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22 PRÊT-À-PARLER<br />
DAMENBESUCH<br />
Es gibt in London wohl kaum einen maskulineren Ort als<br />
die Savile Row, jene unscheinbare Straße unweit von Piccadilly<br />
Circus, an der sich seit Generationen die Herrenschneider<br />
nebeneinander reihen. Ob in den Ladengeschäften im<br />
Hochparterre oder in den vom Bürgersteig einsehbaren<br />
Kellerateliers: Männer, wohin das Auge blickt.<br />
Doch inmitten dieses Old-Boys-Networks gibt es in<br />
dem schmucken Altbau mit der Nummer 13 ein subversives<br />
Element: Phoebe Gormley, die erste Schneiderin an<br />
Londons Männermode-Meile, die sich einzig und allein<br />
um die weibliche Kundschaft kümmert.<br />
Seit Oktober vergangenen Jahres residiert sie zur Untermiete<br />
bei „Cad & the Dandy“, einem der Platzhirsche<br />
an der Row. Von dort versorgt das „new kid on the block“,<br />
wie die britische Presse die gerade einmal 21 Jahre alte<br />
Phoebe Gormley nennt, Londons Geschäftsfrauen mit<br />
allem, nur nicht mit Massenware. Ihre erste Kundin war<br />
niemand Geringeres als Jayne-Anne Gadhia, die Vorstandsvorsitzende<br />
der Bank Virgin Money. Sie bestellte<br />
gleich ein Dutzend Teile. Besser hätte der Start für die junge<br />
Schneiderin nicht laufen können.<br />
Ihr Ehrgeiz zeigte sich schon früh: Als ihre Eltern ihr<br />
im Alter von 13 Jahren ein Handy kaufen wollten, wünschte<br />
sich Phoebe – eine Nähmaschine. Als ihre Eltern ihr<br />
zum Wirtschaftsstudium rieten, schrieb sie sich für<br />
Kostümdesign ein. Von einem Modestudium hielt sie sich<br />
bewusst fern, „weil da alles auf Größe 34 ausgerichtet ist“.<br />
Sie aber wollte Kleidung machen, die sich der Trägerin<br />
anpasst und nicht umgekehrt.<br />
Zu den beliebtesten Teilen ihrer Kollektion zählt<br />
„das kleine Notfall-Schwarze“, wie sie es nennt. Es ist aus<br />
Mohairwolle, federleicht und knitterfrei, ideal also für<br />
die viel reisende Geschäftsfrau. 400 Pfund kostet es – kein<br />
Schnäppchen, aber im Rahmen dessen, was man bei Selfridges<br />
oder Harvey Nichols auch für hochwertige Stangenware<br />
zahlt. Die Preise für Hosen und Röcke beginnen<br />
bei 300 Pfund, im Durchschnitt geben Phoebe Gormleys<br />
Kundinnen pro Outfit 1200 Pfund aus.<br />
Ihre Aufnahme in den Kreis der Savile-Row-Schneider<br />
beschreibt sie als ausgesprochen freundlich. „Vielleicht hat<br />
es damit zu tun, dass ich für sie keine Konkurrenz bin.“<br />
Einem ähnlich ambitionierten Herrenschneider hätten die<br />
Gentlemen wohl kaum so viel über Zulieferer und Schnitttechniken<br />
erklärt wie ihr während der Praktika in den<br />
Semesterferien. Phoebe Gormley empfand sie als so inspirierend,<br />
dass sie das Studium nach zwei von drei Jahren<br />
schmiss, um endlich selbst Hand anzulegen. Das damit<br />
verbundene Risiko spiegelt sich im Namen ihres Labels<br />
wider: Gormley & Gamble.<br />
In diesem Sommer will sie mit ihrem vier Mitarbeiter<br />
starken Team nach New York reisen, um auch dort Maß<br />
zu nehmen. Dass eine große Unternehmensberatung die<br />
Dienste von Gormley & Gamble in ihrem Netzwerk empfiehlt,<br />
hilft bei der Akquise. Eines Tages will Phoebe<br />
Gormley raus aus dem Hinterzimmer und ihren eigenen<br />
Laden führen. Natürlich an der Savile Row. Julia Löhr<br />
PRÊT-À-PARLER<br />
H E R M È S - DI E W E ITE DE R NATUR<br />
„EIN KLEINER FLECK<br />
AM HEMDKRAGEN“<br />
Philipp Krämer und Lukas Hofmann, beide um die zwanzig,<br />
arbeiten alte Krawatten unter ihrem Label Re-Tied<br />
in Schleifen um. Wer weiß, ob die Krawatte wirklich vom<br />
Niedergang bedroht ist. Aber für das Comeback der Schleife<br />
kommt die Idee gerade recht.<br />
Herr Krämer, wie sind Sie auf die Idee gekommen,<br />
Krawatten in Schleifen umzuarbeiten?<br />
Wir fingen selbst vor ein paar Jahren an, Schleifen<br />
zu tragen. Da merkten wir, dass es in Deutschland<br />
zu wenig Auswahl gibt. Es gibt zwar vorgebundene<br />
Schleifen, aber wir wollten welche zum Selbstbinden.<br />
Im Dezember 2014 haben wir für uns die ersten<br />
selbstgemacht, zunächst aus alten Gardinenstoffen.<br />
Dann probierten wir es mit Krawatten.<br />
Und dabei sind Sie geblieben.<br />
Ja, wir mussten in den Stoff ein Baumwollvolumenfleece<br />
einarbeiten, ohne das wären die Schleifen zu dünn. Dann<br />
haben wir geschaut, was uns an herkömmlichen Schleifen<br />
nicht gefällt. Wir haben unsere mit Druckknöpfen<br />
versehen, so kann man sie schnell verstellen. Mit den<br />
Haken verheddert sich da oft etwas.<br />
Es wird viel vom Niedergang der Krawatte gesprochen –<br />
und vom Comeback der Schleife.<br />
Ja, auch Läden wie H&M legen das jüngeren Kunden<br />
nahe. Aber die meisten sind eben vorgebunden.<br />
Weshalb lassen sich Ihre Kunden die alten Krawatten in<br />
Schleifen umarbeiten?<br />
Oft sind das Muster, die nicht mehr angesagt sind. Als<br />
Krawatte ist das zu intensiv, und meistens sind diese<br />
Modelle zu breit für die heutige Zeit. Aber als Schleife ist<br />
es dezenter, es ist ja nur ein kleiner Fleck am Hemdkragen.<br />
So tragen sich die Muster auch einfacher ironisch.<br />
Man sagt ja auch, dass Schleifenträger eher lockere und<br />
lustige Menschen sind.<br />
Was halten Sie von dem Schleifenträger und Gesundheitspolitiker<br />
Karl Lauterbach (SPD)?<br />
Dem sieht man an, dass er Schleifenträger ist. Das sind<br />
immer die, die auch ein paar mehr Witze machen.<br />
Besonders gerecht werden Schleifenträger ihrem Image<br />
deshalb auch mit selbstgebundenen Schleifen. Die sind<br />
nicht perfekt gerade und können auch mal an einer Seite<br />
ein bisschen herunterhängen.<br />
Was war bis jetzt das ausgefallenste Muster, das Sie bekommen<br />
haben?<br />
Das war eine Zusammenstellung aus verschiedenen<br />
Paisley-, Karo- und Golfmustern: Golfbälle und Golfspieler.<br />
Die Fragen stellte<br />
Jennifer Wiebking.<br />
FOTOS JULIA LÖHR, HERSTELLER (4)<br />
Krawatten<br />
von gestern,<br />
Schleifen von<br />
heute: Re-<br />
Tied-Modelle