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1. WELTRELIGION ISLAM<br />

1.6. moderne strömungen im islam<br />

AHMADIS<br />

Die Ahmadiyya-Bewegung wurde 1889 in der indischen Provinz Punjab von Hazrat<br />

Mirza Ghulam Ahmad gegründet und hat heute weltweit etwa 12 Millionen<br />

Anhänger. 11 Ursprüngliches Ziel der Bewegung war es, einen aus ihrer Sicht im<br />

Verfall begriffenen Islam zu erneuern. 12 Ghulam Ahmad wird von den meisten<br />

Ahmadis als Prophet angesehen und zog damit bereits zu seinen Lebzeiten die<br />

Kritik anderer Muslime auf sich, die nur Mohammed als letzten Propheten akzeptieren.<br />

Dieser Streitpunkt spaltete im Jahr 1914, sechs Jahre nach dem Tod von<br />

Ghulam Ahmad, auch die Ahmadiyya-Bewegung selbst. Eine kleinere Gruppe der<br />

Ahmadis sieht Ghulam Ahmad lediglich als Erneurer, nicht aber als Propheten.<br />

Die größere Gruppe, die ihn als Propheten sieht, nennt sich Ahmadiyya Muslim<br />

Jamaat (AMJ). In vielen mehrheitlich muslimischen Ländern werden die Ahmadis<br />

wegen des Streits um das Prophetentum bis heute als Verfälscher des Islams<br />

verfolgt. Sie werben in der ganzen Welt für ihre Religion. 13 Mitglieder zahlen hohe<br />

Abgaben an die Gemeinschaft, was deren Finanzkraft erklärt.<br />

Autorin: Prof. Dr. Riem Spielhaus<br />

1.6. MODERNE STRÖMUNGEN IM ISLAM<br />

ISLAM UND KOLONIALISMUS<br />

Im Jahr 1798 landete Napoleon mit einem Expeditionsheer in Ägypten, das damals<br />

Teil des Osmanischen Reiches war. Französische Wissenschaftler, die das Heer<br />

begleiteten, suchten den Kontakt mit den muslimischen Gelehrten und machten<br />

sie mit medizinischen und technischen Neuerungen aus Europa bekannt. Dazu<br />

gehörte zum Beispiel der Umgang mit naturwissenschaftlichen Geräten wie Mikroskop<br />

oder Fernrohr. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts verstärkte sich die koloniale<br />

Expansion in die islamische Welt: In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts<br />

hatten Niederländer und Briten im damaligen Indien und Ostindien – heute<br />

Indonesien – die dort regierenden muslimischen Herrscher ihrer Macht beraubt.<br />

11 Reetz, D. (Hrsg.). (2012). Islam in Europa: Religiöses Leben heute. Ein Portrait ausgewählter islamischer Gruppen und<br />

Institutionen. Münster: Waxmann-Verlag, S. 85.<br />

12 Schirrmacher, C. (2009). Die Ahmadiyya-Bewegung. Verfügbar unter http://bit.ly/29E95vN<br />

13 Zur Missionsarbeit der Ahmadiyya-Bewegung in Europa zwischen 1900 und 1965 siehe Jonker, G. (2015).<br />

The Ahmadiyya Quest for Religious Progress: Missionizing Europe 1900–965. Leiden: Ej Brill.<br />

Frankreich kolonisierte seit den 1840er Jahren vor allem Algerien. Die Konfrontation<br />

mit den Kolonialmächten führte auf muslimischer Seite zu zwei gegensätzlichen<br />

Reaktionen.<br />

Die erste Reaktion war der Versuch der Übernahme des technischen und medizinischen<br />

Fortschritts Europas. Diese Initiativen gingen von den politischen Eliten<br />

in den muslimischen Staaten aus. Es entstanden sogenannte Studienmissionen<br />

und einzelne begabte junge Männer wurden zur Ausbildung nach Paris, London<br />

oder Berlin entsandt. Schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden<br />

aber auch in Kairo und Istanbul von Muslimen nach europäischem Vorbild gegründete<br />

Bildungsinstitutionen, die sich in Konkurrenz zu den traditionellen Zentren<br />

islamischer Gelehrsamkeit entwickelten. Diese modernen Einrichtungen dienten<br />

vor allem der Ausbildung von Militärs und Verwaltungskräften.<br />

Die zweite Reaktion machte den Kolonialismus für diverse Fehlentwicklungen in<br />

der islamischen Welt verantwortlich, wie zum Beispiel die Schwächung der Wirtschaft<br />

in den Kolonialgebieten oder die Entfremdung ihrer Bewohner von der<br />

eigenen Kultur. Für zeitgenössische muslimische Gelehrte stand fest, dass Muslime<br />

nicht mehr den Geboten Gottes folgten, der sie deshalb durch den Kolonialismus<br />

strafte.<br />

Muslimische Gelehrte wie Jamal al-Din al-Afghani (1838–1897) und Mohammed<br />

Abduh (1849–1905) waren überzeugt, dass vor allem der falsche Umgang mit dem<br />

Text des Korans Gottes Zorn hervorgerufen hatte. Über die Jahrhunderte war der<br />

Koran immer wieder neu ausgelegt worden, teils ohne dabei auf den ursprünglichen<br />

Text Bezug zu nehmen. Daher riefen al-Afghani und Abduh zu einer Rückkehr<br />

zum Originaltext auf.<br />

Beide erkannten aber auch, dass die islamische Welt ihre politische Einheit verloren<br />

hatte und den Kolonialmächten daher geschwächt gegenüberstand. Deshalb<br />

forderten sie eine gemeinsame Regierung für alle Muslime und schlugen dafür<br />

den osmanischen Sultan vor. Kolonialmächte wie Großbritannien und Frankreich,<br />

aber auch die Niederlande und das deutsche Kaiserreich, sahen den Wunsch<br />

nach innerislamischer Einheit als Gefahr für ihre Herrschaft an und versuchten,<br />

den Bestrebungen mit Repressalien entgegenzuwirken. Dennoch entstanden in<br />

den 1920er Jahren antikoloniale Bewegungen in der islamischen Welt: Dazu zählten<br />

nationalistische Bewegungen regionalen und überregionalen Charakters, so<br />

zum Beispiel der Pharaonismus in Ägypten und der Panarabismus in der gesamten<br />

arabischen Welt.<br />

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