Energie und Baudenkmal 2 Fenster und Türen
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<strong>Fenster</strong> erfüllen eine Vielzahl von teilweise gegensätzlichen<br />
Anforderungen. <strong>Fenster</strong> sind selektive Trennelemente<br />
zwischen dem Aussenraum <strong>und</strong> dem Gebäudeinnern:<br />
Sie lassen Licht <strong>und</strong> Wärme <strong>und</strong> bei Bedarf auch<br />
Luft ins Gebäudeinnere einfliessen <strong>und</strong> sie halten Regen,<br />
Schnee, Kälte <strong>und</strong> Schall von diesem fern. Weiter schaffen<br />
sie die im Verlauf der Geschichte immer wichtiger<br />
gewordenen Sichtbezüge von innen nach aussen <strong>und</strong><br />
von aussen nach innen (Schaufenster). Das <strong>Fenster</strong> ist<br />
spätestens seit dem Mittelalter ein zentrales Element der<br />
Fassadengestaltung. <strong>Fenster</strong> sind aber ebenso Teile der<br />
Innenräume, sowohl in Bezug auf die formale Ausgestaltung<br />
der Wandflächen wie auch in Bezug auf die<br />
Lichtführung <strong>und</strong> die Raumstimmung.<br />
Dem <strong>Fenster</strong> wurde entsprechend viel Gewicht beigemessen:<br />
ornamentierte <strong>Fenster</strong>gerichte, harmonisch<br />
proportionierte Formate <strong>und</strong> <strong>Fenster</strong>teilungen, fein<br />
profilierte Rahmen, Flügel <strong>und</strong> Sprossen <strong>und</strong> dekorativ<br />
geschmiedete <strong>und</strong> ziselierte Beschläge oder bemalte<br />
Oberflächen prägen ihr Aussehen.<br />
Aus denkmalpflegerischer Sicht sind sie daher sowohl<br />
substanziell wie auch in Bezug auf die äussere <strong>und</strong> innere<br />
Erscheinung von zentraler Bedeutung.<br />
<strong>Fenster</strong> sind sehr oft aus baukünstlerischer sowie bauhistorischer<br />
Sicht wertvoll. Die in den letzten Jahrzehnten<br />
stetig gestiegenen <strong>und</strong> in Normen festgesetzten technischen<br />
Anforderungen an das <strong>Fenster</strong> (Anforderungen<br />
an die Dichtigkeit, an den Wärme-, den Brand- <strong>und</strong> den<br />
Schallschutz sowie an die Einbruchsicherheit) haben dem<br />
Bestand historischer <strong>Fenster</strong> stark zugesetzt. Das <strong>Fenster</strong><br />
ist der meist geopferte Bauteil im Rahmen der aktuellen<br />
energetischen Sanierungswelle.<br />
<strong>Fenster</strong> mit Butzenscheiben, Bauernhaus von 1705,<br />
Weissenbach, Gemeinde Boltigen (BE) (Abb. 7)<br />
In der Renaissance wurde die gesamte Wandöffnung<br />
mit Gewände, <strong>Fenster</strong> <strong>und</strong> rahmenden Verzierungen zu<br />
einem zentralen, fassadengliedernden <strong>und</strong> schmückenden<br />
Bauelement. Die Kombination von Blendrahmen mit<br />
beweglichen Flügelrahmen stellte die erste einigermassen<br />
dichte <strong>Fenster</strong>konstruktion dar. Die Zylinderglasherstellung<br />
brachte wesentliche Fortschritte: grössere Glasabmessungen,<br />
erhöhter Lichtdurchlass <strong>und</strong> als wesentliche<br />
Neuerung die Glastransparenz. Spätestens jetzt kam<br />
<strong>Fenster</strong>n <strong>und</strong> Holzläden eine unterschiedliche Funktion<br />
zu; sie wurden miteinander kombiniert <strong>und</strong> hintereinander<br />
angeordnet.<br />
ll <strong>Fenster</strong> <strong>und</strong> Türren<br />
4.1 Zur Geschichte des <strong>Fenster</strong>s<br />
Der Einbau eines lichtdurchlässigen, aber nicht durchsichtigen<br />
Flachglases in die Wandöffnungen wird als Erfindung<br />
spätestens den Römern zugeschrieben. Dennoch<br />
war der Öffnungsverschluss durch verschiedenartige<br />
Holzläden, Leder <strong>und</strong> Textilien in der mittelalterlichen<br />
Profanarchitektur Europas noch für lange Zeit die<br />
vorherrschende Lösung. Mit der Entwicklung von Butzen-<br />
<strong>und</strong> Mondglas ab dem 14. Jahrh<strong>und</strong>ert setzte sich<br />
allmählich die Produktion von Glasscheiben mit durch<br />
Bleistege verb<strong>und</strong>enen Butzenscheiben durch <strong>und</strong> immer<br />
grossflächigere, wenn auch noch lange Zeit kleinteilige<br />
<strong>Fenster</strong>verschlüsse, wurden möglich. Sie boten allerdings<br />
nur geringen Schutz gegen äussere Einflüsse. Bei diesen<br />
direkt an die Gewände befestigten Verschlüssen der<br />
Wandöffnung blieb bis ins 17. Jahrh<strong>und</strong>ert die Trennung<br />
des <strong>Fenster</strong>elements in einen Belichtungsteil mit fest eingebauten<br />
Scheiben <strong>und</strong> einen meist kleinen, beweglichen<br />
Belüftungsteil üblich.<br />
Spätgotisches Staffelfenster von 1664 mit jüngeren Verglasungen.<br />
Aarau, Haus zum Erker, Rathausgasse 10 (Abb. 8)<br />
In der Barockzeit wurde dem <strong>Fenster</strong> als fassadengestaltendem<br />
Bauteil mit plastisch hervortretenden Gewänden<br />
besondere Aufmerksamkeit geschenkt. In der <strong>Fenster</strong>konstruktion<br />
überwog das mehrteilige, hölzerne Kreuzstockfenster<br />
in vielerlei Varianten <strong>und</strong> Formaten. Anstelle der<br />
bisher üblichen Verbindung der Scheiben durch Bleistege<br />
wurden die zunächst noch kleinteiligen Scheiben nach<br />
französischem Vorbild immer öfter in Fälze von schmalen,<br />
<strong>Energie</strong> <strong>und</strong> <strong>Baudenkmal</strong> – <strong>Fenster</strong> <strong>und</strong> <strong>Türen</strong> – V1 – 2014<br />
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