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Bremer Geschichte - Der Club zu Bremen

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78<br />

Literatur<br />

Gerald Sammet rezensiert<br />

der Suche nach einem Seeweg <strong>zu</strong> den indischen Gewürzen Afrika<br />

umrundeten, waren noch in der Vorstellung befangen, in<br />

Äquatornähe koche das Meer. Dabei hatten, jedenfalls wird dies<br />

vom dem griechischen Geschichtsschreiber Herodot überliefert,<br />

phönizische Schiffe schon in den Zeiten der Antike das spätere<br />

Kap der Guten Hoffnung passiert. Entdeckungen, einmal<br />

gemacht, werden, wenn sich kein Nutzen aus ihnen ziehen lässt,<br />

offenbar für einzigartig gehalten, der Wiederholung nicht wert.<br />

Es bedarf, damit aus einem vereinzelten Vorangehen ein Strom<br />

wird, Gewinn bringender Anziehungskräfte. Diese können kaufmännischer<br />

Natur sein, oder sich aus wissenschaftlicher Neugierde<br />

speisen, Eroberungslust und kriegerischem Handwerk die<br />

Richtung weisen oder erotisches Verlangen beflügeln. Richter<br />

liefert eine Fülle von Beispielen dafür, wie, mit Blick auf den<br />

Süden, die Menschen und Dinge immer aufs Neue in Bewegung<br />

gerieten.<br />

Weil kein Süden wäre, wo es Norden, Westen und Osten nicht<br />

gibt, hat Richter sein Buch in der Art einer Windrose angelegt.<br />

Er erzählt auch, welchen Erwartungen und Spekulationen die<br />

anderen Himmelsrichtungen sich ausgesetzt sahen, der Osten<br />

als, von Europa her gesehen, Fixpunkt von Licht und Erlösung,<br />

der Norden, wo man auf die Schrecken des Eises und der Finsternis<br />

stieß, und der Westen, wo die Sonne versinkt, als Raum der<br />

Leere, was sich, nach Columbus’ Probe aufs Exempel, als Irrtum<br />

erwies. Dieser Vorgang der Entschleierung betrifft alle vier Himmelsrichtungen,<br />

denen ja kein Endpunkt eigen ist. Folgt man<br />

ihnen nur weit genug, befindet man sich wieder dort, wo man<br />

schon war. Es gibt gute, geografische Gründe vor allem dafür,<br />

dass der Zauber der Traumwelt des Südens nicht einfach verfliegt.<br />

Auch der Massentourismus heutiger Tage basiert auf<br />

nichts anderem. Die Bilder in den Reiseprospekten sind denen<br />

eines Frederic Edwin Church durchaus noch verwandt.<br />

Richter wäre nicht der, den wir kennen, kämen nicht auch in diesem<br />

Buch die Sehnsuchtshorizonte Italiens ins Spiel. Er garniert<br />

sein überaus lesenswertes Buch mit zahllosen Abbildungen,<br />

Textfragmenten, die die von ihm vorgetragenen Gedanken vertiefen,<br />

er versteht sich wie wenige auf die Kunst der kalkulierten<br />

Abschweifung, des Mitreißens, ohne seine Leser deswegen<br />

gleich am Ärmel <strong>zu</strong> ziehen. Vor allem aber ist er ein blitzgescheiter,<br />

unaufgeregter Erzähler, einer, der hin- und <strong>zu</strong>rückschauen<br />

kann, hin auf die Orte, <strong>zu</strong> denen er führt, und <strong>zu</strong>rück in deren<br />

<strong>Geschichte</strong>. Wer vom Süden mehr wissen will, als dass man dort<br />

Sonnenbrillen und Badeöl braucht, kann sich in diesem Jahr<br />

nichts Schöneres schenken als dieses opulent aufgemachte Buch<br />

– und anderen auch.<br />

<strong>Der</strong> Süden. <strong>Geschichte</strong> einer Himmelsrichtung.<br />

Verlag Klaus Wagenbach: Berlin 2009. Euro 24,90

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