winapo - RZH Rechenzentrum für Heilberufe GmbH
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freizeit und kultur<br />
Die Zebus sind Zeichen materiellen Reichtums, Prestigeobjekte,<br />
Arbeitstiere, Fleisch- und Milchlieferanten, aber auch Opfertiere.<br />
Ein Hauch von Asien<br />
Madagaskars Bevölkerung explodiert.<br />
Knapp 18 Millionen Menschen leben<br />
auf der Insel, und es werden pro Jahr<br />
500.000 mehr. Jede Frau bekommt fünf<br />
bis sechs Kinder, das erste oft schon<br />
mit 16. Familienplanung und Verhütung<br />
werden zwar propagiert. Doch<br />
stößt die Botschaft in einem Land, in<br />
dem Kinder die einzige Altersversorgung<br />
sind, auf taube Ohren. Die vielen<br />
Mäuler werden mit Reis gestopft – morgens,<br />
mittags, abends. Die Landschaft<br />
gleicht dem Speiseplan. Endlose Reisterrassen<br />
durchziehen die Ebene bis<br />
zu den grün-braunen Hügeln, in denen<br />
die Feuer der Köhler rauchen. Auf den<br />
Anhöhen stehen kleine Ansammlungen<br />
roter Lehmhäuschen und die Zebus, die<br />
domestizierten Buckelrinder, liegen Reisstroh<br />
wiederkauend in den abgeernteten<br />
Feldern. Ein Hauch von Asien weht<br />
über das Land.<br />
Wir erreichen Antsirabe, die Stadt der<br />
Pousse-Pousse, wie die Rikschas hier<br />
heißen. 2.500 dieser bunten Gefährte,<br />
augenfälliges Erbe der Zuwanderer aus<br />
Südostasien und gängiges Verkehrsmittel<br />
<strong>für</strong> Arm und Reich, Jung und Alt, prägen<br />
das Stadtbild, 170 Kilometer südlich<br />
von Tana. Antsirabe, das ist auch<br />
die Stadt der Fabriken, die einzige auf<br />
Madagaskar, in der sich Industrie in<br />
nennenswertem Maße angesiedelt hat.<br />
Doch nicht alle Bauern, die im Sog der<br />
Landflucht der 80er Jahre ihre Felder<br />
aufgaben, fanden in der Molkerei, der<br />
Brauerei, der Zement-, Tabak- oder Textilfabrik<br />
Arbeit. Antsirabe, das ist auch die<br />
Stadt der professionellen Bettler.<br />
Mit landesweit 400.000 Arbeitsplätzen<br />
kommt der Textilindustrie auf Madagaskar<br />
eine besondere Bedeutung zu. 90<br />
Prozent der Kleidung wird exportiert,<br />
nur der Rest ist <strong>für</strong> den lokalen Markt<br />
bestimmt. Die Arbeiter verdienen 25 bis<br />
30 Euro im Monat <strong>für</strong> zehn bis 12 Stunden<br />
harte Arbeit am Tag und gehören<br />
damit zu den Besserverdienenden in<br />
einem Land, das mit einem Pro-Kopf-<br />
Bruttoinlandsprodukt von rund 330 US-<br />
Dollar zu den ärmsten der Welt gehört.<br />
Viel mehr bekommen nur Universitätsprofessoren,<br />
Manager – und die Kinder<br />
am Flughafen von Tana, deren flehentlichen<br />
Blicken nur die wenigsten Touristen<br />
standhalten. Mit jeder Münze, die<br />
sie geben, erteilen sie eine fatale Lektion.<br />
Und die Kinder vom Flughafen haben<br />
schnell gelernt, dass es sich nicht<br />
lohnt, zur Schule zu gehen.<br />
Vermögen bemisst sich auf Madagaskar<br />
in der Anzahl der gehaltenen Zebu-<br />
Rinder. Doch die Rinder sind viel mehr<br />
als ein Zeichen materiellen Reichtums,<br />
Prestigeobjekte, Arbeitstiere, Fleisch-<br />
und Milchlieferanten. Es sind Opfertiere,<br />
ohne die es keine „Famadihana“, keine<br />
Totenumwendung, gibt. Alle fünf bis<br />
Endlose Reisterrassen durchziehen die Ebene bis zu den<br />
grün-braunen Hügeln.<br />
sieben Jahre feiert die madagassische<br />
Familie dieses religiöse Fest. Es ist das<br />
größte und wichtigste überhaupt. Dabei<br />
werden die oft jahrhundertealten<br />
Familiengräber geöffnet, die Überreste<br />
der Verstorbenen herausgeholt, mit<br />
neuen Seidentüchern umwickelt und<br />
von den Mitgliedern der Familie in einer<br />
feierlichen Prozession durchs Dorf<br />
getragen. Die Zeremonie soll die Ahnen<br />
darüber informieren, was sich seit der<br />
letzten „Famadihana“ ereignet hat. Die<br />
Präsentation der neu gebauten Häuser,<br />
der neu angelegten Felder und der neu<br />
geborenen Kinder zeugt von Respekt und<br />
Dankbarkeit. Es ist ein starkes Band, das<br />
die Toten mit den Lebenden verbindet,<br />
auch wenn sie christlich getauft oder<br />
islamischen Glaubens sind. Die Totenumwendung<br />
ist ein fröhliches Fest, bei<br />
dem viel gesungen, getanzt, getrunken<br />
und gegessen wird – aber auch ein<br />
teurer Spaß. Mit drei oder vier Millionen<br />
Francs Malgaches (FMG), rund 350 Euro,<br />
schlagen die „neuen Kleider“ <strong>für</strong> die<br />
Ahnen und die Bewirtung der Gäste zu<br />
Buche. Allein die geopferten Zebus kosten<br />
ein Vermögen.<br />
Der Körper ist der<br />
Koffer <strong>für</strong> die Seele<br />
Anderthalb Stunden braucht unser Auto<br />
<strong>für</strong> die letzten 25 Kilometer auf holpriger<br />
Piste bis zum Nationalpark Ranomafana.<br />
In diesem artenreichsten Primärwald