />

Verschiedene Szenen an einer Wand: im Hintergr<strong>und</strong> <strong>Teil</strong>e eines Bauwerks mit Säulen <strong>und</strong> Bögen, in der<br />

Mitte eine Frau im Bad mit einem Bediensteten. Rechts, zu erahnen: Athleten mit nacktem Oberkörper<br />

67 Auch: das alte Abessinien<br />

68 Monarchische Herrschaftsformen der Vormoderne in transkultureller Perspektive von Wolfram Drews, Antje Flüchter,<br />

Christoph Dartmann, Jörg Gengnagel, Almut Höfert, Sebastian Kolditz, Jenny Rahel Oesterle, Ruth Schilling <strong>und</strong> Gerald<br />

Schwedle. S. 200 <strong>–</strong> 1.4.3: Die weltmonarchische Sakralität (Wolfram Drews, Almut Höfert, Jörg Gengnagel),<br />

© Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston, 2015<br />

31


Oben links <strong>und</strong> rechts:<br />

Ausschnitte vom Fresko auf der Vorseite<br />

Links: Frau mit entblößten Brüsten mit einem Korb<br />

oder einer Schüssel über dem Kopf, Eingangshalle,<br />

in einem Bogen im Mittelschiff der zu einem<br />

kleinen Raum neben dem zentralen Fresko über<br />

Walids Thron (s. Seite 30), führt.<br />

32


Oben Mitte: In einem Tonnengewölbe verschiedene Motive: Tiere, Menschen, in der Mitte<br />

übereinander 3 Portraits mit den drei Lebensstadien des Menschen: jung (nicht mehr erkennbar),<br />

in voller Blüte <strong>und</strong> alt. Das mittlere Portrait wird von Christen oft als die Darstellung Jesu‘<br />

interpretiert. Oben ganz links im Bild zu sehen: Bär mit Laute. Unten links: Ausschnitt „Bär mit<br />

Laute“ Unten rechts: Ausschnitt mittleres Portrait (oft als Jesusbild interpretiert)<br />

33


Oben: Ein liegender Mann schaut herab auf eine liegende Figur (Frau?). Neben ihm<br />

ein geflügeltes Wesen (Gott Amor?). Darüber, mittig, noch einmal das Abbild für<br />

das Lebensstadium „alt“ (s. vorhergehende Seite).<br />

Unten: Frau mit Kind <strong>und</strong> Mann, unbekleidet<br />

34


An diesem Punkt der Geschichte sollten wir nicht dem Irrtum verfallen den opulenten <strong>und</strong><br />

exquisiten Lebensstil der Omaijaden in Syrien oder, wie wir später sehen werden im maurischen<br />

Spanien, als dekadent zu bezeichnen. In Okzident wie Orient war das Selbstverständnis von Königen<br />

<strong>und</strong> Kalifen im Mittelalter standesbewusst <strong>und</strong> elitär. Dass sich dieses Selbstverständnis ebenfalls in<br />

ausgiebigem Genuss irdischer Freuden äußern konnte war lange Zeit eine Besonderheit des<br />

Morgenlands die auch die, zuweilen überschäumende Phantasie des Abendlands anregte wie wir es<br />

in der Orientmalerei des romantischen Zeitalters 69 sehen. Dass die früh- <strong>und</strong> hochmittelalterlichen<br />

christlichen Burgen im damaligen Europa zumeist düster, kalt <strong>und</strong> bar jeglicher Annehmlichkeit<br />

oder Raffinesse waren sollte sich erst später ändern. Das elitäre Denken der westgotischen Könige<br />

in Hispanien war auch nach der arabischen Eroberung in den wenigen christlichen Königreichen<br />

erhalten geblieben. Sie beschränkten sich einige Jahrh<strong>und</strong>erte lang auf kleine <strong>Teil</strong>e des Landes in<br />

Nordspanien während ihre Könige nur auf einen günstigen Zeitpunkt warteten um die maurischen<br />

Gebiete zurückzuerobern.<br />

Das standesbewusste, königliche Selbstverständnis wird in der Person des hispanischen Königs<br />

Alfons X. von Kastilien-Leon (13. Jh.) dem die Geschichte den Beinamen „der Weise“ oder „der<br />

Gelehrte“ verliehen hat, besonders deutlich: Wie seine Vorfahren glaubte auch er an den göttlichen<br />

Ursprung der Königswürde. Immer wieder sollte er in seinen Schriften ausdrücklich betonen dass<br />

ein König in seinem Reich der Stellvertreter Gottes für irdische Belange sei <strong>und</strong> ihm auf Erden<br />

niemand übergeordnet sein könne. Diese Überzeugung brachte ihm zeitlebens erhebliche<br />

Schwierigkeiten mit dem Heiligen Stuhl ein. Wenn auch nicht direkt vergleichbar gibt es in der<br />

islamischen Welt ein ähnlich gelagertes Selbstverständnis das in der rechtmäßigen Nachfolge des<br />

Propheten begründet ist <strong>und</strong> bis heute auch einen f<strong>und</strong>amentalen Unterschied zwischen Schiiten<br />

<strong>und</strong> Sunniten ausmacht.<br />

Ψ<br />

Im Orient hatten die Abbasiden im 8. Jh. die Dynastie der syrischen Omaijaden zwar ausgelöscht,<br />

jedoch war seither mehr als ein Jahrh<strong>und</strong>ert vergangen <strong>und</strong> das Omaijaden-Emirat von Cordoba<br />

pflegte exzellente Beziehungen zum Kalifat von Bagdad. Erst im 10. Jh. rief Kalif Abd al-Rahman III<br />

ein unabhängiges Kalifat aus. Der Handel mit dem Orient <strong>und</strong> den Anrainerstaaten des gesamten<br />

Mittelmeerraums blühte, eine der ertragsreichsten Handelswaren aus al-Andalus waren Produkte<br />

aus Seide <strong>–</strong> Teppiche, Wandbehänge, Kissenbezüge, Vorhänge <strong>und</strong> Stoffe für Gewänder 70 . Auch die<br />

Venezianer waren damals berühmt für ihre Seidenprodukte doch selbst im christlichen Europa gab<br />

man oft der exotischen Ästhetik von orientalischen Webmustern den Vorzug. Für neueste<br />

wissenschaftliche Erkenntnisse <strong>und</strong> technische Neuerungen gab es einen regen Austausch mit<br />

Bagdad. Auf diesem Weg waren die Papierfertigung <strong>und</strong> die Kunst der Seidenproduktion nach al-<br />

Andalus gelangt, dort wurde schon Papier hergestellt viele Jahrzehnte bevor das übrige Europa die<br />

Neuerung übernahm. Das Rechnen mit den Ziffern die wir heute arabische Zahlen nennen wurde im<br />

Okzident zuerst im Orient, in Nordafrika <strong>und</strong> im maurischen Spanien angewandt ebenso wie die<br />

Algebra <strong>und</strong> eine einfache Form des Algorithmus. Alle Abschriften arabischer Übersetzungen der<br />

Werke von altgriechischen Gelehrten waren auch im maurischen Spanien Gegenstand sorgfältiger<br />

Studien. Jedem Lehrer oder Studierenden war es erlaubt sie zu konsultieren.<br />

Ψ<br />

69 Die Epoche der Romantik wird von Sehnsuchtsmotiven <strong>und</strong> den Themen Liebe <strong>und</strong> Natur bestimmt. Sie begann Ende<br />

des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts <strong>und</strong> endete mit der Spätromantik in der Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

70 s. hierzu <strong>Teil</strong> II. Suche nach al-Andalus „Syrien <strong>und</strong> al-Andalus <strong>–</strong> Reichtum <strong>und</strong> Toleranz“<br />

35


Erzähler auf einem orientalischen Marktplatz. Vor dem<br />

Bekanntwerden der Papierfertigung wurden seit<br />

Menschengedenken in allen <strong>Teil</strong>en der Welt Neuigkeiten,<br />

Informationen <strong>und</strong> Geschichten, mündlich überliefert.<br />

Nach dem Untergang des römischen Reichs <strong>und</strong> bis zu den<br />

erfolgreichen Eroberungszügen des Tariq ibn Ziyad 71 auf<br />

der Iberischen Halbinsel im Jahr 711 hatten die Westgoten<br />

in Hispanien regiert; zum Zeitpunkt der muslimischen<br />

Eroberung war ihr Reich schon im Zerfall begriffen. Es<br />

dauerte gute anderthalb Jahrh<strong>und</strong>erte bis das maurische<br />

Emirat 72 gefestigt war <strong>und</strong> in Orient wie Okzident als das<br />

„Paradies al-Andalus“ gepriesen werden sollte. Das<br />

maurische Hispanien wurde zum Mekka für Einwanderer<br />

aus dem ganzen Arabisch sprechenden Mittelmeerraum <strong>–</strong><br />

für Kunsthandwerker, Baumeister, Wissenschaftler,<br />

Musiker <strong>und</strong> Poeten. Die maurische Hochkultur sollte ihre<br />

Blütezeit erst im 10. Jh. erreichen <strong>–</strong> Cordoba wurde auch<br />

im damaligen Europa zum Inbegriff für Macht <strong>und</strong><br />

märchenhaften Reichtum, für das friedliche Zusammenleben<br />

der drei Religionen, für wissenschaftlichen Fortschritt <strong>und</strong> eine exquisite, lusterfüllte<br />

Lebensart.<br />

Wenn das im Kapitel Khirbat al-Mafdschar erwähnte „Buch der Lieder“ des Abu al-Faradsch al-<br />

Isfahani mit der Wiedergabe von überlieferten Chroniken ein wenig Licht in das Hofleben der<br />

syrischen Omaijaden bringt, sind die neun Bände des Nafh al-Tib 73 des nordafrikanischen Literaten<br />

<strong>und</strong> Historikers Abū l-ʿAbbās Ahmad al-Maqqarī 74 ein ebenso außergewöhnliches Werk über die<br />

Geschichte der Muslime in Spanien, über die geographische <strong>und</strong> politische Entwicklung <strong>und</strong> die<br />

Prosa <strong>und</strong> Lyrik von al-Andalus. Darin hat der Autor unzählige überlieferte Gesellschafts- <strong>und</strong><br />

Geschichtschroniken, Lyrik <strong>und</strong> wissenschaftliche Abhandlungen zusammengetragen, die im Lauf<br />

vieler Jahrh<strong>und</strong>erte aus al-Andalus in die arabisch sprechende Welt gelangten <strong>und</strong> dort aufbewahrt<br />

wurden. Die maurischen Chronisten, Stadtschreiber <strong>und</strong> Poeten hielten mit großem Eifer jedes noch<br />

so belanglose Ereignis fest, nicht nur was den Kalifen oder die Hofgesellschaft betraf, auch über das<br />

Gesellschaftsleben wurde geschrieben: über Dichter-Wettstreite <strong>und</strong> wie diese von statten gingen,<br />

über Besuche von Gesandten aus Okzident <strong>und</strong> Orient, es wurde von fröhlichen Festen <strong>und</strong> Gelagen<br />

berichtet, von liebreizenden Singmädchen, talentierten Musikerinnen <strong>und</strong> klugen Dichtersklavinnen;<br />

auch wird von schönen Palastpagen, Weinschenken oder ganz allgemein, von jeder nur<br />

vorstellbare gesellschaftliche Begebenheit erzählt. Man kann sagen dass für die maurischen<br />

Chronisten, Lobredner oder Poeten jedes Wort es wert war festgehalten zu werden: Palastgeflüster<br />

oder Gesellschaftsklatsch, Liebesfreud oder -kummer, glühendes Verlangen oder verbitterter Hass<br />

bis hin zu politischen Verstrickungen oder Kriegsgeschehen. Zum Glück erreichte ein beachtlicher<br />

<strong>Teil</strong> diese Chroniken unversehrt die Neuzeit.<br />

71 s. S. 5<br />

72 In den ersten Jahrh<strong>und</strong>erten nach der Eroberung herrschten Emire (Fürsten) über al-Andalus. Erst Abd al-Rahman III.<br />

(10. Jh.) proklamierte sich selbst zum Kalifen (arab. Chalifa, häufig in einer spezifischen Funktion als Titel für religiöspolitische<br />

Führer verwendet).<br />

73 s. Fußnoten 60, 61, S. 28<br />

74 Ebd.<br />

36


Das Maurenland auf dem Weg zum Paradies ……<br />

Ein kurzer Rückblick: Der Omaijadenprinz Abd al-Rahman<br />

ibn Mu'awiya ibn Hisham ibn Abd al-Malik ibn Marwan 75<br />

war als syrischer Flüchtling nach Hispanien gekommen<br />

<strong>und</strong> wurde 756 als Abd al-Rahman I. zum Emir über al-<br />

Andalus ausgerufen. Als seine Dynastie im Jahr 750<br />

unterging war er 19 Jahre alt <strong>und</strong> war noch in den Glanz<br />

des syrischen Herrscherhauses in Damaskus<br />

hineingeboren worden, war in herrlichen Palästen<br />

aufgewachsen <strong>und</strong> hatte, selbst wenn er aus<br />

Altersgründen vielleicht nicht direkt daran teilnahm, so<br />

doch viel über das Dolce Vita 76 in den letzten Jahren der<br />

untergehenden Dynastie gehört <strong>und</strong> so einiges gesehen.<br />

Alles wurde <strong>Teil</strong> seiner Erinnerungen an die verlorene<br />

Heimat. Schenkt man den Überlieferungen Glauben hat<br />

er immer unter Heimweh nach Arabien gelitten <strong>und</strong> sich<br />

in al-Andalus nie wirklich heimisch gefühlt. Oft hätte man<br />

ihn durch seine Palastgärten wandeln <strong>und</strong> auf einer<br />

Aussichtsterrasse in Ufernähe des Guadalquivir stehen<br />

sehen, den Blick sehnsüchtig gen Osten gerichtet. Er hätte immer wieder eine Palme aufgesucht die<br />

er gleich nach seiner Thronbesteigung aus der alten Heimat kommen ließ <strong>und</strong> hier eigenhändig<br />

einpflanzte. Man sagt sie sei die Mutter aller Palmen in Spanien. Unter ihren grünen Fächern an den<br />

schuppigen Stamm gelehnt, spendete ihre vertraute Nähe dem Emir Trost <strong>–</strong> ihr hätte Abd al-<br />

Rahman I. -so heißt es weiter- mit einem Gedicht sein Herz geöffnet:<br />

Du, o Palme, bist ein Fremdling<br />

so wie ich in diesem Lande,<br />

bist ein Fremdling hier im Westen<br />

fern von deiner Heimat Strande.<br />

Weine drum! Allein die Stumme,<br />

wie vermöchte sie zu weinen?<br />

Nein, sie weiß von keiner Trauer,<br />

keinem Kummer gleich dem meinen.<br />

Aber könnte sie empfinden,<br />

O, sie würde sich mit Tränen<br />

nach des Ostens Palmenhainen<br />

<strong>und</strong> des Euphrat Wellen sehnen.<br />

Nicht gedenkt sie ihrer <strong>und</strong> auch ich <strong>–</strong><br />

fast vergaß ich meine Lieben,<br />

seit mein Hass auf Abbas’ Söhne<br />

aus der Heimat mich getrieben. 77<br />

75 Geb. 731 in Palmyra (Syrien) <strong>–</strong> gest. 788 in Cordoba (Spanien)<br />

76 s. Kapitel über Khirbat al-Mafjar. Auch interessant: La Dolce Vita in Early Islamic Syria: The Evidence of Later Umayyad<br />

Palaces, Robert Hillenbrand, 2001 in Studies in medieval Islamic architecture Tl. 1, S. 58-113.<br />

77 Die Verse werden Abd al-Rahman I. zugeschrieben. A.F. von Schack, Poesie <strong>und</strong> Kunst der Araber in Spanien <strong>und</strong><br />

Sizilien, Verlag Wilhelm Hertz, Berlin, 1865, Bd. I, Bayerische Staatsbibliothek München, S. 47<br />

37


Bobastro, Blick auf die Felsenkirche des Ibn Hafsun<br />

Bis fast zur Mitte des 10. Jh. gab es auch Herrscher<br />

über al-Andalus die nicht unbedingt um das Wohl<br />

ihrer Untertanen bemüht waren <strong>–</strong> das hatte ernste<br />

Folgen. Das maurische Spanien wies eine<br />

Besonderheit auf die im syrischen Omaijadenreich<br />

in dem Ausmaß fehlte: al-Andalus war ein Reich der<br />

drei Religionen <strong>–</strong> viele Sefarden 78 deren Familien<br />

schon lange vor der arabischen Eroberung dort<br />

lebten <strong>und</strong> auch Christen blieben danach ebenfalls<br />

in ihrer alten Heimat. Daher musste es ein<br />

vorrangiges Ziel der maurischen Emire sein eine<br />

homogene Gesellschaft zu schaffen. Das 9. Jh.<br />

gestaltete sich für kirchliche Würdenträger in al-<br />

Andalus schwierig. Bis zur arabischen Eroberung<br />

war der Sitz des Erzbischofs in Toledo gewesen. Er<br />

durfte seinen Amtssitz auch nach der Eroberung<br />

behalten, konnte aber nur sehr begrenzt Einfluss auf seine Gemeinde im südlichen <strong>Teil</strong> des Reichs<br />

nehmen.<br />

Inzwischen war es unter jungen Mozarabern 79 Mode geworden die arabische Sprache zu erlernen<br />

<strong>und</strong> sich nach orientalischer Art zu kleiden. Im Lauf der Zeit hatten sich die islamischen<br />

Glaubensregeln gelockert <strong>und</strong> zahlreiche Christen in al-Andalus konvertierten <strong>–</strong> das machte das<br />

Leben für sie um einiges einfacher. Einige Kirchenfürsten beklagten dass Christen häufig den Koran<br />

lesen <strong>und</strong> gar daraus zitieren könnten <strong>–</strong> es wäre doch weitaus wünschenswerter wenn sie ebenso<br />

viel Begeisterung beim Bibelstudium zeigen würden.<br />

Anders als die Sefarden die darüber wachten die Reinheit ihrer Religion <strong>und</strong> Traditionen zu<br />

bewahren gab es zwischen Muslimen <strong>und</strong> Christen immer mehr Mischehen. Wenn auch die Eltern<br />

ihren jeweiligen Glauben behalten durften, wurden die Neugeborenen als Muslime registriert. Im 9.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert verschlechterte ein unglücklicher Vorfall vorübergehend die Lage der Christen in al-<br />

Andalus: Unter dem Schutz der religiösen Toleranz <strong>und</strong> besorgt ob der zunehmenden Arabisierung<br />

von Mozarabern wähnte sich eine Handvoll kordobesischer Christen so sicher dass sie den<br />

islamischen Glauben öffentlich beleidigten. Das konnte der Emir nicht tolerieren, er musste ein<br />

Exempel statuieren: 48 oder 49 Christen wurden hingerichtet. Sie gingen als die „Märtyrer von<br />

Cordoba“ in die spanische Geschichte ein. 80 .<br />

In den letzten Jahrzehnten des 9. Jh. brach eine bürgerkriegsähnliche Revolte aus, angeführt von<br />

einem muslimischen Rebellen namens Ibn Hafsun 81 . Der Aufstand erfasste das ganze südliche Drittel<br />

der Iberischen Halbinsel <strong>und</strong> sollte fast 40 Jahre bis ins 10. Jh. dauern. In Bobastro, gut versteckt in<br />

den Bergen von Ronda, errichtete er über die Jahrzehnte eine fast uneinnehmbare Festungsstadt<br />

als Rückzugsort.<br />

78 Die spanischen Juden wurden Sefarden genannt. (s. ausführliche Fußnote auf Seite 7)<br />

79 Christen, die unter arabischer Herrschaft lebten <strong>und</strong> ihren Glauben weiter ausübten<br />

80 Die Ereignisse wurden von Bischof Eulogius von Cordoba <strong>und</strong> Paulus Alvarus überliefert. Eulogius von Cordoba starb<br />

859 als „Märtyrer“, Paulus Alvarus (geb. 800 <strong>–</strong> gest. um 861/862) hatte kein Kirchenamt inne. Beide zeichnen in ihren<br />

Schriften das Bild einer Märtyrerbewegung in Cordoba; da jedoch unabhängige Überlieferungen aus anderen Quellen<br />

fehlen können die Geschehnisse nicht bewertet werden.<br />

81 Umar ibn Hafsun, geb. um 850 - gest. um 917<br />

38


Gut erkennbar ist der Durchgang mit dem<br />

Hufeisenbogen der zur rechteckigen Apsis führt<br />

Je länger der Aufstand dauerte desto mehr<br />

mangelte es an Mitstreitern. Ibn Hafsun <strong>und</strong><br />

seine Familie traten zum christlichen Glauben<br />

über in der Hoffnung damit mehr Mitstreiter<br />

anwerben zu können <strong>–</strong> mit mäßigem Ergebnis.<br />

Dafür kündigte ihm seine muslimische<br />

Gefolgschaft die Treue, sie waren nicht bereit<br />

unter einem Christen zu kämpfen. Daher<br />

wurde lange darüber spekuliert ob die Revolte<br />

einen religiösen Hintergr<strong>und</strong> gehabt haben<br />

könnte. Inzwischen überwiegt die Meinung<br />

dass der Auslöser für den Aufstand ein<br />

ungerechtes Steuersystem war.<br />

Von der ehemaligen Festungsstadt ist heute<br />

kaum mehr etwas zu sehen: Immer wieder<br />

führen ein paar in den Berg geschlagene Stufen weiter nach oben, hier <strong>und</strong> da sind von Gestrüpp<br />

überwachsene Mauerreste sichtbar <strong>und</strong> ein Wasserbecken <strong>–</strong> wahrscheinlich eine Viehtränke. Das<br />

Eindrucksvollste ist an diesem Ort der noch erhaltene <strong>Teil</strong> der Felsenkirche, er erinnert an die<br />

dramatischen Ereignisse die sich hier abspielten. Ibn Hafsun starb 917 an einer fiebrigen<br />

Entzündung, seine vier Söhne konnten die Festung noch bis ins Jahr 928 halten. Erst Emir Abd al-<br />

Rahman III. 82 konnte den Aufstand durch eine unerbittliche Belagerung der Felsenstadt beenden.<br />

Wir werden im weiteren Verlauf des Kapitels noch viel von ihn hören. Wer nicht bei den Gefechten<br />

ums Leben gekommen war, wurde gefangen genommen oder des Landes verwiesen. Argentea, die<br />

einzige Tochter des Ibn Hafsun, wurde nach Cordoba gebracht <strong>und</strong> wäre wahrscheinlich<br />

weitgehend unbehelligt geblieben, hätte sie sich nicht danach gesehnt als Märtyrerin zu sterben<br />

<strong>und</strong> forderte Abd al-Rahman III. solange durch ungebührliches Verhalten heraus bis sie ihr Ziel<br />

erreichte.<br />

Abd al-Rahman III. war von 912 bis 929 achter Emir von al-Andalus <strong>und</strong> nahm 929 den höchsten<br />

islamischen Herrschertitel Kalif an. Insgesamt herrschte er knapp 50 Jahre über das große Reich auf<br />

der Iberischen Halbinsel bis er 961 starb. Es gibt viel über ihn zu berichten <strong>und</strong> vieles erinnert an<br />

Prinz Walid den wir aus den Kapiteln über die Wüstenschlösser Khirbat al-Mafdschar <strong>und</strong> Qusair<br />

‘Amra schon kennen. Die Übereinstimmungen zwischen Abd al-Rahman III. <strong>und</strong> dem syrischen<br />

Thronfolger <strong>und</strong> Kalifen Walid II. sind frappierend <strong>–</strong> allerdings nur was Prachtentfaltung,<br />

Standesbewusstsein <strong>und</strong> das <strong>Genießen</strong> aller Freuden betrifft die das Lebens bieten konnte. Der<br />

große Unterschied zwischen beiden war, dass Kalif Abd al-Rahman III. sich als kluger Staatslenker<br />

erwies <strong>–</strong> in seiner langen Regierungszeit entfaltete sich die maurische Hochkultur zu voller Blüte.<br />

Ψ<br />

82 geb. 889 <strong>–</strong> gest. im Oktober 961 in Cordoba. Er wurde fast 70 Jahre alt<br />

39


Das Paradies al-Andalus<br />

Es heißt ab <strong>und</strong> zu dass der Chronist al-Maqqari in seiner Schriftensammlung Nafh al-Tib die<br />

Maurenzeit hier <strong>und</strong> da romantisch verherrlicht hätte, das tut dem historischen Wert des Werks<br />

aber keinen Abbruch. Ihm verdanken Andalusforscher <strong>und</strong> Archäologen die ausführlichsten <strong>und</strong><br />

wertvollsten Informationen über die Architektur <strong>und</strong> die Kultur von al-Andalus, über die maurische<br />

Literatur <strong>und</strong> Poesie <strong>und</strong> das Gesellschaftsleben im Allgemeinen. Wie wir noch sehen werden<br />

konnten oft nur dank der ausführlichen überlieferten Beschreibungen Bauwerke bei Ausgrabungen<br />

konkret bestimmt, zumindest teilweise detailgetreu restauriert oder ganz wieder hergestellt<br />

werden. Und tatsächlich war die neue Heimat für die Mauren wie ein Paradiesgarten: hier gab es<br />

ausgedehnte Wälder, großzügige Flüsse <strong>und</strong> ausgewogene klimatische Bedingungen:<br />

„Ich habe immer die Farbe Grün gewählt,<br />

um die arabische Zeit in Cordoba zu beschreiben.<br />

Als die Araber nach Andalusien kamen,<br />

lebten sie nur durch das Grün.<br />

Ihre Lyrik, ihre Prosa, ihre Gedanken<br />

<strong>und</strong> ihre Seele waren so.<br />

Die Eroberer <strong>–</strong> alle Eroberer <strong>–</strong><br />

haben Schwerter gesät,<br />

wohin sie auch kamen.<br />

Die arabische Eroberung aber<br />

war die erste, die Palmen, Orangenbäume,<br />

Jasmine <strong>und</strong> Springbrunnen brachte.<br />

Diese kordobesischen Häuser,<br />

schläfrig auf ihrem Lager<br />

aus Veilchen <strong>und</strong> Myrte ruhend,<br />

mit ihren Mosaiken <strong>und</strong> Verzierungen aus Alabaster,<br />

verstecken sich in engen, gew<strong>und</strong>enen Gässchen<br />

wie kleine Paradiese <strong>–</strong> in ihrer Stille ungestört.<br />

Diese Brunnen, die Tag <strong>und</strong> Nacht<br />

in den patios eurer bezaubernden<br />

Häuschen singen, wovon erzählen sie?<br />

Als Dichter kann ich es euch sagen:<br />

Sie erzählen davon dass die Araber<br />

nicht als Eroberer nach Cordoba kamen,<br />

sondern als Liebende.<br />

Und so ist es das erste Mal in der Geschichte,<br />

dass aus einer Eroberung Liebe wurde<br />

<strong>und</strong> aus dem Schwert eine Rose . . .“(…)<br />

Nizar Qabbani, Damaskus 20. Jh. 83<br />

Ψ<br />

83 Der Dichter verfasste viele nostalgische aber auch romantische Gedichte über al-Andalus, das „verlorene Paradies“<br />

geb. März 1923 in Damaskus gest. April 1998 in London<br />

40


Buchmalerei aus „Die Geschichte von Bayâd <strong>und</strong><br />

Riyâd“. Maghrebinisches Manuskript, 13. Jh., Szene:<br />

Bayâd singt zur Laute vor der Herrin <strong>und</strong> ihren<br />

Dienerinnen 84<br />

Seit dem Untergang der syrischen Omaijadendynastie<br />

in der Mitte des 8. Jahrh<strong>und</strong>erts hatte<br />

Bagdad Damaskus kulturell <strong>und</strong> gesellschaftlich<br />

den Rang abgelaufen. Bagdad war unter den<br />

Abbasiden nicht nur zum Zentrum der<br />

Wissenschaften im Orient geworden, Bagdad<br />

war inzwischen die Hauptstadt der Mode, des<br />

gepflegten Lebensstils <strong>und</strong> für kultiviertes<br />

gesellschaftliches Raffinement geworden <strong>–</strong> wie<br />

es einst Paris für Europa war. In al-Andalus gab<br />

es offenbar Nachholbedarf <strong>–</strong> das änderte sich<br />

als ein berühmter Musiker, Sänger <strong>und</strong> Poet<br />

aus Bagdad der Einladung von Emir Abd al-<br />

Rahman II. folgte <strong>und</strong> im Jahr 822 in Cordoba ankam: Abul-Hasan ‘Alí Ibn Nafí, der wegen seines<br />

w<strong>und</strong>erbaren Gesangs <strong>und</strong> unerschöpflichen Repertoires an Liedern nur Ibn Ziryab 85 genannt wurde<br />

<strong>–</strong> was doppelsinnig auch „Schwarzdrossel“ heißen kann, denn er hatte eine dunkle Hautfarbe.<br />

Er war ein Meister im Lautenspiel <strong>und</strong> brachte die neuesten Modetrends aus Bagdad mit: dass man<br />

sich parfümierte, die Haut mit Cremes pflegte <strong>und</strong> mit Deodorant Schweißgeruch verhindern<br />

konnte, dass Zahnpasta sehr nützlich <strong>und</strong> die neueste Frisur für Männer <strong>und</strong> Frauen<br />

kurzgeschnittenes Haar à la Bagdad war. Ibn Ziryab verfeinerte auch die Tafelsitten <strong>–</strong> er brachte der<br />

vornehmen Gesellschaft bei dass ein Tisch mit feinem Tuch bedeckt elegant wirkt, <strong>und</strong> dass Wein<br />

aus Kristallgläsern besser m<strong>und</strong>et als aus goldenen Bechern. Die kordobesische Elite empfing ihn<br />

mit offenen Armen <strong>–</strong> innerhalb kürzester Zeit avancierte er zum Modepapst. Ibn Ziryab erhielt ein<br />

monatliches Salär von Abd al-Rahman II. von 200 Golddinar 86 , heiratete, bekam acht Söhne <strong>und</strong><br />

zwei Töchter <strong>und</strong> eröffnete eine Musikschule in Cordoba in der Singsklavinnen erzogen wurden. Ein<br />

kleines, überliefertes Zitat über Ibn Ziryab 87 beschreibt sehr anschaulich welche Wirkung der<br />

Musiker <strong>und</strong> Ästhet auf die kordobesische Gesellschaft hatte: „Nach der Ankunft dieses Orientalen<br />

wehte eine Brise von Vergnügungen <strong>und</strong> luxuriösem Lebensstil durch Cordoba“.<br />

Letztendlich war es jedoch dem wachsenden Wohlstand im 10. Jh., der politischen Stabilität unter<br />

Kalif Abd al-Rahman III. <strong>und</strong> dem friedlichen Miteinander der drei Religionen zu verdanken dass sich<br />

mit der zunehmenden Verfeinerung der Sitten eine gesellschaftliche Elite unter den wohlhabenden<br />

Mauren bildete die ein gesteigertes Verlangen nach exquisitem Lebensstil <strong>und</strong> Luxus hatten <strong>und</strong><br />

eine gewisse Manieriertheit nach sich zog. Die Dichtkunst nahm einen immer bedeutenderen<br />

Stellenwert ein <strong>und</strong> bald gehörten auch die Poeten zur Elite von Cordoba. Wichtigtuerisch schritten<br />

sie in ihren langen, weißen Gewändern durch die Stadt <strong>und</strong> gaben hier <strong>und</strong> da einem staunenden<br />

Straßenpublikum Kostproben ihrer Kunst.<br />

84 Arab. Titel: Hadîth Bayâd wa Riyâd. In der Bibliotheca Apostolica, Vatikan, Rom. The work of art depicted in this<br />

image and the reproduction thereof are in the public domain worldwide. The reproduction is part of a collection of<br />

reproductions compiled by The Yorck Project. The compilation copyright is held by Zenodot Verlagsgesellschaft mbH<br />

and licensed <strong>und</strong>er the GNU Free Documentation License.<br />

85 Ibn Ziryab bedeutet Amsel, auch Schwarzdrossel. Geb. 789 in Persien <strong>–</strong>gest. 857 in Cordoba<br />

86 Auf die Währungen Dinar <strong>und</strong> Dirham gehe ich später ausführlicher ein<br />

87 Henri Terrasse, „Islam d'Espagne <strong>–</strong> une rencontre de l'Orient et de l'Occident", 1958, Librairie Plon, Paris, S. 52-53..<br />

41


Auf dem Sklavenmarkt in Zabid, Jemen 88<br />

Abd al-Rahman I. war der einzige maurische Herrscher<br />

von dem bekannt ist dass er seiner syrischen Heimat<br />

nachtrauerte. Die nachfolgenden Emire <strong>und</strong> Kalifen<br />

sehnten sich nicht mehr nach einem fernen Land, al-<br />

Andalus bot den Mauren alles was das Herz begehren<br />

konnte. Wie die Herrscher im Orient liebten auch sie<br />

die Prachtentfaltung <strong>und</strong> die Ästhetik der reich mit<br />

Arabesken geschmückten arabischen Architektur. Sie<br />

ließen herrliche Bauwerke errichten <strong>und</strong> paradiesische<br />

Gärten anlegen, mit Wasserbecken <strong>und</strong> Pavillons um<br />

sich dorthin vom Tagesgeschäft zurückzuziehen oder<br />

erfreuten sich an der schattigen Kühle der<br />

Säulengänge um blumengeschmückte Innenhöfe <strong>und</strong><br />

am sanften Plätschern der Springbrunnen darin. Bei<br />

offiziellen Anlässen zeigten sie demonstrativ ihren<br />

Reichtum <strong>–</strong> ihr hoher Stand, ihre Macht wurde durch<br />

ein aufwändiges Protokoll untermauert. Außerhalb des Hofzeremoniells umgaben sie sich gern mit<br />

Poeten <strong>und</strong> dichteten zum <strong>Teil</strong> selbst. Luxussklavinnen <strong>und</strong> Musikerinnen waren immer anwesend <strong>–</strong><br />

auch in der wohlhabenden Stadtelite. Sie waren das Tüpfelchen auf dem „i“ die jedes<br />

gesellschaftliche Ereignis abr<strong>und</strong>eten. Die maurischen Chronisten <strong>und</strong> Stadtschreiber hielten mit<br />

großem Eifer jedes noch so belanglose Ereignis fest <strong>–</strong> nicht nur was den Kalifen oder die<br />

Hofgesellschaft betraf, auch über das Gesellschaftsleben wurde geschrieben: über Poeten die sich<br />

zu Dichter-Wettstreits versammelten <strong>und</strong> wie diese von statten gingen, Besuche von Gesandten aus<br />

Okzident <strong>und</strong> Orient; von fröhlichen Festen <strong>und</strong> Gelagen wurde berichtet, von liebreizenden<br />

Singmädchen, talentierten Musikerinnen <strong>und</strong> klugen Dichtersklavinnen <strong>–</strong> von schönen Palastpagen<br />

<strong>und</strong> Weinschenken oder ganz allgemein, über jede nur vorstellbare gesellschaftliche Begebenheit.<br />

Man kann sagen dass für die maurischen Chronisten, Literaten oder Poeten jedes Wort es wert war<br />

festgehalten zu werden: Palastgeflüster oder Gesellschaftsklatsch, improvisierte oder präzise<br />

ausgefeilte Lyrik, Liebesfreud oder -leid, glühendes Verlangen nach einer Angebeteten, poetische<br />

Schilderungen erotischen Inhalts oder tödlicher Hass bis hin zu politischen Verstrickungen oder<br />

Kriegsgeschehen. Große Diskretion, selbst in den intimsten Angelegenheiten war nicht angesagt <strong>–</strong><br />

alles wurde an die Öffentlichkeit getragen.<br />

Auch im maurischen Spanien war der Sklavenhandel ein äußerst einträglicher Handelszweig. Bis zur<br />

Ankunft von Ibn Ziryab im 9. Jh. wurden Singmädchen in Bagdad oder Medina gekauft <strong>und</strong> nach<br />

Cordoba gebracht. Im Orient hatten sie eine umfassende Ausbildung in Gesang, Tanz <strong>und</strong> dem Spiel<br />

verschiedener Musikinstrumente erhalten. Die meisten waren farbig, sie oder ihre Eltern waren im<br />

Zuge der Eroberungen der syrischen Omaijaden im Maghreb, in Nubien oder im Sudan gefangen<br />

genommen worden. Hellhäutige, blonde Sklaven waren äußerst rar <strong>und</strong> wenn es sie gab wurden sie<br />

zu astronomischen Preisen verkauft. Das sollte sich etwas mehr als ein Jahrh<strong>und</strong>ert nach der<br />

Musikschule des Ibn Ziryab ändern.<br />

88 Buchmalerei aus: Manuscrit arabe 5847, fol. 105, Maqâma 34: al-Hârith au marché aux esclaves, Bibliothèque<br />

Nationale de France, Département des Manuscrits, Division orientale. Autor/Titel: Al-harîrî maqâmât, Irak: 1236-1237,<br />

Künstler/Artiste: al-wâsitî. Upload Dcoetzee, 05.Feb.07. Public domain work of art<br />

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Slaves_Zadib_Yemen_13th_century_BNF_Paris.jpg,<br />

42


Die Schule der kostbaren Mädchen<br />

L’inspection des nouvelles arrivées (Musterung der Neuankömmlinge) 89<br />

Ein vielseitiger kordobesischer Gelehrter namens Ibn al-Kattani 90 erkannte mit wachem<br />

Geschäftssinn den Trend der Zeit <strong>und</strong> eröffnete in der zweiten Hälfte des 10. Jahrh<strong>und</strong>erts ein<br />

Institut für die Erziehung von Mädchen als Sing- <strong>und</strong> Dichtersklaven in Cordoba <strong>und</strong> Knaben die als<br />

Weinschenken oder Pagen ausgebildet wurden. Bei Sklaven wie Haremsaufsehern, Leibwachen<br />

oder Soldaten war eine helle Haut eher unbedeutend, die einzige Forderung die an sie gestellt<br />

wurde war bedingungsloser Gehorsam <strong>–</strong> dafür sorgte bei Palasteunuchen oder Heerführern die<br />

Kastration <strong>–</strong> damit war es ihnen unmöglich jemals eine Familie zu gründen <strong>und</strong> ein unabhängiges<br />

Leben zu führen. Hellhäutige Sklaven wurden vorwiegend von Händlern aus Nord- <strong>und</strong> Osteuropa<br />

angeboten. Das arabische Wort al-saqaliba bezeichnete in arabischen Quellen ursprünglich das<br />

Volk der Slawen <strong>und</strong> andere hellhäutige Völker in Nord- <strong>und</strong> Mitteleuropa. Wegen der großen<br />

Anzahl slawischer Sklaven in al-Andalus wurden im Lauf der Zeit alle al-saqualiba genannt, daraus<br />

entstand später das spanische Wort esclavo <strong>und</strong> wurde in ähnlicher Form von anderen Sprachen<br />

übernommen, wie im Deutschen das Wort „Sklave“. Aber es gab noch einen einfacheren Weg: die<br />

Mädchen wurden unter den Mozarabern angeworben. Viele junge Christinnen mussten nicht<br />

geraubt werden, die gesellschaftliche Stellung eine Luxussklavin oder Singmädchens war um einiges<br />

besser als das Leben das sie vielleicht erwartet hätte. Sie kamen vorwiegend aus einfachen<br />

Verhältnissen <strong>und</strong> im Vergleich zu den Bediensteten die normale Arbeiten bei Hof <strong>und</strong> in<br />

Residenzen der gehobenen Gesellschaft verrichteten nahmen die Mädchen bei ihren Besitzern eine<br />

bevorzugte Stellung ein. Anfangs fand Ibn al-Kattani die Christinnen zwar etwas plump <strong>und</strong> geistig<br />

träge <strong>–</strong> aber auch sie lernten singen, anspruchsvollen Konversationen zu folgen, erwarben<br />

Kenntnisse in der Dichtkunst <strong>und</strong> beherrschten mindestens ein Musikinstrument.<br />

89 Giulio Rosati (1858<strong>–</strong>1917), uploaded by Barbe-Noire, 22:46, 11 November 2008. Wikimedia Commons, public domain<br />

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/12/Inspecting_New_Arrivals_by_Giulio_Rosati_2.jpg File is<br />

identified as being free of known restrictions <strong>und</strong>er copyright law, including all related and neighboring rights.<br />

90 (zuweilen auch Ibn al-Kinani genannt), Muhammad ibn al-Hasan al-Madhayti al-Kattani (Cordoba, 950 <strong>–</strong> Zaragoza<br />

1029), Arzt, Philosoph, Literat, Astrologe, Musiker <strong>und</strong> Dichter.<br />

43


War ihre Ausbildung beendet wurden sie zu Höchstpreisen verkauft <strong>–</strong> nicht nur in al-Andalus, auch<br />

in den arabisch sprechenden Mittelmeerraum <strong>und</strong> in den Orient. Dort galten hellhäutige, blonde<br />

Sklaven als besonders exotisch. Während ihrer harten Ausbildung hatten sie ihre Unschuld<br />

bewahrt, das machte sie zusätzlich zu einer höchst begehrten Handelsware. Es stand ihnen frei<br />

Einladungen anzunehmen oder abzulehnen, wobei es hier galt sorgfältig das Für <strong>und</strong> Wider<br />

abzuwägen, denn eine abschlägige Antwort konnte zu einer gefährlichen Gratwanderung zwischen<br />

Leben <strong>und</strong> Tod werden. Waren sie besonders begabt durften sie sogar an Dichterr<strong>und</strong>en<br />

teilnehmen. Aber lassen wir Ibn al-Kattani selbst von sich <strong>und</strong> seinem Institut schwärmen <strong>–</strong> auch<br />

das verdanken wir den maurischen Überlieferungen:<br />

(…)„Ich bin fähig, die Intelligenz eines Steins zu erwecken, umso mehr die von Personen,<br />

wie ungeschliffen sie auch sein mögen. Wisset, dass ich gerade vier Christinnen habe<br />

die, gestern noch dumm <strong>und</strong> ungebildet, heute gelehrt <strong>und</strong> weise sind; sie haben<br />

Kenntnisse in Logik, Mathematik <strong>und</strong> Philosophie <strong>und</strong> können mit einem Astrolabium<br />

umgehen. Außerdem sind sie versiert in Grammatik, Literatur <strong>und</strong> Kalligraphie. Sie<br />

haben Abhandlungen über wissenschaftliche Themen geschrieben <strong>und</strong> sich auch die<br />

instinktiven Kenntnisse der Beduinen über die sie umgebende Natur angeeignet. Das ist<br />

der herrliche Beweis dafür dass ich einzigartig bin. Ich habe viel Zeit mit Versuchen <strong>und</strong><br />

Beobachtungen verbracht. So erkennt denn <strong>–</strong> auf dass Gott euch Kraft gewähren möge!<br />

<strong>–</strong> meinen großen Wert <strong>und</strong> zollt mir den Ruhm der mir gebührt. Versucht nicht einen<br />

Gelehrten zu finden der mir ebenbürtig wäre oder auch nur einen <strong>Teil</strong> meiner<br />

Verdienste hätte. Ihr würdet ihn nicht finden, auch wenn ihr in den entferntesten<br />

Ländern suchen ginget(...)“ 91<br />

91 Henri Pérès, Esplendor de al-Andalus, Ediciones Hiperión, S.L., Madrid, 1990, S. 386<strong>–</strong>387 <strong>–</strong> aus: Al-Dachira, III.,<br />

(Gotha), 85b-86a<br />

44


Die Luxussklavinnen waren bekleidet mit leichten fließenden Stoffen <strong>und</strong> trugen weiche,<br />

durchsichtige Schleier die mehr erraten ließen als sie verbergen sollten. Kein gesellschaftlicher<br />

Anlass war ohne ihre anregende Gesellschaft denkbar. Bei offiziellen Gelegenheiten bei Hof wie es<br />

Empfänge von Gesandten waren, blieben weibliche Musikgruppen zumeist hinter einem Vorhang<br />

verborgen. Es scheint dass es wahre Juwelen unter seinen Zöglingen gab, es wird erzählt, dass am<br />

Hof des Königs von Denia 92 eine Sklavin im ganzen Land berühmt wurde weil sie als einzige wusste,<br />

wie die Grübchen in den Wangen heißen <strong>und</strong> dass Ibn al-Kattani eine andere Sklavin zum Preis von<br />

3.000 Dinaren (60.000 Goldfranken 93 ) verkaufte. Dieses Mädchen muss wirklich einmalig gewesen<br />

sein <strong>–</strong> der Chronist Ibn Bassam 94 preist ihre Vorzüge in überschäumender Weise:<br />

„Keiner hatte je eine Frau von so lieblichem Äußeren gesehen <strong>–</strong> mit so lebhaften<br />

Bewegungen, einem so schlanken Körper <strong>und</strong> einer so süßen Stimme dass niemand<br />

besser singen konnte. Sie konnte lesen <strong>und</strong> schreiben <strong>und</strong> beherrschte die Kunst der<br />

Kalligraphie, war über die Maßen kultiviert <strong>und</strong> hatte eine reine Aussprache. Sie<br />

machte nie einen Fehler in Rhythmus <strong>und</strong> Metrik wenn sie sang oder dichtete.<br />

Dazu besaß sie solche Kenntnisse auf den Gebieten Medizin, Naturgeschichte,<br />

Anatomie <strong>und</strong> anderen Wissenschaften, dass es schwer gewesen wäre ebenbürtige<br />

Gelehrte zu finden. Sie beherrschte mehrere Waffen <strong>und</strong> konnte mit Lederschilden,<br />

Säbeln, Lanzen <strong>und</strong> Dolchen jonglieren. Es gab niemanden der sich mit ihr messen<br />

konnte. Um diesem W<strong>und</strong>er von Frau einen gebührenden Rahmen zu geben kaufte ihr<br />

neuer Herr, Prinz Hudayl ibn Razin 95 noch eine große Anzahl von anderen Mädchen die<br />

gerühmt wurden ob ihrer Kunst mit Schwertern zu jonglieren. Zudem nannte er auch<br />

noch eine über die Grenzen seines Landes hinaus berühmte Musikgruppe sein Eigen, die<br />

nur aus Frauen bestand.” 96<br />

In Ibn al-Kattanis Epoche galt sein Institut als das prestigeträchtigste in al-Andalus. Als im Jahr 1010<br />

in Cordoba ein Bürgerkrieg ausbrach verlegte Ibn al-Kattani seine Schule nach Zaragoza. Berühmt,<br />

reich <strong>und</strong> hoch betagt starb er dort eines natürlichen Todes. Als Literat schrieb er die Antologie:<br />

„Dichterische Vergleiche der Andalus-Araber“ 97 <strong>–</strong> ein Regelwerk für jeden Andalusforscher. Darin<br />

sind Verse <strong>und</strong> Gedichte von r<strong>und</strong> einh<strong>und</strong>ert maurischen Dichtern nach Themen gegliedert<br />

wiedergegeben. Das Sammelwerk ist von unschätzbarem Wert da es einen direkten Einblick in die<br />

kulturellen <strong>und</strong> gesellschaftlichen Entwicklungen in al-Andalus erlaubt. Eins seiner Werke mit dem<br />

Titel Muhammad <strong>und</strong> Suda soll autobiografische Züge haben. Es muss in der Zeit geschrieben<br />

worden sein als er schon in Zaragoza lebte. Suda war wahrscheinlich eins der Christenmädchen<br />

gewesen die in Zaragoza angeworben <strong>und</strong> als Luxussklavinnen nach Cordoba gebracht wurden,<br />

nachdem sie vom Meister in Literatur <strong>und</strong> Wortkunst, in Musik, einigen Wissenschaften <strong>und</strong> in<br />

höfischem Benehmen unterrichtet worden waren.<br />

92 11. Jh., In der 1. Hälfte des 11. Jh. ging das Kalifat von Cordoba in einem Bürgerkrieg unter <strong>und</strong> al-Andalus zerfiel in<br />

viele kleine Splitterreiche. Denia war ein Taifa-Königreich.<br />

93 Im Mittelalter: französische Goldfranken<br />

94 Abu l-Hasan ‘Ali Ibn Bassam al-Santarini, Geschichtsschreiber <strong>und</strong> Poet in Al-Andalus. Zwischen1106 <strong>und</strong> 1111<br />

entstand sein Hauptwerk; die al-Ḏaḫīra fī maḥāsin ahl al-ǧazīra (Schatzkammer der Verdienste/Errungenschaften der<br />

Leute von der [iberischen Halb]Insel), eine der wichtigsten Quellen zu Geschichte, Literatur <strong>und</strong> Kultur im 11. Jh.<br />

95 Die Mitglieder der Berberfamilie Banu Razin gingen schon zu Zeiten des Emirats von Cordoba bei Hof ein <strong>und</strong> aus <strong>und</strong><br />

besaßen viele Liegenschaften außerhalb der Stadt.<br />

96 Henri Pérès, Esplendor de al-Andalus, Ediciones Hiperión, S.L., Madrid, 1990, S. 386<strong>–</strong>387<br />

97 Kitab al-Tasbihat min as'ar ahl al Andalus von Ibn al-Kattani. Die Sammlung wurde von dem Islamwissenschaftler<br />

Wilhelm Hoenerbach übersetzt <strong>und</strong> erschien 1973 im Selbstverlag des Orientalischen Seminars der Universität Bonn<br />

45


Cordoba <strong>–</strong> „Perle des Okzidents!“<br />

Hroswitha von Gandersheim 98 , 10. Jh., überreicht Kaiser<br />

Otto I. ihr lateinisches Werk Gesta Oddonis. Sie pries das<br />

damalige Cordoba als „Kleinod der Welt“! <strong>und</strong> „Perle des<br />

Okzidents!“!<br />

Die berühmteste maurische Palaststadt ist ohne Zweifel<br />

die Alhambra in Granada. Es wurde so viel über sie<br />

geschrieben dass ich hier nicht mehr darauf eingehen<br />

brauche. Aber es gab in al-Andalus eine Palaststadt viel<br />

früheren Datums die ebenso bedeutend wenn nicht noch<br />

berühmter war. Sie stammt aus der Blütezeit der<br />

maurischen Hochkultur im 10. Jh. <strong>und</strong> konnte nur dank<br />

überlieferter Texte bestimmt werden: ihr Name war<br />

Medina Azahara 99 , ungefähr 8 km westlich von Cordoba<br />

gelegen. Nur durch einen Zufall wurde sie am Anfang des<br />

20. Jahrh<strong>und</strong>erts an einem Ausläufer der Sierra<br />

Morena 100 , dem sogenannten „Berg der Braut“ entdeckt.<br />

Lange hatten spanische, französische oder deutsche<br />

Historiker, Arabisten <strong>und</strong> Archäologen ihre Existenz<br />

angezweifelt <strong>und</strong> die überschwänglichen Schilderungen<br />

maurischer Chronisten von einer märchenhaften, prachtvollen Palaststadt für Legenden gehalten.<br />

Inzwischen weiß man dass sie seinerzeit die größte Stadt im gesamten Mittelmeerraum war. Die<br />

Ausgrabungen wurden nur durch die Jahre des spanischen Bürgerkriegs unterbrochen <strong>und</strong> dauern<br />

heute noch an, wenn auch der wichtigste <strong>Teil</strong> inzwischen freigelegt <strong>und</strong> so gut es ging rekonstruiert<br />

oder restauriert wurde. Sie hatte gewaltige Ausmaße, hangabwärts erstreckte sie sich über r<strong>und</strong><br />

112 Hektar: 1500 m von Ost nach West <strong>und</strong> 750 m von Nord nach Süd. Wie wir den<br />

Überlieferungen entnehmen, sollte die Prachtentfaltung von Medina Azahara den Glanz des Kalifats<br />

von Cordoba im 10. Jh. wiederspiegeln. Ein Hofdichter <strong>und</strong> Rethoriklehrer aus Cordoba namens Ibn<br />

Abd Rabbihi 101 erging sich in Lobpreisungen des Kalifen:<br />

„Er stellte die Einheit des Reiches wieder her <strong>und</strong> riss die Schleier der<br />

Finsternis herab (…) In seinem Glanz erstrahlte ein neuer Morgen”.<br />

Unter Abd al-Rahman III. wurde Cordoba zu einem Leuchtturm der Zivilisation <strong>und</strong> Kultur. Die<br />

deutsche Kanonissin <strong>und</strong> Schriftstellerin Hroswitha von Gandersheim erging sich in Lobeshymnen<br />

über die Stadt. Sie gilt als die erste deutsche Dichterin <strong>und</strong> schrieb religiöse <strong>und</strong> historische Werke<br />

sowie Lyrik; ihr werden die ersten Dramen seit der Antike zugeschrieben.<br />

98 Hroswitha (auch: Hrotsvita, Hrosvit, Roswitha oder Hroswitha (ca. 935 <strong>–</strong> nach 973, ca. 1002?) war eine Kanonissin von<br />

Stift Gandersheim (heute in Niedersachsen). Sie gehörte dem Orden der Benediktiner an, war eine bekannte deutsche<br />

Schriftstellerin <strong>und</strong> glühende Verehrerin von Kaiser Otto. I. <strong>und</strong> schrieb die „Gesta Oddonis“, eine lateinische Erzählung<br />

über die Taten Kaiser Ottos I. mit seiner Biographie.<br />

99 arab. Madīnat az-Zahrā' (die leuchtende Stadt, die strahlende Stadt), auch: Medina al-Zahara, Madinat Zahara<br />

100 Das dunkle Gebirge. Das Gebirge trennt Andalusien im Nordwesten von der span. Provinz Extremadura <strong>und</strong> dem<br />

kastilischen Hochplateau<br />

101 Cordoba, 860-940<br />

46


Cordoba im 10. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

Cordoba im 10. Jahrh<strong>und</strong>ert. Zum Vergleich: Anfang des 21. Jh. war Cordoba ebenso groß wie<br />

hier gezeigt 102 . ©Consejería de Medio Ambiente y Ordenación del Territorio de la Junta de<br />

Andalucía 103<br />

Cordoba war im 10. Jh. übervölkert, arabische Chroniken sprechen von bis zu einer Million<br />

Einwohner <strong>–</strong> wahrscheinlich ist, dass es zwischen 350.000 <strong>und</strong> in der Mitte des 10. Jh. sogar<br />

500.000 waren. Zur gleichen Zeit hatten Paris oder London noch nicht einmal r<strong>und</strong>e 30.000<br />

Einwohner <strong>–</strong> nur in Konstantinopel lebten in jener Zeit so viele Menschen. Es gab 27 öffentliche<br />

Schulen für Mädchen <strong>und</strong> Jungen, für Kinder aus bescheidenen Verhältnissen war der Unterricht<br />

kostenlos. Die Beziehungen mit den Christenkönigen im Norden Spaniens waren ausgeglichen, man<br />

respektierte einander; jugendliche Adlige wurden sogar an den Kalifenhof geschickt um dort eine<br />

exquisite Erziehung zu genießen.<br />

Kein W<strong>und</strong>er, dass die Kalifenstadt zum Ziel für Gelehrte, Poeten, Musiker <strong>und</strong> Kunsthandwerker<br />

aus ganz Arabien <strong>und</strong> Nordafrika wurde. Auch für Landwirtschaft, Handel <strong>und</strong> Handwerk brach eine<br />

Blütezeit an. Die Ortschaften wuchsen rasch, neue Gassen wurden geplant <strong>und</strong> gepflastert, in<br />

Cordoba gab es die ersten Straßenlaternen im Abendland. Der städtischen Hygiene wurde<br />

besondere Aufmerksamkeit geschenkt <strong>und</strong> die Versorgung der öffentlichen Brunnen mit sauberem<br />

Trinkwasser gewährleistet <strong>–</strong> Abwässer wurden unterirdisch entsorgt. Von größter Wichtigkeit war,<br />

dass für die Bauern Wasser in ausreichender Menge zur Verfügung stand. Dafür gab es eine eigene<br />

Institution die die Wasserverteilung regelte. Die florierenden Städte mussten mit Lebensmitteln<br />

versorgt werden <strong>und</strong> selbst die Bauern brachten es zu bescheidenem Wohlstand. Aus dem<br />

maurischen Granada stammt eine Tradition die von den Christen nach der Rückeroberung der<br />

muslimischen Gebiete übernommen wurde: das Wassergericht. Der Brauch hat sich bis in unsere<br />

Tage erhalten, es tagt noch heute in Valencia um Streitigkeiten zwischen Landwirten zu schlichten.<br />

102 327.362 Einwohner im Jahr 2015. Dabei gilt zu beachten, dass arabische/maurische Städte immer sehr in sich<br />

verschachtelt gebaut <strong>und</strong> die Gassen sehr eng sind. Siehe das Beispiel der Altstadt von Fès. Daher erscheint eine<br />

Einwohnerzahl von 500.000 im X. Jh. durchaus plausibel.<br />

103 fotografiert im Centro de Recepción de Visitantes <strong>–</strong> Visitors Center, Turismo de Andalucía <strong>und</strong> Turismo de Córdoba,<br />

Plaza del Triunfo, Cordoba<br />

47


In den Baños del Alcázar Califal,<br />

Cordoba 104 , zweite Hälfte 10. Jh.,<br />

erbaut unter Kalif Hakam II. 105<br />

Baumeister, Steinmetze, Gartenbauer<br />

für Lustgärten, Freskenmaler<br />

<strong>und</strong> Zimmerleute, Weber,<br />

Töpfer oder Schreiner hatten alle<br />

Hände voll zu tun um der<br />

wachsenden Nachfrage aus<br />

Palästen, öffentlichen Bädern,<br />

aus den Residenzen wohlhabender<br />

Bürger nachzukommen.<br />

Vornehme französische Damen<br />

ließen elegante Roben in Cordoba anfertigen <strong>–</strong> Teppiche <strong>und</strong> Wandbehänge mit orientalischen<br />

Mustern hielten Einzug in christliche Burgen. Die neuen Bauwerke verlangten auch nach<br />

standesgemäßer Einrichtung: Groß war der Bedarf an Möbeln <strong>und</strong> Haushaltswaren aller Art aus<br />

wertvollen Hölzern <strong>und</strong> Metallen, aus Keramiken, Glas <strong>und</strong> Stoffen. Wände <strong>und</strong> Böden wurden mit<br />

Wandbehängen <strong>und</strong> Teppichen, Ruhepodeste in Schlafgemächern <strong>und</strong> Sitzbänke mit Kissen <strong>und</strong><br />

Polstern geschmückt. Allein in dem kleinen Mittelmeerstädtchen Almería gab es im 11. Jh. an die<br />

5.000 Webstühle <strong>und</strong> an den Molen seines Hafens wurden wöchentlich Dutzende von Schiffen be<strong>und</strong><br />

entladen. Rührige Händler wussten auch die ausgefallensten Wünsche nach erlesenen<br />

Luxusgütern selbst aus China, Indien oder Arabien zu befriedigen. Die Waren kamen über die Große<br />

Seidenstraße <strong>und</strong> die Weihrauchstraße auf die Märkte im Vorderen Orient von wo aus sie auf dem<br />

Landweg oder per Schiff nach al-Andalus transportiert wurden.<br />

Die Bäder in al-Andalus<br />

Aus Cordoba ist überliefert dass es im 10. Jh. an die 300 öffentliche Hamams gab; damals hieß es<br />

„dass ein Bettler lieber auf ein Stück Brot verzichtet als auf ein Bad“. Die arabischen Bäder dienten nicht<br />

nur der Reinigung, für Frauen <strong>und</strong> Männer waren sie regelrechte Wellnessoasen, Orte des<br />

körperlichen Wohlbehagens. Dort konnte man sich die Haare schneiden, sich depilieren <strong>und</strong><br />

massieren lassen. Gleichzeitig waren sie gesellschaftliche Treffpunkte <strong>und</strong> waren, wie die Arabistin<br />

María Jesús Rubiera in ihrem Buch feststellt, im wahrsten Sinn des Wortes „Häuser der Lust“ “ 106 .<br />

Von den mehreren 1.000 arabischen Bädern in al-Andalus sind nur sehr wenige erhalten geblieben.<br />

Nach Abschluss der christlichen Rückeroberung wurden die meisten Moscheen, Paläste oder<br />

Stadthäuser wohlhabender Mauren umgebaut: Aus Moscheen wurden Kirchen, aus Minaretts<br />

Glockentürme, prächtige Residenzen wurden christlichen Feldherren zugeteilt die sich besondere<br />

Verdienste bei der Rückeroberung erworben hatten <strong>und</strong> im Renaissancestil umgestaltet.<br />

104 Al-Hakam II. war der Sohn <strong>und</strong> Nachfolger von Kalif Abd al-Rahman III., er herrschte von 961<strong>–</strong>976. Der Hamam<br />

„Bäder des Kalifenpalasts“ wurde 1903 zufällig bei Erdarbeiten entdeckt <strong>und</strong> zwischen 1961 y 1964 soweit freigelegt<br />

dass er restauriert werden konnte. Heute liegt der Eingang wieder unter der Erde.<br />

105 Baños del Alcázar Califal, Foto: Stefanía Villanueva y Lucía Silva, Autor: Delegación de Cultura Ayto de Córdoba,<br />

trans-ferred from Flickr via Flickr2CommonsLizenz, Creative Commons Attribution 2.0 Generic, upload: 31.01.2016 by<br />

Hameryko. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ba%C3%B1os_del_Alc%C3%A1zar_Califal_(24375040152).jpg<br />

106 La literatura en la Arquitectura Árabe, deutsche Übersetzung von Isabel Blanco del Piñal Rosen der Wüste <strong>–</strong> Die<br />

Architektur in der arabischen Literatur, Verlag RoseNoire, München, S. 115-123<br />

48


Nach der christlichen Eroberung der Maurenreiche blieben die Hamams noch geöffnet bis König<br />

Philipp II. 107 im 16. Jh. ein Dekret erließ dass sie Orte der Sünde <strong>und</strong> zu schließen seien. Die<br />

öffentlichen Bäder wurden dem Erdboden gleich gemacht, nur wenige haben die Zerstörung<br />

überlebt wie die Hamams in Gerona, Jaen, Ronda oder die vorher zitierten Baños Califales in<br />

Cordoba. Von den H<strong>und</strong>erten Hamams in der Stadt Granada ist das Baño del Nogal, auch El Bañuelo<br />

genannt, aus dem 11. Jh. erhalten geblieben.<br />

Baño del Nogal (El Bañuelo), 11. Jh. Bild:<br />

© Patronato de la Alhambra, Granada/Pepe Marín Zarza<br />

Der kordobesische Poet Ibn Schuhaid beschreibt uns den Saal eines luxuriösen Bads aus<br />

Marmor so:<br />

„Sprachlos bin ich vor Wonne in diesem Bad, denn mir war,<br />

als würde sich mir das Himmelsr<strong>und</strong> eröffnen.<br />

Das Rot <strong>und</strong> das Weiß über uns machen uns glauben,<br />

sie seien die Wange der Geliebten,<br />

wenn Schweißperlen sie bedecken.<br />

Entzückt über die Schönheit dieses Bads<br />

begann die Tageszeit das Sternenzelt der Decke<br />

mit dem Erröten der Dämmerung zu färben“.<br />

Ibn Bassam 108 (Antologie)<br />

Ψ<br />

107 geb. Mai 1527-gest. Sept. 1598<br />

108 María Jesus Rubiera, La arquitectura en la literatura árabe, S. 102. Enthalten in: al-Dhachira (al-Dajira) von Ibn<br />

Bassam, Bd. I, I, S. 258. Dazu s. Fußnote 90 auf S. 44.<br />

49


Die Hamams von Granada sind späteren Datums, die Stadt wurde erst am Anfang des 11. Jh. von<br />

einem berberischen Heerführer aus dem Stamm der Ziriden auf dem Hügel Albaicín 109 gegründet. In<br />

allen größeren Städten gab es H<strong>und</strong>erte von öffentlichen Bädern. Einige müssen ähnlich prächtig<br />

ausgestattet gewesen sein wie das Bad im Palast Khirbet al Mafdschar. Das lässt ein Lobgedicht auf<br />

die Reize einer Marmorstatue die in einem Hamam in Sevilla stand vermuten:<br />

Im Baño de Comares 111 , La Alhambra,<br />

Bild: ©Patronato de la Alhambra, Granada<br />

Fotograf: Pepe Marín Zarza<br />

„In der Mitte unseres Hamam<br />

steht eine Frau,<br />

die dich beim ersten Blick verzaubert<br />

<strong>und</strong> dich mit jeder Einzelheit verführt.<br />

Ihre Haut ist leuchtend rein,<br />

ihre Wange, ein glattes R<strong>und</strong>,<br />

das Gesicht ist lieblich<br />

<strong>und</strong> der Blick, sittsam gesenkt.<br />

Ihre Gestalt ragt schlank empor <strong>–</strong><br />

ein moschusduftender Weidenzweig,<br />

von einer fruchtbaren Erde<br />

gestillt <strong>und</strong> genährt.<br />

Ihr Lächeln, öffnete sie dabei die Lippen,<br />

würde die Perlreihen ihrer Zähne zeigen,<br />

wie Hagelkörner so weiß.<br />

Wie sie sich umschaut,<br />

tut sie es mit einer Geste,<br />

die in ihrer unbeschreiblichen Anmut<br />

eine Andeutung ist <strong>und</strong> in euch<br />

Gedanken an die Lust der Liebe erweckt.“<br />

Ibn Zaidun, Sevilla, 11. Jh. 110<br />

Die Nasridenkönige 112 begannen mit dem Bau der Kasbah, der imposanten Stadtburg der Alhambra,<br />

in der ersten Hälfte des 13. Jh. es dauerte bis ins 14. Jh. hinein bis eine richtige kleine Stadt auf dem<br />

Alhambrahügel entstand. Der Kern besteht aus mehreren Palästen die ineinander übergehen. Der<br />

eindrucksvollste ist der königliche Palast Comares mit dem legendären Myrtenhof. Eine Ausnahme<br />

ist das kleine Lustschlösschen Generalife <strong>–</strong> es liegt auf einem nahen Hügel gegenüber der Alhambra.<br />

Es gab einige palastartige Gebäude mehr als die die wir heute sehen, sie wurden für den Bau des<br />

Palasts Kaiser Karls I. von Spanien, der zugleich Kaiser Karl V. des Römisch-Deutschen Reichs war,<br />

abgerissen. Es gab immer wieder Stimmen die kritisierten dass maurische Paläste dem Palast Kaiser<br />

Karls V. zum Opfer fielen. Doch müssen wir uns in die Zeit nach der christlichen Eroberung der<br />

muslimischen Gebiete versetzen. Alles was Zeugnis ablegte von der Blütezeit der maurischen<br />

Hochkultur war verhasst. Es ist wahrscheinlich nur dem Palast <strong>und</strong> dem Kunstverstand des römischdeutschen<br />

Kaisers zu verdanken dass die Alhambra wie wir sie heute sehen, erhalten blieb.<br />

109 Das Viertel auf dem Hügel Albaicín ist der älteste <strong>Teil</strong> der Stadt Granada. Er liegt direkt gegenüber der Alhambra.<br />

110 Henri Pérès, Esplendor de al-Andalus, Ediciones Hiperión S.L., Madrid 1990, S. 336.<br />

111 Der Hamam liegt unmittelbar am Palast des Monarchen, dem Palacio de Comares.<br />

112 Stammvater der Dynastie war ein adliger Maure namens Muhammad ibn Nazar (auch Nasr) im Jahr 1238, daher<br />

Dynastie der Nasriden.<br />

50


Bilder oben <strong>und</strong> unten: Im Baño de Comares, in Alhambra,<br />

Granada. © Fotos: Patronato de la Alhambra, Granada/ Pepe<br />

Marín Zarza<br />

Inzwischen weiß man, dass jeder Palast in der Alhambra<br />

einen eigenen Hamam hatte <strong>–</strong> im Wohnviertel der Stadtburg<br />

gab es wahrscheinlich mehrere öffentliche Bäder. Eins davon<br />

ist erhalten, es gehörte zur ehemaligen Hauptmoschee die<br />

Anfang des 17. Jahrh<strong>und</strong>erts zur Kirche Iglesia de Santa<br />

María de la Alhambra, umgestaltet wurde. Spektakulär ist<br />

das Bad Baño de Comares, der Hamam des Königs in der<br />

Alhambra. 113 Er war nur für ihn, für seinen Harem <strong>und</strong><br />

wahrscheinlich auch für hohe Gäste bestimmt, ähnlich dem<br />

arabischen Bad im Palast Khirbet al Mafdschar.<br />

Der Hamam hat als einziger in der westlichen Welt fast<br />

unversehrt unsere Zeit erreicht. Nur die schmückenden<br />

Kachel- <strong>und</strong> Fliesenarbeiten wurden im 15. Jh. nach der<br />

christlichen Eroberung Granadas wahrscheinlich von<br />

maurischen Kunsthandwerkern erneuert. Der schönste<br />

Raum ist herrlich. Hier entledigte man sich seiner Gewänder oder ruhte nach der ausgiebigen<br />

Badeprozedur noch eine Weile entspannt auf den erhöhten, von unten beheizten,<br />

mosaikdekorierten Liegeflächen in den Nischen. Daher erhielt der Raum den Namen Sala de las<br />

Camas (Saal der Liegen). Den Abschluss des Raums bildet eine Kassettendecke. Der erste Stock<br />

diente wahrscheinlich auch der Repräsentation. Es wird erzählt dass der Sultan von der r<strong>und</strong>um<br />

laufenden Galerie seine Haremsdamen von dort beobachtete <strong>und</strong> der Auserwählten für die nächste<br />

Nacht einen Apfel zuwarf.<br />

113 Der Hamam war lange Zeit schlicht als „Königliches Bad“ bekannt weil er zu den Gemächern der Christenkönige<br />

Isabella I. von Kastilien <strong>und</strong> Ferdinand II. von Aragonien gehörte. Nach ihrem Sieg über Granada im Jahr 1492 war das<br />

letzte muslimische Reich in Spanien erobert, danach wohnten sie in der Alhambra.<br />

51


Die Palaststadt Medina Azahara 114<br />

Kalif Abd al-Rahman III. empfängt christliche Gesandte aus Byzanz<br />

im Botschaftersaal von Medina Azahara. 115<br />

Im 10. Jh. unter Kalif Abd al-Rahman III. beginnt der letzte glanzvolle <strong>und</strong> zugleich tragische<br />

Abschnitt des Kapitels „<strong>Herrschen</strong> <strong>und</strong> <strong>Genießen</strong>“. Nach der Wissenschaftlerin María Jesús Rubiera<br />

erlag der Kalif einem wahren Baufieber das seinen Höhepunkt in Medina al-Zahara erreichte. Er<br />

renovierte das Lustschloss La Noria 116 , errichtete das Minarett 117 der heutigen Moschee-Kathedrale<br />

in Cordoba <strong>und</strong> am Ende, die legendäre Stadtburg Medina Azahara. Sie war die Krönung der<br />

Baukunst der Kalifen <strong>und</strong> vielleicht ein Symbol für eine Architektur deren einziges Ziel es war mit<br />

ihrer Ästhetik die Sinne zu erfreuen. Für die Beschreibung von Medina Azahara gibt es eine Fülle<br />

von detailverliebten Überlieferungen maurischer Chronisten, Lobredner <strong>und</strong> Literaten.<br />

„(…)Danach plante er Madinat az-Zahra, dort sollte seine Residenz sein <strong>und</strong> der Thron<br />

seines Reiches stehen, <strong>und</strong> er füllte sie mit Gebäuden, Palästen <strong>und</strong> Gärten, dazu<br />

kamen weite Gehege für Wild <strong>und</strong> Häuser für Vögel, mit Netzen umhüllt. Er baute in<br />

der Stadt auch verschiedene Fertigungsstätten für Gebrauchsgegenstände, Waffen,<br />

Schmuck <strong>und</strong> andere Sachen“.<br />

Al-Maqqari, Naf al-Tib 118<br />

114 span. Name, abgeleitet vom arabischen Madīnat az-Zahrā', die leuchtende, die strahlende Stadt<br />

115 Gemälde von Dionís Baixeras i Verdaguer (1862<strong>–</strong>1943) fotografiert im Turm Torre de la Calahorra, im Museumsturm<br />

der Stiftung F<strong>und</strong>ación Paradigma de Córdoba (am Ende der römischen Brücke).<br />

Das Bild ist ein Phantasieprodukt, sehr charakteristisch für die Zeit der Orientmalerei/-literatur im romantischen<br />

Zeitalter(19. Jh.). Wahrscheinlich hat es wenig mit der Realität zu tun, kann aber unsere Phantasie unterstützen.<br />

116 „Das Schöpfrad“<br />

117 Der heutige Glockenturm der Moschee-Kathedrale. Das Minarett erhielt einen Aufbau im Renaissancestil.<br />

118 s. Fußnoten 60, 61, S. 28, Bd. II, S. 112<br />

52


Der Bau begann im Jahr 936 <strong>–</strong> an die insgesamt 10.000 Menschen <strong>–</strong> Baumeister, Sklaven,<br />

Handwerker, Gärtner <strong>und</strong> Kunsthandwerker waren daran beteiligt. Obwohl die Arbeiten noch nicht<br />

ganz beendet waren zog der Hof 945 dorthin um. Die Hauptmoschee war seit 941 fertiggestellt <strong>–</strong><br />

um das Jahr 947 wurde die Münzprägeanstalt nach Medina Azahara verlegt. Der Kalif ließ<br />

verkünden, dass jeder Bürger der sein Haus in der Nähe des Herrschers errichten wolle von ihm 400<br />

Dirham 119 erhalten würde. Bald erstreckte sich die Stadt über mehr als 40 Morgen Land. Die<br />

gesamte Bauzeit dauerte an die 40 Jahre, bis in die Regierungszeit von al-Hakam II., dem Sohn <strong>und</strong><br />

Thronfolger von Abd al-Rahman III. der die Palaststadt vollendete.<br />

Über die Entstehung von Medina Azahara hält sich hartnäckig eine Legende. Auch der maurische<br />

Mystiker, Sufimeister <strong>und</strong> Literat Ibn ‘Arabi der als Doctor Maximus des Sufismus gilt, griff sie in<br />

einem seiner Werke 120 auf. Das ist auch gut so, denn wie sich bei der sehr späten Entdeckung der<br />

Ruinen im Jahr 1911 <strong>und</strong> den, inzwischen seit r<strong>und</strong> einem Jahrh<strong>und</strong>ert währenden, Ausgrabungs<strong>und</strong><br />

Restaurierungsarbeiten herausstellte, verdiente die Palaststadt tatsächlich die Bezeichnung<br />

„märchenhaft“.<br />

„Sagte Muhyi l-Din ibn al-‘Arabi: Einige Weise von al-Andalus erzählten mir, dass der<br />

Gr<strong>und</strong> für den Bau von Madinat az-Zahra der war dass die angesehenste Konkubine des<br />

al-Nasir [Abd ar-Rahman III.] im Jahr 936 starb. Sie hinterließ eine Schatztruhe voller<br />

Gold <strong>und</strong> Juwelen. Der Kalif ordnete an, mit diesen Schätzen die Glaubensbrüder<br />

freizukaufen, die im Laufe kriegerischer Auseinandersetzungen in die Hände von<br />

Ungläubigen gefallen sind. Da die ausgesandten Späher jedoch nirgends gefangene<br />

Muslime ausmachen konnten, fragte der Kalif seine Favoritin al-Zahara, was so viel<br />

heißt wie „die Orangenblüte“, was er mit diesen Reichtümern machen solle. Al-Zahara<br />

wünschte sich eine Stadt die ihren Namen tragen sollte. Und so wurde einer Bergflanke,<br />

ungefähr vier Meilen nordwestlich von Cordoba, die Palaststadt Medina Azahara<br />

erbaut. Abd al-Rahman befahl, das Portrait der Namensgeberin über dem Stadttor<br />

einzumeißeln<br />

Als alles fertig war, bew<strong>und</strong>erte al-Zahara die strahlende Schönheit der Stadt,<br />

angeschmiegt an den dunklen Berg <strong>und</strong> sagte: „Oh mein Gebieter, siehst du nicht die<br />

schöne Sklavin in der Armbeuge dieses hässlichen Schwarzen?“ Der Kalif befahl, den<br />

Berg abzutragen doch seine Höflinge sagten: „Der Herrscher der Gläubigen versucht<br />

etwas, was gegen alle Vernunft ist. Auch wenn alle Lebewesen dieser Erde schaufeln<br />

würden könnten sie ihn doch nie verschwinden lassen. Das kann nur der, der ihn<br />

geschaffen hat.“ Da befahl er alle Bäume an dem Berg zu fällen. An ihrer statt ließ er<br />

Feigen- <strong>und</strong> Mandelbäume pflanzen, <strong>und</strong> so erschien zur Blütezeit die Landschaft<br />

fröhlich <strong>und</strong> hell.“<br />

Al-Maqqari, Nafh al-Tib, nach Ibn al-Arabi, 12. Jh. 121<br />

119 Der Dirham war eine Silber- <strong>und</strong> der Dinar eine Goldmünze (4.25 Gr.). Historiker schätzten das Jahreseinkommen in<br />

der Zeit des Kalifats unter Abd al-Rahman III. auf ca. 6.245 Mio. Dinar allein durch Steuern. Zum Vergleich: Ein erster<br />

Minister (Großwesir) erhielt 80.000 Dinar im Jahr, davon musste er aber seine Leibwache selbst bezahlen.<br />

120 Ibn al-Arabi (1164<strong>–</strong>1240), in (gekürzt) Muhadarat al-abrar (Unterhaltung der Frommen), Übersetzung Ma. Jesús<br />

Rubiera Mata, Literatura Hispanoárabe, Editorial Mapfre, Madrid 1992, S. 184. Sufismus ist ein sehr alter, friedlicher<br />

Zweig des Islam; Sufis leben zumeist in klosterähnlichen Gemeinschaften, pflegen einen asketischen Lebensstil <strong>und</strong><br />

widmen sich vorwiegend der Meditation. Sinn <strong>und</strong> Inhalt ihrer Glaubensrichtung ist die Liebe zu Gott die sich auch in<br />

der Liebe zu allen Lebewesen ausdrückt. Ibn ‘Arabi wird als „Doctor Maximus“ des Sufismus bezeichnet.<br />

121 S. Fußnoten 59, 60, S. 28. Ibn al-Arabi (1164<strong>–</strong>1240), Muhadarat al-abrar, Ma. Jesús Rubiera Mata, Literatura<br />

Hispanoárabe, Editorial Mapfre, Madrid 1992, S. 184.<br />

53


<strong>Teil</strong>ansicht von Medina Azahara, Blick auf die offizielle Ebene. Das Gebäude mit den 5<br />

Längsdächern gehört zum Botschaftersaal, dem Salón Rico. Davor liegt ein Ziergarten mit<br />

einem Wasserbecken in dessen Mitte sich ein Pavillon befand. Bildmitte: Die teilrestaurierten<br />

Gr<strong>und</strong>mauern hinter der hohen hellen Fassade mit den Säulenbögen <strong>und</strong> die Fassade selbst<br />

gehören zum Haus des Großwesirs 122 .<br />

Nur wenige Meilen nordwestlich von Cordoba wiesen schon aus der Ferne die in der Sonne<br />

glitzernden Dächer von Medina Azahara Besuchern <strong>und</strong> Händlern den Weg. Die Stadt muss den<br />

mythischen Palästen des Orients ähnlich gewesen sein die auf dem beschwerlichen Weg durch die<br />

Wüste aus Visionen der Beduinen entstanden. In den schillernden Trugbildern die über verlassenen<br />

Ruinen längst untergegangener Zivilisationen schwebten, sahen sie goldglänzende, mehrere<br />

Stockwerke hohe, mit Türmen <strong>und</strong> Kuppeln verzierte Bauwerke. Und auch das wohlige Lustgefühl,<br />

wenn der Wüstenwanderer von der gleißenden Sonnenglut in die dämmrige Kühle grüner Oasen<br />

eintaucht fand sich in den duftschwangeren Gärten von Medina Azahara wieder. Der<br />

Rechtsgelehrte Ibn Challikan 123 , Biograph von König al-Mutamid von Sevilla(11. Jh.), preist Medina<br />

Azahara mit dieser Beschreibung:<br />

„Az-Zahra ist eins der Weltw<strong>und</strong>er, von Abu l-Muzaffar Abd ar-Rahman ibn<br />

Muhammad ibn Abd Allah 124 , auch genannt al-Nasir, erbaut, einem der Monarchen aus<br />

der Omaijadendynastie in al-Andalus, zu Anfang des Jahres 325 (936) in der Nähe von<br />

Cordoba in einer Entfernung von vier <strong>und</strong> einer drittel Meile. Die Länge von az-Zahra<br />

von Ost nach West war 2.700 [ ]Ellen <strong>und</strong> ihre Breite von Süd nach Nord [ ] 1.500<br />

Ellen. Die Anzahl ihrer Säulen war 4.300 <strong>und</strong> die der Türen größer als 15.000. Al-Nasir<br />

teilte die Steuereinnahmen des Reichs in drei <strong>Teil</strong>e auf: Ein Drittel für das Heer, ein<br />

Drittel für das Schatzamt <strong>und</strong> den anderen <strong>Teil</strong> gab er für den Bau von az-Zahra aus“.<br />

Al-Maqqari, Nafh al-Tib 125<br />

122 Der Erste Minister am Hof.<br />

123 Syrischer Historiker (1211-1282), er stellte ein biographisches Sammelwerk zusammen mit dem Titel Wafayat al-<br />

A‘yan.<br />

124 Vollständiger Name des Kalifen Abd al-Rahman III.<br />

125<br />

s. Fußnoten 60, 61,, S. 28, Ebd. Bd. II, S. 65<strong>–</strong>66<br />

54


Auf der mittleren Stufe der Palaststadt. Oben im<br />

Bild ist ein <strong>Teil</strong> des heutigen Verwaltungsgebäudes<br />

zu sehen <strong>–</strong> von dort nach oben<br />

erstreckte sich der Palastbereich des Kalifen<br />

Der Biograph <strong>und</strong> Historiker Ibn Idhari (13. Jh.)<br />

nennt beeindruckende Zahlen:<br />

„Die Anzahl der Häuser, die im Palast az-Zahra<br />

standen belief sich auf 400, <strong>und</strong> sie waren nur für<br />

den Kalifen <strong>und</strong> seinen Hofstaat. Es lebten dort<br />

3.750 Diener <strong>und</strong> die Zahl der Frauen -ob von<br />

edler Herkunft oder nicht- <strong>und</strong> Dienerinnen belief<br />

sich auf 6.300“. 126<br />

Die Palaststadt machte sich das natürliche<br />

Gefälle vom “Berg der Braut” zunutze, ein<br />

Ausläufer der Sierra Morena 127 . Von hier<br />

überblickt man das ganze Tal des Guadalquivir.<br />

Sie ist terrassenförmig angeordnet <strong>und</strong> folgt<br />

einer hierarchischen Anordnung. Ganz oben<br />

lagen die Paläste für den Kalifen, für seinen Hofstaat, die Haremsdamen <strong>und</strong> -so wird hinter<br />

vorgehaltener Hand berichtet- auch für seinen männlichen Harem. Von hier oben schweift der Blick<br />

über das ganze Tal des Guadalquivir. Auf der mittleren Ebene lag der öffentliche, der offizielle <strong>Teil</strong><br />

mit dem prunkvollen Empfangssaal mit einem Wasserbecken davor mit einem Pavillon in der Mitte<br />

<strong>und</strong> einem Ziergarten. Das ist das was wir auf dem Stand der bisherigen Ausgrabungen sehen. Es<br />

heißt dass nicht einmal die Hälfte freigelegt wurde. Wenn man bedenkt dass das ganze Areal<br />

buchstäblich am Berghang verschüttet <strong>und</strong> zum <strong>Teil</strong> metertief vergraben war, kann man das<br />

Resultat der fast 100-jährigen Ausgrabungen <strong>und</strong> Restaurierungen nicht hoch genug werten <strong>und</strong><br />

loben. Um die oberste <strong>und</strong> die mittlere Ebene gab es noch einen inneren Mauerring, zusätzlich zu<br />

den im Mittelalter üblichen Wehranlagen <strong>und</strong> Befestigungen aus massigen Quadersteinen um die<br />

ganze Stadt. Im Anschluss an den Garten auf der letzten Ebene breitete sich die Stadt mit<br />

h<strong>und</strong>erten von kleineren <strong>und</strong> größeren Häusern aus, denn nach dem Umzug des Kalifen wollte<br />

jeder Bürger in seiner Nähe wohnen. Dazu kamen die geschäftigen Basare, das Handwerksviertel,<br />

die öffentlichen Brunnen, die Bäder, Schulen <strong>und</strong> Koranschulen. Gewaltige Tore verbanden die<br />

einzelnen Abschnitte der Stadt mit Durchgängen <strong>und</strong> alle Tore wurden jeden Abend geschlossen<br />

<strong>und</strong> verriegelt. Ob noch Ausgrabungen stattfinden werden ist nicht bekannt. Es ist allerdings seit<br />

vielen Jahren verboten auf der Talebene zu bauen, die Flächen werden als Viehweiden genutzt.<br />

Ungewöhnlich ist, dass Medina Azahara nicht dem üblichen islamischen Baustil entspricht. Große<br />

arabische Städte wie Fès, Kairo oder Tunis bestehen aus einem Gewirr verschachtelter Gassen mit<br />

bienenkorbartig ineinander gebauten Häusern die für jeden Ortsunk<strong>und</strong>igen ein Labyrinth<br />

darstellen. Medinat Azahara dagegen wurde in rechten Winkeln angelegt <strong>und</strong> hatte ein gut<br />

durchdachtes unterirdisches Netz für Frisch- <strong>und</strong> Abwasser. Sie ist die einzige Stadt im gesamten<br />

Mittelmeerraum die im Ganzen geplant <strong>und</strong> buchstäblich auf einen Schlag aus dem Boden<br />

gestampft wurde.<br />

126 Ebd. Bd. II, S. 231. Ibn Idhari war ein marokkanischer Historiker (2. Hälfte 13. Jh.). Er schrieb eine Geschichte über<br />

den Maghreb <strong>und</strong> al-Andalus von der arabischen Eroberung bis zu seiner Zeit. Titel: Al-Bayan al-Mughrib fi achbar<br />

muluk al-Andalus wa al-Maghrib<br />

127 Das dunkle Gebirge, s. Fußnote 88, S. 46<br />

55


Der Dichter Ibn Schuchais 128 beschreibt Medina Azahara mit Überschwang, wobei berücksichtigt<br />

werden muss dass er als Lobredner zum Hofstaat des Kalifen gehörte.<br />

„Diese Paläste des Fürsten aller Gläubigen können<br />

auf alle anderen auf der Welt verachtend herabschauen,<br />

so wie für uns die Sonne das Strahlendste aller Gestirne ist,<br />

wenn sie auch die Höhe von Saturn nicht erreicht;<br />

die Paläste von az-Zahra sind einmalig in ihrer Pracht,<br />

sind Beispiel <strong>und</strong> Vorbild zugleich.<br />

Ihr Glanz übertrifft alles Bemühen sie zu beschreiben;<br />

gar unbeschreiblich sind sie <strong>und</strong> Schweigen käme einem Redeschwall gleich …<br />

Ihre Erhabenheit übertrifft die Herrlichkeit aller Paläste,<br />

so wie die Dynastie seines Erbauers allen Dynastien überlegen ist.“<br />

Ibn al-Kattani, Al-Tashibat 129<br />

Der Palastbereich des Kalifen bestand aus mehreren Palästen die ineinander übergingen <strong>und</strong><br />

prunkvolle Säle hatten. Einige sind namentlich bekannt: Al-Mumarrad oder „der Getäfelte”, ein<br />

Name der sich an einen Pavillon König Salomos anlehnt <strong>und</strong> dessen Dach Abd al-Rahman III. mit<br />

vergoldeten Ziegeln decken ließ. Oder „der Vertraute“ in dem er ein Becken mit zwölf Tierfiguren<br />

aus Gold unterbrachte. Er baute auch einen Saal bekannt als „Palast des Kalifen“ wo eine große<br />

Perle -ein Geschenk des Kaisers von Konstantinopel- aufgehängt <strong>und</strong> ein kleines Becken mit<br />

Quecksilber aufgestellt wurde das wegen seiner Lichtspiele zum Vergnügen des Kalifen bestimmt<br />

war:<br />

„Im Palast von Medina Azahara ließ Abd al-Rahman III. einen Saal bekannt als<br />

“Palast der Kalifen” bauen. Seine Decke war aus Gold <strong>und</strong> massivem Marmor <strong>und</strong><br />

die Wände auch. In der Mitte der Decke wurde eine große Perle angebracht, ein<br />

Geschenk von Julian, dem König von Konstantinopel. Der Palast war außen mit Gold<br />

<strong>und</strong> Silber verkleidet <strong>und</strong> in der Mitte stand ein Becken voll mit Quecksilber. Der Saal<br />

hatte acht Türen, darüber ruhten in sich verschlungene Bögen aus Marmor <strong>und</strong><br />

Ebenholz mit Einlegearbeiten aus Gold <strong>und</strong> Edelsteinen auf Säulen aus Marmor <strong>und</strong><br />

Kristall. Wenn die Sonne in den Saal schien <strong>und</strong> ihre Strahlen auf das Becken <strong>und</strong> die<br />

Wände trafen, glänzte alles so hell, dass es die Augen blendete. Wenn der Kalif<br />

jemanden beeindrucken wollte, hieß er einen seiner Sklaven das Quecksilber<br />

umzurühren, <strong>und</strong> dann sah man in dem Saal blitzende Lichter die die Herzen erbeben<br />

ließen, <strong>und</strong> es ging so weit, dass der ganze Saal zu fliegen schien, solange das<br />

Quecksilber in Bewegung war ...<br />

Andere erzählen, dass dieser Saal sich drehte <strong>und</strong> dem Lauf der Sonne folgte. Der<br />

eine oder andere sagt: “Dieses Becken hat es wirklich gegeben <strong>und</strong> niemand, nicht in<br />

der vorislamischen Zeit <strong>und</strong> nicht zu Zeiten des Islam, hat je etwas Ähnliches<br />

vollbracht”. Das war möglich, dank der reichen Quecksilbervorkommen in al-<br />

Andalus“.<br />

Al-Maqqari, Nafh al-Tib 130<br />

128 Nach dem Tod des Kalifen Abd al-Rahman III. stand er auch noch in den Diensten des Thronfolgers al-Hakam II. <strong>und</strong><br />

erlebte den Anfang der Herrschaft des Usurpators al-Mansur (Almanzor.<br />

129 s. Fußnote 89 auf S. 43<br />

130 Ebd., Bd. II, S. 66-67<br />

56


Auf der mittleren, der öffentlichen Ebene, liegt dieses<br />

Haus von dem Fassade <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>mauern wiederhergestellt<br />

werden konnten. Jedes Gebäude mit<br />

Hufeisenbögen in der Fassade wies auf den hohen<br />

Rang seines Bewohners hin.<br />

Auf der öffentlichen Ebene von Medina Azahara mit<br />

dem Botschaftersaal, den Gärten, Verwaltungen,<br />

der Leibgarde, den Küchen <strong>und</strong> dem prächtigen<br />

Haus des Großwesirs herrschte immer geschäftiges<br />

Treiben. Früh morgens war Wachablösung, die<br />

Leibgarde marschierte zum Exerzierplatz vor der<br />

Stadt, die Wesire eilten zum Haus des Großwesirs<br />

um Anweisungen zu empfangen oder Bericht zu<br />

erstatten. Küchen <strong>und</strong> das öffentliche Bad auf dieser<br />

Ebene waren in Betrieb Tag <strong>und</strong> Nacht. Im Salón<br />

Rico, dem Botschaftersaal, wurden Vorkehrungen<br />

für den Empfang bedeutender Gäste getroffen.<br />

Obwohl man von der darüber liegenden Ebene fünf<br />

Längsschiffe erkennt, belegt der Salón Rico selbst<br />

nur drei innen voneinander mit aufwändig gearbeiteten Säulenbogenreihen getrennt sind. Rechts<br />

<strong>und</strong> links davon liegen zwei zusätzliche lange Räume die nicht öffentlich waren. Wahrscheinlich<br />

waren es private Räume für den Kalifen zwischen den Empfängen <strong>und</strong> Audienzen. Am Kopfende,<br />

zum Garten hin, wird das Ganze von einem Querschiff abgeschlossen. Dort warteten die Gäste bis<br />

sie zum Kalifen vorgelassen wurden 131 .<br />

An der Stelle auf der die Moschee stand konnten nur<br />

noch die F<strong>und</strong>amente des Gebetshauses <strong>und</strong> ein paar<br />

Mauerteile <strong>und</strong> der Gr<strong>und</strong>riss wiederhergestellt<br />

werden 132<br />

Im Osten des offiziellen Bereichs, außerhalb des<br />

inneren Schutzwalls <strong>und</strong> für jedermann zugänglich,<br />

lag die Moschee; sie wurde Anfang des 11. Jh. in<br />

einem Bürgerkrieg dermaßen zerstört dass an eine<br />

Restaurierung nicht zu denken war, aber der<br />

Gr<strong>und</strong>riss blieb erhalten. Es heißt dass es in der<br />

Nähe des Botschaftersaals eine Hebevorrichtung<br />

für den Kalifen gab die den erlauchten Füßen das<br />

Hinaufsteigen zu seinen Palästen ersparte, <strong>und</strong><br />

dass es vom Botschaftersaal zur Großen Moschee<br />

einen teilweise unterirdisch verlaufenden Gang<br />

gab, damit Abd al-Rahman III. auf seinem Weg<br />

dorthin nicht mit Dienstboten oder dem gemeinen<br />

Volk in Berührung kam.<br />

131 Zur Lage des Boschaftersaals s. Bild S. 54.<br />

132 Die unterschiedliche Qualität der Bilder ist darauf zurückzuführen, dass ich die Ausgrabungen der Palaststadt seit<br />

r<strong>und</strong> 35 Jahren verfolge. Manche Bilder stammen aus der Zeit vor der digitalen Fotografie.<br />

57


Osteingang von Medina Azahara. Die Besucher hielten ihren Einzug durch den größten<br />

Bogen. Von den ursprünglichen Bögen konnten diese vier wieder hergestellt, <strong>und</strong><br />

restauriert werden. Davor liegt der Exerzierplatz. Ursprünglich waren es 15<br />

Doppelbögen mit einem Gang zwischen den Bogenreihen<br />

Abd al-Rahman III. verwandte besondere Sorgfalt auf seine eigene Erscheinung. Seine Gewänder<br />

waren aus feinsten Stoffen gewebt <strong>und</strong> kostbar verziert, an seinen Händen funkelten die<br />

erlesensten Schmuckstücke <strong>und</strong> sogar an seinem Turban <strong>und</strong> seinen Pantoffeln leuchteten<br />

wertvolle Juwelen. Aber er war auch ein weiser, vorausschauender <strong>und</strong> auf das Wohl seines Reichs<br />

bedachter Herrscher, hatte aber einige Charakterzüge die lebhaft an Prinz Walid erinnern. Wie<br />

seine syrischen Vorfahren liebte auch er die Pracht <strong>und</strong> die luxuriöse Ausstattung seiner Paläste, die<br />

paradiesischen, blumengeschmückten Gärten, das beruhigenden Plätschern der Springbrunnen in<br />

den Innenhöfen, die Dichtkunst <strong>und</strong> Musik, die liebreizenden Singmädchen <strong>und</strong> klugen<br />

Dichtersklavinnen. Und -ebenso wie Prinz Walid- verkleidete er sich gern <strong>und</strong> war Späßen durchaus<br />

nicht abgeneigt, das sollten einige Besucher zu ihrem Leidwesen ab <strong>und</strong> zu erfahren.<br />

Die Botschafter <strong>und</strong> Würdenträger die nach Medina Azahara kamen um dem Kalifen ihre<br />

Aufwartung zu machen wurden von einer wahren Theaterkulisse empfangen. Eingefügt in die<br />

Stadtmauer, direkt am Exerzierplatz wölbten sich 15 gewaltige Hufeisenbögen die abwechselnd in<br />

Weinrot <strong>und</strong> Beige leuchteten. Die Besucher machten ihren Einzug durch den größten Bogen. Das<br />

schwere, mit glänzenden Appliquen beschlagene Tor war einladend geöffnet. Danach ging es über<br />

einen gepflasterte Gasse nach oben. In Doppelreihen hatten Wachsoldaten in malerischer Kleidung<br />

rechts <strong>und</strong> links des Wegs mit gezogenen blitzenden Schwertern Aufstellung genommen. Während<br />

die Gäste sich erfrischten <strong>und</strong> umkleideten wurden die Reit- <strong>und</strong> Packtiere entladen <strong>und</strong> versorgt.<br />

Geübte Augen erfassten schnell Wert <strong>und</strong> Umfang der mitgeführten Geschenke <strong>und</strong> lange bevor<br />

diese dem hohen Herrscher offiziell übergeben wurden kannte der Kalif fast jede Einzelheit der<br />

wertvollen Fracht. Je nachdem konnte sich dann die Wartezeit bis ein Besucher empfangen wurde<br />

verkürzen, sie konnte sich aber auch dramatisch verlängern. Dann war endlich der große Augenblick<br />

gekommen. Zunächst mussten sie aber erst einmal im Vorraum des Botschaftersaals ausharren bis<br />

ihnen der Großwesir würdevoll bedeutete dass sie vortreten durften. Ungeduldig warteten die<br />

Gäste darauf dem Kalifen endlich von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen.<br />

58


Im Botschaftersaal von Medinat Azahara<br />

Unter Verbeugungen näherten sie sich dann dem<br />

Thron, gefolgt von den Dienern mit ihren Geschenken.<br />

An den Wänden entlang scharten sich die Höflinge des<br />

Kalifen die jeden Besucher <strong>und</strong> seine Gaben auf das<br />

Ausführlichste begutachteten <strong>und</strong> kommentierten. Es<br />

ist überliefert dass der Kalif wenn er Gesandte<br />

empfing die nicht von sehr hohem Rang waren sich<br />

gern verkleidet irgendwo im Botschaftersaal<br />

versteckte. Besonders betroffen waren die Besucher<br />

von denen der Großwesir ihm schon zugetragen hatte<br />

dass die mitgebrachten Gaben nicht den Erwartungen<br />

entsprachen. Denn wenn die Geschenke auch in<br />

Truhen verpackt auf den Packtieren in Medina<br />

Azahara ankamen, hatten sie neugierige Dienstboten<br />

längst inspiziert nachdem die Fracht abgeladen<br />

worden war. Während der Gast zu seinem Quartier<br />

geleitet <strong>und</strong> sich dort erfrischen <strong>und</strong> umkleiden<br />

konnte, hatten die Diener schon einem Wesir<br />

berichtet, dieser dann dem Großwesir, der seinerseits<br />

vor der Audienz dem Kalifen alles bereits haarklein<br />

erzählte.<br />

Palastähnliche Residenz des Großwesirs: In der Vergrößerung<br />

ist an der Fassade zu erkennen wie reich sie mit<br />

Ornamenten <strong>und</strong> Arabesken verziert war 133 .<br />

Wurden die mitgebrachten Gaben als nicht<br />

angemessen beurteilt ließ man den Besucher gern<br />

länger als gebührlich vor dem Salón Rico im grellen<br />

Tageslicht warten, bis der Großwesir ihm bedeutete<br />

den dämmrigen Saal zu betreten. Noch geblendet von<br />

der Sonne musste sich der Gast unter zahlreichen<br />

Verbeugungen dem Sitz des Herrschers nähern. Wenn<br />

er aus der letzten Verbeugung auftauchte, den Platz<br />

leer vorfand <strong>und</strong> verblüfft um sich blickte freuten sich<br />

die Höflinge schon insgeheim auf das was folgte: Die<br />

Menge der Hofgesellschaft öffnete sich <strong>und</strong> bildete<br />

eine schmale Gasse <strong>–</strong> mit einer höflichen<br />

Handbewegung bedeutete ihm der Großwesir durch<br />

das Spalier zu schreiten. Am Ende angekommen, in<br />

einer Ecke saß der Kalif koranlesend <strong>und</strong> in Lumpen<br />

gekleidet wie ein Bettler auf dem blanken Boden.<br />

Wenn dann die Gesichtszüge des Gasts blankes<br />

Entsetzen <strong>und</strong> höchste Verlegenheit wiederspiegelten war das allgemeine Ergötzen groß.<br />

133 Für die Gr<strong>und</strong>mauern <strong>und</strong> die Lage des Gebäudes siehe Bildbeschreibung auf S. 54<br />

59


Pflanzenmotiv aus dem Salón Rico, dem Botschaftersaal. Jede Wand, jede noch so kleine<br />

Fläche war verschwenderisch mit Steinmetzarbeiten verziert 134<br />

Die untere Hälfte der aller Wände des Salón Rico war aus Marmor mit Pflanzenmotiven verziert <strong>und</strong><br />

die obere Hälfte bis zur Decke mit unterschiedlichen Ornamenten <strong>und</strong> Arabesken versehen. Die<br />

Decke war mit kostbaren Holzeinlegearbeiten getäfelt <strong>und</strong> die Querbalken mit feinsten<br />

Schnitzereien geschmückt. Die Säulen mit den Hufeisenbögen waren aus Marmor, die Übergänge zu<br />

den Bögen bildeten herrlich gearbeitete Kapitele von denen einige erhalten blieben <strong>und</strong> restauriert<br />

werden konnten. Sie sind zusammen mit anderen Kunstgegenständen aus der F<strong>und</strong>stätte im<br />

Museum der Palaststadt ausgestellt. Die Arbeiten weisen die gleiche Kunstfertigkeit der Steinmetze<br />

auf wie die, die einst im 8. Jh. herrliche Objekte wie das Kuppelzentrum im Palast Khirbat al-<br />

Mafdschar aus Marmor oder Alabaster schufen. Sie scheinen wie aus feinster Spitze gewebt, es ist<br />

fast ein W<strong>und</strong>er dass wir sie nach fast über 1.000 Jahren noch an restaurierten Wandpaneelen,<br />

Kapitelen <strong>und</strong> anderen kostbaren F<strong>und</strong>stücken aus der Blütezeit der Palaststadt Medina Zahara<br />

bestaunen können.<br />

Gar manchem mag in den Sinn kommen die kunstvollen Objekte von Medinat Azahara mit den,<br />

ebenfalls überreichen Verzierungen <strong>und</strong> Ornamenten an den Wänden der Paläste der Alhambra zu<br />

vergleichen. Die Stadtburg wurde zwischen dem 13. <strong>und</strong> 14., also ein paar Jahrh<strong>und</strong>erte später<br />

unter der granadinischen Nasridendynastie gebaut. Wir können keine Vergleiche anstellen weil<br />

viele der schmückenden Wanddekorationen mit kalligraphierten Gedichten <strong>und</strong> religiösen<br />

Lobpreisungen in der Alhambra aus Stuck sind, die in vorgefertigten Formen verschiedener Größen<br />

entstanden <strong>und</strong> dann im Ganzen an den Wänden aufgebracht wurden. In Medina Azahara dagegen<br />

schufen die Steinmetze unter Abd al-Rahman III. <strong>und</strong> seinem Sohn <strong>und</strong> Nachfolger Hakam II. noch<br />

wahre W<strong>und</strong>erwerke aus Marmor <strong>und</strong> Alabaster. Die Fertigung von Ornamenten aus Stuck war ein<br />

deutliches Zeichen für den abnehmenden Reichtum der Maurenkönige im 14. <strong>und</strong> 15. Jh., sie<br />

mussten gewaltige Summen für die Verteidigung gegen die unerbittlich voranschreitende<br />

christliche Rückeroberung der muslimischen Gebiete aufwenden, wollten aber nicht auf den Luxus<br />

herrlich dekorierter Paläste verzichten. Müssten wir es nach heutigem Ermessen relativieren wäre<br />

hier das Wort „mehr Schein als Sein …“ angebracht.<br />

134 Arabesque of Medina Azahara in Córdoba, Spain, License: Creative Commons Attribution 2.0 Generic, Author:<br />

robven http://www.flickr.com/photos/robven/3049065474/in/photostream/ - Arabesco de Medina Azahara (2)<br />

(Córdoba, España).jpg<br />

60


Untergang des Kalifats <strong>und</strong> Dekadenz<br />

Im Botschaftersaal von Medinat Azahara<br />

Die Herrlichkeit der Palaststadt <strong>und</strong> die Stadt<br />

Cordoba wurden im Abendland <strong>und</strong> Morgenland<br />

gleichermaßen gerühmt. Die unruhigen Jahrh<strong>und</strong>erte<br />

nach der arabischen Eroberung waren<br />

vergessen; im 10. Jh. galt Cordoba in der damaligen<br />

Welt als Symbol für Reichtum, für Gelehrtheit,<br />

Toleranz <strong>und</strong> Fortschritt, für politische Stabilität<br />

<strong>und</strong> exquisite Kultiviertheit.<br />

Kalif al-Rahman III. starb im Oktober 961, sein Sohn<br />

Kalif al-Hakam II. erwies sich als würdiger<br />

Nachfolger 135 . Wie sein Vater war er nicht nur ein<br />

kluger Politiker, er war ein großer Förderer der<br />

Wissenschaften <strong>und</strong> der schönen Künste, auch er<br />

legte großen Wert auf die Bildung seiner<br />

Untertanen. Er vollendete die Palaststadt Medina<br />

Azahara <strong>und</strong> pflegte einen ebenso erlesenen wie<br />

genussvollen Lebensstil wie sein Vater. Aus al-<br />

Andalus ist von drei Kalifen überliefert, dass sie<br />

auch einen männlichen Harem hatten: Kalif Abd al-<br />

Rahman III., sein Sohn Kalif Hakam II., von dem es heißt dass der Hof lange vergeblich auf einen<br />

Nachkommen wartete <strong>und</strong> dass erst ein Thronfolger geboren wurde, als man dem Herrscher eine<br />

Konkubine zuführte die Hosen trug <strong>und</strong> kurz geschnittenes Haar hatte. Erst dann wurde neun<br />

Monate später der Thronerbe Hisham geboren <strong>und</strong> auch er sollte später einen männlichen Harem<br />

unterhalten.<br />

Nicht nur in Medina Azahara, auch in den palastähnlichen Residenzen reicher Untertanen fanden<br />

am späten Nachmittag <strong>und</strong> abends oft gesellige Zusammenkünfte statt <strong>–</strong> Lautenklänge schwangen<br />

in der Luft, in den Bogengängen um die Innenhöfe sorgten Räucherschalen mit kostbaren Düften<br />

aus dem Orient für wohlriechende Duftschwaden. Hier <strong>und</strong> da spazierten auch fröhliche Gruppen<br />

zum Ufer des Guadalquivir um sich dort zu einem Picknick niederzulassen <strong>und</strong> ab <strong>und</strong> zu eine<br />

Bootsfahrt zu wagen. Ob in Medina Azahara, in der Stadt oder am Fluss <strong>–</strong> eine eifrige Dienerschaft<br />

sorgte dafür dass es an nichts fehlte: köstliche Leckerbissen wurden angeboten <strong>und</strong> junge Pagen<br />

füllten immer wieder die leeren Weinschalen. Poeten <strong>und</strong> schöne Sklavinnen r<strong>und</strong>eten jede<br />

Zusammenkunft ab: die einen boten nur zu gern <strong>und</strong> bei jeder Gelegenheit Beispiele ihrer Kunst<br />

<strong>und</strong> animierten die Anwesenden mit humorvollen Anspielungen <strong>und</strong> Formulierungen sich auch im<br />

Reimen zu versuchen, die anderen erfreuten die R<strong>und</strong>e mit Musik, mit Gesang oder ganz einfach<br />

mit ihrem Anblick. Zu fortgeschrittener St<strong>und</strong>e versuchte oft mehr als einer nicht nur ein Mädchen<br />

zu verführen, auch schöne Pagen oder Weinschenke wurden das Ziel lustvollen Begehrens. Und wie<br />

so oft wenn in einem Reich lange Zeit Frieden herrscht, wenn eine Zivilisation im Überfluss lebt ist<br />

es nur ein kleiner Schritt bis zur Dekadenz.<br />

Ψ<br />

135 Hakam II. regierte von 961-976.<br />

61


Weingenuss <strong>und</strong> gleichgeschlechtliche Liebe waren inzwischen offiziell verboten aber das<br />

kümmerte die maurische Gesellschaft wenig: der Wein floss reichlich bei Zusammenkünften <strong>und</strong> es<br />

gab immer einen Weg sich das Getränk zu beschaffen <strong>und</strong> sei es der Messwein von einem<br />

Kloster 136 . Dazu gibt es zahlreiche Überlieferungen in Form von Versen oder Gedichten, wieder aus<br />

der Sammlung Dichterische Vergleiche der Andalus-Araber des Ibn al-Kattani 137 :<br />

„An so manche Klosterpforte klopften wir im Morgengraun,<br />

wenn Glockenstimmen von oben herabriefen“.... 138<br />

oder:<br />

„Wird er eines Tages nach Ahmads Religion verboten,<br />

so trink ihn nach der Religion des Messias, Sohnes Mariä…“ 139<br />

Gern gewährten die Mönche den Zechgesellen Einlass die nicht nur die Qualität des Weins, nicht<br />

selten auch die Schönheit des Weinschenks anerkennend wahrnahmen …<br />

„Gar manchen roten, christlichen, strahlend schönen Wein,<br />

den ein [ebenfalls] strahlend schöner Zechgenosse kredenzte!<br />

Sie übergossen ihn mit Wasser, so dass du glaubtest er sei<br />

als er zu ihm kam, ein rituell gewaschener Muslim!<br />

Ein Roter, der durch seine Mischung seine Gegensatz[farbe gelb] annimmt;<br />

Es scheint ein Liebender in ihm zu sein, der sich verhüllt!“ 140<br />

… <strong>und</strong> die Weinschenken ließen sich offenbar ab <strong>und</strong> zu auf ein Liebesspiel ein:<br />

Wie viele Nächte wurde mir der Becher<br />

von den Händen eines jungen Hirsches gereicht,<br />

der mir gefährlich ward!<br />

Er gab mir mit seinen Augen zu trinken <strong>und</strong> mit seiner Hand ...<br />

Und es war Trunkenheit auf Trunkenheit,<br />

<strong>und</strong> Leidenschaft auf Leidenschaft.<br />

Ich pflückte Küsse von seinen Wangen<br />

<strong>und</strong> tränkte meine Lippen an seinem M<strong>und</strong><br />

<strong>und</strong> beides war süßer als Honig(…).<br />

(…)Die Nacht verbrachte ich mit einem vollen Mond,<br />

obwohl der Wahre nicht am Himmel stand,<br />

<strong>und</strong> wähnte mich vor lauter Lust im Paradies.<br />

Er bat mich, das Geheimnis zu wahren,<br />

während seine Hand mir Kissen wurde,<br />

<strong>und</strong> er mir die gleiche Leidenschaft zeigte wie ich ihm. 141<br />

136 aus: Dichterische Vergleiche der Andalus-Araber, Kapitel Wein <strong>und</strong> Musik in der Andalus-Dichtung (Erläuterungen<br />

Fußnoten 293, Verweis auf 280, S. 87-88) von Wilhelm Hoenerbach, Selbstverlag des Orientalischen Seminars der<br />

Universität Bonn, 1973. Übersetzung des Manuskripts von Ibn al-Kattani (10./11. Jh.), S. 88 <strong>und</strong> S. 91<br />

137 Über Ibn al-Kattani siehe das Kapitel „Die Schule der kostbaren Mädchen“, S. 43<br />

138 s. Fußnote 135<br />

139 Ebd.<br />

140 Ebd.<br />

141 Ali ibn l’Husayn, 11. Jh., aus: Ibn al-Kattani, Tashbihat, num. 177. Ma. Jesús Rubiera Mata, Literatura Hispanoárabe,<br />

Editorial Mapfre, Madrid 1992, S. 63.<br />

62


Die maurische Armee unter Almanzor in der Schlacht<br />

von San Esteban de Gormaz (Provinz Soria, Kastilien-<br />

Leon) 142<br />

Als Hakam II. im Jahr 976 starb war sein Thronfolger<br />

Hisham II. noch ein Kind. Ein Chambelan am<br />

Kalifenhof namens Almansor 143 , auch genannt „der<br />

Siegreiche“, ergriff die Gelegenheit, riss die<br />

Herrschaft an sich <strong>und</strong> setzte damit der langen<br />

Erbfolge von Kalifen aus der OImaijadendynastie<br />

ein Ende. Das konnte nur zu Unruhen führen denn<br />

Almansor stammte aus dem Clan der Amiriden 144 .<br />

Die Gesellschaft war gespalten <strong>–</strong> die Einen spannen<br />

Intrigen für eine Dynastie der Omaijaden, die<br />

anderen dagegen. Nach jahrzehntelanger, recht<br />

friedlicher Koexistenz mit den christlichen Königen,<br />

führte Almansor wieder Eroberungszüge in ihre<br />

Reiche im Norden Spaniens. Almansor setzte dafür vorwiegend berberische Heerführer ein, das<br />

raue marokkanische Soldatenvolk machte schon unter Kalif Abd al-Rahman einen Großteil der<br />

Truppen aus die die Grenzen von al-Andalus sicherten <strong>–</strong> immer unter adligen maurischen<br />

Kommandanten. Allerdings war jetzt die Situation eine andere, es ging darum anzugreifen, zu<br />

siegen <strong>–</strong> schlimmstenfalls konnte man dabei auch sterben. Die hochrangigen Mauren die das Heer<br />

hätten befehligen können zeigten sich wenig begeistert davon in den Krieg zu ziehen, Monate lang<br />

in unbequemen Feldlagern zu nächtigen <strong>und</strong> im schlimmsten Fall auf einem christlichen<br />

Schlachtfeld das Leben zu lassen.<br />

Die Christenkönige waren zunächst vollkommen überrumpelt <strong>und</strong> Almansors Heere errangen einen<br />

Sieg nach dem anderen. Die Berber wurden fürstlich entlohnt, sie erhielten sogar Erlaubnis Land zu<br />

erwerben. Immer schon waren sie von der maurischen Oberschicht verachtet worden weil sie kein<br />

Hocharabisch sprachen <strong>und</strong> auch nicht die Gepflogenheiten der guten Sitten beherrschten <strong>–</strong> aber<br />

jetzt, als sie von Almansor bevorzugt behandelt wurden war die feine Gesellschaft brüskiert. Die<br />

Berber wurden vom öffentlichen Leben ausgeschlossen <strong>und</strong> beleidigende Schmähgedichte über sie<br />

machten die R<strong>und</strong>e. Almansor fiel im Jahr 1002 in einer Schlacht bei Medinaceli, ihm folgten zwei<br />

seiner Söhne an der Macht <strong>–</strong> Hisham II. blieb zeitlebens in der Rolle eines Scheinkalifen. In den<br />

Folgejahren verschärften sich politische Intrigen <strong>und</strong> soziale Spannungen in deren Folge Kalifen <strong>und</strong><br />

Antikalifen sich in schneller Folge abwechselten. Als Hisham II. auch noch einen Nachkommen<br />

Almansors als seinen Nachfolger benannte kam es zu einer blutigen Palastrevolte angezettelt von<br />

Befürwortern einer Omaijadenherrschaft. Die Unruhen begannen im August 1009 <strong>und</strong> mündeten in<br />

einem schrecklichen Bürgerkrieg 145 . Erbittert kämpften die verschiedenen Lager um Cordoba <strong>und</strong><br />

um den Thron in al-Andalus. Im Jahr 1013 wurde Kalif Hisham II. ermordet <strong>und</strong> die Palaststadt<br />

Medina Azahara vollkommen zerstört <strong>–</strong> die „Leuchtende Stadt“ hatte nicht einmal 100 Jahre<br />

überdauert.<br />

142 Title: moorish army of almanzor during the Battle of San Esteban de Gormaz, from cantigas de alfonso x el sabio.<br />

source: cantigas de alfonso x el sabio, author: unknown. Uploaded by paypayvay 11.04.2013. This media file is in the<br />

public domain in the United States. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Mouwahidoune.jpg<br />

143 Die höchste Stellung bei Hof, in etwa vergleichbar mit einem Kämmerer oder Großwesir. Abu Amir Muhammad ibn<br />

Abdallah ibn Abi Amir, auch als „al-Mansur bi-llah“ (der mit Gott Siegreiche).geb. um 938 <strong>–</strong> gest. 1002. span. Almanzor,<br />

in der Literatur oft nur al-Mansur.<br />

144 arabische Dynastie in Andalusien<br />

145 (arab.) Revolte. In der Geschichte von al-Andalus wird dieser Bürgerkrieg fitna genannt.<br />

63


Im Jahr 1031 existierte das Große Kalifat von Cordoba<br />

nicht mehr. Aus seiner Asche erhoben sich zahlreiche<br />

unabhängige kleine Splitterreiche, die Kleinkönigreiche<br />

der taifas 146 . Zunächst schien es als erstrahle<br />

der Glanz von al-Andalus im dem krisengeschüttelten<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert noch heller:<br />

Die „kleinen Könige“ verwandelten ihre Epoche in ein<br />

poetisches Juwel, sie ging als Goldenes Jahrh<strong>und</strong>ert in<br />

die maurische Literaturgeschichte ein. Der Bürgerkrieg<br />

<strong>und</strong> der Untergang des Kalifats hatten der maurischen<br />

Gesellschaft jedoch den Boden unter den Füßen<br />

entzogen. Mit dem gewaltsamen Zusammenbruch des<br />

stabilen politischen Gefüges verlor sie jeglichen Halt.<br />

Auch in der Lyrik dieses Jahrh<strong>und</strong>erts zeigt sich der<br />

fortschreitende Sittenverfall:<br />

„Oft in der Nacht ging der Wein von Hand zu Hand,<br />

<strong>und</strong> zwischen uns lief ein Spiel, so sanft<br />

wie eine Brise über Rosen streicht(…)<br />

(…)Meine Beikost waren die Margeriten ihres M<strong>und</strong>es<br />

<strong>und</strong> die Amaryllis ihres Halses,<br />

der leuchtende Narziss ihrer Augen<br />

oder die blühende Rose ihrer Wangen.<br />

(…)Ich sah, sie hatte ihren Umhang abgelegt<br />

<strong>und</strong> umarmte dieses Schwert,<br />

das aus der Hülle kam.<br />

welch‘ Sanftheit beim Berühren,<br />

welch‘ schlanke Taille<br />

welch‘ Zittern in den Flanken,<br />

welch‘ Schimmer auf der Klinge!<br />

Ich verwöhnte sie, ich spielte mit dem Zweig,<br />

der wuchs auf sandigem Gr<strong>und</strong><br />

<strong>und</strong> küsste das Gesicht der Sonne<br />

bei Anbruch eines herrlichen Tags(…)<br />

(…)Meine Hände wanderten über ihren Körper,<br />

mal an die Taille, dann zu ihren Brüsten(…)<br />

Ibn Chafadscha/Ibn Jafaya (12.J.) 147<br />

Ψ<br />

146 arab. ta’ifa: Schar, Gruppe, Partei, auch Splitterpartei, auch Abtrünnige, Plural al-Tawaif. Zeitweise gab es bis zu 40<br />

Kleinkönigreiche in al-Andalus.<br />

147 (Liebesspiel mit einer Sklavin). Henri Pérès, Esplendor de al-Andalus, S. 405 <strong>–</strong>, Al-Dachira, III, 157a<br />

64


Haus der Wesire, Medina Azahara<br />

Allen Verwüstungen zum Trotz weckte die<br />

melancholische Schönheit der Ruinen von<br />

Medina Azahara bei manchen immer noch<br />

romantische Gefühle. Einst hatte es herrliche<br />

Kuppeln <strong>und</strong> schattige Bogengänge um<br />

entzückende Innenhöfe gegeben, unzählige<br />

Werkstätten hatten Tongeschirr, Schalen <strong>und</strong><br />

Gefäße aus Glas oder Edelmetallen hergestellt,<br />

herrliche Wandbehänge, Teppiche <strong>und</strong> Kissen<br />

waren gewebt worden <strong>und</strong> begabte Kunsthandwerker<br />

hatten kostbare Deckentäfelungen,<br />

Truhen, Bänke <strong>und</strong> Tische aus edlen Hölzern<br />

angefertigt. Alles war geplündert oder vom<br />

Feuer zerstört worden. Abu l-Hasan ibn<br />

Siradsch, Dichter <strong>und</strong> Wesir am Hof von König<br />

al-Mutamid von Sevilla 148 erzählt wie er sich mit Fre<strong>und</strong>en in den Ruinen der Stadt einfand um dort<br />

ein bacchantisches Fest zu feiern. Dank dieser Beschreibungen erfuhren die Archäologen dass<br />

einige Häuser zwei Stockwerke <strong>und</strong> Balkone hatten <strong>und</strong> konnten bei den Ausgrabungen gezielt<br />

darauf achten:<br />

„Und so erzählt es al-Fath ibn Chaqan 149 :<br />

„„… Sie gingen von einem Palast zum anderen, spielten mit Zweigen um Früchte zu<br />

pflücken oder sie abzubrechen. Sie stiegen in die oberen Kammern, um ihre Gläser hier<br />

oben wieder aufzufüllen <strong>und</strong> gingen in den Garten nachdem sie diese Ruinen genügend<br />

begutachtet <strong>und</strong> Betrachtungen angestellt hatten, was dieses Erlebnis bedeutete. Sie<br />

setzten sich auf frühlingshafte [Gras-]Teppiche, übersät mit Blumen <strong>und</strong> bewässert von<br />

kleinen Bächen <strong>und</strong> Wasserläufen. Die Zweige wiegten sich im Laubwald, von der Brise<br />

Hand gebogen. Die Ruinen dieser Wohnstätten richteten sich vor ihnen auf wie Frauen,<br />

die ihre Söhne verloren hatten, klagend über die Zerstörung <strong>und</strong> das Ende der<br />

glücklichen Tage während Risse in ihren Wänden spielten <strong>und</strong> Raben auf ihren Mauern<br />

krächzten. Die traurigen Ereignisse hatten ihre Lichter gelöscht, Schatten <strong>und</strong><br />

sonnengeschützte Hänge die einst blühten <strong>und</strong> die Tage der Kalifen erfreuten wenn sich<br />

ein angenehmer Duft verbreitete <strong>und</strong> die Zeit als sie dort lebten mit Wohlgeruch<br />

erfüllten, waren entschw<strong>und</strong>en. Es war die Zeit, als sie erfrischendes dichtes Grün<br />

anlegten, Ziergärten <strong>und</strong> Gemüsegärten erstehen ließen <strong>und</strong> ihre Hoffnungen wuchsen<br />

<strong>und</strong> die Löwen sich in ihren Höhlen fürchteten (...) Doch blieben nur Gräben <strong>und</strong> Steine,<br />

die Kuppeln waren zerstört <strong>und</strong> die frische Jugend des Palasts war zum Greis geworden.<br />

Es ging so weit dass Eisen zerfiel <strong>und</strong> alles Neue alt wurde. Sie gingen zum Palast des<br />

Gartens am Tor der Dufthändler <strong>und</strong> fanden einen unvergleichlichen Saal, wo sich dann<br />

Orgie <strong>und</strong> Lust vereinten, wo die Sterne des Weines funkelten <strong>und</strong> die Lenden der<br />

Diener ermüdeten. Er übertraf al-Chawarnaq <strong>und</strong> al-Sadir““<br />

Al-Maqqari, Nafh al-Tib 150<br />

148 Cordoba wurde im 11. Jh. von König al-Mutamid, dem sogenannten Dichterkönig von Sevilla erobert<br />

149 Auch: al-Fath-ibn Khaqan. Ein bekannter Literat aus Sevilla der seine Werke vorwiegend in gereimter Prosa schrieb.<br />

Er starb 1134, das Geburtsdatum ist nicht bekannt.<br />

150<br />

Bd. II, S. 153<br />

65


Die Flötenspielerin 151 . Es ist eins der wenigen Zeugnisse<br />

islamischer Kunst in Spanien über gesellschaftliche<br />

Vergnügungen. (12. Jh., Zeit der Almoraviden)<br />

An den Höfen der Taifakönige wurde ein<br />

verschwenderischer Lebensstil gepflegt, sie waren<br />

süchtig nach Schönheit in all ihren Erscheinungsformen<br />

<strong>und</strong> verloren sich in einer Traumwelt in der die Grenzen<br />

von Realität <strong>und</strong> Phantasie verschwammen. Die Poesie<br />

wurde zur Lebensart, es wurde gedichtet um des<br />

Dichtens willen. Wesire mussten in Reimen sprechen<br />

können <strong>und</strong> begabte Poeten wurden zu Ministern<br />

ernannt. Doch nicht nur Literaten, Berufspoeten oder<br />

Möchtegernpolitiker wurden vom landesweiten<br />

Poesiefieber ergriffen: Könige <strong>und</strong> Prinzessinnen,<br />

Sklavinnen <strong>und</strong> selbst das einfache Volk übten sich mit<br />

großem Eifer in der Kunst aus jedem Gedanken, Gefühl<br />

oder Ereignis mehr oder weniger einfallsreiche<br />

Wortgebilde zu konstruieren. Die zerschlagene Macht der Kalifen, das politische Unvermögen der<br />

maurischen Kleinkönige, ihre Uneinigkeit, ihre verschwenderische Prunksucht <strong>und</strong> Dekadenz<br />

weckten im christlichen Norden Spaniens die Hoffnung auf eine baldige Rückeroberung der<br />

maurischen Gebiete.<br />

Schon in der ersten Hälfte des 11. Jahrh<strong>und</strong>erts sollten die Kleinkönige unsanft aus ihrem Traum<br />

vom Paradies al-Andalus erwachen. Immer häufiger wurden sie Opfer erfolgreicher christlicher<br />

Angriffe vor denen sie sich in Folge nur mit immer höheren Tributzahlungen schützen konnten. Die<br />

Christen ließen den Taifakönigen ihre scheinbare Unabhängigkeit, aber in den letzten zwei<br />

Jahrzehnten des 11. Jh. waren alle maurischen Könige zu Vasallen der Christen geworden <strong>und</strong><br />

mussten exorbitante Schutzzahlungen leisten. Im Jahr 1085 sahen sich die „kleinen Könige“ in einer<br />

derart verzweifelten Lage dass sie in höchster Not die Almoraviden, strenggläubige Kriegermönche<br />

aus dem Maghreb, zu Hilfe riefen. Es war eine folgenschwere Entscheidung: die nordafrikanischen<br />

Glaubensbrüder durchkreuzten zwar die Eroberungspläne der Christenkönige, gereichten aber den<br />

Königen der Taifas zum Verderben. Sie befanden die Kleinkönige als unwürdige, vom wahren<br />

Glauben abgefallene Muslime. Einige wurden umgebracht, andere nach Marokko verbannt.<br />

Berberische Gouverneure zogen in ihre Paläste ein <strong>und</strong> Marrakesch war für anderthalb<br />

Jahrh<strong>und</strong>erte auch die Hauptstadt von al-Andalus. Ab der Mitte des 13. Jahrh<strong>und</strong>erts machte die<br />

christliche Eroberung mühsam aber unerbittlich große Fortschritte. Die symbolhafte Übergabe der<br />

Schlüssel der Stadt Granada an die Katholischen Könige Isabella I. von Kastilien <strong>und</strong> Ferdinand II.<br />

von Aragon am 02. Januar 1492 markierte das Ende der maurischen Hochkultur im Abendland. Al-<br />

Andalus ging unter, fast unbemerkt von der arabischen Welt die mit den Eroberungen des<br />

Osmanischen Imperiums zu kämpfen hatte.<br />

Ausführlich finden Sie die ganze, spannende Geschichte des 11. Jahrh<strong>und</strong>erts in al-Andalus in<br />

Kapitel I. dieser Serie: „Marokko <strong>und</strong> al-Andalus“.<br />

Ψ<br />

151 Sie spielt wahrscheinlich eine arabische mizmar, ein Holzblasinstrument das mit der surnai verwandt ist, einem<br />

Vorläufer der Schalmei. Sie ist in Murcia im Museum des Klarissenklosters Monasterio de Sta. Clara la Real ausgestellt.<br />

66


Die Alhambra in Granada<br />

In der Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts erschienen die Erzählungen von der Alhambra des<br />

amerikanischen Schriftsteller Washington Irving 152 <strong>und</strong> setzten der Maurenzeit in Spanien ein<br />

Denkmal. Die Welt entdeckte al-Andalus aufs Neue <strong>–</strong> der Okzident mit romantischer Begeisterung<br />

<strong>und</strong> der Orient mit wehmütiger Sehnsucht. Das Buch war sofort ein Welterfolg, es wurde in alle<br />

gängigen Landessprachen übersetzt. Selbst in unserer Zeit gilt es noch als Klassiker <strong>und</strong> ist seit<br />

Erscheinen das meistverkaufte Werk aller Zeiten über die Alhambra <strong>und</strong> Granada.<br />

Das Vermächtnis von al-Andalus ist auf immer mit Andalusien verb<strong>und</strong>en, mit der einzigen Provinz<br />

deren Name noch die Erinnerung an eine ruhmreiche <strong>und</strong> auch tragische Vergangenheit in sich<br />

birgt. Im 20. Jh. wurde die hispano-arabische Vergangenheit jahrzehntelang totgeschwiegen, nur<br />

eifrige spanische, französische <strong>und</strong> deutsche Arabisten <strong>und</strong> Archäologen übersetzten<br />

Originalmanuskripte, forschten <strong>und</strong> publizierten ihre Entdeckungen. Nicht selten habe ich in Madrid<br />

den Spruch mit leicht verächtlichem Unterton gehört „Hinter der Sierra Morena beginnt Afrika“. Die<br />

Expo 1992 in Sevilla gab der Maurenzeit einen neuen <strong>und</strong> entscheidenden Impuls. Jahrtausendealte<br />

Bauwerke <strong>und</strong> Ruinen wurden restauriert <strong>und</strong> in das heutige Städte- <strong>und</strong> Landschaftsbild integriert.<br />

Inzwischen ist die Maurenzeit in Spanien zum Flaggschiff des weltweiten Kulturtourismus avanciert.<br />

Nirgendwo in Spanien ist das maurische Erbe so zum Greifen nah wie in Granada. Der Albaicín, das<br />

älteste Stadtviertel, weist noch die verschlungene, arabische Städteplanung auf, hier, auf diesem<br />

Hügel hatte das maurische Granada seinen Ursprung. Gegenüber, wie unberührt vom<br />

zerstörerischen Zahn der Zeit beherrscht die Alhambra immer noch majestätisch die Stadt. Des<br />

Abends, wenn die Beleuchtung den Mauern <strong>und</strong> Palästen ein warmes Leuchten verleiht scheint es,<br />

als durchlaufe ihre Mauern ein pulsierender Atem, als erwache sie, ihrer ewigen Schönheit gewiss,<br />

zu neuem Leben. Man fühlt <strong>und</strong> sieht es, man riecht, schmeckt <strong>und</strong> hört es: al-Andalus lebt weiter<br />

in dem Land südlich der Sierra Morena <strong>und</strong> in seinen Menschen. Die arabischen Eigenschaften<br />

Fröhlichkeit, Gelassenheit, Gastfre<strong>und</strong>schaft, die Lebensfreude, die Lust an Kommunikation <strong>und</strong> das<br />

tiefe Empfinden der Gefühle sind Bestandteil der Seele Andalusiens.<br />

Ψ<br />

152 Erschienen 1832 in englischer Sprache, fast zeitgleich folgte die deutsche Übersetzung. Washington Irving (geb. 1783<br />

in New York, gest. 1859 in Sunnyside, Tarrytown) war ein amerikanischer Schriftsteller <strong>und</strong> stand zeitweise im<br />

diplomatischen Dienst der amerikanischen Botschaft in Madrid.<br />

67


Bücher von Isabel Blanco del Piñal<br />

GESCHICHTE, GESCHICHTEN <strong>und</strong> GEDICHTE<br />

aus der<br />

SPANISCHEN MAURENZEIT <strong>und</strong> MAROKKO<br />

Isabel Blanco del Piñal geht die Geschichte von al-Andalus -dem maurischen Spanien- nicht<br />

wissenschaftlich an, sie ist eine leidenschaftliche Erzählerin <strong>und</strong> folgt dem Schreibstil arabischer<br />

Chronisten aus der Zeit der klassischen islamischen Literatur: Geschichtliche Ereignisse <strong>und</strong> Entwicklungen<br />

wurden mit Gedichten, amüsanten Anekdoten, Palastgeflüster <strong>und</strong> romantischen oder tragischen<br />

Geschichten aus dem Leben von Kalifen <strong>und</strong> Königen, von Wesiren, Poeten, heiligen Männern oder<br />

berühmten Frauen ihrer Zeit ausgeschmückt.<br />

Damit waren die arabischen Chronisten nicht nur Geschichtsschreiber, ihre Jahrh<strong>und</strong>erte alten Werke<br />

liefern gleichzeitig ein gesellschaftliches Spiegelbild, sie geben den Zeitgeist der jeweiligen Epoche wieder.<br />

In den vielen Jahrh<strong>und</strong>erten arabischer Herrschaft in Spanien hatte es Blütezeiten der Wissenschaften<br />

gegeben, die auch das Abendland befruchteten, Zeiten des friedlichen Zusammenlebens der drei<br />

Religionen aber auch Epochen ausufernder Dekadenz.<br />

Es war eine ganz besondere Ehre dass Frau Dr. Dr. h.c. mult. Annemarie Schimmel das Vorwort zu Isabel<br />

Blancos erstem Buch „GESCHICHTEN aus <strong>AL</strong>-AND<strong>AL</strong>US“, schrieb. Die stimmungsvollen Lesungen <strong>und</strong><br />

lebendigen Vorträge von Isabel sind beliebt, besonders ihre Ausführungen zur Toleranz im Reich der drei<br />

Religionen. Auf der Webseite www.rosenoire.de finden Sie Leseproben <strong>und</strong>/oder Inhaltsverzeichnisse der<br />

verschiedenen Bücher <strong>und</strong> Rezensionen. Wir sind für Sie da, gern beantworten wir weiterführende Fragen<br />

per Email.<br />

Herausgeber: RoseNoire Gisela Fischer, D - 81827 München,<br />

Tel. 089/439 53 21, Fax 089/439 75 89<br />

Email: rosenoiregf@gmail.com<br />

Alle digitalen Veröffentlichungen: https://www.yumpu.com/user/rosenoiregf<br />

Ψ<br />

68


GESCHICHTEN AUS <strong>AL</strong>-AND<strong>AL</strong>US (3. Auflage)<br />

Die Königreiche Taifas, ein andalusischer Traum<br />

Isabel Blanco del Piñal<br />

Vorwort von Frau Dr. Dr. h.c. mult. Annemarie Schimmel<br />

Geschichten, Geschichte <strong>und</strong> Gedichte: Die Autorin schreibt lebendig <strong>und</strong><br />

abwechslungsreich über Glanz <strong>und</strong> Untergang der maurischen Kultur in<br />

Spanien. Viele Jahrh<strong>und</strong>erte lang pflegten arabische Literaten <strong>und</strong> Chronisten<br />

die Tradition der, jede auch noch so winzige Kleinigkeit erfassenden,<br />

Überlieferungen. Sie verknüpften historische Fakten mit dramatischen<br />

Geschichten, mit Lyrik <strong>und</strong> Prosa jener Zeiten, mit amüsanten oder<br />

tragischen Anekdoten aus dem Leben von Königen, Dichtern, Wesiren,<br />

Philosophen oder Prinzessinnen. Ihre Chroniken bieten eine Überfülle an<br />

Informationen <strong>und</strong> enthalten auch Palastgeflüster, bösartige Intrigen,<br />

bewegende Liebes-geschichten oder Eifersuchtsdramen <strong>–</strong> zuweilen lesen sich<br />

diese Schriften wie orientalische Märchen.<br />

Isabel Blanco del Piñal hat diesen Schreibstil übernommen <strong>und</strong> lässt nicht nur die Blütezeit der maurischen<br />

Hochkultur noch einmal aufleben, die auch die abendländische Philosophie, Wissenschaft <strong>und</strong> Religion<br />

inspiriert <strong>und</strong> bereichert hat. Sie erzählt auch von dem dramatischen Untergang der spanischen Araber. Die<br />

Geschichten aus al-Andalus sind ursprünglich in drei Bänden erschienen. Bei der ersten überarbeiteten <strong>und</strong><br />

erweiterten Neuauflage wurden sie in einem Sammelband zusammengefasst. Die liebevoll gestaltete<br />

hochwertige Veröffentlichung erschien als Hardcover.<br />

64 Bilder in nostalgisch-braunem Duplex-Druck, 224 S. <strong>–</strong> 16x21cm, ISBN 978-3-933653-07-9<br />

Inhaltsverzeichnis <strong>und</strong> Leseprobe finden Sie auf unserer Website www.rosenoire.de.<br />

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LAND AM SONNENUNTERGANG <strong>–</strong> MAROKKO<br />

Isabel Blanco del Piñal<br />

Bereits im 4. Jahrh<strong>und</strong>ert n.Chr. verließen die alten Araber ihre Halbinsel,<br />

um die angrenzenden Kontinente zu erk<strong>und</strong>en. Im äußersten Westen gebot<br />

ein Furcht einflößendes <strong>und</strong> legendenumwobenes Meer ihrem<br />

Entdeckungsdrang Einhalt. „(...) Dort im Okzident beginnt das westliche<br />

Meer, das man auch das Meer der Dunkelheit nennt. Weiter darüber hinaus<br />

weiß niemand, was dort existiert (...)“ schrieb der Geograph al-Idrisi im 12.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert. Dort, am Ende des afrikanischen Erdteils, lag ein Land, das die<br />

Araber al-Maghrib al-aqsa nannten, „den äußersten Westen“ - ein Land am<br />

Rande des Sonnenuntergangs.<br />

Isabel Blanco schöpft wieder aus der reichen Fülle der überlieferten<br />

Literatur <strong>und</strong> verleiht der bewegten Geschichte des Königreichs Marokko<br />

menschliche Züge: Im Land der Berber erwachen Sultane <strong>und</strong> Poeten zu<br />

neuem Leben, heilige Männer <strong>und</strong> Geistwesen sind der Ursprung für faszinierende Legenden. Daneben lässt<br />

die Autorin auch eigene Reiseeindrücke einfließen. Große Bedeutung kommt der Epoche vom 11. bis zum<br />

14. Jahrh<strong>und</strong>ert zu in der die Schicksale von al-Maghrib <strong>und</strong> al-Andalus, dem arabischen Spanien, besonders<br />

eng miteinander verb<strong>und</strong>en waren. Dicht an dicht sind die andalusischen Ornamente in den<br />

farbenprächtigen Teppich der marokkanischen Geschichte eingewoben.<br />

Es ist ein lebendig geschriebenes Portrait eines Landes in dem historische Zusammenhänge aufgedeckt<br />

werden <strong>und</strong> sich Vergangenheit, Traditionen <strong>und</strong> Gegenwart zu einem schillernden Mosaik zusammenfügen.<br />

Hardcover, 304 S. <strong>–</strong> 38, ganzseitige Bilder (S/W), 17x21cm<br />

ISBN 378-3-933653-06-2 <strong>–</strong> Inhaltsverzeichnis auf www.rosenoire.de<br />

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ROSEN DER WÜSTE <strong>–</strong> Die Architektur in der arabischen Literatur<br />

von María Jesús Rubiera <strong>–</strong> Übersetzung aus dem Spanischen von Isabel<br />

Blanco del Piñal<br />

ROSEN DER WÜSTE <strong>–</strong> ein poetisches Symbol für die prunkvollen,<br />

märchenhaften Bauwerke der arabischen Architektur. Ihre Paläste <strong>und</strong><br />

Gartenanlagen wurden aus der Wüste geboren. In der Fantasie der Beduinen<br />

verwandelten sich Hitze flimmernde Trugbilder in Türme <strong>und</strong> Kuppeln, die<br />

vor Gold <strong>und</strong> Edelsteinen glitzern, <strong>und</strong> dem erlösenden Wohlgefühl bei der<br />

Ankunft in schattigen, grünen Oasen sind üppig blühende Gärten mit leise<br />

plätschernden Wasserläufen nachempf<strong>und</strong>en. Die arabische Architektur<br />

inszenierte ein dynamisches Schauspiel, erfüllt von Licht, Farben, Klängen <strong>und</strong><br />

Düften. Sie erschuf Bauwerke als Lustobjekte <strong>und</strong> Orte der Lust zugleich.<br />

Die Autorin gibt in diesem Band mittelalterliche Texte von arabischen<br />

Chronisten, Hofpoeten <strong>und</strong> Reisenden wieder. Sie beschreiben bis ins kleinste<br />

Detail die ehemalige Pracht von Städten, Palästen, Moscheen, Bädern <strong>und</strong><br />

Gärten im alten Arabien <strong>und</strong> im islamischen Spanien. María Jesús Rubiera interpretiert Fakten <strong>und</strong><br />

Legenden, jedoch ist dies keine Abhandlung über Kunst oder Archäologie. Es ist eine lange Reise durch die<br />

arabische Architektur mit weit geöffneten <strong>und</strong> verträumten Augen <strong>–</strong> ein Buch verführerischer ferner <strong>und</strong><br />

fremder Visionen.<br />

Paperback, 256 Seiten, 20 x15cm, ISBN 978-3-93365305-5<br />

Inhaltsverzeichnis <strong>und</strong> Leseprobe auf www.rosenoire.de<br />

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ICH PFLÜCKTE <strong>DIE</strong> ROSE …<br />

Eine Auswahl der schönsten Verse <strong>und</strong> Gedichte<br />

Aus der spanischen Maurenzeit<br />

Die überlieferte Lyrik in diesem Band lässt den verführerischen Zauber von<br />

al-Andalus, dem maurischen Spanien, wieder auferstehen. Sie beflügelt<br />

unsere Fantasie <strong>und</strong> erfüllt uns mit einer unbestimmten Sehnsucht, die<br />

unsere Seele wie eine sanft gezupfte Saite vibrieren lässt. Ist es unser<br />

Verlangen nach märchenhafter, schwärmerischer Romantik, nach einer<br />

heilen Welt die heute mehr denn je in fast unerreichbare Ferne gerückt<br />

scheint? Doch die Zeiten, die uns hier bewegen, waren keineswegs nur<br />

paradiesisch. Die Anthologie spiegelt auch ein Gesellschaftsbild wieder <strong>und</strong><br />

am Ende erwartet uns, wie eine historisch logische Folge, die raue<br />

Wirklichkeit, denn der Zauber von al-Andalus zerbrach an der christlichen<br />

Rückeroberung.<br />

Isabel Blanco del Piñal führt mit Versen <strong>und</strong> Gedichten durch die Glanzzeit der maurischen Kultur bis hin zu<br />

ihrem dramatischen Untergang. Abschließend lässt sie auch zeitgenössische arabische Dichter mit ihren<br />

Klagen über den Verlust vom Paradies al-Andalus zu Wort kommen. Die Verse <strong>und</strong> Gedichte sind<br />

chronologisch nach Jahrh<strong>und</strong>erten geordnet <strong>und</strong> mit zahlreichen Erläuterungen zum Hintergr<strong>und</strong> ihrer<br />

Entstehung versehen.<br />

Hardcover, 144 S., 21x17cm, ISBN 978-3-933653-08-6<br />

Vorwort kostenlos als PDF lesen unter: https://www.yumpu.com/user/rosenoiregf<br />

Unter dem Titel: Historische Arabesken <strong>–</strong> Die hispano-arabische-Dichtkunst<br />

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MAURENLAND, CHRISTENLAND<br />

Ein Ritter, ein König <strong>und</strong> ein Poet: Drei Jahrh<strong>und</strong>erte spanische<br />

Reconquista Isabel Blanco del Piñal<br />

Nach den „Geschichten aus al-Andalus“, in denen Isabel Blanco del Piñal<br />

die Geschichte Spaniens von der arabischen Eroberung der Iberischen<br />

Halbinsel im Jahre 711 bis zum Untergang der maurischen Kultur im<br />

Abendland mit der Stimme <strong>und</strong> aus der Sicht der spanischen Mauren<br />

erzählte, widmet sie in diesem Band ihre Aufmerksamkeit der<br />

Gegenseite, der spanischen Christenwelt. Drei berühmte<br />

Persönlichkeiten führen durch die drei wichtigsten Jahrh<strong>und</strong>erte zähen<br />

Ringens um die Reconquista, die christliche Rückeroberung des<br />

muslimischen Spaniens: der Ritter Rodrigo Díaz aus Vivar (11. Jh.) kurz<br />

"der Cid" genannt, König Alfons X. von Kastilien <strong>und</strong> Leon (13. Jh.), dem<br />

die Nachwelt den Beinamen „der Gelehrte“ verlieh <strong>und</strong> Miguel de<br />

Cervantes Saavedra (16./17. Jh.), der Autor des Don Quijote von der<br />

Mancha.<br />

Alle drei waren sie Grenzgänger zwischen den Religionen <strong>und</strong> Kulturen, ihr Leben <strong>und</strong> ihr Vermächtnis<br />

führen anschaulich vor Augen, wie facettenreich das Verhältnis von Christen <strong>und</strong> Mauren im damaligen<br />

Spanien bis über das Mittelalter hinaus war. Sie zeigen uns Welten politischer Grauzonen <strong>und</strong> innerer<br />

Zerrissenheit, <strong>und</strong> es wird in jedem Fall offenbar, dass nichts so war, wie es auf den ersten Blick scheint. So<br />

unterschiedlich sie von ihrem Stand her waren, haben sie doch etwas gemeinsam: Mit Leidenschaft lebten<br />

sie ihre Visionen, sie verfolgten unbeirrt ihre Ziele <strong>und</strong> vollbrachten Außergewöhnliches. Und wenn auch das<br />

Leben jedes Einzelnen, aller Berühmtheit zum Trotz, nicht einer gewissen Tragik entbehrt, haben ihre Werke<br />

<strong>und</strong> Taten sie doch unsterblich gemacht.<br />

Hardcover, 21x16cm, 100 Bilder in Farbe, 440 S.,ISBN 978-3-933653-09-3<br />

Inhaltsverzeichnis auf www.rosenoire.de<br />

Die letzte Rezension (14. Juni 2014) für diesen Titel …:<br />

MAURENLAND, CHRISTENLAND,<br />

Ein Ritter, ein König <strong>und</strong> ein Poet,<br />

drei Jahrh<strong>und</strong>erte spanische Reconquista<br />

… finden Sie unter:<br />

http://afarab.blogspot.com/2014/06/maurenland-christenland-rezension.html<br />

Frau Birgit Agada ist eine bekannte Reisejournalistin, Reiseunter-nehmerin <strong>und</strong> selbst auch Autorin<br />

von Reiseliteratur. Sie ist spezialisiert auf arabische <strong>und</strong> nordafrikanische Länder <strong>und</strong> Kulturen.<br />

Kontakt:<br />

RoseNoire<br />

Gisela Fischer <strong>–</strong> Isabel Blanco del Piñal<br />

Günderodestraße 20, D-81827 München<br />

Tel. +49 (0)89 439 53 21 <strong>–</strong> Fax +49 (0)89 439 75 89<br />

e-Mail: rosenoiregf@gmail.com<br />

Webseite: www.rosenoire.de<br />

Facebook: https://www.facebook.com/isabel.blancodelpinal<br />

Alle digitalen Magazine gratis lesen: https://www.yumpu.com/user/rosenoiregf<br />

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