15.00 Uhr - LOUISe Magazin Bad Homburg
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F ü r S i E G E l E S E n<br />
„Italiener<br />
sein,<br />
verflucht“<br />
Jetzt ist Robert Gernhardts Nachlass dran:<br />
Was fühlte er für „Toscana mia“? Von Hedwig Kaster-Bieker<br />
Seit den frühen 70ern hatte der Frankfurter<br />
Dichter, Zeichner und Komiker einen Zweitwohnsitz<br />
in Montaio. Aus seinen Aufzeichnungen<br />
hat Kristina Maidt-Zinke jetzt ein<br />
Buch zusammengestellt.<br />
„Italiener sein, verflucht! / Ich hab es oft und oft versucht<br />
– / es geht nicht.“ So beginnt ein Gedicht von Robert<br />
Gernhardt, überschrieben ist es „Weheklag“. Seine Italienliebe<br />
brachte ihn in den frühen 70er Jahren dazu, gemeinsam<br />
mit Freunden aus der „Titanic“-Redaktion ein<br />
Gehöft im toscanischen Montaio zu erwerben. Seitdem<br />
verbrachte der 1937 geborene Dichter dort fast jedes Jahre<br />
mehrere Monate, bis zu seinem Tod 2006.<br />
Italien, insbesondere die Toscana, ist eine seiner Haupt-<br />
Inspirationsquellen gewesen, und die mittlerweile legendären<br />
675 Brunnen-Hefte, die er im Lauf seines<br />
Dichterlebens füllte, wimmeln von Passagen mit Italien-<br />
44 | <strong>LOUISe</strong> 7 / 2011<br />
Robert Gernhardt:<br />
„Toscana mia“,<br />
hg. von Kristina Maidt-Zinke.<br />
S. Fischer, Frankfurt,<br />
22,95 Euro.<br />
Quelle: Taunus Zeitung<br />
Bezügen. Heute lagern diese Kladden – vor drei Jahren<br />
konnte man sie in einer Ausstellung im Literaturhaus<br />
Frankfurt bewundern – im Marbacher Literaturarchiv<br />
und harren dort ihrer Verwertung. Die ist in vollem<br />
Gang, was der Autor wohl gern sähe: Denn er selbst hatte,<br />
als sein Krebstod näher rückte, Notizen hinterlassen,<br />
wie man mit den Notaten verfahren könnte. „Mögliche<br />
Fischzüge durch die Brunnen-Hefte“, nannte er das, und<br />
schlug einen Text- und Bildband mit dem Namen „Toscana<br />
mia“ vor.<br />
Es ist vollbracht<br />
Nun ist er da, in Form einer von der Literaturkritikerin<br />
Kristina Maidt-Zinke verantworteten Auswahl. Sie<br />
zeigen Gernhardt als einen permanent produktiven,<br />
unablässig dichtenden, denkenden oder zeichnenden<br />
Menschen. Seine Toscana-Aufenthalte sind mitnichten<br />
Zeiten ausgedehnten Müßiggangs. Hier,<br />
in Montaio, so ist es überliefert, arbeitete<br />
er diszipliniert von morgens bis abends,<br />
zunächst, in den frühen 70ern, noch als<br />
Maler, als der er sich damals verstand,<br />
später als Dichter, Zeichner, Erzähler –<br />
ein Meister der kleinen (und seltener der<br />
großen) literarischen Form.<br />
Was ist das nun für ein Buch, und welchen<br />
Gernhardt kann man hier entdecken?<br />
Die Antwort mag überraschen<br />
– und auch wieder nicht: Es ist nämlich<br />
weder der frühe Gernhardt, der auf Teu-<br />
fel komm raus reimende Meister des kalauernden<br />
Zwei- oder Mehrzeilers, der<br />
auch für Otto Gags anfertigte, noch der<br />
späte, elegischer gewordene, nachdenk-