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Wer Ohren hat, der höre

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4 Misericordia 1·2/07 · Thema: Zukunft<br />

Professor Christoph Dohmen<br />

über die Propheten des Alten Testaments<br />

Berufene Rufer<br />

<strong>Wer</strong> kennt ihn nicht, den Propheten<br />

auf <strong>der</strong> Flucht? Jona heißt er und dem<br />

Auftrag Gottes, <strong>der</strong> Stadt Ninive den<br />

Untergang anzukündigen, versucht er<br />

zu entkommen. Doch Gott lässt nicht<br />

locker und setzt alle Mittel ein – bis<br />

zum berühmten großen Fisch, um Jona<br />

auf den Weg zu bringen. Nur eine<br />

schöne Geschichte? Ja, das auch, aber<br />

das Jonabüchlein ist in <strong>der</strong> Bibel eine<br />

beson<strong>der</strong>s schöne Geschichte für das,<br />

was Prophetie ausmacht.<br />

Unsere Alltagssprache <strong>hat</strong> den „Propheten“<br />

auf das redu ziert, was die Grundbedeutung<br />

des Wortstammes angibt: Die<br />

Vorhersage o<strong>der</strong> Ansage <strong>der</strong> Zukunft. In<br />

diesem Sinne reden wir bei allem, was<br />

berechenbar und vorhersehbar ist, gerne<br />

davon, dass man eben kein Prophet sein<br />

müsse, um dies zu wissen. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Seite bezeichnen wir diejenigen als<br />

Propheten, die das Ungeahnte und nicht<br />

Erwartete befürchtet, gesehen o<strong>der</strong> auch<br />

schon mitgeteilt ha ben. Dieser Sprachgebrauch<br />

ist zurückzuführen auf die Beson<strong>der</strong>heiten<br />

<strong>der</strong> christlichen Theologie,<br />

die lange Zeit über die Propheten Israels,<br />

also die Propheten, die aus dem Alten<br />

Testament bekannt sind, fast ausschließlich<br />

als Verkün<strong>der</strong> <strong>der</strong> Heilsereignisse in<br />

Jesus Christus gesehen <strong>hat</strong>.<br />

Vielfalt <strong>der</strong> Prophetie<br />

Im Alten Testament begegnet uns aber<br />

eine große Vielfalt von prophetischen<br />

Phänomenen: sowohl Prophetengruppen<br />

(als Ekstatiker, Prophetenschüler,<br />

Königs- bzw. Hofpropheten), als auch<br />

Einzelgestalten (wie zum Beispiel Gad<br />

o<strong>der</strong> Nathan, Samuel o<strong>der</strong> Elia, die Prophetin<br />

Hulda o<strong>der</strong> auch die sogenannten<br />

großen Schriftpropheten Jesaja, Jeremia<br />

und Ezechiel). Wichtigstes Element<br />

bei aller Vielfalt <strong>der</strong> Prophetie in Israel<br />

ist, dass diese Menschen sich als von<br />

Gott gerufen (berufen) und mit einer<br />

Botschaft gesendet verstehen. Sie sind<br />

„berufene Rufer“.<br />

Aus diesem Verständnis des Gerufen-<br />

/Berufenseins <strong>der</strong> Propheten ergibt sich<br />

auch die Notwendigkeit als Prophet<br />

aufzutreten, ja geradezu <strong>der</strong> Zwang zur<br />

Verkündigung. Der Prophet Amos macht<br />

genau das zum Thema seiner Verkündigung:<br />

„Gehen zwei zusammen, ohne voneinan<strong>der</strong><br />

zu wissen?<br />

Brüllt <strong>der</strong> Löwe im Wald, wenn er keine<br />

Beute <strong>hat</strong>?<br />

Gibt <strong>der</strong> junge Löwe etwa Laute aus<br />

Prof. Dr. Christoph Dohmen<br />

seinem Versteck, ohne dass er etwas<br />

gefangen hätte?<br />

Fällt ein Vogel etwa zur Erde, wenn keiner<br />

ein Netz nach ihm geworfen <strong>hat</strong>?<br />

Springt die Falle vom Boden zu, wenn<br />

sie nichts gefangen <strong>hat</strong>?<br />

Kann man in <strong>der</strong> Stadt ins Horn stoßen,<br />

ohne dass das Volk sich erschrickt?<br />

Kann in <strong>der</strong> Stadt ein Unglück geschehen,<br />

ohne dass <strong>der</strong> HERR es bewirkt<br />

hätte?<br />

Gewiß nicht, er, <strong>der</strong> HERR, tut nichts,<br />

ohne seinen Plan seinen Knechten, den<br />

Propheten, zu offenbaren.<br />

Ein Löwe <strong>hat</strong> gebrüllt, wer fürchtet sich<br />

da nicht? Er, <strong>der</strong> HERR, <strong>hat</strong> gesprochen,<br />

wer wird da nicht zum Propheten?“<br />

Amos 3,3-8<br />

Die benutzten Bil<strong>der</strong> sind selbstredend.<br />

Sie ent stammen alle <strong>der</strong> unmittelbar einsichtigen<br />

Beziehung von Ursache und<br />

Wirkung. Nichts geschieht grundlos.<br />

„Nein, das geschieht wohl nicht!“, kann<br />

man auf die ersten sechs Fragen nur antworten,<br />

und das soll auch für die siebte<br />

Frage gelten, wenngleich sie aus dem<br />

einsichtigen Bereich <strong>der</strong> Natur herausführt.<br />

Gott wird erwähnt, aber nicht als<br />

philosophische Letztursache, son<strong>der</strong>n<br />

als <strong>der</strong>, <strong>der</strong> hinter allem steht.<br />

Doch damit ist für den Amostext das<br />

Ziel noch nicht er reicht. Er geht einen<br />

Schritt weiter. Er nimmt Gottes Vorhaben,<br />

das hinter allem steht, was in<br />

unserem menschlichen Leben geschieht,<br />

selbst in den Blick. Dazu kommt nach<br />

den sieben Fragen nun die erste Aussage.<br />

Sie knüpft an das Tun Gottes aus <strong>der</strong><br />

letzten Frage an und stellt fest, dass Gott<br />

nichts tut, ohne es zuvor seinen Propheten<br />

kundzutun.<br />

Hier geht es nun um „Übernatürliches“,<br />

um Offenbarung, nicht mehr um Naturnotwendiges<br />

und um Dinge, die man in<br />

und aus <strong>der</strong> Natur erkunden kann. Nicht<br />

nur das, was Gott den Propheten mitteilt,<br />

ist Offenbarung, son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong><br />

Satz selbst, dass Gott eben nichts tut,<br />

ohne es zuvor durch Pro pheten schon<br />

zu offenbaren, muss als Offenbarung<br />

ver standen werden. Er schließt ganz<br />

selbstverständlich an die Einsichtigkeit<br />

<strong>der</strong> vorausgehenden Fragen an. So klar<br />

wie die Beispiele aus <strong>der</strong> Lebenswelt des<br />

Menschen sind, so klar soll doch auch<br />

sein, dass Gott alles, was er tut, durch<br />

Propheten zuvor ankündigt.<br />

Niemals überholt<br />

Die Menschen sollen und müssen sich<br />

dem Ruf Gottes in <strong>der</strong> Rede <strong>der</strong> Propheten<br />

stellen, und zwar nicht nur im Suchen<br />

nach heutigen Propheten, son<strong>der</strong>n<br />

im Meditieren <strong>der</strong> „alten“, biblischen<br />

Prophetenworte, die in <strong>der</strong> Bibel gesammelt<br />

sind, weil man erkannte, dass sie<br />

niemals überholt und erledigt sind.<br />

Wenn es im Buch <strong>der</strong> Sprichwörter heißt:<br />

„Ohne prophetische Offenbarung verwil<strong>der</strong>t<br />

das Volk; wohl ihm, wenn es die<br />

Lehre bewahrt“ (Spr.29,18), dann meint<br />

das genau dies, dass wir uns <strong>der</strong> Heiligen<br />

Schrift stellen müssen. Die Christen

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