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3. MUSLIME IN DEUTSCHLAND<br />

3.2. soziale lage von muslimen in deutschland<br />

WIE LÄSST SICH DER UNTERSCHIEDLICHE BILDUNGSERFOLG<br />

ERKLÄREN?<br />

Es gibt keine Studie, die sich speziell mit der Bildungssituation von Muslimen in<br />

Deutschland befasst. Zahlreiche Untersuchungen setzen sich aber mit der von<br />

Migranten und ihren Nachkommen auseinander. Weitgehende Einigkeit herrscht<br />

darüber, dass der unterschiedliche Bildungserfolg nicht mit einem mangelndem<br />

Bildungsstreben in Einwandererfamilien begründet werden kann. Verschiedene<br />

Studien belegen, dass Eltern mit Migrationshintergrund mitunter sogar höhere<br />

Bildungsziele für ihre Kinder anstreben als Eltern ohne Migrationshintergrund. 9<br />

Jörg Dollmann konnte dies auch für türkeistämmige – und damit überwiegend<br />

muslimische – Familien nachweisen. 10<br />

Eine Studie von Mechthild Gomolla und Frank-Olaf Radtke kam bereits vor 15<br />

Jahren zu dem Ergebnis, dass Kinder aus Einwandererfamilien im Bildungssystem<br />

auf diskriminierende Barrieren treffen. 11 Dazu zählt zum Beispiel die Annahme,<br />

Eltern mit Migrationshintergrund könnten ihre Kinder in der Schule nicht ausreichend<br />

unterstützen. Diese Hürden wirken sich etwa bei der Einschulung oder<br />

dem Übergang von der Grund- auf eine weiterführende Schule aus. 12 Auch die<br />

Antidiskriminierungsstelle des Bundes unterstreicht die “bereits in der Grundschule<br />

rigide betriebene Selektionspraxis”, die zu “starker Chancenungleichheit”<br />

führt, worunter insbesondere Kinder aus sozial schwächeren Familien leiden. 13<br />

Verschiedene international vergleichende Studien, allen voran PISA, haben immer<br />

wieder deutlich gemacht: In kaum einem anderen OECD-Land hängen die schulischen<br />

Leistungen so stark von der sozialen Herkunft ab wie in Deutschland. 14<br />

Einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge lässt<br />

9 Gresch, C. (2012). Der Übergang in die Sekundarstufe I. Leistungsbeurteilung, Bildungsaspiration und rechtlicher<br />

Kontext bei Kindern mit Migrationshintergrund. Wiesbaden: VS Verlag; Becker, B. (2010). Bildungsaspirationen von<br />

Migranten: Determinanten und Umsetzung in Bildungsergebnisse. Mannheim: Mannheimer Zentrum für Europäische<br />

Sozialforschung. Verfügbar unter http://bit.ly/29pElgN<br />

10 Dollmann, J. (2010). Türkischstämmige Kinder am ersten Bildungsübergang: Primäre und sekundäre Herkunftseffekte.<br />

Wiesbaden: VS Verlag.<br />

11 Gomolla, M. & Radtke, F.-O. (2009). Institutionelle Diskriminierung: Die Herstellung ethnischer Differenz in der Schule<br />

(3. Auflage). Wiesbaden: VS Verlag.<br />

12 Antidiskrimierungsstelle des Bundes (ADS). (2013). Diskriminierung im Bildungsbereich und im Arbeitsleben.<br />

Berlin: ADS, S. 69. Verfügbar unter http://bit.ly/29qUrYy; Maaz, K., Baumert, J., Gresch, C., & McElvany, N. (Hrsg.)<br />

(2010). Der Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule: Leistungsgerechtigkeit und regionale, soziale und<br />

ethnisch-kulturelle Disparitäten. Bonn: BMBF. Verfügbar unter http://bit.ly/29qVmZ1<br />

13 ADS (2013), S. 69.<br />

14 Solga, H. & Dombrowski, R. (2009). Soziale Ungleichheiten in schulischer und außerschulischer Bildung: Stand der<br />

Forschung und Forschungsbedarf. Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung. Verfügbar unter http://bit.ly/29xhQXT<br />

sich der formale Bildungserfolg einer Person in Deutschland statistisch gesehen<br />

zu über 50 Prozent mit ihrem familiären Hintergrund erklären. 15 Kinder aus Einwandererfamilien<br />

und insbesondere aus muslimischen Familien sind von diesen<br />

Benachteiligungen überproportional betroffen, da sie überdurchschnittlich oft<br />

aus sozial benachteiligten Verhältnissen stammen 16 (siehe auch Abschnitt Arbeitsmarkt<br />

und Einkommen).<br />

AUSBILDUNG<br />

Unterdurchschnittliche Schulleistungen und niedrigere Abschlüsse wirken sich<br />

auf die Chancen am Ausbildungsmarkt aus. 17 Das gilt zunächst einmal unabhängig<br />

von Migrationshintergrund oder Religionszugehörigkeit. Zur spezifischen Ausbildungssituation<br />

von Muslimen gibt es noch weniger Daten als im Bereich der schulischen<br />

Bildung. Auch hier muss man behelfsmäßig auf Daten von ausländischen<br />

beziehungsweise von Personen mit Migrationshintergrund zurückgreifen. Wie<br />

die Daten für das Jahr 2014 aus dem Mikrozensus zeigen, hatten Migranten und<br />

ihre Nachkommen deutlich öfter keinen berufsqualifizierenden Abschluss.<br />

Das trifft auf 39 Prozent der Menschen türkischer Herkunft und 24 Prozent der<br />

Menschen mit einem Migrationshintergrund aus dem Nahen und Mittleren Osten<br />

zu – im Vergleich zu 14 Prozent in der Gesamtbevölkerung.<br />

Wie lassen sich die Unterschiede zwischen der Gesamtbevölkerung und der<br />

Bevölkerung mit Migrationshintergrund erklären? Zum einen sind Menschen mit<br />

Migrationshintergrund im Durchschnitt deutlich jünger als die Gesamtbevölkerung.<br />

Entsprechend höher ist der Anteil derer, die sich noch (oder noch nicht) in<br />

schulischer oder beruflicher Ausbildung befinden. Ein weiterer Grund sind die<br />

im Schnitt niedrigeren Schulabschlüsse. Doch sie sind keine hinreichende Erklärung.<br />

Die Übergangsquoten von der Schule in eine betriebliche Ausbildung liegen<br />

bei Menschen ohne Migrationshintergrund bei rund 42 Prozent, bei türkei- oder<br />

arabischstämmigen Personen bei lediglich 24 Prozent. 18 Auch bei den gleichen<br />

schulischen Voraussetzungen haben sie deutlich geringere Chancen, einen<br />

Ausbildungsplatz zu bekommen als Bewerber ohne Migrationsgeschichte. 19<br />

15 Schnitzlein, D. (2013). Wenig Chancengleichheit in Deutschland: Familienhintergrund prägt eigenen ökonomischen<br />

Erfolg. DIW Wochenbericht Nr. 4/2013, S. 6. Verfügbar unter http://bit.ly/2bHLH2T<br />

16 Destatis 2015, S. 386f.<br />

17 Beicht, U. (2011). Junge Menschen mit Migrationshintergrund: Trotz intensiver Ausbildungsstellensuche geringere<br />

Erfolgsaussichten. BiBB Report, Heft 16/11, S. 3. Verfügbar unter http://bit.ly/29ns4XE<br />

18 Beicht, U., & Gei, J. (2015). Ausbildungschancen junger Migranten und Migrantinnen unterschiedlicher Herkunftsregionen.<br />

BiBB Report, Heft 3/2015, S. 16. Verfügbar unter http://bit.ly/2bJHx7Y<br />

19 Bundesministerium für Bildung und Forschung. (2016). Berufsbildungsbericht 2016. Bonn: BMBF, S. 48. Verfügbar<br />

unter http://bit.ly/1T4DU7J<br />

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