52 Kultur Antikenmuseum im Schnoor Weltbild in Scherben Manfred Zimmermann
Stephan Cartier Es geht sportlich <strong>zu</strong> in diesen Vitrinen. Bisweilen auch kriegerisch, manchmal sogar ein wenig obszön. Kräftige Sportler rennen um die Wette, Pferdelenker lassen ihre Tiere gegeneinander antreten, der Jäger demonstriert Stärke und ein lüsterner Satyr seine Manneskraft auf unübersehbare und unzweideutige Weise. Es ist ein buntes Panoptikum. Hier zeichnet sich auf Vasen, Amphoren, Urnen und Tellern das Leben des Goldenen Zeitalter Athens ab. Die Klassiker der Antike bekommen Gesichter. Und sie lebt ausgerechnet dort so unbeschwert, wo es die Adresse nicht unbedingt vermuten lassen würde: „Marterburg 55 – 58“. Das hört sich nicht nach Sinnenfreuden an. Aber der Schein trügt. So wie ohnehin das „Antikenmuseum“ in seiner Erscheinung eine fast unscheinbare Wunderkammer im <strong>Bremer</strong> Schnoor ist. Doch was sich auf der großzügig geschnittenen Fläche im Parterre des Hauses offenbart, ist ein grandioses Grabungsfeld klassischer Archäologie mit mehr als 60 Schatzstücken. Zusammengetragen hat sie in mehr als 40 Jahren Sammlerarbeit der <strong>Bremer</strong> Unternehmer Manfred Zimmermann. Diese Beharrlichkeit allein wäre schon eine <strong>Geschichte</strong> für sich. Noch bemerkenswerter bleibt, dass Zimmermann gemeinsam mit seiner Frau Heidrun für diesen umfangreichen Fundus vor vier Jahren ein eigenes Museum gründete, das dem Publikum diesen privaten Schatz faktisch offen <strong>zu</strong>gänglich macht; Eintrittspreise zwischen 1,50 Euro und 3 Euro sind für das rein privat finanzierte Museum keine essenzielle Einnahmequelle. „Meine Frau sagte irgendwann, dass das Gedränge der Vasen <strong>zu</strong> Hause aufhören müsse“, erinnert sich Manfred Zimmermann an die Ursprünge der Idee, ein Museum <strong>zu</strong> gründen. Von dieser Aufräumaktion profitieren Freunde der antiken Vasenkunst – deutschlandweit. Denn das kleine Antikenmuseum im Schnoor zählt <strong>zu</strong> den ganz wenigen Institutionen im Lande, die sich allein der antiken Keramik widmen. In einem Rundum-Angebot mit Führungen, Aktionen für Schüler sowie Lesungen und Vorträ- 53 gen möchte Manfred Zimmermann die Welt der Griechen nicht als Scherbensammlung präsentieren, sondern <strong>zu</strong> einem Weltbild <strong>zu</strong>sammensetzen. „Die Griechen haben die Demokratie und die Philosophie Europas maßgeblich auf den Weg gebracht“: Diese kulturellen Leistungen bewunderte der 1935 in <strong>Bremen</strong> geborene Zimmermann schon während seiner Schülerzeit, und er ist ihnen sein Leben lang verbunden geblieben. „Vasen, das waren die Container der alten Welt“, scherzt er – und verrät damit auch etwas über die ganz pragmatische Leidenschaft für seine Sammelobjekte. In seinem Museum werden sie nun wiederum <strong>zu</strong> Containern für die Alte <strong>Geschichte</strong>. Gleich die erste Vitrine im Foyer verrät, wie gegenwärtig diese Historie sein kann. Denn anders als die polierten schwarzen und roten gebrannten Vasen hinter den Glaskästen tragen die Stücke in diesem Schrank noch die Spuren ihres Fundortes. <strong>Der</strong> Ton ist rissig, die Oberfläche rau von früheren Muschelablagerungen. Manfred Zimmermann weiß noch genau, woher sie stammen. In den 70er Jahren tauchte er selbst nach ihnen in der Ägäis: „In einer dieser vielen Buchten“, sagt er - und man weiß nicht genau, ob diese Ungenauigkeit der etwas getrübten Erinnerung geschuldet ist oder noch immer der charmanten Diskretion des ehemaligen Schatzsuchers. Heute, das weiß Manfred Zimmermann, wären solche privaten „Fischzüge“ nicht mehr möglich – vor allem, weil sie verboten sind. Griechenland und auch Italien, in dessen südlichen Landesteilen viele griechische Siedlungen in der Antike existierten, behalten <strong>zu</strong>m Schutz ihrer Kulturgüter die Grabungen und den Handel mit archäologischen Funden ganz restriktiv allein staatlichen Stellen vor. „Zur Zeit sind die Märkte für antike Vasen geschlossen“, sagt Manfred Zimmermann. In den 80er Jahren konnte er noch nach London fliegen und hier bei Auktionen neue Stücke ersteigern, soweit es die schon damals nicht billigen Preise auf dem Anti-