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»Wir müssen nicht«, rudert er zurück.<br />

»Nein, nein … gerne … ich habe großen Appetit.« Ich hungere seit Tagen.<br />

»Prima!« Er lächelt mir zu <strong>und</strong> eilt schon die Treppe abwärts.<br />

Mit nervösem Bauchflattern warte ich, bis er fertig ist. Dass er gerade nackt unter der<br />

Dusche steht, lindert mein Leid nicht. Ein wenig ärgere ich mich, dass ich mich nicht, wie<br />

in den Wochen zuvor, selbst verausgabt habe. Dann würden wir jetzt zu zweit unter der<br />

Dusche stehen. Oh, besser nicht. Besser nicht.<br />

Uwe stopft den letzten Bissen runter, legt das Besteck ab <strong>und</strong> nimmt einen großen<br />

Schluck Wasser. Selten habe ich jemanden mit einem solchen Appetit essen sehen. Er hat<br />

die Mahlzeit zelebriert wie ein hungriger Löwe. Es war eine Art Rausch, während ich trotz<br />

meiner Hungerkur kaum etwas runter gebracht habe. Es ist schwer, sich aufs Essen zu<br />

konzentrieren, wenn man einen Steifen hat.<br />

Wie schon am Telefon <strong>und</strong> per E-Mail, erläutert mir Uwe, wie er sich unsere<br />

Zusammenarbeit vorstellt, erzählt dann, wie er auf die Idee mit dem Fitness-Kanal<br />

gekommen ist, warum er Fitnesstrainer geworden ist, dass er nie gedacht hätte, sich<br />

jemals einer Mister-Wahl zu stellen <strong>und</strong> sie auch noch zu gewinnen. Denn als Kind war er<br />

fett. Die klassische Karriere, meint er schmunzelnd. Gemobbt <strong>und</strong> gehänselt, weil er der<br />

Dickste in der Klasse war, sich dann voller Frust durch die Pubertät gefressen <strong>und</strong><br />

irgendwann hatte es Klick gemacht.<br />

Eigentlich wollte er nur abnehmen <strong>und</strong> ein paar Muskeln aufbauen, um sich<br />

insgesamt ein wenig wohler zu fühlen. Aber dann sah er die Erfolge <strong>und</strong> erstmals in<br />

seinem Leben hatte er etwas, auf das er Stolz sein konnte, das ihm das Gefühl von<br />

Kontrolle gab, das ihm zeigte, dass er es – sein Leben – in der Hand hatte. Was aus Not<br />

begann, wurde ein Hobby, eine Berufung, ein Beruf. Als ihn jemand darauf ansprach, dass<br />

er bei einer Mister-Wahl teilnehmen könnte, hatte er das erst für einen Witz gehalten, es<br />

aber dann aus Interesse versucht – <strong>und</strong> sofort gewonnen.<br />

Uwe schüttelt den Kopf <strong>und</strong> lächelt. »Würde ich das meinem sechzehnjährigen Ich<br />

sagen, es würde mir das nicht glauben.«<br />

Worüber Uwe in der ganzen Zeit nicht spricht, ist sein Privatleben. Aufmerksam<br />

lausche ich auf kleine Hinweise, aber nichts dergleichen. In seinen Erzählungen gibt es nur<br />

sein Studium zum Sportmediziner, seine Arbeit als Fitnesstrainer, seine Website, sein<br />

Training.<br />

»Und Anne?«, frage ich schließlich beiläufig.<br />

»Was ist mit Anne?«<br />

»Ist sie … deine … Fre<strong>und</strong>in?«<br />

Uwe mustert mich einen Moment irritiert, dann lächelt er. »Sie ist eine Fre<strong>und</strong>in.<br />

Eigentlich eine Klientin. Ich mache sie für die Bikini-Klasse fit. Es ist gute Werbung für sie,<br />

in meinen Videos aufzutreten.«<br />

»Ach so«, sage ich flach <strong>und</strong> nicke, als wäre das nur irgendeine beliebige Information.<br />

»Und … sonst? Ich meine … bist du verheiratet? Vater?« Ich lache bescheuert.<br />

»Nein … nein …« Uwe schüttelt den Kopf <strong>und</strong> – wird rot. An seinen Wangen klettern<br />

Flecken hoch <strong>und</strong> sei Lächeln bekommt eine eigenartige Verklemmtheit.<br />

»Ich auch nicht«, sage ich rasch. Meine Finger zittern. Verdammt. Gerade passiert<br />

irgendetwas.

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