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COMPACT-Magazin 03-2016

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Ausgabe 3/<strong>2016</strong> | 4,95 EUR<br />

www.compact-online.de<br />

Die bessere<br />

Kanzlerin<br />

AfD vor dem Durchbruch<br />

Merkel am Ende<br />

Drei Schritte zum Sturz<br />

Stalingrad 2.0<br />

Putin siegt in Aleppo<br />

Trump ist Trumpf<br />

Patriot unter Falken<br />

Handball-Helden<br />

Blut, Schweiß und Tore<br />

Dossier: Revoltiert!<br />

Camus über über die die Verteidigung Europas


Ehrlicher Journalismus in Zeiten der Lüge.<br />

Die schweigende Mehrheit kann die Verhältnisse zum Tanzen bringen,<br />

wenn sie ihre Stimme wiederfindet. <strong>COMPACT</strong> ist ihr Lautsprecher, weil<br />

wir drucken und verbreiten, was andere nicht zu schreiben wagen.<br />

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Freiwild<br />

Frau<br />

Das böse Ende der<br />

Willkommenskultur<br />

Schweigekartell<br />

Der Sexmob und die Medien<br />

Polizistin mit Eiern<br />

Migrantin auf Streife<br />

Superwanze Handy<br />

Tipps zum Selbstschutz<br />

Germaninnen<br />

Mit Liebreiz und Schwert<br />

Dossier: Die Lügenjournalisten<br />

Agenten der Meinungsdiktatur<br />

Ausgabe 2/<strong>2016</strong> | 4,95 EUR<br />

www.compact-online.de


Aleppo – das Stalingrad der Dschihadisten<br />

Bundesregierung und Lügenmedien arbeiten fieberhaft<br />

daran, zwei Themen miteinander zu verknüpfen:<br />

den Krieg in Syrien und die Flüchtlingskrise in Europa.<br />

Für beides soll ein Mann verantwortlich sein: Wladimir<br />

Putin.<br />

Mitte Februar schreibt die Bild-Zeitung: «Noch mehr<br />

Bomben, noch mehr Menschen auf der Flucht. Zehntausende<br />

fliehen in diesen Tagen aus der syrischen Stadt<br />

Aleppo – nicht vor den ISIS-Terroristen, sondern vor<br />

den Truppen von Syriens Diktator Assad und den Luftangriffen<br />

Russlands. Verantwortlich: Präsident Putin.»<br />

Heuchlerischer geht‘s nimmer: Wo war denn der Aufschrei<br />

der Springerpresse, als in den letzten drei Jahren<br />

Zehntausende aus Aleppo flohen oder vertrieben<br />

wurden, weil die Kopf-ab-Dschihadisten einen Distrikt<br />

nach dem anderen säuberten? Mit diesen Flüchtlingen,<br />

darunter zahlreiche Christen, hatte die Schmierenjournaille<br />

kein Mitleid – die einmarschierenden ISIS-Verbündeten<br />

wurden sogar noch als Befreiungskämpfer<br />

gegen den angeblichen Diktator Assad gefeiert. Aber<br />

jetzt, wo die sunnitischen Extremisten und ihre Anhänger<br />

Fersengeld geben müssen, rollen die Krokodilstränen<br />

bei Kai Diekmanns willigen Volontären.<br />

<strong>COMPACT</strong> Editorial<br />

Halten wir die Tatsachen fest: Assad ist der<br />

gewählte Präsident des Landes. Die russische Luftwaffe<br />

greift – im Unterschied zu der diverser NATO-<br />

Staaten – auf seine Einladung hin in die Kämpfe ein,<br />

also auf völkerrechtlich sauberer Grundlage. In Aleppo<br />

gab es 2011, als der sogenannte Arabische Frühling in<br />

einigen syrischen Städten angezettelt wurde, keinerlei<br />

Demonstrationen. Dort, wo Menschen aller Religionen<br />

friedlich zusammenlebten, hatte nämlich niemand ein<br />

Interesse an einer Destabilisierung. Alles änderte sich<br />

ein Jahr später, als Mudschaheddin von außen eindrangen.<br />

Der Großteil dieser Fanatiker kam aus dem<br />

Ausland, vor allem aus Saudi-Arabien und Tschetschenien.<br />

Anders, als von westlichen Medien dargestellt,<br />

handelt es sich also nicht um einen Bürgerkrieg in, sondern<br />

um eine Aggression gegen Syrien.<br />

Zwischen Sommer 2012 und Ende 2015 war Aleppo<br />

geteilt. Die regierungstreuen Stadtteile wurden von<br />

den Dschihadisten belagert und ausgehungert. Dank<br />

des russischen Eingreifens hat sich die Lage fundamental<br />

geändert: Nun sind es die Scharia-Bezirke, die<br />

umstellt und von der Außenwelt abgeschnitten sind.<br />

Einer nach dem anderen wird wieder von der Assad-<br />

Regierung unter Kontrolle gebracht. Die Abläufe erinnern<br />

an Stalingrad 1943: Zuerst kesselte die Wehrmacht<br />

die Wolga-Metropole ein, die Rote Armee<br />

konnte nur einen Zipfel verteidigen. Dann umschlossen<br />

die Sowjets in einer riesigen Zangenbewegung das<br />

Kampfgebiet und zwangen die Deutschen Zug um Zug<br />

zur Aufgabe. Bei allem, was man am Vorstoß der Roten<br />

Armee auf Berlin kritisieren muss, war dies jedenfalls<br />

eine legitime Befreiungsaktion von eigener Heimaterde<br />

– so wie aktuell die Rückeroberung Aleppos durch<br />

syrische Regierungstruppen.<br />

Wie die Schlacht an der Wolga der Wendepunkt des<br />

Zweiten Weltkrieges war, könnte die am Quwaiq das<br />

Ende des Dschihads gegen Syrien einläuten. Die Türkei<br />

und Saudi-Arabien, die Paten des IS, sind schon ganz<br />

kopflos und wollen ihre langbärtigen Verbündeten nun<br />

mit eigenen Truppen retten. Noch schlimmer ist das<br />

Verhalten der Bundeskanzlerin, die – im Unterschied zur<br />

Obama-Administration! – dem Sultan in Ankara beim<br />

Säbelrasseln den Rücken stärkt. In der vagen Hoffnung,<br />

dass der im Gegenzug die Flüchtlinge nicht mehr über<br />

die Ägäis schleust…<br />

Erdogan kalkuliert andersrum: Gerade indem er<br />

die Migrationswaffe gegen Deutschland scharf hält,<br />

kann er Angela Merkel zur Unterstützung seiner Invasionspläne<br />

im Nachbarland zwingen. Beide tun dann<br />

unschuldig und zeigen auf Putin als den eigentlich<br />

Schuldigen, die verbündeten Boulevardblätter Bild<br />

und Sabah spielen die Melodie dazu. Für wie blöd<br />

halten die uns?<br />

Chefredakteur Jürgen Elsässer.<br />

Foto: Jörg Gründler<br />

3


<strong>COMPACT</strong> Themen<br />

Titelthema<br />

Die bessere Kanzlerin<br />

Politik<br />

Bielefeld ist überall<br />

Dossier<br />

Revoltiert!<br />

Leben<br />

Unsere Handball-Helden<br />

05 Foto des Monats<br />

06 Leserbriefe<br />

07 Zitate des Monats<br />

08 <strong>COMPACT</strong> Intern<br />

09 Inter-national<br />

10 Köpfe des Monats<br />

Titelthema<br />

11 Die bessere Kanzlerin<br />

von Jürgen Elsässer<br />

13 Die Angst vor der Alternative<br />

von Marc Dassen<br />

16 «Wir dürfen nicht mitregieren, nirgends!»<br />

Interview mit Alexander Gauland<br />

19 In drei Schritten zum Sturz<br />

von Jürgen Elsässer<br />

23 Geisterwähler aller Orten<br />

von Harry Daniel<br />

24 «Dieses Land muss deutsch bleiben»<br />

von Karl Albrecht Schachtschneider<br />

Politik<br />

25 Vergewaltigt und verhöhnt<br />

von Martin Müller-Mertens<br />

28 Aus dem Logbuch der Gleichschaltung<br />

von Nils Röcke<br />

30 Bielefeld ist überall<br />

von Hans-Hermann Gockel<br />

33 Der Boulevard-Kanzler<br />

von Klaus Faißner<br />

37 Frankensteins Killer-Moskito<br />

von Michael Morris<br />

40 Patriot unter Falken<br />

von Tino Perlick<br />

43 Die Reichen und die Superreichen<br />

von Marc Dassen<br />

Dossier<br />

46 Wie ich zum Patrioten wurde<br />

Interview mit Renaud Camus<br />

48 Der Große Austausch der Bevölkerung<br />

von Renaud Camus<br />

Leben<br />

53 Unsere Handball-Helden<br />

von Bernd Schumacher<br />

56 Die Königin der Nacht<br />

von Harald Harzheim<br />

57 Urlaub im Schurkenstaat<br />

von Peter Wiegrefe<br />

61 Autoren und Agenten<br />

von Helmut Roewer<br />

63 General im Fadenkreuz<br />

von Wolfgang Effenberger<br />

65 BRD-Sprech _ Gutmensch<br />

von Manfred Kleine-Hartlage<br />

66 Harzheims Klassiker _ Napoleon<br />

von Harald Harzheim<br />

<strong>COMPACT</strong> Impressum<br />

Herausgeber & Verlag<br />

<strong>COMPACT</strong>-<strong>Magazin</strong> GmbH<br />

Geschäftsführer Kai Homilius<br />

Am Zernsee 9, 14542 Werder (Havel)<br />

E-Mail verlag@compact-magazin.com<br />

Website www.compact-online.de<br />

Vertrieb, Bestellungen, Abo-Betreuung<br />

Fon <strong>03</strong>327-5698611<br />

Fax <strong>03</strong>327-5698617<br />

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Mittelbrandenburgische Sparkasse<br />

BIC: WELADED1PMB<br />

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Redaktion<br />

E-Mail redaktion@compact-magazin.com<br />

Chefredakteur Jürgen Elsässer (V.i.S.d.P.)<br />

Chef vom Dienst Martin Müller-Mertens<br />

Cover/Layout/Bild Steffen Jordan<br />

Fotoquelle Cover Frank Ossenbrink<br />

<strong>COMPACT</strong>-Online Arne Fischer<br />

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Printed in Germany<br />

Druckauflage dieser Ausgabe<br />

75.000 Exemplare<br />

4


<strong>COMPACT</strong> Foto des Monats<br />

Narrenkönig Kretschmann: Jetzt geht es los / mit ganz großen Schritten / der Winfried greift der Angie / von hinten an die – Schulter. Ja, so macht Wahlkampf Spaß! Bei<br />

der Polonaise der Fastnetszunft in Riedlingen (Landkreis Biberach) kann sich der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg so richtig volkstümlich geben – egal, wieviel<br />

Asylanten er nebenher ins Ländle lässt. Ob die Schwaben den Schwindel durchschauen? Bei der Landtagswahl am 13. März darf der grüne Regierungschef auf gute Werte hoffen.<br />

Der Aschermittwoch kommt erst hinterher. Foto: picture alliance/dpa<br />

5


<strong>COMPACT</strong> Leserbriefe<br />

Leserbriefe schicken Sie bitte an: leserbrief@compact-magazin.com<br />

6<br />

Freiwild<br />

Frau<br />

Das böse Ende der<br />

Willkommenskultur<br />

Schweigekartell<br />

Der Sexmob und die Medien<br />

Polizistin mit Eiern<br />

Migrantin auf Streife<br />

Superwanze Handy<br />

Tipps zum Selbstschutz<br />

Germaninnen<br />

Mit Liebreiz und Schwert<br />

Dossier: Die Lügenjournalisten<br />

Agenten der Meinungsdiktatur<br />

Zu <strong>COMPACT</strong> allgemein<br />

Ausgabe 2/<strong>2016</strong> | 4,95 EUR<br />

www.compact-online.de<br />

Noch nicht einmal ein ganzes Jahr lang bin ich<br />

nun <strong>COMPACT</strong>-Abonnent. Über 40 Jahre lang<br />

hatte ich den Spiegel gelesen, danach vielleicht<br />

zehn Jahre lang den Focus. Früher lange<br />

Jahre auch die Zeit. Ich habe sie allesamt<br />

abbestellt – übrigens längst auch die FAZ. Ich<br />

erinnere mich nicht, wie ich auf <strong>COMPACT</strong> gestoßen<br />

war. Jedenfalls hatte ich ein Probe-<br />

Abo bestellt, dieses aber schon nach dem ersten<br />

oder zweiten Heft in ein Dauer-Abo umgewandelt<br />

– ein guter Schritt!<br />

H.-E. Fischer, per E-Mail<br />

<strong>COMPACT</strong> ist eine der rettenden Inseln in unserem<br />

Desinformation-Zeitalter. Werde natürlich<br />

zum Kiosk gehen und das aktuelle Heft<br />

wieder kaufen. Vielen Dank!<br />

Hans Dampf, per Youtube-Kommentar<br />

Da ich selbst begeisterter <strong>COMPACT</strong>-Leser bin,<br />

kann ich empfehlen, ein Exemplar mal mit zum<br />

Arzt zu nehmen und dort auszulegen oder einfach<br />

im Bekanntenkreis weiter zu vergeben.<br />

Mein Exemplar geht mindestens durch drei<br />

bis vier Hände.<br />

Martin Würzburger, per Facebook-Kommentar<br />

Die neue <strong>COMPACT</strong>-Ausgabe ist super. Hatte<br />

sie gestern im Briefkasten und finde es klasse,<br />

dass <strong>COMPACT</strong> das Thema der Massenvergewaltigungen<br />

thematisiert hat – im Gegensatz<br />

zur Lügenpresse.<br />

Nina Kühl, per Facebook-Kommentar<br />

<strong>COMPACT</strong> leistet wichtige Aufklärungsarbeit<br />

und bringt genau die Themen zur Sprache,<br />

die in der Medienlandschaft sonst völlig<br />

verschwiegen werden. Ich selbst informiere<br />

mich online, halte dieses <strong>Magazin</strong> aber für<br />

eine gute Möglichkeit, Informationen denen<br />

näher zu bringen, die sich sonst nur aus der<br />

Tageszeitung oder den Nachrichten informieren.<br />

Deshalb habe ich das <strong>COMPACT</strong>-Abo zu<br />

Weihnachten an meinen Vater verschenkt, in<br />

der Hoffnung, bei zukünftigen Gesprächen<br />

und Diskussionen bei ihm auf Grundwissen<br />

der sonst als Verschwörungstheorien abgewerteten<br />

Themen zu stoßen. Alternative und<br />

freie Medien sind das, was wir brauchen. Ihr<br />

Wert ist nicht in Euro zu beziffern.<br />

Marcel Föll, per Facebook-Kommentar<br />

Zu «Pfefferspray<br />

genügt nicht»<br />

Es wäre natürlich schön,<br />

wenn eine Amtsenthebung<br />

auf gesittete Weise<br />

vonstatten gehen würde. Noch besser wäre<br />

es allerdings, wenn statt nur einer Merkel-Enthebung<br />

auch das Übel an der Wurzel gepackt<br />

werden würde – denn die Puppenspieler über<br />

Deutschland haben doch sicher längst eine<br />

Merkel 2.0 im Ärmel.<br />

saumakos, per Website-Kommentar<br />

Die «Flüchtlinge» entblöden sich nicht, sogar<br />

zuzugeben, dass sie ihre Familie im Kriegsgebiet<br />

gelassen haben! Ich würde mich zu<br />

Tode schämen, wenn ich auch nur den Geringsten<br />

meiner Lieben, das wäre ein Haustier,<br />

im Kriegsgebiet in Todesgefahr zurücklassen<br />

würde. ichbin, per Website-Kommentar<br />

Zu «Freiwild Frau»<br />

Deutschland ist gegenwärtig<br />

dabei, alle Errungenschaften<br />

von Aufklärung<br />

und Zivilisation<br />

wieder zu beseitigen und sich in längst überwundene<br />

Zeiten zurück zu bewegen. In einem<br />

ewig langen Prozess wurden die Gleichberechtigung<br />

der Frau und die Akzeptanz der<br />

Homosexualität errungen. All dies wird nunmehr<br />

wieder zunichte gemacht. Gleichzeitig<br />

wird der Staat in seiner Substanz zerstört.<br />

MixedChannel222, per Youtube-Kommentar<br />

Silvesterübergriffe durch Migranten soll es<br />

schon seit einigen Jahren in Deutschland geben.<br />

Das habe ich jetzt aus mehreren Quellen<br />

gehört. In den Vorjahren konnte es wohl unter<br />

dem Teppich gehalten werden. Die Politik<br />

kann das natürlich nicht zugeben, würde sie<br />

damit doch zugeben, dass sie die Frauen wissentlich<br />

ins Messer hat laufen lassen.<br />

felicelouisa, per Youtube-Kommentar<br />

Wenn die NWO-Deppen so weitermachen<br />

können, wird es nicht in den Geschichtsbüchern<br />

stehen. Denn diese Kretins werden dann<br />

natürlich auch die Geschichte so schreiben,<br />

wie es ihnen passt.<br />

Anna Kurnikowa, per Youtube-Kommentar<br />

Zu «Mit Liebreiz und<br />

Schwert»<br />

Die überaus wichtige<br />

Thematisierung der Germaninnen,<br />

welche gerne<br />

auch ausführlicher ausfallen hätte dürfen,<br />

und die Serie von Kleine-Hartlage machen ein<br />

Abo zu einer interessanten Option, und ich bin<br />

sehr wählerisch, was <strong>Magazin</strong>e angeht. Fazit:<br />

<strong>COMPACT</strong> «macht sich» und ist für Deutschland<br />

sicherlich eine sehr wertvolle Publikation.<br />

Onyx, per Website-Kommentar<br />

In der letzten <strong>COMPACT</strong> ist mir der Artikel<br />

«Mit Liebreiz und Schwert» besonders positiv<br />

aufgefallen. Wir brauchen ganz dringend<br />

und dauerhaft viel mehr positive Identifikation<br />

mit dem Eigenen! Wir müssen dezidiert und<br />

nicht nur diffus wissen, wofür wir zu kämpfen<br />

haben! Pia Lobmeier hat da sehr wahrscheinlich<br />

noch einiges mehr in petto. Es wäre sehr<br />

gut, wenn das in <strong>COMPACT</strong> zum Tragen käme.<br />

F. Fischer, per Facebook-Kommentar<br />

Als Bezieher und Leser von <strong>COMPACT</strong> habe ich<br />

mich sehr über Ihre Betrachtung «Mit Liebreiz<br />

und Schwert» in der letzten Ausgabe gefreut –<br />

endlich einmal wieder etwas Aufbauendes in<br />

<strong>COMPACT</strong>! Ich glaube, das Heidentum macht<br />

einen großen Teil unserer volklichen Identität<br />

aus. Sie haben das ja sehr schön mit der<br />

Übertragung der germanischen Frauenverehrung<br />

auf die christliche Marien-Anbetung<br />

aufgezeigt. Es hat uns gerade in dieser Zeit<br />

der Entfremdung, Entwurzelung und Verwirrung<br />

nach wie vor viel zu geben. F.B., per E-Mail<br />

Ich will hier jetzt keine Jubelarie starten, aber<br />

das Preis-Leistungs-Verhältnis ist einfach<br />

wahnsinnig gut, die Artikel sind super interessant.<br />

Am Ende des Monats sind die Hefte<br />

neuerdings immer total verknittert sowie ausgelesen!<br />

Dann wird bei den alten Ausgaben<br />

weiter gestöbert. M.D., per Website-Kommentar


<strong>COMPACT</strong> Zitate des Monats<br />

Wolle mer se drinlasse?<br />

«In Deutschland tragen erstaunlich viele junge<br />

Westafrikaner denselben Namen. Ihren Pass<br />

haben sie ”verloren” oder werden geduldet.»<br />

(Grammatik im Original; Frankfurter Allgemeine<br />

Sonntagszeitung, 17.1.<strong>2016</strong>)<br />

niert hat. (…) Hat Putin grüne Männchen auf<br />

die Kölner Domplatte entsandt? Nein. Aber<br />

vielleicht als syrische Flüchtlinge getarnte Anhänger<br />

seines Verbündeten Assad.» (Flensburger<br />

Tagblatt, 31.1.<strong>2016</strong>)<br />

Köln ist überall<br />

Adolfine mit dem fiesen Blick? Der kaum subtile Hitler-<br />

Vergleich ist beim «Spiegel» offenbar der Gipfel des Einfallsreichtums.<br />

Foto: «Der Spiegel»<br />

AfD vor dem Durchbruch<br />

Der Volksaufhetzer<br />

«Sie sind das freundlich lächelnde Gesicht<br />

der Horden, die durch Dresden ziehen und<br />

da rumprügeln.» (Spiegel-Kolumnist Jakob Augstein<br />

zu Frauke Petry, Menschen bei Maischberger,<br />

27.1.<strong>2016</strong>)<br />

Alles Nazis außer Siggi<br />

«Wer demokratisch gewählte Politiker des<br />

Hochverrats anklagt, sie als Systemparteien<br />

und Journalisten als Lügenpresse beschimpft<br />

und bedroht, der ist ganz nahe an der Sprache<br />

der Feinde der Demokratie, der Nazis der<br />

20er- und 30er-Jahre.» (Vizekanzler Sigmar Gabriel,<br />

5.2.<strong>2016</strong>)<br />

AfD raus!<br />

«Die Macher von Maybrit Illner ziehen zumindest<br />

für ihren Donnerstags-Talk klare Konsequenzen:<br />

”Wenn die AfD nur noch Hetze<br />

betreibt oder zu Gewalt aufruft, wird sie nicht<br />

mehr Gast unserer Sendung sein.”» (Süddeutsche<br />

Zeitung Online, 4.2.<strong>2016</strong>)<br />

Gut zu wissen!<br />

«Die Alternative für Deutschland ist aktuell<br />

kein Beobachtungsobjekt der Verfassungsschutzbehörden.<br />

Sie wird derzeit weder als<br />

extremistisch noch als Gefahr für die freiheitlich-demokratische<br />

Grundordnung eingestuft.»<br />

(Thüringens Verfassungsschutzpräsident Stephan<br />

Kramer, Welt Online, 2.2.<strong>2016</strong>)<br />

Zahlmeister Deutschland<br />

«Unter extrem zurückhaltenden Annahmen<br />

habe ich ausgerechnet, dass sich die finanzielle<br />

Belastung durch die Flüchtlingszuwanderung<br />

(…) in den nächsten Jahrzehnten auf<br />

insgesamt 1,5 Billionen belaufen wird.» (Der<br />

frühere Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin, Huffington<br />

Post Online, 18.1.<strong>2016</strong>)<br />

Steinigung<br />

«Mitten auf offener Straße sind in Dortmund<br />

zwei Transsexuelle beleidigt und mit Steinen<br />

angegriffen worden. (…) als das Männertrio<br />

(…) bemerkt, dass es sich um zwei Transsexuelle<br />

handelt, fallen wüste Beleidigungen<br />

auf Arabisch.» (Focus Online, 18.1.<strong>2016</strong>)<br />

Wieder ein Einzelfall<br />

«In einem schwedischen Flüchtlingsheim hat<br />

ein minderjähriger Asylbewerber eine Mitarbeiterin<br />

mit einer Stichwaffe tödlich verletzt.»<br />

(Spiegel Online, 26.1.<strong>2016</strong>)<br />

Das Auschwitz-Argument<br />

«Die Hilfs- und Aufnahmebereitschaft steht<br />

Deutschland gut zu Gesicht – gerade mit Blick<br />

auf die Vergangenheit.» (Die ehemalige Vorsitzende<br />

des Zentralrats der Juden Charlotte Knobloch,<br />

Tagesspiegel Online, 27.1.<strong>2016</strong>)<br />

Geschichtsunterricht<br />

«Wie es sich für ein Pogrom gehört, gab es<br />

Täter, Opfer und Zuschauer. Die Täter waren<br />

rücksichtslos, die Opfer hilflos und die Zuschauer<br />

haben zugeschaut (…). Man muss<br />

nicht Historiker oder Antisemitismus-Experte<br />

sein, um Parallelen zu den antijüdischen Pogromen<br />

aus der Zeit vor dem Holocaust zu erkennen.»<br />

(Henryk M. Broder über die Übergriffe in<br />

der Kölner Silvesternacht, Welt Online, 28.1.<strong>2016</strong>)<br />

Kein Witz: Putin ist immer schuld<br />

«Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass<br />

der russische Geheimdienst die sexuellen<br />

Massenübergriffe in der Silvesternacht insze-<br />

«Das, was in Köln an Silvester passiert ist, passiert<br />

hier inzwischen tagtäglich.» (Der türkische<br />

Sozialarbeiter Ercan Yasaroglu über die Zustände in<br />

Berlin-Kreuzberg, Focus Online, 31.1.<strong>2016</strong>)<br />

Scharia-Schlägertrupp<br />

«Drei Männer in einem Neuköllner Kiosk sind<br />

von 30 Kindern und Jugendlichen attackiert<br />

worden. (…) Als Vorwand für diese Attacken<br />

nannten die laut Kioskbetreiber muslimischen<br />

Jugendlichen, dass hier Alkohol verkauft werde,<br />

und ”dafür müssen sie bestraft werden”.»<br />

(morgenpost.de, 1.2.<strong>2016</strong>)<br />

Fünf-Sterne-Asylanten<br />

«18.000 Euro je Flüchtlingsbett in Berlin? //<br />

Der Senat verhandelt mit Investorengruppe<br />

(…).» (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2.2.<strong>2016</strong>)<br />

Die Prophezeiung<br />

«Frankreich und Belgien werden schon bald<br />

muslimisch sein. Nichts wird diesen Prozess<br />

aufhalten. Europa hat sich von Christus losgesagt<br />

und wird muslimisch sein.» (Der polnische<br />

Bischof Tadeusz Pieronek, Welt Online, 2.2.<strong>2016</strong>)<br />

Die renommierte Zeitschrift «Eltern» entdeckt muslimische<br />

Mütter als neue Covergirls. Foto: Verlag<br />

7


<strong>COMPACT</strong> Intern<br />

Elsässer und Schachtschneider in Altenburg.<br />

Foto: Xlars Freydenker, AON <strong>2016</strong><br />

Geliebt und gefürchtet: Anonymous.<br />

Foto: Facebook, Anonymous<br />

Begeisterte Leser: Riecke und Wolfgang vor einer<br />

<strong>COMPACT</strong>-Plakatwand in Dresden. Foto: privat<br />

Veranstaltungs-Kampagne<br />

Internet-Zensur<br />

Werbe-Offensive<br />

8<br />

Das war Rekord: <strong>COMPACT</strong>-Live zur Asyl-<br />

Krise («Kommt der Widerstand endlich in<br />

Schwung?») am 24. Januar in Dresden war<br />

binnen 24 Stunden ausverkauft und musste<br />

wiederholt werden. Am Ende verfolgten 300<br />

Interessierte die Vorträge von Ellen Kositza,<br />

Götz Kubitschek, Martin Sellner und Jürgen<br />

Elsässer.<br />

Noch mehr, nämlich 550, strömten am<br />

3. Februar zur <strong>COMPACT</strong>-Veranstaltung im<br />

thüringischen Altenburg (35.000 Einwohner),<br />

die das dortige Bürgerforum mit organisiert<br />

hatte. Jürgen Elsässer und Karl Abrecht<br />

Schacht schneider begeisterten das Publikum.<br />

Der Staatsrechtler stellte zum ersten Mal<br />

die Verfassungsbeschwerde gegen die Zuwanderungspolitik<br />

von einprozent.de vor. Die<br />

Mitschnitte beider Veranstaltungen kann man<br />

sich auf Youtube anschauen.<br />

Am 4. März spricht Jürgen Elsässer auf Einladung<br />

der AfD in Ingolstadt (19 Uhr, Wirtshaus<br />

am Auwaldsee, Am Auwaldsee 20), am<br />

10. März in Magdeburg (siehe Seite 22) und<br />

am 21. März beim Pegida-Ableger in München<br />

(19 Uhr, Odeonsplatz).<br />

Bei der Buchmesse Leipzig vom 17. bis 20.<br />

März wird <strong>COMPACT</strong> wieder mit einem großen<br />

Stand vertreten sein. In Halle 5, Stand<br />

E208 finden Sie Mitarbeiter und Redakteure<br />

zum Plaudern – und können sich mit unseren<br />

Materialien eindecken. Wir sind auch mit zwei<br />

Veranstaltungen vertreten: Am 18. März die<br />

Vorstellung von <strong>COMPACT</strong>-Spezial Asyl. Das<br />

Chaos und am 19. März die Festveranstaltung<br />

«5 Jahre <strong>COMPACT</strong>, eine Erfolgsgeschichte»,<br />

beide Male um 17 Uhr in Halle 5, C200.<br />

Die Merkel-Diktatur marschiert! Anfang Februar<br />

sperrten die Behörden die Facebookseite<br />

der Hackergruppe Anonymous. Reichsjustizminister<br />

Heiko «Orwell» Maas hatte zu Jahresanfang<br />

versprochen, Facebook noch schärfer<br />

zu kontrollieren, als es dessen Chef Mark Zuckerberg<br />

ohnedies schon tut. Und er hat Wort<br />

gehalten: Mit Anetta Kahane engagierte er<br />

eine ehemalige Mitarbeiterin der DDR-Staatssicherheit<br />

und 100 weitere Blogwarte.<br />

Anonymous war mit 1,8 Millionen Anhängern<br />

die reichweitenstärkste Oppositionsseite<br />

im Internet und deshalb eine Gefahr für das<br />

Regime. Zur Sperrung kam es nachweislich<br />

nicht nach einem sogenannten Hass-Beitrag,<br />

sondern nach einer Verlinkung auf verschiedene<br />

als «Verschlussachen» eingestufte<br />

Asyl-Doku mente deutscher Sicherheitsbehörden,<br />

die Anonymous zuvor, über mehrer Tage<br />

verteilt, auf vk.com, der russischen Alternative<br />

zu Facebook, veröffentlicht hatte.<br />

Während die Mainstream-Medien diesen<br />

bisher eklatantesten Fall von Zensur durch die<br />

Maas-Kontrolleure verschwiegen, berichtete<br />

<strong>COMPACT</strong>-Online prominent und erhielt dadurch<br />

am 6. Februar die meisten Zugriffe aller<br />

deutschen Seiten im Netz. Da auch wir damit<br />

ins Fadenkreuz der Blogwarte geraten dürften,<br />

haben wir uns, ebenso wie Anonymous, eine<br />

Ausweichoption auf vk.com gesichert. (Tipps<br />

zur Anmeldung dort ab Ende Februar auf unserer<br />

Website!)<br />

Das Beispiel zeigt, wie anfällig die Internet-Kommunikation<br />

ist. Am sichersten ist es<br />

immer noch, wenn Sie <strong>COMPACT</strong> – die Druckausgabe<br />

– abonnieren.<br />

Anfang Februar trauten viele <strong>COMPACT</strong>-<br />

Leser ihren Augen nicht: In vielen deutschen<br />

Städten hingen riesige Werbeplakate mit dem<br />

Cover unseres <strong>Magazin</strong>s. Nachdem wir an immer<br />

mehr Kiosken präsent sind, wollen wir<br />

damit weiter in den öffentlichen Raum vorstoßen.<br />

<strong>COMPACT</strong> macht Freund und Feind<br />

klar: Wir sind in der Offensive und bieten den<br />

Mainstream-Medien Paroli!<br />

Das Ziel ist klar: Nachdem wir die Auflage<br />

seit Januar 2015 von 33.000 auf 80.000 Exemplare<br />

steigern konnten, wollen wir <strong>2016</strong> noch<br />

einen Zacken zulegen. Nächstes Ziel: Der Focus,<br />

der wie alle anderen Systemzeitungen<br />

massiv an Auflage verloren hat, soll überholt<br />

werden.<br />

Sie, liebe Leser, können unsere Offensive unterstützen!<br />

Jedes neue Abonnement stärkt unsere<br />

finanzielle Basis, mit der wir solche Werbemaßnahmen<br />

bezahlen. Außerdem freuen<br />

wir uns, wenn sie unsere hübschen Aufkleber<br />

und Plakate – sie zeigen die <strong>COMPACT</strong>-Titelbilder<br />

– überall aufhängen und verkleben. Zu<br />

bestellen sind sie, teilweise sogar kostenlos,<br />

auf shop.compact-magazin.com unter «Produkte».<br />

Wer <strong>COMPACT</strong> in seinem Bekanntenkreis<br />

weiterverkaufen will, findet auf compact-online.de/weiterverkaeufer/<br />

Angebote<br />

mit Mengenrabatt.<br />

Einer der stärksten Werbeträger für COM-<br />

PACT sind unsere Videos, die regelmäßig und<br />

gratis auf Youtube bereitgestellt werden und<br />

im Internet oft sechsstellige Zugriffe haben.<br />

Verbreiten Sie die Links unter Ihren Freunden,<br />

machen Sie doch ab und zu gemeinsame Filmabende.


<strong>COMPACT</strong> Inter-national<br />

Al-Qusair: Mursis Schatten<br />

_ von Salwa Amin<br />

Genf: Célines Stilettos<br />

_ von A. Benjamine Moser<br />

Budapest: Pálinkas Kater<br />

_ von Federico Bischoff<br />

Meine Freunde hatten mich gewarnt. Ich<br />

fuhr trotzdem ans Rote Meer. Wer hört schon<br />

auf Leute, die keine Ahnung von Ägypten haben,<br />

weil sie wegen des konstanten Konsums<br />

von Mainstreammedien desinformiert sind?<br />

Ringsherum Wüste, über mir der Himmel, vor<br />

mir die blauen Fluten: Abtauchen, Stille. Fische<br />

reden nicht. Endlich.<br />

Doch die Realität holte mich schnell ein.<br />

Auf einer Tour in die alte Stadt Al-Qusair, fernab<br />

üppiger Hotelburgen, kam ich ins Gespräch<br />

mit meinem Fahrer. Hassan erzählte, wie er<br />

sein kleines Safariunternehmen verloren hat,<br />

das er mühsam über die Jahre aufgebaut hatte<br />

– jeden Tag, ohne Pause, in der sengenden<br />

Sonne. Das ging jedoch schnell in Konkurs,<br />

nachdem Mohammed Mursi 2012 Präsident<br />

geworden war und seine Moslembrüder in der<br />

Folge Furcht und Terror verbreiteten. Hassan<br />

ist 40, schwer verschuldet, lebt fern von seiner<br />

Familie in einem Apartment mit anderen<br />

Männern, die wie er nonstop für irgendeine<br />

der Firmen arbeiten, die der Krise standhalten<br />

konnten.<br />

Mein ägyptischer Reiseleiter im Hotel<br />

macht dagegen, jede Kausalität auf den Kopf<br />

stellend, die heutige moderate Regierung für<br />

die Misere verantwortlich. Statt mir überteuerte<br />

Ausflüge anzudrehen, nervt er mich mit<br />

Bruderschaft-Propaganda. In Al-Qusair sind<br />

die Strände verlassen, die meisten Geschäfte<br />

geschlossen. Der Tourismus liegt am Boden.<br />

Hassan empfiehlt mir das Fischrestaurant am<br />

Strand. Aber ich wähle Kosheri, ein Arme-<br />

Leute-Essen aus Reis, Nudeln und Linsen.<br />

13 Zentimeter hohe schwarze High Heels<br />

von Louboutin, mit den obligaten roten Sohlen,<br />

sind das Markenzeichen von Céline Amaudruz,<br />

Nationalrätin der konservativen SVP. Wenn die<br />

Femme fatale im engen Designerdress und mit<br />

wehender blonder Mähne durch den Plenarsaal<br />

stöckelt, surren die Kameras hinter ihr<br />

her. Die Juristin ist ein rhetorisches Naturtalent<br />

und versteht es, eine Sache auf den<br />

Punkt zu bringen.<br />

Sie ist die welsche Frontfrau der sogenannten<br />

Durchsetzungs-Initiative, die am 28. Februar<br />

<strong>2016</strong> zur Abstimmung kommt. Was will<br />

das Volksbegehren? Künftig sollen schwerkriminelle<br />

Ausländer – Mörder, Totschläger,<br />

Vergewaltiger – automatisch des Landes verwiesen<br />

werden, so wie es vor der Revision<br />

des Strafgesetzes im Jahr 2006 Praxis war.<br />

Natürlich hat sich, wie immer in den letzten<br />

Jahren, eine breite Front der Gutmenschen<br />

gegen die SVP formiert. Selbst 11 von 18 Ex-<br />

Bundesräten haben sich eingemischt. Auch<br />

der Unternehmerverband Economie suisse<br />

sorgt sich um die Verbrecher – eine Gaudi! 73<br />

Prozent aller Gefängnisinsassen der Schweiz<br />

sind Ausländer und kosten den Steuerzahler<br />

pro Jahr 730 Millionen Franken. «Dieses Geld<br />

fehlt uns dann bei der Bildung», protestiert<br />

der Walliser Staatsrat Oskar Freysinger. «Findet<br />

das Anliegen sowohl ein Volks- als auch<br />

Ständemehr, können pro Jahr an die 10.000<br />

schwerkriminelle Ausländer ausgeschafft<br />

werden, nicht bloß 500 wie jetzt», hält die<br />

Genferin auf den Stilettos mit Verve fest. Die<br />

Prognosen stehen 50:50.<br />

Der Taxifahrer bringt uns in die Altstadt.<br />

Unser Gastgeber ist ein Deutscher, der vor<br />

Kurzem in die Donaumetropole ausgewandert<br />

ist, ein «Merkel-Refugee», wie er dem<br />

Fahrer berichtet. Der verzieht das Gesicht, will<br />

sich noch nicht mal zur Kanzlerin äußern. «Ich<br />

wähle Jobbik», fügt er hinzu, als ob das alles<br />

erklären könnte. Das ist die Schwesterpartei<br />

der NPD. In Ungarn kommt sie auf satte 20<br />

Prozent, Tendenz steigend.<br />

Rund um die Synagoge boomt das Nachtleben,<br />

eine Kneipe an der anderen. Die deutschen<br />

Touristen sollen seit den polemischen<br />

Angriffen der Merkel-treuen Medien auf Regierungschef<br />

Viktor Orbán weniger geworden<br />

sein, aber Amerikaner und Japaner gleichen<br />

das aus. Nach dem obligaten Gulasch und einer<br />

Flasche Tokajer fahren wir noch am Ostbahnhof<br />

vorbei. Dort gab es im August immer<br />

wieder Randale zwischen Migranten von der<br />

Balkanroute und der Polizei. Jetzt ist alles<br />

friedlich. Seit Ungarn die Südgrenze dicht gemacht<br />

hat, dürfen nur noch Schengen-Europäer<br />

oder Inhaber von Visa ins Land. Wer es<br />

illegal versucht, landet im Gefängnis. Refugees<br />

not welcome – ihre Zahl liegt bei null.<br />

Vom Balkon aus schauen wir auf das größte<br />

Parlament in Europa. Um Mitternacht lässt<br />

der sparsame Staat die Beleuchtung abschalten,<br />

aber das stört uns nicht. Veronika serviert<br />

Pálinka, den berühmten Obstler aus der<br />

Puszta. Wir delektieren uns an der Flasche mit<br />

Erdbeergeschmack und 50 Umdrehungen. Der<br />

Kater am nächsten Morgen schnurrt sanft, hat<br />

aber Krallen.<br />

9


<strong>COMPACT</strong> Köpfe des Monats<br />

Foto: Stefan Brending<br />

Foto: Stephan Röhl<br />

Foto: Leatherpredator/Montage<br />

Aufsteiger des Monats<br />

_ Angelique Kerber<br />

Absteiger des Monats<br />

_ Anne Helm<br />

Was macht eigentlich<br />

_ Sahra Wagenknecht<br />

10<br />

Für diesen Sieg hat sie 25 Jahre lang trainiert:<br />

Im Januar bezwang Angelique Kerber<br />

beim Endspiel der Australian Open die favorisierte<br />

Serena Williams in drei Sätzen mit 6:4,<br />

3:6 und 6:4. Es war der erste Grand-Slam-Sieg<br />

einer deutschen Tennisspielerin seit Steffi<br />

Grafs Erfolg 1999 bei den French Open. Zugleich<br />

beförderte sich Kerber damit auf Platz 2<br />

der Weltrangliste.<br />

Das die 1,73 Meter große Blondine zur neuen<br />

deutschen Tenniskönigin avanciert, war alles<br />

andere als sicher. Nicht nur, weil die heute<br />

28-Jährige lange Zeit nicht zur Weltspitze aufschließen<br />

konnte – auch wegen ihres inneren<br />

Schweinehundes, wie sie selbst einmal zugab.<br />

Kerbers Mutter ist Deutsche, der Vater<br />

Pole. Seit Ende 2012 wohnt sie im Örtchen<br />

Paschkau bei Posen, wo sie im Tenniszentrum<br />

ihres Großvaters Janusz Rzeźnik trainiert. Den<br />

Schläger im Zeichen des polnischen Adlers<br />

schwingen wollte Kerber aber dennoch nicht.<br />

«Es gab mal eine Anfrage vom polnischen Verband,<br />

und weil ich mich nicht sofort entschieden<br />

hatte, bin ich da in der Presse ziemlich<br />

verrissen worden. Aber ich hätte wohl ohnehin<br />

für Deutschland gespielt, ich fühle mich als<br />

Deutsche», sagt sie.<br />

Kerbers Sieg markiert auch den bislang<br />

größten Triumph der vielleicht erfolgreichsten<br />

deutschen Tennis-Generation seit den Tagen<br />

von Graf und Boris Becker. In den letzten Jahren<br />

schafften es auch die fast gleichaltrigen<br />

Andrea Petkovic, Julia Görges und Sabine Lisicki<br />

unter die ersten Zehn der Weltrangliste.<br />

(mmm)<br />

Zuerst war nur ihre Stimme bekannt. Unter<br />

anderem als Schweinchen Babe im gleichnamigen<br />

Spielfilm quiekt die Synchronsprecherin<br />

Anne Helm seit rund 20 Jahren aus deutschen<br />

TV-Lautsprechern. Doch nach dem zeitweisen<br />

Erfolg der Piraten sorgte die gebürtige Rostockerin<br />

auch auf Bildern für Furore – allerdings<br />

nicht durch ihre Arbeit als gewählte Bezirksverordnete<br />

von Neukölln. 2013 posierte sie in<br />

Dresden mit blanken Brüsten und dem aufgemalten<br />

Schriftzug «Thanks Bomber Harris».<br />

Die Danksagung an den Kommandanten des<br />

Terrorangriffs vom 13. Februar 1945 führte<br />

auch bei den Piraten zum Skandal. Der einstige<br />

Bundestagskandidat Udo Vetter sah einen Versuch<br />

des «der Antifa nahestehenden Flügels»,<br />

die Partei zu übernehmen.<br />

Tatsächlich sind die Piraten seit rund drei<br />

Jahren fest in den Händen der Linksradikalen.<br />

Insbesondere die Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus<br />

mutierte zur reinen Refugee-<br />

Welcome-Truppe. Nur konsequent war daher,<br />

dass über Monate hinweg Geheimverhandlungen<br />

mit den Linken liefen, vielleicht um<br />

sich vor den Berlin-Wahlen im Herbst auf aussichtsreiche<br />

Listenplätze zu retten.<br />

Anfang Januar unterzeichneten 36 Piraten<br />

einen Unterstützungsappell für die Dunkelroten,<br />

darunter neben Helm der Radau-Antifant<br />

Oliver Höfinghoff, aber auch der als politisches<br />

Talent geltende noch-Fraktionschef<br />

Martin Delius. Polit-Nackedei Helm wurde im<br />

Januar <strong>2016</strong> sogar Mitglied der Linken und<br />

schloss sich der Gruppe um Parteichefin Katja<br />

Kipping an. (fb)<br />

Fast unsichtbar wirkte Sahra Wagenknecht<br />

am 11. Januar <strong>2016</strong>. Im roten Blazer stand die<br />

46-Jährige vor der roten Pressewand in der<br />

Fraktionsebene des Berliner Reichstages. Eigentlich<br />

kein Ort für Überraschungen, eher für<br />

sorgfältig abgesprochene Statements. Doch<br />

an diesem Tag ließ Wagenknecht eine politische<br />

Bombe platzen: «Gerade in der ganzen<br />

Diskussion über die Kölner Ereignisse ist völlig<br />

klar: Wer Gastrecht missbraucht, der hat Gastrecht<br />

dann eben auch verwirkt. Und das ist<br />

auch von der Linken eine ganz klare Position.»<br />

Bei RTL brach die rote Sahra noch ein<br />

weiteres Tabu der Partei. «Natürlich gibt es<br />

Kapazitätsgrenzen, wer das leugnet, ist doch<br />

weltfremd.» Postwendend geiferten die Funktionäre.<br />

«Es gibt kein Gastrecht, das ein Flüchtling<br />

verwirken könnte, sondern es gilt die<br />

Genfer Flüchtlingskonvention», polterte etwa<br />

Stefan Liebich, der außenpolitische Fraktionssprecher<br />

und Mitglied des US-Lobbyvereins<br />

Atlantik-Brücke.<br />

Nicht zum ersten Mal greift das einstige<br />

Aushängeschild der Kommunistischen Plattform<br />

das Linken-Establishment hart an. So<br />

nannte sie etwa das Aus des Euro wiederholt<br />

unvermeidlich. Im Volk wird die 46-Jährige mit<br />

ihrer Haltung zunehmend zur Hoffnungsträgerin.<br />

Im Juni 2015 hofften bereits 32 Prozent der<br />

Deutschen, dass Wagenknecht künftig eine<br />

wichtigere Rolle in der Politik spielt. Privaten<br />

Rückhalt hat sie ohnehin: Ende 2014 heiratete<br />

Wagenknecht das saarländische Linken-Enfant-terrible<br />

Oskar Lafontaine, der in der Asylfrage<br />

ähnlich agiert. (km)


<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

Die bessere Kanzlerin<br />

_ von Jürgen Elsässer<br />

Frauke Petry ist zum Gesicht der AfD geworden, weil sie in der Lage ist, Klartext zu reden<br />

– und trotz allem charmant zu bleiben. Als vierfache Mutter und moderne Frau ist sie das<br />

Gegenbild zu Angela Merkel – und gibt den Ausgegrenzten eine Stimme. Kein Wunder,<br />

dass sie zum Hassobjekt für Blockparteien und Monopolmedien geworden ist.<br />

Frontfrau der ersten Stunde: Frauke<br />

Petry war bereits in der AfD-Vorgängerorganisation<br />

Wahlalternative<br />

2013 aktiv. Seit Juli 2015 ist sie<br />

Vorsitzende der Oppositionspartei.<br />

Foto: picture alliance / dpa<br />

Am Ende wird es ein Lächeln sein, das den Gegner<br />

besiegt – das Lächeln von Frauke Petry. An diesem<br />

27. Januar ist es ihre schärfste Waffe bei Sandra<br />

Maischberger: Ihre Mundwinkel besuchen die Ohren,<br />

kräuseln sich an den Enden, ihre Augen blitzen schelmisch,<br />

ihr Kinn hebt sich mit verhaltener Arroganz –<br />

wer denkt da nicht an Audrey Hepburn in Frühstück<br />

bei Tiffany? Die gegen sie aufgebotene Altherrenriege<br />

kommt ins Stammeln: der schwabbelig gewordene<br />

Jakob Augstein, der SPD-Pöbler Ralf Stegner, der<br />

zerzauste AfD-Dissident Hans-Olaf Henkel. Der eine<br />

bringt sie mit den «Horden, die durch Dresden ziehen»<br />

in Verbindung, der andere will den Verfassungsschutz<br />

auf sie hetzen, der dritte faselt von «NPD-light».<br />

Petry kommt kaum zu Wort, und das ist auch nicht<br />

nötig, denn schon rein optisch fallen diese Beleidigungen<br />

auf ihre Urheber zurück. Welch ein Unterschied<br />

zwischen ihr und den Linken in der Runde: Während<br />

Augstein schlaff im Sessel fläzt und den Hemdkragen<br />

nicht geschlossen hat, Stegner sogar gänzlich ohne<br />

Krawatte und im zerknautschten Anzug gekommen<br />

ist, sitzt ihnen die AfD-Vorsitzende hoch aufgerichtet<br />

gegenüber. Ihr Business-Kostüm mit der Flügelkragenbluse<br />

verleiht ihr die noble Kühle, die notwendig ist,<br />

um den Betrachter von den langen Beinen unter dem<br />

kurzen Rock abzulenken. Dabei kokettiert sie keine<br />

Sekunde mit ihren Reizen, fast eine Stunde lang behält<br />

sie ihre Körperposition bei: Offensichtlich steht sie in<br />

dieser Konfrontation unter ungeheuerer Anspannung.<br />

Trotzdem schafft sie es, die Angriffe wegzulächeln und<br />

in dem ganzen politisch korrekten Tohuwabohu immer<br />

wieder mit glasklaren Sätzen zu kontern. Etwa mit diesem:<br />

«Wir haben kein Problem, unser Programm vorzustellen<br />

und den Bürger entscheiden zu lassen.» Die<br />

anderen wollen die AfD ausgrenzen und misstrauen<br />

dem Volk – sie aber stellt sich der Demokratie. Wütender<br />

Geifer gegen entwaffnende Offenheit – das ist der<br />

Eindruck, der bleibt. In den folgenden Umfragen wird<br />

die AfD bundesweit zur drittstärksten Partei.<br />

Jagdszenen aus Mannheim<br />

Vier Tage später ist Frauke Petry zu Gast in Mannheim,<br />

um den Wahlkampf der baden-württembergischen<br />

Parteifreunde zu unterstützen. Der Zugang zur<br />

Gaststätte Schützenhaus wird von linksextremen Hundertschaften<br />

blockiert. Eine Teilnehmerin berichtet:<br />

«Ich sah, dass der Zaun abgesperrt war und davor größere<br />

Mengen von jungen aggressiven Leuten waren,<br />

Wer denkt bei<br />

Frauke Petry nicht<br />

an Audrey Hepburn<br />

in «Frühstück bei<br />

Tiffany»?<br />

11


Artikelsammlung – Stand 06/2015 | 5,00 EUR (D)<br />

<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

12<br />

Christlich und sozial<br />

Interviews mit Bernd Lucke, Alexander Gauland, Hans-<br />

Olaf Henkel, Frauke Petry, Konrad Adam, Björn Höcke<br />

«Das Fundament, auf dem sich<br />

meine Position gründet, ist die<br />

Verteidigung der europäischchristlichen<br />

Werte. Was Sie<br />

westlich-hedonistischen Lifestyle<br />

genannt haben, ist doch<br />

letztlich die sogenannte Spaßgesellschaft,<br />

die ihren Zenit<br />

überschritten hat. Damit verbinde<br />

ich vor allem die Entwurzelung<br />

des Menschen. Man wird<br />

pausenlos abgelenkt, um nicht<br />

über den Sinn des eigenen Lebens<br />

nachzudenken. Das degradiert<br />

den Menschen, macht aus<br />

Bürgern bloße Konsumenten.<br />

In Krisenzeiten wie der heutigen<br />

finden die Menschen zu den<br />

bleibenden Werten zurück. Entgegen<br />

der verbreiteten Totengesänge<br />

ist die Familie ein vitales<br />

Modell, und aufgrund der längeren<br />

Lebenserwartung von Großeltern<br />

verbringen die drei aufeinanderfolgenden<br />

Generationen<br />

mehr Lebenszeit zusammen<br />

als je zuvor in der Geschichte.<br />

Das ganze kapitalistische System<br />

ist doch an seine Grenzen<br />

gestoßen. Deshalb heißt es im<br />

AfD-Programm, wir müssen die<br />

soziale Marktwirtschaft wieder<br />

aufbauen. Aber selbst da setze<br />

ich ein Fragezeichen: Der Markt<br />

kann nicht alles regeln. Die Vorstellungen<br />

der radikalen Marktliberalen<br />

oder Libertären, dass<br />

sich der Staat aus der Wirtschaft<br />

zurückziehen soll und die<br />

”unsichtbare Hand” des Marktes<br />

schon alles regeln wird, halte<br />

ich für naiv.» (Frauke Petry im<br />

Interview in <strong>COMPACT</strong> 11/2013)<br />

Das eDossier enthält alle COM-<br />

PACT-Artikel zur AfD (shop.compactmagazin.com).<br />

Foto: <strong>COMPACT</strong><br />

Bild oben rechts: Frauke Petry beim<br />

ersten AfD-Bundesparteitag nach<br />

Abspaltung der Lucke-Strömung am<br />

29. November 2015 in Hannover,<br />

der – entgegen der Hoffnungen der<br />

Blockparteien – sehr harmonisch<br />

verlief. Foto: picture alliance/dpa<br />

daher ging ich zu einem Polizisten (…) und fragte<br />

ihn, wie ich am besten zur Veranstaltung komme. Er<br />

sagte, ich müsse durch diese Menge durch (…). Ich<br />

Dummkopf mache das dann also, sage ”darf ich bitte<br />

durch”, (…) werde sofort ohne Ansprache oder Nachfrage<br />

getreten, geboxt, bespuckt, beschimpft (”Nazi-<br />

Sau”). Ich versuche zu sagen, dass ich kein Nazi bin,<br />

es wird mir mit Trillerpfeifen in die Ohren gepfiffen<br />

und geschrien (…), und so wurde ich von mehreren<br />

auf die Straße zurückgedrängt und zurückgeschoben.»<br />

Die Frau gelangt – schließlich doch noch eskortiert von<br />

Polizisten, die ebenfalls attackiert werden – bis an den<br />

Zaun um die Gaststätte und muss diesen überklettern,<br />

um hineinzukommen.<br />

Trotz dieser Torturen haben sich sage und schreibe<br />

400 Bürger Zutritt verschaffen können, der Saal ist<br />

brechend voll. Die Spiegel-Reporter, die schließlich<br />

Anfang Februar in ihrer Titelstory über Frauke Petry und<br />

die «Hassprediger» der AfD schreiben, verschweigen<br />

die gewalttätige Wahlkampfbehinderung und belassen<br />

es bei einer lapidaren Bemerkung: «draußen hält die<br />

Polizei Antifa-Demonstranten in Schach». Stattdessen<br />

finden die Journalisten Diskussionsbeiträge aus dem<br />

Publikum «hitzig», etwa diesen: «Wir sind ein Land im<br />

Notstand! Es kommen Millionen Leute, das ist doch<br />

der Wahnsinn, was mit uns passiert.»<br />

Im Unterschied zu «Mutti» hat Petry<br />

wirklich Kinder, und zwar gleich vier<br />

an der Zahl.<br />

Es mögen diese Jagdszenen in der Neckarstadt<br />

gewesen sein, die Frauke Petry kurz darauf gegenüber<br />

dem Lokalblatt Mannheimer Morgen zu einer Äußerung<br />

über die Grenzsicherung durch Schusswaffeneinsatz<br />

verleiteten. Obwohl sie lediglich die Gesetzeslage<br />

referierte, hätte ihr klar sein müssen, dass die SPDorientierte<br />

Zeitung dies mit dem DDR-Schießbefehl in<br />

Zusammenhang bringen würde, um sie zu diffamieren.<br />

Im Unterschied zu anderen AfD-Vorständlern, die sich<br />

durch die sofort einsetzende Medienkampagne nervös<br />

machen ließen, stellte sie zwar die Verkürzung richtig,<br />

ruderte aber im Kern nicht zurück – vielleicht, weil sie<br />

merkte, dass im Volk gespürt wird, wie wichtig diese<br />

Diskussion ist: Immerhin 25 Prozent der Deutschen<br />

befürworten, im Unterschied zu ihr, einen Schusswaffeneinsatz<br />

sogar gegen unbewaffnete Flüchtlinge<br />

(shortnews.de, 6.2.). Auch in anderen Fragen scheint<br />

sich die Sächsin, entsprechend der Stimmung im Land,<br />

weiterentwickelt zu haben: Während sie im Dezember<br />

ihrem Thüringer Parteikollegen Björn Höcke noch<br />

den Parteiaustritt nahelegte, verteidigte sie ihn bei<br />

Maischberger standhaft gegen den Rassismus-Vorwurf<br />

und attestierte seiner Theorie zum Reproduktionsverhalten<br />

der Afrikaner lediglich wissenschaftliche<br />

Unsinnigkeit. Im Februar lud sie sogar zu einer Großveranstaltung<br />

mit Heinz-Christian Strache, dem Chef<br />

der österreichischen FPÖ, nach Düsseldorf ein. Bisher<br />

hatte die AfD-Spitze Distanz zu anderen europäischen<br />

Protestparteien gehalten und sich im Europaparlament<br />

stattdessen mit den britischen Konservativen von Premier<br />

David Cameron verbündet.<br />

Angstgegner für Merkel<br />

Wie die Kanzlerin kommt die AfD-Chefin aus dem<br />

Osten – aber das ist auch schon das Ende der Gemeinsamkeiten.<br />

Während Merkel zwar aus einer Pfarrersfamilie<br />

stammt, aber jede religiöse Färbung verbirgt,<br />

hat sich Petry bewusst zum Christentum bekannt – sie<br />

ließ sich erst mit neun Jahren taufen und heiratete<br />

später einen Pfarrer. Im Unterschied zu «Mutti» hat<br />

die 40-Jährige wirklich Kinder, und zwar gleich vier<br />

an der Zahl – ohne dabei ihre frische Jugendlichkeit<br />

verloren zu haben.<br />

Man könnte einwenden, dass die – übrigens mehrfach<br />

preisgekrönte – Unternehmerin mit ihrer Firma<br />

Purinvent 2013 Insolvenz anmelden musste. Aber<br />

immerhin haftete sie mit ihrem Privatvermögen für<br />

die Verluste – ganz im Unterschied zu Merkel, deren<br />

Euro-Politik das Geld der Steuerzahler kostet. Und wer<br />

ihr vorwirft, ihren Mann letztes Jahr verlassen und mit<br />

ihrem Parteifreund Marcus Pretzell ein neues Glück<br />

gefunden zu haben, dem könnte sie mit Jesus antworten:<br />

«Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.»<br />

Mit ihrem ganzen Lebensweg, mit all seinen Höhen<br />

und Tiefen, steht Frauke Petry für die Mitte der Gesellschaft,<br />

die von den Altparteien verlassen worden ist:<br />

eine Frau, für die Emanzipation kein Widerspruch zu<br />

Mutterschaft, moderne Weltoffenheit kein Gegensatz<br />

zu Heimatliebe ist. Nun ist ihre Zeit gekommen.


<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

Die Angst vor der Alternative<br />

_ von Marc Dassen<br />

Diffamierungen, Brandanschläge, Mordversuche – seit ihrer Gründung ist die AfD im<br />

Kreuzfeuer. Kurz vor den Landtagswahlen nahmen die Attacken nie gekannte Ausmaße an.<br />

Die Stimmung wird aufgeheizt durch Schreibtischtäter in den Medien und Altparteien, die<br />

ihre Konkurrenz zum Abschuss freigegeben haben.<br />

Es ist Montag, kurz nach Mitternacht am 2. Februar.<br />

Auf den Straßen herrscht Totenstille. Die wenigen<br />

Laternen werfen fahles Licht auf die menschenleeren<br />

Gehwege einer Siedlung im Leipziger Stadtteil<br />

Mockau. AfD-Stadtrat Holger Hentschel liegt längst<br />

im Bett – es sind Sirenen, die ihn aus dem Schlaf reißen.<br />

Löschwagen halten vor seinem Haus, dann sieht<br />

er Flammen, die aus seinem Auto schlagen. Im Schutz<br />

der Dunkelheit hatte die Antifa zugeschlagen. Werden<br />

die Täter beim nächsten Mal seine Wohnung anzünden?<br />

Soll er das Klingelschild mit seinem Namen entfernen<br />

oder am besten gleich aus Leipzig wegziehen,<br />

wie zuvor schon sein ebenfalls überfallener Parteifreund<br />

Hans-Christian Tillschneider? Dem Chemnitzer<br />

AfD-Landtagsabgeordneten Carsten Hütter ging es<br />

ähnlich. Zunächst zündeten die Linksextremen immer<br />

wieder Sprengkörper vor seinem Büro und warfen die<br />

Scheiben ein, dann, Mitte Januar, fand er Patronenhülsen<br />

und einen aufgesprühten Galgen auf der Eingangstür<br />

vor – eine eindeutige Botschaft.<br />

Ein Hauch von Weimar liegt in der Luft. Die Liste<br />

der Gewalttaten ist lang (siehe Infobox Seite 14). AfD-<br />

Mitglieder und -Sympathisanten werden auf offener<br />

Straße bespuckt, bedroht, verprügelt; Bürgerbüros<br />

werden verwüstet, und sogar vor Privatwohnungen<br />

machen die Angreifer nicht mehr Halt. Über 10.000<br />

Übergriffe wurden seit Anfang 2013 von AfD-Juristen<br />

dokumentiert. Nicht selten prahlen die Täter auf linken<br />

Webseiten wie Indymedia mit ihren Verbrechen.<br />

Ende Januar wurde ein AfD-Wahlkampfhelfer in Karlsruhe<br />

beim Plakatekleben mit einer Handfeuerwaffe<br />

beschossen, die Kugel durchschlug das geschlossene<br />

Seitenfenster seines Autos. Derweil taten sich die Altparteien<br />

sichtlich schwer, die Tat zu verurteilen, was<br />

selbst die Frankfurter Allgemeine Zeitung als «peinliches<br />

Schweigen» wertete.<br />

Schreibtischtäter und Totengräber<br />

Es sind die Ideologen in den Regimeparteien und<br />

Sytemmedien, die aus ihrer gefühlten moralischen<br />

Überlegenheit heraus glauben, man dürfe mit der AfD<br />

nicht mehr reden, müsse sie nur noch entlarven, diffamieren,<br />

bekämpfen. Vizekanzler Sigmar Gabriel, Justizminister<br />

Heiko Maas und Ralf Stegner (alle SPD) haben<br />

sich als Deutschlands Chefankläger besonders hervorgetan.<br />

Stegner bezeichnete die Partei bei Maischberger<br />

als «Demokratiefeinde» und als «Schmutzfänger» –<br />

und reihte sich damit in die «Pack»-Rhetorik seines<br />

ZDF-Kinderkanal «tivi» zeigt Frauke<br />

Petrys angeblichen Schießbefehl<br />

an der Grenze. Foto: Screenshot<br />

YouTube<br />

«Pegida und AfD<br />

sind rhetorische<br />

Brandstifter.»<br />

Heiko Maas<br />

Beim Anschlag auf das Büro des<br />

sächsischen Landtagsabgeordneten<br />

Uwe Wurlitzer am 8.10.2015 in<br />

Leipzig entstand ein Sachschaden<br />

von 3.000 Euro. Foto: AfD Sachsen<br />

13


<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

Bei dieser linksextremen Demonstration<br />

in Osnabrück am 19.1.<strong>2016</strong><br />

beschlagnahmte die Polizei<br />

Schlagwaffen. Foto: Jörn Martens<br />

Mehrfach wurde<br />

auf AfD-Büros,<br />

einmal sogar auf<br />

einen Plakatkleber<br />

geschossen.<br />

_ Marc Dassen ist Redakteur bei<br />

<strong>COMPACT</strong>-<strong>Magazin</strong>. In Ausgabe<br />

2/<strong>2016</strong> schrieb er über den Türsteher<br />

Ivan Jurcevic, der in der<br />

Kölner Silvesternacht mehrere<br />

Frauen vor Übergriffen durch<br />

Flüchtlinge bewahrt hatte.<br />

Parteichefs ein. Gabriel unterstellte der AfD schon im<br />

Oktober «offen rechtsradikal» zu sein. Als die Wahlen<br />

in Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg<br />

immer näher rückten, trieb Gabriel die Angst<br />

vor erdrutschartigen Niederlagen um, weshalb er bisherige<br />

Äußerungen mit weiteren Superlativen der Verachtung<br />

zu übertrumpfen suchte. Anfang Februar griff<br />

er tief in die braune Schublade, warf der AfD Nähe zu<br />

den Nazis vor: «Wer demokratisch gewählte Politiker<br />

des Hochverrats anklagt, sie als Systemparteien und<br />

Journalisten als Lügenpresse beschimpft und bedroht,<br />

der ist ganz nahe an der Sprache der Feinde der Demokratie,<br />

der Nazis der 20er- und 30er-Jahre.»<br />

Maas erklärte Mitte Oktober 2015: «Pegida und<br />

AfD sind rhetorische Brandstifter», die eine «Schande<br />

für Deutschland» seien. Die Verbalattacken erreichten<br />

einen vorläufigen Höhepunkt in der Forderung von<br />

SPD und Grünen, die AfD durch den Verfassungsschutz<br />

überwachen zu lassen. «Die AfD gehört in den Verfassungsschutzbericht<br />

und nicht ins Fernsehen», tönte<br />

Gabriel Ende Januar. Das Bundesamt widersprach und<br />

sah keinen Anlass zur Überwachung. Verbotsforderungen<br />

sind dennoch nichts Neues. «Sollte die AfD verboten<br />

werden?», fragte etwa das Internetportal theeuropean.de<br />

und postulierte, dass die «die Überwachung<br />

der AfD im Angesicht der rechtspopulistischen Dauereskalation<br />

längst geboten» sei. Zu allem Überfluss<br />

reihte sich Ende Januar sogar Thomas Sternberg, Präsident<br />

des Zentralrats der Katholiken, in die Phalanx<br />

der AfD-Hasser ein und gab bekannt, dass die AfD<br />

beim 100. Kirchentag in Leipzig unerwünscht sei.<br />

Medialer Spießrutenlauf<br />

Wie schwer es auch den sogenannten Qualitätsmedien<br />

fällt, ihrem Neutralitätsanspruch gerecht zu<br />

werden, zeigte beispielhaft Der Spiegel mit seiner<br />

Ausgabe vom 6. Februar. Auf der Titelseite: Der hässlichste<br />

Schnappschuss von Frauke Petry, den die Spiegel-Redaktion<br />

finden konnte – im Hintergrund wurde<br />

eine Kulisse einmontiert, die an die Olympischen<br />

Spiele 1936 erinnert. Die Titelzeile: «Die Hassprediger –<br />

Frauke Petry und die AfD: Bericht aus dem Innern einer<br />

gefährlichen Partei». Schon im Editorial wird die Linie<br />

vorgegeben: «Journalisten sollen neutrale Beobachter<br />

sein, nicht Beteiligte des Geschehens. Doch wenn es<br />

um die AfD geht, ist das nicht so leicht (…).» Die Existenz<br />

der AfD werfe laut Spiegel «70 Jahre nach Kriegsende<br />

die Frage auf, was Deutschland aus der Diktatur<br />

gelernt und verstanden hat».<br />

Schrill und primitiv muss es sein, wenn die Einheitspresse<br />

über die AfD berichtet. Für die Frankfurter Allgemeine<br />

Zeitung ist die AfD die «Partei der Fanatisierten».<br />

Die Huffington Post will Alexander Gauland<br />

– den Landesvorsitzenden in Brandenburg – Anfang<br />

Januar dabei erwischt haben, wie er «erneut mit Nazi-<br />

Jargon» provozierte – er hatte den Begriff «Volkskörper»<br />

benutzt. Eine Redakteurin bei Zeit Online fühlte<br />

sich durch Björn Höckes Auftritt bei Günther Jauch<br />

im Oktober 2015 «bisweilen an Reichsparteitage erinnert»,<br />

tagesschau.de sah in dem Thüringer AfD-Chef<br />

einen «völkischen Verführer». Sogar die New York<br />

Times ließ sich Ende letzten Jahres dazu herab, Höcke<br />

als das «neue Gesicht des Rassismus in Deutschland»<br />

zu brandmarken.<br />

Von der Professorenzur<br />

Volkspartei<br />

14<br />

6. Februar 22. September 22./23. März<br />

25. Mai August/September<br />

Die Alternative für Deutschland<br />

(AfD) entsteht aus einer hessischen<br />

Bürgerinitiative und als Reaktion<br />

auf Merkels Rhetorik der<br />

«Alternativlosigkeit».<br />

Die AfD erreicht bei den Bundestagswahlen<br />

4,7 Prozent und verpasst<br />

nur knapp den Einzug ins<br />

Berliner Parlament.<br />

2013 2014<br />

Beim AfD-Parteitag in Erfurt rebelliert<br />

die Basis gegen Bernd<br />

Luckes Pläne, seine Macht als<br />

Parteichef auszudehnen. Lucke<br />

scheitert, die Satzungsänderung<br />

wird gestrichen.<br />

Die AfD trifft mit ihrer Euro-Kritik<br />

den Nerv der Zeit, bekommt bei<br />

den Europawahlen 7,1 Prozent<br />

und erhält sieben Mandate.<br />

Bei den Landtagswahlen erhält<br />

die AfD erst in Sachsen 9,7, dann<br />

zwei Wochen später in Brandenburg<br />

12,2 und in Thüringen 10,6<br />

Prozent – und zieht damit in drei<br />

Landtage ein.


<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

Der Mainzer Politikwissenschaftler Gerd Mielke,<br />

der schon für die SPD-Ministerpräsidenten Rudolf<br />

Scharping und Kurt Beck arbeitete, sprach in einem<br />

Interview mit dem SWR Anfang November 2015 von<br />

der «Pegida-AfD», die er als «Pack-Partei» ansieht. Da<br />

helfe nur «konsequente Einschüchterung des ”Packs”<br />

durch eine konsequente Kriminalisierung». Sein Rezept:<br />

«Wenn sich die Mengen von rechtsaffinen Kleinbürgern<br />

in Dresden in einem dreistündigen Polizeikessel<br />

erst alle mal in die Hose gepinkelt haben und<br />

abschließend mit Wasserwerfern traktiert wurden,<br />

dann haben sie für eine geraume Weile genug vom<br />

Demonstrieren.»<br />

Das Ende der Toleranz<br />

Die Haltung des Mainstreams gegenüber der AfD<br />

hat auch die Debatte um den Ausschluss aus der sogenannten<br />

Elefantenrunde des SWR und MDR illustriert.<br />

Die Sender wollten im Vorlauf zu den kommenden<br />

Landtagswahlen im März wie gewohnt Diskussionsrunden<br />

mit Vertretern aller großen Parteien senden –<br />

doch SPD und Grüne rebellierten. Die AfD würde<br />

dadurch nur unnötig aufgewertet, so die Rechtfertigung<br />

der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin<br />

Malu Dreyer (SPD) und ihres Parteichefs Gabriel. Ein<br />

pikantes Detail: Frau Dreyer ist auch Vorsitzende der<br />

Rundfunkkommission der Länder, bestimmt also die<br />

Medienpolitik der GEZ-Medien entscheidend mit. Einzig<br />

die CDU wollte sich der Debatte stellen und empfand<br />

die Reaktion der Grünen und Sozialdemokraten<br />

als «feige, peinlich und wirkungslos» und sprach von<br />

«indirekter Medienzensur». Die GEZ-Sender knickten<br />

dennoch ein und luden die AfD erstmal aus. Als diese<br />

Peinlichkeit die Runde machte, setzte ein zaghaftes<br />

Umdenken ein. Die AfD sollte doch noch zur Debatte<br />

kommen dürfen, aber Dreyer wollte nur einen B-Promi<br />

von der SPD schicken – ein Eiertanz par excellence.<br />

Nicht selten geht die Diskriminierung nach hinten<br />

los: Als ein Vertreter der AfD Anfang letzten Jahres<br />

zu einer Podiumsdiskussion zum Thema Asyl an das<br />

Kopernikus-Gymnasium im holsteinischen Bargteheide<br />

eingeladen wurde, protestierte ein Nachwuchspolitiker<br />

der Grünen mit den üblichen Plattitüden – man<br />

dürfe Fremdenfeinden kein Podium bieten. Die Schule<br />

lud ihn ein, ebenfalls zur Diskussion zu kommen – was<br />

er ablehnte. Stattdessen drohte er der Schulleitung:<br />

«Sollte die Veranstaltung trotzdem stattfinden, dann<br />

empfehlen wir, (…) Trillerpfeifen oder ähnliches mit<br />

in die Schule zu nehmen und die Veranstaltung gezielt<br />

und vor allem friedlich zu stören.» Der Rektor gab nach,<br />

blies die Veranstaltung ab. Der Clou: Für die AfD hätte<br />

an diesem Abend Achille Demagbo teilnehmen sollen.<br />

Er kam vor zehn Jahres aus dem westafrikanischen<br />

Benin in die Bundesrepublik. Doch die Grünen lieben<br />

Afrikaner nur dann, wenn sie in ihr Multimulti-Klischee<br />

passen…<br />

«Wir empfehlen, die Veranstaltung<br />

gezielt und vor allem friedlich zu<br />

stören.» Grünen-Politiker Patrick Rohde<br />

Gerade diejenigen, die immer wieder lautstark für<br />

Toleranz, Weltoffenheit und Meinungsfreiheit trommeln,<br />

zeigen im Falle der AfD ihr wahres Gesicht. Für<br />

viele Bürger steht die Abkürzung AfD dagegen für die<br />

Hoffnung auf den längst überfälligen Wandel, und hinter<br />

vorgehaltener Hand übersetzen sie: AfD – Angie<br />

fürchte Dich…<br />

Zurück in Weimar<br />

6.8.2015 – Leipzig<br />

Antifa greift die Firma von Frauke<br />

Petry an, zerstört Fensterscheiben<br />

und verursacht erheblichen<br />

Sachschaden.<br />

24.10.2015 – Berlin<br />

Privatfahrzeug der AfD-Europaabgeordneten<br />

Beatrix von<br />

Storch in Brand gesetzt.<br />

24./25.10.2015 – Stössen<br />

Werkstatt des AfD-Landeschefs<br />

André Poggenburg verwüstet.<br />

Sachschaden im fünfstelligen<br />

Bereich.<br />

17.1.<strong>2016</strong> – Göttingen<br />

Antifa belagert Wohnhaus des<br />

Vorsitzenden der Jungen Alternative<br />

Lars Steinke und droht<br />

mit seiner Ermordung.<br />

19.1.<strong>2016</strong> – Jena<br />

Farbbeutelanschlag auf das<br />

Wohnhaus der Thüringer Landtagsagbeordneten<br />

Wiebke<br />

Muhsal.<br />

23.1.<strong>2016</strong> – Karlsruhe<br />

Ein AfD-Plakatierer wird von<br />

vermummtem Linksextremisten<br />

mit Schusswaffe angegriffen.<br />

3.2.<strong>2016</strong> – Arnsberg<br />

Schüsse auf das Büro der AfD-<br />

Ratsfraktion. Drei Projektile<br />

durchschlagen eine Fensterscheibe.<br />

Bild oben: Schusswaffen-Anschlag<br />

auf die AfD-Ratsfraktion in Arnsberg,<br />

Februar <strong>2016</strong>.<br />

Bild links: Das ausgebrannte Auto<br />

der EU-Abgeordneten Beatrix von<br />

Storch. Fotos: Facebook<br />

15. Februar 10. Mai 2015<br />

4./5. Juli 16. September 28./29. November<br />

Die AfD erreicht bei den Hamburger<br />

Bürgerschaftswahlen 6,1 Prozent<br />

und sichert sich acht Sitze<br />

im Parlament.<br />

2015<br />

Bei der Bürgerschaftswahl in Bremen<br />

bekommt die AfD 5,5 Prozent<br />

der Stimmen und erhält vier<br />

Sitze.<br />

Frauke Petry und Jörg Meuthen<br />

werden auf dem Essener Parteitag<br />

als neue Parteivorsitzende<br />

bestätigt – Lucke verlässt wenig<br />

später die AfD und gründet die<br />

Partei Alfa.<br />

Der Thüringer AfD-Chef Björn<br />

Höcke organisiert die erste Erfurter<br />

Demonstration zur Asylpolitik.<br />

Die Demos finden daraufhin<br />

regelmäßig statt, mit bis zu<br />

10.000 Teilnehmern.<br />

Auf dem Bundesparteitag in<br />

Hannover zeigt sich die AfD einig,<br />

Frauke Petry fordert Merkels<br />

Rücktritt.<br />

Fotos: Archiv<br />

15


<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

«Wir dürfen nicht mitregieren, nirgends!»<br />

_ Interview mit Alexander Gauland<br />

Die drei Landtagswahlen im März geben in der AfD Anlass zu großen<br />

Hoffnungen. Doch was kann die Partei erreichen, wenn sie als drittstärkste<br />

Kraft dennoch weiter ausgegrenzt wird? Wie kann sie die<br />

immer wütenderen Angriffe der Etablierten kontern, wie die Einheit<br />

ihrer unterschiedlichen Flügel bewahren?<br />

«Die AfD hat ein<br />

Programm. Sie will<br />

die liberale<br />

Demokratie zerstören.»<br />

Augstein<br />

Nach 40 Jahren in der CDU gehörte<br />

Gauland zu den Gründungsmitgliedern<br />

der AfD. Foto: picture alliance<br />

/ dpa<br />

In den letzten Wochen geriet die AfD unter scharfes<br />

Feuer des Establishments. Was hat Sie am<br />

meisten geärgert?<br />

Der Versuch, uns in den Elefantenrunden des öffentlich-rechtlichen<br />

Fernsehens auszugrenzen. Das war<br />

eine undemokratische Methode. Staatsferne Medien<br />

hätten diesem Druck der großen Parteien widerstehen<br />

müssen. Ich fand den Widerstand aber nicht besonders<br />

kräftig.<br />

«Das ist dummes Zeug!»<br />

Das heißt, die Totschweigetaktik, die CDU-Fraktionschef<br />

Volker Kauder als Leitlinie für den Umgang<br />

mit der AfD ursprünglich ausgab, halten Sie<br />

für schlimmer als die Schmutzkübelei?<br />

Überspitzt gesagt: ja. Eine Schmutzkampagne ist für<br />

uns weniger schlimm als das Totschweigen, denn die<br />

Verleumdungen glauben die Leute ohnedies nicht mehr.<br />

Hat die AfD auch selbst Fehler im Wahlkampf<br />

gemacht?<br />

Natürlich passieren auch uns Fehler. Als solchen<br />

sehe ich die völlig missverstandene Äußerung von<br />

Frauke Petry zum Schusswaffeneinsatz an den Grenzen.<br />

Die Menschen wollen sichere Grenzen, sie wollen<br />

ein Ende der katastrophalen Flüchtlingspolitik. Aber<br />

Schüsse auf Frauen und Kinder, das stört auch diejenigen,<br />

die mit der Politik der Bundeskanzlerin vollkommen<br />

unzufrieden sind.<br />

Ende Januar schrieb Jakob Augstein im Spiegel:<br />

«Die AfD hat ein Programm. Sie will die liberale<br />

Demokratie zerstören.» Was antworten Sie ihm?<br />

Das ist dummes Zeug, und das weiß er auch. Wir<br />

haben ein klares Programm, zum Beispiel eindeutig<br />

rechtsstaatliche Positionen in der Asyl- und Zuwanderungsfrage.<br />

Und was die liberale Demokratie angeht:<br />

Wir wollen sie nicht zerstören, sondern wiederherstellen.<br />

Man kann doch nicht mehr von einer<br />

liberalen Demokratie sprechen, wenn alle Parteien<br />

im Bundestag in entscheidenden Punkten die gleiche<br />

Meinung vertreten und man die wichtigste Kraft, die<br />

Alternativen aufzeigt, nämlich die AfD, ausgrenzt und<br />

verteufelt.<br />

Die AfD braucht Petry – und Höcke<br />

16<br />

Von außen betrachtet gibt es in der AfD einen liberalen<br />

Pol um Frauke Petry, einen radikalen Pol<br />

um Björn Höcke – und dazwischen einen Alexander<br />

Gauland, der irgendwie vermittelt. So stellen<br />

es jedenfalls die Mainstream-Medien dar.<br />

Diese Wahrnehmung stimmt aus meiner Sicht nicht.<br />

Natürlich sind wir alle verschieden. Aber trotz mancher<br />

unterschiedlicher Position liegen wir doch im<br />

Kern eng beieinander. Frau Petry hat die Sorge, dass<br />

Höcke Wähler vertreibt. Ich glaube das eher nicht.<br />

Und ganz grundsätzlich gesehen, finde ich Ausgrenzung<br />

immer falsch. Was Höcke in Erfurt geschafft hat,<br />

nämlich 8.000 Menschen regelmäßig gegen den Asylwahnsinn<br />

auf die Straße zu bringen, muss ich anerkennen.<br />

Ich selbst habe das in Brandenburg nicht hinbekommen.<br />

Wenn er mal einen Fehler gemacht hat,<br />

etwa in der Talkshow von Günter Jauch oder mit seinen<br />

Ausführungen zum Reproduktionsverhalten der<br />

Afrikaner auf einer Tagung des Instituts für Staatspolitik<br />

im November, kann man ihn deswegen kritisieren<br />

– aber das sind keine Gründe, ihn fallenzulassen.<br />

Höcke gehört ganz unbestritten zu unserer Partei,<br />

so wie Frau Petry ganz unbestritten unsere Vorsitzende<br />

ist. Ich sage das nicht, weil ich mich in der Mitte<br />

zwischen beiden fühle, sondern weil ich alle im Boot<br />

halten will. Ich habe intensiv Wahlkampf in Baden-


<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

Württemberg geführt, weil ich mir dort ein gutes Ergebnis<br />

wünsche, sodass auch unser liberaler Flügel<br />

auf eigene Erfolge verweisen kann.<br />

Seit Jahresanfang scheinen Höcke und Petry die<br />

Plätze getauscht zu haben. Der Thüringer hält die<br />

Füße still, während die Sächsin mit pointierten<br />

Äußerungen auftrumpft…<br />

Da haben Sie Recht. Ich bin dankbar, dass Höcke sich<br />

zurückgehalten hat, um den Wahlkampf in Baden-<br />

Württemberg und Rheinland-Pfalz nicht zu erschweren.<br />

Und Frauke Petry ist bei der Grenzsicherung ein<br />

Fehler unterlaufen, ihr ist da etwas durch die Zähne<br />

gerutscht…<br />

…drangsaliert von einem Journalisten, der etwas<br />

aus ihr herauskitzeln wollte…<br />

Ja, wenn ich das als Fehler von ihr bezeichne, dann<br />

soll das keine Distanzierung bedeuten. Solche Fehler<br />

können jedem von uns passieren.<br />

Ist es nicht eine Einengung der Reichweite,<br />

wenn eine Partei ihre pointierten Flügelpersönlichkeiten<br />

bremst?<br />

Persönlichkeiten mit klarem Profil sind wichtig. Aber<br />

es gibt einen Unterschied: Volksparteien brauchen<br />

Flügel, weil sie einen breiten Querschnitt in der Bevölkerung<br />

ansprechen. Aber bei kleinen Parteien können<br />

Flügelkämpfe zerstörerisch wirken.<br />

Kann die AfD den Kanzler stellen?<br />

Wobei die AfD doch zügig zu einer Volkspartei<br />

heranwächst. 20 Prozent plus x erscheinen nicht<br />

mehr ausgeschlossen. Und dann? Habt Ihr eine<br />

Machtperspektive?<br />

Wir dürfen uns an keiner Regierung beteiligen. Nirgends.<br />

Wir müssen klare Oppositionsarbeit machen,<br />

überall. Sonst erleiden wir das Schicksal von Kleinparteien<br />

wie dem Bund der Heimatvertriebenen und<br />

Entrechteten (BHE), der Anfang der 1950er Jahre in<br />

der Umarmung der CDU erstickt wurde. Im Übrigen<br />

würde uns auch keine der großen Parteien als Koalitionspartner<br />

haben wollen, diese Tabuzone ist groß.<br />

Lieber machen sie eine Große Koalition, eventuell erweitert<br />

durch die Grünen.<br />

Aus der Geschichte der Grünen kann man lernen,<br />

dass das Konzept Fundamentalopposition zwar<br />

ein, zwei Legislaturperioden gut trägt, aber dann<br />

der Drang zum Mitregieren wächst, und zwar aus<br />

der eigenen Wählerschaft heraus.<br />

Das stimmt, aber dieser Zeitpunkt ist bei uns noch<br />

lange nicht erreicht. Wenn wir jetzt ans Mitregieren<br />

auch nur denken, würde es uns zerreißen. Die AfD ist<br />

eine junge Partei, wir müssen unsere personellen und<br />

fachlichen Ressourcen erst einmal aufbauen. Würden<br />

wir zum Beispiel nach der Landtagswahl mit der CDU<br />

in Baden-Württemberg eine Regierung bilden, wozu<br />

Zum Abschluss ihrer «Herbstoffensive»<br />

mobilisierte die AfD<br />

Anfang November 2015 über 7.000<br />

Asylkritiker nach Berlin. In der<br />

ersten Reihe marschierten links<br />

neben Gauland Marcus Pretzell<br />

(Europa-Abgeordneter) und Frauke<br />

Petry, rechts von ihm Beatrix von<br />

Storch (Europa-Abgeordnete).<br />

Foto: AfD Brandenburg<br />

«Wenn wir jetzt ans<br />

Mitregieren auch<br />

nur denken, würde<br />

es uns zerreißen.» <br />

<br />

Gauland<br />

17


<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

Gauland und Reschke<br />

In der Sendung Hart aber fair<br />

von Mitte Januar <strong>2016</strong> verteidigte<br />

Alexander Gauland das<br />

Wort «Lügenpresse». «Der Begriff<br />

ist überspitzt, stellt aber etwas<br />

Richtiges dar», so der stellvertretende<br />

Sprecher der Partei.<br />

Zur ebenfalls anwesenden<br />

Anja Reschke, Moderatorin des<br />

ARD-<strong>Magazin</strong>s Panorama, sagte<br />

er: «Ich habe das mal, entschuldigen<br />

Sie, gnädige Frau, Reschke-Fernsehen<br />

genannt. Wir sollen<br />

alle erzogen werden, sollen<br />

alles gut und richtig finden. Frau<br />

Reschke war für mich eine Symbolfigur<br />

dafür.»<br />

Reschke, die mit ihrem Flüchtlings-Kommentar<br />

«Aufstand der<br />

Anständigen» im vergangenen<br />

Jahr für Aufsehen gesorgt hatte,<br />

wehrte sich. «Mir war gar nicht<br />

bewusst, dass ich für die gesamte<br />

deutsche Fernseh-Landschaft<br />

stehe.»<br />

Nach der Sendung saß Gauland<br />

mit Reschke noch zusammen.<br />

«Ich war angenehm überrascht,<br />

wie offen sie gegenüber unseren<br />

Positionen war», sagte er<br />

gegenüber <strong>COMPACT</strong>.<br />

es rein rechnerisch reichen könnte, dann müssten wir<br />

eine ganze Menge Dinge mittragen, die unsere Wähler<br />

als Verrat empfinden würden.<br />

Gut, Juniorpartner und damit Steigbügelhalter<br />

für die CDU, das geht gar nicht. Aber warum dann<br />

Rückzug auf Fundamentalopposition und nicht<br />

lieber Offensive und auf Sieg spielen? Warum<br />

nicht das Ziel ausgeben: AfD wird stärkste Partei<br />

und stellt den Kanzler?<br />

Dafür ist die Zeit nicht reif. Ich neige nicht zu Größenwahn.<br />

Das Szenario würde voraussetzen, dass die<br />

CDU in mehrere Einzelteile zerfällt. Aber die Erfahrung<br />

lehrt: Gewachsene politische Milieus halten auch<br />

dann noch an einer bestimmten Partei fest, wenn sie<br />

deren Politik bereits ablehnen. Wobei Merkel, wenn<br />

sie so weitermacht, aufpassen muss, dass sie die Union<br />

nicht zerstört. Das wäre dann eine neue Lage, dann<br />

wäre die von Ihnen skizzierte Option offen. Aber jetzt<br />

ist das noch nicht gegeben.<br />

Unverhofft kommt oft: In Griechenland zerfielen<br />

alle etablierten Parteien zwischen 2011 und 2014,<br />

und die vorher unbedeutende Syriza stieg zur<br />

stärksten Kraft auf und stellt seither den Premier.<br />

Aber das Beispiel Syriza zeigt auch, wie eine solche<br />

neue Kraft sich in in dieser Situation spaltet, dass also<br />

Regierungsbeteiligung für eine junge Partei fast tödlich<br />

ist. Deshalb wünsche ich mir ein kräftiges Wachstum<br />

für die AfD, aber keine Quantensprünge.<br />

«Mit dieser Kanzlerin gibt es keine<br />

Zukunft für Deutschland.» Gauland<br />

lich die Grenzen geöffnet und viele Monate gegen<br />

jede Kritik offen gehalten hat. Das Einzige, was ihr<br />

übrig bleibt, wäre, in Einzelpunkten gegenzusteuern<br />

und Schadensbegrenzung zu versuchen, ganz nach<br />

dem Motto: Wasch mich, aber mach mir den Pelz<br />

nicht nass.<br />

Das merken doch die Leute!<br />

Das weiß ich nicht. Die Abwendung von einer Partei<br />

kann lange dauern. Wie viele Jahre hat es gebraucht,<br />

bis sich die Wähler von der Adenauer-CDU<br />

abgewendet und Brandts SPD als Alternative wahrgenommen<br />

haben? Merkels Anhänger halten ihr zugute,<br />

dass sie die Euro-Krise geschickt gemanagt hat.<br />

Sie hoffen, dass sie das auch in der Flüchtlingskrise<br />

hinbekommt. Ich mache aber eine Einschränkung:<br />

Falls es auch in Deutschland zu einem schweren Anschlag<br />

kommt, wäre Merkel schnell am Ende.<br />

Noch eine Analogie zum Aufstieg der Grünen:<br />

Die haben Ende der 1970er Jahre ihr wichtigstes<br />

Ziel, den Neubau von Atomkraftwerken zu<br />

verhindern, nicht durch Wahlergebnisse erreicht,<br />

die waren damals noch sehr bescheiden.<br />

Vielmehr war es der zivile Widerstand, Verhinderungsaktionen<br />

an den AKW-Bauplätzen,<br />

der damals das Atomprogramm zu Fall brachte.<br />

Brauchen wir den nicht auch jetzt, um den Zuwanderungs-Tsunami<br />

zu stoppen?<br />

Ich sehe keine Massenbewegung, die zum zivilen<br />

Ungehorsam greifen will. Wenn die millionenfache<br />

Zuwanderung anhält und die Deutschen dann auch<br />

Wohlstandseinbußen spüren, will ich das nicht ausschließen.<br />

Aber erst dann.<br />

18<br />

Anja Reschke. Foto: ARD<br />

Alexander Gauland (*1941) führte<br />

die AfD als Spitzenkandidat zu<br />

ihrem bisher größten Erfolg,<br />

nämlich bei den Landtagswahlen<br />

in Brandenburg Mitte September<br />

2014 (12,2 Prozent) und ist in<br />

diesem Bundesland Landes- und<br />

Fraktionsvorsitzender sowie stellvertretender<br />

Bundesvorsitzender.<br />

1972 trat er in die CDU ein, 1987 bis<br />

1991 war er Staatssekretär unter<br />

dem hessischen Ministerpräsidenten<br />

Walter Wallmann. – Interview:<br />

Jürgen Elsässer<br />

Aber was macht Ihr als Oppositionspartei mit<br />

möglichen 15 bis 20 Prozent? Wie bekommen wir<br />

die Grenzen dicht und Merkel weg?<br />

Mit dieser Kanzlerin gibt es keine Zukunft für Deutschland.<br />

Was wir mit unseren Wahlerfolgen jetzt erreichen<br />

können, ist Verunsicherung an der Basis der CDU,<br />

sodass die Mitglieder Druck auf ihre Abgeordneten<br />

ausüben, damit diese wiederum die Kanzlerin zwingen,<br />

die Masseneinwanderung zu stoppen, oder sie<br />

andernfalls im Bundestag abwählen. Dieser Prozess<br />

ist dank der AfD schon in Gang gekommen, es gibt<br />

massenhafte Austritte aus der CDU. Wenn sich das<br />

zu einem Flächenbrand ausweitet, werden sich die<br />

Abgeordneten gegen Merkel stellen.<br />

Halten Sie es für möglich, dass Merkel sich in<br />

einer solchen Situation schlangengleich häutet<br />

und von sich aus die Grenzen schließt, um sich<br />

im Amt zu halten?<br />

So grundsätzlich kann sie sich nicht mehr ändern, das<br />

ist ausgeschlossen. Sie kann sich nicht plötzlich als<br />

scharfe Grenzwächterin geben, nachdem sie persön-<br />

Der stellvertretende AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuten führt die<br />

Partei in den baden-württembergischen Wahlkampf. Er wird dem<br />

liberalen Flügel zugerechnet. Foto: Frank Ossenbrink


In drei Schritten zum Sturz<br />

_ von Jürgen Elsässer<br />

Deutschland braucht eine Wende –<br />

und keinen Kopfstand. Foto: picture<br />

alliance / Ulrich Baumgarten<br />

Merkel ist am Ende – aber wie werden wir sie los? In diesem Frühjahr stehen die Chancen<br />

so gut wie nie. Im Volk zunehmend unbeliebt und international isoliert, bröckelt nun auch<br />

ihre Unterstützung in der eigenen Partei. Ein Funke kann einen Steppenbrand entzünden.<br />

Sind das die letzten Tage im Kanzlerbunker? Angie<br />

allein zu Haus – nur noch ihr treuer Eunuch Peter Altmaier<br />

schleicht durch die menschenleeren Gänge. An<br />

der Tür hält der knorrige Volker Kauder einsam Wache.<br />

Die Peitsche, mit der er die Kritiker in der Fraktion auf<br />

Linie zwang, nützt ihm nichts mehr: Tatsächlich haben<br />

schon 50 Abgeordnete der Kanzlerin per Brief den<br />

Gehorsam in der Flüchtlingsfrage aufgekündigt. In<br />

Umfragen fordern mittlerweile 40 Prozent der Deutschen<br />

den Rücktritt der Regierungschefin.<br />

Auch der letzte Vorstoß des düsteren Wolfgang<br />

Schäuble hat nicht gefruchtet: Die Asylkosten durch<br />

einen Benzinzuschlag zu finanzieren – genau das<br />

musste die Volksseele zum Kochen bringen. Der Unmut<br />

über die Zuwanderung kombiniert mit dem Zorn der<br />

Autofahrer, einer der mächtigsten Lobbys im Land –<br />

man muss schon sehr verzweifelt sein, um die Explosivität<br />

dieser Mischung nicht im Vorfeld zu erkennen.<br />

Den Badener, einen alten Fährensmann der Union, hat<br />

sein Instinkt verlassen.<br />

Auch aus dem Ausland kommt schlimme Kunde. Die<br />

Amerikaner, die Merkel noch im Dezember als «Person<br />

of the Year» auf das Titelbild von Time <strong>Magazin</strong><br />

gehievt hatten, forderten sie schon keine vier Wochen<br />

später per New York Times zum Rücktritt auf. Dänemark<br />

und Schweden machen die Grenzen dicht, die<br />

Osteuropäer haben gegen die Islamisierung sogar<br />

eine Art Warschauer Pakt gebildet. Selbst Werner Faymann,<br />

ihr treuester Knappe, hat die Fahne gestrichen<br />

und verspricht seinen Österreichern eine Asylanten-<br />

Obergrenze. So ist Erdogan der letzte Verbündete, der<br />

Merkel bleibt – der blutbesudelte Macbeth der Hohen<br />

Pforte. Zu ihm eilt sie Anfang Februar und verspricht<br />

ihm weitere Milliarden – während seine Soldateska<br />

weiter Jagd auf Kurden macht. Ob sie mit diesem Kniefall<br />

bei ihren Wählern Sympathien mobilisieren kann?<br />

Horst Seehofer war da schon cleverer: Er flog kurz<br />

vorher nach Moskau und trat damit in die Fußstapfen<br />

von Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber, die schon<br />

immer, zum Kummer der jeweiligen Bundesregierung,<br />

eine königlich-bayrische Ostpolitik betrieben haben.<br />

Zäh wie Pattex<br />

Doch niemand sollte darauf hoffen, dass Merkel<br />

von alleine aufgibt. Zurück zur Grenzsicherung kann<br />

sie ohnedies nicht mehr – zu oft und zu verbissen hat<br />

sie ihr Mantra «Wir schaffen das» verkündet. Und was<br />

ihr an Unterstützung in der Mitte davonläuft, gleicht<br />

sie durch Verbündete von links aus: SPD und Grüne, ja<br />

«Die Lage ist<br />

brenzlig.» <br />

Merkel-Vertrauter<br />

Asylkrise: Weiter<br />

so?<br />

Deutschlandtrend<br />

3.Februar <strong>2016</strong><br />

«Die Bundesregierung hat die<br />

Flüchtlingssituation im Griff»:<br />

JA<br />

NEIN<br />

18<br />

81<br />

«Finden Sie die Einführung von<br />

Grenzkontrollen zwischen den<br />

EU-Ländern richtig?»:<br />

JA<br />

NEIN<br />

53<br />

42<br />

Angaben in Prozent<br />

Quelle: infratest dimap<br />

19


<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

die friedliche Wende in der DDR 1989. Wer die Landsleute<br />

zu Aktivitäten anspornen will, wird gut daran tun,<br />

an dieses Vorbild zu erinnern – anstatt sich am revolutionären<br />

Pathos zu berauschen, was die Nachdenklichen<br />

gleich an Guillotine oder Tscheka erinnert.<br />

Schritt 1: Wir klagen gegen die Regierung<br />

Die letzte wirkliche Revolution<br />

in Deutschland fand 1848 statt.<br />

Damals musste sich Preußens<br />

König Friedrich Wilhelm IV. vor den<br />

Gefallenen des Volkes verneigen. In<br />

den folgenden Monaten zerschlug<br />

er trotzdem die demokratische<br />

Bewegung in allen deutschen<br />

Regionen. Foto: BPK, Berlin, Dist<br />

RMN-Grand Palais, Knud Petersen<br />

selbst die Erben der SED stehen in der Zuwanderspolitik<br />

in Treue fest zu ihr, auf deren Gefolgsleute kann sie<br />

sich verlassen – nicht nur in den Parlamenten, sondern<br />

auch in den GEZ-Medien und der Monopolpresse. Seit<br />

Januar unterliegt sogar das Internet einer verschärften<br />

Zensur: Heiko Maas – der ewige Konfirmand unter der<br />

Maske des Reichsjustizministers – hat die ehemalige<br />

Stasi-IM Anetta Kahane und eine Hundertschaft weiterer<br />

Blogwarte beauftragt, Tag und Nacht Facebook zu<br />

durchwühlen und unliebsame User zu sperren.<br />

Verallgemeinernd könnte man sagen: Der Deutsche<br />

ist nicht für Aufstand und Chaos, sondern für Recht und<br />

Ordnung. Diese Mentalität, die Konrad Adenauer unter<br />

dem Slogan «Keine Experimente» absolute Mehrheiten<br />

brachte, konnte Merkel lange Zeit für sich nutzen – bis<br />

Sommer 2015 galt sie dem Wahlvolk als «Schutzherrin<br />

des Status Quo» (FAZ). Doch seit August verhöhnt<br />

die Kanzlerin die Ordnungsliebenden im eigenen Land:<br />

Gerade sie ist es ja, die durch die Grenzöffnung das<br />

Recht gebrochen und Chaos verbreitet hat, wie die Silvesterkrawalle<br />

in Köln und anderswo gezeigt haben.<br />

Ihre Parteigänger sprechen ganz offen aus, dass es um<br />

eine tiefgreifende Umgestaltung des Landes – vulgo:<br />

eine Revolution – geht. Der Spiegel etwa begrüßte<br />

die Massenzuwanderung genau deswegen: «Die Massen<br />

sind eine Belastung; aber auch eine Chance. Sie<br />

zwingen das Land, weltoffener zu werden, großzügiger<br />

– und ein bisschen chaotisch.» Auch Bundespräsident<br />

Joachim Gauck will «die Nation neu definieren».<br />

Er hält es für einen Vorteil, «wenn sich noch mehr Menschen<br />

als bisher von dem Bild einer Nation lösen, die<br />

sehr homogen ist, in der fast alle Menschen Deutsch<br />

als Muttersprache haben, überwiegend christlich sind<br />

und hellhäutig».<br />

20<br />

Rebellion gegen<br />

Mutti Multikulti<br />

Deutschlandtrend<br />

3.Februar <strong>2016</strong><br />

«Die Bundesregierung hat die<br />

Flüchtlingssituation nicht im<br />

Griff»:<br />

Unions-Anhänger<br />

67<br />

Grüne-Anhänger<br />

67<br />

SPD-Anhänger<br />

83<br />

AfD-Anhänger<br />

100<br />

Zustimmung in Prozent<br />

Quelle: infratest dimap<br />

Was in südlichen Ländern zu Straßenaufruhr, vielleicht<br />

zum Generalstreik führen würde, hat in Deutschland<br />

bisher nur einen Volkssturm im virtuellen Wasserglas<br />

zur Folge: Das Netz ist voll von Aufrufen zur Revolution,<br />

beinahe jeden Monat wird zur Attacke auf den<br />

Reichstag geblasen. Doch 99,5 Prozent der Deutschen<br />

belassen es dabei, die Faust in der Tasche zu ballen<br />

und ansonsten daheimzubleiben. Schon Lenin spottete:<br />

Bevor die einen Bahnhof besetzen, lösen sie eine Bahnsteigkarte.<br />

Es ist wenig verwunderlich, dass es Russen<br />

und Russlanddeutsche waren, die Ende Januar, nach<br />

den Nachrichten über den Missbrauch der 13-jährigen<br />

Lisa (siehe Seite 25), die bisher größten asylkritischen<br />

Demonstrationen in den alten Bundesländern zustande<br />

brachten: Aus dem wilden Osten zwischen Königsberg<br />

und Wladiwostok haben sie ein paar Revolutionsgene<br />

mitgebracht, die den Deutschen in ihrer DNA fehlen.<br />

Doch wir sollten nicht zu hart mit unseren braven<br />

Mitbürgern ins Gericht gehen: Dass man hierzulande<br />

nicht ohne Not mit Gewehren auf die Barrikaden steigt,<br />

spricht für historische Vernunft. Wann immer nämlich<br />

unsere Vorväter revoluzzten, bei den Bauernkriegen<br />

1525 oder im März 1848, war ein Blutbad die Folge –<br />

und erreicht wurde nichts. Ein Glücksfall dagegen war<br />

Es geht um eine Bürgerbewegung,<br />

die nicht die Revolution gegen das<br />

Recht durchsetzen will, sondern das<br />

Recht gegen die Multikulti-<br />

Revolutionäre.<br />

Es geht also um eine Bürgerbewegung, die nicht<br />

die Revolution gegen das Recht durchsetzen will – das<br />

machen ja Merkel, Gauck und Co. bereits –, sondern<br />

die, genau umgekehrt, dem Recht gegen die Multikulti-Umstürzler<br />

wieder Geltung verschafft. Um für dieses<br />

durchaus konservative Ziel Menschen in Bewegung<br />

zu setzen, ist die Verfassungsbeschwerde gegen<br />

die Massenzuwanderung, die der Staatsrechtler Karl<br />

Albrecht Schachtneider Anfang Februar im Auftrag der<br />

Initiative Einprozent in Karlsruhe eingereicht hat (siehe<br />

Seite 24), so wichtig: Sie zeigt, dass wir die freiheitlich<br />

demokratische Grundordnung verteidigen – und<br />

die Verfassungsfeinde im Kanzleramt und im Schloss<br />

Bellevue sitzen.


<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

Fast muss man dankbar sein, dass Seehofer eine<br />

ähnliche Beschwerde, die er seit Jahresanfang ausgearbeitet<br />

in der Schublade liegen hat, bisher nicht<br />

abschickte – sonst könnte er die Unterstützung für<br />

seine parteitaktischen Spielchen nutzen. So landet<br />

der Zuspruch bei der Einprozent-Initiative, die lokale<br />

Gruppen im ganzen Land vernetzt (siehe Infobox Seite<br />

24). Obwohl Schachtschneiders Pressekonferenz von<br />

den etablierten Medien boykottiert wurde, hat sich der<br />

Vorstoß in Windeseile verbreitet: Das Video wurde auf<br />

den verschiedenen Internet-Angeboten, unter anderem<br />

bei <strong>COMPACT</strong>, innerhalb von zehn Tagen über eine Million<br />

mal angesehen – und Einprozent hat dank der Verfassungsbeschwerde<br />

mittlerweile über 25.000 Unterstützer.<br />

Schritt 2: Wir kontrollieren die Wahl<br />

Die drei Landtagswahlen im März drohen zum<br />

Debakel für die Blockparteien zu werden. Laut Umfragen<br />

hat die AfD in Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg<br />

die Chance, stärker zu werden als die SPD.<br />

Außerdem könnte die CDU im «Ländle» von den Grünen<br />

überholt werden; ihre Anhängerschaft wird auseinandergerissen,<br />

weil die Multikulti-Anhänger nach<br />

links abwandern, also das Original der Kopie vorziehen,<br />

und die Multikulti-Kritiker zur Alternative von Frau<br />

Petry übergehen, die die Ideale der Kohl-Ära hochhält.<br />

Was läge näher, als das Debakel durch Tricksereien<br />

bei der Auszählung zu verhindern? Will jemand<br />

behaupten, was im Honecker-Staat gemacht wurde,<br />

sei in der Merkel-Republik unmöglich? Schon bei der<br />

letzten Landtagswahl in Bremen ließen willige Wahlhelfer<br />

AfD-Stimmen unter den Tisch fallen – erst durch<br />

eine Nachauszählung erhielt die Partei das gestohlene<br />

Mandat zurück. In Köln vertauschten eifrige Sozis<br />

2014 in einem Briefwahlbezirk das Ergebnis von CDU<br />

und SPD – was letzterer die Mehrheit im Rat brachte<br />

(siehe Seite 23). Man bedenke: Das waren Betrügereien<br />

in Schönwetterzeiten. Zu welchen Mitteln werden<br />

die Etablierten erst greifen, um zu verhindern, dass<br />

die AfD zur Volkspartei aufwächst und die Tektonik des<br />

ganzen Systems erschüttert?<br />

In möglichst vielen Wahllokalen<br />

sollen freiwillige Helfer die Stimmauszählung<br />

überwachen.<br />

Viele dürften unseren Politikern ein solches Maß<br />

an Skrupellosigkeit nicht zutrauen. Ich schon! In jedem<br />

Fall gilt: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Einprozent<br />

will versuchen, in allen drei Bundesländern für<br />

möglichst viele Wahllokale freiwillige Helfer zu finden,<br />

die von dem Recht zur Vor-Ort-Prüfung der Stimmauszählung<br />

Gebrauch machen und ihre Ergebnisse, samt<br />

eventueller Auffälligkeiten, noch am Abend des 13.<br />

März an eine unabhängige Zentrale weiterleiten. So<br />

könnten Manipulationen zeitnah entdeckt und die GEZ-<br />

Hochrechnungen mit eigenen gekontert werden. Wenn<br />

bereits im Vorfeld klar wäre, dass diese Überwachung<br />

flächendeckend abgesichert werden kann, würden sich<br />

mögliche Betrüger zurückhalten.<br />

Die Bürger selbst sorgen in diesem Fall dafür, dass<br />

alles fair abläuft – und dass nach dem Urnengang nicht,<br />

wie bisher, einfach alles so weiter geht. Fällt die Union<br />

nämlich unter 30 Prozent, dürfte es eng werden für die<br />

Vorsicht Fälschung!<br />

Welt Online berichtete am 6. Februar<br />

<strong>2016</strong>: «Kurz vor der Landtagswahl<br />

in Sachsen-Anhalt<br />

dürfen auch Menschen ohne<br />

deutschen Pass ihre Stimme abgeben.<br />

Bei einer Probewahl am<br />

11. März sollen Migranten und<br />

Migrantinnen mit dem politischen<br />

System in Deutschland<br />

vertraut gemacht werden, wie<br />

der Geschäftsführer des Landesnetzwerk<br />

Migrantenorganisationen<br />

Sachsen-Anhalt (LAMSA),<br />

Mamad Mohamad, in Halle sagte.<br />

14 Wahllokale im Land sind<br />

von 10.00 bis 18.00 Uhr geöffnet.<br />

Allerdings zählt das Ergebnis<br />

nicht für die offizielle Landtagswahl<br />

am 13. März.» Ach<br />

was, die Stimmen der Asylanten<br />

werden nicht bei der Landtagswahl<br />

mitgerechnet? Und wer<br />

kontrolliert, dass das nicht doch<br />

passiert – wenn nicht der wache<br />

Bürger selbst?<br />

Jammerplakat von Pro Asyl aus<br />

früheren Jahren. Jetzt wird alles<br />

anders… Foto: Pro Asyl<br />

Die Pegida-Sprecherin Tatjana Festerling erhielt bei den Dresdner<br />

Oberbürgermeisterwahlen im Sommer 2015 9,6 Prozent.<br />

Foto: Facebook<br />

Die erste AfD-Demonstration gegen den Asylwahnsinn am 14. Oktober 2015 in Magdeburg. In der Mitte<br />

André Poggenburg, der Landesvorsitzende und Spitzenkandidat bei den Landtagswahlen. Foto: dpa<br />

21


<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

<strong>COMPACT</strong>-Live zur<br />

Schicksalswahl<br />

Drei Tage vor der wichtigen<br />

Landtagswahl in Sachsen-Anhalt<br />

lädt <strong>COMPACT</strong> zur Großveranstaltung<br />

ein: «AfD vor dem<br />

Durchbruch. Die bessere Kanzlerin<br />

ist Frauke Petry!» Es referieren<br />

der AfD-Landesvorsitzende<br />

André Poggenburg und Chefredakteur<br />

Jürgen Elsässer. Mit Informationen<br />

über die weiteren<br />

Schritte der Bürgeropposition:<br />

10. März, Eventhalle Halber85.<br />

Halberstädter Straße 85, 39112<br />

Magdeburg. Beginn 18.30 Uhr,<br />

Einlass 18 Uhr. Reservierung<br />

dringend empfohlen: compactonline.de/compact-live/.<br />

Am 13. März, dem Wahlabend<br />

selbst, wird es ziemlich sicher<br />

Sondersendungen von COM-<br />

PACT-TV geben. Bitte beachten<br />

Sie die Hinweise im Vorfeld auf<br />

unserer Webseite.<br />

AfD-Landesvorsitzender in Sachsen-<br />

Anhalt André Poggenburg.<br />

Foto: <strong>COMPACT</strong><br />

Kanzlerin. Denn die Hinterbänkler in der Bundestagsfraktion<br />

stützten sie bislang vor allem deswegen, weil<br />

sie für hohe Ergebnisse stand und ihnen damit Mandat<br />

und fette Diäten garantierte. Aber wenn Merkels<br />

Asylstarrsinn zum Runterzieher bei Urnengängen wird,<br />

werden die Opportunisten aus purem Eigeninteresse<br />

umdenken.<br />

Schritt 3: Wir stürzen Merkel<br />

«Ein mögliches Ende Merkels wird derzeit in Berlin<br />

mit einer Offenheit diskutiert, die vor wenigen<br />

Wochen noch undenkbar gewesen wäre», schrieb der<br />

Focus Ende Januar. «Die Lage ist brenzlig», räumte ein<br />

Merkel-Vertrauter gegenüber der Zeitschrift ein. Was<br />

passiert, wenn die CDU/CSU-Bundestagsfraktion der<br />

Kanzlerin das Vertrauen entzieht und beispielsweise<br />

Schäuble zum Nachfolger kürt? Da der neue Regierungschef<br />

im Bundestag mit Mehrheit gewählt werden<br />

müsste, ginge das nur mit den Stimmen der SPD.<br />

Dann sitzt der Badener in der Zwickmühle: Wenn er,<br />

dem Wählerwillen entsprechend, mit einer scharfen<br />

Regulierung des Zuzugs Ernst zu machen verspricht,<br />

bekommt er die Unterstützung der Sozialdemokraten<br />

nicht. Um die SPD von einem Kanzler Schäuble zu überzeugen,<br />

müsste er vielmehr in etwa so weiterwurschteln<br />

wie Merkel. Dann aber würde die Verbitterung im<br />

Volk weiter wachsen. Noch höher würden die Wogen<br />

schlagen, wenn Gabriel aus der Not der Union eine<br />

Tugend zu machen versuchte und sich mit den Stimmen<br />

von rot-rot-grün selbst zum Kanzler wählen ließe – was<br />

rein rechnerisch möglich wäre. Der Stern gibt noch zu<br />

bedenken: «Schwer vorherzusagen, wie die CSU erst<br />

randaliert, wenn die AfD Mitte März bei den Landtagswahlen<br />

zweistellige Ergebnisse holt.» Ein demokratischer<br />

Ausweg aus dem ganzen Dilemma wäre natürlich<br />

die Ansetzung von Neuwahlen. Aber insbesondere<br />

die SPD würde das nicht wagen, weil sie dann befürchten<br />

müsste, auch auf Bundesebene tief abzustürzen.<br />

Offensichtlich ist: Nach dem 13. März könnten<br />

die Altparteien in Turbulenzen kommen wie noch nie<br />

zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik. Voraussetzung<br />

ist allerdings, dass die AfD zumindest in Stuttgart<br />

und Magdeburg stärker als die SPD wird und sich<br />

der 20-Prozent-Marke nähert. Deshalb muss jeder, der<br />

Merkels Katastrophenpolitik stoppen will, jetzt die<br />

Petry-Truppe wählen – und zwar unabhängig davon,<br />

ob man sie tatsächlich für eine gute Alternative hält. Es<br />

genügt, in der AfD das kleinste aller Übel zu sehen: ein<br />

Instrument, um das arrogante und verlogene Machtkartell<br />

der Etablierten aufzubrechen und ihre Formation<br />

so in Unordnung zu bringen, dass ein «Weiter so»<br />

unmöglich wird.<br />

In dieses politische Vakuum könnte<br />

eine außerparlamentarische<br />

Bewegung stoßen.<br />

Das Hin und Her der Blockparteien nach einem<br />

Wahldesaster könnte sich über Wochen und Monate<br />

hinziehen. In dieses politische Vakuum, in diese<br />

Schwächephase des Regimes – bei Fortdauer der<br />

Asylwelle mit allen hässlichen Begleiterscheinungen<br />

– könnte eine außerparlamentarische Bewegung<br />

stoßen: Die derzeit regional zersplitterten Initiativen<br />

müssten eine zentrale Großdemonstration zustande<br />

bringen. Als im November 1989 500.000 DDR-Bürger<br />

in Ostberlin demonstrierten, war das Schicksal von Honecker<br />

besiegelt. Das ist das Modell für einen Erfolg.<br />

Viele fragen: Was bringt es, wenn Merkel weg ist<br />

und dann die nächste Charaktermaske des Systems<br />

ans Ruder kommt? Und was bringt es, wenn wir mit<br />

einer Million vor dem Reichstag stehen und am Abend<br />

wieder nach Hause fahren? Darauf kann man nur mit<br />

Kaiser Franz antworten: Schau mer mal. Die friedliche<br />

Revolution in der DDR hat gezeigt, dass ein Großkopferter<br />

selten alleine fällt: Zuerst wurde Honecker<br />

gestürzt, dann kam Egon Krenz an die Reihe, schließlich<br />

Hans Modrow. Wenn das Volk erst einmal ein<br />

Bewusstsein seiner eigenen Kraft entwickelt hat, ist<br />

alles möglich. Zugegeben: Eine Erfolgsgarantie gibt<br />

es nicht – wer wagt, kann verlieren. Aber: Wer nichts<br />

wagt, hat schon verloren!<br />

22<br />

Die Rückkehr von 1989? Auch am Ende der DDR war Dresden<br />

eines der Zentren des Widerstandes. Hier die Pegida-Demonstration<br />

am 6. Februar <strong>2016</strong> mit über 15.000 Teilnehmern.<br />

Foto: picture alliance/Geisler-Foto


<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

Geisterwähler aller Orten<br />

_ von Harry Daniel<br />

Wahlmanipulation gibt es nur in Schurkenstaaten? Keineswegs, auch in der Bundesrepublik<br />

wird immer wieder geschoben und getrickst. Die Fälle in Bremen, Stendal, Köln,<br />

Hamburg und Halle sind nur die wichtigsten aus den letzten Jahren.<br />

Ein besonders gutes Biotop für Wahlfarcen war<br />

schon immer die SPD-Hochburg Bremen. Die konservative<br />

Wählervereinigung Bürger in Wut (BIW) des Polizisten<br />

Jan Timke reicht seit ihrem ersten Wahlantritt<br />

2007 immer wieder Klage gegen die amtlichen Ergebnisse<br />

ein. Bei ihrem Debüt war die BIW mit angeblich<br />

4,99 Prozent und nur einer einzigen Stimme an<br />

der Fünf-Prozent-Hürde im Stadtteil Bremerhaven<br />

gescheitert. Nachdem sie die Neuauszählung eines<br />

Wahlbezirks gerichtlich durchgesetzt hatte, kam sie<br />

dann über die Sperrklausel.<br />

Bei den Landtagswahlen 2015 kam es zu einem<br />

politischen Déjà-vu. Die AfD scheiterte zunächst mit<br />

4,97 Prozent, wieder in Bremerhaven. Die von der rotgrünen<br />

Stadtregierung beauftragten Auszähler, Gymnasiasten<br />

im Alter von 16 bis 18 Jahren, hatten die<br />

Ergebnisse nach eigenem Ermessen manipuliert. Das<br />

Wahlgericht überprüfte allerdings nur die 100 verschwundenen<br />

Stimmzettel, die von der AfD entdeckt<br />

worden waren, Neuwahlen und vollständige Neuauszählungen<br />

wurden abgelehnt – die Alternative<br />

bekam trotzdem ihren Sitz. Ein Deal? Der hessische<br />

CDU-Abgeordnete Hartmut Honka offenbarte nach<br />

dem Skandal sein gestörtes Demokratieverständnis<br />

und twitterte: «Was ist schlimmer? Schüler fälschten<br />

Wahl oder ein Sitz mehr für die AfD?»<br />

In Stendal (Sachsen-Anhalt) kam es bei der Kommunalwahl<br />

vom 25. Mai 2014 zu schwerem Wahlbetrug.<br />

Der CDU-Kandidat Holger Gebhardt hatte bei<br />

der Briefwahl angeblich 689 Stimmen erhalten (11,3<br />

Prozent). In 37 Wahllokalen, mit über 80 Prozent Wahlbeteiligung,<br />

kam er dagegen auf nur knapp 0,5 Prozent<br />

(148 von rund 29.000 Stimmen). Wahlleiter Axel<br />

Kleefeldt (CDU) sprach zunächst von einer ordnungsgemäß<br />

abgelaufenen Wahl. Nach drei Wochen räumte<br />

er jedoch Unregelmäßigkeiten ein. Zwölf angeblich<br />

Bevollmächtigte hatten insgesamt 189 Briefwahl-<br />

Unterlagen abgeholt, in einem Fall kamen auf eine<br />

Person sage und schreibe 33!<br />

Die Polizei fand heraus, dass die Unterschriften von<br />

160 Vollmachtgebern gefälscht worden waren. Viele von<br />

ihnen waren beim Jobcenter registriert – der Arbeitsstelle<br />

des CDU-Kandidaten. Die Staatsanwaltschaft<br />

ermittelt derweil immer noch gegen Gebhardt und zwölf<br />

weitere Personen. Tilman Tögel (SPD) bezeichnet die<br />

Stendaler CDU als «Camorra von der Uchte».<br />

Proteste gegen die Wahlfälschungen vom Mai 1989 markierten<br />

den Beginn der friedlichen Revolution in der DDR.<br />

Foto: Lemo<br />

Bei der Kölner Kommunalwahl vom 25. Mai 2014<br />

sah die rot-grüne Koalition ihre Futtertröge gefährdet.<br />

Sie tauschte im Zuge des drohenden Machtverlustes<br />

die Wahlergebnisse des Briefwahlbezirks Rodenkirchen.<br />

Die 25,04 Prozent der SPD wurden einfach der<br />

CDU untergeschoben. Die Sozialdemokraten erhielten<br />

im Gegenzug die 42,25 Prozent der CDU. Dieser Betrug<br />

sicherte den Mitte-links-Parteien eine hauchdünne Ein-<br />

Stimmen-Mehrheit im Stadtrat.<br />

Auch bei der Bundestagswahl im September 2013<br />

kam es zu Unregelmäßigkeiten: In Hamburg verschwanden<br />

1<strong>03</strong>.000 Briefwähler-Stimmen – im statistischen<br />

Durchschnitt hätten es höchstens 30.000 sein dürfen.<br />

Trotz 301.884 angeforderter Wahlscheine waren angeblich<br />

nur 198.739 zurückgekommen. Nach massiver Kritik<br />

und widersprüchlichen Erklärungen des Wahlleiters<br />

tauchten auf wundersame Art und Weise 70.000<br />

Briefe wieder auf. Die Ausfallquote war damit wieder<br />

zurecht gebogen.<br />

Wie einfach es ist, Wahlen zu fälschen, zeigt<br />

eine Manipulation zugunsten der Linkspartei bei<br />

den Europawahlen 2014 in Halle. «Wahlvorsteher D.<br />

mogelte offenbar 101 Stimmen dazu. Nur weil ein<br />

Wahlhelfer aufpasste, flog der Schwindel auf.» (Focus,<br />

2.8.2014)<br />

Das Benfordsche<br />

Gesetz<br />

Bei einer Untersuchung aller<br />

Bundestagswahlergebnisse zwischen<br />

1990 und 2005 stellten<br />

die Politikwissenschaftler Christian<br />

Breunig und Achim Goerres<br />

Verstöße gegen das Benfordsche<br />

Gesetz fest. Nach dieser<br />

Auswertungsmethode, die<br />

ansonsten zur Aufdeckung von<br />

Steuerbetrügereien dient, kommen<br />

Ziffern in Zahlenkombinationen<br />

generell in unterschiedlicher<br />

Häufigkeit vor. In großen Datensätzen<br />

tritt die Ziffer 1 mit einer<br />

Wahrscheinlichkeit von 30,1 Prozent<br />

auf – die Zifer 9 hingegen<br />

nur mit 4,6 Prozent. Während die<br />

Erststimmen bei Bundestagswahlen<br />

dem Muster entsprachen,<br />

wichen die wichtigeren Zweitstimmen-Ergebnisse<br />

signifikant<br />

davon ab – und zwar jeweils zum<br />

Vorteil der in dem jeweiligen<br />

Bundesland dominanten Partei.<br />

Dies deutet darauf hin, dass deren<br />

Wahlhelfer bei der Auszählung<br />

geschummelt haben.<br />

_ Harry Daniel ist Praktikant bei<br />

<strong>COMPACT</strong> und hat Politikwissenschaften<br />

studiert.<br />

23


<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

«Dieses Land muss deutsch bleiben»<br />

_ von Professor Dr. Karl Albrecht Schachtschneider<br />

24<br />

Was Horst Seehofer nicht wagt, hat jetzt die Bürgerinitiative Ein<br />

Prozent für unser Land auf den Weg gebracht: Anfang Februar reichte<br />

der renommierte Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider in<br />

ihrem Auftrag Verfassungsbeschwerde gegen die Einwanderungspolitik<br />

der Bundesregierung ein.<br />

Ein Prozent genügt<br />

Die Bürgerinitiative Ein Prozent<br />

für unser Land redet nicht, sie<br />

handelt. Während andere nur<br />

dabei zusehen, wie die Asylkatastrophe<br />

ihren Lauf nimmt,<br />

kämpfen der Sezession-Herausgeber<br />

Götz Kubitschek, der<br />

Staatsrechtler Karl Albrecht<br />

Schachtschneider, <strong>COMPACT</strong>-<br />

Chefredakteur Jürgen Elsässer<br />

und mittlerweile 25.000 weitere<br />

Unterstützer für die deutsche<br />

Souveränität, für das Recht und<br />

die Zukunft unseres Volkes. Die<br />

Idee: Wenn sich auch nur ein<br />

Prozent des deutschen Volkes<br />

zusammenschließt, gerät das<br />

System ins Wanken – 800.000<br />

engagierte Mitstreiter kann niemand<br />

mehr ignorieren. Wenn<br />

auch Sie bei Einprozent mitmachen<br />

und die Verfassungsbeschwerde<br />

unterstützen wollen,<br />

besuchen Sie uns auf einprozent.de.<br />

Gemeinsamkeit wird groß geschrieben.<br />

Foto: einprozent.de<br />

Bild rechts: Kubitschek, Schachtschneider,<br />

Elsässer bei der Pressekonferenz<br />

zur Verfassungsbeschwerde<br />

am 30. Januar. Foto:<br />

einprozent.de<br />

_ Der Text ist eine gekürzte<br />

Fassung des Vortrags von Karl<br />

Albrecht Schachtschneider vom<br />

30. Januar <strong>2016</strong>. Das Video von<br />

der gesamten Veranstaltung ist<br />

bei «Youtube» auf dem Kanal<br />

<strong>COMPACT</strong>TV zu finden.<br />

Die Gründe der Verfassungsbeschwerde sind die<br />

schweren Verletzungen der Verfassungsidentität<br />

Deutschlands. Die Verfassungsidentität ist in doppelter<br />

Weise tief verletzt – dadurch, dass das Verfassungsprinzip<br />

des Deutschen ignoriert wird. Faktisch<br />

ist Deutschland ein Einwanderungsland geworden.<br />

Wer Hilfe zu bedürfen scheint, wird ins Land gelassen<br />

– und zwar nicht einige wenige, sondern Millionen.<br />

Deutschland ist aber kein Einwanderungsland.<br />

Das ist nur in den letzten zwei Jahrzehnten von vielen<br />

in Frage gestellt worden, unter dem Stichwort «multikulturelle<br />

Gesellschaft» oder «bunte Republik». Das<br />

aber hat mit dem Grundgesetz nichts zu tun. Da ist<br />

immer die Rede vom deutschen Volk, und es heißt ja<br />

auch nicht umsonst: Deutschland.<br />

In irgendeiner Weise muss dieses Land deutsch<br />

sein und bleiben, solange nicht das Volk entscheidet,<br />

ein Einwanderungsland sein zu wollen. Die politischen<br />

Vertreter haben nicht die Befugnis zu entscheiden:<br />

Deutschland soll ein Einwanderungsland werden.<br />

Eine solche systematische, massenhafte, gewollte<br />

Rechtsverletzung ist nicht nur ungeheuerlich, sondern<br />

verletzt die Verfassungsidentität, darüber hilft<br />

auch das Schengen-Abkommen nicht hinweg. Wenn<br />

die Außengrenzen nicht gesichert sind, müssen die<br />

Binnengrenzen gesichert werden, weil die Sicherheit,<br />

die innere Sicherheit und die äußere Sicherheit eines<br />

Staates, essentielles Kriterium des Staates ist. Nicht<br />

ein einziger völkerrechtlicher Text nimmt den Einzelstaaten<br />

die Pflicht, für die Sicherheit im Lande zu sorgen.<br />

Das wäre ja auch ungeheuerlich, wenn die zum<br />

Staat organisierten Völker nicht das Recht hätten, ihr<br />

Gebiet zu sichern!<br />

Schließung der Grenzen, jetzt!<br />

Nicht einer der Asylantragsteller, die über Land hier<br />

nach Deutschland kommen, kommt legal hierher, weil<br />

nicht einer ein Einreiserecht hat. Sie müssten alle an<br />

der Grenze abgewiesen werden. Ich habe hier sehr<br />

genau geprüft, ob es irgendein Einreiserecht aus internationalen<br />

Verträgen gibt. Das gibt es nirgends. Es<br />

wäre ja auch ungeheuerlich, wenn alle Flüchtlinge das<br />

Recht hätten, in jeden Staat, in den sie flüchten wollen,<br />

einzureisen. Die UNO spricht von 60 Millionen: Welches<br />

Land sollte die aufnehmen, wenn sie ein Recht<br />

hätten, einzureisen? Man muss gar nicht prüfen, woher<br />

jemand kommt: Wenn jemand über Land kommt, hat er<br />

kein Einreiserecht aus dem Asylgrundrecht, erst recht<br />

nicht aus anderen Schutzrechten.<br />

Man lässt die Leute – registriert oder nichtregistriert<br />

– ins Land, aus Humanität. Eine Humanität gibt es<br />

und sollte es geben, aber die verwirklichen wir durch<br />

die Rechtsordnung. Es gibt keinerlei Verpflichtung völkerrechtlicher<br />

Art, jeden Menschen aufzunehmen, der<br />

aus Not oder vermeintlicher Not ins Land kommt. Das,<br />

was hier geschieht, ist eine klare Verletzung der freiheitlich<br />

demokratischen Grundordnung.<br />

Die Sicherung der Grenze ist möglich<br />

– sie muss nur gewollt sein.<br />

Wer es unternimmt diese Ordnung, die Verfassungsidentität,<br />

zu beseitigen, gegen den haben alle<br />

Deutschen das Recht zum Widerstand. Das Bundesverfassungsgericht<br />

hat das Recht und die Pflicht, andere<br />

Abhilfe zu geben, gegen solche Verfassungsverletzung.<br />

Und die fordern wir ein. Eine Maßnahme, die wir einfordern,<br />

ist naheliegend: eine wirksame Sicherung der<br />

Grenzen, notfalls durch Grenzzäune – oder in anderer<br />

Weise. Das ist technisch und polizeilich kein wirkliches<br />

Problem – es muss nur gewollt sein. Und im Übrigen<br />

beantragen wir, dass die Bundeskanzlerin und die<br />

Bundesregierung von einem bestimmten Aufgabenbereich<br />

suspendiert werden, dass also ein Sequester<br />

eingesetzt wird für den Aufgabenbereich der Grenzsicherung<br />

und den Aufgabenbereich des Aufenthaltsrechts,<br />

denn Bundeskanzlerin und Bundesregierung<br />

haben doch gezeigt, dass sie nicht in der Lage sind,<br />

diese zentralen Aufgaben zu bewältigen.


<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

Vergewaltigt und verhöhnt<br />

_ von Martin Müller-Mertens<br />

Die 13-jährige Lisa wird brutal sexuell missbraucht. Traumatisiert vermischt sie ihr<br />

Martyrium mit einem späterem Erlebnis, bringt Daten durcheinander. Die Widersprüche in<br />

ihrer Aussage nutzt die Presse zur Propaganda gegen Russland.<br />

Die Demonstration mit Tausenden<br />

Teilnehmern am 23. Januar vor dem<br />

Berliner Kanzleramt diffamierte die<br />

Lügenpresse als Bündnis von hysterischen<br />

Russlanddeutschen und<br />

Rechsradikalen. Foto: Reuters/Hannibal<br />

Hanschke<br />

Sie kann es immer noch kaum aussprechen: Mit<br />

erstickter Stimme berichtet Svetlana F. vom Schicksal<br />

ihrer Tochter Lisa. Von dem Blut, den Hämatomen, den<br />

Tränen. Plötzlich stocken die Worte. «Dass sie lebt, war<br />

das Wichtigste für uns.» Doch die Welt ist für Lisas<br />

Eltern wohl für immer zusammengebrochen. Der Leidensweg<br />

der 13-Jährigen hat gerade erst begonnen.<br />

Knapp zwei Wochen hielt der Fall Berlin in Atem.<br />

Am Morgen des 11. Januar verschwand Lisa auf dem<br />

Schulweg zwischen den Ortsteilen Mahlsdorf und Falkenberg.<br />

Erst 30 Stunden später tauchte sie wieder<br />

auf. Später sagte das russlanddeutsche Mädchen aus,<br />

von mehreren arabisch sprechenden Männern entführt<br />

und in einer karg eingerichteten Wohnung 30 Stunden<br />

lang vergewaltigt worden zu sein. Mittlerweile ist klar,<br />

dass sich der Fall so nicht abgespielt hat. Ende Januar<br />

präsentierte die Staatsanwaltschaft einen anderen<br />

Verlauf. Demnach hatte Lisa Angst vor einem Schulgespräch,<br />

in dem die Eltern von ihren schlechten<br />

Noten erfahren sollten. Sie fuhr zu einem 19-Jährigen<br />

Bekannten und dessen Mutter, den die Polizei als Zeugen<br />

führt. Doch auch diese Darstellung wirft Fragen auf.<br />

Missbraucht und gefilmt<br />

Tatsächlich ist Lisas Fall ein düsteres Beispiel einer<br />

Lügenkampagne – jedoch nicht seitens der 13-Jährigen,<br />

sondern der Leitmedien. Es sei «erwiesen, dass<br />

Lisa im Oktober letzten Jahres Opfer eines sexuellen<br />

Missbrauchs durch mindestens zwei, wahrscheinlich<br />

drei erwachsene Männer geworden ist», sagte Lisas<br />

Rechtsanwalt Alexej Danckwardt Ende Januar gegenüber<br />

russland.tv. «Einer dieser Täter war so dumm und<br />

hat die Tat auf Video gefilmt.» Dabei dürfte es sich um<br />

jene 20- und 22-jährigen Türken handeln, gegen die die<br />

Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt. Eine besonders<br />

schwere Straftat, denn Lisa ist nach dem Gesetz noch<br />

ein Kind. «Wir gehen von einvernehmlichem sexuellen<br />

Kontakt aus», behauptet Behördensprecher Martin<br />

Steltner trotzdem ungerührt. Eine sonderbare Darstellung:<br />

Einvernehmlich mit zwei bis drei Erwachsenen,<br />

von denen einer filmt? Danckwardt bestätigt unter<br />

Berufung auf die Mutter zudem, dass «sich der Charakter<br />

von Lisa und ihr Verhalten massiv geändert hatten.<br />

Sie hatte also mit schlimmsten inneren Spannungen<br />

zu kämpfen.»<br />

«Dass sie lebt, war<br />

das Wichtigste für<br />

uns.»<br />

Lisas Mutter Svetlana F., hier bei<br />

ihrem einzigen Fernsehinterview,<br />

glaubt weiter an die Schilderungen<br />

der Tochter. Foto: Screenshot<br />

«Spiegel-TV»<br />

25


26<br />

In Villingen-Schwenningen<br />

forderten am 24. Januar <strong>2016</strong> 1.300<br />

Russlanddeutsche unter anderem<br />

«Respekt für deutsche Kultur».<br />

Foto: picture alliance/dpa<br />

Dawai Nemzy! *<br />

Demonstrationen von Russlanddeutschen<br />

gegen die Flüchtlingspolitik<br />

der Bundesregierung<br />

seit dem 23. Januar <strong>2016</strong>.<br />

Osnabrück<br />

Gütersloh<br />

Hamburg<br />

Berlin<br />

Neustadt<br />

an der Aisch Erlangen<br />

Crailsheim Nürnberg<br />

Pforzheim<br />

Rastatt<br />

Ansbach<br />

Ortenau<br />

Ellwangen<br />

Lahr Schwäbisch Augsburg<br />

Gmünd<br />

Villingen-Schwenningen<br />

* Los, Deutsche!<br />

Quelle: <strong>COMPACT</strong>-Recherche<br />

Doch Lisa schwieg. Ihr Schmerz, ihre Angst waren<br />

vielleicht zu groß. Vielleicht begannen zu diesem Zeitpunkt<br />

die Schulprobleme. Wahrscheinlich brach sie an<br />

jenem 11. Januar einfach zusammen. Lisa floh zu ihrem<br />

Freund und dessen Mutter. Dort wurde sie offenbar aufgenommen.<br />

«Aber dass ich dann nicht mal den Versuch<br />

unternehme, die Eltern des Mädchens zu unterrichten,<br />

obwohl ich weiß, die machen sich Sorgen, das ist mir<br />

total merkwürdig», wundert sich Anwalt Danckwardt.<br />

In ihrem Trauma vermischte Lisa nun die Ereignisse.<br />

Möglicherweise fürchtete sie die Reaktion der Eltern,<br />

eventuell konnte sie zwischen Oktober und Januar<br />

selbst nicht mehr unterscheiden. Vielleicht bergen die<br />

30 Stunden ihres Verschwindens noch dunkle Geheimnisse.<br />

Immerhin bescheinigte ein weiterer Anwalt der<br />

Familie, Roman Igler, Lisa nach ihrer Rückkehr in der<br />

Berliner Zeitung «starke Hämatome am Körper».<br />

Eine Spontandemonstration von<br />

Russlanddeutschen verbot die<br />

Berliner Polizei.<br />

Nach einigen Tagen sickerten Informationen über<br />

den Fall an die Öffentlichkeit durch. Lisas Tante Marina<br />

gab dem russischen Fernsehen ein Interview. Der Sender<br />

berichtete in alarmistischem Ton, beging handwerkliche<br />

Fehler – aber im Kern referierte er den damals<br />

bekannten Stand. Denn Berlins Polizei deckelte den<br />

Fall zunächst. Lisas Familie «schien, dass die Beamten<br />

lediglich darauf aus waren nachzuweisen, dass<br />

überhaupt kein Verbrechen vorlag», so Alexander Reiser<br />

vom Berliner Spätaussiedler-Verein Vision gegenüber<br />

der Berliner Woche. Tante Marina sagte dem<br />

russischen Radiosender RSN, die Familie fürchte, das<br />

Jugendamt könnte ihr Lisa wegnehmen. Eine Spontandemonstration<br />

von Russlanddeutschen verbot die Polizei.<br />

Am 18. Januar gab die Behörde eine dürre Pressemeldung<br />

heraus. Demnach sei das Mädchen lediglich<br />

«kurzfristig als vermisst» gemeldet worden. Aufgrund<br />

des Persönlichkeitsrechts werde man keine weiteren<br />

Angaben machen. Diese Schmallippigkeit mehrte erst<br />

recht Zweifel an der Darstellung – nur zwei Wochen<br />

zuvor hatte Kölns Polizei versucht, den Grapscher-Mob<br />

vom Hauptbahnhof zu vertuschen.<br />

Die Nazikeule<br />

Nun lief die Propagandamaschine der Systempresse<br />

warm. Von einer «angeblichen Vergewaltigung»<br />

schwadronierten Berlins Lokalmedien umgehend<br />

– obgleich Lisas Aussage zu diesem Zeitpunkt<br />

durchaus glaubhaft klang. Zeitungen und TV-Sender<br />

griffen zum bewährten Instrument. Die Abendschau<br />

des gebührenfinanzierten RBB bemühte nach einer<br />

Demonstration von Russlanddeutschen vor dem Kanzleramt<br />

am 23. Januar Verfassungsschutz-Chef Bernd<br />

Palenda. Der wollte gemeinsames Handeln mit Neonazis<br />

ausgemacht haben. Kurze Zeit später meldete<br />

das Berlin Journal hingegen: «Nur zehn polizeibekannte<br />

Rechtsextremisten wurden an diesem Nachmittag<br />

gezählt.» Die Kundgebung umfasste jedoch mehrere<br />

Tausend Demonstranten. Die Berliner Zeitung unterstellte<br />

Lisas Mutter kaum verhohlen, aus politischen<br />

Gründen zu lügen. Sie «teilte auch einen Aufruf zu einer<br />

Pegida-nahen Demo im März in Berlin unter dem<br />

Motto ”Wir sind das Volk, Merkel muss weg.”»


<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

Weshalb konnte der Fall derartige Emotionen in<br />

der russlanddeutschen Gemeinde auslösen? Vielleicht,<br />

weil sie das Weltbild der multikulturellen Realitätsverweigerer<br />

noch nicht verinnerlicht haben. Ihre<br />

eigene Migrationsgeschichte macht viele Russlanddeutsche<br />

besonders sensibel für den Merkelschen<br />

Willkommenswahn. «Viele Russen sind auch hierhergekommen»,<br />

sagte Kostja, der bei Frankfurt wohnt und<br />

ebenfalls vor dem Kanzleramt demonstrierte. «Ich bin<br />

mit meinen Eltern herumgelaufen, wir haben darauf<br />

geachtet, dass wir bloß nicht bei Rot die Straße überquerten.<br />

Wir sind hergekommen und haben uns langsam<br />

und vorsichtig umgesehen – was und wie, wo<br />

gibt es Arbeit. Die kommen einfach hierher und Frau<br />

Merkel gibt ihnen alles: Wohnungen und so weiter.<br />

Dabei spucken sie auf alles.»<br />

«Die kommen einfach hierher, und<br />

Frau Merkel gibt ihnen alles.»<br />

Ihren Siedepunkt erreichte die Stimmung auch,<br />

weil Lisas Vergewaltigung keinesfalls ein Einzelfall<br />

ist. Im Gegenteil: Immer wieder begehen Asylbewerber<br />

und muslimische Migranten brutale Sexualstraftaten.<br />

Zur gleichen Zeit, als die Lügenpresse im Januar<br />

in Berlin auf eine «erfundene Vergewaltigung» hoffte,<br />

wurde in Kiel eine junge Frau «von drei Männern<br />

südländischen Aussehens verfolgt, (…) hinter einen<br />

Sicherungskasten gezogen und gegen ihren Willen<br />

angefasst», wie die örtliche Polizei angab. In Lehrte<br />

verfolgten zwei Männer eine 25-Jährige und forderten<br />

sie auf, «die Beine breit zu machen». Einer der<br />

Täter hatte nach Polizeiangaben einen «etwas dunkleren<br />

Teint». Auch die Polizei in Nordstadt ermittelte<br />

Ende Januar wegen einer versuchten Vergewaltigung.<br />

«Der deutsch und arabisch sprechende Gesuchte» ließ<br />

von seinem Opfer ab, nachdem er von einer Personengruppe<br />

gestört wurde. Im hessischen Friedberg entging<br />

eine 48-Jährige nur durch heftigen Widerstand<br />

einer Vergewaltigung durch zwei Männer, die «sich<br />

auf Arabisch unterhalten» hätten.<br />

Putin ist Schuld<br />

Die Nazikeule schüchterte die Russlanddeutschen<br />

nicht ein, die Proteste wurden größer – auch in anderen<br />

Städten gingen mittlerweile Tausende auf die<br />

Straße. Nachdem Moskaus Außenminister Sergej<br />

Lawrow das Thema auf seiner dreistündigen Neujahrs-Pressekonferenz<br />

kurz ansprach, mutierte Lisas<br />

Schicksal zur angeblichen Kreml-Kampagne. Von<br />

«Russen-Propaganda» schrieb die Bild-Zeitung. Der<br />

einstige Tagesthemen-Moderator Ulrich Wickert witterte<br />

die Gelegenheit für eine Verschwörungstheorie.<br />

In der Wirtschaftswoche vom 30. Januar hielt er<br />

es «nicht für ausgeschlossen, dass der russische Geheimdienst<br />

den Begriff ”Lügenpresse” in Deutschland<br />

verbreitet hat». Selbstkritische Töne waren selten.<br />

«Leider ist diese [russische] Propaganda so erfolgreich,<br />

weil es einen massiven Vertrauensverlust bei<br />

uns gibt, in Politik, Medien, Polizei und Justiz. Daran<br />

sind wir selbst schuld, nicht Moskau», betonte allerdings<br />

selbst der als Putin-kritisch bekannte Journalist<br />

Boris Reitschuster im Focus.<br />

Doch gab es die angebliche Kreml-Propaganda im<br />

Fall Lisa überhaupt? Anwalt Danckwardt gab Medien<br />

aus beiden Ländern Interviews. «Das russische Fernsehen<br />

hat meine Äußerungen jedenfalls ungeschnitten<br />

und im Originalton gesendet, teilweise sogar<br />

live. Das ZDF-Morgenmagazin hingegen hat es fertiggebracht,<br />

meine Aussagen so zu schneiden, dass<br />

sie in ihr Gegenteil verdreht wurden», sagte er der<br />

Jungen Welt.<br />

Tatsächlich hatte Berlins Staatsanwaltschaft mittlerweile<br />

endlich eingeräumt, dass Lisa sexuell missbraucht<br />

wurde – wenn auch zu einem anderen Zeitpunkt.<br />

Doch die Medien geiferten trotzdem weiter<br />

und sprachen von «Vergewaltigungslüge» (Berliner<br />

Zeitung). «Es gab weder eine Vergewaltigung noch<br />

Sex», beschwichtigte der Berliner Kurier. Der Tagesspiegel<br />

käute erneut die Darstellung wider, «vor dem<br />

Verschwinden des Mädchens sei es eventuell zu einvernehmlichen<br />

Sexualkontakten gekommen». Wie es<br />

Lisa geht, fragte keiner der Schmierenjournalisten.<br />

Sie befindet sich seit Ende Januar in stationärer psychiatrischer<br />

Behandlung. Dass ihre Peiniger vom Oktober<br />

in Untersuchungshaft säßen, ist dagegen nicht<br />

bekannt.<br />

Russlanddeutsche<br />

Rund vier Millionen Russlanddeutsche<br />

leben heute in der<br />

Bundesrepublik. Der Sammelbegriff<br />

umfasst zum einen die<br />

größte Gruppe, die als Angehörige<br />

der deutschen Minderheit –<br />

früher zumeist Wolgadeutsche<br />

genannt – in mehreren Wellen<br />

einreisten. Hinzu kommen russische<br />

Auswanderer und sogenannte<br />

jüdische Kontingentflüchtlinge.<br />

Ihre Integration gilt<br />

seit Ende der 1990er Jahre als<br />

weitgehend abgeschlossen. Bekannte<br />

Russlanddeutsche sind<br />

etwa der frühere Boxweltmeister<br />

Robert Stieglitz, der Fußball-<br />

Nationalspieler Roman Neustädter<br />

sowie die Sängerinnen<br />

Jule Neigel und Helene Fischer.<br />

Helene Fischer 2013. Foto: Sandra<br />

Ludewig/Universal Music GmbH<br />

Auch Russlands Außenminister<br />

Sergej Lawrow zeigte sich besorgt<br />

über die wachsende Migrantenkriminalität<br />

in Deutschland.<br />

Foto: Valeriy Sharifulin/MID<br />

27


<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

Aus dem Logbuch der Gleichschaltung<br />

_ von Nils Röcke<br />

Die GEZ-Medien werden von der Regierung instrumentalisiert,<br />

kritische Positionen sind unerwünscht, regimetreue Seilschaften<br />

erdrosseln den Pluralismus. Unser Autor weiß, wovon er schreibt,<br />

denn er arbeitet seit 30 Jahren für öffentlich-rechtliche Sender.<br />

Anruf vom Minister<br />

Erste Zweifel an der Wahrhaftigkeit meiner Arbeitgeber<br />

kamen mir vor gut 20 Jahren. Damals nahm ich<br />

ein Interview mit einem Fachmann für Reaktorsicherheit<br />

auf. Ich stellte kritische Fragen, benannte dabei<br />

zahlreiche Reaktorpannen der Vergangenheit, stellte<br />

diese in einen größeren Zusammenhang. Rund 20<br />

Minuten nach der Aufzeichnung bat mich der Abteilungsleiter<br />

in sein Büro. Er wies an, das Gespräch «keinesfalls<br />

zu senden». Denn es könne «für unnötige Irritationen<br />

in der Landespolitik sorgen». Ein Anruf aus<br />

dem Ministerium hatte ihn offenbar zu diesem Eingriff<br />

veranlasst.<br />

Szenenwechsel, diese Episode spielt viele Jahre<br />

später. Durch Zufall höre ich, wie sich Kollegen einer<br />

anderen Organisationseinheit über die Honorierung<br />

eines Moderators unterhalten. Es geht um den Ehemann<br />

der Intendantin, im Sender gestaltet er einmal<br />

wöchentlich eine Oldie-Sendung. Man sieht ihn nur<br />

äußerst selten im Funkhaus, dennoch bekommt er im<br />

Vergleich zu anderen freiberuflichen Kollegen sehr viel<br />

Geld überwiesen. Zufall? Nicht wirklich, denn die Radiochefin<br />

galt seinerzeit als die «beste Freundin» des<br />

Ehepaares. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.<br />

28<br />

Kritik unerwünscht: Wegen<br />

hoher Hürden war in der zehnten<br />

Amtsperiode des WDR-Programmausschusses<br />

nur eine einzige<br />

Programmbeschwerde erfolgreich.<br />

Foto: IMAGO<br />

Medien: Macht und<br />

Einfluss<br />

Umfrage vom Dezember 2015:<br />

Zeichnen die Medien ein zutreffendes<br />

Bild von Flüchtlingen?<br />

Ja<br />

25%<br />

NEIN<br />

53%<br />

22% unentschieden<br />

Quelle: Institut für Demoskopie<br />

Allensbach<br />

Guten Tag! Ich bin Vater von zwei Kindern, lebe in<br />

Süddeutschland und arbeite seit über 30 Jahren für<br />

den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Nach dem Lesen<br />

dieses Artikels werden Sie sicher verstehen, warum<br />

ich diese Zeilen unter Pseudonym schreibe.<br />

In diesen bewegten Tagen würde ich am liebsten<br />

in die Redaktion fahren und allen Menschen die<br />

Wahrheit entgegenrufen. Ich würde gerne sagen: «Es<br />

ist vorbei. Merkel hat es vergeigt. Wir werden überrannt,<br />

Frontex versagt auf ganzer Linie, wir können<br />

den Wahnsinn jetzt nicht mehr stoppen. Die nächsten<br />

Hunderttausend sind schon auf dem Weg. Und nur einen<br />

Bruchteil der Migranten werden wir jemals wieder<br />

los. Wir werden untergehen, wenn wir so weitermachen.<br />

Lasst uns das so senden – gleich jetzt!»<br />

Es wäre endlich mal das Gegenteil von Lügenpresse,<br />

es käme der Wahrheit deutlich näher. Unangenehme<br />

Tatsachen zu verbreiten, das macht nicht immer<br />

Freunde – und selten eine gute Stimmung. Doch<br />

es wäre verdammt nochmal unsere journalistische<br />

Pflicht. Doch nicht einmal auf der täglichen Konferenz<br />

darf ich es so offen ansprechen. Man würde mich anschließend<br />

in die braune Ecke stellen.<br />

Im NDR werden Mitarbeiter regelmäßig<br />

angewiesen, die Migrationsprobleme<br />

nicht allzu deutlich<br />

herauszustellen.<br />

Das sind nur zwei Beispiele aus einer langen Reihe<br />

von filzigen Merkwürdigkeiten, die mich über die Jahre<br />

beschäftigt haben. Zusammen mit kritischen Kollegen<br />

tat ich es als «üblichen Verschnitt wie in jedem<br />

Unternehmen» ab. Doch seit Beginn der Flüchtlingskrise<br />

kommen mir größere Zweifel. Es wird also gelogen?<br />

Ja! Zumindest wird die Wahrheit bis zur Unerträglichkeit<br />

gedehnt. Beweise? Nun, erst kürzlich verplapperte<br />

sich die Kollegin Claudia Zimmermann vom<br />

WDR in aller Öffentlichkeit. Sie sagte in einem Live-<br />

Interview mit dem niederländischen Regionalradio Limburg<br />

1: «Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks<br />

sind angewiesen, sich in der Berichterstattung<br />

zur Flüchtlingspolitik an der Linie der Bundesregierung<br />

zu orientieren.» Nachdem ihr die WDR-Studioleitung<br />

sanft und sorgfältig die Konsequenzen ihres Handelns<br />

klargemacht hatte, ruderte sie brav zurück, sprach von


<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

«unangenehmen Missverständnissen». Ein Einzelfall?<br />

Wohl kaum. Im NDR weist der Wortchef einer Redaktion<br />

seine Mitarbeiter regelmäßig an, die Probleme<br />

rund um Migration nicht allzu deutlich herauszustellen.<br />

Man möge doch bitte gutgelaunt nach vorne<br />

schauen und «dem Ganzen etwas Fröhliches abgewinnen».<br />

Redaktionen stehen unter massivem Druck. Von<br />

oben der Wunsch nach Unauffälligkeit. Von unten diktieren<br />

die Sozialen Medien die Agenda. Medien wie<br />

Facebook zeichnen längst das realistischere Bild von<br />

Deutschland. Längst haben also journalistische Laien<br />

unsere Arbeit übernommen. Gebührenzahler posten<br />

Videos und Texte aus der Umgebung von Flüchtlingsheimen,<br />

sie dokumentieren Übergriffe und Gewalt in<br />

der S-Bahn. Themen, die bei uns einfach nicht mehr<br />

stattfinden dürfen.<br />

«Es gibt tatsächlich Anweisungen<br />

von oben.» <br />

Wolfgang Herles<br />

Bezeichnend für das Versagen des öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunks ist auch, dass die kritische Berichterstattung<br />

mittlerweile von Kollegen beim Privatfernsehen<br />

geleistet wird. Dort sind es aufrechte Menschen<br />

wie der erfahrene RTL-Journalist Jörg Zajonc,<br />

die unangenehme Wahrheiten offen aussprechen.<br />

Auch im SAT.1-Frühstücksfernsehen sind die Nachrichten<br />

dankenswerterweise noch nicht gleichgeschaltet.<br />

Hier hört man morgens auch mal kritische Töne, wenn<br />

Städte und Kommunen Tausende von Asylbewerbern<br />

für Millionenbeträge in Vier- oder Fünf-Sterne-Hotels<br />

einquartieren.<br />

Merkels Geheimkonferenz<br />

Auch in öffentlich-rechtlichen Häusern haben erste<br />

Führungskräfte das von oben verordnete Schmierentheater<br />

offenbar satt. So sagte Wolfgang Herles<br />

(ehemaliger Studioleiter des ZDF in Bonn) Ende Januar<br />

im Deutschlandradio: «Die Themen, über die berichtet<br />

wird, werden von der Regierung vorgegeben. (…)<br />

Es gibt tatsächlich Anweisungen von oben. (…) Das<br />

ist Regierungsjournalismus und das führt dazu, dass<br />

Leute das Vertrauen in uns verlieren.»<br />

Doch die Wahrheit ist wie ein Virus, das sich langsam,<br />

aber sicher in den Gängen unserer Sender verbreitet.<br />

Erst vor wenigen Tagen flüsterte mir ein Kollege<br />

einen Satz mit Sprengkraft ins Ohr, dass er von<br />

einem Geheimtreffen der Intendanten im Kanzleramt<br />

gehört habe. Angeblich organisiert vom Kanzleramtsminister.<br />

Persönlich habe Merkel bei dieser Zusammenkunft<br />

den Kurs für die weitere Berichterstattung<br />

ausgegeben. Der Termin war offenbar so geheim, dass<br />

mehrere Intendanten ihre Anreise in privater Disposition<br />

gebucht haben. Den Wahrheitsgehalt dieser Aussage<br />

kann ich nicht überprüfen, doch es gibt Indizien<br />

aus mehreren Häusern.<br />

Häufig fahre ich in diesen Tagen abends von der Arbeit<br />

nach Hause und zweifle mehr denn je an meinem<br />

Job. Ich schäme mich für die unter den Tisch gefallenen<br />

Meldungen des Tages, für mein Verhalten und<br />

das meiner Kollegen. Denn mit dieser gebückten Haltung<br />

verraten wir unseren Berufsstand, unsere Ideale,<br />

unser Land und unsere Demokratie. Und das dürften<br />

wir schon bald bitter bereuen.<br />

Tanz der Vampire<br />

«Die CDU ist geschafft. Sie ist<br />

weder tot noch lebendig. Eine<br />

Untote. Ein Zombie. Blutleer und<br />

ausgelaugt. Der liebevoll-spöttische<br />

Ehrenname Mutti für ihre<br />

Führerin ist verkehrt, das Gegenteil<br />

richtig. Merkel nährt nicht,<br />

sondern saugt. Sie hat aus der<br />

CDU jede Weltanschauung heraus<br />

gezutzelt. Übrig geblieben<br />

ist nichts als ein gefallsüchtiger<br />

Populismus der Mitte. Es gibt<br />

die CDU noch als Merkel-Fanclub,<br />

aber nicht mehr als lebendige<br />

demokratische Kraft. Merkel<br />

und ihre Partei haben lange<br />

keinen Schatten mehr geworfen<br />

und waren auch in Spiegeln<br />

nicht mehr zu erkennen. Jetzt<br />

erst merkt die CDU allmählich,<br />

dass die Party, auf der sie sich<br />

lange vergnügt hat, ein Tanz der<br />

Vampire gewesen ist. Der Traum<br />

von der absoluten Herrschaft<br />

über den deutschen Mainstream<br />

fällt ins Schloss wie der Sargdeckel<br />

beim ersten Sonnenstrahl.<br />

Folgt nun ein Aufstand der Vampire?<br />

Wer hat noch Saft in den<br />

Adern? Ein Gehirn, das nicht<br />

durchblutet ist, taugt nicht zum<br />

Denken.» (Wolfgang Herles,<br />

langjähriger ZDF-Frontmann, am<br />

31. Oktober 2015 auf rolandtichy.de)<br />

Wolfgang Herles entwickelte<br />

unter anderem die Sendung «Bonn<br />

direkt». Foto: Mathias Bothor/photoselection/Fischerverlag<br />

In der Asylkrise zeigten die Öffentlich-Rechtlichen<br />

am liebsten Flüchtlingsfamilien,<br />

was nicht repräsentativ<br />

war. Foto: Screenshot ARD<br />

_ Nils Röcke (Pseudonym) arbeitet<br />

seit über 30 Jahren für öffentlichrechtliche<br />

Sender wie NDR, WDR,<br />

BR, SR und ZDF. Er ist verheiratet,<br />

hat zwei Kinder und lebt in Süddeutschland.<br />

29


<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

Bielefeld ist überall<br />

_ von Hans-Hermann Gockel<br />

Alltag in einer deutschen Kommune: Die Verwaltung schönt die Zahl<br />

der Flüchtlinge. Die Jugendhilfe kollabiert, weil sie der Flut nicht<br />

mehr gewachsen ist. Und die Polizei spricht von Opferschutz – aber<br />

schützt eher die Täter.<br />

Es leben fast<br />

doppelt so viele<br />

Asylanten in Bielefeld<br />

wie offiziell<br />

zugegeben.<br />

Bielefeld, 14. Januar <strong>2016</strong>: Edith M. wird im Bürgerpark<br />

von einem arabisch sprechenden Mann belästigt.<br />

Er presst die Frau an sich und versucht, sie zu küssen.<br />

«Marry me!» (Heirate mich!) Erst als Passanten<br />

herbeieilen, kann sich die Rentnerin aus dem Griff des<br />

Unbekannten befreien. Er verschwindet in der nahe<br />

gelegenen Almhalle. Dort hat die Stadt Bielefeld 200<br />

Flüchtlinge untergebracht, zumeist Alleinreisende aus<br />

Nordafrika und dem arabischen Raum. Die Almhalle<br />

ist die dritte Sporthalle, die binnen fünf Wochen für<br />

Asylsuchende in Beschlag genommen wurde. Und mit<br />

Sicher heit ist sie nicht die letzte. «Wir stehen mit dem<br />

Rücken zur Wand», sagt der Baudezernent: «Wenn das<br />

so weitergeht, müssen wir jede Woche eine Turnhalle<br />

vom Netz nehmen.»<br />

Bis zu 500 Männer versuchten, sich<br />

mit Gewalt Zugang zu der Diskothek<br />

Elephant Club zu verschaffen.<br />

Foto: Elephant Club Bielefeld<br />

Im März <strong>2016</strong> leben – offiziell – 5.800 Flüchtlinge<br />

in Bielefeld. Das ist jedenfalls die Zahl, die den Bürgern<br />

genannt wird. Tatsächlich sind es fast doppelt<br />

so viele, weit mehr als 10.000. Das liegt an der «informellen<br />

Zuwanderung», was aber nur innerhalb der<br />

Verwaltung so deutlich formuliert wird. Die Bielefelder<br />

sollen davon nichts erfahren. «Informelle Zuwanderung»<br />

bedeutet: Anerkannte Asylbewerber ziehen<br />

dorthin, wo bereits Freunde oder Verwandte leben.<br />

Bielefeld beherbergt inzwischen die bundesweit<br />

größte Volksgruppe der Jesiden, ursprünglich ansässig<br />

im Norden des Iraks. In der «offiziellen» Bielefelder<br />

Flüchtlingsstatistik tauchen diese Menschen nicht<br />

mehr auf, die nun in ihrer Mehrzahl Sozialhilfe oder<br />

Leistungen nach Hartz IV beziehen.<br />

Rapefugees in Aktion<br />

Edith M. traut sich abends nicht mehr allein durch<br />

den Bürgerpark. Ihre Tochter, eine Ärztin, will mit ihr<br />

zur Polizei, das Geschehene anzeigen. Die Enkelin<br />

rät davon ab: «Das bringt nichts. Sie werden Euch<br />

dort nicht helfen.» Die Schülerin des Max-Planck-<br />

Gymnasiums weiß, wovon sie spricht. Sie war in der<br />

Silvesternacht mit Freundinnen am Boulevard unterwegs,<br />

der Bielefelder Partymeile. Dort war das Quintett,<br />

wie Dutzende Frauen in dieser Nacht, aus einer<br />

Gruppe von 150 aggressiv auftretenden Migranten<br />

heraus sexuell bedrängt und belästigt worden. Die<br />

Freundinnen baten anwesende Polizisten um Hilfe.<br />

Doch die winkten ab. Erst die Türsteher einer Diskothek<br />

griffen ein: Mit Reizgas und Feuerlöschern<br />

konnte der Mob in Schach gehalten werden.<br />

30<br />

Noch sechs Tage später wird Achim Ridder, der<br />

Sprecher der Bielefelder Polizei, erklären, es habe in<br />

der Silvesternacht am Boulevard keine Anlässe gegeben,<br />

die nicht typisch für ein Wochenend- beziehungsweise<br />

Silvestergeschehen seien. Der Pressebericht<br />

seiner Behörde habe die Vorkommnisse deshalb<br />

gar nicht erst aufgeführt. Ridder: «Warum sollten wir<br />

darüber berichten?»


Die Polizei hat nicht nur eine eigene Sicht der Dinge.<br />

Sie verschanzt sich auch gerne hinter dem Begriff<br />

«Opferschutz». Dennoch kommt alles heraus, weil<br />

es immer mehr Beamte gibt, die ungern mit einem<br />

Maulkorb durchs Leben laufen. Der konkrete Fall: Drei<br />

junge Männer, der Wortführer ein 18-jähriger Iraker,<br />

bieten am 4. Januar einer Mädchengruppe Mix-Getränke<br />

an – nicht nur mit Alkohol darin, sondern vermutlich<br />

auch mit K.-o.-Tropfen. Eine geistig behinderte<br />

14-Jährige wird bewusstlos. Ihre Freundin findet<br />

sie später auf einer dreckigen Matratze im Keller eines<br />

Wohnblocks. Alles spricht dafür, dass das Mädchen<br />

vergewaltigt wurde. Das Opfer ist so zugerichtet,<br />

dass es tagelang in einer Klinik versorgt werden muss.<br />

Der Iraker war offenbar schon lange zur Abschiebung<br />

ausgeschrieben. Das alles ist der Polizei im täglichen<br />

Pressebericht keine Zeile wert.<br />

Politisch korrekte Sprachtabus<br />

In Bielefeld ist man – um es milde auszudrücken –<br />

sehr zurückhaltend, wenn es um mutmaßliche Straftaten<br />

von Migranten und Asylbewerbern geht. Vielleicht<br />

hat die Polizeipräsidentin Dr. Katharina Giere eine Vorgabe<br />

des NRW-Innenministeriums zu sehr verinnerlicht.<br />

Der Runderlass stammt aus dem Jahre 2008.<br />

Unter der Überschrift «Leitlinien für die Polizei des<br />

Landes NRW zum Schutz nationaler Minderheiten vor<br />

Diskriminierungen» werden die Polizeibehörden angewiesen,<br />

«beim internen wie externen Gebrauch jede<br />

Begrifflichkeit» zu vermeiden, «die von Dritten zur Abwertung<br />

von Menschen missbraucht beziehungsweise<br />

umfunktioniert oder in deren Sinne interpretiert werden<br />

kann». Und: Die Herkunft von Straftätern oder Verdächtigen<br />

ist nur dann zu nennen, «wenn im Einzelfall<br />

ein überwiegendes Informationsinteresse oder ein<br />

Fahndungsinteresse besteht». Es drängt sich die Frage<br />

auf: Sollen Straftaten von Migranten – insbesondere<br />

von Asylsuchenden – damit ganz bewusst verschwiegen<br />

werden?<br />

Eine geistig behinderte 14-Jährige<br />

wurde brutal überfallen.<br />

Der Bielefelder Sozialdezernent Ingo Nürnberger<br />

(SPD) sagt offenbar ebenfalls nicht alles, was er weiß.<br />

Auch hier zunächst die Fakten. In Bielefeld gibt es regelmäßig<br />

am Rosenmontag einen Jugendkarneval im<br />

Ringlokschuppen (Eintritt nur für 14- bis 18-Jährige).<br />

Veranstalter sind das Jugendamt der Stadt, die Bezirksvertretung<br />

Bielefeld-Mitte und der Jugendring.<br />

Erst im Vorfeld der Planungen für <strong>2016</strong> erfährt die Öffentlichkeit,<br />

dass es sowohl 2014 als auch 2015 massive<br />

sexuelle Übergriffe durch Migranten gab. Mitarbeiter<br />

des Sicherheitsdienstes nennen sogar die Nationalität<br />

der Täter: Es waren Afghanen, Albaner und<br />

Iraker. Nürnberger, mit den Fakten konfrontiert, hüllt<br />

sich zunächst weiter in Schweigen. Dann endlich sieht<br />

er sich offenbar doch genötigt, die Übergriffe zu bestätigen.<br />

Zu den Nationalitäten der Täter sagt er weiterhin<br />

nichts.<br />

Am Kesselbrink-Platz in Bielefeld,<br />

einem der größten Skateparks<br />

Deutschlands, toben sich die<br />

Rapefugees nicht aus. Foto: picture<br />

alliance / Robert B. Fishman<br />

Brennpunkte<br />

Verteilung von Asylanten im Jahr<br />

2015 (in Prozent).<br />

3,4%<br />

2,0%<br />

2,5%<br />

0,9%<br />

9,4%<br />

5,0%<br />

NRW<br />

Bielefeld<br />

2,9%<br />

21,2%<br />

7,3%<br />

4,8%<br />

1,2%<br />

2,7%<br />

15,3%<br />

5,1%<br />

12,9%<br />

Im Jahr 2015 nahm NRW die<br />

Meisten und Bremen die Wenigsten<br />

Neuankömmlinge auf.<br />

Quelle: <strong>COMPACT</strong>-Recherche<br />

31


<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

Kollateralschaden<br />

Tod<br />

Im Zuständigkeitsbereich des<br />

Bielefelder Sozialdezernats<br />

knirscht und kracht es an allen<br />

Ecken und Enden. Das Jugendhilfesystem<br />

der Stadt steht am<br />

Rande des Zusammenbruchs.<br />

Es geht um das Schicksal eines<br />

dreieinhalb Monate alten<br />

Babys. Die Drogensucht des<br />

32-jährigen Vaters, die nach den<br />

Ermittlungen der Mordkommission<br />

«Zwilling» ein Grund für<br />

den gewaltsamen Tod des Säuglings<br />

am 24. November 2015<br />

sein dürfte, war dem Jugendamt<br />

bekannt.Ttrotzdem geschah<br />

nichts. Waren die Sozialarbeiter<br />

durch die Flüchtlingsbetreuung<br />

überlastet?<br />

Jugendamtsleiter Georg Epp, Sozialdezernent<br />

Ingo Nürnberger und<br />

dessen Referentin Kerstin Beckmann-Schönwälder.<br />

Foto: Christian Mathiesen<br />

Jugendbanden schlagen zu<br />

Allem Anschein nach hat der Mann sein Dezernat<br />

nicht im Griff. Anders sind die katastrophalen Zustände<br />

in der Bielefelder Jugendbetreuung nicht zu erklären.<br />

In mindestens einem Fall hatte das bereits dramatische<br />

Folgen für Leib und Leben eines Unbeteiligten.<br />

Der Skandal: In der Silvesternacht um 23.30 Uhr schlagen<br />

mehrere «unbegleitete minderjährige Flüchtlinge»<br />

auf dem Bahnhof der Stadt Hamm – sie liegt knapp 80<br />

Kilometer von Bielefeld entfernt – einen 40-Jährigen<br />

brutal zusammen. Der Mann wird schwer verletzt. Die<br />

Bundespolizei hat Mühe, die Täter (13, 14, 15, 16 und<br />

17 Jahre alt) zu überwältigen. Dann die Überraschung:<br />

Vier der fünf Jugendlichen, darunter der 13-Jährige,<br />

geben als Wohnsitz Einrichtungen für «unbegleitete<br />

minderjährige Flüchtlinge» in Bielefeld an.<br />

Für die Unterbringung der Jugendlichen<br />

zahlt die Stadt 5.000 Euro<br />

pro Kopf und Monat.<br />

Noch in der Nacht wird von der Bundespolizei ein<br />

Sozialarbeiter aus Bielefeld nach Hamm beordert, um<br />

zumindest den 13-Jährigen so schnell wie möglich<br />

wieder in sein Bettchen zu bringen. Keiner der Jugendlichen<br />

war offenbar von seinen Betreuern vermisst<br />

worden. Minderjährige, die unter der Obhut des<br />

Jugendamtes stehen, können in Bielefeld scheinbar<br />

machen, was sie wollen. Tag und Nacht. Sie könnten<br />

saufen, koksen, randalieren oder rauben – keinem Betreuer<br />

oder Sozialarbeiter würde es womöglich auffallen.<br />

Oder sie schlagen einen Menschen krankenhausreif.<br />

Die «unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge»,<br />

von den deutschen Behörden unter dem Verwaltungskürzel<br />

UMF geführt, bedeuten für die Betreiber entsprechender<br />

Wohngruppen einen gewaltigen Umsatz.<br />

Für Unterbringung und Betreuung zahlen die Jugendämter<br />

pro Platz etwa 5.000 Euro im Monat. Das macht<br />

60.000 Euro im Jahr. Das berichtet das in Bielefeld erscheinende<br />

Westfalen-Blatt und zitiert eine Insiderin:<br />

«Das ist ein richtiger Geschäftszweig geworden. Ich<br />

kenne Häuser, in die mehr Betten als eigentlich vorgesehen<br />

gestellt werden, weil halt jedes Bett 60.000<br />

Euro Umsatz im Jahr bedeutet.» Das Geld gehe in der<br />

Regel an Organisationen wie AWO oder Bethel, die<br />

entsprechende Wohngruppen unterhielten. Hübsche<br />

Beträge kommen da zusammen. Gibt es dafür aber<br />

auch die vom Gesetzgeber geforderte intensive Fürsorge<br />

und Betreuung? Oder handelt man inzwischen<br />

nur noch nach dem Motto: Augen zu und durch, egal<br />

was es kostet und egal, ob es etwas nützt?<br />

Bleibt noch, auf ein Wort des Bielefelder Oberbürgermeisters<br />

Pit Clausen zu verweisen – wie sein Sozialdezernent<br />

ein Mann der SPD. Clausen sprach vor<br />

100 geladenen Gästen von einem «Willkommensmärchen»<br />

in Bielefeld. Der Oberbürgermeister meinte das<br />

keinesfalls ironisch. Er meinte das ernst. Nicht nur die<br />

Rentnerin Edith M. dürfte das anders sehen.<br />

Die Belagerung hält an: Männer vor<br />

der Außenstelle des Bundesamtes<br />

für Migration und Flüchtlinge in<br />

Bielefeld. Foto: Andreas Frücht/<br />

nw.de<br />

32<br />

_ Hans-Hermann Gockel hat als<br />

TV-Journalist viele Jahre für RTL,<br />

Sat1 und N24 gearbeitet. Heute ist<br />

er freier Journalist und Produzent.<br />

Vor Kurzem ist sein Buch «Finale<br />

Deutschland – Asyl, Islam, Innere<br />

Sicherheit. Mit Klartext gegen die<br />

Gedankenfeigheit» (HHG-Verlag,<br />

19,99 Euro) erschienen.


Der Boulevard-Kanzler<br />

_ von Klaus Faißner<br />

Hier redet nur einer: Faymann und<br />

Merkel auf einer gemeinsamen<br />

Pressekonferenz in Berlin. Foto: SZ<br />

Photo/Metodi Popow<br />

Der österreichische Regierungschef ist der treueste Knappe von Angela Merkel in der<br />

aktuellen Zuwanderungspolitik. Im eigenen Volk unbeliebter als jeder seiner Vorgänger,<br />

kann er sich auf ein großes Netzwerk geneigter Lobbyisten und Medienzaren stützen.<br />

Er habe genau gewusst, was zu tun sei, erklärte<br />

Werner Faymann – «nämlich die deutsche Kanzlerin<br />

anrufen». Wir schreiben den 4. September 2015, für<br />

die Welt am Sonntag (WamS) «der wichtigste Tag in<br />

Angela Merkels Kanzlerschaft». Aus Ungarn fluten<br />

Zehntausende sogenannter Flüchtlinge auf die Grenzen<br />

der Alpenrepublik zu – was ist zu tun? «Die Kanzlerin<br />

entscheidet: Zwischen 23 Uhr und Mitternacht<br />

sagt sie zu Faymann: Wir machen es.» (WamS) Gemeint:<br />

Die Öffnung aller Grenzen in beiden Staaten,<br />

der Verzicht auf jegliche Kontrolle.<br />

Die Regierungschefin hatte keine Rücksprache mit<br />

dem Bundestag oder wenigstens den Fraktionsvorsitzenden<br />

genommen, nicht einmal CSU-Chef Horst Seehofer<br />

wurde informiert. Einzig den Kanzler des Nachbarlandes<br />

zog sie ins Vertrauen. Warum wohl? «Wenn<br />

der zu mir ins Büro kommt, dann hat er meistens keine<br />

Meinung; wenn er rausgeht, dann hat er meistens<br />

meine Meinung», soll Merkel laut Spiegel über ihren<br />

Amtskollegen gesagt haben. Faymann definiere<br />

sein politisches Credo in kleinem Kreis so: «Man muss<br />

durch einen Bienenschwarm gehen können, ohne gestochen<br />

zu werden.» Dass Faymann der Kanzlerin das<br />

Ja-Wort zur Öffnung der Schlagbäume gab, stieß in<br />

jenen Tagen in Österreich kaum auf Ablehnung, da<br />

das Land gerade in einer Art Schockstarre war. Eine<br />

Woche zuvor, am 27. August 2015, waren in einem<br />

Schlepper-Lkw auf der A4 im Burgenland 71 Tote gefunden<br />

worden. Seither hatte dieses Thema die Titelseiten<br />

beherrscht. Deshalb scheuten sich viele, die gesetzwidrige<br />

Refugee-Welcome-Politik zu kritisieren.<br />

Faymann nutzte auch gleich die Gelegenheit, um<br />

wieder einmal den ungarischen Premier Viktor Orbán<br />

anzugreifen: Dessen fast fertiggestellter Grenzzaun<br />

sei «kein Empfang für die, die Hilfe dringend brauchen».<br />

Wenige Tage später verglich der Sozialdemokrat<br />

im Spiegel Orbáns Politik mit den Judendeportationen<br />

im 3. Reich: «Flüchtlinge in Züge zu stecken<br />

in dem Glauben, sie würden ganz woandershin fahren,<br />

weckt Erinnerungen an die dunkelste Zeit unseres<br />

Kontinents.»<br />

Obergrenze als Placebo<br />

Meist nicht in Züge, sondern in Busse steckte fortan<br />

die österreichische Regierung die Asylantenmassen.<br />

Unfassbare 677.000 Einwanderer wurden nach offiziellen<br />

Zahlen zwischen dem 4. September und dem<br />

31. Dezember durch das kleine Land geschleust – das<br />

Gros nach Deutschland. Die zusätzliche Zahl der nicht<br />

Das System Faymann/Häupl ist<br />

gekennzeichnet durch ein besonders<br />

inniges Verhältnis zum Boulevard.<br />

Foto: APA/Herbert Neubauer<br />

«Wenn er rausgeht,<br />

dann hat er<br />

meistens meine<br />

Meinung.»<br />

Merkel über Faymann<br />

33


Das Aufnahmelager Spielfeld an<br />

der Grenze zu Slowenien wurde<br />

zum Symbol für den Ansturm der<br />

Illegalen auf Österreich.<br />

Foto: picture alliance/dpa<br />

«Staatsfeind».<br />

Strache über Faymann<br />

Die Flut<br />

Anzahl der Asylanträge in Österreich<br />

vom November 2014 bis<br />

November 2015<br />

11.931<br />

3.692<br />

6.393<br />

8.797<br />

erfassten und untergetauchten Illegalen ist unbekannt.<br />

Rund 90.000 der Neuankömmlinge wollten in Österreich<br />

bleiben und forderten Asyl, 2014 waren es nur<br />

28.000 gewesen. Oppositionsführer Heinz-Christian<br />

Strache von der FPÖ bezeichnete Faymann in der Folge<br />

als «Staatsfeind», forderte seinen Rücktritt und bekam<br />

dafür im Volk viel Zustimmung.<br />

Am 20. Januar sah sich die rot-schwarze Bundesregierung<br />

auch deswegen dazu veranlasst, für <strong>2016</strong><br />

eine Obergrenze von 37.500 Asylanträgen und bis<br />

2019 von maximal 127.500 zu verkünden. Mit Aussagen<br />

wie «Es gibt keine Obergrenze des Asylrechts»<br />

hatte sich Faymann bis zuletzt mit Händen und Füßen<br />

gegen jede Beschränkung gewehrt. Es war nicht das<br />

erste Mal, dass er seine Meinung änderte: Im Juni<br />

2008 hatte Faymann mit einem Brief an Kronen-Zeitung-Herausgeber<br />

Hans Dichand informell das Ruder<br />

in der SPÖ übernommen. Nachdem die Partei zuvor<br />

gegen den Willen der Bürgermehrheit keine Volksabstimmung<br />

über den EU-Vertrag von Lissabon zugelassen<br />

hatte, versprach Faymann in diesem Schreiben,<br />

sich bei künftigen EU-Vertragsänderungen für<br />

Volksabstimmungen einzusetzen. Als gut zwei Jahre<br />

später derselbe Vertrag mit Milliardenzahlungen<br />

für sogenannte Euro-Rettungsschirme gebrochen wurde,<br />

verweigerte der Ober-Sozi jedoch ein Referendum.<br />

«Ich hab‘s nicht versprochen», erklärte er lapidar.<br />

besprochen, fahren die Österreicher ihre Flüchtlinge,<br />

die weiter nach Deutschland wollen, direkt an diese<br />

drei Orte [Freilassing, Passau, Kufstein].» Der SPÖ-<br />

Kanzler will also seine eigene Haut retten, indem er<br />

die Ankommenden weiter in die Bundesrepublik durchwinkt…<br />

Seine Freundin in Berlin dürfte wenig erfreut<br />

über diesen Trick gewesen sein, zumal sie selbst es bis<br />

dato standhaft ablehnt, das Wort «Obergrenze» auch<br />

nur in den Mund zu nehmen.<br />

Auch Faymann spricht seither lieber von einem bloßen<br />

«Richtwert», was der Kanzlerin hilft, ihm selbst<br />

aber zu Hause weiter Rückhalt kostet. Dies könnte die<br />

Bundespräsidentschaftswahl am 24. April zu einem<br />

Desaster werden lassen: Nicht ausgeschlossen, dass<br />

dann erstmals ein FPÖ-Kandidat die Nase vorn hat.<br />

Ohnedies ist Faymann zu einem Malus für die eigene<br />

Partei geworden: Seit er 2008 die Führung in der SPÖ<br />

übernahm, erlebte sie sowohl auf Bundes- als auch auf<br />

Landesebene fast ausschließlich Niederlagen. Mit ihm<br />

als Spitzenkandidat sackte die SPÖ bei Nationalratswahlen<br />

von 35,3 auf 26,8 Prozent ab. Laut einer Um-<br />

34<br />

Nov<br />

2014<br />

Mai<br />

2015<br />

August<br />

2015<br />

Quelle: Statista <strong>2016</strong><br />

Nov<br />

2015<br />

Bild rechts: Die Springerpresse<br />

suggerierte nach Faymanns Obergrenze-Placebo<br />

eine «Wende» auch<br />

in Deutschland. Foto: BILD<br />

Doch die genannte Obergrenze ist ohnedies nur ein<br />

Bluff: Wie kann Wien für das laufende Jahr eine Deckelung<br />

bei 37.500 Asylbewerbern garantieren, nachdem<br />

doch bereits in den ersten drei Januarwochen 43.541<br />

Flüchtlinge über Kroatien und Slowenien – so die<br />

Frankfurter Allgemeine am 22.1. – nach Österreich<br />

eingereist sind? Des Rätsels Lösung enthüllte Welt<br />

Online am 24. Januar: «Wie zwischen Berlin und Wien


<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

frage des Gallup-Instituts im Januar würden derzeit<br />

nur noch 22 Prozent die SPÖ (wie auch die ÖVP) wählen,<br />

die FPÖ hingegen 34 Prozent. Bei der Kanzlerfrage<br />

liegt er mit ebenfalls 22 Prozent klar hinter FPÖ-Chef<br />

Strache (36 Prozent). In fünf von neun Bunderländern<br />

droht der SPÖ der Absturz in die Bedeutungslosigkeit.<br />

«Aalglatter als ein Aal»<br />

Doch Faymann, der sein ganzes Erwachsenenleben<br />

in der Partei verbracht hat, weiß, wie er sich trotz zahlreicher<br />

Rücktrittsaufforderungen weiter an der Macht<br />

hält. Er sei «aalglatter als ein Aal», charakterisierte<br />

ihn einmal der ehemalige Salzburger SPÖ-Chef Wolfgang<br />

Radlegger. Er sei «mit allen Wassern gewaschen»,<br />

konstatierte der ehemalige Generalsekretär der Industriellenvereinigung<br />

Markus Beyrer. Vor allem aber kann<br />

sich der Sozialdemokrat auf Netzwerke – hierzulande<br />

spricht man von «Freunderlwirtschaft» – verlassen, die<br />

ihresgleichen suchen.<br />

«Alpen-Obama».<br />

<br />

Fellner über Faymann<br />

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Nach seiner Schulzeit – ob er überhaupt das Abitur<br />

abgelegt hat, ist umstritten – scharte er Anfang<br />

der 1980er Jahre bei den Wiener Jungsozialisten ein<br />

Grüppchen um sich, das heute im Land mit den Ton<br />

angibt: Doris Bures, derzeit Nationalratspräsidentin,<br />

Wolfgang Jansky, jahrelang Pressesprecher von Faymann,<br />

bis vor wenigen Jahren mit Bures liiert und derzeit<br />

Geschäftsführer der auflagenstarken Gratiszeitung<br />

Heute, sowie Christian Deutsch, bis 2014 Landesparteisekretär<br />

der Wiener SPÖ. 1985 zog «der Werner»<br />

mit 25 Jahren als jüngster Abgeordneter in den Wiener<br />

Landtag ein und lernte bald darauf über seinen Mentor,<br />

den damaligen Bürgermeister Helmut Zilk, den legendären<br />

Herausgeber der auflagenstarken Kronen Zeitung<br />

Hans Dichand kennen. Mit diesem sollte ihn bald<br />

eine tiefe Freundschaft verbinden. Ebenfalls in diesen<br />

Jahren verbandelte sich Faymann mit Claus Pándi, der<br />

heute in der Krone das Innenpolitik-Ressort leitet und<br />

mit seiner ehemaligen Pressesprecherin Angelika Feigl<br />

verheiratet ist. Ein weiterer Spezl seit Jugendtagen<br />

ist der Medienmacher Wolfgang Fellner, der später<br />

mehrere <strong>Magazin</strong>e und die Gratis-Tageszeitung Österreich<br />

gründete. Ende 2008, inmitten der Euphorie um<br />

den damals frisch gewählten US-Präsidenten, betitelte<br />

Fellner Faymann als «Austro-Obama». Angesichts dieser<br />

ausgezeichneten Kontakte zu den drei Boulevardzeitungen<br />

Kronen Zeitung, Heute und Österreich ist es<br />

wenig verwunderlich, dass die Neue Zürcher Zeitung<br />

den Österreicher als «Boulevardkanzler» bezeichnete.<br />

Die Inseratenaffäre<br />

Eine Hand wäscht die andere: Seit Faymann in Wien<br />

ab 1994 als Wohnbaustadtrat tätig war, bedachte er<br />

Zeitungen üppig mit Inseraten. Zur Affäre wurde diese<br />

Praxis während der Jahre 2007 und 2008, als er das<br />

Amt des Bundesministers für Infrastruktur bekleidete.<br />

Ab 2011 ermittelte die Staatsanwaltschaft Wien gegen<br />

ihn und seine rechte Hand Josef Ostermayer, damals<br />

Staatssekretär, wegen des Verdachts der Untreue und<br />

der falschen Zeugenaussage.<br />

Dabei ging es um den Vorwurf, Faymann habe sich<br />

mit teuren Anzeigenkampagnen die Gunst der Printmedien,<br />

insbesondere des Boulevards, erkauft und die<br />

Rechnungen von den staatlichen Unternehmen ÖBB<br />

(Österreichische Bundesbahnen) und ASFINAG (Autobahnen-<br />

und Schnellstraßen Finanzierungs AG) bezahlen<br />

lassen. Die Inserate seien «ein Beispiel ärgster politischer<br />

Korruption – und das auf Kosten der Steuerzahler»,<br />

meinte nach Bekanntwerden der Affäre etwa<br />

Eric Frey in der – sonst Faymann freundlich gesinnten –<br />

Tageszeitung Der Standard. Durch diese Vorgangsweise<br />

sei ein Politiker an die Spitze der Regierung<br />

gekommen, «der weder das Format noch den intellektuellen<br />

Horizont besitzt, um eine moderne Industrienation<br />

zu führen». Die durch des Kanzlers freundliche<br />

Art ausgestrahlte Anständigkeit sei «verlogen», und er<br />

verstehe wenig von Wirtschaft.<br />

Bilderberger und<br />

andere «Freunderln»<br />

Werner Faymann ist nicht nur in<br />

SPÖ- und Medienkreisen, sondern<br />

auch in der Wirtschaft seit<br />

jeher gut verankert: Er habe seinen<br />

Aufstieg genau vorbereitet<br />

und sich deshalb gezielt mit<br />

Leuten aus der Wirtschaft getroffen,<br />

meint Walter Nettig,<br />

Ex-Präsident der Wiener Wirtschaftskammer.<br />

Zu seinen Wegbegleitern<br />

und Wegbereitern<br />

gehörten hier unter anderem der<br />

ehemalige Billa-Chef Veit Schalle<br />

(Billa gehört zum Rewe-Konzern),<br />

der nunmehrige Aufsichtsratsvorsitzende<br />

der Wiener<br />

Städtischen Versicherung Günter<br />

Geyer und der inzwischen<br />

verstorbene Chef des Baukonzerns<br />

Porr, Horst Pöchhacker.<br />

Doch nicht nur im Inland hat<br />

sich Faymann sein Sicherheitsnetz<br />

aus «Freunderln» geschaffen:<br />

Sein Name steht regelmäßig<br />

auf der Teilnehmerliste der<br />

elitären Bilderberger-Konferenzen<br />

– zusammen mit David Rockefeller,<br />

Henry Kissinger oder<br />

Ex-Deutsche-Bank-Chef Josef<br />

Ackermann. Außerdem ist Faymann<br />

Mitglied beim Rotary Club<br />

Stephansplatz.<br />

Billa-Chef und Faymann-Spezi.<br />

Foto: APA/Gert Eggenberger<br />

Obwohl sich die Vorwürfe der Untreue und falschen<br />

Zeugenaussage gegen Faymann und Ostermayer im<br />

Laufe der Zeit erhärteten, stellte die mit reichlich SPÖnahen<br />

Juristen besetzte Wiener Staatsanwaltschaft<br />

die Ermittlungen im November 2013 ein. «Die Staatsanwälte<br />

sind zu reinen Bütteln der Staatsmacht geworden»,<br />

empörte sich Andreas Unterberger, einer der<br />

bekanntesten Journalisten Österreichs. Für einen der<br />

erfolgreichen Faymann-Anwälte in der Causa, Wolfgang<br />

Brandstetter, bedeutete das Näheverhältnis zu<br />

dem Ober-Sozi auch einen politischen Aufstieg: Seit<br />

2013 ist er Justizminister.<br />

_ Klaus Faißner ist Wirtschaftsund<br />

Umweltjournalist. In <strong>COMPACT</strong><br />

9/2015 schrieb er über den<br />

ungarischen Ministerpräsidenten<br />

Viktor Orbán und die Angriffe der<br />

internationalen Presse auf dessen<br />

Politik.<br />

35


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Europa im Visier:<br />

George Soros, der (un)heimliche<br />

Strippenzieher<br />

■ Mit der legendären Wette gegen das britische Pfund wurde George Soros 1992 schlagartig weltberühmt.<br />

Dieses gigantische Spekulationsgeschäft brachte dem Hedgefonds-Manager rund eine Milliarde Dollar Gewinn.<br />

Die Märkte aber sind ihm nicht genug. Ein Wort von Soros kann die Welt aus den Angeln heben. Doch agiert<br />

er vielfach aus dem Hintergrund. Als Werkzeug dient ihm dabei sein globales Stiftungsnetzwerk der Open Society<br />

Foundations. Seine großen Pläne verfolgt er konsequent, um dennoch wandlungsfähig wie ein Chamäleon zu<br />

bleiben. Nicht umsonst gilt er als der »Mann mit den tausend Gesichtern« und als Doppelnatur, als einer, der sich<br />

nicht in die Karten blicken lässt, obwohl er eine offene Gesellschaft predigt.<br />

Die einen sehen in Soros den größten Philanthropen der Gegenwart,<br />

der Milliarden für wohltätige Zwecke verschenkt. Die anderen sehen<br />

in ihm nach wie vor den rücksichtslosen Spekulanten, der stets nur<br />

in den eigenen Gewinn investiert und als superreicher Privatmann<br />

auf inakzeptable Weise politisch massiven Einfluss nimmt, der bereits<br />

ganze Volkswirtschaften in den Ruin getrieben und Revolutionen<br />

heraufbeschworen hat, der mit mächtigen Organisationen und Geheimdiensten<br />

wie der CIA kollaboriert und die Welt ins Verderben<br />

stürzt. Wie agiert Soros, und was hat er mit Europa vor?<br />

In seinem aktuellen Buch verfolgt Andreas von Rétyi die unfassbaren<br />

Aktivitäten des gigantischen Soros-Netzes und legt erstaunliche<br />

Informationen offen, die in den etablierten Medien kaum Erwähnung<br />

finden.<br />

• Wer ist George Soros wirklich?<br />

• Welche Rolle spielt Soros bei politischen Umwälzungen,<br />

wie weit bestimmt er die Zukunft der Welt mit?<br />

• Warum stoppte Präsident Putin 2015 die Aktivitäten der<br />

Soros-Stiftungen in Russland?<br />

• Lässt sich nachweisen, dass der »Soros-Krake«<br />

den Arabischen Frühling auslöste?<br />

• Was geschah tatsächlich in der Ukraine und welche Rolle<br />

spielt Soros dabei?<br />

• Ist die Welt für Soros nur eine Spielwiese, ein<br />

riesiges Spekulationsgeschäft?<br />

• Wie menschenfreundlich ist der Philanthrop wirklich?<br />

• Hat Soros seine Finger auch in Syrien im Spiel?<br />

• Löste Soros die Flüchtlingskrise aus?<br />

• Warum fördert Soros mit Millionensummen die Migration,<br />

anstatt die Ursachen zu bekämpfen?<br />

• Soll Europa vernichtet und eine neue Weltordnung errichtet<br />

werden, ganz gleich um welchen Preis?<br />

Andreas von Rétyi: George Soros •gebunden<br />

271 Seiten • zahlreiche Abbildungen • Best.-Nr. 950 200 • 19.95 €<br />

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<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

Frankensteins Killer-Moskito<br />

_ von Michael Morris<br />

Gerade ist die Ebola-Hysterie verflogen, da ruft die Weltgesundheitsorganisation (WHO)<br />

den nächsten Notstand aus: Das Zika-Virus breitet sich rasend schnell in Südamerika aus<br />

und verursacht Missbildungen bei Embryonen. Was verschwiegen wird: Die drohende<br />

Pandemie hat ihren Ursprung in der Gen-Küche eines britischen Pharma-Konzerns.<br />

In Brasilien wurden laut Medienberichten im Jahr<br />

2015 rund 4.000 Kinder mit Schrumpfköpfen und geistiger<br />

Behinderung geboren. Verantwortlich dafür soll<br />

das Zika-Virus sein, das von der Moskito-Art Aedes<br />

Aegypti übertragen wird und bei Schwangerschaften<br />

auf das Ungeborene übergehen kann, wo es die sogenannte<br />

Mikrozephalie auslöst. Die Gesundheitsbehörden<br />

von Brasilien, Kolumbien, El Salvador, Jamaika und<br />

anderen angrenzenden Staaten haben die Bevölkerung<br />

bereits dazu aufgefordert, bis 2018 keine Kinder mehr<br />

zu zeugen, da die Gefahr groß sei, missgebildete Babys<br />

zur Welt zu bringen. In Brasilien werden mittlerweile<br />

200.000 Soldaten eingesetzt, die mit Insektiziden Moskitos<br />

bekämpfen. In wenigen Monaten sollen in Rio<br />

de Janeiro die Olympischen Sommerspiele stattfinden,<br />

derweil werden immer mehr schwere Zika-Infektionen<br />

gemeldet. Die WHO warnt jetzt vor der Gefahr einer<br />

weltweiten Pandemie, auch in den USA und in Europa<br />

soll es bereits erste Fälle gegeben haben.<br />

Der Aedes-Aegypti-Moskito verbreitet neben dem<br />

Zika-Virus auch noch das Dengue-, das Gelbfieber- und<br />

das West-Nil-Fieber-Virus, welches seit Jahrzehnten<br />

bekannt ist. Seit 2013 soll es jedoch auch in Asien und<br />

Südamerika für die Ausbreitung des Guillain-Barré-<br />

Virus verantwortlich sein. Dabei handelt es sich um<br />

eine Nervenkrankheit, die bei fünf Prozent der Erkrankten<br />

sogar zum Tod führt. Bis zum November 2015 galten<br />

Zika-Virus-Infektionen als harmlos, höchstens führten<br />

sie in seltenen Fällen zu Fieber, doch mit einem Mal<br />

wird das Virus als Ursache für schwere Missbildungen<br />

genannt und soll sogar immer öfter tödlich sein. Wer<br />

sich an die Rohrkrepierer Schweine- und Vogelgrippe<br />

erinnert fühlt, ist auf dem Holzweg. Hier haben wir<br />

es mit etwas wirklich Gruseligem zu tun. Was steckt<br />

also dahinter?<br />

Superviren aus der Gen-Küche<br />

Das britische Pharma-Unternehmen Oxitec besitzt<br />

zahlreiche Patente auf genmanipulierte Tiere – von<br />

Ratten bis hin zu Schimpansen, denen man menschliche<br />

Gene eingepflanzt hat–, damit sie noch besser als<br />

Versuchstiere für Impfstoffe taugen. Im Herbst 2009<br />

setzte Oxitec, unterstützt von der Bill & Melinda Gates<br />

Stiftung, transgene (gentechnisch veränderte) Gelb-<br />

Die Bevölkerung<br />

wird aufgefordert,<br />

bis 2018 keine<br />

Kinder mehr zu<br />

zeugen.<br />

Biowaffe Moskito: Die kleine Stechmücke<br />

könnte Albträume über eine<br />

geplante Bevölkerungsreduzierung<br />

Wirklichkeit werden lassen.<br />

Foto: Tom, CC BY 2.0, flickr.com<br />

37


<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

zügiger finanzieller und logistischer Unterstützung der<br />

brasilianischen und der US-Regierung einen Impfstoff<br />

gegen das Zika-Virus präsentieren, das bis zu Oxitecs<br />

Versuchen kaum eine Rolle gespielt hatte.<br />

Das Tetracyclin-Desaster<br />

Doch wie kann es sein, dass sich der Überträger-<br />

Moskito weltweit ausbreitet, obwohl er keine 400<br />

Meter weit fliegen kann, wieso überträgt er nun statt<br />

dem Dengue-Virus vorwiegend das Zika- und das Guillain-Barré-Virus<br />

– und wieso darf Oxitec weiterhin gentechnisch<br />

veränderte Insekten freisetzen? Schuld an<br />

der überraschenden Ausbreitung und Vermehrung des<br />

Moskitos trotz angeblicher Eindämmung durch Oxitec<br />

sollen offiziell die vielen Touristen sein, die es aus Brasilien<br />

in andere Teile der Welt trugen. Doch die gab<br />

es auch schon vor 2015, zu einem Zeitpunkt also, als<br />

es nach Angaben der Firma noch zehn Mal so viele<br />

Mücken gegeben haben soll. Das ist also Unsinn. Was<br />

war wirklich geschehen?<br />

Ausbreitung von Zika verhindern:<br />

Städtische Mitarbeiter versprühen<br />

Insektenbekämpfungsmittel in<br />

San Salvador. Foto: Reuters/Jose<br />

Cabezas<br />

fiebermücken auf der Karibikinsel Grand Cayman aus.<br />

Sie sollten die natürliche Gelbfiebermücken-Population<br />

(Aedes Aegypti) verringern, indem sie sich mit der<br />

natürlichen Mücke paaren und dank des eingesetzten<br />

Gendefekts namens RIDL Nachkommen zeugen, die<br />

bereits im Larvenstadium absterben.<br />

2015 entließ Oxitec Millionen<br />

Frankensteinmücken in die freie<br />

Wildbahn.<br />

38<br />

Bild rechts – Prima Klima: Im<br />

brasilianischen Bundesstaat Bahia<br />

plante Oxitec die Produktion von bis<br />

zu vier Millionen transgenen Mücken<br />

pro Woche. Foto: oxitec<br />

_ Michael Morris lebt heute, nach<br />

Aufenthalten in verschiedenen<br />

europäischen Ländern, vorwiegend<br />

in den USA. Sein erstes<br />

Buch «Was Sie nicht wissen<br />

sollen» ist seit fast fünf Jahren<br />

Nummer 1 in Amazon in der<br />

Kategorie «Soziale Gerechtigkeit»<br />

und wurde zu einem Bestseller für<br />

die Themen Geldwesen und Neue<br />

Weltordnung. Es folgten die Werke<br />

«Jetzt geht’s los, Der Goldkrieg»<br />

und sein bisher umfangreichstes<br />

Werk «Was Sie nicht wissen sollen<br />

Teil 2 – Terror, Revolutionen,<br />

Kriege – Wer und was wirklich<br />

dahintersteckt!».<br />

Im Dezember 2010 wurde die genmanipulierte Oxitec-Mücke<br />

dann in Malaysia freigelassen, ab 2012 im<br />

großen Stil auch in Brasilien, angeblich um das Denguefieber<br />

einzudämmen, das sich in den letzten Jahren<br />

in tropischen Gebieten vermehrt haben soll. Seit 2013<br />

breitet sich nun in Asien durch genau jene Mücke das<br />

Guillain-Barré-Virus überraschend stark aus – und in<br />

Brasilien seit 2015 das Zika-Virus. Im Mai 2015 wurde<br />

die erste folgenschwere angebliche Zika-Virus-Infektion<br />

bekannt. Zwei Monate später gab Oxitec zu, kurz<br />

zuvor in Juazeiro im Osten Brasiliens seine Frankenstein-Mücke<br />

im großen Stil ausgesetzt zu haben. Das<br />

Unternehmen verkaufte seinen Eingriff in die Natur<br />

als großen Erfolg, denn angeblich wurde die Moskito-<br />

Population im Gebiet von Juazeiro um bis zu 93 Prozent<br />

reduziert. Komisch nur, dass es bald im Umkreis mehrerer<br />

hundert Kilometer plötzlich zu gehäuften schweren<br />

Mikrozephalie-Erkrankungen kam…<br />

Im August 2015 wurde Oxitec von der US-Firma<br />

Intrexon aufgekauft, die zusammen mit dem Pharmariesen<br />

Sanofi an Impfstoffen forscht. Zwei Monate<br />

später brachte Sanofi einen Impfstoff gegen Denguefieber<br />

auf den Markt, der angeblich 93-prozentigen<br />

Impfschutz bietet und unter anderem in Brasilien und<br />

Mexiko zugelassen wurde. Das Dengue-Virus wurde<br />

in der Nachkriegszeit vom US-Militär als biologische<br />

Waffe weiterentwickelt, jedoch angeblich nie eingesetzt.<br />

Bis zum Mai <strong>2016</strong> will Sanofi nun mit groß-<br />

Der Gendefekt RIDL der manipulierten Mücke wird<br />

durch das Antibiotikum Tetracyclin aktiviert, das man<br />

dem Futter der Mücken im Labor beimengt. Wenn die<br />

männliche Oxitec-Mücke sich dann mit der natürlichen<br />

weiblichen Mücke paart, erzeugen sie Nachkommen,<br />

die ohne das Antibiotikum Tetracyclin nicht lebensfähig<br />

sind und absterben, da Tetracyclin in der Natur<br />

laut Dr. Frankenstein nicht vorkommt – oder vorkommen<br />

sollte. Soweit die Theorie. Nun die Realität: Das


<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

Antibiotikum Tetracyclin wird im großen Stil in der<br />

Massentierhaltung eingesetzt. Es taucht überall auf<br />

der Erde immer öfter im Nahrungskreislauf auf und hat<br />

bereits weltweit zu Resistenzen geführt, unter anderem<br />

zu hartnäckigen Krankenhauskeimen.<br />

In Wahrheit also kommt Tetracyclin mittlerweile<br />

überall vor, weil es auch durch Erhitzung nicht zerstört<br />

wird – also selbst im Grillhähnchen überlebt – und<br />

dann vom Menschen über den Urin ausgeschieden<br />

wird, um am Ende in Flüssen, Seen und im Trinkwasser<br />

zu landen. Deshalb hatte die anerkannte Expertin<br />

Ricarda A. Steinbrecher bereits 2010 vor einem Freisetzen<br />

der Genmücken gewarnt, und Oxitec selbst hatte<br />

die Gefahren 2012 in einem internen Papier bestätigt.<br />

Dennoch entließ der Konzern im Jahr 2015 Millionen<br />

seiner Mutanten-Mücken in die freie Wildbahn. Der<br />

Nachwuchs überlebte, weil er genügend Tetracyclin<br />

fand, und der Tropensturm El Nino verteilte die Mücke<br />

(die sonst ein schlechter Flieger ist) kilometerweit und<br />

schuf die perfekten feuchtwarmen Lebensbedingungen,<br />

wodurch sie sich rasant weiter vermehrte. Mittlerweile<br />

warnt die Weltgesundheitsorganisation (WHO)<br />

vor einer weltweiten Zika-Pandemie und vor Millionen<br />

möglicher Opfer. Vor Oxitec warnt sie jedoch nicht!<br />

Die Entvölkerungs-Agenda<br />

Bill Gates hatte bereits 2009 während eines Vortrags<br />

im Rahmen der TED-Konferenz scherzhaft Malaria-Mücken<br />

im Publikum freigesetzt, was alle Anwesenden<br />

noch für einen Spaß hielten. Doch mit dem<br />

Mann ist nicht zu spaßen. Er und seine Freunde, wie<br />

Rupert Murdoch, Zbigniew Brzezinski und Ted Turner,<br />

sind bekannt dafür, die Weltbevölkerung drastisch<br />

reduzieren zu wollen, und Gates betonte immer wieder,<br />

dass Impfstoffe dafür am besten geeignet wären. Bei<br />

der TED-Konferenz im Jahr 2010 führte er aus: «Auf der<br />

Erde leben heute 6,8 Milliarden Menschen (…), diese<br />

Zahl wird auf ungefähr neun Milliarden anwachsen.<br />

Wenn wir nun bezüglich neuer Impfstoffe, im Gesundheitswesen<br />

und in der Fortpflanzungsmedizin wirklich<br />

gute Arbeit leisten, könnten wir diese um ungefähr 10<br />

bis 15 Prozent verringern.»<br />

Die Weltgesundheitsorganisation<br />

warnt vor Millionen möglicher Opfer.<br />

Tatsächlich werden seit dem Jahr 2015 Schwangere<br />

in Brasilien offenbar mit dem GlaxoSmithKline-Präparat<br />

Boostrix gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten<br />

(Tdap) geimpft, obwohl es bis dahin noch nie an<br />

Schwangeren getestet worden war. Parallel dazu fand<br />

offiziell eine Studie mit 250 schwangeren und 150 nicht<br />

schwangeren Frauen statt, denen man den Tdap-Impfstoff<br />

verabreichte. Finanziert wurde der Feldversuch von<br />

der US-Gesundheitsbehörde CDC zusammen mit der<br />

Bill & Melinda Gates Stiftung. Die Abfolge der Ereignisse<br />

wirft Fragen auf: Zuerst setzt Oxitec vermeintlich<br />

harmlose, genmanipulierte Mücken in Südamerika<br />

frei. Parallel dazu werden Schwangere mit einem Triple-<br />

Impfstoff behandelt. Mehr als 4.000 Neugeborene kommen<br />

danach behindert zur Welt, mehrere Dutzend sterben.<br />

Schuld daran ist angeblich das Zika-Virus. Sanofi<br />

bietet kurz darauf Impfstoffe an, die dagegen helfen<br />

sollen. Die WHO warnt vor der Gefahr dieser Krankheiten<br />

und sorgt dafür, dass möglichst viele Staaten und<br />

Organisationen diese Impfstoffe kaufen. Zu guter Letzt<br />

spielt der Aufruf an die Südamerikaner, wegen der Zika-<br />

Gefahr keine Kinder mehr in die Welt zu setzen, den<br />

Befürwortern der Bevölkerungsreduktion in die Hände.<br />

Impf-Schweinereien<br />

Im Jahr 2009 wurde die Angst<br />

vor einer Schweinegrippe-Pandemie<br />

geschürt, die es dann<br />

nie gab. Die Bevölkerung wurde<br />

aufgefordert, sich flächendeckend<br />

mit Tamiflu impfen zu<br />

lassen, doch viele durchschauten<br />

das falsche Spiel und verweigerten<br />

die Injektion. Auch<br />

Deutschland deckte sich mit<br />

enormen Mengen des Wirkstoffs<br />

ein. Wegen verschwindend<br />

geringer Nachfrage landeten<br />

ganze Lastwagenladungen<br />

ungenutzt in der Müllverbrennungsanlage.<br />

Von den 34 Millionen<br />

Dosen, die die Bundesländer<br />

erwarben – Kostenpunkt:<br />

330 Millionen Euro – wurden<br />

nicht mal vier Millionen genutzt.<br />

(md)<br />

Der Pharmariese GlaxoSmithKline<br />

machte 2014 einen Umsatz von<br />

23 Milliarden Pfund. Foto: Asim<br />

Hafeez/Bloomberg<br />

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Unterdrückte Tatsachen über die an<br />

Serben begangenen Massaker 1992 – 1995<br />

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ALEXANDER DORIN<br />

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Sonntag, 20.<strong>03</strong>.<strong>2016</strong>, 14 Uhr<br />

Forum Literatur »buch aktuell«<br />

Halle 3, Stand E 401


<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

Patriot unter Falken<br />

_ von Tino Perlick<br />

Die meisten Amerikaner haben die Nase voll von der Kriegspolitik.<br />

Für die einen ist sie zu teuer, für die anderen zu blutig. Vor diesem<br />

Hintergrund haben Außenseiter bisher die größten Chancen bei den<br />

Präsidentschaftswahlen: Bernie Sanders bei den Demokraten, Donald<br />

Trump bei den Republikanern.<br />

Dort wollen sie rein: Das sogenannte<br />

Oval Office, Amtszimmer des<br />

US-Präsidenten. Foto: White House<br />

Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs<br />

belagern das Rauhbein<br />

Donald Trump. Foto: Reuters/<br />

Brian Snyder<br />

«Europa wird schwarz werden.» Mit diesen Worten<br />

warnte Muammar al-Gaddafi die EU im November<br />

2010 vor einer Destabilisierung seiner Herrschaft.<br />

Ein Jahr darauf wurde der nordafrikanische Machthaber<br />

von Dschihadisten gelyncht. Dank NATO-Bombardement<br />

wandelte sich Libyen vom afrikanischen<br />

Staat mit dem höchsten Lebensstandard zum rechtsfreien<br />

Raum für Terroristen und offenen Transitland<br />

nach Europa. Man werde «weitere Hunderttausende»<br />

über das Mittelmeer nach Europa schleusen, drohte<br />

eine islamistische Splittergruppe der EU im November<br />

2015, sollte Brüssel sie nicht als Regierung anerkennen.<br />

Indirekt geführt wurde der NATO-Militäreinsatz<br />

von der damaligen US-Außen ministerin und jetzigen<br />

Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton. Falls sie<br />

im November <strong>2016</strong> zur Nachfolgerin von Barack Obama<br />

gewählt wird, droht eine Fortsetzung, ja Verschärfung<br />

dieser in Libyen ausprobierten Politik.<br />

Niemand symbolisiert die Verquickung von Politik<br />

und Privatwirtschaft mehr als die ehemalige First<br />

Lady Hillary Clinton, die ihre Amtsgeschäfte über eine<br />

private E-Mail-Adresse führte. Für zwölf Vorträge vor<br />

Wall-Street-Banken und Finanzkonzernen kassierte<br />

Clinton nach ihrer Zeit im State Department 2,9 Millionen<br />

US-Dollar. Ihre Stiftung bezog bis zu 25 Millionen<br />

US-Dollar allein vom Terrorsponsor Saudi-Arabien.<br />

Als Gegenleistung strich Clinton 2011 die Volksmudschaheddin,<br />

wie die Saudis erbitterte Gegner des<br />

Iran-Regimes, von der Liste offizieller Terrororganisationen.<br />

Zum Vorteil verbündeter Ölstaaten ließ Clinton<br />

auch Boko Haram ungestraft Nigeria destabilisieren,<br />

das seit dem Tod Gaddafis zu Afrikas Erdölproduzenten<br />

Nummer eins aufgestiegen ist. Erst ihr Nachfolger<br />

John Kerry erklärte den selbsternannten afrikanischen<br />

Flügel des Islamischen Staates (IS) zur Terroreinheit.<br />

Falls Clinton nominiert wird, hat ihr<br />

Sanders seine Unterstützung versprochen.<br />

Clintons Taktik, Extremisten mit Waffen auszurüsten,<br />

trug maßgeblich zur Züchtung des IS bei. Ihre<br />

Strategie zur angeblichen Bekämpfung der Terrormiliz<br />

klingt wie das Gegenteil: Die 68-Jährige will weiterhin<br />

Waffen an sogenannte gemäßigte Sunniten liefern<br />

(die in der Realität oft mit dem IS zusammenarbeiten)<br />

und Bodentruppen in Form von Special Forces zur<br />

Ausbildung der Söldnertrupps entsenden. Sie werde<br />

die US-Präsenz nach dem Vorbild des Vietnamkrieges<br />

schrittweise eskalieren, kommentiert das friedensforschende<br />

Ron Paul Institut ihren Plan. Der Sturz Assads<br />

bleibt Clintons Priorität, wie ihre Bemerkung signalisiert,<br />

Wladimir Putins durchschlagendes Eingreifen in<br />

der Region würde «die Situation ziemlich verschlechtern».<br />

Kein Wunder, dass Revolutionssponsor George<br />

Soros unlängst bereute, 2008 Obama und nicht «Killary»<br />

unter stützt zu haben.<br />

Sanders blufft<br />

40<br />

Clintons größter Konkurrent bei den Demokraten<br />

ist der bis vor Kurzem parteilose Bernie Sanders.<br />

«Krieg sollte die letzte Option sein», ist sein Credo.<br />

Die USA sollten «so entschieden wie möglich vorgehen,<br />

um die Beziehungen mit dem Iran zu normalisieren».<br />

Sein stärkstes außenpolitisches Argument ist<br />

es, 20<strong>03</strong> im Gegensatz zu Clinton nicht für den Irakkrieg<br />

gestimmt zu haben. Doch stützte der Senator aus


Vermont im selben Jahr eine Resolution, die Präsident<br />

George W. Bush die «uneingeschränkte Unterstützung<br />

und Anerkennung der Nation» zusicherte, und stimmte<br />

für mehrere Mittelaufstockungen für die Kriege beziehungsweise<br />

Besatzungen im Irak und Afghanistan.<br />

Sanders, Sohn jüdischer Einwanderer aus Polen, gab<br />

1999 seine Ja-Stimme für den NATO-Einsatz in Jugoslawien,<br />

verteidigte Israels Kriegseinsatz gegen den<br />

Gazastreifen im Jahr 2014 und kündigte an, Obamas<br />

Drohnenprogramm fortzuführen.<br />

Frühere Mitstreiter werfen Sanders vor, 1990 zum<br />

Imperialisten geworden zu sein. Auffällig ist tatsächlich,<br />

dass der Parteilose seit jenem Jahr in seinem<br />

Bundesstaat indirekt von den Demokraten unterstützt<br />

wird – sie schickten bei den Senatswahlen in Vermont<br />

bis dato keine eigenen Kandidaten mehr ins Rennen.<br />

«Unterm Strich stimmt Bernie Sanders in 98 Prozent<br />

aller Fälle mit den Demokraten”, behauptete deren<br />

Spitzenpolitiker Howard Dean 2006 gelassen. Wenn<br />

Clinton nominiert werde, könne sie auf seine Unterstützung<br />

zählen, sagt Sanders.<br />

Die Republikaner<br />

Dass der Libertäre Rand Paul, Senator aus Kentucky,<br />

bei den Republikanern chancenlos war und das<br />

Handtuch warf, verwundert nicht: In der militärverherrlichenden<br />

Partei fand seine Forderung nach einem<br />

weltweiten Rückzug der US-Truppen kaum Gehör.<br />

Aber auch Jeb Bush dümpelt bei den Umfragen<br />

unter fünf Prozent, obwohl er im Schatten seines großen<br />

Bruders George W. den Falken gibt, Bodentruppen<br />

nach Syrien schicken und das Iran-Abkommen<br />

kündigen will.<br />

Der ultrakonservative Ted Cruz hat bessere Karten.<br />

Der christliche Fundamentalist inszeniert sich auf You-<br />

Tube als Waffennarr, der Schinkenspeck brät, indem<br />

er ihn um den Lauf eines feuernden Gewehres wickelt.<br />

Das Vorbild des Senators aus Texas ist der frühere Präsident<br />

Ronald Reagan. Dementsprechend hart zeigt er<br />

sich auch gegenüber Russland, fordert auf allen Ebenen<br />

massive Sanktionen und die schnelle Verwirklichung<br />

des Raketenabwehrschirms. Obamas Bemühungen<br />

gegen den IS sind ihm zu lasch, sie kämen<br />

«außenpolitischen Presseterminen» gleich. Wie der<br />

rüde Reagan auf den schwachen Jimmy Carter folgte<br />

und die Sowjetunion besiegte, möchte Cruz nach Obamas<br />

Amtszeit den islamistischen Terrorismus niederschlagen.<br />

Cruz setzt auf Bombenteppiche und bewaffnete<br />

Kurdentruppen. Bei einer Kundgebung der Tea<br />

Party im Dezember 2015 deutete er sogar einen Atomwaffeneinsatz<br />

an: «Ich weiß nicht, ob Sand im Dunkeln<br />

leuchtet, aber wir werden es herausfinden.»<br />

Neokonservative mögen Cruz dennoch nicht, da<br />

er den Einsatz von Bodentruppen im Ausland ablehnt<br />

und mit säkularen Diktatoren kooperieren will. Der<br />

45-Jährige lobt nicht nur den ägyptischen Präsidenten<br />

Abd al-Fattah as-Sisi wegen dessen Erfolgen im<br />

Kampf gegen die Muslimbruderschaft, sondern signalisiert<br />

sogar Unterstützung für Clintons Hauptfeind<br />

in Damaskus: «Wenn wir Assad stürzen, wird ISIS Syrien<br />

übernehmen.»<br />

Marco Rubio spricht moderater als Cruz. Das macht<br />

ihn für viele Wähler attraktiv – und zu einem besonders<br />

gefährlichen Kandidaten. Denn der 44-jährige<br />

Senator von Florida rechtfertigt die Interventionen im<br />

Irak und Libyen und ist auch sonst stramm auf geo-<br />

Donald Trump 2015 auf der Conservative<br />

Political Action Conference<br />

(CPAC) in National Harbor, Maryland.<br />

Foto: Gage Skidmore, CC BY-<br />

SA 2.0, flickr.com<br />

Auch in der Schweiz gibt es Trump-<br />

Versteher: Zeitschriftencover vom<br />

27.1.<strong>2016</strong>. Foto: Weltwoche<br />

«Ich weiß nicht, ob<br />

Sand im Dunkeln<br />

leuchtet, aber wir<br />

werden es herausfinden.»<br />

Ted Cruz<br />

41


<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

Wallstreet-Kandidat<br />

Ende Januar <strong>2016</strong> gab Medienmogul<br />

Michael Bloomberg bekannt,<br />

die Chancen einer Kandidatur<br />

zu prüfen. Mit geschätzten<br />

27 Milliarden US-Dollar ist<br />

auch er unabhängig und um ein<br />

Vielfaches vermögender als Donald<br />

Trump. Nachdem er 2001<br />

von den Demokraten zu den Republikanern<br />

gewechselt war, ist<br />

Bloomberg seit 2007 parteilos.<br />

Er unterstützte den Irakkrieg und<br />

stellte sich 2004 hinter George<br />

W. Bushs Wiederwahl. Nachdem<br />

er 2008 neutral geblieben<br />

war, befürwortete Bloomberg<br />

2012 Präsident Obama. Bloomberg<br />

ist ein Verfechter von Immigration<br />

und setzt sich für<br />

die Einbürgerung illegaler Einwanderer<br />

ein. «Länder, die im<br />

21. Jahrhundert von der Globalisierung<br />

wegrennen», warnte er<br />

2007, «werden auf Jahrzehnte<br />

hinaus einen hohen Preis dafür<br />

zahlen – wie die Länder, die im<br />

20. Jahrhundert vor dem Kapitalismus<br />

wegrannten.»<br />

Michael R. Bloomberg. Foto: Rubenstein,<br />

CC BY 2.0, Wikimedia Commons<br />

strategischer Linie. Rubio will das ukrainische Regime<br />

mit Waffen ausstatten, Dschihadisten in Syrien aufrüsten,<br />

Luftschläge über dem Irak intensivieren und<br />

die Saudis in ihrem Stellvertreterkrieg mit dem Iran<br />

im Jemen durch Special Forces unterstützen. Bei allen<br />

Republikanern gehört Kritik am Iran-Abkommen<br />

zum Standardrepertoire. Lob für Israel ist für Kandidaten<br />

parteiübergreifend Pflicht. Der 44-jährige Rubio<br />

will die Debatte über eine Zwei-Staaten-Lösung im<br />

Nahen Osten gar ein für alle Mal beenden. Wie Cruz<br />

und Clinton bezieht auch er außenpolitische Empfehlungen<br />

von der Beratungsfirma Beacon Global Strategies,<br />

einem Interessenkonglomerat aus dem Geheimdienst-<br />

und Verteidigungssektor.<br />

«Wir können nicht länger der Weltpolizist<br />

sein.» Donald Trump<br />

Patriotismus ist Trump<br />

Establishment-Republikaner zittern vor der klaren<br />

Kante des finanziell unabhängigen Immobilien-<br />

Tycoons Donald Trump, der zwar einen hurrapatriotischen<br />

Kurs verfolgt, der Welt und Amerika aber<br />

kostspielige Auslandsabenteuer zukünftig ersparen<br />

möchte. Gewürzt mit seinen politisch inkorrekten Aussagen<br />

spricht er damit Millionen von vor allem bitterarmen<br />

Amerikanern an. Machtmenschen wie der Medienmogul<br />

Rupert Murdoch teilen Trumps Islamkritik.<br />

Benjamin Netanjahu bezeichnet Trump als einen<br />

«hervorragenden Anführer». Den IS will der Milliardär<br />

durch gezielte Luftangriffe auf deren Öl-Infrastruktur<br />

bezwingen und diese von amerikanischen Firmen wiederaufbauen,<br />

sprich kontrollieren, lassen. Auch das<br />

Militär müsste unter Trump keine Sparmaßnahmen<br />

befürchten. Selbst Schullehrer will der bekennende<br />

Militarist bewaffnen. Trotz dieser Positionen wird der<br />

Milliardär vom US-Establishment gehasst, und zwar<br />

wegen seiner klaren Ablehnung der Zuwanderung und<br />

seiner Sympathien für Putin.<br />

Dass er Immigration generell ablehnt, gibt Trump<br />

offen zu. Vorwürfe, er sei deshalb «gefährlich», hält er<br />

für Heuchelei: Clinton habe als Außenministerin «Hunderttausende<br />

durch ihre Dummheit getötet». Trump<br />

will Flüchtlinge innerhalb einer Flugverbotszone in<br />

Syrien belassen. Die Menschen aufzunehmen könnte<br />

sich als «trojanisches Pferd» erweisen und kommt<br />

für ihn nicht in Frage. Angela Merkel sei «wahnsinnig»<br />

und müsse sich für ihre Migrationspolitik «schämen».<br />

Trump will die heuchlerische Menschenrechtspolitik<br />

der USA beenden und wieder auf die Unterstützung<br />

stabiler Diktatoren setzen. Seiner Ansicht<br />

nach wären Libyen und der Irak heute unter Gaddafi<br />

und Saddam Hussein natürlich besser dran. Im Unterschied<br />

zu Cruz strebt Trump sogar eine partnerschaftliche<br />

Beziehung mit Russland an. «Wenn Putin ISIS die<br />

Hölle heiß machen will», so Trump, «bin ich 100 Prozent<br />

dafür. Ich kann gar nicht begreifen, wie irgendwer<br />

dagegen sein könnte.» Ob die Ukraine der NATO beitritt,<br />

sei ihm egal, behauptete Trump wiederholt unter<br />

dem Verweis auf Europas und vor allem Deutschlands<br />

Zuständigkeit. Schon 2000 schrieb der gebürtige New<br />

Yorker, Amerika solle aufhören, sein Geld in europäische<br />

NATO-Basen zu pumpen. «Wir können nicht länger<br />

der Weltpolizist sein.»<br />

2011 stürzten die USA den libyschen<br />

Staatschef Gaddafi.<br />

Foto: Archiv<br />

V wie Victory: Diese Drohung ist bei<br />

Hillary Clinton sehr ernst gemeint.<br />

Foto: Reuters/Kevin Lamarque<br />

42<br />

_ Tino Perlick ist Kulturwissenschaftler.<br />

In <strong>COMPACT</strong> 02/<strong>2016</strong><br />

portraitierte er den britischen<br />

Labour-Chef Jeremy Corbyn.


Die Reichen und die Superreichen<br />

_ von Marc Dassen<br />

Bittere Armut hier, schwindelerregende Vermögen dort – nie zuvor war Wohlstand so<br />

ungerecht verteilt wie heute. Das belegt die Organisation Oxfam in ihrer neuesten Studie<br />

und fordert: Schluss mit Steuerprivilegien für Großkonzerne. Doch ihre Untersuchungen<br />

führen in die Irre und verschweigen das Wesentliche.<br />

Der deutsche Dichter Heinrich<br />

Heine schrieb im März 1841 durchaus<br />

ehrerbietig: «Geld ist der Gott<br />

unserer Zeit, und Rothschild ist sein<br />

Prophet.» Foto: Nigel Betts, Wikipedia<br />

Die 62 reichsten Menschen der Welt besitzen genauso<br />

viel wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung,<br />

was aktuell 3,6 Milliarden Menschen entspricht – so<br />

lautet eine zentrale Aussage des aktuellen Oxfam-<br />

Berichts mit dem Arbeitstitel «Eine Wirtschaft für<br />

das eine Prozent», der am 18. Januar anlässlich des<br />

Weltwirtschaftsforums im Schweizer Alpenidyll Davos<br />

vorgestellt wurde. Das «eine Prozent» – rund 70<br />

Millionen Erdenbürger – verfügt demnach über mehr<br />

Vermögen als die restlichen 99 Prozent der Weltbevölkerung.<br />

Drastischer lässt sich das Endstadium eines<br />

kranken Wirtschaftssystems nicht beschreiben.<br />

Die 62 Personen an der Spitze der Pyramide entsprechen<br />

0,000001 Prozent der Menschheit, ihr Vermögen<br />

summiert sich auf 1,76 Billionen US-Dollar –<br />

also 1.760 Milliarden. Würde man 100-Dollar-Noten<br />

aufeinanderstapeln, würde diese Summe einen Geldturm<br />

von 1.750 Kilometer Höhe ergeben – eine wahrhaft<br />

astronomische Dimension. Die Bankenrettungspakete<br />

für Griechenland, die bisher umgerechnet 270<br />

Milliarden Dollar umfassten, könnten die Herren fast<br />

aus der Portokasse bezahlen. In den letzten fünf Jahren<br />

vermehrte sich der Reichtum dieser 62 Multimilliardäre<br />

laut Oxfam um satte 45 Prozent, was über 540<br />

Milliarden Dollar entspricht. Gleichzeitig wurde die<br />

arme Bevölkerungshälfte um knapp eine Billion Dollar<br />

ärmer. Der altbekannte Spruch «Das Geld ist nicht<br />

weg, es ist nur woanders» wird hier bittere Realität.<br />

Laut den Autoren der Studie leben derzeit 700 Millionen<br />

Menschen von weniger als zwei Dollar am Tag und<br />

damit laut Definition der Weltbank in extremer Armut.<br />

Ruf nach dem Weltfinanzamt<br />

Die Kritik an der ungerechten Verteilung des weltweiten<br />

Reichtums tut Not, heute mehr denn je. Irritierend<br />

dagegen ist, welche Gründe die Nichtregierungsorganisation<br />

Oxfam für die Kluft zwischen Arm<br />

und Reich angibt: Sie sieht nämlich die «unzureichende<br />

Besteuerung von großen Vermögen» sowie<br />

die «Steuervermeidung von Unternehmen und reichen<br />

Einzelpersonen» als die Wurzel allen Übels. Die<br />

Forderungen nach mehr Gerechtigkeit beschränken<br />

sich darauf, Steueroasen trockenzulegen, Konzerne<br />

zu Steuertransparenz und fairer Entlohnung zu ermutigen<br />

und eine «legitime zwischenstaatliche Steuerinstitution<br />

auf UN-Ebene» aufzubauen, die «alle Länder<br />

umfasst». Damit liefert Oxfam eine Steilvorlage<br />

für kontrollwütige Globalisten, die nichts lieber wol-<br />

700 Millionen<br />

Menschen leben<br />

heute von weniger<br />

als zwei Dollar am<br />

Tag.<br />

_ Marc Dassen ist Redakteur bei<br />

<strong>COMPACT</strong>-<strong>Magazin</strong> und schreibt<br />

regelmäßig zu Themen aus Politik<br />

und Zeitgeschichte. In <strong>COMPACT</strong><br />

2/<strong>2016</strong> stellte er die Top Ten der<br />

schlimmsten Lügenjournalisten<br />

Deutschlands vor.<br />

43


<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

44<br />

Die Schatzkammern<br />

der Royals<br />

Das Vermögen von Herrscherhäusern<br />

und Diktatoren wird bei<br />

Forbes grundsätzlich nicht aufgeführt.<br />

So fehlt zum Beispiel<br />

die saudische Königsfamilie mit<br />

ihrem beträchtlichen Öl-Imperium,<br />

das sich laut rantfinance.com<br />

auf insgesamt 14 Billionen<br />

Dollar summiert. Das wahre<br />

Vermögen der britischen Königin<br />

Elizabeth II. versteckt sich hinter<br />

sogenannten Nominee Accounts<br />

der Bank of England. Die<br />

letzte Schätzung der Nachrichtenagentur<br />

Reuters kommt auf<br />

rund 35 Milliarden Dollar. Das<br />

dürfte stark untertrieben sein,<br />

wenn man bedenkt, dass sie mit<br />

Ländereien in der Größenordnung<br />

von 2.500 Quadratkilometern<br />

als größte Landbesitzerin<br />

der Erde gilt – nominell gehören<br />

ihr auch immer noch Kanada,<br />

Australien und etwa 50 weitere<br />

Commonwealthstaaten rund<br />

um die Welt.<br />

Königin Elisabeth II. ist das Oberhaupt<br />

der britischen Royals und<br />

die dienstälteste Monarchin der<br />

Geschichte. Foto: John Swannell<br />

len, als jenseits nationaler Souveränität einen globalen<br />

Umverteilungs- und Steuerungsmechanismus für<br />

die Weltwirtschaft zu installieren. Die nachträgliche<br />

Umverteilung wird als Allheilmittel verkauft – doch<br />

echte Lösungen müssen bei der Frage ansetzen, wie<br />

diese ungeheuren Vermögen überhaupt entstehen –<br />

und wer sie verwaltet.<br />

Auf der Forbes-Liste von 2015 – dem Verzeichnis<br />

für Superreiche, das Oxfam zur Berechnungsgrundlage<br />

macht – liefern sich Unternehmer, Neureiche und<br />

Börsenspekulanten ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Vertreten<br />

sind Namen wie die des Microsoft-Gründers Bill<br />

Gates (Platz 1 mit knapp 80 Milliarden US-Dollar),<br />

des Telekom-Giganten Carlos Slim Helu (Platz 2 mit<br />

77 Milliarden US-Dollar) und des Großinvestors Warren<br />

Buffet (Platz 3 mit 72 Milliarden US-Dollar). Die<br />

Koch-Brüder – schwerreiche amerikanische Industrielle<br />

und Großspender der Republikaner – bringen es gemeinsam<br />

sogar auf über 85 Milliarden. Mark Zuckerberg<br />

– der gerade 31-jährige Facebook-Gründer – landet<br />

mit seinen rund 34 Milliarden immerhin noch auf<br />

Platz 16, knapp hinter den Chefs von Konzernen wie<br />

Amazon, Wal-Mart, Zara oder L’Oréal. Etwas abgeschlagen<br />

auf Platz 29 rangiert auch der berüchtigte<br />

Börsen-Tycoon George Soros mit stattlichen 24 Milliarden<br />

Dollar Privatvermögen. Je weiter man in der<br />

Forbes-Liste aufsteigt, umso zweifelhafter die Zahlen<br />

und umso größer die Geheimniskrämerei. Es sei bekannt,<br />

dass «die reichsten Teile der Bevölkerung (…)<br />

am wenigsten auskunftsfreudig» sind und dazu neigen,<br />

«ihre Vermögen in Befragungen zu unterschätzen»,<br />

erklärt Oxfam.<br />

Auffallend ist, dass die große Mehrzahl der dort<br />

gelisteten Milliardäre als Unternehmer in Handel, Industrie<br />

und der Internet-Branche tätig sind. Und hier<br />

liegt der Hund begraben: Die schillerndsten Namen<br />

der modernen Hochfinanz tauchen weder bei Forbes<br />

noch im Oxfam-Report auf. So etwa die Rothschilds,<br />

Rockefellers, Warburgs, Morgans und weitere superreiche<br />

Clans des anglo-amerikanischen Establishments<br />

sowie die britische Königsfamilie. Es drängt<br />

sich der Verdacht auf, dass es die Oxfam-Aktivisten<br />

besonders auf die abgesehen haben, die ihr Vermögen<br />

tatsächlich noch im produzierenden Gewerbe verdienen,<br />

mit Fleiß und Unternehmergeist Imperien errichteten<br />

und Millionen Arbeitsplätze schufen. Jene aber,<br />

die den ererbten Reichtum seit Generationen lediglich<br />

durch Zinsen, Kreditvergabe und Hütchenspiele an<br />

den Finanzmärkten der Welt vermehren, kommen ungeschoren<br />

davon. Kritik am Geldsystem? Fehlanzeige.<br />

Der Club der Billionäre<br />

Das Vermögen der Bankiersdynastie Rothschild –<br />

aufgestiegen von Geldwechslern zu internationalen<br />

Großfinanziers und mittlerweile in siebter Generation<br />

tätig – schätzte der Spiegel in einem Artikel von<br />

Anfang 2012 auf etwa 350 Milliarden Dollar. Das Portal<br />

celebritynetworth.com gibt aktuell 400 Milliarden<br />

an, also locker das Fünffache eines Bill Gates und<br />

etwa genau so viel wie die jährliche Wirtschaftsleistung<br />

Österreichs. Bedenkt man, dass das Kapital des<br />

Rothschild-Imperiums in komplexen Verschachtelungen<br />

auf direkte Nachkommen verteilt und in unzähligen<br />

Firmenbeteiligungen, Immobilien und Kunstschätzen<br />

versteckt ist, dürfte diese Schätzung noch<br />

untertrieben sein.<br />

Vertreter der Hochfinanz tauchen<br />

im Oxfam-Report nicht auf.<br />

Die Rockefeller-Dynastie gründete sich auf der<br />

Ende des 19. Jahrhunderts mit skrupellosen Methoden<br />

ausgebauten Monopolstellung der Standard Oil<br />

Company, dem seinerzeit weltgrößten Ölkonzern, der<br />

heute in viele kleinere Firmen (Shell, BP, Exxon Mobil)<br />

aufgeteilt ist. Das von Patriarch David Rockefeller<br />

verwaltete Vermögen soll laut celebritynetworth.com<br />

rund 350 Milliarden Dollar betragen. Auch hier sind<br />

die tatsächlichen Zahlen ein wohlgehütetes Geheimnis.<br />

Ein ehemaliger Vermögensverwalter namens Robert<br />

Gaylon Ross Senior – Autor der Buchreihe Who<br />

is Who of the Elite – will aus Insiderkreisen wissen,<br />

dass die Rockefellers schon 1998 tatsächlich etwa 11<br />

Billionen Dollar und die Rothschilds sogar etwa 100<br />

Billionen Dollar besaßen. Diese Zahlen bleiben bis<br />

auf Weiteres spekulativ – mit einer baldigen Offenlegung<br />

der tatsächlichen Vermögenswerte der modernen<br />

Hochfinanz ist auch kaum zu rechnen.<br />

John Davison Rockefeller Senior (1839–1937, rechts) gilt als einer<br />

der reichsten Männer der Weltgeschichte und sah sich gern als<br />

Wohltäter. Foto: Archiv


<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />

Dossier _ Seite 46–52<br />

Revoltiert!<br />

Er ist der bedeutendste Theoretiker der Multikulti-Kritik in Frankreich: Renaud Camus<br />

hat den Großen Austausch der Bevölkerung durch Masseneinwanderung auf den Begriff<br />

gebracht. Er sieht die Gefahr einer Kolonisierung Europas und ruft zur Verteidigung<br />

unserer Kultur und Lebensweise auf. Nun sind erstmals seine wichtigsten Essays auf<br />

Deutsch erschienen.<br />

Foto: Erich Lessing Culture and<br />

Fine Arts Archives<br />

45


<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />

Wie ich zum Patrioten wurde<br />

_ Interview mit Renaud Camus<br />

Renaud Camus gilt als der wichtigste Vordenker des identitätsbewussten<br />

Frankreich, die Lügenpresse bezeichnet ihn wegen<br />

seiner Ablehnung der Einwanderungsgesellschaft als rechtsextrem.<br />

Dabei war er über Jahrzehnte als avantgardistischer Schriftsteller<br />

anerkannt. Wie damals sind es auch heute die gesellschaftlichen<br />

Tabus, die ihn reizen.<br />

bei nun um Vercingetorix [gallischer Freiheitsheld], Arminius<br />

[germanischer Heerführer], Jeanne d’Arc, Andreas<br />

Hofer, Gandhi, Bourguiba [Kämpfer gegen die<br />

französische Kolonialherrschaft in Tunesien] oder Lumumba<br />

[Revolutionsführer im Kongo] gehandelt hat.<br />

In meinen Augen sind es eher die Akteure und Propagandisten<br />

der aktuellen, nach 1940–44 «zweiten»<br />

Kollaboration, die man als «Rechtsextremisten» bezeichnen<br />

sollte: die Junckers, Merkels, Wallströms<br />

[Margot Wallström, schwedische Außenministerin]<br />

– all jene, die sich zu Kollaborateuren und Komplizen<br />

der Eroberung ihrer Länder gemacht haben, der Kolonisierung<br />

Europas durch Afrika.<br />

Freund Andy Warhols<br />

46<br />

Renaud Camus ist in Deutschland,<br />

im Unterschied zu Frankreich, noch<br />

kaum bekannt. Foto: privat<br />

Gerade erschienen: Renaud Camus,<br />

«Revolte gegen den Großen Austausch»,<br />

Verlag Antaios, 224 Seiten,<br />

19 Euro. (antaios.de)<br />

Foto: Verlag Antaios<br />

Was für eine Beziehung gibt es zwischen dem<br />

Renaud Camus der siebziger und achtziger Jahre<br />

und dem Mann, der heute in den französischen<br />

Medien häufig als «Rechtsextremist» oder als<br />

«Vordenker des Front National» hingestellt wird?<br />

Die Bezeichnung «Rechtsextremist» ist natürlich<br />

nichts weiter als ein rein polemisches Etikett, mit dessen<br />

Hilfe die Betreiber des Großen Austausches, der<br />

Auflösung der Völker und der Zivilisation ihre Widersacher<br />

zu diskreditieren versuchen. Sie benutzen solche<br />

Vokabeln als Vorwand, um jemanden wie mich zu<br />

isolieren und in der Versenkung verschwinden zu lassen.<br />

Ich für meinen Teil betrachte mich in keiner Weise<br />

als «rechtsextrem»: Das ist weder meine literarische<br />

noch meine politische oder geistige Familie. Zu<br />

keinem Zeitpunkt der Geschichte der Menschheit ist<br />

jemand zum Mitglied oder Sympathisanten der «extremen<br />

Rechten» geworden, bloß weil ihm die Freiheit<br />

und Unabhängigkeit seines Volkes und das Überleben<br />

seiner Zivilisation am Herzen lag – egal, ob es sich da-<br />

Es ist freilich wahr, dass sich viele Leute, die mich<br />

schlecht kennen und deshalb zur extremen Rechten<br />

zählen, darüber wundern, dass ausgerechnet jemand<br />

wie ich ein avantgardistischer Autor sein konnte, nicht<br />

nur in formaler Hinsicht, sondern auch, was die Wahl<br />

meiner Sujets anging. Man denke etwa an mein bisher<br />

einziges ins Deutsche übersetztes Buch Tricks aus<br />

den siebziger Jahren, zu dem Roland Barthes ein Vorwort<br />

beisteuerte und das fünfundvierzig homosexuelle<br />

Begegnungen in Paris, New York oder San Francisco<br />

nach 1968 in einer äußerst direkten, rein deskriptiven<br />

und sachlichen Sprache beschreibt, genauso, wie sie<br />

sich zugetragen haben. Vierzig Jahre später beschreibe<br />

ich den Austausch des Volkes und der Zivilisation,<br />

wie er sich in Frankreich und in ganz Europa zuträgt.<br />

Es handelt sich um ein und dieselbe Vorgehensweise:<br />

das Einfache einfach zu beschreiben, das Offensichtliche<br />

direkt anzusprechen, die Tatsachen sachlich<br />

zu behandeln.<br />

Das ist das Geheimnis, warum der Autor der Tricks,<br />

der Freund Andy Warhols, der Aussteller moderner<br />

Kunst zum Verächter, vor allem aber zum «Logotheten»,<br />

wie Roland Barthes es nannte, zum Wortgeber,<br />

zum Beschreiber des Großen Austausches wurde. Hier<br />

wie dort handelt es sich um absolut dasselbe Prinzip,<br />

um denselben Kampf und das gleiche Werkideal.<br />

Ich war stets der Meinung, dass es die wesentliche<br />

Aufgabe eines jeden Schriftstellers sei, sich in<br />

jene verborgenen Bereiche der Gesellschaft und der<br />

Sprache zu begeben, in denen sich Dinge zutragen, die<br />

nicht ausgesprochen, erwähnt, beobachtet, beschrieben<br />

werden dürfen; Dinge also, denen die Gesellschaft<br />

nicht ins Gesicht blicken will. Dort, wo die Leerstellen<br />

und Löcher im Gewebe der Wirklichkeit sind, muss der<br />

Autor eine Sprache finden. Das war vor vierzig Jahren<br />

womöglich die Homosexualität, heute ist es die Auf-


<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />

lösung des Volkes, die unaussprechbar geworden ist.<br />

Insofern ist es interessant zu beobachten, wie sich der<br />

Puritanismus der Sprache, das Verbot, das «Das-sagtman-nicht»<br />

und der Tabubruch vom Sexus zur Rasse,<br />

von der Erotik zur Politik verschoben haben. Offenbar<br />

gibt es eine Konstante der Repression, des Zwanges<br />

und der Hemmung, die den historischen Gegebenheiten<br />

entsprechend ihre Vorzeichen wechselt.<br />

Die Ignoranz der medialen Kaste<br />

Gab es einen markanten Wendepunkt in Ihrem<br />

Leben, der dazu geführt hat, dass Sie sich der Politik<br />

und dem Problem des Großen Austausches<br />

zugewandt haben?<br />

Ich wurde in dem Moment zum Patrioten, als mir klar<br />

wurde, dass man mir verbieten will, einer zu sein. Und<br />

ich habe mich erst für meine Identität als Franzose und<br />

Europäer zu interessieren begonnen, als ich bemerkte ,<br />

dass es verboten war, darüber zu sprechen. Ich selbst<br />

bin von Natur aus nicht im Mindesten chauvinistisch<br />

veranlagt. Ich liebe die englische Lyrik ebenso sehr<br />

wie die französische, die deutsche Musik ebenso sehr<br />

wie die französische, und die italienische Architektur<br />

gefällt mir sogar um einiges besser als die französische.<br />

Ich bin ein großer Anglophiler und halte die englische<br />

Landschaftsgärtnerei für die vielleicht höchste,<br />

zumindest für die exquisiteste Leistung der Zivilisation.<br />

Ich habe also einen guten Teil meines Lebens<br />

verbracht, ohne mir viele Gedanken über Patriotismus<br />

oder die französische Identität und ähnliche Dinge<br />

zu machen.<br />

Die Realität des Großen Austausches wurde mir<br />

Ende des letzten Jahrhunderts zunehmend bewusst.<br />

Ich brauchte nicht mehr zu tun, als meine Augen zu<br />

öffnen. Das, was ich in aller Deutlichkeit sah, schien<br />

jedoch den politischen Diskurs in keiner Weise zu berühren;<br />

es gab keinerlei Beziehung mehr zwischen<br />

der Wirklichkeit und der Politik. Dort gab es lediglich<br />

eine fiktive Welt, die sich zu ihrer Aufrechterhaltung<br />

eine eigene politisch-soziologische Sprache erschaffen<br />

hatte: Ich habe dafür den Neologismus «fauxel»<br />

geprägt, womit ich die Herrschaft der Realitätsinversion,<br />

das Reich des Falschen bezeichne.<br />

Wohlverstanden: Der Große Austausch belastet<br />

mein eigenes privates Leben nicht allzu sehr, wohl<br />

viel weniger als den Durchschnitt meiner Landsleute.<br />

Ich lebe auf dem Land, in einem Dorf, in dem es (noch)<br />

nicht sehr viele außereuropäische Einwanderer gibt,<br />

auch wenn ich dort schon einmal eine von Kopf bis<br />

Fuß verschleierte Frau gesehen habe, was in diesen<br />

Breiten noch ein ungewohntes Schauspiel ist.<br />

«Ich wurde in dem Moment zum Patrioten,<br />

als mir klar wurde, dass man<br />

mir verbieten will, einer zu sein.»<br />

Aber ich finde es empörend, wenn sich die Zeitungen<br />

über die Wähler des Front National mokieren,<br />

die für Marine Le Pen stimmen, obwohl es «in deren<br />

Dörfern (…) doch keinen einzigen Einwanderer<br />

gibt». Der Patriotismus ist dieser medialen Kaste derart<br />

fremd geworden, dass sie nicht begreifen kann,<br />

warum wir die Invasion unseres eigenen Landes beklagen,<br />

obwohl die Invasoren noch nicht unsere Küche<br />

besetzt halten und uns kein direktes, persönliches<br />

Unrecht zufügen. Würde man einen Reporter des heutigen<br />

Staatsfernsehens nach Domrémy im Jahre 1428<br />

schicken, so würde er Jeanne d’Arc ein Mikro unter<br />

die Nase halten und fragen: «Ich verstehe Sie nicht,<br />

Mademoiselle. Was haben Sie denn gegen die Engländer?<br />

Es gibt in Ihrem Dorf doch gar keine!» (…)<br />

Der andere Camus<br />

Renaud Camus, geboren 1946 in<br />

Chamalières, kommt ursprünglich<br />

aus der Linken und war Anfang<br />

der 1970er Jahre Mitglied<br />

der Sozialistischen Partei; 1982<br />

gab er François Mitterrand seine<br />

Stimme. Wenn er in jenen<br />

Jahrzehnten politisch engagiert<br />

war, dann vor allem an der<br />

Seite der Schwulenbewegung.<br />

Für Tricks, eine Sammlung homoerotischer<br />

Prosaskizzen aus<br />

dem Jahre 1978, schrieb kein<br />

Geringerer das Vorwort als Roland<br />

Barthes (1915–1980) , einer<br />

der Gründerväter des Poststrukturalismus,<br />

der heute anstelle<br />

des Marxismus das ideologische<br />

Fundament der Neuen<br />

Linken bildet.<br />

2013 nannte ihn die Wochenzeitung<br />

Le Point in Anspielung auf<br />

seinen berühmteren Namensvetter<br />

Albert Camus «ce Camus<br />

qui n’aime pas l’étranger», «der<br />

Camus, der den Fremden nicht<br />

mag». In einem kurzen Gastauftritt<br />

geistert Camus auch durch<br />

Michel Houellebecqs 2015 erschienenen<br />

Roman Unterwerfung,<br />

der eine islamische<br />

Machtübernahme im Frankreich<br />

der nahen Zukunft schildert.<br />

Entgegen der Darstellung in der<br />

Mainstreampresse hält der Publizist<br />

Distanz zum Front National.<br />

Dessen Vorsitzende Marine<br />

le Pen hat Camus’ Zentralbegriff<br />

des Großen Austausch<br />

als «verschwörungstheoretisch»<br />

abgetan.<br />

Website: renaud-camus.net<br />

Bild oben: Der berühmtere Namensvetter<br />

Albert Camus (1913–1960).<br />

Bild links: Brennpunkt Calais: Im<br />

dortigen Lager kommt es regelmäßig<br />

zu gewalttätigen Angriffen<br />

zumeist afrikanischer Asylforderer.<br />

Fotos: Archiv<br />

_ Interview: Martin Lichtmesz.<br />

Stark gekürzter Auszug aus<br />

Renaud Camus, «Revolte gegen<br />

den Großen Austausch», 224<br />

Seiten, 19 Euro (antaios.de).<br />

47


Der Große Austausch der Bevölkerung<br />

_ von Renaud Camus<br />

48<br />

Millionen Zuwanderer strömen über die offenen Grenzen zu uns – die<br />

Kolonisierung und Islamisierung Europas durch Afrikaner und Araber<br />

hat begonnen. Dies klar auszusprechen, ist der erste Schritt zur<br />

notwendigen Revolte.<br />

Integration,<br />

Assimilation,<br />

gemeinsame<br />

Staatsbürgerschaft<br />

– Begriffe aus der<br />

Vergangenheit.<br />

Der «Große Austausch»: Das ist keine Hypothese ,<br />

kein Konzept, keine Theorie, sondern die simple Feststellung<br />

einer Tatsache. Dieser Begriff umschreibt ein<br />

allumfassendes Phänomen, das bei weitem gewichtigste,<br />

das Frankreich und Europa seit dem Ende des<br />

20. Jahrhunderts heimsucht und vielleicht für immer<br />

verändern wird, einen laufenden Prozess, an dessen<br />

Ende die Auflösung der Völker und der Zivilisation steht.<br />

Man kann diese ungeheure Erschütterung auch<br />

anders beschreiben: als ethnische und kulturelle Substitution,<br />

als demographische Überschwemmung, als<br />

Gegen-Kolonisation, als Eroberung Europas durch<br />

Afrika, eine spiegelbildliche Kopie der einstigen Eroberung<br />

Afrikas durch die Europäer, die allerdings gravierendere<br />

Folgen hat und viel tiefer reicht.<br />

Kolonisation statt Integration<br />

Man kann argumentieren, dass es keinen unmittelbaren<br />

Austausch im strengen Sinne gebe und dass<br />

der ständige Zufluss von Neuankömmlingen in unaufhaltsamen<br />

Flutwellen nicht zwangsläufig nach einem<br />

halben Jahrhundert zum simultanen Verschwinden der<br />

Europäer auf ihrem eigenen Boden führen müsse; es<br />

gibt unzählige Faktoren, die über eine bloße Substitution<br />

im strengen Sinne hinausweisen. Es bleibt jedoch<br />

dabei: Die unterschiedlichen Geburtenraten in Verbindung<br />

mit der kontinuierlichen Zufuhr von Einwanderern<br />

bewirken, dass die Beziehungen und Proportionen zwischen<br />

den einzelnen Altersgruppen auf der einen Seite<br />

eine Bevölkerungsgruppe zeigen, die in Relation zu<br />

der vorangehenden Generation schrumpft, und auf der<br />

anderen Seite eine, deren Präsenz und Gewichtigkeit<br />

ohne Unterlass wächst. Wir können diese Entwicklung<br />

inzwischen mit dem bloßen Auge sehen: Unzählige<br />

Häuser und Plattenbauten, Straßen, die einst vertraut<br />

waren, ein Stadtviertel nach dem anderen, Eisenbahnund<br />

U-Bahn-Abteile, Klassenzimmer, Schulen, Veranstaltungsorte,<br />

ganze Städte, immer größere Landstriche<br />

sind nicht mehr wiederzuerkennen, da die alteingesessene<br />

Bevölkerung sie verlassen hat oder kaum<br />

noch frequentiert und durch eine andere ersetzt wurde.<br />

Ich denke hierbei gar nicht so sehr an die Farbe<br />

der Augen oder der Haut oder an verschiedene Haartypen.<br />

Ich denke an die Art, sich zu kleiden, an die<br />

Sitten, die in einem Haus oder einer Stadt Gültigkeit<br />

haben, an Verhaltensmuster, an Interessen, an kulinarische,<br />

musikalische, ästhetische, soziale Geschmäcke.<br />

Weit entfernt davon, sich im Laufe der Zeit einander<br />

anzugleichen, spitzen sich die Unterschiede vielmehr<br />

zu. Integration, Assimilation, gemeinsame Staatsbürgerschaft:<br />

Worte und Ausdrücke wie diese stammen<br />

aus einer Zeit, die längst der Vergangenheit angehört.


Niemand glaubt mehr an sie. Nationen können Individuen<br />

integrieren, wie es Frankreich im Lauf seiner<br />

Geschichte oft gemacht hat. Sie können aber keine<br />

ganzen Völker absorbieren. Die Neuankömmlinge verspüren<br />

keine Begierde, in den einheimischen Bevölkerungen<br />

aufzugehen. Diese Auszutauschenden, die<br />

vor ihnen zurückweichen und die abgestumpft sind<br />

durch die Ideologie des Austausches, eine demente<br />

Form des dogmatischen Antirassismus, scheinen es<br />

für eine Art Frage der Ehre oder der Schande zu halten,<br />

alle Nachteile willig in Kauf zu nehmen und dabei<br />

die Verachtung, die ihnen entgegenschlägt, masochistisch<br />

zu ertragen.<br />

Mit der Zeit werden die Einwanderer und ihre Nachkommen<br />

mehr und mehr sie selbst, das heißt, sie entsprechen<br />

immer mehr dem, was ihre Herkunft ihnen<br />

vorschreibt, mag sie noch so weit zurückliegen. Nun<br />

steigt sie wieder umso lebendiger aus den Tiefen<br />

empor. Sie sind mehr als je zuvor bereit, die Überzeugungen,<br />

den Habitus und die Sitten ihrer Vorfahren<br />

anzunehmen, da sie ja sehen können, dass nichts die<br />

Bevölkerungsteile am absteigenden Ast der demographischen<br />

Unterwanderung stärker ängstigt und demoralisiert.<br />

Diese fühlen deutlich, dass sie allmählich<br />

selbst zu Fremden werden, die sich nicht mehr unter<br />

ihresgleichen bewegen können. Deshalb werden die<br />

realen oder angeblichen Zeichen der betonten Wiederkehr<br />

der Ursprünge zu Hilfsinstrumenten der Machtentfaltung<br />

und zur triumphalen, aggressiven Selbstaffirmation<br />

seitens derer, die die Ausgetauschten ersetzen<br />

sollen: die Schleier, die Bubus, die Dschellabas,<br />

die Bärte, die demonstrative Religiosität und natürlich<br />

die Moscheen. Im Laufe dieses Übergangs lösen sich<br />

die Luftschlösser all jener auf, die glauben konnten<br />

oder wollten, dass man ein Volk verändern kann, ohne<br />

seine Zivilisation zu ändern; dass man mit einer anderen<br />

Bevölkerung immer noch dieselbe Nation haben<br />

kann; dass ein Messer, bei dem man zuerst den Griff<br />

und dann die Klinge austauscht, immer noch dasselbe<br />

Messer ist.<br />

Die Lügen der Multikulti-Lobby<br />

Es fällt auf, dass sich bei den Anhängern der Ideologie<br />

des Austausches im Hinblick auf ihre eigene,<br />

unmittelbare Zukunft allmählich eine gewisse Unsicherheit<br />

bemerkbar macht: denn diejenigen, die die<br />

Auszutauschenden ersetzen sollen und die sie mit<br />

einem solchen Eifer gefördert haben, scheinen im Alltag<br />

ihre eigene Doktrin demonstrativ zu widerlegen,<br />

was an sich eine begrüßenswerte Sache und sogar ein<br />

Grund zur Hoffnung wäre, wenn der Große Austausch<br />

nicht unterdessen ungestört weiterlaufen würde, und<br />

zwar auf ganz andere Weise, als es sich seine Betreiber<br />

vorgestellt oder erträumt haben. Sie werden dem<br />

Schicksal nicht entgehen, unter den ersten Opfern seiner<br />

Folgen zu sein, angesichts des Ausmaßes der Verachtung,<br />

die ihnen und ihrer Geisteshaltung seitens<br />

derer, die sie hofiert haben, entgegenschlägt.<br />

Die Ideologie des Austausches ist nichts anderes<br />

als die aggressivste und virulenteste Form des dogmatischen<br />

Antirassismus. Sie ist seine zeitgemäße Verkörperung.<br />

Indem sich diese Ideologie als «antirassistisch»<br />

bezeichnet, gibt sie sich implizit als eine Moral<br />

aus, wenn nicht sogar als die Moral selbst. Sie ist<br />

jedoch wohlgemerkt weder antirassistisch noch moralisch,<br />

und sie kann es auch gar nicht sein. Denn keine<br />

Moral kann ihre Grundlagen und ihre letzten Ziele<br />

Etwa 3.000 Migranten leben in<br />

Zelten und Baracken am Eingang<br />

des Kanaltunnels in Calais und<br />

starten immer wieder Durchbruchsversuche<br />

durch den Absperrzaun<br />

oder bedrohen LKW-Fahrer. Die Polizei<br />

hat einheimische Anarchisten<br />

der No-Border-Gruppe teilweise<br />

als Rädelsführer identifiziert. Foto:<br />

Reuters/Juan Medina<br />

Die Auszutauschenden<br />

sind bereit, die<br />

Verachtung<br />

masochistisch zu<br />

ertragen.<br />

Chaotische Zustände: Der «Dschungel»,<br />

das schmutzigste Lager in<br />

Calais. Foto: Twitter<br />

49


<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />

50<br />

De Gaulles Warnung<br />

«Es ist sehr gut, dass es gelbe,<br />

schwarze und braune Franzosen<br />

gibt. Sie zeigen, dass Frankreich<br />

offen ist für alle Rassen<br />

und dass es eine universelle Berufung<br />

hat. Aber unter der Bedingung,<br />

dass sie eine Minderheit<br />

bleiben. Sonst wäre Frankreich<br />

nicht mehr Frankreich. Wir<br />

sind vor allem ein europäisches<br />

Volk von weißer Rasse, griechischer<br />

und römischer Kultur und<br />

christlicher Religion. Dass man<br />

sich da nichts vormacht! (…)<br />

Die Leute, die die Integration<br />

anpreisen, haben ein Kolibrihirn,<br />

auch wenn sie sonst viel wissen<br />

mögen. Versuchen sie doch<br />

einmal, Öl und Essig miteinander<br />

zu mischen. Schütteln Sie<br />

die Flasche. Binnen kurzer Zeit<br />

werden sie sich wieder trennen.<br />

Araber sind Araber, Franzosen<br />

sind Franzosen. Glauben Sie<br />

denn wirklich, dass der französische<br />

Volkskörper zehn Millionen<br />

Muslime aufnehmen kann, die<br />

morgen zwanzig Millionen und<br />

übermorgen vierzig sein werden?»<br />

(Aus einem Gespräch, das<br />

de Gaulle am 5. März 1959 geführt<br />

hat. Quelle: Alain Peyrefitte,<br />

C’était de Gaulle [deutsch:<br />

Das war de Gaulle], Fayard<br />

1994.)<br />

Terrorangst: Nach den zwei verheerenden<br />

Anschlagswellen im Januar<br />

und November 2015 patrouillierten<br />

Soldaten durch die französischen<br />

Städte, hier im Pariser Quartier Saint-<br />

Denise am 18.11.2015. Foto: dpa<br />

in der unablässigen Propagierung der Ersetzung von<br />

Lebewesen und Dingen sehen, die unter dem Gesichtspunkt<br />

ihrer Eignung zur Ersetzbarkeit bewertet werden.<br />

Ganz im Gegenteil strebt eine wahrhafte Moral<br />

danach, unersetzliche Lebewesen herauszubilden und<br />

den Respekt vor ihrer natürlichen Unersetzlichkeit zu<br />

kultivieren.<br />

Eine wahrhafte Moral kann es sich auch nicht<br />

leisten, sich von der Wahrheit zu lösen, die für jede<br />

Moral eine notwendige Bedingung ersten Ranges ist.<br />

Die Ideologie des Austausches jedoch basiert auf der<br />

Lüge. Es ist wie in dem Witz vom geborgten Kessel,<br />

den Freud so gerne zitierte. Der Mann, der ihn seinem<br />

Nachbarn in beschädigtem Zustand zurückbringt, hat<br />

drei Entschuldigungen: Erstens war der Kessel schon<br />

beschädigt, als ich ihn entliehen habe; zweitens ist er<br />

doch gar nicht beschädigt, und drittens habe ich diesen<br />

Kessel niemals ausgeliehen. Erstens habe es nur sehr<br />

wenig Einwanderung nach Frankreich gegeben und<br />

außerdem sei sie rückläufig; zweitens habe es immer<br />

schon enorm viel Einwanderung gegeben, Frankreich<br />

und Europa seien immer schon Einwanderungsländer<br />

gewesen, das sei doch überhaupt nichts Neues und es<br />

lohne sich gar nicht, darüber zu reden; drittens habe es<br />

bereits so viel Einwanderung gegeben, dass die gegenwärtige<br />

Situation irreversibel sei: Man könne nichts<br />

anderes mehr tun, als sich mit der Lage anzufreunden –<br />

oder die Koffer zu packen, wenn sie einem nicht passe.<br />

Falsches und echtes Mitleid<br />

Der unglückselige Migrant, mit dem wir das Menschsein<br />

teilen, wird von den Schleppern ebenso und noch<br />

mehr verdinglicht, als er es von der Ideologie des globalen<br />

Austausches ohnehin schon wird, der höchstselbst<br />

er es zu verdanken hat, auf Straßen und Meere<br />

hinausgetrieben worden zu sein. Dass dieser Unglückliche<br />

zu Recht zu beklagen ist, kann nicht bestritten<br />

werden. Indes: Diesem augenblicklichen Mitleid nachzugeben,<br />

indem man der Masse der Migranten blindlings<br />

die Häfen und die Pforten öffnet, bedeutet, dazu<br />

beizutragen, dass die Gewalt, das Misstrauen, die<br />

Abstumpfung und das Elend in unserer Gesellschaft<br />

vermehrt werden – den Beweis dafür erbringt die elementare<br />

direkte Beobachtung. Es ist das Wohl dieser<br />

Gesellschaft und der Millionen Individuen, aus denen<br />

sie sich zusammensetzt, dem unsere primäre Sorge zu<br />

gelten hat, und zwar entschieden mehr als dem Wohl<br />

derer, die ihr nicht angehören. Diese verdienen gewiss<br />

unser Mitleid wie jedes andere lebende Wesen auch,<br />

aber nicht in Form einer Öffnung der Grenzen, denn<br />

diese erzeugt sehr rasch noch mehr allgemeines und<br />

dauerhaftes Leid. Die Moral darf nicht auf sentimentale<br />

Reflexe reduziert werden. Sie muss das Für und<br />

Wider abwägen und gewissenhaft die moralischen Folgen<br />

ihrer Entscheidungen bedenken.<br />

Die Ideologie des Großen Austausches<br />

ist weder antirassistisch<br />

noch moralisch.<br />

Außerdem wäre das eine ziemlich eigenartige<br />

Moral, die uns bei jeder Gelegenheit dazu auffordert,<br />

uns jeglichen moralischen Urteils zu enthalten.<br />

Dies aber verlangt der Antirassismus des Austausches,<br />

mit ständiger Berufung auf scheinbar ethische<br />

Gründe. Ein Verbrechen kann noch so schwer, ein Delikt<br />

noch so bösartig sein: Die institutionalisierte Ideologie<br />

des Austausches nötigt uns, die Tat vor allem unter<br />

soziologischen Gesichtspunkten zu betrachten – das<br />

heißt, sie zu «verstehen» und möglichst rasch zu entschuldigen,<br />

da die Untaten dieses oder jenes Täters<br />

stets auf «Rassismus», «Ausgrenzung» und «Diskriminierung»<br />

zurückzuführen seien. Dadurch wird er zum<br />

essentiell Unschuldigen, denn der Rassismus, dessen<br />

Zielscheibe er angeblich ist, gilt satzungsgemäß als der<br />

einzig wahre Schuldige an seinen Handlungen. Daher<br />

sind die Schuldigen unschuldig, weil sie sozusagen<br />

aufgrund ihrer bloßen Herkunft ewige Opfer sind, auch<br />

wenn sie zu Tätern werden; man wagt es nicht, an dieser<br />

Stelle von Rasse zu sprechen, da ja dieses Wort<br />

am besten die Paradoxie des Antirassismus zu erkennen<br />

gäbe, in dessen Begriff es implizit enthalten ist<br />

und dessen ursprünglicher Sinn sich inzwischen komplett<br />

ins Gegenteil verkehrt hat: Er macht nämlich seine<br />

moralischen Urteile über die Menschen von ihrer ethnischen<br />

Zugehörigkeit abhängig und tut also genau das,<br />

was er zu verdammen vorgibt. Und auch die Opfer sind<br />

keine wirklichen Opfer, wenn sie sozusagen genetisch,<br />

atavistisch, der Rasse der Schuldigen angehören. Es<br />

ist eben immer wieder dasselbe Spiel.


<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />

Zweierlei Fremdherrschaft<br />

Die damit einhergehende Pseudomoral – deren Prämissen,<br />

wie gesagt, falsch und schlecht, daher also<br />

unmoralisch sind, obwohl sie sich auf moralische Kategorien<br />

berufen – gibt das Gebot als wahr, schön und<br />

gut aus, dass die einheimischen Völker die ihnen aufgezwungenen<br />

Ungerechtigkeiten kampflos hinnehmen<br />

sollen: also ihre Eroberung durch ethnische Überschwemmung,<br />

ihre Preisgabe durch die herrschenden<br />

Eliten, die Macht im Dienst der Ideologie des Austausches<br />

(ob sich diese nun als konservativ oder links<br />

bezeichnet, macht dabei keinen Unterschied). Die<br />

Ahnen der Völker, die uns heute überschwemmen,<br />

haben sich einst ebensolchen Invasionen von Fremden,<br />

die andere Zivilisationen, andere Kulturen oder<br />

Unkulturen und andere Religionen im Gepäck tragen,<br />

mit aller Kraft widersetzt. Warum machen die Europäer<br />

in der gleichen Lage nicht dasselbe? Was hält<br />

sie davon ab, sich dagegen zu erheben?<br />

Die heutige Kolonisation Europas<br />

reicht viel tiefer als die frühere<br />

Kolonisation Afrikas.<br />

Ein Grund ist wohl, dass sich die Invasoren in einer<br />

neuartigen, trügerischen Form präsentieren und sie<br />

durch ihre Misere und ihre Hilfsbedürftigkeit, die<br />

manchmal real, manchmal gespielt ist, etwas erreichen,<br />

das ihre Vorgänger, die häufig aus denselben<br />

Breitengraden kamen wie sie, durch Macht und Herrlichkeit<br />

nicht dauerhaft in ihren Besitz nehmen konnten<br />

– trotz der sieben Jahrhunderte in Spanien. Weil<br />

Europa nicht wahrhaben will, dass es zwischen tausenden<br />

und hunderttausenden Flüchtlingen und illegalen<br />

Einwanderern pro Jahr einen fundamentalen Qualitätsunterschied<br />

gibt, versteift sich der Kontinent lächerlicherweise<br />

auf die Vorstellung, es mit einem bloßen<br />

Menschenrechtsproblem oder einer humanitären Krise<br />

zu tun zu haben, während alles darauf hindeutet, dass<br />

es sich in Wahrheit um eine Invasion handelt.<br />

Man hat mich zuweilen dafür kritisiert, dass ich von<br />

der Kolonisierung Europas spreche. Die einen empfanden<br />

diesen Begriff deshalb als unpassend, weil unsere<br />

Kolonisten friedlich und waffenlos seien; die anderen,<br />

weil die Eroberer doch gar nichts kolonisierten, wenn<br />

«kolonisieren» eine produktive Tätigkeit impliziert.<br />

In Wahrheit gebärden sie sich immer weniger friedlich,<br />

und sie lassen zunehmend ihre Machtansprüche<br />

erkennen, die Ansprüche von Eroberern. Sie sind kurz<br />

davor, direkt zu verlangen, dass man sich ihren Wünschen<br />

füge und ihre Forderungen erfülle. Und wenn sie<br />

auch nichts Produktives geleistet haben, so haben sie<br />

immerhin gezeigt, dass sie zur Ausbeutung imstande<br />

sind, wenn man etwa die wahnwitzigen Kosten der<br />

Masseneinwanderung betrachtet. Europa ist auf eine<br />

Weise von Afrika kolonisiert worden, wie es selbst nie<br />

kolonisiert hat. Europa hat in der Vergangenheit vor<br />

allem erobert. Folgt man dem antiken Paradigma, dann<br />

bedeutet die Gründung einer Kolonie vor allem, Teile<br />

seiner Bevölkerung in Massen zu exportieren. Das hat<br />

Frankreich, um es einmal deutlich zu sagen, niemals<br />

getan, mit Ausnahme Kanadas im 17. und 18. Jahrhundert<br />

und Algeriens zwei Jahrhunderte später. Man<br />

weiß, wie das geendet hat.<br />

Die Unabhängigkeit der Völker lässt sich jedoch viel<br />

leichter verwirklichen, wenn die Kolonisierung einen<br />

rein nominellen, wirtschaftlichen, militärischen und<br />

administrativen Charakter hat. Wir selbst erleiden eine<br />

Kolonisation, die viel tiefer reicht, weil sie demogra-<br />

Die Folgen der Multikulti-Politik.<br />

Bild links: Viele Banlieues sind<br />

zu gesetzlosen Zonen geworden,<br />

in denen die Polizei den Straßenbanden<br />

nicht mehr Herr wird.<br />

Bild rechts: Die Islamisierung<br />

schreitet voran. Da die Moschee in<br />

der Rue Myrha in Paris überfüllt ist,<br />

beten die Muslime auf dem Pflaster<br />

davor. Fotos: Archiv<br />

Muslime<br />

in Frankreich<br />

Prognostizierte muslimische Bevölkerungsentwicklung<br />

in Frankreich<br />

von 1990–2<strong>03</strong>0<br />

10,3<br />

6.860<br />

568<br />

1<br />

7,5<br />

4.704<br />

1990 2010 2<strong>03</strong>0<br />

Anzahl Muslime in Tausend<br />

Anteil Muslime an Gesamtbevölkerung<br />

in Prozent<br />

Quelle: Zusammenstellung aus<br />

Material der Onlinepräsentation<br />

des Pew Forum on Religion &<br />

Public Life (2011)<br />

51


<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />

Die wahren Feinde<br />

Nicht ganz zu Unrecht werfen<br />

manche ihrer Gegner den Rechten<br />

vor, es sich in der Benennung<br />

«des Moslems» oder «des<br />

Ausländers» zu einfach zu machen,<br />

ja gar einen Sündenbock<br />

zu suchen. Natürlich aber sind<br />

die einwandernden Massen Teil<br />

des Gesamtproblems, und keineswegs<br />

nur als Opfer zu betrachten.<br />

Sie sind Schachfiguren<br />

eines größeren Spiels. Ebenso<br />

ist der Islam als Kitt und mobilisierender<br />

Faktor dieser Einwanderermassen<br />

ein zentrales<br />

Problem, das den Großen Austausch<br />

beschleunigt und ihn blutiger<br />

und brutaler macht. Das<br />

wahre Problem sind aber die<br />

«Austauscher». (…) Die Initiatoren,<br />

Vertuscher und Förderer des<br />

Gesamtprozesses sind die wahren<br />

Feinde jener, die den Großen<br />

Austausch verhindern wollen.<br />

Sie sind die wahren Feinde der<br />

europäischen Völker. Dazu gehören<br />

nationale und internationale<br />

Konzerne, die sich durch<br />

das Fehlen von Einwanderungsgrenzen<br />

eine Lohnkostenminderung<br />

und vom Abbau ethnokultureller<br />

Gemeinschaften eine Erleichterung<br />

ihres Wirtschaftstreibens<br />

erwarten. Sodann jene<br />

migrationsfreundlichen politischen<br />

Parteien, die in den Migranten<br />

einen Stimmenimport<br />

entdeckt haben. (…) Eine Szene<br />

aus Intellektuellen und Kulturproduzenten<br />

lebt im Großen<br />

Austausch einen ethnomasochistischen<br />

Wahn aus, der als<br />

Schuldkult den gesamten Westen<br />

befallen hat. (Martin Sellner<br />

im aktuellen Buch von Renaud<br />

Camus, Revolte gegen den Großen<br />

Austausch)<br />

phischen Charakter hat, was bei der Kolonisation Afrikas<br />

nicht der Fall war; da sie enorme Bevölkerungstransfers<br />

zur Grundlage hat, könnte sie sehr bald irreversibel<br />

werden. Es gibt jetzt schon sechsmal so viele<br />

Afrikaner in Europa als es Europäer gibt, die jemals in<br />

Afrika gelebt haben. Darum muss rasch gehandelt werden.<br />

Der irrsinnige Pendelschlag von Kolonisation und<br />

Gegen-Kolonisation muss gestoppt und in der Mitte, im<br />

Mittelmeerraum, fixiert werden. Daher sollte uns ein<br />

antikolonialistischer Geist leiten – antikolonialistisch<br />

und widerständig.<br />

Wir müssen eine kritische Masse<br />

bilden, die dem Widerstand Handlungsspielraum<br />

eröffnet.<br />

Das Fanal zum Widerstand<br />

Das erste Ziel, das sehr rasch erreicht werden<br />

könnte, wenn eine ausreichend große Zahl an Franzosen<br />

und anderen Europäern es wirklich wollte, wäre<br />

eine kritische Masse zu bilden, die gut sichtbar ist<br />

und die dem Widerstand gegen den Großen Austausch<br />

einen echten Handlungsspielraum eröffnet,<br />

seinen Entscheidungen Nachdruck verleiht und auf<br />

den Lauf der Geschichte einwirken kann. Sie muss in<br />

der Lage sein, unseren bedrückten Landsleuten wieder<br />

Mut und Selbstvertrauen einzuflößen und ihnen<br />

ein Sprachrohr in die Hand zu geben, um ihre Ablehnung<br />

des kommenden Großen Austausches kundzutun,<br />

ihre Entschlossenheit, den Lauf der Dinge umzukehren.<br />

Es nützt nichts, sich in Aktionen und Demonstrationen<br />

zu stürzen, mögen sie so spektakulär sein,<br />

Das Gesicht des Widerstands: General Christian Piquemal (75) war<br />

Kommandeur der Fremdenlegion und diente drei Präsidenten als<br />

Berater. Seine Verhaftung am 6. Februar <strong>2016</strong> bei einer Demonstration<br />

des französischen Pegida-Ablegers in Calais sorgte für<br />

Empörung. Foto: privat<br />

wie sie wollen, wenn sie nicht die Möglichkeit bieten<br />

können, aus ihnen augenblicklich politisches und,<br />

ich würde sogar sagen: historisches Kapital zu schlagen<br />

– denn es geht nicht mehr um Politik allein. Dazu<br />

braucht man natürlich Geld, ebenso wie Kompetenz,<br />

Hingabe, Zeit und den starken Willen, der geballten<br />

Arroganz der Austauscher und der Austauschenden<br />

die Stirn zu bieten. Wir müssen zu einer unumgänglichen,<br />

manifesten, evidenten Kraft heranwachsen,<br />

um sicherzustellen, dass selbst die Medien, für die wir<br />

ein fleischgewordener Albtraum werden müssen, es<br />

nicht länger vor unseren Landsleuten verbergen können:<br />

Es gibt eine Bewegung, die sich der Eroberung<br />

konsequent entgegenstellt und der sich jeder jederzeit<br />

anschließen kann!<br />

Brigitte Bardot bekennt sich schon<br />

seit fast 30 Jahren zum Front<br />

National. Für Härtefälle hat sie sich<br />

eine Mistgabel besorgt. Foto: Peter<br />

Basch<br />

52<br />

_ Der Text ist ein stark gekürzter<br />

Auszug aus Renaud Camus,<br />

«Revolte gegen den Großen<br />

Austausch», gerade erschienen<br />

im Verlag Antaios. Übersetzung:<br />

Martin Lichtmesz


<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

Unsere Handball-Helden<br />

_ von Bernd Schumacher<br />

Die Schale ist zu Hause: Siegerehrung<br />

bei der Handball-WM in Polen.<br />

Foto: picture alliance / Camera4<br />

Es war ein bewegender Moment an diesem 31. Januar in Krakau: Zwei Dutzend Männer<br />

stehen stramm und singen unsere Nationalhymne mit stolzgeschwellter Brust und aus<br />

voller Kehle. Unsere Sportskanonen, vom Gegner gefürchtet und in der Heimat verehrt,<br />

sind Europameister!<br />

Nach dem Triumph unserer Fußballer in Rio, als<br />

auf der ganzen Welt schwarz-rot-goldene Fahnen geschwenkt<br />

wurden, ist der Titel der Handball-Nationalmannschaft<br />

ein kleinerer, aber doch kaum weniger<br />

bedeutender Erfolg. Fast zehn Jahre ist es her, dass<br />

Deutschland den EM-Pokal zum letzten Mal in Händen<br />

hielt – und das, obwohl Handball eine der wenigen<br />

originär deutschen Sportarten ist. 1917 und 1919 legten<br />

Berliner Turnlehrer den Grundstein. Heute versammeln<br />

sich zu den Turnieren in schöner Regelmäßigkeit<br />

die germanischen Völker aus der Mitte und dem Norden<br />

Europas. Dazu kommen Slawen aus Ost und Süd<br />

sowie Franzosen und Spanier.<br />

Als ob ein Regisseur hinter den Kulissen der Krakauer<br />

Tauron Arena gewirkt hätte, begann der erste<br />

Akt der Heldengeschichte mit einer Pleite. Die erste<br />

Begegnung gegen Spanien ging verloren, die Partien<br />

gegen Schweden und Russland arteten zu Zitterpartien<br />

aus und gingen beide mit nur einem Tor Vorsprung<br />

an die deutsche Truppe. Irgendwie schlug man sich<br />

durch. Knapp gegen Slowenien, knapper gegen Dänemark:<br />

Nervenkitzel garantiert. Als ob eine unsichtbare<br />

Hand die Spieler führte, schwangen sie sich immer<br />

zu neuen Kraftakten auf, die ihnen niemand zugetraut<br />

hätte. Schließlich war die deutsche Sieben<br />

– das jüngste Team, voller Nobodys – als Außenseiter<br />

ins Turnier gestartet.<br />

Mit Blut, Schweiß und Toren<br />

Dass sie eine Chance auf den Titel haben würden,<br />

glaubten wohl nur die mitgereisten Schlachtenbummler.<br />

Denn erst 2014 hatte Bundestrainer Dagur<br />

Sigurdsson die Baustelle übernommen und innerhalb<br />

kurzer Zeit eine schlagkräftige Truppe geformt. Dabei<br />

traf der Isländer unkonventionelle Personalentscheidungen,<br />

verprellte den einen oder anderen Bundesliga-Star,<br />

aber ließ sich nicht von seiner Vision einer<br />

Mannschaftsarchitektur abbringen. Der Internationale<br />

Handballbund erlaubt den Einsatz von ausländischen<br />

Spielern in einer Nationalmannschaft. Aber der Deutsche<br />

Handballbund verzichtet und setzt konsequent auf<br />

nationale Kräfte. Neben Leitwölfen wie Steffen Weinhold<br />

und Martin Strobel liefen Nachwuchskräfte wie<br />

Finn Lemke und Rune Dahmke auf. Ihnen gemeinsam<br />

sind der athletische Bau, die hohe Körperlichkeit des<br />

Spiels und ein unstillbarer Heißhunger auf den Sieg.<br />

Richtige Fans brauchen keine<br />

Klatschpappen. Foto: Facebook<br />

Die deutsche<br />

Nationalmannschaft<br />

verzichtet<br />

konsequent auf<br />

ausländische<br />

Spieler.<br />

53


54<br />

Aufbäumen für den Sieg: Rückraumspieler<br />

Julius Kühn wurde erst<br />

während der EM nachnominiert.<br />

Foto: picture alliance / Camera4<br />

Rangliste der<br />

Europameister<br />

Rang Land<br />

Titel<br />

1. Schweden 4<br />

2. Frankreich 3<br />

3. Dänemark 2<br />

4. Deutschland 2<br />

5. Russland 1<br />

(Stand: 31. Januar <strong>2016</strong>)<br />

Quelle: Wikipedia<br />

_ Bernd Schumacher ist der<br />

Fußballspezialist und Sportexperte<br />

von <strong>COMPACT</strong>. In Ausgabe 2/<strong>2016</strong><br />

schrieb er über Jürgen Klopp, der<br />

als Coach des FC Liverpool mit<br />

deutschen Tugenden die englische<br />

Liga aufmischt.<br />

Unsere Handball-Nationalmannschaft stellte unter<br />

Beweis, dass die berühmten deutschen Tugenden leben.<br />

Der Wille zum Sieg trug unsere Jungs von Spiel zu<br />

Spiel, von Triumph zu Triumph. Je stärker der Gegner,<br />

desto größer die Kampfkraft. Und die jungen Wölfe<br />

schlugen hart zu. Die Fußball-Nationalelf gehörte bei<br />

Welt- und Europameisterschaften stets zu den zahmsten.<br />

Die Handballer des Jahrgangs <strong>2016</strong> sind deutlich<br />

anders unterwegs. Für sie gab’s kein Pardon, sie rempelten,<br />

fielen den gegnerischen Angreifern in den Arm,<br />

zogen die Notbremse, wenn das eigene Tor in Gefahr<br />

war. Kreisläufer Hendrik Pekeler kassierte 22 Strafminuten,<br />

vier Gelbe und eine Rote. Nicht immer schön,<br />

aber immer wirkungsvoll. Die jungen Deutschen gaben<br />

nie auf und rangen dem Gegner den Sieg mit Blut,<br />

Schweiß und Toren ab – bei jedem Spiel aufs Neue.<br />

Unsere Männer stellten unter<br />

Beweis, dass die berühmten<br />

deutschen Tugenden leben.<br />

Die Bewährungsprobe kam im Viertelfinale gegen<br />

Dänemark. Nur drei Minuten vor Schluss gelang der<br />

Ausgleich gegen die nordischen Platzhirsche, die fast<br />

das ganze Spiel über geführt hatten. 30 Sekunden später<br />

verwandelte Tobias Reichmann einen Siebenmeter<br />

eiskalt zur Führung. Unglaubliche 26 Treffer erzielte<br />

der Rechtsaußen im gesamten Turnier – Trefferquote:<br />

90 Prozent. Die harte Belastungsprobe dann im<br />

Halbfinale gegen Norwegen. Nur 19 Sekunden vor<br />

Schluss erzielte der Kieler Rune Dahmke den Ausgleich<br />

zum 27:27. In der hochdramatischen Verlängerung<br />

waren es dann abermals die deutschen Tugenden,<br />

die die Entscheidung brachten: Durchhaltevermögen,<br />

eiserner Wille, Mannschaftsgeist, dazu jede<br />

Menge Kraft und Schnelligkeit. Nur fünf Sekunden vor<br />

Abpfiff erzielte der Nachrücker Kai Häfner das Siegtor<br />

zum 34:33 – eine unglaubliche Leistung der jüngsten<br />

Mannschaft des Turniers.<br />

Wie aus einem Guss<br />

Im Finale erschien dann alles plötzlich ganz leicht.<br />

Das hoch favorisierte Spanien mutierte vom Angstgegner<br />

fast zum Sparringspartner. Schon in den ersten<br />

zehn Minuten hatten sich die Männer in Weiß einen<br />

Vier-Tore-Vorsprung herausgespielt. Das Märchen<br />

von Krakau ging weiter, in der zweiten Halbzeit waren<br />

sich die deutschen Anhänger sicher: Dort unten spielt<br />

der neue Europameister, und er kommt aus der Heimat.<br />

Die Jungs wirkten geradezu übermächtig. In den<br />

acht Spielen des Turniers waren sie immer wieder bis<br />

an ihre körperlichen Grenzen gegangen, doch jetzt lief<br />

alles wie von selbst. Vorne wirkte die Angriffsmaschine,<br />

Kai Häfner donnerte sieben Bälle ins gegnerische<br />

Netz, aber anders als bei den Herzschlagspielen hielt<br />

auch die Abwehr: Der spanische Topstar Raúl Entrerrios<br />

verzweifelte ein ums andere Mal an den Muskelmännern<br />

aus Gummersbach, Wetzlar und Lübbecke.<br />

Ex-Nationalspieler Steffen Kretzschmer brachte<br />

es als Kommentator auf den Punkt: Die Führung<br />

sei so deutlich, «weil hinten eine deutsche Mauer<br />

steht!» Abwehrriese Finn Lemke (2,10 Meter) brüllte<br />

in der Kabine seinen Kampfruf heraus: «Heute nicht!<br />

Heute kann uns niemand schlagen! Heute ist unser<br />

Tag!» Und tatsächlich: Nach 60 Spielminuten war<br />

der Triumph perfekt, das Turnier hatte seinen Über-


<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

Deutschland im<br />

Freudentaumel<br />

raschungssieger, der deutsche Sport ein neues Märchen.<br />

Die «Bad Boys» aus Germany hatten allen gezeigt,<br />

was möglich ist, wenn die letzten Reserven<br />

mobilisiert werden. Der geniale Taktiker Dagur Sigurdsson<br />

hatte nie die Nerven verloren und seinen<br />

Schützlingen ein ums andere Mal eingeschärft: «Nie<br />

Frustration zeigen, immer konzentriert bleiben, nie<br />

übermütig werden.»<br />

«Heute nicht! Heute kann uns<br />

niemand schlagen! Heute ist unser<br />

Tag!»<br />

Als die Nationalhymne erklang, sangen die Hünen<br />

ohne Ausnahme einträchtig mit, kein Wunder, denn<br />

keiner musste mit sich ringen, ob sein Migrationshintergrund<br />

ihn von einem lautstarken Bekenntnis zu<br />

Deutschland abhalten könnte. Bundestrainer Dagur<br />

Sigurdsson hob die schwarz-rot-goldene Flagge vom<br />

Boden auf und sang voller Inbrunst – dem Wikinger<br />

aus Island fiel das inmitten seiner germanischen Krieger<br />

nicht schwer. Der Gänsehautmoment übertrug sich<br />

in die deutschen Wohnzimmer – man konnte wieder<br />

stolz darauf sein dazuzugehören. Selbst der ARD-<br />

Mann schwärmte, dass «dieser Erfolg nur möglich<br />

wurde, weil wieder auf deutsche Talente gesetzt wird<br />

und nicht mehr nur ausländische Spieler eingesetzt<br />

werden.» So machen es die Spanier, die Kroaten, die<br />

Skandinavier sowieso. Während man sich als französischer<br />

Fußball-Fan im falschen Film wähnt, wenn<br />

auf dem Rasen nur Söhne Afrikas herumlaufen, und<br />

Jogi Löws Team immer «bunter» wird und nur noch<br />

«Die Mannschaft» heißen soll, wissen die Freunde<br />

des deutschen Handballs genau, was sie bekommen:<br />

eine starke Truppe aus einem Guss. Schon in diesem<br />

Sommer wird die deutsche Mannschaft bei den Olympischen<br />

Spielen in Rio als Favorit auflaufen – und ihre<br />

Gegner wieder das Fürchten lehren.<br />

Ehemaliger Handball-Nationalspieler<br />

Stefan Kretzschmar: «Ich<br />

bin beeindruckt, wie ich beeindruckter<br />

noch nie war.»<br />

Basketballer und NBA-Champion<br />

Dirk Nowitzki: «Wahnsinn,<br />

Jungs. Gooold. Gratulation. Feiert<br />

schön!!!»<br />

Fußball-Legende Franz Beckenbauer:<br />

«Sie sind nicht als Topfavorit<br />

ins Rennen gegangen, sondern<br />

als Außenseiter. Ich muss<br />

alle Hüte, die ich habe, ziehen!»<br />

Fußball-Weltmeister Bastian<br />

Schweinsteiger: «EUROPA-<br />

MEISTER!! Ihr seid der absolute<br />

Wahnsinn! Glückwunsch.»<br />

Tennisspielerin Andrea Petkovic:<br />

«Man kann ja keine ganze<br />

Mannschaft heiraten.»<br />

Fotos (v. l. n. r.): Torwart Andreas<br />

Wolff, Bundestrainer, Dagur<br />

Sigurdsson, Altstar Stefan Kretzschmar.<br />

Fotos: picture alliance, Jens<br />

Wolf/dpa, Twitter<br />

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<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

Die Königin der Nacht<br />

_ von Harald Harzheim<br />

Rihanna beweist mit ihrem neuen «Anti»-Album stimmliche Vielfalt<br />

und Virtuosität. Aber viele Kritiker äußerten sich ratlos. Vielleicht,<br />

weil sie die Künstlerin zu sehr auf Musik reduzieren?<br />

sind von einem riesigen Blutfleck überzogen. Vor dem<br />

Hintergrund von Rihannas schwerer Kindheit – Diskriminierung<br />

in der Schule, daheim ein betrunkener, prügelnder<br />

Vater – fordert das Bild: Schaut unter die Oberfläche!<br />

Motto des Albums: «Manchmal sind die Sehenden<br />

die Blindesten». Und umgekehrt.<br />

Albträume<br />

Rihanna, die 2005 als strahlend-exotische Energiebombe<br />

begann, pure Lebensfreude, Music of the<br />

Sun zu tanzen schien – spätestens seit der Prügelattacke<br />

ihres Ex-Lovers Chris Brown verdüsterte sich<br />

ihr Werk: Trauer und Gewalt flossen in Songtexte und<br />

Videoclips. Im letzten Jahr kamen zwei Polit-Apokalypsen<br />

hinzu: American Oxygen und Bitch better have<br />

my money, als Reaktion auf die Krawalle in Ferguson.<br />

2012 erschien ihr bis dahin letztes Album. Mit<br />

der Ankündigung von Anti durch finstere diaRy-Clips<br />

schien sie sich endgültig von der Sonnen- zur Nachtgöttin<br />

gewandelt zu haben, einen autobiographischen<br />

Trip in die Abgründe der Kindheit vorzubereiten. Ende<br />

Januar kam Anti endlich raus, als Download auf Tidal,<br />

dem Portal ihres Mentors Jay Z. Der wollte eigentlich<br />

nur einen Song des Albums freischalten, als Appetizer.<br />

Aber wegen einer technischen (?) Panne stand plötzlich<br />

das gesamte Album zum Herunterladen bereit…<br />

Rihannas Reaktion: Sie gab Anti offiziell zum Gratis-<br />

Download frei. Alle 13 Songs, die ganzen 43 Minuten.<br />

Innerhalb der folgenden Nacht nutzten 1,4 Millionen<br />

Fans das Angebot, Anti erreichte damit bereits<br />

Platin-Status.<br />

56<br />

Ob Musik, Film, Performance,<br />

Text, Mode, Schmuck, Parfum,<br />

Tattoos – nichts ist sicher vor ihrer<br />

Ausdruckswut. Rihanna ist ein<br />

Gesamtkunstwerk. Foto: Twitter<br />

«Manchmal sind<br />

die Sehenden die<br />

Blindesten».<br />

_ Von Harald Harzheim ist gerade<br />

das Buch «Gesamtkunstwerk<br />

Rihanna», Kai Homilius Verlag, 128<br />

Seiten, 9,95 Euro erschienen.<br />

Die Kamera fährt durch dunkle Korridore, in geheimnisvolle<br />

Räume voll rätselhafter Personen, riesiger<br />

Insekten. Am Ende des Labyrinths: ein Kind – hinter<br />

dem Spiegel oder in einem alten Bett, daneben längst<br />

verstaubtes, verschüttetes Spielzeug. Düsterer Sound<br />

und eisiges Schweigen. Ein Labyrinth der Angst, das in<br />

die verborgensten Winkel der Kindheit führt. Als wäre<br />

man in einem Schauerfilm von David Lynch. Derartige<br />

Videos tauchen seit vergangenem Herbst im Internet<br />

auf. Anti diaRy von Rihanna. Werbung für ihr kommendes<br />

Album Anti. Fast zur gleichen Zeit publiziert: dessen<br />

Cover. Darauf ein Originalfoto der kleinen Riri mit<br />

nacktem Oberkörper. Das betont Schutzlosigkeit. Um<br />

den Kopf herum trägt sie eine Krone. Aber, so tief ins<br />

Gesicht gezogen wie eine Augenbinde, verhindert sie<br />

jedes Sehen. Die Krone ist mit Blindenschrift bestanzt.<br />

Die vervielfachte Umrandung des Körpers illustriert<br />

seine Erschütterung. Kopf, Schultern und Hintergrund<br />

Nun sind die Anti-Songs keine Reise in die Kindheit,<br />

aber vielleicht Wiederfinden des inneren Kindes.<br />

Vor allem sind sie dunkel. Der Sender n-tv meinte gar,<br />

sie seien «zum Pulsader-Aufschlitzen». Der minimalistische<br />

Song Good Night, Gotham spielt auf Gotham City<br />

an, in dem nachts Batman Verbrecher durch Straßenschluchten<br />

jagt. Liebesverwundung besingt Rihanna<br />

in Work. Einzige Betäubungsoption: endlose Arbeit.<br />

«Dann wach ich auf und alles fühlt sich falsch an / Ich<br />

steh bloß auf und mach mich bereit zur Arbeit, Arbeit,<br />

Arbeit.» Aber Workoholism ist nicht die einzige Droge.<br />

James Joint erzählt vom Marihuanarausch inmitten<br />

von Stress, Arbeit und flüchtiger Liebe. Die Songs spielen<br />

mit verschiedensten Musikstilen und Gesangsstimmen,<br />

nichts wiederholt sich. Rihanna experimentiert,<br />

verweigert sich Erwartungen und Schubladen. Ein Kritiker<br />

stellte erschrocken fest, dass sie sich in Anti geradezu<br />

auflöse. «Gespenst im Spiegel / Ich kenne Dein<br />

Gesicht, aber es ist verschwommen / Und ich kann<br />

meinen Körper nicht spüren / Ich verlasse das Hier und<br />

Jetzt», singt sie in Never Ending.


<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

Urlaub im Schurkenstaat<br />

_ von Peter Wiegrefe<br />

Nordkorea schottet sich streng gegenüber der Außenwelt ab, die wenigen Touristen<br />

dürfen sich nicht frei bewegen. Weil die westlichen Medien das sozialistische Land grau<br />

in grau zeichnen, wollte ich mir ein eigenes Bild machen: Meine Reise hinter den letzten<br />

Eisernen Vorhang begann in Pjöngjang.<br />

Schon der Landeanflug macht klar, dass das kein<br />

gewöhnlicher Urlaub wird. Neugierig drücke ich meine<br />

Nase an das Flugzeugfenster, Reihe 13, Sitz F, um<br />

ein paar erste Blicke auf die Silhouette Pjöngjangs zu<br />

erhaschen, die rechts unterhalb unserer Tupolev 204<br />

vorbeizieht. Air Koryo JS222, vor gut einer Stunde vollbesetzt<br />

in Peking gestartet, nimmt Kurs auf die letzten<br />

Meter seines Fluges ins Herz Nordkoreas.<br />

Plötzlich herrscht Hektik im Flieger: Die Stewardessen<br />

spurten auf dem Gang auf und ab. Sie befehlen<br />

den Passagieren in den linken Sitzreihen, die Fensterläden<br />

zu schließen. Verwunderte Blicke streifen meine<br />

Augen. Schulterzucken. Was soll denn das jetzt?<br />

Pjöngjang liegt doch rechts! Und die Sonne scheint<br />

auch von rechts in die Kabine. Warum also links die<br />

Läden schließen? Keiner weiß es. Keiner sagt, warum.<br />

Gerüchte machen die Runde. Gerüchte, die nach<br />

der Landung zusätzliche Nahrung erhalten: Gegenüber<br />

des nagelneuen Flughafenterminals von Pjöngjang<br />

entdecken wir ein Großaufgebot militärischer<br />

Anlagen – Artillerie, Fahrzeuge, Bunker. Wahrscheinlich<br />

wollten unsere Gastgeber schlicht nicht, dass wir<br />

«Langnasen» Fotos davon schießen.<br />

Bei der Einreise erfolgt die obligatorische Passkontrolle.<br />

Außerdem wollen die Zöllner unsere Handys<br />

sehen, machen sich Notizen und begutachten mitgebrachte<br />

Druckerzeugnisse. Das war es dann aber<br />

auch schon. Wir sind drin.<br />

Jetzt wird es Zeit, die Uhren umzustellen. Um die<br />

Erinnerung an die Schmach der japanischen Fremdherrschaft<br />

zu tilgen, die auf der koreanischen Halbinsel<br />

von 1905 bis 1945 währte, ordnete Staatschef<br />

Kim Jong-un im August 2015 nämlich an, die Uhren<br />

um eine halbe Stunde zurückzustellen. Seitdem<br />

verfügt Nordkorea über seine eigene Zeitzone: Hier<br />

Die Staatsphilosophie<br />

Chu’che<br />

bezeichnet wörtlich<br />

übersetzt Eigenständigkeit<br />

oder<br />

Autarkie.<br />

Denkmal koreanischer Stärke – der<br />

Chu’che-Turm leuchet die ganze<br />

Nacht. Foto: Autor<br />

57


<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

gerottet und geben im Chor ein schneidiges Gebrüll<br />

von sich. Ihre weiße Oberbekleidung lässt sie dabei<br />

fast wie Gespenster durch die Nacht wabern. Die<br />

Beleuchtung der überdimensionalen Führerbilder am<br />

Rand des Platzes verstärkt diesen Eindruck zusätzlich.<br />

Surreal. So etwas habe ich noch nie gesehen. Kim junior<br />

scheint mir die Verblüffung anzumerken. «Die proben<br />

für die große Parade am 10. Oktober», erklärt er<br />

lächelnd. «Da feiern wir den 70. Gründungstag unserer<br />

Partei, der Partei der Arbeit Koreas.»<br />

58<br />

Nordkoreas Frauen brauchen keinen<br />

Gender-Gaga. Foto: Autor<br />

Autobahn werktags zum Feierabendverkehr.<br />

Foto: Autor<br />

Der Himmelssee auf 2.700 Meter.<br />

Foto: Autor<br />

Der nächste<br />

Koreakrieg soll in<br />

den USA stattfinden.<br />

herrscht «Pjöngjang-Zeit». Außerdem leben wir ab<br />

sofort nicht mehr im Jahr 2015, sondern 104 Chu’che,<br />

dem 104. Jahr nach der Geburt des Staatsgründers<br />

Kim Il-sung. «Chu’che» – wörtlich übersetzt «Eigenständigkeit»<br />

oder «Autarkie» – bezeichnet die hiesige<br />

Staatsphilosophie.<br />

Die Suche nach dem fünften Stock<br />

In Nordkorea ist es für Ausländer unmöglich, auf<br />

eigene Faust und ohne staatliche Kontrolle durchs<br />

Land zu tingeln. Jeder Tourist, jede Reisegruppe erhält<br />

ihre eigenen Führer, abgestellt von der staatlichen<br />

Reiseagentur KITC. Das muss man akzeptieren –<br />

oder zu Hause bleiben. Die Namen unserer Führer sind<br />

leicht zu merken. Zwei von Dreien heißen Kim – Kim<br />

senior und Kim junior. Der Dritte ist einfach der, der<br />

nicht Kim heißt. In ein paar Tagen werden wir herausfinden,<br />

dass seine Kollegen bei der KITC ihn wegen<br />

seines Bauchansatzes «Bärchen» getauft haben, und<br />

ihn fortan ebenfalls «Bärchen» nennen. Jetzt ist erst<br />

einmal abtasten angesagt. Beschnuppern. Auf beiden<br />

Seiten. Ein Punkt ist Reiseleiter «Bärchen» besonders<br />

wichtig: keine koreanischen Zeitungen zerreißen,<br />

zerknittern oder bekritzeln. Zumindest keine, die ein<br />

Bild von Machthaber Kim Jong-un, seinem Vater Kim<br />

Jong-il oder seinem Großvater Kim Il-sung enthalten…<br />

«Das ist verboten», mahnt er eindringlich. Alles klar.<br />

Halten wir uns lieber dran…<br />

Zwei Stunden später: Zum ersten Mal setze ich einen<br />

Fuß auf Pjöngjanger Asphalt und laufe ein paar<br />

Meter. Doch plötzlich zucke ich zusammen. Hinter mir<br />

durchschneidet lautes Geschrei die Szene. Es klingt<br />

wie Parolen, Kampfrufe. Ich blicke mich um – und erstarre:<br />

Hunderte, wirklich Hunderte Menschen – weiße<br />

Hemden, schwarze Hosen, weiße Baseballmützen<br />

– haben sich keine 50 Meter neben uns zusammen-<br />

Wir feiern unsere Ankunft mit einem üppigen<br />

Abendessen im Hotel Yanggakdo, gelegen auf einer<br />

Insel inmitten des Flusses Taedong, der Pjöngjang in<br />

zwei Teile trennt. Danach geht es auf nächtliche Entdeckungstour<br />

zu den Prunkplätzen der Stadt. Dabei<br />

statten wir auch dem berühmten Mansudae-Monument<br />

einen obligatorischen Besuch ab. Hier, auf einer<br />

Anhöhe gelegen, wachen die mehr als 20 Meter<br />

hohen Bronzestatuen von Kim Il-sung und Kim Jongil<br />

mit freundlich lächelndem Blick über ihr Reich. Im<br />

Hintergrund säumt ein Wandbild des Berges Paektu,<br />

des heiligen Bergs der Koreaner, die Fassade des Revolutionsmuseums.<br />

Links und rechts wird die Kulisse<br />

von beeindruckend lebensecht wirkenden Figurengruppen<br />

flankiert. Sie symbolisieren Szenen aus dem<br />

koreanischen Befreiungskampf. Eine ganz besondere<br />

Atmosphäre umgibt diesen taghell erleuchteten Ort,<br />

um den herum alles umso finsterer erscheint. Sehr feierlich<br />

– eine Kathedrale der Chu’che-Ideologie! Ein<br />

Hort der religiösen Verehrung gottgleicher Gestalten.<br />

Befremdlich. Aber gerade deshalb faszinierend.<br />

Zurück im Hotel, wundern wir uns, warum im Aufzug<br />

der Knopf für den fünften Stock fehlt – und warum<br />

die Anzeige beim Passieren desselben direkt von<br />

4 auf 6 springt. Abermals brodelt die Gerüchteküche.<br />

Das fünfte Stockwerk als Kommandozentrale zur Bespitzelung<br />

der Hotelgäste? Schon möglich. Die Notausgangstür<br />

des Stockwerks im Treppenhaus ist verriegelt.<br />

Und hat keine Klinke…<br />

Unterirdische Paläste<br />

Der nächste Tag beginnt neblig. Um sechs Uhr klingelt<br />

der Wecker. Den hätte ich allerdings gar nicht stellen<br />

müssen, denn vom Bahnhof aus schallt muntere<br />

Morgenmusik über die Stadt, durchs offene Fenster<br />

meines Zimmers im 42. Stock, bis direkt an mein Bett.<br />

So also begrüßt Pjöngjang den Tag… Ich reibe mir den<br />

Schlaf aus den Augen und schaue hinaus.<br />

Aus über 100 Metern Höhe, über dem Scheitel<br />

des Taedong, wirkt die Hauptstadt überraschend<br />

normal. Von hier oben fällt vor allem die starke Häufung<br />

himmelstürmender Hochhäuser ins Auge, etwa<br />

ein Viertel davon sind sehr modern und offensichtlich<br />

erst seit Kurzem fertiggestellt. Das gigantomanische,<br />

pfeilförmige, 330 Meter hohe Ryugyong-Hotel und der


<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

170 Meter messende Chu’che-Turm mit seiner stilisierten<br />

Flamme an der Spitze sind nicht zu übersehen. Auch<br />

andere Prunkbauten wie die Große Studienhalle des<br />

Volkes, der Kim Il-sung-Platz oder das Stadion 1. Mai,<br />

mit 150.000 Plätzen die größte Fußballarena der Welt,<br />

wissen zu glänzen. Noch vor gut fünf Jahrzehnten muss<br />

es hier gänzlich anders ausgesehen haben. Im Koreakrieg<br />

hatten die Amerikaner mehr als 420.000 Bomben<br />

auf Pjöngjang abgeworfen und eine einzige Trümmerwüste<br />

hinterlassen. Nach diesem Inferno war es<br />

erklärtes Ziel des Wiederaufbaus gewesen, Pjöngjang<br />

zu einer sozialistischen Musterstadt erblühen zu lassen.<br />

Pjöngjangs Straßenbahnen<br />

stammen aus Erfurt und Dresden.<br />

Erst bei genauerem Hinsehen, auf dem Boden<br />

der Tatsachen sozusagen, fällt auf, dass die breiten<br />

Straßenzüge kaum befahren sind und, ebenso wie<br />

die hochgeschossenen Plattenbauten, allesamt nicht<br />

mehr taufrisch wirken. Dennoch stehen an fast jeder<br />

Kreuzung Verkehrspolizisten und dirigieren im schneidigen<br />

Ballett die spärlich gesäten Autos über den Asphalt.<br />

Das öffentliche Verkehrsnetz Pjöngjangs scheint<br />

dagegen gut frequentiert. Busse, Straßenbahnen und<br />

zwei Metrolinien mit 17 Stationen verkehren regelmäßig<br />

zwischen den einzelnen Stadtbezirken. Die<br />

U-Bahnhöfe gleichen unterirdischen Palästen. Prunkvoll.<br />

Ästhetisch. An der Grenze zum Kitsch. Viele der<br />

Busse stammen aus Vorwendebeständen ehemaliger<br />

Ostblockländer. Die meisten haben weit mehr als eine<br />

Million Kilometer auf dem Buckel. Die Straßenbahnen<br />

sind aus Erfurt und Dresden, die U-Bahnzüge aus<br />

West-Berlin. «Die haben wir in den 90ern billig abgestaubt»,<br />

grinst «Bärchen» bei unserer gemeinsamen<br />

Metrofahrt in 80 Metern Tiefe. Wer angesichts dessen<br />

nun verfallende Rostlauben vor Augen hat, sieht<br />

sich allerdings getäuscht. Denn die Nordkoreaner geben<br />

auf ihre «Beute» aus Europa mächtig acht. Technisch<br />

wie optisch präsentiert sich das Gros der Verkehrsmittel<br />

in einem sehr vorzeigbaren Zustand.<br />

Gänsehaut pur<br />

Auf den Straßen stechen die vielen Soldaten ins<br />

Auge. Von etwa 24 Millionen Nordkoreanern stehen<br />

fast zwei Millionen unter Waffen. Das spiegelt sich<br />

natürlich in der öffentlichen Wahrnehmung wider,<br />

auch wenn die Soldaten meist unbewaffnet auftreten.<br />

Ihre massive Präsenz ist Ausdruck einer politischen<br />

Leitlinie, die sich «Songun» nennt – «Militär zuerst».<br />

Songun ist vor allem der Angst vor imperialistischer<br />

Bedrohung durch die USA geschuldet. Nur logisch,<br />

dass die Propagandaplakate in der Hauptstadt<br />

ebenfalls die Yankees als Hauptgegner ausgemacht<br />

haben – und dabei ziemlich martialisch klar machen,<br />

dass mit Nordkorea nicht zu spaßen ist. Aber das wissen<br />

wir ohnehin schon. Mit seinem kleinen Grundkurs<br />

für politische Staatskunde hat uns Kim senior bereits<br />

tags zuvor die Fronten klargemacht: «Der Krieg von<br />

gestern, der Korea-Krieg, ist von den USA provoziert<br />

worden und hat Korea zerstört. Der Krieg von morgen<br />

wird nicht mehr in Korea, sondern in den USA stattfinden.<br />

Korea hat Atomwaffen. Die USA müssen lernen,<br />

in Frieden mit uns zusammenzuleben – oder sterben!»<br />

Bäm. Das sitzt. Die eiserne Miene, die der Mann mit<br />

dem Seitenscheitel bei diesen Worten aufsetzt, jagt<br />

sogar mir, der ich sicher kein Freund der US-Politik bin,<br />

eine Gänsehaut über den Rücken. Kein Zweifel: Die<br />

meinen das echt ernst!<br />

Reisetipps<br />

Die staatliche Reiseagentur<br />

KITC unterhält ein Büro in der<br />

nordkoreanischen Botschaft in<br />

Berlin (Glinkastraße 5-7). Allerdings<br />

ist die Buchung über einen<br />

lizensierten Reiseveranstalter<br />

unkomplizierter. Diese arbeiten<br />

direkt mit der KITC zusammen<br />

und kümmern sich in der Regel<br />

um Formalitäten wie Visa:<br />

www.juchetravelservices.com<br />

www.nord-korea-reisen.de<br />

www.nordkoreareisen.de<br />

Die Visakosten belaufen sich<br />

auf etwa 50 Euro.<br />

Alle Veranstalter haben unterschiedliche<br />

Gruppen- und Einzeltouren<br />

im Programm, von der<br />

zweitägigen Individualreise über<br />

Wandertouren im Kumgang-Gebirge<br />

bis zu Gruppenreisen etwa<br />

für Luftfahrt- oder Eisenbahn-<br />

Enthusiasten.<br />

Kosten: Individualreise ab etwa<br />

900 Euro (zwei bis drei Nächte),<br />

Gruppentour ab rund 1.000<br />

Euro (drei Nächte). Eine siebentägige<br />

Luftfahrt-Tour gibt es<br />

etwa bei Juche Travel ab circa<br />

2.000 Euro.<br />

Inbegriffen: alle Leistungen innerhalb<br />

Koreas (Übernachtung,<br />

Transport, Mahlzeiten, ein Getränk<br />

pro Mahlzeit).<br />

Touren starten in der Regel ab<br />

Peking, Shenyang oder Wladiwostok.<br />

Die Anreise dorthin<br />

muss selbst organisiert und bezahlt<br />

werden (auch eventuelle<br />

Visa für China beziehungsweise<br />

Russland). Im Normalfall bekommt<br />

man das Visum für Nordkorea<br />

erst in China/Russland<br />

ausgehändigt.<br />

Vorlauf: Je früher, desto besser!<br />

Etwa sechs Monate sind empfehlenswert,<br />

insbesondere bei<br />

Gruppenreisen. Die Bearbeitung<br />

der Visa dauert etwa drei bis<br />

vier Wochen.<br />

Kim-Statuen in Hamhung.<br />

Foto: Autor<br />

_ Der Reisebericht wird in der<br />

nächsten <strong>COMPACT</strong>-Ausgabe fortgesetzt.<br />

– Peter Wiegrefe ist freier<br />

Journalist und lebt am Bodensee.<br />

59


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<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

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den bissigsten<br />

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Deutschlands?<br />

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oder vertrieb@preussische-allgemeine.de. Der Bezug endet automatisch.<br />

64<br />

Preußische Allgemeine Zeitung.<br />

Die Wochenzeitung für Deutschland.


<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

Autoren und Agenten<br />

_ von Helmut Roewer<br />

Zu Sean Connerys Zeiten durften<br />

die Helden noch rauchen. Foto:<br />

Verleih<br />

Meisterspione des 20. Jahrhundert (Teil XII und Schluss): James Bond ist eine Kunstfigur<br />

– doch die Schriftsteller, die ihn und andere britische Helden schufen, spielten durchaus<br />

eine Rolle im Dienste Ihrer Majestät.<br />

Zum Abschluss meiner Serie über die Topspione<br />

will ich einen erwähnen, den es gar nicht gab. Eine<br />

pure Erfindung sollte man denken, doch ganz so ist es<br />

nicht: 007, die Spitzenkraft im Dienste des MI6, wurde<br />

von einem echten Agenten erfunden.<br />

Es begann vor 110 Jahren. In merry old England<br />

hatte soeben, im Januar 1906, die liberale Partei<br />

mit dem Versprechen, die Kolonialkriege in Übersee<br />

augenblicklich zu beenden und sich um die soziale<br />

Schieflage der arbeitenden Bevölkerung zu kümmern,<br />

einen Erdrutschsieg eingefahren. Diese Rechnung war<br />

ohne die tonangebende Schicht der Waffenhändler,<br />

Zeitungsleute und Spitzenmilitärs gemacht worden. In<br />

diesen Kreisen setzte man auf Krieg. Nach den Kap-<br />

Provinzen in Südafrika war der neue Wunschgegner<br />

das Deutsche Reich.<br />

Um auch die Öffentlichkeit auf diesen Wunschgegner<br />

einzustimmen, begann die Schlacht auf dem Papier.<br />

Das Monster Deutschland wurde aufgeblasen<br />

und die Gilde der britischen Spitzenschreiber von der<br />

Leine gelassen. Es waren genau zwei Romane, die<br />

das Gewünschte vollbrachten. In beiden ging es um<br />

das kriegslüsterne Deutschland, das heimlich gegen<br />

das friedliche England zur Invasion schritt. Doch zum<br />

Glück gab es jedes Mal den aus dem Nichts auftauchenden<br />

Helden, der durch todesmutiges, listiges Einschreiten<br />

den Inselstaat vor den sogenannten Hunnen<br />

bewahren konnte.<br />

Die neununddreißig Stufen<br />

Neben dem Roman Das Rätsel der Sandbank – dazu<br />

ausführlich in meinem Artikel in <strong>COMPACT</strong> 8/2014 –<br />

begeisterte vor allem das Buch Die neununddreißig<br />

Stufen seine Auftraggeber. Mit heimlichem staatlichen<br />

Sponsoring wurde es ein Bestseller der Sonderklasse,<br />

in alle gängigen Weltsprachen übersetzt, und<br />

man kann es heute noch kaufen. Sein Autor John Buchan<br />

mischte beim Krieg gegen die Buren in Südafrika<br />

mit, bevor er als Spitzenfeder in die imperialistische<br />

Pressure-Group des vom Diamantenkönig Cecil<br />

Rhodes finanzierten Round Table einstieg. Hier saßen<br />

die Vordenker der One World, wie wir sie heute kennen.<br />

Als Großbritannien dann 1914 tatsächlich im erwünschten<br />

Krieg gegen Deutschland war, wechselte<br />

Buchan ins echte Nachrichtendienstgeschäft bei<br />

den britischen Expeditionsstreitkräften in Nordfrankreich.<br />

Und weil er sich dort bewährte, ernannte man<br />

den jungen Mann zum Direktor der Nachrichtenabteilung<br />

im britischen Propagandaministerium. Auch das<br />

Der Weg vom<br />

Journalismus zur<br />

Geheimdiensttätigkeit<br />

war vorgezeichnet.<br />

_ Helmut Roewer (*1950) war<br />

von 1994 bis 2000 Chef des<br />

Thüringer Landesamtes für<br />

Verfassungsschutz. – Die erste<br />

Folge von «Meisterspione des 20.<br />

Jahrhunderts» war in <strong>COMPACT</strong><br />

11/2014 zu lesen. Mittlerweile kann<br />

die gesamte Serie als eDossier<br />

auf shop.compact-magazin.com<br />

heruntergeladen werden.<br />

61


<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

62<br />

007 war ein Jugo!<br />

Heißester Favorit für den «wirklichen»<br />

James Bond ist der Jugoslawe<br />

Dusko Popov (1912–<br />

1981). Ian Fleming lernte ihn<br />

während des Zweiten Weltkrieges<br />

in einem Casino in Lissabon<br />

kennen, vermutlich ist sein erster<br />

007-Roman Casino Royal davon<br />

inspiriert. Popov studierte in<br />

den 1930er Jahren in Freiburg<br />

im Breisgau und wurde danach<br />

ein Agent sowohl für die Nazis<br />

wie für ihre Gegner. «Als Doppelspion<br />

Tricycle bekam er wichtigste<br />

Informationen von den<br />

Deutschen, die er an die Briten<br />

weitergab. So war es Popov zu<br />

verdanken, dass die Alliierten in<br />

der Normandie landen konnten.<br />

Er hatte die Deutschen nach Calais<br />

geschickt. Und auch Pearl<br />

Harbor hätte Popov, zumindest<br />

erzählt er das so, verhindern<br />

können, hätten die Amerikaner<br />

auf seine Berichte gehört», fasst<br />

Johannes Samlenski zusammen,<br />

der seit drei Jahren zu dem bekennenden<br />

Lebemann recherchiert.<br />

Der Jugoslawe hat seine<br />

Erinnerungen 1974 in seinem<br />

Buch Superspion. Der Doppelagent<br />

im 2. Weltkrieg (Heyne)<br />

veröffentlicht. Nicht alles darin<br />

kann man glauben. «Popov<br />

war ein Playboy und Angeber.<br />

Er schmückte seine Geschichten<br />

gerne aus», rät Samlenski<br />

zur Vorsicht. Aber schreiben<br />

konnte er, das muss man ihm<br />

lassen! (je)<br />

007-Vorbild: Dusko Popov.<br />

Foto: Archiv<br />

007-Erfinder: Ian Fleming.<br />

Foto: Archiv<br />

Der stolze<br />

Auslandsdienst MI6<br />

war löchrig wie ein<br />

Schweizer Käse.<br />

wurde ihm von der Krone gedankt: Buchan sollte es<br />

noch mal bis zum Gouverneur von Kanada und zum<br />

Lord Tweedmore bringen. Die beabsichtigte Wirkung<br />

beider Romane war, dass England in den Jahren vor<br />

1914 zu einer nie dagewesenen Hochrüstung schritt<br />

und 1908 zwei gegen Deutschland gerichtete Geheimdienste<br />

aufbaute, die es heute noch gibt: MI5 (Inland,<br />

Spionage- und Terrorabwehr) und MI6 (Ausland).<br />

Sag niemals nie<br />

Diese enge Verknüpfung von Nachrichtendiensttätigkeit,<br />

Propaganda und Romanerfolg gilt auch für<br />

den Schöpfer von James Bond, Ian Fleming. Bei ihm<br />

war die Reihenfolge der Lebensstationen etwas anders<br />

als bei Buchan: Bei Fleming kam zuerst der Geheimdienst<br />

und dann der Roman.<br />

Fleming entstammte dem Establishment: Schulausbildung<br />

an der Nobelschmiede Eton, Militärexamen<br />

in Sandhurst. Das prädestinierte ihn in den Zwischenkriegsjahren<br />

für einen Korrespondentenjob in<br />

Moskau, und zwar für die Times, das publizistische<br />

Flaggschiff des britischen Imperialismus. Der Weg<br />

vom Journalismus zur Geheimdiensttätigkeit war damit<br />

vorgezeichnet. Bei Kriegsausbruch 1939 meldete<br />

sich Fleming zum Marinenachrichtendienst, 1941<br />

wurde er Verbindungsmann zu den Amerikanern, und<br />

1943/44 wurde er Chef einer Kommando-Gang der<br />

Royal Marines. Aus diesen Erfahrungen stammten die<br />

Versatzstücke, die ihn bald berühmt machen sollten.<br />

Mit Kriegsende 1945 kehrte Fleming ins Journalistenfach<br />

zurück. Auf der Insel herrschte nach dem<br />

Rausch des Endsiegs über Hitler die Ernüchterung. Der<br />

angebliche Kriegsheld Winston Churchill wurde durch<br />

das englische Volk trotz allen Propagandarummels im<br />

August 1945 Knall auf Fall als Premier abgewählt. Die<br />

Leute wollten nur noch eines: in Ruhe gelassen werden<br />

und sich endlich mal wieder satt essen können.<br />

Doch mit Letzterem war es nicht so besonders gut bestellt.<br />

Lebensmittelrationierung dauerte in England<br />

länger als im kurz und klein geschlagenen Deutschland.<br />

Hierfür gab es einen triftigen Grund: Großbritannien<br />

hatte in beiden Weltkriegen zwar zu den Siegern<br />

gehört, war aber dennoch finanziell ausgeblutet.<br />

Der Schuldendienst Richtung Amerika ruinierte den<br />

Staatshaushalt, in Indien und anderswo stand der antikoloniale<br />

Befreiungskampf vor dem Durchbruch und<br />

die Royal Navy wurde eingemottet. Das alte stolze<br />

«England rules the waves» empfanden viele nur noch<br />

als bittere Farce.<br />

Gegen soviel Depression hilft nur Propaganda, und<br />

die musste jetzt her. Mit der deutschen Gefahr war<br />

kein Hund mehr hinter dem Ofen hervorzulocken, daher<br />

versuchte man es wieder mit dem Duft der großen<br />

weiten Welt. Flemings Hauptmotiv von den englischen<br />

Agenten, die den ganzen Globus dominieren,<br />

hatte den Vorteil, dass es kein Mensch auf Stichhaltigkeit<br />

überprüfen konnte. Nur Experten wussten, dass<br />

das Gegenteil zutraf: Der stolze Auslandsdienst MI6<br />

– dessen Existenz damals noch nicht offiziell zugegeben<br />

wurde – war löchrig wie ein Schweizer Käse, zersetzt<br />

von Überläufern. Die einen saßen den Amerikanern<br />

auf dem Schoß (gute Verräter), die anderen wurden<br />

aus der Lubjanka in Moskau ferngesteuert (böse<br />

Verräter). Nein, mit solchen Leuten war beim besten<br />

Willen kein Staat zu machen.<br />

James Bond rettete den Ruf der ramponierten Behörde.<br />

Der Agent Ihrer Majestät war ein Mann in seinen<br />

besten Jahren, der niemals alt wurde und immer<br />

den richtigen Spruch auf den Lippen hatte, wenn er<br />

nicht gerade irgendwo die Welt retten musste. 1953<br />

betrat er mit Casino Royal die Bühne. Die Kritiker waren<br />

sich einig: Das ist Schrott. Aber wie so oft wurde<br />

diese Rechnung ohne das Publikum gemacht. James<br />

Bond – das war der Stoff, aus dem die Träume sind.<br />

Lieber heute Nacht als nie. Oder muss es heißen: Lieber<br />

heute nackt als nie? Wer weiß das schon.<br />

Autor Fleming starb 1964. Wie so viele Briten seiner<br />

Zeit, die es zu Wohlstand gebracht hatten, verbrachte<br />

er den Herbst seines Lebens an der französischen<br />

Riviera. Man kann es verstehen. Nie wieder<br />

Minzsoße. Das ist eine Frage des guten Geschmacks.<br />

Doch anders als sein Vater starb der Ziehsohn Bond<br />

bis heute nie. Bald fanden sich neue Adoptivväter,<br />

John Gardner war der fleißigste. Die sorgten dafür,<br />

dass Bond blieb, was er war. Nur eines konnten sie<br />

nicht verhindern: dass Hollywood aus dem charmanten<br />

Helden mit seiner überlegenen Ironie einen verbitterten<br />

Killer machte. Man sieht: Auch ein Bond wird<br />

älter. Schade, dass ich ihm nie begegnet bin.<br />

Der Leser fragt mit einer gewissen Ungeduld: Und<br />

wer war denn nun dieser Bond eigentlich in Wirklichkeit?<br />

Die Antwort lautet: Fragen Sie den <strong>COMPACT</strong>-<br />

Filmexperten Harald Harzheim, denn diese Antwort<br />

gehört nicht mehr in mein Fach. (siehe Infobox)


<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

General im Fadenkreuz<br />

_ von Wolfgang Effenberger<br />

Vor 50 Jahren warf Charles de Gaulle die NATO-Truppen aus seinem Land – und zog sich<br />

damit den Hass der US-amerikanischen Eliten zu. Dass eine europäische Nation ihre<br />

Verteidigungspolitik selbst bestimmen wollte, kam für Washington nicht in Frage.<br />

Vor seinem Volk hat sich Charles de<br />

Gaulle, hier 1963 in Marne, nie verstecken<br />

müssen. Foto: Gnotype, CC<br />

BY-SA 3.0, Wikimedia Commons<br />

Am 7. März 1966 gab der damalige französische<br />

Staatspräsident Charles de Gaulle (1890–1970) zur<br />

Überraschung der westlichen Welt Frankreichs Austritt<br />

aus der militärischen NATO-Struktur bekannt. Daraufhin<br />

zogen französische Soldaten aus den gemischten<br />

Einheiten und Stäben ab. Zum 1. Juli 1966 forderte<br />

Paris die Alliierten auf, alle Einrichtungen des<br />

Nordatlantikpaktes in Frankreich bis zum 1. April 1967<br />

zu räumen. Der Spiegel schrieb damals: «Charles de<br />

Gaulle hat zum Sturm auf die atlantische Bastille geblasen.<br />

Das verhasste Symbol der Unfreiheit steht<br />

diesmal nicht, wie 1789, mitten in Frankreichs Metropole,<br />

sondern in Rocquencourt bei Paris: SHAPE,<br />

die von US-Vier-Sterne-General Lemnitzer befehligte<br />

Zentrale der Nato-Verteidigung in Europa, ist für den<br />

Staats-General das Wahrzeichen unerträglicher amerikanischer<br />

Bevormundung.»<br />

Aber nicht nur SHAPE, sondern auch alle anderen<br />

Militäreinrichtungen der westlichen Verbündeten<br />

mussten nun binnen Kürze abziehen: Das NATO-Hauptquartier<br />

wurde nach Brüssel/Belgien, die Befehlszentrale<br />

für Mitteleuropa (AFCENT) nach Brunssum/Niederlande<br />

und das Europa-Kommando der US-Streitkräfte<br />

(USEUCOM) nach Stuttgart verlegt.<br />

In Washington schrillten die Alarmglocken. Das<br />

Hamburger Nachrichtenmagazin referierte die Reaktionen<br />

des damaligen Präsidenten Lyndon B. Johnson:<br />

«Bislang hatte Johnson alle Animositäten de Gaulles<br />

wohlwollend übergangen: Er nahm hin, dass der Franzose<br />

Rotchina anerkannte und die amerikanische Intervention<br />

in Vietnam verdammte; er reagierte nicht, als<br />

de Gaulle den ”Dollar-Kolonialismus” Washingtons<br />

und die Gewaltherrschaft Moskaus in einem Atemzug<br />

nannte.» Mit dem Austritt aus der Militärstruktur<br />

der NATO aber sei «das Match zwischen den Präsidenten<br />

in Washington und Paris in ein entscheidendes<br />

Stadium getreten».<br />

Ein Patriot und Europäer<br />

Was hatte den Franzosen zu diesem mutigen und<br />

außergewöhnlichen Schritt bewegt? Auskunft gibt hier<br />

die Biografie des unbeugsamen Staatsmanns. Nach<br />

dem deutschen Blitzkrieg gegen Frankreich und der<br />

Kapitulation am 22. Juni 1940 hatte sich der Panzergeneral<br />

nach London abgesetzt. Dort gründete er am<br />

25. Juni das Komitee Freies Frankreich. Zugleich wurde<br />

er Chef der Freien Französischen Streitkräfte (FFL)<br />

und des Nationalen Verteidigungskomitees. Daraufhin<br />

wurde de Gaulle von der deutschfreundlichen Vichy-<br />

Regierung im nicht besetzten Süden Frankreichs wegen<br />

Hochverrats in Abwesenheit zum Tode verurteilt.<br />

Der britische Premier Winston Churchill traute der<br />

formellen Neutralität der Vichy-Regierung nicht und<br />

befahl die «Operation Catapult» zur Ausschaltung<br />

der französischen Flotte. Am 3. Juli 1940 wurden die<br />

im Hafen von Mers-el-Kébir liegenden Kriegsschiffe<br />

versenkt, über 1.000 französische Seeleute fanden<br />

den Tod. Am gleichen Morgen startete die «Operation<br />

Grasp», bei der alle in britischen Gewässern<br />

befindlichen französischen Schiffe gekapert und beschlagnahmt<br />

wurden. Es versteht sich, dass dadurch<br />

de Gaulles Vertrauen in die anglo-amerikanische Politik<br />

nachhaltig erschüttert war.<br />

Nach der Landung der Alliierten in der Normandie<br />

im Sommer 1944 wurde de Gaulle bis 1946 Chef<br />

der Provisorischen Regierung Frankreichs. Schon 1958,<br />

bevor er – mit 78 Prozent der Stimmen! – zum Präsidenten<br />

der Republik gewählt wurde, lehnte er als<br />

Ministerpräsident die Unterstellung der französischen<br />

Mittelmeerflotte unter das NATO-Kommando ab. Er<br />

modernisierte das Land und setzte der internationa-<br />

«Charles de Gaulle<br />

hat zum Sturm auf<br />

die atlantische<br />

Bastille geblasen.»<br />

Spiegel<br />

De Gaulle und Adenauer, 1958.<br />

Foto: Bundesarchiv<br />

63


<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

Freund<br />

der Deutschen<br />

Charles de Gaulle verhinderte<br />

durch seine Freundschaft mit<br />

Konrad Adenauer eine Wiederholung<br />

der Politik Georges Clémenceaus,<br />

der nach dem Ersten<br />

Weltkrieg als Premier das ohnehin<br />

schwierige Verhältnis Frankreichs<br />

zu Deutschland vergiftet<br />

hatte.<br />

Bei seinem Staatsbesuch in<br />

Deutschland im September 1962<br />

begeisterte er die Bevölkerung<br />

durch seine deutschen Sprachkenntnisse,<br />

die er sich während<br />

seiner Kriegsgefangenschaft<br />

1916 bis 1918 in Bayern – übrigens<br />

mit fünf erfolglosen Ausbruchsversuchen<br />

– angeeignet<br />

hatte. Auf Deutsch wandte er<br />

sich auch in Ludwigsburg mit einer<br />

vielbeachteten Rede an die<br />

deutsche Jugend – ein Meilenstein<br />

in den deutsch-französischen<br />

Beziehungen! Vier Monate<br />

später wurde der bilateralen<br />

Freundschaftsvertrag unterzeichnet<br />

– und prompt einige<br />

Monate später auf US-Druck<br />

durch eine Präambel entschärft.<br />

Die von Adenauer geführte Bundesregierung<br />

schwankte ständig<br />

zwischen Washington und Paris<br />

hin und her.<br />

len Dominanz der Supermächte mit dem Aufbau der<br />

Force de frappe Frankreich als unabhängige Atom-<br />

Großmacht entgegen. Die Politiker aus dem Umkreis<br />

der US-dominierten Bilderberg-Denkfabrik kritisierten<br />

diesen Schachzug scharf. Warum? Hauptziel der Bilderberger<br />

war und ist es, die Souveränität der freien<br />

Nationen Europas auszuhöhlen und sie einer britischamerikanischen<br />

Weltregierung zu unterwerfen. Ihnen<br />

passte nicht, dass Frankreich dank der Force der frappe<br />

nicht mehr so leicht zu erpressen war.<br />

De Gaulle hatte schon früh durchschaut, dass es<br />

Washington und London vor allem um die Anbindung<br />

der westeuropäischen Länder an die transatlantischen<br />

Pfeiler ging: NATO und EU (damals Europäische Wirtschaftsgemeinschaft<br />

– EWG). Schon in den ersten<br />

Monaten des Jahres 1947 hatten die USA aus Resten<br />

ihrer Kommandostrukturen des Zweiten Weltkriegs ihr<br />

pazifisches Militärkommando PACCOM und das europäische<br />

US-Militärkommando EUCOM installiert. Am<br />

4. April 1949 wurde die NATO mit dem Ziel gegründet,<br />

«die Russen draußen, die Amerikaner drinnen und die<br />

Deutschen unten zu halten», so der erste NATO-Generalsekretär<br />

Lord Ismay. Und schon im Dezember desselben<br />

Jahres verabschiedete die NATO den Kriegsplan<br />

Dropshot, mit dem 1957 die Sowjetunion angegriffen<br />

werden sollte. Diese imperialen Ambitionen verärgerten<br />

de Gaulle zutiefst. Für ihn ging Europa «vom<br />

Atlantik bis zum Ural». In den besonderen Beziehungen<br />

Großbritanniens zu den USA sah er eine Gefahr, weshalb<br />

er dessen Beitritt zur EWG zu verhindern suchte.<br />

Regime Change in Paris<br />

1965, fünf Jahre vor seinem Tod, soll Charles de<br />

Gaulle von US-Präsident Johnson auf eine Todesliste<br />

gesetzt worden sein. Erwiesen ist zumindest, dass sich<br />

französische Extremisten, die de Gaulle bereits 1962<br />

hatten ermorden wollen, weil er der Unabhängigkeit<br />

Algeriens zugestimmt hatte (fiktional von Frederick<br />

Forsyth in seinem Roman Der Schakal verarbeitet), in<br />

jenem Jahr mit einem Plan an die CIA wandten: Einer<br />

der ihren, ein verdienter Militär, sollte mit einem vergifteten<br />

Ring nach Paris geschickt werden. Beim Händedruck<br />

mit de Gaulle sollte eine mit Curare getränkte<br />

Spitze ausfahren… Einzelheiten wurden zehn Jahre<br />

später im US-Kongress berichtet und sind im britischen<br />

Guardian in der Ausgabe vom 16. Juni 2015 nachlesbar.<br />

Auch die gewalttätige Revolte vom Mai 1968, die<br />

das Land wochenlang lahmlegte, wird von einigen<br />

Kommentatoren als Inszenierung von US-Strippenziehern<br />

gesehen, die den anarchokommunistischen<br />

Rädelsführern wie Daniel Cohn-Bendit zur Seite standen.<br />

Dokumente dazu werden in dem 2009 erschienen<br />

Buch von Vincent Nouzille Des secrets bien gardés:<br />

Les dossiers de la Maison-Blanche et de la CIA sur la<br />

France et ses présidents 1958–1981 (Wohl gehütete<br />

Geheimnisse: Die Dossiers des Weißen Hauses und<br />

der CIA über Frankreich und seine Präsidenten 1958–<br />

1981) diskutiert.<br />

De Gaulle konnte den Umsturzversuch zunächst<br />

abwehren und sich in Neuwahlen triumphal behaupten,<br />

trat jedoch nach einem verlorenen Referendum<br />

ein Jahr später zurück. Eine Schlüsselrolle bei dieser<br />

Abstimmung spielte Valéry Giscard d’Estaing,<br />

ein enger Freund von Henry Kissinger und wie dieser<br />

ein Bilderberger, der – als Konservativer! – überraschend<br />

die Linke Nein-Parole bei diesem Plebiszit<br />

unterstützte. 1974 wurde er selbst Staatspräsident<br />

und trieb die Europäisierung in einer Weise voran, die<br />

nie die Zustimmung des Generals gefunden hätte.<br />

Der Film «Der Schakal» (1973) basiert auf dem Attentatsversuch<br />

1962. Fotos: Filmverleih<br />

Erschienen im Kai Homilius Verlag.<br />

Foto: Verlag<br />

64<br />

_ Wolfgang Effenberger (* 1946)<br />

erhielt als junger Pionieroffizier<br />

Einblick in das «atomare Gefechtsfeld»<br />

in Europa. Zusammen mit<br />

dem ehemaligen CDU-Staatssekretär<br />

Willy Wimmer verfasste<br />

er 2014 das Buch «Wiederkehr der<br />

Hasardeure – Schattenstrategen,<br />

Kriegstreiber, stille Profiteure». Im<br />

Oktober 2015 referierte er auf der<br />

<strong>COMPACT</strong>-Konferenz «Freiheit für<br />

Deutschland».


<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

BRD-Sprech _ Gutmensch<br />

«Gutmensch» ist ein ambivalentes Wort, je nachdem,<br />

wer es benutzt: Handelte es sich ursprünglich<br />

um die leicht spöttische Bezeichnung eines bestimmten<br />

Menschenschlags, so wurde es einerseits von just<br />

den so bezeichneten Menschen als Selbstbeschreibung<br />

übernommen, von anderen aber zum Schimpfwort<br />

verschärft. Was die Betroffenen wiederum überhaupt<br />

nicht verstehen können und dazu führte, dass<br />

das Wort zum «Unwort des Jahres 2015» gekürt wurde.<br />

Sie glauben nämlich, «Gutmensch» heiße so viel<br />

wie «guter Mensch». In Wahrheit kann ein Gutmensch<br />

im Privatleben so gut oder böse sein wie irgendein<br />

anderer auch – den Gutmenschen als solchen erkennt<br />

man daran, dass er im politischen Bereich das Gegenteil<br />

von dem tut, was allgemein als moralisch gut gilt:<br />

Der Gutmensch ist ein Pharisäer, der Andersdenkenden<br />

gegenüber zu einem frappierenden Maß an Bösartigkeit<br />

und Arroganz fähig ist. Der Gutmensch glaubt,<br />

die Grundlage aller Moral seit Adam und Eva, nämlich<br />

die Bevorzugung des Näherstehenden (der nicht<br />

zufällig der Nächste genannt wird) gegenüber dem<br />

Fernerstehenden, sei irgendwie böse und Gott habe<br />

sich geirrt, als er sagte: «Liebe deinen Nächsten wie<br />

dich selbst»; nach Ansicht des Gutmenschen hätte er<br />

sagen müssen: «Liebe deinen Übernächsten mehr als<br />

dich und den Nächsten zusammen.»<br />

Der typische Gutmensch ist einer,<br />

der nicht selbst Opfer bringt,<br />

sondern andere dazu zwingen will.<br />

Andreas Frege alias Campino hat als Frontsänger der Toten Hosen<br />

ein beachtliches Vermögen von über 20 Millionen Euro angehäuft<br />

– trotzdem spielt er auch heute noch gerne den systemkritischen<br />

Anarcho-Punker und stachelt auf seinen Konzerten pubertäre Antifanten<br />

zum «Kampf gegen rechts» auf. Foto: imago/Future Image<br />

Gutmenschen sind Leute, die so lange «Flüchtlinge»<br />

aufnehmen werden, bis keine mehr kommen, weil die<br />

Verhältnisse in Europa dann genau denen entsprechen<br />

werden, vor denen vorher die «Flüchtlinge» geflohen<br />

sind.<br />

Vielleicht mag man dem Gutmenschen, da seine<br />

Seele mit pseudoreligiösen Wahnideen vergiftet<br />

wurde, noch jene Art Mitleid entgegenbringen, die<br />

man auch für andere Sektenopfer übrig hat – allerdings<br />

nur, sofern er selbst die Folgen seines Wahnsinns ausbadet.<br />

Der typische Gutmensch ist allerdings einer, der<br />

nicht selbst Opfer bringt, sondern andere dazu zwingen<br />

will, und als Angehöriger der Sozial-, Integrations- oder<br />

Ideologieindustrie womöglich noch daran verdient.<br />

Der Gutmensch glaubt, er sei schon deshalb edel,<br />

hilfreich und gut, weil er eine bestimmte Ideologie<br />

bejaht und es aufgrund dieser Ideologie zum Beispiel<br />

für richtig hält, Menschen aus gewaltaffinen Machokulturen<br />

in ein befriedetes Europa einwandern zu lassen<br />

und den Einheimischen Millionen von neuen Mitbewohnern<br />

zuzumuten, die sie sich nicht ausgesucht<br />

haben, und die sie sich, hätte man sie gefragt, aus<br />

guten Gründen auch nicht ausgesucht hätten.<br />

Gutmenschen vertreten grundsätzlich nur die Interessen<br />

von Minderheiten und finden es unmoralisch,<br />

dass Männer und nichtfeministische Frauen, Deutsche,<br />

Christen, Weiße und Heterosexuelle überhaupt existieren.<br />

Wenn sie aber schon existieren, so die Gutmenschen,<br />

dann sollen sie wenigstens ihren Mund<br />

halten und sich ihrer «Intoleranz» schämen – also sich<br />

schämen, dass sie überhaupt Interessen zu haben und<br />

diese gar zu artikulieren wagen.<br />

Gutmenschen sind Leute, die nicht ruhen werden,<br />

bis sie die Welt so weit «verbessert» haben, dass sich<br />

in ihr nur noch Verrückte, Perverse, Verbrecher und<br />

Schmarotzer wohlfühlen. Gutmenschen sind Leute, die<br />

das eigene Volk über die Klinge springen lassen, damit<br />

es ihrem Seelchen gut geht. Und Gutmenschen sind vor<br />

allem Leute, die es fertigbringen, sich trotzdem noch<br />

darüber zu wundern, dass das Wort «Gutmensch» ein<br />

Schimpfwort ist.<br />

Verlag Antaios, 240 Seiten, gebunden,<br />

22,00 Euro (Bestellung über<br />

antaios.de). Foto: Verlag<br />

_ Manfred Kleine-Hartlage ist<br />

Publizist und Diplom-Sozialwissenschaftler.<br />

Regelmäßig veröffentlicht<br />

er kritische Beiträge auf<br />

seinem Blog «korrektheiten.com».<br />

Sein aktuelles Buch «Die Sprache<br />

der BRD – 131 Unwörter und ihre<br />

politische Bedeutung», 2015 im<br />

Verlag Antaios erschienen, liefert<br />

die Vorlage für diese <strong>COMPACT</strong>-<br />

Serie.<br />

65


<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

Harzheims Klassiker_ Napoleon<br />

66<br />

Aufführung der restaurierten Version:<br />

Napoleons Italienfeldzug als<br />

filmisches Triptychon.<br />

Foto: hollywoodandallthat.com<br />

Plakat zu «Napoleon» (1927). Foto:<br />

Wikipedia<br />

_ Harald Harzheim ist der Filmklassiker<br />

von <strong>COMPACT</strong>-<strong>Magazin</strong>.<br />

Mitte der 1920er Jahre plante der französische<br />

Regisseur Abel Gance, das Leben Napoleon Bonapartes<br />

zu verfilmen. Wer seine Werke kannte, ahnte damals<br />

schon: Das wird kein solides Stück für den Geschichtsunterricht.<br />

Der Cineast dachte in der Größen ordnung<br />

eines Homer. Revolutionierten dessen Illias- und Odyssee-Gesänge<br />

die antike Literatur, so sollte Napoleon<br />

das Medium Film neu erfinden. Gleich dem französischen<br />

Kaiser wollte Gance neues Terrain erobern, in<br />

seinem Fall ästhetisches. Dazu befreite er die Kamera<br />

von allen Fesseln, nahm sie runter vom Stativ und montierte<br />

sie auf Kräne, Schaukeln und den Rücken rasender<br />

Pferde. Wie einen Schneeball warf er sie für eine<br />

Szene sogar durch die Luft. Sie war kein fester, distanzierter<br />

Standpunkt für das Publikum mehr, sondern<br />

wurde mitten durchs Geschehen gewirbelt.<br />

Für Napoleons Italienfeldzug sprengte Gance das<br />

damalige Leinwandformat. Mit drei synchron laufenden<br />

Kameras und (später ebenso synchronisierten)<br />

Filmprojektoren visualisierte er die Schlacht als Triptychon<br />

und schuf so den ersten Breitwandfilm vor dessen<br />

eigentlicher Erfindung. Statt eines Panoramamotivs<br />

zeigte jedes der drei Bilder manchmal aber auch ein<br />

anderes Motiv der Schlacht, assoziativ miteinander<br />

verbunden, jeweils mit anderer Kolorierung. So ist der<br />

Zuschauer an drei Orten gleichzeitig. Das Foto (oben)<br />

zeigt eine Aufführung: In der Mitte marschiert die<br />

Armee zwischen den Felsen. Links und rechts: Feldherr<br />

Napoleon beobachtet das Geschehen. Die drei<br />

Färbungen in blau, weiß und rot ergeben die Trikolore.<br />

Regisseur Gance wollte das Medium<br />

Film neu erfinden.<br />

Nachdem der Regisseur bereits neun Stunden<br />

Material belichtet hatte, brachen die Produzenten den<br />

Dreh ab. Der Film kam 1927 in die Kinos und überforderte<br />

das Publikum gründlich, wurde zum kommerziellen<br />

Desaster. Er geriet in Vergessenheit, bald blieben<br />

bloß noch Fragmente greifbar. 1984 gelang Francis<br />

Ford Coppola eine vierstündige Rekonstruktion des<br />

Stummfilm-Klassikers. Arthur Honeggers Original-<br />

Soundtrack wurde durch eine Komposition von Coppolas<br />

Vater Carmine ersetzt. Die Präsentation in New<br />

York wurde zum Riesenerfolg. Inzwischen gibt es eine<br />

fast sechsstündige Restaurationskopie.


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