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Augsburger Kulturportal 2017

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Hausheilige gibt es in vielen Kulturen. Sie sollen die Bewohner unter<br />

den Schutz eines ganz bestimmten himmlischen Protektors stellen –<br />

und diese Wahl auch öffentlich anzeigen. Doch natürlich verraten die<br />

zwei- und dreidimensionalen Darstellungen viel mehr. Zum Beispiel,<br />

wie fromm der jeweilige Hausbesitzer war (oder wirken wollte).<br />

Größe, Material und Ausstattung signalisieren darüber hinaus, wie<br />

es um seinen Wohlstand und sozialen Status bestellt war oder auf<br />

welche Weise sich der Eigentümer seinen Mitmenschen präsentieren<br />

wollte.<br />

Auch in Augsburg wurden seit dem Spätmittelalter Fassaden mit<br />

Bild-, Holz- und Steinbeschützern versehen. Seine Blüte erlebte der<br />

Brauch im 18. Jahrhundert. Die Gottesmutter Maria wurde dabei<br />

besonders häufig als Patronin gewählt. Weil Hausheilige zur Privatsphäre<br />

der Gebäude zählten, unterlagen sie keiner Baukontrolle: Wen<br />

oder was die Eigentümer an ihrer Fassade anbrachten, lag in ihrem<br />

eigenen Ermessen. Grenzen gab es höchstens durch Traditionen<br />

oder religiöse Tabus. Denn die Figuren konnten durchaus zum<br />

Politikum werden: In erster Linie schmückten Katholiken ihre Häuser<br />

mit Hausheiligen und Madonnen. Doch Augsburg war keine rein<br />

katholische Stadt. Über Jahrhunderte spielten die Protestanten eine<br />

gleichberechtigte Rolle. Wer am eigenen Haus Schutzheilige oder<br />

eine Nischenmadonna positionierte, präsentierte also öffentlich seine<br />

Konfession und grenzte sich automatisch von den evangelischen<br />

Nachbarn ab.<br />

Seit ihrer Installation haben die Madonnen und Hausheiligen in den<br />

Hausnischen, über Portalen und an Giebeln viele Jahrzehnte, oft<br />

sogar mehrere Jahrhunderte, im Freien verbracht. Sie waren jeder<br />

Witterung, Vögeln, Umweltverschmutzung und der nicht immer<br />

sachgemäßen Behandlung durch spätere Generationen ausgesetzt.<br />

Auch Restaurierungen erfolgten gelegentlich ohne den nötigen<br />

Sachverstand. Auf diese Weise sind zahlreiche Objekte verloren<br />

gegangen. Andere wurden zu ihrem Schutz in Innenräume gebracht,<br />

sodass heute etwa ein Drittel der in Augsburg erhaltenen Hausnischen<br />

leer steht.<br />

Die noch vorhandenen Bildwerke und Figuren sind von sehr heterogener<br />

Qualität, aber unbedingt schützens- und erhaltenswert.<br />

Denn sie verraten viel über vergangene Generationen. Und sie<br />

haben engagierte Fürsprecher: Die Altaugsburggesellschaft konnte<br />

während eines mehrjährigen Projektes insgesamt 237 Hausheilige<br />

innerhalb der alten Stadtmauern nachweisen: 144 sind noch an ihren<br />

Originalplätzen, 24 in Privatbesitz oder in Museen, und 69 gingen<br />

während des Krieges verloren. Die ehrenamtlichen Mitglieder des<br />

Vereins dokumentierten den Bestand, erstellten einen nach Straßen<br />

geordneten Katalog, initiierten dringend erforderliche Restaurierungen,<br />

ließen Originale in Sicherheit bringen und diese durch exakte<br />

Kopien ersetzen. Sie recherchierten, warum manche Häuser eine<br />

© Annett Klingner<br />

Hausmadonna haben und andere nicht. Und ob die Stadtviertel, in<br />

denen besonders viele Gebäude von Hausheiligen bewacht wurden,<br />

auch besonders katholisch waren. Hausbesitzer erzählten ihnen<br />

die oft abenteuerlichen Geschichten „ihrer“ Nischenmadonna oder<br />

„ihres“ Schutzheiligen. Die spannenden Ergebnisse des Projektes<br />

sind in dem Buch „Hausmadonnen in Augsburg“ festgehalten.<br />

(ak)<br />

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