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74 KUNSTMARKT<br />
Koketter Märtyrer: Agnolo Bronzino, Heiliger Sebastian, 1528/29,<br />
Museo Thyssen-Bornemisza, Madrid<br />
Maniera<br />
Mania<br />
Gefangene einer Welt von Hierarchie und Etikette:<br />
Eine Schau in Frankfurt versammelt Porträts und Posen<br />
der Männer aus der Zeit des Manierismus.<br />
Von Rose-Maria Gropp<br />
Gewinner des TIPA-Awards<br />
“Best Photo Lab Worldwide”<br />
Ausgezeichnet von Redakteuren 28 führender internationaler Foto-Magazine<br />
Stolzer Hofmann: Jacopo Pontormo, Bildnis eines jungen Mannes in<br />
schwarzem Wams (Cosimo I. de’Medici?), 1536/37, Privatsammlung<br />
Lässiger Feldherr: Giorgio Vasari, Bildnis des Herzogs Alessandro<br />
de’Medici, um 1534, Galleria degli Uffizi, Florenz<br />
as sind das für junge Männer?<br />
Aus welchem Jahrhundert schauen<br />
sie zu uns herüber? Genau<br />
genommen sehen sie ja keinen von<br />
uns Betrachtern an, jedenfalls nie<br />
direkt. Das scheint zu ihrer persönlichen Note zu<br />
gehören – ob als halbnackter Märtyrer oder in voller<br />
Rüstung, ob in herrscherlicher Pose oder als Beau<br />
in Schwarz.<br />
Die jungen Männer kommen aus den zwanziger,<br />
dreißiger und vierziger Jahren des 16. Jahrhunderts,<br />
also des Cinquecento, dessen erste Hälfte in Italien<br />
noch der Kunst der Renaissance gehörte. Sie sind<br />
Protagonisten von deren Spätstil, der unter dem Begriff<br />
Manierismus bekannt ist. Allerdings könnten<br />
sie kaum unterschiedlicher aussehen, jeder von ihnen<br />
trägt die individuelle Handschrift seines Schöpfers,<br />
zeugt von dessen maniera, seiner Manier. Zu bewundern<br />
sind sie in einer phänomenalen Schau im<br />
Städel, die „Maniera“ heißt und der Epoche unter<br />
der Herrschaft der Medici in Florenz gewidmet ist.<br />
Der heilige Sebastian hat zu allen Zeiten erotische<br />
Phantasien geweckt. Der Sebastian, wie ihn<br />
Agnolo Bronzino sieht, hält beinah kokett einen der<br />
Pfeile, die ihn töten sollten, aber nicht konnten, in<br />
der linken Hand, als wolle er mit der rechten dessen<br />
Schärfe prüfen. Dass Bronzino um den hübschen<br />
Jüngling kunstreich ein pinkfarbenes Gewand wickelt,<br />
passt zu diesem Appeal. Des Künstlers eigentliche<br />
Absicht mag die virtuose Darstellung des unversehrten<br />
Leibs gewesen sein, dem auch der in der Seite<br />
steckende Pfeil nichts anhaben kann. Zum anderen<br />
verweist er damit auf die wundersame Heilung Sebastians<br />
nach der Pfeilattacke, die ihn zum Pestheiligen<br />
machte. Seinen schlimmen Tod als Märtyrer fand er<br />
erst, als ihn Kaiser Diokletians Schergen erschlugen<br />
und in Roms Cloaca Maxima warfen.<br />
Ein anderes Schicksal ereilte den Herzog Alessandro<br />
de’Medici, dem Giorgio Vasari im Harnisch<br />
huldigt, mit der Stadt Florenz im Hintergrund, die<br />
er, gerade an die Macht gekommen, regiert. Der<br />
überdimensionale Feldherrnstab ruht lässig in seinem<br />
Schoß. Doch Alessandro wird nur drei Jahre<br />
später, 1537, von einem entfernten Verwandten ermordet.<br />
Dann ist da das Bildnis eines jungen Mannes<br />
von Jacopo Pontormo, vielleicht ist der Porträtierte<br />
jener Cosimo I. de’Medici, der mit 18 Jahren<br />
Nachfolger des in einer Intrige getöteten Alessandro<br />
wurde und seine Herrschaft 37 Jahre lang aufrechterhalten<br />
konnte. Er gibt so nonchalant wie elegant,<br />
Zarte Kunstfigur: Francesco Salviati, Bildnis eines jungen<br />
Mannes, 1546/48, Saint Louis Art Museum, Saint Louis<br />
in ernsthafter Pose, den perfekten Hofmann, während<br />
das Schwert seinen kämpferischen Willen unterstreicht.<br />
Endlich tritt jener verfeinerte unbekannte Jüngling<br />
vor grüner Drapierung auf, den Francesco Salviati<br />
porträtierte. Zwischen dem gemeißelten Leib von<br />
Bronzinos Märtyrer Sebastian und seiner outrierten<br />
Haltung liegen nur knapp zwei Jahrzehnte. Er gehört<br />
der vornehmen Florentiner Kaste an, hinter<br />
ihm lagert der personifizierte Flussgott Arno. Noch<br />
gekünstelter als der junge Mann kann man kaum<br />
sitzen – überlange Hände präsentierend, die gewiss<br />
nie mit körperlicher Arbeit in Berührung kamen, in<br />
der Linken einen ledernen Handschuh haltend, ein<br />
damals kostspieliges Accessoire.<br />
Doch solche Vergleiche funktionieren von heute<br />
aus nur auf der Ebene ästhetischer Betrachtung.<br />
Denn die schönen jungen Männer, wie sie die kühnsten<br />
Künstler des Cinquecento sahen, waren nicht<br />
frei. Sie waren Gefangene einer Welt, die von Hierarchie,<br />
Etikette, Zwang und Gewalt bestimmt war und<br />
in der die Sinnlichkeit als Privileg den Herrschenden<br />
zustand. Zeitlos sind allein Pose und Blasiertheit.<br />
„Maniera. Pontormo, Bronzino und das Florenz der Medici“,<br />
Städel Museum, Frankfurt, bis zum 5. Juni.<br />
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