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fazmagazin_201603

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BILDER AUS DER ZEITUNG<br />

13<br />

Wir vollenden diese Uhr von Hand.<br />

Selbst Teile, die Sie nicht sehen.<br />

Aus der F.A.Z. vom 21. März 1956: Fritz Fenzl fotografierte Schiffe im Hamburger Hafen.<br />

Obwohl Sie viele Hebel, Rädchen und Federn im Uhrwerk des erfreuen, dass nicht alle finissierten Einzelteile im Verborgenen<br />

D A/A vermutlich nie zu Gesicht bekommen liegen. Viele davon können Sie durch den Saphirglasboden bei<br />

werden, vollenden die Meisteruhrmacher von Lange sie in aufwendiger<br />

Handarbeit. Genießer feinster Uhrmacherkunst wird Sie gönnen sich selbst einen Blick. www.alange-soehne.com<br />

ihrem faszinierenden Zusammenspiel betrachten. Am besten,<br />

Wir laden Sie herzlich ein, unsere Kollektion in den A. Lange & Söhne Boutiquen Dresden und München<br />

sowie bei ausgewählten Konzessionären zu entdecken.<br />

Vor<br />

sechzig<br />

Jahren<br />

Mit diesem Foto hat es seine eigene Bewandtnis.<br />

Auf den ersten Blick könnte<br />

man sagen: Hafenatmosphäre, typisch<br />

für die fünfziger Jahre, als die Schiffe<br />

noch ein ganzes Stück kleiner waren<br />

als heute und die Kräne noch nicht so hoch standen wie<br />

Kirchtürme. Drei Schiffe, ein Wald von Masten, Leinen,<br />

Kran armen. Also: typisch Hamburger Hafen.<br />

Wirklich typisch? Viele Häfen sahen damals so aus:<br />

Bremerhaven und Southampton, Le Havre und Antwerpen.<br />

Doch ist es nicht das, was hier nicht stimmt. Häfen<br />

waren in den Fünfzigern höchst arbeitsintensive Orte. Da<br />

wurden nicht nur Güter verladen oder gelöscht und eingelagert.<br />

Das Bild war vielseitiger. Legte ein Frachter an, standen<br />

schon die Schauerleute bereit, meist in Gangs von drei<br />

bis sieben Arbeitern organisiert, die sich unter ihrem „Vize“<br />

eine Luke vornahmen. Ihr Job war knochenhart: Sie wuchteten,<br />

schoben, zogen und zerrten die Ballen, Kisten und<br />

Säcke, packten Hieven für die Kräne zusammen. Weiter<br />

oben standen die Decksleute, die mit Handzeichen die<br />

Kranführer dirigierten, „Meister“ genannt. Tallyleute kontrollierten,<br />

zählten und wogen die Ladung, begutachteten<br />

die Qualität der Waren oder Transportschäden.<br />

Man musste viel über die Ladung wissen. Wie Bananen<br />

gelagert werden müssen oder Tee, Kaffee, Reis und gefrorenes<br />

Rindfleisch. Alle Gerüche dieser Welt kamen hier zusammen,<br />

nicht immer die feinsten: Pansenkloppen, also<br />

stinkende, gesalzene Tierhäute, waren nicht sehr beliebt;<br />

dafür gab es „Schietgeld“, einen Geruchszuschlag. Wenn<br />

es schnell ging, war ein Bananendampfer aus Südamerika<br />

in drei Schichten entladen. Nicht selten aber lagen Stückgutfrachter<br />

zwei Wochen an der Pier. Zeit, die Heuer auf<br />

St. Pauli auf den Kopf zu hauen, hatten die Seeleute genug.<br />

Etwa 80.000 Menschen arbeiteten damals im Hamburger<br />

Hafen. Doch von ihnen ist auf dem Foto kein einziger<br />

zu sehen. Zufall? Hat sich eben so ergeben? Wohl nicht.<br />

Dem Fotografen ging es nicht um Menschen bei der Arbeit,<br />

er wollte ein Dokument des Hafens schaffen und<br />

einen grafischen Effekt erzielen. Schwarz stehen die Kräne<br />

und Masten, sie zeichnen ein Gewirr harter Linien, die<br />

meisten laufen gen Himmel. Davor liegen quer drei bauchige<br />

Schiffe mit weichen Linien, hell glänzt ihr Rumpf im<br />

schräg einfallenden Licht. Um den Effekt zu verstärken,<br />

wählte Fritz Fenzl eine längere Brennweite, die fern und<br />

nah zusammenschob. Im Grunde hat der Fotograf den<br />

Hafen nur benutzt, um das stetig sich ändernde ewige Spiel<br />

von Licht und Schatten aufzunehmen.<br />

Spätestens seit Michelangelo Antonionis Film „Blow<br />

up“ weiß man, dass Fotos ihre eigene Realität entfalten. Sie<br />

zeigt sich nicht immer sofort. Der Schöpfer dieses Bildes<br />

sah etwas vor seinem inneren Auge, das er verwirklichen<br />

wollte. Er gestaltete die Realität. Wie lange er dafür brauchte,<br />

um das abstrakte Spiel aus Schwarz und Weiß, der harten<br />

Linien und der weichen Kurven in einem Hafen voller<br />

Menschen festzuhalten, wissen wir nicht. Mit Menschen<br />

war das Bild, das er vor seinem inneren Auge sah, nicht zu<br />

machen. Sein Trick war, dass er sich seinem Objekt von der<br />

Wasserseite aus näherte. So kam er zum Schuss.<br />

Möglicherweise überhöht man die Weitsicht des Fotografen,<br />

wenn man ihn auch noch zum Seher erklärt, der die<br />

Zukunft des Hafens erahnte. Ein modernes Containerterminal<br />

unserer Tage ist ein Ort, der fast ohne Menschen auszukommen<br />

scheint. Was man sieht: gigantische Schiffe mit<br />

einem Gebirge von Containern; Containerbrücken, die wie<br />

riesige Pferde am Horizont stehen; und Stapler auf hohen<br />

Stelzenbeinen, die Boxen transportieren. Alles, was sich bewegt,<br />

blinkt aufgeregt mit orangefarbenem Warnlicht. Nur<br />

Menschen sieht man nicht.<br />

Ach ja, das Foto zeigt drei Hecktrawler und zwei Schuten.<br />

Aber darum ging es ja gar nicht. Henning Sietz

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