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ERFAHRUNGSBERICHT<br />

zum Hospitationsaufenthalt <strong>im</strong> Rahmen des<br />

INTERNATIONALEN HOSPITATIONSPROGRAMM PFLEGE UND GESUNDHEIT<br />

der Robert Bosch Stiftung<br />

Hospitationsland: Schweden<br />

Zeitraum: 27.03.2008 - 27.06.2008<br />

Teilnehmer/in: Katja Besselmann<br />

Arbeitsbereich in Deutschland: Ergotherapeutin, Stroke Unit und Neurologische Frührehabilitation<br />

Hospitationsthema/-themen: Wie erfolgt die Befunderhebung und Dokumentation von Therapiezielen<br />

in der ergotherapeutischen Behandlung neurologischer Patienten in<br />

Schweden?<br />

Beschreibung der Hospitation<br />

Allgemeine Angaben<br />

Im Frühjahr 2008 verbrachte ich 3 Monate in Schweden, um am Karolinska Universitetssjukhuset<br />

Stockholm zu hospitieren.<br />

Meine gastgebenden Institutionen waren sowohl das Karolinska Universitetssjukhuset in Solna, als<br />

auch das Karolinska in Huddinge. Neben diesen beiden Einrichtungen konnte ich zudem durch<br />

Studienbesuche auch Einblicke in andere neurologische Institutionen innerhalb Stockholms gewinnen.<br />

Diese Einrichtungen werde ich <strong>im</strong> Laufe meines Berichtes näher vorstellen.<br />

Karolinska Universitetssjukhuset Stockholm<br />

Das Karolinska Universitetssjukhuset ist Skandinaviens größtes Krankenhaus und eine der 5 besten<br />

Universitätskliniken Europas. Das Universitätsklinikum betreibt medizinische Versorgung, Forschung<br />

und Ausbildung in Solna und Huddinge. Allerdings finden sich auch Pflegeplätze, Labors und<br />

verschiedene Abteilungen des Karolinskas in umliegenden Krankenhäusern bzw. Gesundheitszentren<br />

der Region Stockholm. So gehören zum Karolinska neben den beiden Haupthäusern in Solna und<br />

Huddinge auch das Löwenströmska Sjukhuset, das Danderyds Sjukhus, das Rosenlunds Sjukhus,<br />

sowie das Södersjukhuset dazu.<br />

Das Karolinska Universitetssjukhuset hat 1800 Betten und 15.000 Mitarbeiter. Jährlich werden am<br />

Karolinska 1,3 Millionen Patienten behandelt.<br />

Die Universitätsklinik betreibt zudem eine enge Zusammenarbeit mit zahlreichen ausländischen<br />

Kliniken, wie z.B. der John Hopkins Klinik in den USA, dem Rikshospitalet in Norwegen, dem Leiden<br />

University Medical Center in Holland, sowie dem Oxford Hospital in Großbritannien.<br />

Inhalte der Hospitation/zentrale Fragestellungen<br />

Da ich in Deutschland als Ergotherapeutin in einer neurologischen Klinik arbeite, liegt mein inhaltlicher<br />

Schwerpunkt der Hospitation auf der ergotherapeutischen Befunderhebung und Behandlung<br />

neurologischer Patienten in Schweden, speziell bezogen auf das Karolinska Universitetssjukhuset und<br />

dessen Einrichtungen.<br />

Meine verschiedenen Betreuerinnen innerhalb der einzelnen Abteilungen des Karolinskas, sowie in<br />

den einzelnen Institutionen, in denen ich Studienbesuche absolvieren durfte, sind allesamt<br />

Ergotherapeutinnen, die bereits mehrere Jahre in der Neurologie tätig sind und sich zum Teil auf<br />

spezielle Bereiche bzw. best<strong>im</strong>mte neurologische Erkrankungen spezialisiert haben.<br />

Folgende Fragen erhoffte ich durch meinen Aufenthalt in Schweden beantwortet zu bekommen:<br />

• Wie erfolgt die Befunderhebung und Dokumentation von Therapiezielen in der<br />

ergotherapeutischen Behandlung neurologischer Patienten in Schweden?<br />

• Erfolgt die Befunderhebung auf der Betätigungs- und/oder auf der Funktionsebene?<br />

• Ist die Therapieplanung individuell und patientenorientiert?<br />

• Werden ergotherapeutische Assessments und Funktionstest eingesetzt? Wenn ja, welche?<br />

• Sind sie auf unsere Klinik übertragbar?<br />

Weitere Informationen erhalten Sie be<strong>im</strong> Institut G-<strong>plus</strong><br />

http://www.g-<strong>plus</strong>.org<br />

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• Wie läuft die Patientenversorgung nach dem Klinik- bzw. Rehabilitationsaufenthalt konkret ab?<br />

• Wie oft, wie lange erfolgt die ergotherapeutische Versorgung?<br />

• Welcher Altersgruppe gehören die neurologischen Patienten in der Rehaabteilung des<br />

Karolinskas an?<br />

• Gibt es spezielle Indikationen für die ergotherapeutische Befundung/Behandlung?<br />

Ziele und Erwartungen<br />

Ich habe Schweden als Hospitationsland gewählt, da dort die Ergotherapie seit vielen Jahren ein<br />

fester Bestandteil in der Krankenversorgung ist und ich in Fachzeitschriften gelesen habe, dass die<br />

Befunderhebung, Dokumentation und der fachliche Austausch in Schweden, bedingt durch die relativ<br />

kurzen Liegezeiten der Patienten in den Krankenhäusern und die daran anschließende ambulante<br />

bzw. stationäre Versorgung, einen hohen Stellenwert hat.<br />

Durch die Entwicklung in der deutschen Gesundheitspolitik, dass vom Leistungsträger Krankenhaus<br />

fortwährend mehr Wirtschaftlichkeit und Qualität gefordert wird und somit ein vermehrtes „Kosten-<br />

Nutzen-Denken“ aufkommt, werden letztendlich nur noch Therapien finanziert, für die empirische<br />

Wirksamkeitsbelege vorliegen. So werden eine gezielte Befunderhebung und Dokumentation auch in<br />

Deutschland mehr und mehr von Bedeutung sein.<br />

Des Weiteren interessierte mich das schwedische Gesundheitssystem und die Versorgung der<br />

Patienten mit Hilfsmitteln, sowie durch pflegerische Maßnahmen und therapeutische Unterstützung, da<br />

ich bei meiner Arbeit in Deutschland auf diese beiden Punkte bezogen, oft auf Hindernisse stoße bzw.<br />

auf die Willkür und großen Einfluß der Krankenkassen.<br />

Persönlich war mir der „Blick über den Tellerrand“ sehr wichtig, um neue spannende Erfahrungen<br />

sammeln zu können, mich und meine Profession in einem anderen Land erproben und mich fachlich<br />

mit meinen schwedischen Kollegen austauschen zu können. Ferner sah ich die Hospitation als<br />

Motivator und Ansporn für meine tägliche Arbeit als Ergotherapeutin und als Möglichkeit, Teile meiner<br />

Arbeit aus einer anderen Perspektive sehen zu können und diese durch den direkten Vergleich mit<br />

den in Schweden erhaltenen Einblicken wieder mehr schätzen zu lernen.<br />

Vorbereitung<br />

Da ich mich <strong>im</strong> Sommer 2007 für die Hospitation am Karolinska Universitetssjukhuset beworben habe,<br />

geriet ich mit meiner Bewerbung direkt ins „schwedische Sommerloch“. Viele von meinen<br />

schwedischen Kollegen waren <strong>im</strong> Urlaub und so musste ich bis Ende August auf die ersehnte Zusage<br />

warten. Von da an entstand ein reger EMail Kontakt mit drei Kolleginnen des Karolinskas. Ich<br />

beantragte eine dre<strong>im</strong>onatige Freistellung bei meinem Arbeitgeber, die mir rasch zugesagt wurde. Um<br />

meine Kollegen während meiner Abwesenheit zu entlasten, stellte das Klinikum Osnabrück für drei<br />

Monate befristet eine arbeitssuchende Kollegin ein. Da sie bereits als Praktikantin während ihrer<br />

Ausbildung bei uns war, war sie mit den Abläufen in unserer Klinik vertraut.<br />

Die anfänglich unproblematische Entwicklung meines Hospitationsvorhabens kippte relativ rasch, so<br />

dass erste Probleme auftraten. Bedingt durch die dre<strong>im</strong>onatige Freistellung ohne Lohnfortzahlung,<br />

lagen alle Versicherungen brach und ich musste zusehen, was ich an freiwilligen Versicherungen<br />

benötigte. Sowohl meine Krankenkasse, als auch mein Arbeitgeber konnten mir diesbezüglich nur<br />

unzureichend Informationen geben.<br />

Das Karolinska Universitetssjukhuset forderte Kopien meiner Versicherungspolicen, um sich <strong>im</strong><br />

Schadensfall absichern zu können. Unter anderem wollten sie eine Berufshaftplichtversicherung, die<br />

ich jedoch durch die Freistellung nicht mehr hatte. Es dauerte lange, bis ich eine Versicherung fand,<br />

die mich länger als vier Wochen fürs Ausland versichern wollte.<br />

Nachdem diese Hürde auch durch die Unterstützung des G-<strong>plus</strong> Teams genommen war, benötigte ich<br />

eine schwedische Arbeitserlaubnis (Legit<strong>im</strong>ation). Der schriftliche Aufwand war groß, dennoch erhielt<br />

ich rasch meine schwedische Legit<strong>im</strong>ation.<br />

Meine Abreise kam näher und näher, aber trotz intensiver Recherchen und Unterstützung der<br />

Kollegen des Karolinska Universitetssjukhuset hatte ich noch keine Unterkunft. Dienstwohnungen des<br />

Karolinskas werden nur an Angestellte vergeben, Wohnungs- bzw. Z<strong>im</strong>merangebote in der Zeitung<br />

und <strong>im</strong> Internet waren rar und viel zu teuer. Per Zufall fand ich dann doch eine Unterkunft bei einer<br />

älteren Dame, bei der ich mich sehr wohlfühlte.<br />

Stockholm kannte ich bereits durch Reisen nach Schweden und einen vierwöchigen Sprachkurs, den<br />

ich 2006 machte. Durch den Besuch mehrerer Schwedischkurse an der VHS fühlte ich mich für meine<br />

Zeit in Schweden sprachlich recht gut vorbereitet.<br />

Das Vorbereitungstreffen in Witten/Herdecke gab mir durch die Berichte der „He<strong>im</strong>kehrer“ viele<br />

Impulse und Anregungen, so dass ich richtig Lust auf meine Hospitation am Karolinska<br />

Universitetssjukhuset bekam.<br />

Weitere Informationen erhalten Sie be<strong>im</strong> Institut G-<strong>plus</strong><br />

http://www.g-<strong>plus</strong>.org<br />

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Bevor ich allerdings anfangen konnte, musste ich mich in Schweden einer Gesundheitsuntersuchung<br />

unterziehen. Der Termin für diese Untersuchung auf<br />

Krankenhauske<strong>im</strong>e, wurde bereits <strong>im</strong> Vorfeld von meiner Kollegin gemacht. Bis zum Erhalt meines<br />

Ergebnisses, durfte ich keinen Patientenkontakt haben. Diesbezüglich gibt es strenge Regeln <strong>im</strong><br />

Karolinska Universitetssjukhuset.<br />

Eine schwedische Kollegin erstellte frühzeitig einen Plan für die gesamten drei Monate, in dem sie<br />

meine Wünsche und Erwartungen an die Hospitation voll mit einbezog. Ich erhielt die Möglichkeit, in<br />

vielen Bereichen der neurologischen Versorgung von der Akutversorgung bis zur Rehabilitation bzw.<br />

häuslichen Versorgung Einblicke zu bekommen. Erste Kontakte mit den einzelnen Einrichtungen<br />

waren bereits geknüpft, so dass ich lediglich per Mail meine Studienbesuche bestätigen musste.<br />

Das Interesse meiner deutschen Kollegen an meinem Vorhaben nahm mehr und mehr zu, so dass ich<br />

auch von ihnen Fragestellungen für die Hospitation mit auf den Weg bekam.<br />

Einige Informationen über das schwedische Gesundheitssystem und die Arbeit von Ergotherapeuten<br />

in Schweden erhielt ich <strong>im</strong> Vorfeld über das Internet, Artikel in Fachzeitschriften, Erfahrungsberichte<br />

anderer Teilnehmer und durch meine Schwedischlehrerin.<br />

Da sich meine schwedischen Kollegen wünschten, dass ich ein wenig über meine Arbeit in<br />

Deutschland berichte und am Ende meines Aufenthaltes Deutschland und Schweden miteinander<br />

vergleiche, sammelte ich vor meiner Abreise Informationen über unser Klinikum und die Ausbildung<br />

von Ergotherapeuten in Deutschland.<br />

Durchführung<br />

Um ein paar Tage Zeit zu haben, mich in Schweden einzuleben und mich inhaltlich auf die Hospitation<br />

vorzubereiten, flog ich schon vor dem Wochenende nach Stockholm. Drei Tage vor Beginn meiner<br />

Hospitation erfolgte die Gesundheitsuntersuchung und am 1. April startete die Hospitation. Gegen halb<br />

neun hieß man mich <strong>im</strong> Karolinska Universitetssjukhuset in Solna herzlich willkommen. Nach dem<br />

obligatorischen „fika“ (Kaffeetrinken), erklärte mir eine Kollegin die neurologischen Abteilungen des<br />

Karolinskas in Solna, die einzelnen Arbeitsbereiche der Kollegen und ging mit mir meinen Plan für die<br />

nächsten drei Monate durch. Der April umfasste das Thema Schlaganfallversorgung <strong>im</strong> Akut- und<br />

stationären Rehabereich. Hier hospitierte ich überwiegend in verschiedenen Abteilungen des<br />

Karolinskas in Solna und Huddinge, sowie an zwei Tagen <strong>im</strong> ambulanten Stroketeam<br />

Kungsholmen/Norrmalm. Im Mai waren verschiedene Studienbesuche <strong>im</strong> Bereich „Öppenvård“<br />

(ambulante und teilstationäre Versorgung) geplant. Hauptthemen waren die Versorgung von Patienten<br />

mit MS, Parkinson, ALS und Muskeldystrophien.<br />

Im Juni erhielt ich die Möglichkeit, mir zwei Einrichtungen anzusehen, die sich auf die Rehabilitation<br />

von Rückenmarksgeschädigten spezialisiert haben. Mein Plan war gut organisiert und die einzelnen<br />

Tage vorgeplant, dennoch gab es Möglichkeiten, flexibel auf zusätzliche Termine reagieren zu<br />

können.<br />

Meine Arbeitszeiten lagen je nach Einsatzort zwischen 5-8,5 Stunden am Tag. In den ersten drei<br />

Wochen war ich abends sehr erschöpft, bedingt durch die vielen neuen Eindrücke, die durchgängig<br />

auf schwedisch geführte Kommunikation und die zum Teil langen Arbeitswege mit verschiedenen<br />

Verkehrsmitteln, wie Bus, „Tunnelban“ (U-Bahn) und „Pendeltåg“(Vorstadtzug). Hinzu kam, dass ich<br />

als Hospitantin überwiegend als „Mitläuferin“ tätig war, was ich seit meiner Ausbildung nicht mehr<br />

gewohnt war.<br />

Alle Kollegen zeigten großes Interesse an mir und meiner Arbeit und nahmen sich Zeit, mir in Ruhe<br />

ihre Einrichtung zu zeigen, über ihre Arbeitsaufgaben zu berichten bzw. mich zu<br />

Behandlungseinheiten, Teamgesprächen und Hausbesuchen mitzunehmen.<br />

Auch war es unproblematisch, Unterlagen, Materialien bzgl. meiner Fragestellungen zu bekommen, so<br />

dass ich mit einer ganzen Test- und Befundungsbatterie zurück nach Deutschland flog.<br />

Neben der Herzlichkeit und Offenheit der Kollegen, brachten mir auch viele Patienten großes<br />

Interesse an meiner Person entgegen, so dass sie mir eine Kontaktaufnahme sehr leicht machten.<br />

Durch die vielen verschiedenen Einsatzorte und zum Teil nur kurzen Studienbesuche für ein, zwei<br />

Tage, wurde von mir ein hohes Maß an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit gefordert. Ich profitierte<br />

dadurch sehr und erhielt letztendlich ein gesundes Maß an Selbstbewusstsein. Zudem blieb dadurch<br />

meine gesamte Hospitationszeit sehr interessant und überaus erlebnisreich.<br />

Um meine Gedanken und Erlebnisse sortieren und sammeln zu können, machte ich mir abends<br />

regelmäßig Notizen und schrieb ein Tagebuch. Im Mai und Anfang Juni stellte ich meinen<br />

schwedischen Kollegen in Solna und Huddinge die ergotherapeutische Arbeit in Deutschland vor. Ich<br />

berichtete über meine Arbeit am Klinikum Osnabrück und die ergotherapeutische Ausbildung. Meine<br />

Kollegen waren sehr interessiert an den Unterschieden und Gemeinsamkeiten innerhalb unserer<br />

Weitere Informationen erhalten Sie be<strong>im</strong> Institut G-<strong>plus</strong><br />

http://www.g-<strong>plus</strong>.org<br />

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Profession. Die beiden Vorträge führten zu angeregten Diskussionen über die jeweiligen Vor- und<br />

Nachteile der ergotherapeutischen Arbeit in Schweden und Deutschland, so dass ein toller<br />

internationaler, fachlicher Austausch entstand.<br />

Nachbereitung<br />

Bereits in Schweden habe ich regelmäßig meine Eindrücke des Tages schriftlich niedergelegt und<br />

reflektiert. Häufig diskutierte ich noch abends mit meiner Vermieterin über das schwedische und<br />

deutsche Gesundheitssystem und die Arbeit von Therapeuten und Pflegekräften. Meine Vermieterin<br />

hat lange als Krankenschwester für das schwedische Rote Kreuz gearbeitet.<br />

Über das Internet und telefonisch stand ich <strong>im</strong> regen Kontakt mit meinen deutschen Kollegen, so dass<br />

wir Informationen austauschen konnten. Im Herbst ist ein Vortrag über meine Hospitation in Schweden<br />

geplant, zu dem alle Interessierten unserer Klinik eingeladen sind. Zudem steht noch das<br />

Nachbereitungstreffen von G-Plus in Witten/Herdecke aus, auf dem ich gern von meiner Zeit in<br />

Schweden berichten und somit den „neuen“ Teilnehmern Lust auf ihre Hospitation machen möchte.<br />

Die in den einzelnen Einrichtungen von mir gemachten Fotos, werde ich sicher für meine Vorträge<br />

einsetzen, um vieles zu verdeutlichen.<br />

Der Kontakt zu einigen schwedischen Kollegen wird hoffentlich bestehen bleiben. Vielleicht kann ich<br />

eines Tages, die mir entgegengebrachte Gastfreundschaft erwidern, indem ich eine schwedische<br />

Kollegin für eine Hospitation am Klinikum Osnabrück „Välkommen“ heiße.<br />

Bewertung der Hospitation<br />

Zielerreichung<br />

Durch die Länge meiner Hospitation (3 Monate) und die Möglichkeit, durch Einblicke in verschiedene<br />

Einrichtungen und Abteilungen den Rehaprozeß von neurologischen Patienten in Schweden mit<br />

verfolgen zu können, wurden alle meine Fragen und Erwartungen an die Hospitation beantwortet und<br />

<strong>im</strong> vollen Maße erfüllt.<br />

Durch Gespräche mit meinen schwedischen Kollegen, durch Fachzeitschriften und Internetrecherchen<br />

erhielt ich einen umfassenden Überblick über die medizinische Versorgung und möglichen<br />

Rehaprozesse.<br />

Jährlich erleiden etwa 30.000 Schweden einen Schlaganfall. 20.000 sind Erstbetroffene. Der<br />

Schlaganfall ist die dritthäufigste Todesursache in Schweden. Etwa 8.000 Patienten sterben jährlich<br />

direkt nach dem Schlaganfall. 70% aller schwedischen Schlaganfallpatienten kommen direkt auf<br />

spezielle Stroke Unit Einheiten. 80% der Betroffenen gehen innerhalb der ersten 3 Monate nach dem<br />

Ereignis wieder nach Hause. Wo sie bei Bedarf Unterstützung vom „Hemtjänst“, einem „personlig<br />

Assistent“, der Familie und vom „Stroketeam“ bzw. von „Distriktsterapeuter“ bekommen können.<br />

Wie sieht die Versorgung eines neurologischen Patienten nach einer Hirnschädigung, z.B. einem<br />

Schlaganfall aus? (Beispiel für einen betroffenen Schweden aus dem Raum Stockholm)<br />

Akutklinik<br />

Nach dem Eintreten des Schlaganfalls und der Aufnahme des Patienten in die Notfallaufnahme des<br />

Karolinska Universitetssjukhuset in Solna oder Huddinge, wird der Betroffene direkt auf die Stroke Unit<br />

verlegt. Hier erfolgt in erster Linie die medizinische Versorgung und Diagnostik. Die Liegezeit auf der<br />

Stroke Unit beträgt etwa 3-5 Tage. Danach erfolgt entweder die Entlassung nach Hause, bei voller<br />

Remission der Symptome, oder die Verlegung auf eine periphere neurologische Station des Karolinskas.<br />

Auf dieser trifft der Patient in der Regel zum ersten Mal auf einen Ergotherapeuten.<br />

Im Karolinska Universitetssjukhuset gibt es eine Prioritätenordnung für die ergotherapeutische<br />

Befundung und Behandlung der Betroffenen. Zunächst werden die Patienten ergotherapeutisch<br />

beurteilt, für die bereits eine Entlassung nach Hause geplant ist. Fragestellung hier ist, kann der<br />

Patient nach Hause? Schafft er es, die Aktivitäten des täglichen Lebens selbständig bzw. mit wenig<br />

Hilfe durchzuführen? Müssen Kontakte zu ambulanten Einrichtungen geknüpft werden?<br />

Als zweites werden diejenigen versorgt, bei denen feststeht, dass sie nach Hause gehen und<br />

Hilfsmittel benötigen, z.B. einen Duschstuhl, eine Toilettensitzerhöhung, einen Rollator, etc.<br />

Als drittes erfolgt die Befundung von Patienten, bei denen noch offen ist, wie die weitere Versorgung<br />

aussehen soll. Hier befundet die Ergotherapeutin, wie die Fähigkeit für die Verrichtung von<br />

Alltagsaktivitäten aussieht und ob eine stationäre Rehabilitation, eine ambulante Versorgung oder gar<br />

ein Pflegehe<strong>im</strong> notwendig ist.<br />

An vierter Stelle stehen Patienten, die deutlich herabgesetzte Funktionen haben und evtl. die Gefahr<br />

besteht, dass sich Ödeme bzw. Kontrakturen entwickeln. Hier erfolgt dann eine Ödembehandlung und<br />

Kontrakturprophylaxe.<br />

Weitere Informationen erhalten Sie be<strong>im</strong> Institut G-<strong>plus</strong><br />

http://www.g-<strong>plus</strong>.org<br />

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Zuletzt werden diejenigen Patienten ergotherapeutisch versorgt, bei denen feststeht, dass sie in eine<br />

weiterführende Rehabilitation überwiesen werden.<br />

In der Akutphase erfolgt somit überwiegend eine ergotherapeutische Befundung und weniger, wie es<br />

in Deutschland üblich ist, eine Behandlung. Die Beurteilung der ADL-Fähigkeiten und Versorgung der<br />

Betroffenen mit Hilfsmitteln <strong>im</strong> Falle einer Entlassung nach Hause, steht hier <strong>im</strong> Vordergrund.<br />

Angewendet werden standardisierte Tests und Assessments, wie z.B. LOTCA (Löwenstein<br />

Occupational Therapy Cognitive Assessment), NKSU (Neurobeteende vid Kognitiv Status<br />

Undersökning), RBMT (The Rivermead Behavioural Memory Test), MMT (Min<strong>im</strong>ental Test), ADL-<br />

Taxonomi, Sunnaas Sjukhus Köksbedömning (Test zur Überprüfung der ADL-Fähigkeit bei einer<br />

Küchentätigkeit, z.B. Bereitung eines Frühstücks).<br />

Im Akutbereich erfolgt die ergotherapeutische Befundung sowohl auf der Funktionsebene, z.B. bei der<br />

Anwendung kognitiver Tests (MMT, RBMT), als auch auf der Betätigungsebene (ADL-Taxonomi,<br />

Köksbedömning). Teilweise werden zur Beurteilung des Patienten lediglich Auszüge der einzelnen<br />

Assessments entnommen. In der Regel wird der Patient in der Akutphase einmal von dem<br />

Therapeuten aufgesucht. Die Ergebnisse werden dann in die Patientenakte geschrieben. Diese ist<br />

mittels Intranet vom gesamten neurologischen Team einsehbar.<br />

Stationäre Rehabilitation<br />

Nach dem Akutaufenthalt von etwa 1-2 Wochen, inklusive Stroke Unit wird der Patient entweder nach<br />

Hause entlassen oder kommt in eine weiterführende Rehabilitation. Für den Bereich Stockholm wären<br />

dies z.B. die geriatrische Rehaabteilung des Karolinskas in Huddinge, die Erstagårdsklinik, das<br />

Danderydssjukhus oder die Rehaklinik Stiftelsen Stora Sköndal.<br />

Geht der Patient nach Hause, werden alle Informationen über den stattgefundenen<br />

Krankenhausaufenthalt an ein „Stroketeam“ weitergegeben. Im Laufe meines Berichtes gehe ich noch<br />

näher auf diese Einheit ein.<br />

Kommt der Schlaganfallpatient in die Reha, erfolgt hier neben der Befundung auch eine<br />

ergotherapeutische Behandlung. Der Rehaverlauf soll hier zunächst am Beispiel der<br />

ergotherapeutischen Arbeitsaufgaben <strong>im</strong> Rehaprozeß des Danderyds Sjukhus in tabellarischer Form<br />

erläutert werden.<br />

Die Aufgaben sind für die Station 84 erstellt worden, auf der 10 Patienten mit schweren Hirnschäden<br />

nach Schlaganfällen, Hirnblutungen, Hirntumoroperationen und Schädelhirnverletzungen nach<br />

Unfällen liegen. Alle Patienten sind <strong>im</strong> Alter zwischen 16-64 Jahren.<br />

Eingangsphase<br />

(vor Aufnahme des<br />

Patienten, bzw. am 1.<br />

Aufnahmetag)<br />

• Informationen vom<br />

Team über den<br />

neuen Patienten<br />

• Übergabe durch<br />

einen Ergoth. der<br />

überweisenden<br />

Station<br />

• Vorbereitung und<br />

evtl. Bestellung<br />

von Hilfsmitteln<br />

• Aufnahme des<br />

Patienten<br />

zusammen mit<br />

Physioth. u.<br />

Krankenschwester<br />

, Anwesenheit<br />

be<strong>im</strong> ersten<br />

Transfer des Pat.<br />

• Mobilisation des<br />

Pat. an die<br />

Bettkante mit Hilfe<br />

des Physioth.<br />

Befundungsphase<br />

(2 Wochen ab dem 1.<br />

Patientenkontakt)<br />

• Befundung von<br />

ADL-Status,<br />

Rumpfstabilität,<br />

persönl. Hygiene,<br />

Nahrungsaufnahme,<br />

Kognition bei<br />

Aktivitäten<br />

• Durchführung des<br />

FIM-Tests nach 72<br />

Stunden zusammen<br />

der Pflege<br />

• Übergabe von<br />

individuell angepassten<br />

Pat.-<br />

Instruktionen an die<br />

Pflege<br />

• Buchung eines<br />

Angehörigen-<br />

gesprächs zus.<br />

mit Physio und<br />

Logo<br />

• Erhebung eines<br />

Handstatus bei<br />

Bedarf, evtl.<br />

Orthesenver-<br />

sorgung<br />

• Sitzanalyse, Instruktionen<br />

an<br />

Pflege<br />

• Befundung der<br />

Nahrungsaufnahme<br />

Behandlungsphase<br />

(nach dem 1. Patientenkontakt<br />

bis zur<br />

Entlassung)<br />

• Individuell angepassteergotherapeutischeBehandlung<br />

(ADL-<br />

Training, Förderung<br />

von Arm-/Handfunktionen,<br />

etc.)<br />

• Verschreibung und<br />

Erprobung von<br />

Hilfsmitteln<br />

• Erstellung von<br />

Handorthesen<br />

• Hausbesuch zur<br />

Abklärung, ob der<br />

Pat. über das<br />

Wochenende nach<br />

Hause entlassen<br />

werden kann, evtl.<br />

Wohnraumanpassung<br />

• Alle drei Monate<br />

Erhebung eines<br />

neuen ADL-Status<br />

• Teilnahme an<br />

Rehabesprechungen,<br />

Planung des<br />

weiteren Behandlungsverlaufes<br />

• Antragsstellung für<br />

Wohnraumanpassung,<br />

Hilfsmittel<br />

Entlassungsphase<br />

(unmittelbar vor der Entlassung<br />

des Patienten)<br />

• Erhebung des<br />

Entlassungs-status<br />

(ADL-Fähigkeiten,<br />

Funktionen, Hilfsmittelbedarf,<br />

etc.)<br />

• Anleitung von<br />

Angehörigen und<br />

persönl.<br />

Assistenten,<br />

Pflegehe<strong>im</strong>per-sonal<br />

• Bericht an die<br />

aufnehmende<br />

Instanz über den<br />

gesamten<br />

Rehaprozeß,<br />

Vorlieben, Stärken,<br />

Schwächen des<br />

Patienten<br />

Weitere Informationen erhalten Sie be<strong>im</strong> Institut G-<strong>plus</strong><br />

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zus. mit Logo<br />

• Erhebung des<br />

Hilfsmittelbedarfs<br />

des Patienten, evtl.<br />

Hausbesuch<br />

• Erarbeitung eines<br />

Tagesplans für den<br />

Patienten<br />

zusammen mit<br />

Angehörigen<br />

• Zielfindung für 5<br />

Wochen, in<br />

Rücksprache mit<br />

den Angehörigen<br />

Neben der Rehaabteilung des Danderyds Sjukhus, in der es in erster Linie darum geht, allgemeine<br />

ADL-Funktionen wieder zu erlangen, wie z.B. sich zu waschen, anzuziehen, selbständig zu essen, gibt<br />

es auch eine ambulante Rehabilitationseinheit für Patienten <strong>im</strong> erwerbsfähigen Alter zwischen 18 und<br />

64 Jahren.<br />

Diese Patienten leben bereits wieder zu Hause und können in der Regel mit wenig Hilfe ihr tägliches<br />

Leben meistern. Ziel dieser sozial- und berufsbezogenen Reha ist zum einen die<br />

Funktionsverbesserung für ein selbständiges Leben (Verbesserung/Förderung kognitiver und<br />

psychosozialer Funktionen), zum anderen die Wiedereingliederung in das Arbeitsleben.<br />

Das Team umfasst Ergotherapeuten, Logopäden, Physiotherapeuten, Sozialarbeiter und Ärzte und<br />

arbeitet überwiegend nach neuropsychologischen Prinzipien auf der Basis von ICF. Es erfolgt<br />

zunächst eine Testung von kognitiven und visuellen Funktionen, so dass <strong>im</strong> Anschluss daran ein<br />

gezieltes Training bzw. die Erarbeitung von Kompensationsstrategien erfolgen kann.<br />

Es werden Arbeiten am Computer, Gedächtnisgruppen, Kochgruppen, Stadtgruppen (Planung von<br />

Ausflügen, Anwendung öffentlicher Verkehrsmittel) angeboten. Zudem erhalten die Patienten<br />

psychologische Unterstützung, Hilfen in sozialen und finanziellen Angelegenheiten. Ferner werden<br />

Gesprächsgruppen, Angehörigengruppen und Schulungen zum Thema Hirnschäden und deren<br />

Auswirkungen durchgeführt. Die Rehabilitation dauert etwa 2-3 Monate und umfaßt 3-4 Tage in der<br />

Woche. Nach Beendigung der Rehabilitation n<strong>im</strong>mt der Patient entweder zunächst stundenweise<br />

seine Arbeit wieder auf, wird ins „Team 5“ (Arbeitstraining) überwiesen oder hat die Möglichkeit, mit<br />

einem „Distriktsergotherapeuten“ sensomotorische Einschränkungen und kognitive Probleme 1-2 mal<br />

wöchentlich zu trainieren.<br />

Team 5 (Arbeitstraining/ „Arbetslivsprogrammet“)<br />

Im Team 5 des Danderyds Sjukhus erfolgt eine berufliche Rehabilitation, innerhalb dieser, das<br />

Arbeitsvermögen der Patienten geprüft und trainiert wird. Die Rehabilitation erfolgt ambulant und<br />

umfaßt 5 Wochen, in denen die Betroffenen mit verschiedenen arbeitsähnlichen Situationen<br />

konfrontiert werden. Ziel der Rehabilitation ist, dass die Patienten ihre Arbeitsfähigkeit nach der<br />

Hirnschädigung erproben und richtig einschätzen lernen und ihnen Unterstützung gegeben wird,<br />

wieder in das Arbeitsleben integriert zu werden. Jeder Teilnehmer des Rehaprogrammes bekommt<br />

einen individuellen Rehabilitationsplan. Eigene Ideen und Aufgaben, sowie spezielle<br />

Arbeitssituationen können von den Betroffenen selbst eingebracht und ausprobiert werden.<br />

Es werden administrative Fähigkeiten und praktische Fähigkeiten trainiert. Die administrativen<br />

Fähigkeiten umfassen z.B. die Arbeit am Computer mit verschiedenen Programmen, wie Word, Exel,<br />

Power Point, Präsentationsaufgaben, Projektarbeiten mit „deadlines“ und Verwaltungsarbeiten.<br />

Zur Förderung der praktischen Arbeitsfähigkeiten können die Teilnehmer verschiedene Angebote in<br />

Anspruch nehmen, wie z.B. Fahrradreparatur, Gartenarbeit, handwerkliche Tätigkeiten mit Holz,<br />

Metall, sowie praktische Tätigkeiten, die direkt in ihrem Beruf gefordert werden.<br />

Bevor die administrativen und praktischen Fähigkeiten trainiert werden, erfolgt zunächst eine<br />

Eingangsbefundung durch so genannte Basisaufgaben. Ferner werden zur Erfassung des<br />

Arbeitsvermögens drei verschiedene Assessments eingesetzt, die auf dem MOHO (Model of Human<br />

Occupation) von Kielhofner und Fischer basieren; WRI=The Worker Role Interview, WEIS=The Work<br />

Environment Impact Scale und AWC=Assessment of Work Charakteristics.<br />

In der zweiten Rehabilitationswoche erfolgt ein Besuch des Arbeitsplatzes. Ziel dieses Besuches ist,<br />

Kontakt mit dem Arbeitgeber aufzunehmen und zu klären, welche Anforderungen/Erwartungen an den<br />

Betroffenen seitens des Arbeitgebers bestehen und welche Arbeitsaufgaben der Teilnehmer bisher<br />

hatte. Des Weiteren werden Informationen über die Organisation des Arbeitgebers, über eventuell<br />

stattgefundene Veränderungen am Arbeitsplatz während der Krankschreibung, sowie über das Arbeitsmilieu<br />

(physisch und psychosozial) eingeholt.<br />

Zusammen wird überlegt, wie eine berufliche Wiedereingliederung aussehen könnte und wie der<br />

Arbeitsplatz den Bedürfnissen des Rehabilitanten angepaßt werden kann. Nach dem Besuch erfolgt<br />

Weitere Informationen erhalten Sie be<strong>im</strong> Institut G-<strong>plus</strong><br />

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ein ausführlicher Bericht durch die Ergotherapeutin, der an die Versicherung des Rehateilnehmers<br />

geht. Während der gesamten Rehabilitation finden regelmäßig Wochengespräche, Reflektionen und<br />

Gesprächsgruppen zu verschiedenen Themen statt, wie z.B. zum Thema Streßbewältigung.<br />

Zur Verbesserung der physischen Kondition wird täglich ein Nordic Walking Programm angeboten.<br />

Die Rehateilnehmer kommen montags bis freitags von 8.30 bis 14.00 Uhr. Das Team 5 hat insgesamt<br />

10 Rehabilitationsplätze. Angestellt sind hier 2 Ergotherapeuten, 3 Instruktoren (1 Tischler, 1 Maurer,<br />

1 IT-Mechaniker), 1 Sozialarbeiterin und 4 Ärzte.<br />

Was geschieht nach der beruflichen Rehabilitation?<br />

Alle Patienten können sich an eine „Stödgrupp“ wenden. Hier werden Erfahrungen ausgetauscht, über<br />

bestehende Probleme gesprochen und Unterstützung und Rat gegeben. Die Gruppe umfaßt 6-8<br />

Teilnehmer, die sich alle 2 Wochen für 1,5 Stunden trifft. Geleitet wird die Gruppe von einer<br />

Ergotherapeutin des Team 5.<br />

Nach der Rehabilitation kommt es entweder zur Arbeitsaufnahme mit Lohn (eventuell zunächst<br />

halbtags), zur Wiedereingliederung/Arbeitserprobung für max. 3 Monate, zur Verlängerung der<br />

Krankschreibung, inklusive Verlängerung des Rehaprogrammes oder es erfolgt eine<br />

Umschulungsmaßnahme bzw. falls eine Rückkehr ins Berufsleben nicht mehr möglich ist, die<br />

frühzeitige Pensionierung.<br />

Nach dem Akutaufenthalt <strong>im</strong> Karolinska Universitetssjukhuset kommen viele Patienten neben der<br />

Rehabilitation des Danderyds Sjukhus auch in die Rehaklinik Erstagård oder zum Stiftelsen Stora<br />

Sköndal. Diese beiden Einrichtungen nehmen neurologische Patienten ab dem Alter von 18 Jahren<br />

auf. Die Patienten müssen nicht mehr <strong>im</strong> erwerbsfähigen Alter sein. Voraussetzung für die Aufnahme<br />

ist allerdings, dass die Patienten vor ihrer Erkrankung noch selbständig ihr Leben regeln konnten und<br />

nach dem Schlaganfall soweit orientiert sind, dass sie keine Weglauftendenzen bedingt durch<br />

Desorientierung und Verwirrtheit haben. Zudem muss aus der Sicht der zuweisenden Klinik ein<br />

Rehapotential bestehen.<br />

Erstagårdsklinik<br />

Diese diakonische Einrichtung hat 65 Rehaplätze verteilt auf 4 Stationen. In der Ergotherapie arbeiten<br />

7 Ergotherapeuten und 2 Ergotherapieassistenten, sogenannte Arbetsbiträde. Diesen Berufszweig gibt<br />

es in Deutschland nicht.<br />

Es werden Patienten mit Schlaganfällen, Parkinson, MS, GBS, Enzephalitis und Patienten nach<br />

Hirntumoroperationen rehabilitiert. Zudem gibt es eine Station für Kopfschmerzpatienten. Der<br />

Schwerpunkt der Rehabilitation liegt auf der Anbahnung und Verbesserung sensomotorischer<br />

Funktionen und ADL-Fähigkeiten.<br />

Die Rehabilitation ist zunächst auf 14 Tage angesetzt. Machen die Patienten in dieser Zeit Fortschritte<br />

und arbeiten motiviert mit, wird <strong>im</strong> Rahmen des Rehateamtreffens für eine Verlängerung plädiert. Der<br />

gesamte stationäre Rehabilitationsaufenthalt liegt max. bei 3 Monaten.<br />

Sowohl <strong>im</strong> Akutbereich, als auch in der Rehabilitation findet während des stationären Aufenthaltes 2<br />

bis 3mal ein individuelles „Planeringsmöte“ statt. Hier wird zusammen mit dem Patienten und seinen<br />

engsten Angehörigen in einer Teamsitzung die weitere Versorgung geplant, Ziele festgelegt und<br />

Einzeleinheiten bzgl. des stationären Aufenthaltes besprochen, wie z.B. geplante Untersuchungen,<br />

Hilfsmittelerprobungen etc. An dieser Teamsitzung nehmen alle beteiligten Therapeuten und Ärzte,<br />

sowie die Sozialarbeiterin teil.<br />

Jeder Patient bekommt einen individuellen Behandlungsplan. Es werden Einzel- und<br />

Gruppentherapien durchgeführt. Es gibt verschiedene handwerkliche Angebote, wie Töpfern,<br />

Holzarbeiten, textiles Gestalten; eine Kulturgruppe, Reitgruppe, Kochgruppe, Gartengruppe und<br />

Frühstücksgruppe in denen Alltagsfunktionen trainiert werden. Die ergotherapeutische Behandlung<br />

liegt stark auf der Betätigungsebene. Zum Teil wird z.B. das in der Gartengruppe gezüchtete Gemüse<br />

in der Kochgruppe für verschiedene Gerichte verwendet. An einem speziellen Computer besteht die<br />

Möglichkeit, Arm-/Handfunktionen, sowie räumlich-konstruktive, wie auch visuelle Fertigkeiten zu<br />

trainieren. Das Programm „virtuelle Realität“ ermöglicht dem Patienten, individuell an seine<br />

Fähigkeiten angepaßt, verschiedene Aufgaben auf verschiedenen Niveaus zu trainieren. Dabei muss<br />

der Patient mittels Joystick z.B. einen Kescher führen und in einem Aquarium Fische fangen. Über<br />

eine 3-D-Brille n<strong>im</strong>mt der Patient das ganze Geschehen räumlich war. Wenn er einen Fisch gefangen<br />

hat, wird der Kescher schwer und der Patient muss seine Arm-/Handaktivitäten dem Gewicht<br />

entsprechend anpassen. Ziel ist es, den Fisch mittels Kescher über den Rand des Aquariums zu<br />

transportieren. Dadurch werden verschiedene Arm-/Handfunktionen, sowie der Visus geschult.<br />

Stiftelsen Stora Sköndal<br />

Eine ähnliche Einrichtung wie die Erstagårdsklinik ist die Klinik Stiftelsen Stora Sköndal. Hier gibt es<br />

für 24 Patienten die Möglichkeit, alle für den Alltag wichtigen täglichen Aktivitäten zu trainieren. Die<br />

Weitere Informationen erhalten Sie be<strong>im</strong> Institut G-<strong>plus</strong><br />

http://www.g-<strong>plus</strong>.org<br />

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Gruppenangebote und Einzelbehandlungen entsprechen denen der Erstagårdsklinik. Seit einigen<br />

Jahren bietet die Klinik Stiftelsen Stora Sköndal eine CI-Gruppe an. In Deutschland ist die Therapie<br />

unter Forced use oder Taubsches Training geläufig. Hier trainieren die Schlaganfallpatienten ihre Arm-<br />

/Handfunktionen auf der betroffenen Seite, indem die weniger betroffene Hand durch einen<br />

Handschuh „unbrauchbar“ gemacht wird. Die Therapie, die einen forcierten Einsatz der betroffenen<br />

Seite erfordert, wird mehrmals wöchentlich für eine Stunde in der Erstagårdsklinik durchgeführt.<br />

Gegen Ende der Rehabilitation haben die Patienten die Möglichkeit, über das Wochenende nach<br />

Hause zu gehen, wenn zuvor durch einen Hausbesuch abgeklärt wurde, ob Hilfsmittel benötigt werden<br />

und ob der Patient zu Hause zu Recht kommt. Es besteht auch die Möglichkeit über Nacht zu bleiben,<br />

z.B. von freitags bis sonntags, um intensiv zu erproben, ob eine baldige Entlassung aus der Rehaklinik<br />

realistisch ist.<br />

Ebenso wie in der Erstagårdsklinik verfügt das Stiftelsen Stora Sköndal über eine Übungswohnung.<br />

Hier kann der Patient für max. 1 Woche zum Ende der Rehabilitation Probewohnen. Ziel ist es,<br />

abzuklären, ob der Patient ausreichend selbständig ist (inklusive Hilfsmittel), um zu Hause zu Recht zu<br />

kommen. Die Übungswohnung hat eine kleine Küche, ein Bad, eine Sitzecke und ein Schlafz<strong>im</strong>mer.<br />

Über ein internes Alarmsystem kann der Patient <strong>im</strong> Bedarfsfall Hilfe anfordern.<br />

In den einzelnen Rehabilitationseinrichtungen, mit denen das Karolinska Universitetssjukhuset<br />

zusammenarbeitet, werden die gleichen Befundungssysteme und Assessments eingesetzt. Zudem<br />

nutzt man Interessenchecklisten, wie z.B. die NPS-Checkliste, um gemeinsam mit dem Patienten<br />

Ziele, Wünsche und Erwartungen für und an die Rehabilitation bzw. für die Zeit nach der Rehabilitation<br />

zu erarbeiten. Die Therapiezielfindung basiert stark auf dem MOHO von Gary Kielhofner.<br />

Stroketeam<br />

Nach dem stationären Krankenhausaufenthalt (Akutversorgung und stationäre Rehabilitation) n<strong>im</strong>mt<br />

das Stroketeam telefonisch mit dem nach Hause entlassenen Schlaganfallpatienten Kontakt auf. Das<br />

Stroketeam wird vom überweisenden Krankenhaus bzw. von der Rehaklinik über die Entlassung des<br />

Patienten informiert. Im Einzugsgebiet Stockholm gibt es insgesamt 8 Stroketeams, die die ganze<br />

nördliche Innenstadt und das umliegende Land versorgen. In jedem Team gibt es Sozialarbeiter,<br />

Logopäden, Ergotherapeuten und Physiotherapeuten.<br />

Zunächst wird der Betroffene telefonisch über die Dienstleistung des Stroketeams informiert und es<br />

wird ein Termin in Form eines Hausbesuches vereinbart. Der Hausbesuch erfolgt durch 2 Mitarbeiter<br />

des Stroketeams, in der Regel durch eine Ergotherapeutin und eine Physiotherapeutin. Im<br />

Erstgespräch werden eine Anamnese erhoben, aktuelle Probleme, Einschränkungen des Patienten,<br />

sowie Ziele und die aktuelle soziale Situation besprochen. Ein Therapeut führt das Gespräch, der<br />

andere dokumentiert. Der Betroffene erhält Informationen über die Möglichkeiten der Unterstützung<br />

und Hilfen des Stroketeams. Wenn nötig werden <strong>im</strong> Anschluß an das Gespräch erste Termine für eine<br />

weitere Behandlung/Betreuung ausgemacht. Es erfolgen regelmäßig Gespräche mit allen Beteiligten<br />

des ambulanten Rehaprozesses in Form von Angehörigengesprächen und Teamrunden. Je nach<br />

Bedarf erhält der Betroffene 1-2mal pro Woche eine Behandlung durch die entsprechenden Therapeuten<br />

(Ergotherapeut, Physiotherapeut, Logopäde) oder alle 2 Wochen <strong>im</strong> Wechsel, z.B.<br />

Ergotherapie und Physiotherapie. Zum Teil werden auch nur regelmäßige Telefonate mit den<br />

Betroffenen geführt. Die Dienstleistung des Stroketeams richtet sich individuell an die Bedürfnisse der<br />

Betroffenen.<br />

Das Stroketeam kümmert sich bis zu 1 Jahr um den Schlaganfallpatienten. In der Regel besteht ein<br />

Kontakt zwischen 3 und 5 Monaten. Nach dieser Zeit erfolgt bei Bedarf die Überweisung an<br />

„Distriktstherapeuten“. Bei Einsatz des Stroketeams darf die Erkrankung nicht länger als 6 Monate<br />

zurückliegen, ansonsten erfolgt gleich die Überweisung an die Distriktstherapeuten. Das Stroketeam<br />

kümmert sich ausschließlich um Schlaganfallpatienten. Es bekommt alle Informationen und Berichte<br />

zu den Betroffenen per Fax von der überweisenden Klinik. Bei Unklarheiten erfolgen Telefonate.<br />

Weitere Informationen erhalten Sie be<strong>im</strong> Institut G-<strong>plus</strong><br />

http://www.g-<strong>plus</strong>.org<br />

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Rehabilitationskette<br />

Frührehabilitation<br />

z.B. Erstagårdsklinik<br />

Akuter Schlaganfall<br />

Akutkrankenhaus z.B. Karolinska<br />

Universitetssjukhuset<br />

Stroketeam<br />

Ambulante Versorgung<br />

Ambulante Betreuung<br />

durch Distrikstherapeuten<br />

Das Stroketeam steht <strong>im</strong> ständigen Kontakt mit dem Patienten und seinen Angehörigen, mit der<br />

Krankenkasse, dem Sozialdienst, mit kommunalen Einrichtungen und Interessengruppen, wie z.B.<br />

Selbsthilfegruppen, mit dem behandelnden Arzt (Hausarzt oder Neurologe), wenn vorhanden, mit dem<br />

Betreuer des Betroffenen, mit persönlichen Assistenten, dem Hemtjänst, sowie mit weiterführenden<br />

Rehainstanzen.<br />

Wenn der Betroffene wieder ins Arbeitsleben eingegliedert werden soll, baut das Stroketeam zudem<br />

Kontakt mit dem Arbeitgeber des Betroffenen auf. Es erfolgt dann z.B. eine Anpassung des<br />

Arbeitsplatzes, wenn dies nicht zuvor durch eine eventuelle berufliche Reha erfolgt ist. Die Wahl der<br />

Therapie- und Betreuungsinhalte basiert stark auf den persönlichen Interessen des<br />

Schlaganfallpatienten. Sie sind somit sehr patientenorientiert und liegen häufig auf der<br />

Betätigungsebene.<br />

Pflegerische häusliche Versorgung<br />

Wenn der Betroffene nach dem gesamten stationären Rehaprozeß weiterhin Hilfen <strong>im</strong> täglichen Leben<br />

benötigt, wie z.B. für die persönliche Hygiene, für Botengänge/Einkäufe, in finanziellen<br />

Angelegenheiten, kann man die Dienste vom „Hemtjänst“, „personlig Assistent“ und einem so<br />

genannten „Godman“ in Anspruch nehmen.<br />

„Hemtjänst“:<br />

Der Hemtjänst ist etwa mit der deutschen Sozialstation vergleichbar. Den Hemtjänst können alle<br />

Betroffenen über 65 Jahre in Anspruch nehmen. Er kommt bei Bedarf mehrmals täglich nach Hause<br />

und wird von der Kommune bezahlt. Je nach Einsatzhäufigkeit, zahlt der Betroffene selbst einen Teil<br />

dazu.<br />

„Personlig Assistent“:<br />

Ist man unter 65 Jahre, also noch <strong>im</strong> erwerbsfähigen Alter, bekommt man einen oder bei Bedarf<br />

mehrere persönliche Assistenten. Wenn nötig rund um die Uhr, Tag und Nacht. Persönliche<br />

Assistenten werden von der Kommune und von der Krankenkasse bezahlt. Der persönliche Assistent<br />

hat in der Regel keine spezielle pflegerische Ausbildung. Er wird individuell auf die Bedürfnisse des<br />

Patienten geschult, z.B. durch Training während der letzten stationären Rehaphase. Zudem werden<br />

Wochenendkurse angeboten. Die persönlichen Assistenten sind oft ausländische Mitbürger mit zum<br />

Teil mäßigen Sprachkenntnissen. Zum Teil sind es aber auch angehende Therapeuten oder<br />

Studenten, die sich etwas dazu verdienen möchten.<br />

Weitere Informationen erhalten Sie be<strong>im</strong> Institut G-<strong>plus</strong><br />

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„Godman“:<br />

Für finanzielle bzw. juristische Angelegenheiten kann ein Godman eingesetzt werden. Er hat ähnliche<br />

Funktionen wie ein Betreuer in Deutschland. Das Amt kann auch ein Familienmitglied, z.B. der<br />

Ehepartner übernehmen.<br />

Wie erfolgt die Versorgung der neurologischen Patienten mit Hilfsmitteln?<br />

Ein großer Teil des Arbeitsbereiches schwedischer Ergotherapeuten n<strong>im</strong>mt die Versorgung und<br />

Erprobung von Hilfsmitteln ein. Die Krankenhäuser verfügen über ein Hilfsmittellager. Benötigt ein<br />

Patient z.B. einen Rollstuhl und einen Duschstuhl bekommt er diese direkt aus dem Hilfsmittellager<br />

des Krankenhauses. Alle Hilfsmittel sind registriert und werden mit in der Patientenakte des<br />

Betroffenen geführt, so das man jederzeit einsehen kann, ob und welche Hilfsmittel der Patient bisher<br />

bekommen hat. Nach der Ausgabe, Erprobung und Anpassung des Hilfsmittels durch die Ergotherapeutin,<br />

wird für das Kontor der Klinik ein neues Hilfsmittel bestellt. Dafür gibt es <strong>im</strong> Internet eine<br />

spezielle Hilfsmittelplattform, die „Beställningsportalen“ heißt.<br />

Die Hilfsmittelversorgung erfolgt nicht, wie in Deutschland über ein Rezept. Die schwedische<br />

Ergotherapeutin kann ohne Rücksprache mit dem behandelnden Arzt<br />

sämtliche Hilfsmittel bestellen, die ihres Ermessens für den Betroffenen notwendig sind.<br />

Benötigt der Patient das Hilfsmittel lediglich für eine kurze, absehbare Zeit, muss er eine Leihgebühr<br />

bezahlen und gibt das Hilfsmittel bei Nichtgebrauch wieder ab, wie z.B. Unterarmgehstützen. Werden<br />

die Hilfsmittel über einen längeren Zeitraum benötigt, über Jahre oder eventuell bis zum Tode,<br />

kommen auf den Betroffenen keine Kosten zu. Offiziell werden alle Hilfsmittel geliehen. Die Kommune<br />

übern<strong>im</strong>mt sämtliche Kosten.<br />

Kleinere Hilfsmittel aus dem Bereich persönliche Hygiene oder zur Nahrungszubereitung bzw. -<br />

aufnahme muss der Betroffene, wie in Deutschland selbst bezahlen. Hierunter fallen z.B. spezielle<br />

Bürsten, Schuhanzieher, spezielle Messer und Schneidebretter.<br />

Zurzeit bekommen schwedische Patienten noch alle Hilfsmittel, die von den Ergotherapeuten<br />

beantragt werden. So ist es z.B. kein Problem, einen ALS-Patienten mit einem Elektrorollstuhl, zwei<br />

normalen Rollstühlen für den Innen- und Außenbereich, mit einem Pflegebett und verschiedenen<br />

Kommunikationshilfsmitteln, wie einem Sprachcomputer, einem Funktelefon und einer Ballklingel zu<br />

versorgen. Der Erhalt der größtmöglichen Selbständigkeit und Lebensqualität wird in Schweden sehr<br />

groß geschrieben, besonders bei Erkrankungen, wie ALS, die unweigerlich zum Tode führen. In<br />

Deutschland ist eine derartige Versorgung von ALS-Patienten, meiner Erfahrung nach, nicht so<br />

einfach durchführbar und oft mit zähen Auseinandersetzungen mit der Kranken- und Pflegekasse<br />

verbunden. Auch <strong>im</strong> Freizeitbereich und öffentlichen Leben zeigt sich, dass man in Schweden stark<br />

auf die Bedürfnisse von Menschen mit Handicap eingeht. Viele Mietshäuser verfügen über<br />

ausreichend große Fahrstühle, automatische Türen, Bordsteinkanten sind oftmals abgesenkt und<br />

öffentliche Verkehrsmittel, wie Züge und Busse sind auch für Rollstuhlfahrer gut zugängig, indem sie<br />

absenkbar sind.<br />

Beobachtungen und Erfahrungen<br />

Als sehr beeindruckend und positiv empfand ich die sehr angenehme Arbeitsatmosphäre in allen<br />

Einrichtungen und Abteilungen, in denen ich hospitieren durfte. Selbst bei der Arbeit herrschte die in<br />

Schweden typische Gelassenheit und Ruhe.<br />

Man n<strong>im</strong>mt sich Zeit, sich untereinander auszutauschen, Akten zu studieren und Patienten zu<br />

behandeln bzw. zu betreuen. Streß und Zeitdruck bestehen aus meiner Sicht nur sehr selten. Das<br />

persönliche Wohlbefinden der Mitarbeiter hat einen hohen Stellenwert. Alle Räumlichkeiten sind<br />

großzügig gestaltet und sehr wohnlich mit Blumen, bunten Vorhängen, Bücherregalen und netten<br />

Sitzecken eingerichtet. Sozialräume sind mit Kaffeeautomaten und Mikrowellen ausgestattet. Auch die<br />

Aufenthaltsräume für Patienten sind wohnlich gestaltet, oftmals findet man ein Aquarium, eine kleine<br />

Bibliothek, ein Fernseher mit DVD-Player und einem großen Angebot an Filmen. Die Tische <strong>im</strong><br />

Speiseraum sind oft höhenverstellbar und haben abgerundete Kanten, so dass auch Rollstuhlfahrer<br />

daran bequem Platz nehmen können.<br />

Die Arbeitszeiten meiner schwedischen Kollegen sind flexibel, vielfach besteht Gleitzeit. Es gibt in der<br />

Regel drei Pausen am Tag. Gegen 8.30 Uhr „fika“ (ähnlich einem zweiten Frühstück), um 12.00 Uhr<br />

„lunch“ (Mittagspause) und gegen 14.00 Uhr für eine halbe Stunde „eftermiddagsfika“, bei dem man<br />

sich entspannt mit Kollegen bei einer Tasse Kaffee oder Tee über berufliche und private Dinge<br />

austauschen kann. Freitags gibt es in vielen Einrichtungen als Wochenabschluß um 14.00 Uhr ein<br />

„fredags mus“. Der Reihe nach backt ein Kollege z.B. Kuchen, Kekse und bringt diese mit zur Arbeit<br />

oder man beginnt den letzten Arbeitstag der Woche gemeinsam mit einem großen Frühstück.<br />

In allen Einrichtungen des Karolinska Universitetssjukhuset gibt es zudem für die Mitarbeiter am<br />

Wochenanfang einen Obstkorb mit verschiedenen Früchten.<br />

Weitere Informationen erhalten Sie be<strong>im</strong> Institut G-<strong>plus</strong><br />

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Die angenehmen Arbeitsbedingungen prägen eine entspannte Arbeitsatmosphäre und führen zu<br />

entspannten Therapeuten, die intensiv auf die Patienten eingehen. Dennoch führen diese<br />

Bedingungen auch dazu, dass die Patienten zum Teil erst nach ein paar Tagen den ersten Kontakt mit<br />

ihren Therapeuten haben und die Arbeit mit den vielen Pausen und Gesprächen auf mich, quantitativ<br />

leicht ineffektiv wirkt.<br />

Neben der Kommunikation und dem Wohlbefinden des Personals ist das schwedische<br />

Gesundheitssystem durch eine flache Hierarchie geprägt. Durch die Tatsache, dass man sich in<br />

Schweden mit „du“ und dem Vornamen anspricht (auch <strong>im</strong> Patientenkontakt), besteht eine sehr<br />

wertschätzende Kommunikationsebene. Gleichheit und Gleichberechtigung stellen einen hohen Wert<br />

da. Alle Entscheidungen werden auf diesem Hintergrund getroffen und man respektiert die Meinung<br />

des anderen. Durch diese Tatsache erfolgt eine sehr wertschätzende Zusammenarbeit aller Berufsgruppen<br />

bis hin zum Chefarzt.<br />

Vielfach aufgefallen ist mir, dass der Stellenschlüssel der Ergotherapeuten sehr gut ist. So ist es<br />

normal, dass eine Ergotherapeutin mit einer vollen Stelle max. 5 Patienten am Tag behandelt. Die<br />

restliche Zeit ist für Dokumentation, Hilfsmittelbestellungen und Teamsitzungen gedacht. Im Vergleich<br />

zu meiner Arbeit in Deutschland, ist der Arbeitstag einer schwedischen Therapeutin deutlich<br />

streßfreier. In Deutschland behandelt man in den meisten Rehakliniken mit einer vollen Stelle<br />

mindestens 8-9, oftmals bis zu 11 Patienten am Tag. Zudem müssen Telefonate mit Krankenkassen<br />

geführt, dokumentiert und Angehörige angeleitet werden. Auf der Station 84 des Danderyds Sjukhus<br />

mit 10 schwerstbetroffenen Schädelhirnpatienten arbeiten beispielsweise 3 Ergotherapeuten, in<br />

unserer Klinik arbeiten auf einer ähnlich vergleichbaren Station mit 13 Patienten 1,5 Ergotherapeuten.<br />

Die ergotherapeutische Ausbildung in Schweden auf Universitätsniveau und die Möglichkeit für<br />

Ergotherapeuten, Magister- und Doktorarbeiten zu schreiben, hat mich zunächst tief beeindruckt. Die<br />

sich zunehmend entwickelnde Wissenschaftlichkeit führt zu einer deutlichen Untermauerung unserer<br />

Profession, die bereits in Schweden durch eine große Akzeptanz und hohes Ansehen der<br />

Ergotherapeuten <strong>im</strong> Gesundheitsbereich stark zu spüren ist. Dennoch sehe ich diese Entwicklung<br />

auch sehr kritisch, da die Gefahr besteht, dass es mehr und mehr Theoretiker unter meinen Kollegen<br />

gibt und somit die praktische Behandlung der Patienten Gefahr läuft, auf der Strecke zu bleiben. Viele<br />

schwedische Ergotherapeuten nehmen bereits mehr beratende Tätigkeiten ein. Einige meiner<br />

Kollegen <strong>im</strong> Karolinska Universitetssjukhuset beklagten, dass der praktische Anteil der Ausbildung zu<br />

gering ist und Berufsanfänger zum Teil unzureichend auf die tägliche praktische Arbeit mit Patienten<br />

vorbereitet werden.<br />

Die Entwicklung zeigt, dass bereits <strong>im</strong> Akutbereich der Schwerpunkt der Ergotherapeuten <strong>im</strong> Bereich<br />

Befundung/Beurteilung der Ressourcen und Einschränkungen der Patienten liegt und weniger auf der<br />

meines Erachtens sehr wichtigen aktiven Behandlung. Aus meiner Sicht vergeht in Schweden eine<br />

relativ lange Zeit, bis die eigentliche Behandlung neurologischer Patienten erfolgt, wie ich sie von<br />

meiner Arbeit in Deutschland gewohnt bin.<br />

Perspektiven<br />

Durch die vielen verschiedenen Einblicke und Erfahrungen, die ich in Schweden machen durfte, sind<br />

viele Ideen entstanden, die ich gern mit nach Deutschland nehme und versuchen möchte, in unserer<br />

Abteilung umzusetzen.<br />

Zum einen denke ich an die in Schweden eingesetzten Assessments, wie z.B. LOTCA und NKSU.<br />

Beide Tests sind einfach durchzuführen und durchaus übertragbar auf unsere Arbeit und passend für<br />

unser Patientenklientel. Ebenso sehe ich den Auswertungsbogen zum Küchentraining als große Hilfe<br />

für meine Kollegin, die bei uns in der Klinik die Kochgruppe leitet. Der Befundungsbogen wird ihre<br />

Arbeit sicher weiter untermauern und zu einer schnellen, strukturierten Befunderhebung führen. Auch<br />

für unsere Schüler sehe ich darin eine Hilfe. Der Befundungsbogen könnte gerade Schülern und<br />

Berufsanfängern als Leitfaden in der ADL-Befundung dienen. Ebenso lassen sich die Fragen zu den<br />

alltäglichen Verrichtungen des täglichen Lebens aus dem ADL-Taxonomin hervorragend in das<br />

Deutsche übersetzen und <strong>im</strong> Erstgespräch anwenden.<br />

Ferner wäre sicher zu überlegen, ob man nicht auch das Berichtschema des Karolinska<br />

Universitetssjukhuset auf unsere Aufnahme- und Endbefunde übertragen bzw. mit diesen abgleichen<br />

könnte. Der Befund aus dem Karolinska Universitetssjukhuset ist meiner Meinung nach kurz, aber<br />

dennoch sehr präzise, aussagekräftig und übersichtlich.<br />

Zudem liegt mir die Verbesserung unserer Arbeitsatmosphäre bzw. die Verschönerung unserer<br />

Abteilungsräume am Herzen. Sicher ist es möglich, gemeinsam <strong>im</strong> Team über Veränderungen<br />

nachzudenken und diese in die Wege zu leiten. Ich denke zunächst nur an kleine Veränderungen, wie<br />

z.B. frische Blumen für den Sozialraum, ein Obstkorb für die Abteilung, finanziert aus der Kaffeekasse.<br />

Sicher werde ich meinen Kollegen von den „fika“-Pausen erzählen. Vielleicht können wir langfristig<br />

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freitags für die Mittagspause ein gemeinsames Essen organisieren oder Kuchen backen. Das wäre<br />

zumindest ein Anfang und würde uns sicher allen gut tun.<br />

Ferner könnte man überlegen, ob man nicht am Ende der Woche eine kurze Wochenreflektion in<br />

Form einer Supervision durchführt. Am Karolinska Universitetssjukhuset gab es jeden Freitag kurz vor<br />

Feierabend innerhalb des Ergoteams eine Supervision, in der die Woche reflektiert, Probleme und<br />

Unklarheiten bei der Arbeit besprochen wurden.<br />

Neben der Dokumentationsweise und der Arbeitsatmosphäre hat mich die Arbeit der „Råd- och<br />

stödenhet“ tief beeindruckt und in mir den Wunsch bzw. die Idee geweckt, vielleicht eines Tages in<br />

Osnabrück ein ähnliches Netzwerk aufzubauen, eventuell in Form einer eigenen Praxis.<br />

Die „Rat- und Unterstützungseinheit“ ist am Karolinska Universitetssjukhuset 1996 aus einem Projekt<br />

heraus entstanden. Nach Abschluss des Projektes war die Resonanz so groß, dass eine eigene<br />

Abteilung entstand. Die Einheit besteht aus einer Ergotherapeutin, einer Physiotherapeutin, einer<br />

Sozialarbeiterin und einem Sexualtherapeuten. Das Team wendet sich an Patienten mit<br />

neurologischen Erkrankungen, wie z.B. ALS, MS, Muskeldystrophien, Chorea Huntington. Alle<br />

Patienten werden ärztlich durch das Karolinska Universitetssjukhuset in Solna und Huddinge versorgt.<br />

Bedingt durch ihre zum Teil seltenen neurologischen Erkrankungen haben alle Patienten Probleme in<br />

der selbständigen Bewältigung ihres Alltags und benötigen Rat und Unterstützung von mehr als einer<br />

therapeutischen Berufsgruppe.<br />

Was macht das Team? Wie sieht dessen Unterstützung aus?<br />

Die Patienten können sich jederzeit persönlich, telefonisch oder per Mail be<strong>im</strong> „Råd-och stödenhet“-<br />

Team melden. Nach dem ersten Kontakt wird ein Hausbesuch gemacht, um in Ruhe die derzeitige<br />

Situation des Patienten und seinen Angehörigen zu erfassen (Krankengeschichte, aktuelle Situation,<br />

Probleme/Einschränkungen jeglicher Art, Wünsche und Ziele für die Zukunft).<br />

Gemeinsam wird dann besprochen, welche Hilfen und Unterstützungen nötig sind, wie z.B. spezielle<br />

Behandlungen, Hilfsmittel, Tips an welche Ämter/Behörden man sich wenden kann oder auch<br />

Erholungsreisen.<br />

Zudem führt die Einheit auch Fortbildungen zu den einzelnen Erkrankungen durch und biete<br />

Gesprächsgruppen für die Betroffenen und ihre Angehörige an. Ein Arzt informiert über medizinische<br />

Möglichkeiten, die Ergotherapeutin über Alltagshilfen und Hilfsmittelversorgungen, die<br />

Physiotherapeutin über Trainingsmöglichkeiten und der Sexualtherapeut kann bei Bedarf für<br />

Beratungen in Anspruch genommen werden. Es werden individuelle He<strong>im</strong>programme ausgearbeitet<br />

und Adressen von Therapeuten vermittelt.<br />

Ferner gibt es individuelle Anleitungen für die Angehörigen bzw. für die persönlichen Assistenten, die<br />

den Betroffenen betreuen.<br />

Des Weiteren werden auch Diätassistenten, Zahnärzte, Logopäden, Psychologen und Seelsorger<br />

gebucht bzw. vermittelt.<br />

Die Aufgabe der Ergotherapeutin <strong>im</strong> „Råd-och stödenhet“-Team ist in erster Linie die Versorgung der<br />

Patienten mit Hilfsmitteln, von der Erprobung bis zur Anpassung.<br />

Der Kontakt zum Team erfolgt über den behandelnden Arzt bzw. über das Pflegepersonal während<br />

eines etwaigen stationären Krankenhausaufenthaltes. Sie informieren den Patienten über das<br />

Vorhandensein dieser Einheit.<br />

Ich finde dieses Team äußerst wichtig, da die Betroffenen und ihre Angehörigen jederzeit einen<br />

Ansprechpartner haben und die Unterstützung bekommen, die sie benötigen. In Deutschland habe ich<br />

vielfach erlebt, dass sich viele Patienten und deren Angehörige nach dem Klinikaufenthalt und der<br />

Rehabilitation allein gelassen fühlen und oft nicht wissen, an wen sie sich mit all ihren Wünschen bzgl.<br />

der Strukturierung des Alltags und Freizeitbeschäftigungen, sowie mit ihren Sorgen und Nöten wenden<br />

können. Speziell Patienten mit selteneren neurologischen Erkrankungen, wie z.B. ALS und<br />

Schlaganfallbetroffene mit fortwährend deutlich bestehenden motorischen Einschränkungen benötigen<br />

Rat und Unterstützung.<br />

Hier besteht noch ein großer Handlungsbedarf, der vielleicht in Zukunft ein Aufgabenfeld für mich sein<br />

kann. Die Unterstützung des „Råd-och stödenhet“-Teams ist nicht, wie die des Stroketeams zeitlich<br />

begrenzt.<br />

Ich habe eine sehr schöne Zeit in Schweden verbringen dürfen und viele interessante Menschen<br />

getroffen. Meine in Stockholm gemachten Erfahrungen haben mich und mein Wirken stark geprägt<br />

und werden mich in meiner Arbeit stets begleiten!<br />

Katja Besselmann<br />

Im August 2008<br />

Weitere Informationen erhalten Sie be<strong>im</strong> Institut G-<strong>plus</strong><br />

http://www.g-<strong>plus</strong>.org<br />

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