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3. MUSLIME IN DEUTSCHLAND<br />

3.3. flüchtlinge aus islamisch geprägten ländern<br />

anerkannten und in Deutschland rechtlich verankerten Verständnis von Diskriminierung,<br />

das auch Formen indirekter Diskriminierung mit einschließt.<br />

Wenn zum Beispiel türkeistämmige, muslimische Migranten keine deutschen<br />

Netzwerke und daher schlechtere Arbeitsmarktchancen haben, deutet dies stark<br />

darauf hin, dass dem Anschein nach neutrale Einstellungsverfahren diese Personen<br />

benachteiligen – ein eindeutiges Indiz für indirekte Diskriminierung. 27 Es liegen<br />

zudem empirische Erkenntnisse darüber vor, dass Muslime konkret aufgrund<br />

ihrer islamischen Religionszugehörigkeit bei der Arbeitsplatzsuche benachteiligt<br />

werden. Dies gilt besonders für muslimische Frauen, die ein Kopftuch tragen. 28<br />

In diesem Zusammenhang sei auch auf die gesetzlichen „Kopftuchverbote“ in<br />

acht Bundesländern verwiesen. Sie untersagen Frauen, die als Lehrerinnen an<br />

öffentlichen Schulen arbeiten, ein Kopftuch zu tragen. In Berlin und Hessen gilt<br />

diese Regelung in weiteren Bereichen des Öffentlichen Dienstes. Diese Verbote<br />

stellen eine zusätzliche Form der Arbeitsmarktausgrenzung von Kopftuch tragenden<br />

Musliminnen dar. 29 2015 urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass ein<br />

pauschales „Kopftuchverbot für Lehrkräfte in öffentlichen Schulen“ nicht verfassungskonform<br />

sei. Außerdem finden sich Hinweise, dass diese Gesetze indirekt<br />

auch zu einer Legitimierung – und damit Zunahme – der Diskriminierung von Kopftuch<br />

tragenden Frauen in der Privatwirtschaft führen. 30 Das Forschungsinstitut<br />

zur Zukunft der Arbeit (IZA) stellte in einer Studie von 2016 die Diskriminierung<br />

von Kopftuch tragenden Musliminnen am Arbeitsmarkt fest. Dabei prüfte das<br />

IZA, ob Bewerbungen von Frauen mit Kopftuch und türkischem Namen ähnlich<br />

erfolgreich sind wie jene von gleich qualifizierten Bewerberinnen ohne Kopftuch<br />

und mit deutschem Namen. Das Ergebnis: Kopftuch tragende Musliminnen müssen<br />

sich viermal so oft bewerben, um für ein Jobinterview eingeladen zu werden. 31<br />

27 Eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) fand heraus, dass in Deutschland<br />

etwa ein Drittel aller Neueinstellungen über soziale Netzwerke (etwa durch persönliche Kontakte der<br />

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen) laufen; dies trifft besonders häufig auf solche Stellen zu, die durch<br />

geringere Qualifikationsanforderungen und schwierigere Arbeitsbedingungen gekennzeichnet sind; Klinger,<br />

S., & Rebien, M. (2009). Soziale Netzwerke helfen bei der Personalsuche. IAB-Kurzbericht Nr. 24. Verfügbar unter<br />

http://bit.ly/29pRZjJ<br />

28 Gestring, N., Janßen, A., & Polat, A. (2006). Prozesse der Integration und Ausgrenzung: Türkische Migranten der<br />

zweiten Generation. Wiesbaden: VS Verlag.<br />

29 Human Rights Watch. (2009). Diskriminierung im Namen der Neutralität: Kopftuchverbote für Lehrkräfte und Beamtinnen<br />

in Deutschland. New York: HRW. Verfügbar unter http://bit.ly/29zpgvr<br />

30 Berliner Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung (LADS). (2008). Mit Kopftuch außen<br />

vor? Berlin: Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales, Integrationsbeauftragter des Berliner Senats.<br />

Verfügbar unter http://bit.ly/29RV76w; Open Society Institute (OSI). (Hrsg.). (2010). Muslime in Berlin. New York: OSI.<br />

Verfügbar unter https://osf.to/29ny7eY<br />

31 Weichselbaumer, D. (2016). Discrimination against Female Migrants Wearing Headscarves. IZA Discussion Paper<br />

10217. Bonn: Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit. Verfügbar unter http://bit.ly/2cTRWvw<br />

Ähnliches gilt für die sogenannte Kirchenklausel in § 9 AGG. Sie erlaubt Kirchengemeinschaften<br />

und ihnen „zugeordneten Einrichtungen“ unter bestimmten<br />

Voraussetzungen, bei der Personalauswahl Mitglieder der eigenen Glaubensrichtung<br />

zu bevorzugen. 32 Die beiden konfessionellen Wohlfahrtsverbände Caritas<br />

und Diakonie beschäftigen zusammen über eine Million Mitarbeiter – ein Großteil<br />

davon Frauen. Personen nicht-christlichen Glaubens bleibt der Zugang zu vielen<br />

dieser Stellen oft verwehrt.<br />

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Muslime sind mit besonders hohen Barrieren<br />

beim Arbeitsmarktzugang konfrontiert. Ihre Wirkung entfaltet sich in einem<br />

komplexen Zusammenspiel von strukturellen (also indirekt wirkenden) Ausgrenzungsmechanismen<br />

und Formen persönlicher (direkter) Benachteiligungen.<br />

3.3. FLÜCHTLINGE AUS ISLAMISCH<br />

GEPRÄGTEN LÄNDERN<br />

Autor: Dr. Mario Peucker<br />

Die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland ist in den letzten Jahren stark gestiegen.<br />

2015 wurden insgesamt 441.899 sogenannte Erstanträge beim Bundesamt für<br />

Migration und Flüchtlinge (BAMF) gestellt.<br />

Bei der Antragstellung werden unterschiedliche Informationen zur Person<br />

und zum sozialen Hintergrund abgefragt, unter anderem auch zur Religionszugehörigkeit:<br />

33<br />

32 Frings, D. (2010). Diskriminierung aufgrund der islamischen Religionszugehörigkeit im Kontext Arbeitsleben: Erkenntnisse,<br />

Fragen und Handlungsempfehlungen. Berlin: ADS. Verfügbar unter http://bit.ly/29pSSc1<br />

33 Die sogenannten „SoKo-Daten“ („Soziale Komponente“) beinhalten unter anderem Angaben zu Sprachkenntnissen,<br />

zur Schulbildung und zur Berufstätigkeit. Es handelt sich um eine Selbstauskunft der Flüchtlinge, die von<br />

Mitarbeitern des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge im Asylverfahren erhoben wird. Für weitere Informationen:<br />

Rich, A. (2016). Asylantragsteller in Deutschland im Jahr 2015: Sozialstruktur, Qualifikationsniveau und Berufstätigkeit.<br />

Ausgabe 3|2016 der Kurzanalysen des Forschungszentrums Migration, Integration und Asyl des Bundesamtes<br />

für Migration und Flüchtlinge, Nürnberg, S. 1–2.<br />

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