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VSAO JOURNAL Nr. 4 - August 2016

Hand und Fuss Pneumologie / Sportmedizin Jeder Zehnte steigt aus

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Pneumologie / Sportmedizin
Jeder Zehnte steigt aus

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FOKUS ▶ HAND UND FUSS<br />

Welchen Wert hat die Hand?<br />

In der Regel schrecken wir davor zurück, unsern Körper mit Preisschildern zu versehen. Wer<br />

kann schon sagen, was eine Hand oder ein Fuss kostet? Relevant wird diese Frage dann, wenn<br />

ein Unfall zum teilweisen oder ganzen Verlust eines Körperteils führt. In diesem Fall kommen<br />

Tabellen zur Anwendung, welche die finanzielle Entschädigung von Unfallfolgen festlegen.<br />

PD Dr. med. Hannjörg Koch, Suva, Versicherungsmedizin<br />

Dr. med. Hanspeter Rast, Suva, Arbeitsmedizin<br />

Dr. med. Andrea Portmann, Suva, Versicherungsmedizin<br />

Dr. med. Ralf Merz, Suva, Arbeitsmedizin und Versicherungsmedizin<br />

Res Habegger aus Köniz bekommt Post.<br />

Von der Suva. Nach der etwas beunruhigenden<br />

Überschrift «Verfügung» entspannt<br />

sich der Schreinermeister und er<br />

betrachtet seine seit dem Unfall entstellte<br />

linke Hand. In der Verfügung steht: «Aufgrund<br />

der ärztlichen Beurteilung ergibt<br />

sich eine Integritätseinbusse von 20 Prozent».<br />

Er denkt zurück an jenen schwarzen<br />

Tag vor drei Jahren, als sein linker Daumen<br />

in die Bandsäge geriet, obwohl er<br />

doch alle Vorsichtsregeln eingehalten hatte<br />

und die Schutzvorrichtungen vorhanden<br />

waren. Die Ärzte der Uniklinik konnten<br />

seinen Daumen nicht retten. Heute kann<br />

er zwar nicht mehr als Schreiner arbeiten,<br />

aber seit er die Umschulung abgeschlossen<br />

hat und jetzt beim alten Arbeitgeber in der<br />

Disposition arbeitet, hat er wenigstens das<br />

gleiche Einkommen wie vorher, auch<br />

wenn ihm der linke Daumen fehlt.<br />

Der vorliegende Artikel soll einen kleinen<br />

Überblick zum juristischen Konstrukt der<br />

Integritätsentschädigung, deren Definition,<br />

Kriterien der Schätzung eines Integritätsschadens<br />

und der ökonomischen<br />

Bedeutung geben.<br />

Entschädigung ≠ Rente<br />

Mit dem Inkrafttreten des Unfallversicherungsgesetzes<br />

(UVG) zum 1. Januar 1984<br />

wurde erstmals das Institut der Integritätsentschädigung<br />

eingeführt. Im Art. 24<br />

UVG ist geregelt, was den Anspruch auf<br />

eine Integritätsentschädigung begründet.<br />

Dort heisst es: «Erleidet der Versicherte<br />

durch den Unfall eine dauernde erhebliche<br />

Schädigung der körperlichen, geistigen<br />

oder psychischen Integrität, so hat er<br />

Anspruch auf eine angemessene Integritätsentschädigung.»<br />

Bis zur Einführung des UVG gab es solche<br />

separat ausgewiesenen Genugtuungen für<br />

erhebliche Unfallfolgen nicht. Unter den<br />

Bestimmungen des Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes<br />

(KUVG) aus dem<br />

Jahr 1911 hatte eine verletzte Person dann<br />

Anspruch auf eine Invalidenrente, wenn<br />

die Unfallfolgen eine teilweise oder vollständige<br />

Erwerbsunfähigkeit bedingten.<br />

Grundlage der Rentenbemessung war eine<br />

medizinisch-theoretische Schätzung, in<br />

welche die Erwerbsunfähigkeit und ein<br />

allfällig verbleibender Gesundheitsschaden<br />

einflossen. Das UVG trennte diese<br />

beiden Sachverhalte dahin gehend, dass<br />

eine Rente sich ausschliesslich an der Erwerbsunfähigkeit<br />

und die Integritätsentschädigung<br />

sich nur am körperlichen und<br />

psychischen Gesundheitsschaden orientierte.<br />

Eine verletzte Person kann somit<br />

– wie unser Schreinermeister – Anspruch<br />

auf eine Integritätsentschädigung haben,<br />

obwohl eine Erwerbseinbusse gar nicht<br />

gegeben ist [1].<br />

Abb. 1: Verlust des distalen Vorderarms mit Hand<br />

Schätzen des Schadens<br />

Was Integrität im Sinne des UVG darstellt,<br />

ist im Gesetz nicht explizit ausgeführt.<br />

Man kann sie nach GILG und ZOLLIN-<br />

GER als persönliche Ganzheit und Unversehrtheit,<br />

welche sich aus den physischen<br />

und psychischen Lebenselementen des<br />

Normalmenschen zusammensetzt, umschreiben<br />

[2]. Speziell für die Hände hat<br />

die Seitendominanz keine Berücksichtigung<br />

zu finden. Wäre der rechte Daumen<br />

des rechtshändigen Schreinermeisters<br />

Habegger betroffen, wäre die Integritätseinbusse<br />

mit demselben Wert einzuschätzen<br />

gewesen. Ein Schaden an der Integrität<br />

gilt nach den Bestimmungen in der<br />

Verordnung zur Unfallversicherung dann<br />

als dauernd, wenn er voraussichtlich während<br />

des ganzen Lebens mindestens in<br />

26 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2016</strong>

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