COMPACT-Magazin 03-2016
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Ausgabe 3/<strong>2016</strong> | 4,95 EUR<br />
www.compact-online.de<br />
Die bessere<br />
Kanzlerin<br />
AfD vor dem Durchbruch<br />
Merkel am Ende<br />
Drei Schritte zum Sturz<br />
Stalingrad 2.0<br />
Putin siegt in Aleppo<br />
Trump ist Trumpf<br />
Patriot unter Falken<br />
Handball-Helden<br />
Blut, Schweiß und Tore<br />
Dossier: Revoltiert!<br />
Camus über über die die Verteidigung Europas
Ehrlicher Journalismus in Zeiten der Lüge.<br />
Die schweigende Mehrheit kann die Verhältnisse zum Tanzen bringen,<br />
wenn sie ihre Stimme wiederfindet. <strong>COMPACT</strong> ist ihr Lautsprecher, weil<br />
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Freiwild<br />
Frau<br />
Das böse Ende der<br />
Willkommenskultur<br />
Schweigekartell<br />
Der Sexmob und die Medien<br />
Polizistin mit Eiern<br />
Migrantin auf Streife<br />
Superwanze Handy<br />
Tipps zum Selbstschutz<br />
Germaninnen<br />
Mit Liebreiz und Schwert<br />
Dossier: Die Lügenjournalisten<br />
Agenten der Meinungsdiktatur<br />
Ausgabe 2/<strong>2016</strong> | 4,95 EUR<br />
www.compact-online.de
Aleppo – das Stalingrad der Dschihadisten<br />
Bundesregierung und Lügenmedien arbeiten fieberhaft<br />
daran, zwei Themen miteinander zu verknüpfen:<br />
den Krieg in Syrien und die Flüchtlingskrise in Europa.<br />
Für beides soll ein Mann verantwortlich sein: Wladimir<br />
Putin.<br />
Mitte Februar schreibt die Bild-Zeitung: «Noch mehr<br />
Bomben, noch mehr Menschen auf der Flucht. Zehntausende<br />
fliehen in diesen Tagen aus der syrischen Stadt<br />
Aleppo – nicht vor den ISIS-Terroristen, sondern vor<br />
den Truppen von Syriens Diktator Assad und den Luftangriffen<br />
Russlands. Verantwortlich: Präsident Putin.»<br />
Heuchlerischer geht‘s nimmer: Wo war denn der Aufschrei<br />
der Springerpresse, als in den letzten drei Jahren<br />
Zehntausende aus Aleppo flohen oder vertrieben<br />
wurden, weil die Kopf-ab-Dschihadisten einen Distrikt<br />
nach dem anderen säuberten? Mit diesen Flüchtlingen,<br />
darunter zahlreiche Christen, hatte die Schmierenjournaille<br />
kein Mitleid – die einmarschierenden ISIS-Verbündeten<br />
wurden sogar noch als Befreiungskämpfer<br />
gegen den angeblichen Diktator Assad gefeiert. Aber<br />
jetzt, wo die sunnitischen Extremisten und ihre Anhänger<br />
Fersengeld geben müssen, rollen die Krokodilstränen<br />
bei Kai Diekmanns willigen Volontären.<br />
<strong>COMPACT</strong> Editorial<br />
Halten wir die Tatsachen fest: Assad ist der<br />
gewählte Präsident des Landes. Die russische Luftwaffe<br />
greift – im Unterschied zu der diverser NATO-<br />
Staaten – auf seine Einladung hin in die Kämpfe ein,<br />
also auf völkerrechtlich sauberer Grundlage. In Aleppo<br />
gab es 2011, als der sogenannte Arabische Frühling in<br />
einigen syrischen Städten angezettelt wurde, keinerlei<br />
Demonstrationen. Dort, wo Menschen aller Religionen<br />
friedlich zusammenlebten, hatte nämlich niemand ein<br />
Interesse an einer Destabilisierung. Alles änderte sich<br />
ein Jahr später, als Mudschaheddin von außen eindrangen.<br />
Der Großteil dieser Fanatiker kam aus dem<br />
Ausland, vor allem aus Saudi-Arabien und Tschetschenien.<br />
Anders, als von westlichen Medien dargestellt,<br />
handelt es sich also nicht um einen Bürgerkrieg in, sondern<br />
um eine Aggression gegen Syrien.<br />
Zwischen Sommer 2012 und Ende 2015 war Aleppo<br />
geteilt. Die regierungstreuen Stadtteile wurden von<br />
den Dschihadisten belagert und ausgehungert. Dank<br />
des russischen Eingreifens hat sich die Lage fundamental<br />
geändert: Nun sind es die Scharia-Bezirke, die<br />
umstellt und von der Außenwelt abgeschnitten sind.<br />
Einer nach dem anderen wird wieder von der Assad-<br />
Regierung unter Kontrolle gebracht. Die Abläufe erinnern<br />
an Stalingrad 1943: Zuerst kesselte die Wehrmacht<br />
die Wolga-Metropole ein, die Rote Armee<br />
konnte nur einen Zipfel verteidigen. Dann umschlossen<br />
die Sowjets in einer riesigen Zangenbewegung das<br />
Kampfgebiet und zwangen die Deutschen Zug um Zug<br />
zur Aufgabe. Bei allem, was man am Vorstoß der Roten<br />
Armee auf Berlin kritisieren muss, war dies jedenfalls<br />
eine legitime Befreiungsaktion von eigener Heimaterde<br />
– so wie aktuell die Rückeroberung Aleppos durch<br />
syrische Regierungstruppen.<br />
Wie die Schlacht an der Wolga der Wendepunkt des<br />
Zweiten Weltkrieges war, könnte die am Quwaiq das<br />
Ende des Dschihads gegen Syrien einläuten. Die Türkei<br />
und Saudi-Arabien, die Paten des IS, sind schon ganz<br />
kopflos und wollen ihre langbärtigen Verbündeten nun<br />
mit eigenen Truppen retten. Noch schlimmer ist das<br />
Verhalten der Bundeskanzlerin, die – im Unterschied zur<br />
Obama-Administration! – dem Sultan in Ankara beim<br />
Säbelrasseln den Rücken stärkt. In der vagen Hoffnung,<br />
dass der im Gegenzug die Flüchtlinge nicht mehr über<br />
die Ägäis schleust…<br />
Erdogan kalkuliert andersrum: Gerade indem er<br />
die Migrationswaffe gegen Deutschland scharf hält,<br />
kann er Angela Merkel zur Unterstützung seiner Invasionspläne<br />
im Nachbarland zwingen. Beide tun dann<br />
unschuldig und zeigen auf Putin als den eigentlich<br />
Schuldigen, die verbündeten Boulevardblätter Bild<br />
und Sabah spielen die Melodie dazu. Für wie blöd<br />
halten die uns?<br />
Chefredakteur Jürgen Elsässer.<br />
Foto: Jörg Gründler<br />
3
<strong>COMPACT</strong> Themen<br />
Titelthema<br />
Die bessere Kanzlerin<br />
Politik<br />
Bielefeld ist überall<br />
Dossier<br />
Revoltiert!<br />
Leben<br />
Unsere Handball-Helden<br />
05 Foto des Monats<br />
06 Leserbriefe<br />
07 Zitate des Monats<br />
08 <strong>COMPACT</strong> Intern<br />
09 Inter-national<br />
10 Köpfe des Monats<br />
Titelthema<br />
11 Die bessere Kanzlerin<br />
von Jürgen Elsässer<br />
13 Die Angst vor der Alternative<br />
von Marc Dassen<br />
16 «Wir dürfen nicht mitregieren, nirgends!»<br />
Interview mit Alexander Gauland<br />
19 In drei Schritten zum Sturz<br />
von Jürgen Elsässer<br />
23 Geisterwähler aller Orten<br />
von Harry Daniel<br />
24 «Dieses Land muss deutsch bleiben»<br />
von Karl Albrecht Schachtschneider<br />
Politik<br />
25 Vergewaltigt und verhöhnt<br />
von Martin Müller-Mertens<br />
28 Aus dem Logbuch der Gleichschaltung<br />
von Nils Röcke<br />
30 Bielefeld ist überall<br />
von Hans-Hermann Gockel<br />
33 Der Boulevard-Kanzler<br />
von Klaus Faißner<br />
37 Frankensteins Killer-Moskito<br />
von Michael Morris<br />
40 Patriot unter Falken<br />
von Tino Perlick<br />
43 Die Reichen und die Superreichen<br />
von Marc Dassen<br />
Dossier<br />
46 Wie ich zum Patrioten wurde<br />
Interview mit Renaud Camus<br />
48 Der Große Austausch der Bevölkerung<br />
von Renaud Camus<br />
Leben<br />
53 Unsere Handball-Helden<br />
von Bernd Schumacher<br />
56 Die Königin der Nacht<br />
von Harald Harzheim<br />
57 Urlaub im Schurkenstaat<br />
von Peter Wiegrefe<br />
61 Autoren und Agenten<br />
von Helmut Roewer<br />
63 General im Fadenkreuz<br />
von Wolfgang Effenberger<br />
65 BRD-Sprech _ Gutmensch<br />
von Manfred Kleine-Hartlage<br />
66 Harzheims Klassiker _ Napoleon<br />
von Harald Harzheim<br />
<strong>COMPACT</strong> Impressum<br />
Herausgeber & Verlag<br />
<strong>COMPACT</strong>-<strong>Magazin</strong> GmbH<br />
Geschäftsführer Kai Homilius<br />
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Chefredakteur Jürgen Elsässer (V.i.S.d.P.)<br />
Chef vom Dienst Martin Müller-Mertens<br />
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Fotoquelle Cover Frank Ossenbrink<br />
<strong>COMPACT</strong>-Online Arne Fischer<br />
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Druckauflage dieser Ausgabe<br />
75.000 Exemplare<br />
4
<strong>COMPACT</strong> Foto des Monats<br />
Narrenkönig Kretschmann: Jetzt geht es los / mit ganz großen Schritten / der Winfried greift der Angie / von hinten an die – Schulter. Ja, so macht Wahlkampf Spaß! Bei<br />
der Polonaise der Fastnetszunft in Riedlingen (Landkreis Biberach) kann sich der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg so richtig volkstümlich geben – egal, wieviel<br />
Asylanten er nebenher ins Ländle lässt. Ob die Schwaben den Schwindel durchschauen? Bei der Landtagswahl am 13. März darf der grüne Regierungschef auf gute Werte hoffen.<br />
Der Aschermittwoch kommt erst hinterher. Foto: picture alliance/dpa<br />
5
<strong>COMPACT</strong> Leserbriefe<br />
Leserbriefe schicken Sie bitte an: leserbrief@compact-magazin.com<br />
6<br />
Freiwild<br />
Frau<br />
Das böse Ende der<br />
Willkommenskultur<br />
Schweigekartell<br />
Der Sexmob und die Medien<br />
Polizistin mit Eiern<br />
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Germaninnen<br />
Mit Liebreiz und Schwert<br />
Dossier: Die Lügenjournalisten<br />
Agenten der Meinungsdiktatur<br />
Zu <strong>COMPACT</strong> allgemein<br />
Ausgabe 2/<strong>2016</strong> | 4,95 EUR<br />
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Noch nicht einmal ein ganzes Jahr lang bin ich<br />
nun <strong>COMPACT</strong>-Abonnent. Über 40 Jahre lang<br />
hatte ich den Spiegel gelesen, danach vielleicht<br />
zehn Jahre lang den Focus. Früher lange<br />
Jahre auch die Zeit. Ich habe sie allesamt<br />
abbestellt – übrigens längst auch die FAZ. Ich<br />
erinnere mich nicht, wie ich auf <strong>COMPACT</strong> gestoßen<br />
war. Jedenfalls hatte ich ein Probe-<br />
Abo bestellt, dieses aber schon nach dem ersten<br />
oder zweiten Heft in ein Dauer-Abo umgewandelt<br />
– ein guter Schritt!<br />
H.-E. Fischer, per E-Mail<br />
<strong>COMPACT</strong> ist eine der rettenden Inseln in unserem<br />
Desinformation-Zeitalter. Werde natürlich<br />
zum Kiosk gehen und das aktuelle Heft<br />
wieder kaufen. Vielen Dank!<br />
Hans Dampf, per Youtube-Kommentar<br />
Da ich selbst begeisterter <strong>COMPACT</strong>-Leser bin,<br />
kann ich empfehlen, ein Exemplar mal mit zum<br />
Arzt zu nehmen und dort auszulegen oder einfach<br />
im Bekanntenkreis weiter zu vergeben.<br />
Mein Exemplar geht mindestens durch drei<br />
bis vier Hände.<br />
Martin Würzburger, per Facebook-Kommentar<br />
Die neue <strong>COMPACT</strong>-Ausgabe ist super. Hatte<br />
sie gestern im Briefkasten und finde es klasse,<br />
dass <strong>COMPACT</strong> das Thema der Massenvergewaltigungen<br />
thematisiert hat – im Gegensatz<br />
zur Lügenpresse.<br />
Nina Kühl, per Facebook-Kommentar<br />
<strong>COMPACT</strong> leistet wichtige Aufklärungsarbeit<br />
und bringt genau die Themen zur Sprache,<br />
die in der Medienlandschaft sonst völlig<br />
verschwiegen werden. Ich selbst informiere<br />
mich online, halte dieses <strong>Magazin</strong> aber für<br />
eine gute Möglichkeit, Informationen denen<br />
näher zu bringen, die sich sonst nur aus der<br />
Tageszeitung oder den Nachrichten informieren.<br />
Deshalb habe ich das <strong>COMPACT</strong>-Abo zu<br />
Weihnachten an meinen Vater verschenkt, in<br />
der Hoffnung, bei zukünftigen Gesprächen<br />
und Diskussionen bei ihm auf Grundwissen<br />
der sonst als Verschwörungstheorien abgewerteten<br />
Themen zu stoßen. Alternative und<br />
freie Medien sind das, was wir brauchen. Ihr<br />
Wert ist nicht in Euro zu beziffern.<br />
Marcel Föll, per Facebook-Kommentar<br />
Zu «Pfefferspray<br />
genügt nicht»<br />
Es wäre natürlich schön,<br />
wenn eine Amtsenthebung<br />
auf gesittete Weise<br />
vonstatten gehen würde. Noch besser wäre<br />
es allerdings, wenn statt nur einer Merkel-Enthebung<br />
auch das Übel an der Wurzel gepackt<br />
werden würde – denn die Puppenspieler über<br />
Deutschland haben doch sicher längst eine<br />
Merkel 2.0 im Ärmel.<br />
saumakos, per Website-Kommentar<br />
Die «Flüchtlinge» entblöden sich nicht, sogar<br />
zuzugeben, dass sie ihre Familie im Kriegsgebiet<br />
gelassen haben! Ich würde mich zu<br />
Tode schämen, wenn ich auch nur den Geringsten<br />
meiner Lieben, das wäre ein Haustier,<br />
im Kriegsgebiet in Todesgefahr zurücklassen<br />
würde. ichbin, per Website-Kommentar<br />
Zu «Freiwild Frau»<br />
Deutschland ist gegenwärtig<br />
dabei, alle Errungenschaften<br />
von Aufklärung<br />
und Zivilisation<br />
wieder zu beseitigen und sich in längst überwundene<br />
Zeiten zurück zu bewegen. In einem<br />
ewig langen Prozess wurden die Gleichberechtigung<br />
der Frau und die Akzeptanz der<br />
Homosexualität errungen. All dies wird nunmehr<br />
wieder zunichte gemacht. Gleichzeitig<br />
wird der Staat in seiner Substanz zerstört.<br />
MixedChannel222, per Youtube-Kommentar<br />
Silvesterübergriffe durch Migranten soll es<br />
schon seit einigen Jahren in Deutschland geben.<br />
Das habe ich jetzt aus mehreren Quellen<br />
gehört. In den Vorjahren konnte es wohl unter<br />
dem Teppich gehalten werden. Die Politik<br />
kann das natürlich nicht zugeben, würde sie<br />
damit doch zugeben, dass sie die Frauen wissentlich<br />
ins Messer hat laufen lassen.<br />
felicelouisa, per Youtube-Kommentar<br />
Wenn die NWO-Deppen so weitermachen<br />
können, wird es nicht in den Geschichtsbüchern<br />
stehen. Denn diese Kretins werden dann<br />
natürlich auch die Geschichte so schreiben,<br />
wie es ihnen passt.<br />
Anna Kurnikowa, per Youtube-Kommentar<br />
Zu «Mit Liebreiz und<br />
Schwert»<br />
Die überaus wichtige<br />
Thematisierung der Germaninnen,<br />
welche gerne<br />
auch ausführlicher ausfallen hätte dürfen,<br />
und die Serie von Kleine-Hartlage machen ein<br />
Abo zu einer interessanten Option, und ich bin<br />
sehr wählerisch, was <strong>Magazin</strong>e angeht. Fazit:<br />
<strong>COMPACT</strong> «macht sich» und ist für Deutschland<br />
sicherlich eine sehr wertvolle Publikation.<br />
Onyx, per Website-Kommentar<br />
In der letzten <strong>COMPACT</strong> ist mir der Artikel<br />
«Mit Liebreiz und Schwert» besonders positiv<br />
aufgefallen. Wir brauchen ganz dringend<br />
und dauerhaft viel mehr positive Identifikation<br />
mit dem Eigenen! Wir müssen dezidiert und<br />
nicht nur diffus wissen, wofür wir zu kämpfen<br />
haben! Pia Lobmeier hat da sehr wahrscheinlich<br />
noch einiges mehr in petto. Es wäre sehr<br />
gut, wenn das in <strong>COMPACT</strong> zum Tragen käme.<br />
F. Fischer, per Facebook-Kommentar<br />
Als Bezieher und Leser von <strong>COMPACT</strong> habe ich<br />
mich sehr über Ihre Betrachtung «Mit Liebreiz<br />
und Schwert» in der letzten Ausgabe gefreut –<br />
endlich einmal wieder etwas Aufbauendes in<br />
<strong>COMPACT</strong>! Ich glaube, das Heidentum macht<br />
einen großen Teil unserer volklichen Identität<br />
aus. Sie haben das ja sehr schön mit der<br />
Übertragung der germanischen Frauenverehrung<br />
auf die christliche Marien-Anbetung<br />
aufgezeigt. Es hat uns gerade in dieser Zeit<br />
der Entfremdung, Entwurzelung und Verwirrung<br />
nach wie vor viel zu geben. F.B., per E-Mail<br />
Ich will hier jetzt keine Jubelarie starten, aber<br />
das Preis-Leistungs-Verhältnis ist einfach<br />
wahnsinnig gut, die Artikel sind super interessant.<br />
Am Ende des Monats sind die Hefte<br />
neuerdings immer total verknittert sowie ausgelesen!<br />
Dann wird bei den alten Ausgaben<br />
weiter gestöbert. M.D., per Website-Kommentar
<strong>COMPACT</strong> Zitate des Monats<br />
Wolle mer se drinlasse?<br />
«In Deutschland tragen erstaunlich viele junge<br />
Westafrikaner denselben Namen. Ihren Pass<br />
haben sie ”verloren” oder werden geduldet.»<br />
(Grammatik im Original; Frankfurter Allgemeine<br />
Sonntagszeitung, 17.1.<strong>2016</strong>)<br />
niert hat. (…) Hat Putin grüne Männchen auf<br />
die Kölner Domplatte entsandt? Nein. Aber<br />
vielleicht als syrische Flüchtlinge getarnte Anhänger<br />
seines Verbündeten Assad.» (Flensburger<br />
Tagblatt, 31.1.<strong>2016</strong>)<br />
Köln ist überall<br />
Adolfine mit dem fiesen Blick? Der kaum subtile Hitler-<br />
Vergleich ist beim «Spiegel» offenbar der Gipfel des Einfallsreichtums.<br />
Foto: «Der Spiegel»<br />
AfD vor dem Durchbruch<br />
Der Volksaufhetzer<br />
«Sie sind das freundlich lächelnde Gesicht<br />
der Horden, die durch Dresden ziehen und<br />
da rumprügeln.» (Spiegel-Kolumnist Jakob Augstein<br />
zu Frauke Petry, Menschen bei Maischberger,<br />
27.1.<strong>2016</strong>)<br />
Alles Nazis außer Siggi<br />
«Wer demokratisch gewählte Politiker des<br />
Hochverrats anklagt, sie als Systemparteien<br />
und Journalisten als Lügenpresse beschimpft<br />
und bedroht, der ist ganz nahe an der Sprache<br />
der Feinde der Demokratie, der Nazis der<br />
20er- und 30er-Jahre.» (Vizekanzler Sigmar Gabriel,<br />
5.2.<strong>2016</strong>)<br />
AfD raus!<br />
«Die Macher von Maybrit Illner ziehen zumindest<br />
für ihren Donnerstags-Talk klare Konsequenzen:<br />
”Wenn die AfD nur noch Hetze<br />
betreibt oder zu Gewalt aufruft, wird sie nicht<br />
mehr Gast unserer Sendung sein.”» (Süddeutsche<br />
Zeitung Online, 4.2.<strong>2016</strong>)<br />
Gut zu wissen!<br />
«Die Alternative für Deutschland ist aktuell<br />
kein Beobachtungsobjekt der Verfassungsschutzbehörden.<br />
Sie wird derzeit weder als<br />
extremistisch noch als Gefahr für die freiheitlich-demokratische<br />
Grundordnung eingestuft.»<br />
(Thüringens Verfassungsschutzpräsident Stephan<br />
Kramer, Welt Online, 2.2.<strong>2016</strong>)<br />
Zahlmeister Deutschland<br />
«Unter extrem zurückhaltenden Annahmen<br />
habe ich ausgerechnet, dass sich die finanzielle<br />
Belastung durch die Flüchtlingszuwanderung<br />
(…) in den nächsten Jahrzehnten auf<br />
insgesamt 1,5 Billionen belaufen wird.» (Der<br />
frühere Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin, Huffington<br />
Post Online, 18.1.<strong>2016</strong>)<br />
Steinigung<br />
«Mitten auf offener Straße sind in Dortmund<br />
zwei Transsexuelle beleidigt und mit Steinen<br />
angegriffen worden. (…) als das Männertrio<br />
(…) bemerkt, dass es sich um zwei Transsexuelle<br />
handelt, fallen wüste Beleidigungen<br />
auf Arabisch.» (Focus Online, 18.1.<strong>2016</strong>)<br />
Wieder ein Einzelfall<br />
«In einem schwedischen Flüchtlingsheim hat<br />
ein minderjähriger Asylbewerber eine Mitarbeiterin<br />
mit einer Stichwaffe tödlich verletzt.»<br />
(Spiegel Online, 26.1.<strong>2016</strong>)<br />
Das Auschwitz-Argument<br />
«Die Hilfs- und Aufnahmebereitschaft steht<br />
Deutschland gut zu Gesicht – gerade mit Blick<br />
auf die Vergangenheit.» (Die ehemalige Vorsitzende<br />
des Zentralrats der Juden Charlotte Knobloch,<br />
Tagesspiegel Online, 27.1.<strong>2016</strong>)<br />
Geschichtsunterricht<br />
«Wie es sich für ein Pogrom gehört, gab es<br />
Täter, Opfer und Zuschauer. Die Täter waren<br />
rücksichtslos, die Opfer hilflos und die Zuschauer<br />
haben zugeschaut (…). Man muss<br />
nicht Historiker oder Antisemitismus-Experte<br />
sein, um Parallelen zu den antijüdischen Pogromen<br />
aus der Zeit vor dem Holocaust zu erkennen.»<br />
(Henryk M. Broder über die Übergriffe in<br />
der Kölner Silvesternacht, Welt Online, 28.1.<strong>2016</strong>)<br />
Kein Witz: Putin ist immer schuld<br />
«Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass<br />
der russische Geheimdienst die sexuellen<br />
Massenübergriffe in der Silvesternacht insze-<br />
«Das, was in Köln an Silvester passiert ist, passiert<br />
hier inzwischen tagtäglich.» (Der türkische<br />
Sozialarbeiter Ercan Yasaroglu über die Zustände in<br />
Berlin-Kreuzberg, Focus Online, 31.1.<strong>2016</strong>)<br />
Scharia-Schlägertrupp<br />
«Drei Männer in einem Neuköllner Kiosk sind<br />
von 30 Kindern und Jugendlichen attackiert<br />
worden. (…) Als Vorwand für diese Attacken<br />
nannten die laut Kioskbetreiber muslimischen<br />
Jugendlichen, dass hier Alkohol verkauft werde,<br />
und ”dafür müssen sie bestraft werden”.»<br />
(morgenpost.de, 1.2.<strong>2016</strong>)<br />
Fünf-Sterne-Asylanten<br />
«18.000 Euro je Flüchtlingsbett in Berlin? //<br />
Der Senat verhandelt mit Investorengruppe<br />
(…).» (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2.2.<strong>2016</strong>)<br />
Die Prophezeiung<br />
«Frankreich und Belgien werden schon bald<br />
muslimisch sein. Nichts wird diesen Prozess<br />
aufhalten. Europa hat sich von Christus losgesagt<br />
und wird muslimisch sein.» (Der polnische<br />
Bischof Tadeusz Pieronek, Welt Online, 2.2.<strong>2016</strong>)<br />
Die renommierte Zeitschrift «Eltern» entdeckt muslimische<br />
Mütter als neue Covergirls. Foto: Verlag<br />
7
<strong>COMPACT</strong> Intern<br />
Elsässer und Schachtschneider in Altenburg.<br />
Foto: Xlars Freydenker, AON <strong>2016</strong><br />
Geliebt und gefürchtet: Anonymous.<br />
Foto: Facebook, Anonymous<br />
Begeisterte Leser: Riecke und Wolfgang vor einer<br />
<strong>COMPACT</strong>-Plakatwand in Dresden. Foto: privat<br />
Veranstaltungs-Kampagne<br />
Internet-Zensur<br />
Werbe-Offensive<br />
8<br />
Das war Rekord: <strong>COMPACT</strong>-Live zur Asyl-<br />
Krise («Kommt der Widerstand endlich in<br />
Schwung?») am 24. Januar in Dresden war<br />
binnen 24 Stunden ausverkauft und musste<br />
wiederholt werden. Am Ende verfolgten 300<br />
Interessierte die Vorträge von Ellen Kositza,<br />
Götz Kubitschek, Martin Sellner und Jürgen<br />
Elsässer.<br />
Noch mehr, nämlich 550, strömten am<br />
3. Februar zur <strong>COMPACT</strong>-Veranstaltung im<br />
thüringischen Altenburg (35.000 Einwohner),<br />
die das dortige Bürgerforum mit organisiert<br />
hatte. Jürgen Elsässer und Karl Abrecht<br />
Schacht schneider begeisterten das Publikum.<br />
Der Staatsrechtler stellte zum ersten Mal<br />
die Verfassungsbeschwerde gegen die Zuwanderungspolitik<br />
von einprozent.de vor. Die<br />
Mitschnitte beider Veranstaltungen kann man<br />
sich auf Youtube anschauen.<br />
Am 4. März spricht Jürgen Elsässer auf Einladung<br />
der AfD in Ingolstadt (19 Uhr, Wirtshaus<br />
am Auwaldsee, Am Auwaldsee 20), am<br />
10. März in Magdeburg (siehe Seite 22) und<br />
am 21. März beim Pegida-Ableger in München<br />
(19 Uhr, Odeonsplatz).<br />
Bei der Buchmesse Leipzig vom 17. bis 20.<br />
März wird <strong>COMPACT</strong> wieder mit einem großen<br />
Stand vertreten sein. In Halle 5, Stand<br />
E208 finden Sie Mitarbeiter und Redakteure<br />
zum Plaudern – und können sich mit unseren<br />
Materialien eindecken. Wir sind auch mit zwei<br />
Veranstaltungen vertreten: Am 18. März die<br />
Vorstellung von <strong>COMPACT</strong>-Spezial Asyl. Das<br />
Chaos und am 19. März die Festveranstaltung<br />
«5 Jahre <strong>COMPACT</strong>, eine Erfolgsgeschichte»,<br />
beide Male um 17 Uhr in Halle 5, C200.<br />
Die Merkel-Diktatur marschiert! Anfang Februar<br />
sperrten die Behörden die Facebookseite<br />
der Hackergruppe Anonymous. Reichsjustizminister<br />
Heiko «Orwell» Maas hatte zu Jahresanfang<br />
versprochen, Facebook noch schärfer<br />
zu kontrollieren, als es dessen Chef Mark Zuckerberg<br />
ohnedies schon tut. Und er hat Wort<br />
gehalten: Mit Anetta Kahane engagierte er<br />
eine ehemalige Mitarbeiterin der DDR-Staatssicherheit<br />
und 100 weitere Blogwarte.<br />
Anonymous war mit 1,8 Millionen Anhängern<br />
die reichweitenstärkste Oppositionsseite<br />
im Internet und deshalb eine Gefahr für das<br />
Regime. Zur Sperrung kam es nachweislich<br />
nicht nach einem sogenannten Hass-Beitrag,<br />
sondern nach einer Verlinkung auf verschiedene<br />
als «Verschlussachen» eingestufte<br />
Asyl-Doku mente deutscher Sicherheitsbehörden,<br />
die Anonymous zuvor, über mehrer Tage<br />
verteilt, auf vk.com, der russischen Alternative<br />
zu Facebook, veröffentlicht hatte.<br />
Während die Mainstream-Medien diesen<br />
bisher eklatantesten Fall von Zensur durch die<br />
Maas-Kontrolleure verschwiegen, berichtete<br />
<strong>COMPACT</strong>-Online prominent und erhielt dadurch<br />
am 6. Februar die meisten Zugriffe aller<br />
deutschen Seiten im Netz. Da auch wir damit<br />
ins Fadenkreuz der Blogwarte geraten dürften,<br />
haben wir uns, ebenso wie Anonymous, eine<br />
Ausweichoption auf vk.com gesichert. (Tipps<br />
zur Anmeldung dort ab Ende Februar auf unserer<br />
Website!)<br />
Das Beispiel zeigt, wie anfällig die Internet-Kommunikation<br />
ist. Am sichersten ist es<br />
immer noch, wenn Sie <strong>COMPACT</strong> – die Druckausgabe<br />
– abonnieren.<br />
Anfang Februar trauten viele <strong>COMPACT</strong>-<br />
Leser ihren Augen nicht: In vielen deutschen<br />
Städten hingen riesige Werbeplakate mit dem<br />
Cover unseres <strong>Magazin</strong>s. Nachdem wir an immer<br />
mehr Kiosken präsent sind, wollen wir<br />
damit weiter in den öffentlichen Raum vorstoßen.<br />
<strong>COMPACT</strong> macht Freund und Feind<br />
klar: Wir sind in der Offensive und bieten den<br />
Mainstream-Medien Paroli!<br />
Das Ziel ist klar: Nachdem wir die Auflage<br />
seit Januar 2015 von 33.000 auf 80.000 Exemplare<br />
steigern konnten, wollen wir <strong>2016</strong> noch<br />
einen Zacken zulegen. Nächstes Ziel: Der Focus,<br />
der wie alle anderen Systemzeitungen<br />
massiv an Auflage verloren hat, soll überholt<br />
werden.<br />
Sie, liebe Leser, können unsere Offensive unterstützen!<br />
Jedes neue Abonnement stärkt unsere<br />
finanzielle Basis, mit der wir solche Werbemaßnahmen<br />
bezahlen. Außerdem freuen<br />
wir uns, wenn sie unsere hübschen Aufkleber<br />
und Plakate – sie zeigen die <strong>COMPACT</strong>-Titelbilder<br />
– überall aufhängen und verkleben. Zu<br />
bestellen sind sie, teilweise sogar kostenlos,<br />
auf shop.compact-magazin.com unter «Produkte».<br />
Wer <strong>COMPACT</strong> in seinem Bekanntenkreis<br />
weiterverkaufen will, findet auf compact-online.de/weiterverkaeufer/<br />
Angebote<br />
mit Mengenrabatt.<br />
Einer der stärksten Werbeträger für COM-<br />
PACT sind unsere Videos, die regelmäßig und<br />
gratis auf Youtube bereitgestellt werden und<br />
im Internet oft sechsstellige Zugriffe haben.<br />
Verbreiten Sie die Links unter Ihren Freunden,<br />
machen Sie doch ab und zu gemeinsame Filmabende.
<strong>COMPACT</strong> Inter-national<br />
Al-Qusair: Mursis Schatten<br />
_ von Salwa Amin<br />
Genf: Célines Stilettos<br />
_ von A. Benjamine Moser<br />
Budapest: Pálinkas Kater<br />
_ von Federico Bischoff<br />
Meine Freunde hatten mich gewarnt. Ich<br />
fuhr trotzdem ans Rote Meer. Wer hört schon<br />
auf Leute, die keine Ahnung von Ägypten haben,<br />
weil sie wegen des konstanten Konsums<br />
von Mainstreammedien desinformiert sind?<br />
Ringsherum Wüste, über mir der Himmel, vor<br />
mir die blauen Fluten: Abtauchen, Stille. Fische<br />
reden nicht. Endlich.<br />
Doch die Realität holte mich schnell ein.<br />
Auf einer Tour in die alte Stadt Al-Qusair, fernab<br />
üppiger Hotelburgen, kam ich ins Gespräch<br />
mit meinem Fahrer. Hassan erzählte, wie er<br />
sein kleines Safariunternehmen verloren hat,<br />
das er mühsam über die Jahre aufgebaut hatte<br />
– jeden Tag, ohne Pause, in der sengenden<br />
Sonne. Das ging jedoch schnell in Konkurs,<br />
nachdem Mohammed Mursi 2012 Präsident<br />
geworden war und seine Moslembrüder in der<br />
Folge Furcht und Terror verbreiteten. Hassan<br />
ist 40, schwer verschuldet, lebt fern von seiner<br />
Familie in einem Apartment mit anderen<br />
Männern, die wie er nonstop für irgendeine<br />
der Firmen arbeiten, die der Krise standhalten<br />
konnten.<br />
Mein ägyptischer Reiseleiter im Hotel<br />
macht dagegen, jede Kausalität auf den Kopf<br />
stellend, die heutige moderate Regierung für<br />
die Misere verantwortlich. Statt mir überteuerte<br />
Ausflüge anzudrehen, nervt er mich mit<br />
Bruderschaft-Propaganda. In Al-Qusair sind<br />
die Strände verlassen, die meisten Geschäfte<br />
geschlossen. Der Tourismus liegt am Boden.<br />
Hassan empfiehlt mir das Fischrestaurant am<br />
Strand. Aber ich wähle Kosheri, ein Arme-<br />
Leute-Essen aus Reis, Nudeln und Linsen.<br />
13 Zentimeter hohe schwarze High Heels<br />
von Louboutin, mit den obligaten roten Sohlen,<br />
sind das Markenzeichen von Céline Amaudruz,<br />
Nationalrätin der konservativen SVP. Wenn die<br />
Femme fatale im engen Designerdress und mit<br />
wehender blonder Mähne durch den Plenarsaal<br />
stöckelt, surren die Kameras hinter ihr<br />
her. Die Juristin ist ein rhetorisches Naturtalent<br />
und versteht es, eine Sache auf den<br />
Punkt zu bringen.<br />
Sie ist die welsche Frontfrau der sogenannten<br />
Durchsetzungs-Initiative, die am 28. Februar<br />
<strong>2016</strong> zur Abstimmung kommt. Was will<br />
das Volksbegehren? Künftig sollen schwerkriminelle<br />
Ausländer – Mörder, Totschläger,<br />
Vergewaltiger – automatisch des Landes verwiesen<br />
werden, so wie es vor der Revision<br />
des Strafgesetzes im Jahr 2006 Praxis war.<br />
Natürlich hat sich, wie immer in den letzten<br />
Jahren, eine breite Front der Gutmenschen<br />
gegen die SVP formiert. Selbst 11 von 18 Ex-<br />
Bundesräten haben sich eingemischt. Auch<br />
der Unternehmerverband Economie suisse<br />
sorgt sich um die Verbrecher – eine Gaudi! 73<br />
Prozent aller Gefängnisinsassen der Schweiz<br />
sind Ausländer und kosten den Steuerzahler<br />
pro Jahr 730 Millionen Franken. «Dieses Geld<br />
fehlt uns dann bei der Bildung», protestiert<br />
der Walliser Staatsrat Oskar Freysinger. «Findet<br />
das Anliegen sowohl ein Volks- als auch<br />
Ständemehr, können pro Jahr an die 10.000<br />
schwerkriminelle Ausländer ausgeschafft<br />
werden, nicht bloß 500 wie jetzt», hält die<br />
Genferin auf den Stilettos mit Verve fest. Die<br />
Prognosen stehen 50:50.<br />
Der Taxifahrer bringt uns in die Altstadt.<br />
Unser Gastgeber ist ein Deutscher, der vor<br />
Kurzem in die Donaumetropole ausgewandert<br />
ist, ein «Merkel-Refugee», wie er dem<br />
Fahrer berichtet. Der verzieht das Gesicht, will<br />
sich noch nicht mal zur Kanzlerin äußern. «Ich<br />
wähle Jobbik», fügt er hinzu, als ob das alles<br />
erklären könnte. Das ist die Schwesterpartei<br />
der NPD. In Ungarn kommt sie auf satte 20<br />
Prozent, Tendenz steigend.<br />
Rund um die Synagoge boomt das Nachtleben,<br />
eine Kneipe an der anderen. Die deutschen<br />
Touristen sollen seit den polemischen<br />
Angriffen der Merkel-treuen Medien auf Regierungschef<br />
Viktor Orbán weniger geworden<br />
sein, aber Amerikaner und Japaner gleichen<br />
das aus. Nach dem obligaten Gulasch und einer<br />
Flasche Tokajer fahren wir noch am Ostbahnhof<br />
vorbei. Dort gab es im August immer<br />
wieder Randale zwischen Migranten von der<br />
Balkanroute und der Polizei. Jetzt ist alles<br />
friedlich. Seit Ungarn die Südgrenze dicht gemacht<br />
hat, dürfen nur noch Schengen-Europäer<br />
oder Inhaber von Visa ins Land. Wer es<br />
illegal versucht, landet im Gefängnis. Refugees<br />
not welcome – ihre Zahl liegt bei null.<br />
Vom Balkon aus schauen wir auf das größte<br />
Parlament in Europa. Um Mitternacht lässt<br />
der sparsame Staat die Beleuchtung abschalten,<br />
aber das stört uns nicht. Veronika serviert<br />
Pálinka, den berühmten Obstler aus der<br />
Puszta. Wir delektieren uns an der Flasche mit<br />
Erdbeergeschmack und 50 Umdrehungen. Der<br />
Kater am nächsten Morgen schnurrt sanft, hat<br />
aber Krallen.<br />
9
<strong>COMPACT</strong> Köpfe des Monats<br />
Foto: Stefan Brending<br />
Foto: Stephan Röhl<br />
Foto: Leatherpredator/Montage<br />
Aufsteiger des Monats<br />
_ Angelique Kerber<br />
Absteiger des Monats<br />
_ Anne Helm<br />
Was macht eigentlich<br />
_ Sahra Wagenknecht<br />
10<br />
Für diesen Sieg hat sie 25 Jahre lang trainiert:<br />
Im Januar bezwang Angelique Kerber<br />
beim Endspiel der Australian Open die favorisierte<br />
Serena Williams in drei Sätzen mit 6:4,<br />
3:6 und 6:4. Es war der erste Grand-Slam-Sieg<br />
einer deutschen Tennisspielerin seit Steffi<br />
Grafs Erfolg 1999 bei den French Open. Zugleich<br />
beförderte sich Kerber damit auf Platz 2<br />
der Weltrangliste.<br />
Das die 1,73 Meter große Blondine zur neuen<br />
deutschen Tenniskönigin avanciert, war alles<br />
andere als sicher. Nicht nur, weil die heute<br />
28-Jährige lange Zeit nicht zur Weltspitze aufschließen<br />
konnte – auch wegen ihres inneren<br />
Schweinehundes, wie sie selbst einmal zugab.<br />
Kerbers Mutter ist Deutsche, der Vater<br />
Pole. Seit Ende 2012 wohnt sie im Örtchen<br />
Paschkau bei Posen, wo sie im Tenniszentrum<br />
ihres Großvaters Janusz Rzeźnik trainiert. Den<br />
Schläger im Zeichen des polnischen Adlers<br />
schwingen wollte Kerber aber dennoch nicht.<br />
«Es gab mal eine Anfrage vom polnischen Verband,<br />
und weil ich mich nicht sofort entschieden<br />
hatte, bin ich da in der Presse ziemlich<br />
verrissen worden. Aber ich hätte wohl ohnehin<br />
für Deutschland gespielt, ich fühle mich als<br />
Deutsche», sagt sie.<br />
Kerbers Sieg markiert auch den bislang<br />
größten Triumph der vielleicht erfolgreichsten<br />
deutschen Tennis-Generation seit den Tagen<br />
von Graf und Boris Becker. In den letzten Jahren<br />
schafften es auch die fast gleichaltrigen<br />
Andrea Petkovic, Julia Görges und Sabine Lisicki<br />
unter die ersten Zehn der Weltrangliste.<br />
(mmm)<br />
Zuerst war nur ihre Stimme bekannt. Unter<br />
anderem als Schweinchen Babe im gleichnamigen<br />
Spielfilm quiekt die Synchronsprecherin<br />
Anne Helm seit rund 20 Jahren aus deutschen<br />
TV-Lautsprechern. Doch nach dem zeitweisen<br />
Erfolg der Piraten sorgte die gebürtige Rostockerin<br />
auch auf Bildern für Furore – allerdings<br />
nicht durch ihre Arbeit als gewählte Bezirksverordnete<br />
von Neukölln. 2013 posierte sie in<br />
Dresden mit blanken Brüsten und dem aufgemalten<br />
Schriftzug «Thanks Bomber Harris».<br />
Die Danksagung an den Kommandanten des<br />
Terrorangriffs vom 13. Februar 1945 führte<br />
auch bei den Piraten zum Skandal. Der einstige<br />
Bundestagskandidat Udo Vetter sah einen Versuch<br />
des «der Antifa nahestehenden Flügels»,<br />
die Partei zu übernehmen.<br />
Tatsächlich sind die Piraten seit rund drei<br />
Jahren fest in den Händen der Linksradikalen.<br />
Insbesondere die Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus<br />
mutierte zur reinen Refugee-<br />
Welcome-Truppe. Nur konsequent war daher,<br />
dass über Monate hinweg Geheimverhandlungen<br />
mit den Linken liefen, vielleicht um<br />
sich vor den Berlin-Wahlen im Herbst auf aussichtsreiche<br />
Listenplätze zu retten.<br />
Anfang Januar unterzeichneten 36 Piraten<br />
einen Unterstützungsappell für die Dunkelroten,<br />
darunter neben Helm der Radau-Antifant<br />
Oliver Höfinghoff, aber auch der als politisches<br />
Talent geltende noch-Fraktionschef<br />
Martin Delius. Polit-Nackedei Helm wurde im<br />
Januar <strong>2016</strong> sogar Mitglied der Linken und<br />
schloss sich der Gruppe um Parteichefin Katja<br />
Kipping an. (fb)<br />
Fast unsichtbar wirkte Sahra Wagenknecht<br />
am 11. Januar <strong>2016</strong>. Im roten Blazer stand die<br />
46-Jährige vor der roten Pressewand in der<br />
Fraktionsebene des Berliner Reichstages. Eigentlich<br />
kein Ort für Überraschungen, eher für<br />
sorgfältig abgesprochene Statements. Doch<br />
an diesem Tag ließ Wagenknecht eine politische<br />
Bombe platzen: «Gerade in der ganzen<br />
Diskussion über die Kölner Ereignisse ist völlig<br />
klar: Wer Gastrecht missbraucht, der hat Gastrecht<br />
dann eben auch verwirkt. Und das ist<br />
auch von der Linken eine ganz klare Position.»<br />
Bei RTL brach die rote Sahra noch ein<br />
weiteres Tabu der Partei. «Natürlich gibt es<br />
Kapazitätsgrenzen, wer das leugnet, ist doch<br />
weltfremd.» Postwendend geiferten die Funktionäre.<br />
«Es gibt kein Gastrecht, das ein Flüchtling<br />
verwirken könnte, sondern es gilt die<br />
Genfer Flüchtlingskonvention», polterte etwa<br />
Stefan Liebich, der außenpolitische Fraktionssprecher<br />
und Mitglied des US-Lobbyvereins<br />
Atlantik-Brücke.<br />
Nicht zum ersten Mal greift das einstige<br />
Aushängeschild der Kommunistischen Plattform<br />
das Linken-Establishment hart an. So<br />
nannte sie etwa das Aus des Euro wiederholt<br />
unvermeidlich. Im Volk wird die 46-Jährige mit<br />
ihrer Haltung zunehmend zur Hoffnungsträgerin.<br />
Im Juni 2015 hofften bereits 32 Prozent der<br />
Deutschen, dass Wagenknecht künftig eine<br />
wichtigere Rolle in der Politik spielt. Privaten<br />
Rückhalt hat sie ohnehin: Ende 2014 heiratete<br />
Wagenknecht das saarländische Linken-Enfant-terrible<br />
Oskar Lafontaine, der in der Asylfrage<br />
ähnlich agiert. (km)
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
Die bessere Kanzlerin<br />
_ von Jürgen Elsässer<br />
Frauke Petry ist zum Gesicht der AfD geworden, weil sie in der Lage ist, Klartext zu reden<br />
– und trotz allem charmant zu bleiben. Als vierfache Mutter und moderne Frau ist sie das<br />
Gegenbild zu Angela Merkel – und gibt den Ausgegrenzten eine Stimme. Kein Wunder,<br />
dass sie zum Hassobjekt für Blockparteien und Monopolmedien geworden ist.<br />
Frontfrau der ersten Stunde: Frauke<br />
Petry war bereits in der AfD-Vorgängerorganisation<br />
Wahlalternative<br />
2013 aktiv. Seit Juli 2015 ist sie<br />
Vorsitzende der Oppositionspartei.<br />
Foto: picture alliance / dpa<br />
Am Ende wird es ein Lächeln sein, das den Gegner<br />
besiegt – das Lächeln von Frauke Petry. An diesem<br />
27. Januar ist es ihre schärfste Waffe bei Sandra<br />
Maischberger: Ihre Mundwinkel besuchen die Ohren,<br />
kräuseln sich an den Enden, ihre Augen blitzen schelmisch,<br />
ihr Kinn hebt sich mit verhaltener Arroganz –<br />
wer denkt da nicht an Audrey Hepburn in Frühstück<br />
bei Tiffany? Die gegen sie aufgebotene Altherrenriege<br />
kommt ins Stammeln: der schwabbelig gewordene<br />
Jakob Augstein, der SPD-Pöbler Ralf Stegner, der<br />
zerzauste AfD-Dissident Hans-Olaf Henkel. Der eine<br />
bringt sie mit den «Horden, die durch Dresden ziehen»<br />
in Verbindung, der andere will den Verfassungsschutz<br />
auf sie hetzen, der dritte faselt von «NPD-light».<br />
Petry kommt kaum zu Wort, und das ist auch nicht<br />
nötig, denn schon rein optisch fallen diese Beleidigungen<br />
auf ihre Urheber zurück. Welch ein Unterschied<br />
zwischen ihr und den Linken in der Runde: Während<br />
Augstein schlaff im Sessel fläzt und den Hemdkragen<br />
nicht geschlossen hat, Stegner sogar gänzlich ohne<br />
Krawatte und im zerknautschten Anzug gekommen<br />
ist, sitzt ihnen die AfD-Vorsitzende hoch aufgerichtet<br />
gegenüber. Ihr Business-Kostüm mit der Flügelkragenbluse<br />
verleiht ihr die noble Kühle, die notwendig ist,<br />
um den Betrachter von den langen Beinen unter dem<br />
kurzen Rock abzulenken. Dabei kokettiert sie keine<br />
Sekunde mit ihren Reizen, fast eine Stunde lang behält<br />
sie ihre Körperposition bei: Offensichtlich steht sie in<br />
dieser Konfrontation unter ungeheuerer Anspannung.<br />
Trotzdem schafft sie es, die Angriffe wegzulächeln und<br />
in dem ganzen politisch korrekten Tohuwabohu immer<br />
wieder mit glasklaren Sätzen zu kontern. Etwa mit diesem:<br />
«Wir haben kein Problem, unser Programm vorzustellen<br />
und den Bürger entscheiden zu lassen.» Die<br />
anderen wollen die AfD ausgrenzen und misstrauen<br />
dem Volk – sie aber stellt sich der Demokratie. Wütender<br />
Geifer gegen entwaffnende Offenheit – das ist der<br />
Eindruck, der bleibt. In den folgenden Umfragen wird<br />
die AfD bundesweit zur drittstärksten Partei.<br />
Jagdszenen aus Mannheim<br />
Vier Tage später ist Frauke Petry zu Gast in Mannheim,<br />
um den Wahlkampf der baden-württembergischen<br />
Parteifreunde zu unterstützen. Der Zugang zur<br />
Gaststätte Schützenhaus wird von linksextremen Hundertschaften<br />
blockiert. Eine Teilnehmerin berichtet:<br />
«Ich sah, dass der Zaun abgesperrt war und davor größere<br />
Mengen von jungen aggressiven Leuten waren,<br />
Wer denkt bei<br />
Frauke Petry nicht<br />
an Audrey Hepburn<br />
in «Frühstück bei<br />
Tiffany»?<br />
11
Artikelsammlung – Stand 06/2015 | 5,00 EUR (D)<br />
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
12<br />
Christlich und sozial<br />
Interviews mit Bernd Lucke, Alexander Gauland, Hans-<br />
Olaf Henkel, Frauke Petry, Konrad Adam, Björn Höcke<br />
«Das Fundament, auf dem sich<br />
meine Position gründet, ist die<br />
Verteidigung der europäischchristlichen<br />
Werte. Was Sie<br />
westlich-hedonistischen Lifestyle<br />
genannt haben, ist doch<br />
letztlich die sogenannte Spaßgesellschaft,<br />
die ihren Zenit<br />
überschritten hat. Damit verbinde<br />
ich vor allem die Entwurzelung<br />
des Menschen. Man wird<br />
pausenlos abgelenkt, um nicht<br />
über den Sinn des eigenen Lebens<br />
nachzudenken. Das degradiert<br />
den Menschen, macht aus<br />
Bürgern bloße Konsumenten.<br />
In Krisenzeiten wie der heutigen<br />
finden die Menschen zu den<br />
bleibenden Werten zurück. Entgegen<br />
der verbreiteten Totengesänge<br />
ist die Familie ein vitales<br />
Modell, und aufgrund der längeren<br />
Lebenserwartung von Großeltern<br />
verbringen die drei aufeinanderfolgenden<br />
Generationen<br />
mehr Lebenszeit zusammen<br />
als je zuvor in der Geschichte.<br />
Das ganze kapitalistische System<br />
ist doch an seine Grenzen<br />
gestoßen. Deshalb heißt es im<br />
AfD-Programm, wir müssen die<br />
soziale Marktwirtschaft wieder<br />
aufbauen. Aber selbst da setze<br />
ich ein Fragezeichen: Der Markt<br />
kann nicht alles regeln. Die Vorstellungen<br />
der radikalen Marktliberalen<br />
oder Libertären, dass<br />
sich der Staat aus der Wirtschaft<br />
zurückziehen soll und die<br />
”unsichtbare Hand” des Marktes<br />
schon alles regeln wird, halte<br />
ich für naiv.» (Frauke Petry im<br />
Interview in <strong>COMPACT</strong> 11/2013)<br />
Das eDossier enthält alle COM-<br />
PACT-Artikel zur AfD (shop.compactmagazin.com).<br />
Foto: <strong>COMPACT</strong><br />
Bild oben rechts: Frauke Petry beim<br />
ersten AfD-Bundesparteitag nach<br />
Abspaltung der Lucke-Strömung am<br />
29. November 2015 in Hannover,<br />
der – entgegen der Hoffnungen der<br />
Blockparteien – sehr harmonisch<br />
verlief. Foto: picture alliance/dpa<br />
daher ging ich zu einem Polizisten (…) und fragte<br />
ihn, wie ich am besten zur Veranstaltung komme. Er<br />
sagte, ich müsse durch diese Menge durch (…). Ich<br />
Dummkopf mache das dann also, sage ”darf ich bitte<br />
durch”, (…) werde sofort ohne Ansprache oder Nachfrage<br />
getreten, geboxt, bespuckt, beschimpft (”Nazi-<br />
Sau”). Ich versuche zu sagen, dass ich kein Nazi bin,<br />
es wird mir mit Trillerpfeifen in die Ohren gepfiffen<br />
und geschrien (…), und so wurde ich von mehreren<br />
auf die Straße zurückgedrängt und zurückgeschoben.»<br />
Die Frau gelangt – schließlich doch noch eskortiert von<br />
Polizisten, die ebenfalls attackiert werden – bis an den<br />
Zaun um die Gaststätte und muss diesen überklettern,<br />
um hineinzukommen.<br />
Trotz dieser Torturen haben sich sage und schreibe<br />
400 Bürger Zutritt verschaffen können, der Saal ist<br />
brechend voll. Die Spiegel-Reporter, die schließlich<br />
Anfang Februar in ihrer Titelstory über Frauke Petry und<br />
die «Hassprediger» der AfD schreiben, verschweigen<br />
die gewalttätige Wahlkampfbehinderung und belassen<br />
es bei einer lapidaren Bemerkung: «draußen hält die<br />
Polizei Antifa-Demonstranten in Schach». Stattdessen<br />
finden die Journalisten Diskussionsbeiträge aus dem<br />
Publikum «hitzig», etwa diesen: «Wir sind ein Land im<br />
Notstand! Es kommen Millionen Leute, das ist doch<br />
der Wahnsinn, was mit uns passiert.»<br />
Im Unterschied zu «Mutti» hat Petry<br />
wirklich Kinder, und zwar gleich vier<br />
an der Zahl.<br />
Es mögen diese Jagdszenen in der Neckarstadt<br />
gewesen sein, die Frauke Petry kurz darauf gegenüber<br />
dem Lokalblatt Mannheimer Morgen zu einer Äußerung<br />
über die Grenzsicherung durch Schusswaffeneinsatz<br />
verleiteten. Obwohl sie lediglich die Gesetzeslage<br />
referierte, hätte ihr klar sein müssen, dass die SPDorientierte<br />
Zeitung dies mit dem DDR-Schießbefehl in<br />
Zusammenhang bringen würde, um sie zu diffamieren.<br />
Im Unterschied zu anderen AfD-Vorständlern, die sich<br />
durch die sofort einsetzende Medienkampagne nervös<br />
machen ließen, stellte sie zwar die Verkürzung richtig,<br />
ruderte aber im Kern nicht zurück – vielleicht, weil sie<br />
merkte, dass im Volk gespürt wird, wie wichtig diese<br />
Diskussion ist: Immerhin 25 Prozent der Deutschen<br />
befürworten, im Unterschied zu ihr, einen Schusswaffeneinsatz<br />
sogar gegen unbewaffnete Flüchtlinge<br />
(shortnews.de, 6.2.). Auch in anderen Fragen scheint<br />
sich die Sächsin, entsprechend der Stimmung im Land,<br />
weiterentwickelt zu haben: Während sie im Dezember<br />
ihrem Thüringer Parteikollegen Björn Höcke noch<br />
den Parteiaustritt nahelegte, verteidigte sie ihn bei<br />
Maischberger standhaft gegen den Rassismus-Vorwurf<br />
und attestierte seiner Theorie zum Reproduktionsverhalten<br />
der Afrikaner lediglich wissenschaftliche<br />
Unsinnigkeit. Im Februar lud sie sogar zu einer Großveranstaltung<br />
mit Heinz-Christian Strache, dem Chef<br />
der österreichischen FPÖ, nach Düsseldorf ein. Bisher<br />
hatte die AfD-Spitze Distanz zu anderen europäischen<br />
Protestparteien gehalten und sich im Europaparlament<br />
stattdessen mit den britischen Konservativen von Premier<br />
David Cameron verbündet.<br />
Angstgegner für Merkel<br />
Wie die Kanzlerin kommt die AfD-Chefin aus dem<br />
Osten – aber das ist auch schon das Ende der Gemeinsamkeiten.<br />
Während Merkel zwar aus einer Pfarrersfamilie<br />
stammt, aber jede religiöse Färbung verbirgt,<br />
hat sich Petry bewusst zum Christentum bekannt – sie<br />
ließ sich erst mit neun Jahren taufen und heiratete<br />
später einen Pfarrer. Im Unterschied zu «Mutti» hat<br />
die 40-Jährige wirklich Kinder, und zwar gleich vier<br />
an der Zahl – ohne dabei ihre frische Jugendlichkeit<br />
verloren zu haben.<br />
Man könnte einwenden, dass die – übrigens mehrfach<br />
preisgekrönte – Unternehmerin mit ihrer Firma<br />
Purinvent 2013 Insolvenz anmelden musste. Aber<br />
immerhin haftete sie mit ihrem Privatvermögen für<br />
die Verluste – ganz im Unterschied zu Merkel, deren<br />
Euro-Politik das Geld der Steuerzahler kostet. Und wer<br />
ihr vorwirft, ihren Mann letztes Jahr verlassen und mit<br />
ihrem Parteifreund Marcus Pretzell ein neues Glück<br />
gefunden zu haben, dem könnte sie mit Jesus antworten:<br />
«Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.»<br />
Mit ihrem ganzen Lebensweg, mit all seinen Höhen<br />
und Tiefen, steht Frauke Petry für die Mitte der Gesellschaft,<br />
die von den Altparteien verlassen worden ist:<br />
eine Frau, für die Emanzipation kein Widerspruch zu<br />
Mutterschaft, moderne Weltoffenheit kein Gegensatz<br />
zu Heimatliebe ist. Nun ist ihre Zeit gekommen.
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
Die Angst vor der Alternative<br />
_ von Marc Dassen<br />
Diffamierungen, Brandanschläge, Mordversuche – seit ihrer Gründung ist die AfD im<br />
Kreuzfeuer. Kurz vor den Landtagswahlen nahmen die Attacken nie gekannte Ausmaße an.<br />
Die Stimmung wird aufgeheizt durch Schreibtischtäter in den Medien und Altparteien, die<br />
ihre Konkurrenz zum Abschuss freigegeben haben.<br />
Es ist Montag, kurz nach Mitternacht am 2. Februar.<br />
Auf den Straßen herrscht Totenstille. Die wenigen<br />
Laternen werfen fahles Licht auf die menschenleeren<br />
Gehwege einer Siedlung im Leipziger Stadtteil<br />
Mockau. AfD-Stadtrat Holger Hentschel liegt längst<br />
im Bett – es sind Sirenen, die ihn aus dem Schlaf reißen.<br />
Löschwagen halten vor seinem Haus, dann sieht<br />
er Flammen, die aus seinem Auto schlagen. Im Schutz<br />
der Dunkelheit hatte die Antifa zugeschlagen. Werden<br />
die Täter beim nächsten Mal seine Wohnung anzünden?<br />
Soll er das Klingelschild mit seinem Namen entfernen<br />
oder am besten gleich aus Leipzig wegziehen,<br />
wie zuvor schon sein ebenfalls überfallener Parteifreund<br />
Hans-Christian Tillschneider? Dem Chemnitzer<br />
AfD-Landtagsabgeordneten Carsten Hütter ging es<br />
ähnlich. Zunächst zündeten die Linksextremen immer<br />
wieder Sprengkörper vor seinem Büro und warfen die<br />
Scheiben ein, dann, Mitte Januar, fand er Patronenhülsen<br />
und einen aufgesprühten Galgen auf der Eingangstür<br />
vor – eine eindeutige Botschaft.<br />
Ein Hauch von Weimar liegt in der Luft. Die Liste<br />
der Gewalttaten ist lang (siehe Infobox Seite 14). AfD-<br />
Mitglieder und -Sympathisanten werden auf offener<br />
Straße bespuckt, bedroht, verprügelt; Bürgerbüros<br />
werden verwüstet, und sogar vor Privatwohnungen<br />
machen die Angreifer nicht mehr Halt. Über 10.000<br />
Übergriffe wurden seit Anfang 2013 von AfD-Juristen<br />
dokumentiert. Nicht selten prahlen die Täter auf linken<br />
Webseiten wie Indymedia mit ihren Verbrechen.<br />
Ende Januar wurde ein AfD-Wahlkampfhelfer in Karlsruhe<br />
beim Plakatekleben mit einer Handfeuerwaffe<br />
beschossen, die Kugel durchschlug das geschlossene<br />
Seitenfenster seines Autos. Derweil taten sich die Altparteien<br />
sichtlich schwer, die Tat zu verurteilen, was<br />
selbst die Frankfurter Allgemeine Zeitung als «peinliches<br />
Schweigen» wertete.<br />
Schreibtischtäter und Totengräber<br />
Es sind die Ideologen in den Regimeparteien und<br />
Sytemmedien, die aus ihrer gefühlten moralischen<br />
Überlegenheit heraus glauben, man dürfe mit der AfD<br />
nicht mehr reden, müsse sie nur noch entlarven, diffamieren,<br />
bekämpfen. Vizekanzler Sigmar Gabriel, Justizminister<br />
Heiko Maas und Ralf Stegner (alle SPD) haben<br />
sich als Deutschlands Chefankläger besonders hervorgetan.<br />
Stegner bezeichnete die Partei bei Maischberger<br />
als «Demokratiefeinde» und als «Schmutzfänger» –<br />
und reihte sich damit in die «Pack»-Rhetorik seines<br />
ZDF-Kinderkanal «tivi» zeigt Frauke<br />
Petrys angeblichen Schießbefehl<br />
an der Grenze. Foto: Screenshot<br />
YouTube<br />
«Pegida und AfD<br />
sind rhetorische<br />
Brandstifter.»<br />
Heiko Maas<br />
Beim Anschlag auf das Büro des<br />
sächsischen Landtagsabgeordneten<br />
Uwe Wurlitzer am 8.10.2015 in<br />
Leipzig entstand ein Sachschaden<br />
von 3.000 Euro. Foto: AfD Sachsen<br />
13
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
Bei dieser linksextremen Demonstration<br />
in Osnabrück am 19.1.<strong>2016</strong><br />
beschlagnahmte die Polizei<br />
Schlagwaffen. Foto: Jörn Martens<br />
Mehrfach wurde<br />
auf AfD-Büros,<br />
einmal sogar auf<br />
einen Plakatkleber<br />
geschossen.<br />
_ Marc Dassen ist Redakteur bei<br />
<strong>COMPACT</strong>-<strong>Magazin</strong>. In Ausgabe<br />
2/<strong>2016</strong> schrieb er über den Türsteher<br />
Ivan Jurcevic, der in der<br />
Kölner Silvesternacht mehrere<br />
Frauen vor Übergriffen durch<br />
Flüchtlinge bewahrt hatte.<br />
Parteichefs ein. Gabriel unterstellte der AfD schon im<br />
Oktober «offen rechtsradikal» zu sein. Als die Wahlen<br />
in Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg<br />
immer näher rückten, trieb Gabriel die Angst<br />
vor erdrutschartigen Niederlagen um, weshalb er bisherige<br />
Äußerungen mit weiteren Superlativen der Verachtung<br />
zu übertrumpfen suchte. Anfang Februar griff<br />
er tief in die braune Schublade, warf der AfD Nähe zu<br />
den Nazis vor: «Wer demokratisch gewählte Politiker<br />
des Hochverrats anklagt, sie als Systemparteien und<br />
Journalisten als Lügenpresse beschimpft und bedroht,<br />
der ist ganz nahe an der Sprache der Feinde der Demokratie,<br />
der Nazis der 20er- und 30er-Jahre.»<br />
Maas erklärte Mitte Oktober 2015: «Pegida und<br />
AfD sind rhetorische Brandstifter», die eine «Schande<br />
für Deutschland» seien. Die Verbalattacken erreichten<br />
einen vorläufigen Höhepunkt in der Forderung von<br />
SPD und Grünen, die AfD durch den Verfassungsschutz<br />
überwachen zu lassen. «Die AfD gehört in den Verfassungsschutzbericht<br />
und nicht ins Fernsehen», tönte<br />
Gabriel Ende Januar. Das Bundesamt widersprach und<br />
sah keinen Anlass zur Überwachung. Verbotsforderungen<br />
sind dennoch nichts Neues. «Sollte die AfD verboten<br />
werden?», fragte etwa das Internetportal theeuropean.de<br />
und postulierte, dass die «die Überwachung<br />
der AfD im Angesicht der rechtspopulistischen Dauereskalation<br />
längst geboten» sei. Zu allem Überfluss<br />
reihte sich Ende Januar sogar Thomas Sternberg, Präsident<br />
des Zentralrats der Katholiken, in die Phalanx<br />
der AfD-Hasser ein und gab bekannt, dass die AfD<br />
beim 100. Kirchentag in Leipzig unerwünscht sei.<br />
Medialer Spießrutenlauf<br />
Wie schwer es auch den sogenannten Qualitätsmedien<br />
fällt, ihrem Neutralitätsanspruch gerecht zu<br />
werden, zeigte beispielhaft Der Spiegel mit seiner<br />
Ausgabe vom 6. Februar. Auf der Titelseite: Der hässlichste<br />
Schnappschuss von Frauke Petry, den die Spiegel-Redaktion<br />
finden konnte – im Hintergrund wurde<br />
eine Kulisse einmontiert, die an die Olympischen<br />
Spiele 1936 erinnert. Die Titelzeile: «Die Hassprediger –<br />
Frauke Petry und die AfD: Bericht aus dem Innern einer<br />
gefährlichen Partei». Schon im Editorial wird die Linie<br />
vorgegeben: «Journalisten sollen neutrale Beobachter<br />
sein, nicht Beteiligte des Geschehens. Doch wenn es<br />
um die AfD geht, ist das nicht so leicht (…).» Die Existenz<br />
der AfD werfe laut Spiegel «70 Jahre nach Kriegsende<br />
die Frage auf, was Deutschland aus der Diktatur<br />
gelernt und verstanden hat».<br />
Schrill und primitiv muss es sein, wenn die Einheitspresse<br />
über die AfD berichtet. Für die Frankfurter Allgemeine<br />
Zeitung ist die AfD die «Partei der Fanatisierten».<br />
Die Huffington Post will Alexander Gauland<br />
– den Landesvorsitzenden in Brandenburg – Anfang<br />
Januar dabei erwischt haben, wie er «erneut mit Nazi-<br />
Jargon» provozierte – er hatte den Begriff «Volkskörper»<br />
benutzt. Eine Redakteurin bei Zeit Online fühlte<br />
sich durch Björn Höckes Auftritt bei Günther Jauch<br />
im Oktober 2015 «bisweilen an Reichsparteitage erinnert»,<br />
tagesschau.de sah in dem Thüringer AfD-Chef<br />
einen «völkischen Verführer». Sogar die New York<br />
Times ließ sich Ende letzten Jahres dazu herab, Höcke<br />
als das «neue Gesicht des Rassismus in Deutschland»<br />
zu brandmarken.<br />
Von der Professorenzur<br />
Volkspartei<br />
14<br />
6. Februar 22. September 22./23. März<br />
25. Mai August/September<br />
Die Alternative für Deutschland<br />
(AfD) entsteht aus einer hessischen<br />
Bürgerinitiative und als Reaktion<br />
auf Merkels Rhetorik der<br />
«Alternativlosigkeit».<br />
Die AfD erreicht bei den Bundestagswahlen<br />
4,7 Prozent und verpasst<br />
nur knapp den Einzug ins<br />
Berliner Parlament.<br />
2013 2014<br />
Beim AfD-Parteitag in Erfurt rebelliert<br />
die Basis gegen Bernd<br />
Luckes Pläne, seine Macht als<br />
Parteichef auszudehnen. Lucke<br />
scheitert, die Satzungsänderung<br />
wird gestrichen.<br />
Die AfD trifft mit ihrer Euro-Kritik<br />
den Nerv der Zeit, bekommt bei<br />
den Europawahlen 7,1 Prozent<br />
und erhält sieben Mandate.<br />
Bei den Landtagswahlen erhält<br />
die AfD erst in Sachsen 9,7, dann<br />
zwei Wochen später in Brandenburg<br />
12,2 und in Thüringen 10,6<br />
Prozent – und zieht damit in drei<br />
Landtage ein.
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
Der Mainzer Politikwissenschaftler Gerd Mielke,<br />
der schon für die SPD-Ministerpräsidenten Rudolf<br />
Scharping und Kurt Beck arbeitete, sprach in einem<br />
Interview mit dem SWR Anfang November 2015 von<br />
der «Pegida-AfD», die er als «Pack-Partei» ansieht. Da<br />
helfe nur «konsequente Einschüchterung des ”Packs”<br />
durch eine konsequente Kriminalisierung». Sein Rezept:<br />
«Wenn sich die Mengen von rechtsaffinen Kleinbürgern<br />
in Dresden in einem dreistündigen Polizeikessel<br />
erst alle mal in die Hose gepinkelt haben und<br />
abschließend mit Wasserwerfern traktiert wurden,<br />
dann haben sie für eine geraume Weile genug vom<br />
Demonstrieren.»<br />
Das Ende der Toleranz<br />
Die Haltung des Mainstreams gegenüber der AfD<br />
hat auch die Debatte um den Ausschluss aus der sogenannten<br />
Elefantenrunde des SWR und MDR illustriert.<br />
Die Sender wollten im Vorlauf zu den kommenden<br />
Landtagswahlen im März wie gewohnt Diskussionsrunden<br />
mit Vertretern aller großen Parteien senden –<br />
doch SPD und Grüne rebellierten. Die AfD würde<br />
dadurch nur unnötig aufgewertet, so die Rechtfertigung<br />
der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin<br />
Malu Dreyer (SPD) und ihres Parteichefs Gabriel. Ein<br />
pikantes Detail: Frau Dreyer ist auch Vorsitzende der<br />
Rundfunkkommission der Länder, bestimmt also die<br />
Medienpolitik der GEZ-Medien entscheidend mit. Einzig<br />
die CDU wollte sich der Debatte stellen und empfand<br />
die Reaktion der Grünen und Sozialdemokraten<br />
als «feige, peinlich und wirkungslos» und sprach von<br />
«indirekter Medienzensur». Die GEZ-Sender knickten<br />
dennoch ein und luden die AfD erstmal aus. Als diese<br />
Peinlichkeit die Runde machte, setzte ein zaghaftes<br />
Umdenken ein. Die AfD sollte doch noch zur Debatte<br />
kommen dürfen, aber Dreyer wollte nur einen B-Promi<br />
von der SPD schicken – ein Eiertanz par excellence.<br />
Nicht selten geht die Diskriminierung nach hinten<br />
los: Als ein Vertreter der AfD Anfang letzten Jahres<br />
zu einer Podiumsdiskussion zum Thema Asyl an das<br />
Kopernikus-Gymnasium im holsteinischen Bargteheide<br />
eingeladen wurde, protestierte ein Nachwuchspolitiker<br />
der Grünen mit den üblichen Plattitüden – man<br />
dürfe Fremdenfeinden kein Podium bieten. Die Schule<br />
lud ihn ein, ebenfalls zur Diskussion zu kommen – was<br />
er ablehnte. Stattdessen drohte er der Schulleitung:<br />
«Sollte die Veranstaltung trotzdem stattfinden, dann<br />
empfehlen wir, (…) Trillerpfeifen oder ähnliches mit<br />
in die Schule zu nehmen und die Veranstaltung gezielt<br />
und vor allem friedlich zu stören.» Der Rektor gab nach,<br />
blies die Veranstaltung ab. Der Clou: Für die AfD hätte<br />
an diesem Abend Achille Demagbo teilnehmen sollen.<br />
Er kam vor zehn Jahres aus dem westafrikanischen<br />
Benin in die Bundesrepublik. Doch die Grünen lieben<br />
Afrikaner nur dann, wenn sie in ihr Multimulti-Klischee<br />
passen…<br />
«Wir empfehlen, die Veranstaltung<br />
gezielt und vor allem friedlich zu<br />
stören.» Grünen-Politiker Patrick Rohde<br />
Gerade diejenigen, die immer wieder lautstark für<br />
Toleranz, Weltoffenheit und Meinungsfreiheit trommeln,<br />
zeigen im Falle der AfD ihr wahres Gesicht. Für<br />
viele Bürger steht die Abkürzung AfD dagegen für die<br />
Hoffnung auf den längst überfälligen Wandel, und hinter<br />
vorgehaltener Hand übersetzen sie: AfD – Angie<br />
fürchte Dich…<br />
Zurück in Weimar<br />
6.8.2015 – Leipzig<br />
Antifa greift die Firma von Frauke<br />
Petry an, zerstört Fensterscheiben<br />
und verursacht erheblichen<br />
Sachschaden.<br />
24.10.2015 – Berlin<br />
Privatfahrzeug der AfD-Europaabgeordneten<br />
Beatrix von<br />
Storch in Brand gesetzt.<br />
24./25.10.2015 – Stössen<br />
Werkstatt des AfD-Landeschefs<br />
André Poggenburg verwüstet.<br />
Sachschaden im fünfstelligen<br />
Bereich.<br />
17.1.<strong>2016</strong> – Göttingen<br />
Antifa belagert Wohnhaus des<br />
Vorsitzenden der Jungen Alternative<br />
Lars Steinke und droht<br />
mit seiner Ermordung.<br />
19.1.<strong>2016</strong> – Jena<br />
Farbbeutelanschlag auf das<br />
Wohnhaus der Thüringer Landtagsagbeordneten<br />
Wiebke<br />
Muhsal.<br />
23.1.<strong>2016</strong> – Karlsruhe<br />
Ein AfD-Plakatierer wird von<br />
vermummtem Linksextremisten<br />
mit Schusswaffe angegriffen.<br />
3.2.<strong>2016</strong> – Arnsberg<br />
Schüsse auf das Büro der AfD-<br />
Ratsfraktion. Drei Projektile<br />
durchschlagen eine Fensterscheibe.<br />
Bild oben: Schusswaffen-Anschlag<br />
auf die AfD-Ratsfraktion in Arnsberg,<br />
Februar <strong>2016</strong>.<br />
Bild links: Das ausgebrannte Auto<br />
der EU-Abgeordneten Beatrix von<br />
Storch. Fotos: Facebook<br />
15. Februar 10. Mai 2015<br />
4./5. Juli 16. September 28./29. November<br />
Die AfD erreicht bei den Hamburger<br />
Bürgerschaftswahlen 6,1 Prozent<br />
und sichert sich acht Sitze<br />
im Parlament.<br />
2015<br />
Bei der Bürgerschaftswahl in Bremen<br />
bekommt die AfD 5,5 Prozent<br />
der Stimmen und erhält vier<br />
Sitze.<br />
Frauke Petry und Jörg Meuthen<br />
werden auf dem Essener Parteitag<br />
als neue Parteivorsitzende<br />
bestätigt – Lucke verlässt wenig<br />
später die AfD und gründet die<br />
Partei Alfa.<br />
Der Thüringer AfD-Chef Björn<br />
Höcke organisiert die erste Erfurter<br />
Demonstration zur Asylpolitik.<br />
Die Demos finden daraufhin<br />
regelmäßig statt, mit bis zu<br />
10.000 Teilnehmern.<br />
Auf dem Bundesparteitag in<br />
Hannover zeigt sich die AfD einig,<br />
Frauke Petry fordert Merkels<br />
Rücktritt.<br />
Fotos: Archiv<br />
15
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
«Wir dürfen nicht mitregieren, nirgends!»<br />
_ Interview mit Alexander Gauland<br />
Die drei Landtagswahlen im März geben in der AfD Anlass zu großen<br />
Hoffnungen. Doch was kann die Partei erreichen, wenn sie als drittstärkste<br />
Kraft dennoch weiter ausgegrenzt wird? Wie kann sie die<br />
immer wütenderen Angriffe der Etablierten kontern, wie die Einheit<br />
ihrer unterschiedlichen Flügel bewahren?<br />
«Die AfD hat ein<br />
Programm. Sie will<br />
die liberale<br />
Demokratie zerstören.»<br />
Augstein<br />
Nach 40 Jahren in der CDU gehörte<br />
Gauland zu den Gründungsmitgliedern<br />
der AfD. Foto: picture alliance<br />
/ dpa<br />
In den letzten Wochen geriet die AfD unter scharfes<br />
Feuer des Establishments. Was hat Sie am<br />
meisten geärgert?<br />
Der Versuch, uns in den Elefantenrunden des öffentlich-rechtlichen<br />
Fernsehens auszugrenzen. Das war<br />
eine undemokratische Methode. Staatsferne Medien<br />
hätten diesem Druck der großen Parteien widerstehen<br />
müssen. Ich fand den Widerstand aber nicht besonders<br />
kräftig.<br />
«Das ist dummes Zeug!»<br />
Das heißt, die Totschweigetaktik, die CDU-Fraktionschef<br />
Volker Kauder als Leitlinie für den Umgang<br />
mit der AfD ursprünglich ausgab, halten Sie<br />
für schlimmer als die Schmutzkübelei?<br />
Überspitzt gesagt: ja. Eine Schmutzkampagne ist für<br />
uns weniger schlimm als das Totschweigen, denn die<br />
Verleumdungen glauben die Leute ohnedies nicht mehr.<br />
Hat die AfD auch selbst Fehler im Wahlkampf<br />
gemacht?<br />
Natürlich passieren auch uns Fehler. Als solchen<br />
sehe ich die völlig missverstandene Äußerung von<br />
Frauke Petry zum Schusswaffeneinsatz an den Grenzen.<br />
Die Menschen wollen sichere Grenzen, sie wollen<br />
ein Ende der katastrophalen Flüchtlingspolitik. Aber<br />
Schüsse auf Frauen und Kinder, das stört auch diejenigen,<br />
die mit der Politik der Bundeskanzlerin vollkommen<br />
unzufrieden sind.<br />
Ende Januar schrieb Jakob Augstein im Spiegel:<br />
«Die AfD hat ein Programm. Sie will die liberale<br />
Demokratie zerstören.» Was antworten Sie ihm?<br />
Das ist dummes Zeug, und das weiß er auch. Wir<br />
haben ein klares Programm, zum Beispiel eindeutig<br />
rechtsstaatliche Positionen in der Asyl- und Zuwanderungsfrage.<br />
Und was die liberale Demokratie angeht:<br />
Wir wollen sie nicht zerstören, sondern wiederherstellen.<br />
Man kann doch nicht mehr von einer<br />
liberalen Demokratie sprechen, wenn alle Parteien<br />
im Bundestag in entscheidenden Punkten die gleiche<br />
Meinung vertreten und man die wichtigste Kraft, die<br />
Alternativen aufzeigt, nämlich die AfD, ausgrenzt und<br />
verteufelt.<br />
Die AfD braucht Petry – und Höcke<br />
16<br />
Von außen betrachtet gibt es in der AfD einen liberalen<br />
Pol um Frauke Petry, einen radikalen Pol<br />
um Björn Höcke – und dazwischen einen Alexander<br />
Gauland, der irgendwie vermittelt. So stellen<br />
es jedenfalls die Mainstream-Medien dar.<br />
Diese Wahrnehmung stimmt aus meiner Sicht nicht.<br />
Natürlich sind wir alle verschieden. Aber trotz mancher<br />
unterschiedlicher Position liegen wir doch im<br />
Kern eng beieinander. Frau Petry hat die Sorge, dass<br />
Höcke Wähler vertreibt. Ich glaube das eher nicht.<br />
Und ganz grundsätzlich gesehen, finde ich Ausgrenzung<br />
immer falsch. Was Höcke in Erfurt geschafft hat,<br />
nämlich 8.000 Menschen regelmäßig gegen den Asylwahnsinn<br />
auf die Straße zu bringen, muss ich anerkennen.<br />
Ich selbst habe das in Brandenburg nicht hinbekommen.<br />
Wenn er mal einen Fehler gemacht hat,<br />
etwa in der Talkshow von Günter Jauch oder mit seinen<br />
Ausführungen zum Reproduktionsverhalten der<br />
Afrikaner auf einer Tagung des Instituts für Staatspolitik<br />
im November, kann man ihn deswegen kritisieren<br />
– aber das sind keine Gründe, ihn fallenzulassen.<br />
Höcke gehört ganz unbestritten zu unserer Partei,<br />
so wie Frau Petry ganz unbestritten unsere Vorsitzende<br />
ist. Ich sage das nicht, weil ich mich in der Mitte<br />
zwischen beiden fühle, sondern weil ich alle im Boot<br />
halten will. Ich habe intensiv Wahlkampf in Baden-
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
Württemberg geführt, weil ich mir dort ein gutes Ergebnis<br />
wünsche, sodass auch unser liberaler Flügel<br />
auf eigene Erfolge verweisen kann.<br />
Seit Jahresanfang scheinen Höcke und Petry die<br />
Plätze getauscht zu haben. Der Thüringer hält die<br />
Füße still, während die Sächsin mit pointierten<br />
Äußerungen auftrumpft…<br />
Da haben Sie Recht. Ich bin dankbar, dass Höcke sich<br />
zurückgehalten hat, um den Wahlkampf in Baden-<br />
Württemberg und Rheinland-Pfalz nicht zu erschweren.<br />
Und Frauke Petry ist bei der Grenzsicherung ein<br />
Fehler unterlaufen, ihr ist da etwas durch die Zähne<br />
gerutscht…<br />
…drangsaliert von einem Journalisten, der etwas<br />
aus ihr herauskitzeln wollte…<br />
Ja, wenn ich das als Fehler von ihr bezeichne, dann<br />
soll das keine Distanzierung bedeuten. Solche Fehler<br />
können jedem von uns passieren.<br />
Ist es nicht eine Einengung der Reichweite,<br />
wenn eine Partei ihre pointierten Flügelpersönlichkeiten<br />
bremst?<br />
Persönlichkeiten mit klarem Profil sind wichtig. Aber<br />
es gibt einen Unterschied: Volksparteien brauchen<br />
Flügel, weil sie einen breiten Querschnitt in der Bevölkerung<br />
ansprechen. Aber bei kleinen Parteien können<br />
Flügelkämpfe zerstörerisch wirken.<br />
Kann die AfD den Kanzler stellen?<br />
Wobei die AfD doch zügig zu einer Volkspartei<br />
heranwächst. 20 Prozent plus x erscheinen nicht<br />
mehr ausgeschlossen. Und dann? Habt Ihr eine<br />
Machtperspektive?<br />
Wir dürfen uns an keiner Regierung beteiligen. Nirgends.<br />
Wir müssen klare Oppositionsarbeit machen,<br />
überall. Sonst erleiden wir das Schicksal von Kleinparteien<br />
wie dem Bund der Heimatvertriebenen und<br />
Entrechteten (BHE), der Anfang der 1950er Jahre in<br />
der Umarmung der CDU erstickt wurde. Im Übrigen<br />
würde uns auch keine der großen Parteien als Koalitionspartner<br />
haben wollen, diese Tabuzone ist groß.<br />
Lieber machen sie eine Große Koalition, eventuell erweitert<br />
durch die Grünen.<br />
Aus der Geschichte der Grünen kann man lernen,<br />
dass das Konzept Fundamentalopposition zwar<br />
ein, zwei Legislaturperioden gut trägt, aber dann<br />
der Drang zum Mitregieren wächst, und zwar aus<br />
der eigenen Wählerschaft heraus.<br />
Das stimmt, aber dieser Zeitpunkt ist bei uns noch<br />
lange nicht erreicht. Wenn wir jetzt ans Mitregieren<br />
auch nur denken, würde es uns zerreißen. Die AfD ist<br />
eine junge Partei, wir müssen unsere personellen und<br />
fachlichen Ressourcen erst einmal aufbauen. Würden<br />
wir zum Beispiel nach der Landtagswahl mit der CDU<br />
in Baden-Württemberg eine Regierung bilden, wozu<br />
Zum Abschluss ihrer «Herbstoffensive»<br />
mobilisierte die AfD<br />
Anfang November 2015 über 7.000<br />
Asylkritiker nach Berlin. In der<br />
ersten Reihe marschierten links<br />
neben Gauland Marcus Pretzell<br />
(Europa-Abgeordneter) und Frauke<br />
Petry, rechts von ihm Beatrix von<br />
Storch (Europa-Abgeordnete).<br />
Foto: AfD Brandenburg<br />
«Wenn wir jetzt ans<br />
Mitregieren auch<br />
nur denken, würde<br />
es uns zerreißen.» <br />
<br />
Gauland<br />
17
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
Gauland und Reschke<br />
In der Sendung Hart aber fair<br />
von Mitte Januar <strong>2016</strong> verteidigte<br />
Alexander Gauland das<br />
Wort «Lügenpresse». «Der Begriff<br />
ist überspitzt, stellt aber etwas<br />
Richtiges dar», so der stellvertretende<br />
Sprecher der Partei.<br />
Zur ebenfalls anwesenden<br />
Anja Reschke, Moderatorin des<br />
ARD-<strong>Magazin</strong>s Panorama, sagte<br />
er: «Ich habe das mal, entschuldigen<br />
Sie, gnädige Frau, Reschke-Fernsehen<br />
genannt. Wir sollen<br />
alle erzogen werden, sollen<br />
alles gut und richtig finden. Frau<br />
Reschke war für mich eine Symbolfigur<br />
dafür.»<br />
Reschke, die mit ihrem Flüchtlings-Kommentar<br />
«Aufstand der<br />
Anständigen» im vergangenen<br />
Jahr für Aufsehen gesorgt hatte,<br />
wehrte sich. «Mir war gar nicht<br />
bewusst, dass ich für die gesamte<br />
deutsche Fernseh-Landschaft<br />
stehe.»<br />
Nach der Sendung saß Gauland<br />
mit Reschke noch zusammen.<br />
«Ich war angenehm überrascht,<br />
wie offen sie gegenüber unseren<br />
Positionen war», sagte er<br />
gegenüber <strong>COMPACT</strong>.<br />
es rein rechnerisch reichen könnte, dann müssten wir<br />
eine ganze Menge Dinge mittragen, die unsere Wähler<br />
als Verrat empfinden würden.<br />
Gut, Juniorpartner und damit Steigbügelhalter<br />
für die CDU, das geht gar nicht. Aber warum dann<br />
Rückzug auf Fundamentalopposition und nicht<br />
lieber Offensive und auf Sieg spielen? Warum<br />
nicht das Ziel ausgeben: AfD wird stärkste Partei<br />
und stellt den Kanzler?<br />
Dafür ist die Zeit nicht reif. Ich neige nicht zu Größenwahn.<br />
Das Szenario würde voraussetzen, dass die<br />
CDU in mehrere Einzelteile zerfällt. Aber die Erfahrung<br />
lehrt: Gewachsene politische Milieus halten auch<br />
dann noch an einer bestimmten Partei fest, wenn sie<br />
deren Politik bereits ablehnen. Wobei Merkel, wenn<br />
sie so weitermacht, aufpassen muss, dass sie die Union<br />
nicht zerstört. Das wäre dann eine neue Lage, dann<br />
wäre die von Ihnen skizzierte Option offen. Aber jetzt<br />
ist das noch nicht gegeben.<br />
Unverhofft kommt oft: In Griechenland zerfielen<br />
alle etablierten Parteien zwischen 2011 und 2014,<br />
und die vorher unbedeutende Syriza stieg zur<br />
stärksten Kraft auf und stellt seither den Premier.<br />
Aber das Beispiel Syriza zeigt auch, wie eine solche<br />
neue Kraft sich in in dieser Situation spaltet, dass also<br />
Regierungsbeteiligung für eine junge Partei fast tödlich<br />
ist. Deshalb wünsche ich mir ein kräftiges Wachstum<br />
für die AfD, aber keine Quantensprünge.<br />
«Mit dieser Kanzlerin gibt es keine<br />
Zukunft für Deutschland.» Gauland<br />
lich die Grenzen geöffnet und viele Monate gegen<br />
jede Kritik offen gehalten hat. Das Einzige, was ihr<br />
übrig bleibt, wäre, in Einzelpunkten gegenzusteuern<br />
und Schadensbegrenzung zu versuchen, ganz nach<br />
dem Motto: Wasch mich, aber mach mir den Pelz<br />
nicht nass.<br />
Das merken doch die Leute!<br />
Das weiß ich nicht. Die Abwendung von einer Partei<br />
kann lange dauern. Wie viele Jahre hat es gebraucht,<br />
bis sich die Wähler von der Adenauer-CDU<br />
abgewendet und Brandts SPD als Alternative wahrgenommen<br />
haben? Merkels Anhänger halten ihr zugute,<br />
dass sie die Euro-Krise geschickt gemanagt hat.<br />
Sie hoffen, dass sie das auch in der Flüchtlingskrise<br />
hinbekommt. Ich mache aber eine Einschränkung:<br />
Falls es auch in Deutschland zu einem schweren Anschlag<br />
kommt, wäre Merkel schnell am Ende.<br />
Noch eine Analogie zum Aufstieg der Grünen:<br />
Die haben Ende der 1970er Jahre ihr wichtigstes<br />
Ziel, den Neubau von Atomkraftwerken zu<br />
verhindern, nicht durch Wahlergebnisse erreicht,<br />
die waren damals noch sehr bescheiden.<br />
Vielmehr war es der zivile Widerstand, Verhinderungsaktionen<br />
an den AKW-Bauplätzen,<br />
der damals das Atomprogramm zu Fall brachte.<br />
Brauchen wir den nicht auch jetzt, um den Zuwanderungs-Tsunami<br />
zu stoppen?<br />
Ich sehe keine Massenbewegung, die zum zivilen<br />
Ungehorsam greifen will. Wenn die millionenfache<br />
Zuwanderung anhält und die Deutschen dann auch<br />
Wohlstandseinbußen spüren, will ich das nicht ausschließen.<br />
Aber erst dann.<br />
18<br />
Anja Reschke. Foto: ARD<br />
Alexander Gauland (*1941) führte<br />
die AfD als Spitzenkandidat zu<br />
ihrem bisher größten Erfolg,<br />
nämlich bei den Landtagswahlen<br />
in Brandenburg Mitte September<br />
2014 (12,2 Prozent) und ist in<br />
diesem Bundesland Landes- und<br />
Fraktionsvorsitzender sowie stellvertretender<br />
Bundesvorsitzender.<br />
1972 trat er in die CDU ein, 1987 bis<br />
1991 war er Staatssekretär unter<br />
dem hessischen Ministerpräsidenten<br />
Walter Wallmann. – Interview:<br />
Jürgen Elsässer<br />
Aber was macht Ihr als Oppositionspartei mit<br />
möglichen 15 bis 20 Prozent? Wie bekommen wir<br />
die Grenzen dicht und Merkel weg?<br />
Mit dieser Kanzlerin gibt es keine Zukunft für Deutschland.<br />
Was wir mit unseren Wahlerfolgen jetzt erreichen<br />
können, ist Verunsicherung an der Basis der CDU,<br />
sodass die Mitglieder Druck auf ihre Abgeordneten<br />
ausüben, damit diese wiederum die Kanzlerin zwingen,<br />
die Masseneinwanderung zu stoppen, oder sie<br />
andernfalls im Bundestag abwählen. Dieser Prozess<br />
ist dank der AfD schon in Gang gekommen, es gibt<br />
massenhafte Austritte aus der CDU. Wenn sich das<br />
zu einem Flächenbrand ausweitet, werden sich die<br />
Abgeordneten gegen Merkel stellen.<br />
Halten Sie es für möglich, dass Merkel sich in<br />
einer solchen Situation schlangengleich häutet<br />
und von sich aus die Grenzen schließt, um sich<br />
im Amt zu halten?<br />
So grundsätzlich kann sie sich nicht mehr ändern, das<br />
ist ausgeschlossen. Sie kann sich nicht plötzlich als<br />
scharfe Grenzwächterin geben, nachdem sie persön-<br />
Der stellvertretende AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuten führt die<br />
Partei in den baden-württembergischen Wahlkampf. Er wird dem<br />
liberalen Flügel zugerechnet. Foto: Frank Ossenbrink
In drei Schritten zum Sturz<br />
_ von Jürgen Elsässer<br />
Deutschland braucht eine Wende –<br />
und keinen Kopfstand. Foto: picture<br />
alliance / Ulrich Baumgarten<br />
Merkel ist am Ende – aber wie werden wir sie los? In diesem Frühjahr stehen die Chancen<br />
so gut wie nie. Im Volk zunehmend unbeliebt und international isoliert, bröckelt nun auch<br />
ihre Unterstützung in der eigenen Partei. Ein Funke kann einen Steppenbrand entzünden.<br />
Sind das die letzten Tage im Kanzlerbunker? Angie<br />
allein zu Haus – nur noch ihr treuer Eunuch Peter Altmaier<br />
schleicht durch die menschenleeren Gänge. An<br />
der Tür hält der knorrige Volker Kauder einsam Wache.<br />
Die Peitsche, mit der er die Kritiker in der Fraktion auf<br />
Linie zwang, nützt ihm nichts mehr: Tatsächlich haben<br />
schon 50 Abgeordnete der Kanzlerin per Brief den<br />
Gehorsam in der Flüchtlingsfrage aufgekündigt. In<br />
Umfragen fordern mittlerweile 40 Prozent der Deutschen<br />
den Rücktritt der Regierungschefin.<br />
Auch der letzte Vorstoß des düsteren Wolfgang<br />
Schäuble hat nicht gefruchtet: Die Asylkosten durch<br />
einen Benzinzuschlag zu finanzieren – genau das<br />
musste die Volksseele zum Kochen bringen. Der Unmut<br />
über die Zuwanderung kombiniert mit dem Zorn der<br />
Autofahrer, einer der mächtigsten Lobbys im Land –<br />
man muss schon sehr verzweifelt sein, um die Explosivität<br />
dieser Mischung nicht im Vorfeld zu erkennen.<br />
Den Badener, einen alten Fährensmann der Union, hat<br />
sein Instinkt verlassen.<br />
Auch aus dem Ausland kommt schlimme Kunde. Die<br />
Amerikaner, die Merkel noch im Dezember als «Person<br />
of the Year» auf das Titelbild von Time <strong>Magazin</strong><br />
gehievt hatten, forderten sie schon keine vier Wochen<br />
später per New York Times zum Rücktritt auf. Dänemark<br />
und Schweden machen die Grenzen dicht, die<br />
Osteuropäer haben gegen die Islamisierung sogar<br />
eine Art Warschauer Pakt gebildet. Selbst Werner Faymann,<br />
ihr treuester Knappe, hat die Fahne gestrichen<br />
und verspricht seinen Österreichern eine Asylanten-<br />
Obergrenze. So ist Erdogan der letzte Verbündete, der<br />
Merkel bleibt – der blutbesudelte Macbeth der Hohen<br />
Pforte. Zu ihm eilt sie Anfang Februar und verspricht<br />
ihm weitere Milliarden – während seine Soldateska<br />
weiter Jagd auf Kurden macht. Ob sie mit diesem Kniefall<br />
bei ihren Wählern Sympathien mobilisieren kann?<br />
Horst Seehofer war da schon cleverer: Er flog kurz<br />
vorher nach Moskau und trat damit in die Fußstapfen<br />
von Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber, die schon<br />
immer, zum Kummer der jeweiligen Bundesregierung,<br />
eine königlich-bayrische Ostpolitik betrieben haben.<br />
Zäh wie Pattex<br />
Doch niemand sollte darauf hoffen, dass Merkel<br />
von alleine aufgibt. Zurück zur Grenzsicherung kann<br />
sie ohnedies nicht mehr – zu oft und zu verbissen hat<br />
sie ihr Mantra «Wir schaffen das» verkündet. Und was<br />
ihr an Unterstützung in der Mitte davonläuft, gleicht<br />
sie durch Verbündete von links aus: SPD und Grüne, ja<br />
«Die Lage ist<br />
brenzlig.» <br />
Merkel-Vertrauter<br />
Asylkrise: Weiter<br />
so?<br />
Deutschlandtrend<br />
3.Februar <strong>2016</strong><br />
«Die Bundesregierung hat die<br />
Flüchtlingssituation im Griff»:<br />
JA<br />
NEIN<br />
18<br />
81<br />
«Finden Sie die Einführung von<br />
Grenzkontrollen zwischen den<br />
EU-Ländern richtig?»:<br />
JA<br />
NEIN<br />
53<br />
42<br />
Angaben in Prozent<br />
Quelle: infratest dimap<br />
19
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
die friedliche Wende in der DDR 1989. Wer die Landsleute<br />
zu Aktivitäten anspornen will, wird gut daran tun,<br />
an dieses Vorbild zu erinnern – anstatt sich am revolutionären<br />
Pathos zu berauschen, was die Nachdenklichen<br />
gleich an Guillotine oder Tscheka erinnert.<br />
Schritt 1: Wir klagen gegen die Regierung<br />
Die letzte wirkliche Revolution<br />
in Deutschland fand 1848 statt.<br />
Damals musste sich Preußens<br />
König Friedrich Wilhelm IV. vor den<br />
Gefallenen des Volkes verneigen. In<br />
den folgenden Monaten zerschlug<br />
er trotzdem die demokratische<br />
Bewegung in allen deutschen<br />
Regionen. Foto: BPK, Berlin, Dist<br />
RMN-Grand Palais, Knud Petersen<br />
selbst die Erben der SED stehen in der Zuwanderspolitik<br />
in Treue fest zu ihr, auf deren Gefolgsleute kann sie<br />
sich verlassen – nicht nur in den Parlamenten, sondern<br />
auch in den GEZ-Medien und der Monopolpresse. Seit<br />
Januar unterliegt sogar das Internet einer verschärften<br />
Zensur: Heiko Maas – der ewige Konfirmand unter der<br />
Maske des Reichsjustizministers – hat die ehemalige<br />
Stasi-IM Anetta Kahane und eine Hundertschaft weiterer<br />
Blogwarte beauftragt, Tag und Nacht Facebook zu<br />
durchwühlen und unliebsame User zu sperren.<br />
Verallgemeinernd könnte man sagen: Der Deutsche<br />
ist nicht für Aufstand und Chaos, sondern für Recht und<br />
Ordnung. Diese Mentalität, die Konrad Adenauer unter<br />
dem Slogan «Keine Experimente» absolute Mehrheiten<br />
brachte, konnte Merkel lange Zeit für sich nutzen – bis<br />
Sommer 2015 galt sie dem Wahlvolk als «Schutzherrin<br />
des Status Quo» (FAZ). Doch seit August verhöhnt<br />
die Kanzlerin die Ordnungsliebenden im eigenen Land:<br />
Gerade sie ist es ja, die durch die Grenzöffnung das<br />
Recht gebrochen und Chaos verbreitet hat, wie die Silvesterkrawalle<br />
in Köln und anderswo gezeigt haben.<br />
Ihre Parteigänger sprechen ganz offen aus, dass es um<br />
eine tiefgreifende Umgestaltung des Landes – vulgo:<br />
eine Revolution – geht. Der Spiegel etwa begrüßte<br />
die Massenzuwanderung genau deswegen: «Die Massen<br />
sind eine Belastung; aber auch eine Chance. Sie<br />
zwingen das Land, weltoffener zu werden, großzügiger<br />
– und ein bisschen chaotisch.» Auch Bundespräsident<br />
Joachim Gauck will «die Nation neu definieren».<br />
Er hält es für einen Vorteil, «wenn sich noch mehr Menschen<br />
als bisher von dem Bild einer Nation lösen, die<br />
sehr homogen ist, in der fast alle Menschen Deutsch<br />
als Muttersprache haben, überwiegend christlich sind<br />
und hellhäutig».<br />
20<br />
Rebellion gegen<br />
Mutti Multikulti<br />
Deutschlandtrend<br />
3.Februar <strong>2016</strong><br />
«Die Bundesregierung hat die<br />
Flüchtlingssituation nicht im<br />
Griff»:<br />
Unions-Anhänger<br />
67<br />
Grüne-Anhänger<br />
67<br />
SPD-Anhänger<br />
83<br />
AfD-Anhänger<br />
100<br />
Zustimmung in Prozent<br />
Quelle: infratest dimap<br />
Was in südlichen Ländern zu Straßenaufruhr, vielleicht<br />
zum Generalstreik führen würde, hat in Deutschland<br />
bisher nur einen Volkssturm im virtuellen Wasserglas<br />
zur Folge: Das Netz ist voll von Aufrufen zur Revolution,<br />
beinahe jeden Monat wird zur Attacke auf den<br />
Reichstag geblasen. Doch 99,5 Prozent der Deutschen<br />
belassen es dabei, die Faust in der Tasche zu ballen<br />
und ansonsten daheimzubleiben. Schon Lenin spottete:<br />
Bevor die einen Bahnhof besetzen, lösen sie eine Bahnsteigkarte.<br />
Es ist wenig verwunderlich, dass es Russen<br />
und Russlanddeutsche waren, die Ende Januar, nach<br />
den Nachrichten über den Missbrauch der 13-jährigen<br />
Lisa (siehe Seite 25), die bisher größten asylkritischen<br />
Demonstrationen in den alten Bundesländern zustande<br />
brachten: Aus dem wilden Osten zwischen Königsberg<br />
und Wladiwostok haben sie ein paar Revolutionsgene<br />
mitgebracht, die den Deutschen in ihrer DNA fehlen.<br />
Doch wir sollten nicht zu hart mit unseren braven<br />
Mitbürgern ins Gericht gehen: Dass man hierzulande<br />
nicht ohne Not mit Gewehren auf die Barrikaden steigt,<br />
spricht für historische Vernunft. Wann immer nämlich<br />
unsere Vorväter revoluzzten, bei den Bauernkriegen<br />
1525 oder im März 1848, war ein Blutbad die Folge –<br />
und erreicht wurde nichts. Ein Glücksfall dagegen war<br />
Es geht um eine Bürgerbewegung,<br />
die nicht die Revolution gegen das<br />
Recht durchsetzen will, sondern das<br />
Recht gegen die Multikulti-<br />
Revolutionäre.<br />
Es geht also um eine Bürgerbewegung, die nicht<br />
die Revolution gegen das Recht durchsetzen will – das<br />
machen ja Merkel, Gauck und Co. bereits –, sondern<br />
die, genau umgekehrt, dem Recht gegen die Multikulti-Umstürzler<br />
wieder Geltung verschafft. Um für dieses<br />
durchaus konservative Ziel Menschen in Bewegung<br />
zu setzen, ist die Verfassungsbeschwerde gegen<br />
die Massenzuwanderung, die der Staatsrechtler Karl<br />
Albrecht Schachtneider Anfang Februar im Auftrag der<br />
Initiative Einprozent in Karlsruhe eingereicht hat (siehe<br />
Seite 24), so wichtig: Sie zeigt, dass wir die freiheitlich<br />
demokratische Grundordnung verteidigen – und<br />
die Verfassungsfeinde im Kanzleramt und im Schloss<br />
Bellevue sitzen.
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
Fast muss man dankbar sein, dass Seehofer eine<br />
ähnliche Beschwerde, die er seit Jahresanfang ausgearbeitet<br />
in der Schublade liegen hat, bisher nicht<br />
abschickte – sonst könnte er die Unterstützung für<br />
seine parteitaktischen Spielchen nutzen. So landet<br />
der Zuspruch bei der Einprozent-Initiative, die lokale<br />
Gruppen im ganzen Land vernetzt (siehe Infobox Seite<br />
24). Obwohl Schachtschneiders Pressekonferenz von<br />
den etablierten Medien boykottiert wurde, hat sich der<br />
Vorstoß in Windeseile verbreitet: Das Video wurde auf<br />
den verschiedenen Internet-Angeboten, unter anderem<br />
bei <strong>COMPACT</strong>, innerhalb von zehn Tagen über eine Million<br />
mal angesehen – und Einprozent hat dank der Verfassungsbeschwerde<br />
mittlerweile über 25.000 Unterstützer.<br />
Schritt 2: Wir kontrollieren die Wahl<br />
Die drei Landtagswahlen im März drohen zum<br />
Debakel für die Blockparteien zu werden. Laut Umfragen<br />
hat die AfD in Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg<br />
die Chance, stärker zu werden als die SPD.<br />
Außerdem könnte die CDU im «Ländle» von den Grünen<br />
überholt werden; ihre Anhängerschaft wird auseinandergerissen,<br />
weil die Multikulti-Anhänger nach<br />
links abwandern, also das Original der Kopie vorziehen,<br />
und die Multikulti-Kritiker zur Alternative von Frau<br />
Petry übergehen, die die Ideale der Kohl-Ära hochhält.<br />
Was läge näher, als das Debakel durch Tricksereien<br />
bei der Auszählung zu verhindern? Will jemand<br />
behaupten, was im Honecker-Staat gemacht wurde,<br />
sei in der Merkel-Republik unmöglich? Schon bei der<br />
letzten Landtagswahl in Bremen ließen willige Wahlhelfer<br />
AfD-Stimmen unter den Tisch fallen – erst durch<br />
eine Nachauszählung erhielt die Partei das gestohlene<br />
Mandat zurück. In Köln vertauschten eifrige Sozis<br />
2014 in einem Briefwahlbezirk das Ergebnis von CDU<br />
und SPD – was letzterer die Mehrheit im Rat brachte<br />
(siehe Seite 23). Man bedenke: Das waren Betrügereien<br />
in Schönwetterzeiten. Zu welchen Mitteln werden<br />
die Etablierten erst greifen, um zu verhindern, dass<br />
die AfD zur Volkspartei aufwächst und die Tektonik des<br />
ganzen Systems erschüttert?<br />
In möglichst vielen Wahllokalen<br />
sollen freiwillige Helfer die Stimmauszählung<br />
überwachen.<br />
Viele dürften unseren Politikern ein solches Maß<br />
an Skrupellosigkeit nicht zutrauen. Ich schon! In jedem<br />
Fall gilt: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Einprozent<br />
will versuchen, in allen drei Bundesländern für<br />
möglichst viele Wahllokale freiwillige Helfer zu finden,<br />
die von dem Recht zur Vor-Ort-Prüfung der Stimmauszählung<br />
Gebrauch machen und ihre Ergebnisse, samt<br />
eventueller Auffälligkeiten, noch am Abend des 13.<br />
März an eine unabhängige Zentrale weiterleiten. So<br />
könnten Manipulationen zeitnah entdeckt und die GEZ-<br />
Hochrechnungen mit eigenen gekontert werden. Wenn<br />
bereits im Vorfeld klar wäre, dass diese Überwachung<br />
flächendeckend abgesichert werden kann, würden sich<br />
mögliche Betrüger zurückhalten.<br />
Die Bürger selbst sorgen in diesem Fall dafür, dass<br />
alles fair abläuft – und dass nach dem Urnengang nicht,<br />
wie bisher, einfach alles so weiter geht. Fällt die Union<br />
nämlich unter 30 Prozent, dürfte es eng werden für die<br />
Vorsicht Fälschung!<br />
Welt Online berichtete am 6. Februar<br />
<strong>2016</strong>: «Kurz vor der Landtagswahl<br />
in Sachsen-Anhalt<br />
dürfen auch Menschen ohne<br />
deutschen Pass ihre Stimme abgeben.<br />
Bei einer Probewahl am<br />
11. März sollen Migranten und<br />
Migrantinnen mit dem politischen<br />
System in Deutschland<br />
vertraut gemacht werden, wie<br />
der Geschäftsführer des Landesnetzwerk<br />
Migrantenorganisationen<br />
Sachsen-Anhalt (LAMSA),<br />
Mamad Mohamad, in Halle sagte.<br />
14 Wahllokale im Land sind<br />
von 10.00 bis 18.00 Uhr geöffnet.<br />
Allerdings zählt das Ergebnis<br />
nicht für die offizielle Landtagswahl<br />
am 13. März.» Ach<br />
was, die Stimmen der Asylanten<br />
werden nicht bei der Landtagswahl<br />
mitgerechnet? Und wer<br />
kontrolliert, dass das nicht doch<br />
passiert – wenn nicht der wache<br />
Bürger selbst?<br />
Jammerplakat von Pro Asyl aus<br />
früheren Jahren. Jetzt wird alles<br />
anders… Foto: Pro Asyl<br />
Die Pegida-Sprecherin Tatjana Festerling erhielt bei den Dresdner<br />
Oberbürgermeisterwahlen im Sommer 2015 9,6 Prozent.<br />
Foto: Facebook<br />
Die erste AfD-Demonstration gegen den Asylwahnsinn am 14. Oktober 2015 in Magdeburg. In der Mitte<br />
André Poggenburg, der Landesvorsitzende und Spitzenkandidat bei den Landtagswahlen. Foto: dpa<br />
21
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
<strong>COMPACT</strong>-Live zur<br />
Schicksalswahl<br />
Drei Tage vor der wichtigen<br />
Landtagswahl in Sachsen-Anhalt<br />
lädt <strong>COMPACT</strong> zur Großveranstaltung<br />
ein: «AfD vor dem<br />
Durchbruch. Die bessere Kanzlerin<br />
ist Frauke Petry!» Es referieren<br />
der AfD-Landesvorsitzende<br />
André Poggenburg und Chefredakteur<br />
Jürgen Elsässer. Mit Informationen<br />
über die weiteren<br />
Schritte der Bürgeropposition:<br />
10. März, Eventhalle Halber85.<br />
Halberstädter Straße 85, 39112<br />
Magdeburg. Beginn 18.30 Uhr,<br />
Einlass 18 Uhr. Reservierung<br />
dringend empfohlen: compactonline.de/compact-live/.<br />
Am 13. März, dem Wahlabend<br />
selbst, wird es ziemlich sicher<br />
Sondersendungen von COM-<br />
PACT-TV geben. Bitte beachten<br />
Sie die Hinweise im Vorfeld auf<br />
unserer Webseite.<br />
AfD-Landesvorsitzender in Sachsen-<br />
Anhalt André Poggenburg.<br />
Foto: <strong>COMPACT</strong><br />
Kanzlerin. Denn die Hinterbänkler in der Bundestagsfraktion<br />
stützten sie bislang vor allem deswegen, weil<br />
sie für hohe Ergebnisse stand und ihnen damit Mandat<br />
und fette Diäten garantierte. Aber wenn Merkels<br />
Asylstarrsinn zum Runterzieher bei Urnengängen wird,<br />
werden die Opportunisten aus purem Eigeninteresse<br />
umdenken.<br />
Schritt 3: Wir stürzen Merkel<br />
«Ein mögliches Ende Merkels wird derzeit in Berlin<br />
mit einer Offenheit diskutiert, die vor wenigen<br />
Wochen noch undenkbar gewesen wäre», schrieb der<br />
Focus Ende Januar. «Die Lage ist brenzlig», räumte ein<br />
Merkel-Vertrauter gegenüber der Zeitschrift ein. Was<br />
passiert, wenn die CDU/CSU-Bundestagsfraktion der<br />
Kanzlerin das Vertrauen entzieht und beispielsweise<br />
Schäuble zum Nachfolger kürt? Da der neue Regierungschef<br />
im Bundestag mit Mehrheit gewählt werden<br />
müsste, ginge das nur mit den Stimmen der SPD.<br />
Dann sitzt der Badener in der Zwickmühle: Wenn er,<br />
dem Wählerwillen entsprechend, mit einer scharfen<br />
Regulierung des Zuzugs Ernst zu machen verspricht,<br />
bekommt er die Unterstützung der Sozialdemokraten<br />
nicht. Um die SPD von einem Kanzler Schäuble zu überzeugen,<br />
müsste er vielmehr in etwa so weiterwurschteln<br />
wie Merkel. Dann aber würde die Verbitterung im<br />
Volk weiter wachsen. Noch höher würden die Wogen<br />
schlagen, wenn Gabriel aus der Not der Union eine<br />
Tugend zu machen versuchte und sich mit den Stimmen<br />
von rot-rot-grün selbst zum Kanzler wählen ließe – was<br />
rein rechnerisch möglich wäre. Der Stern gibt noch zu<br />
bedenken: «Schwer vorherzusagen, wie die CSU erst<br />
randaliert, wenn die AfD Mitte März bei den Landtagswahlen<br />
zweistellige Ergebnisse holt.» Ein demokratischer<br />
Ausweg aus dem ganzen Dilemma wäre natürlich<br />
die Ansetzung von Neuwahlen. Aber insbesondere<br />
die SPD würde das nicht wagen, weil sie dann befürchten<br />
müsste, auch auf Bundesebene tief abzustürzen.<br />
Offensichtlich ist: Nach dem 13. März könnten<br />
die Altparteien in Turbulenzen kommen wie noch nie<br />
zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik. Voraussetzung<br />
ist allerdings, dass die AfD zumindest in Stuttgart<br />
und Magdeburg stärker als die SPD wird und sich<br />
der 20-Prozent-Marke nähert. Deshalb muss jeder, der<br />
Merkels Katastrophenpolitik stoppen will, jetzt die<br />
Petry-Truppe wählen – und zwar unabhängig davon,<br />
ob man sie tatsächlich für eine gute Alternative hält. Es<br />
genügt, in der AfD das kleinste aller Übel zu sehen: ein<br />
Instrument, um das arrogante und verlogene Machtkartell<br />
der Etablierten aufzubrechen und ihre Formation<br />
so in Unordnung zu bringen, dass ein «Weiter so»<br />
unmöglich wird.<br />
In dieses politische Vakuum könnte<br />
eine außerparlamentarische<br />
Bewegung stoßen.<br />
Das Hin und Her der Blockparteien nach einem<br />
Wahldesaster könnte sich über Wochen und Monate<br />
hinziehen. In dieses politische Vakuum, in diese<br />
Schwächephase des Regimes – bei Fortdauer der<br />
Asylwelle mit allen hässlichen Begleiterscheinungen<br />
– könnte eine außerparlamentarische Bewegung<br />
stoßen: Die derzeit regional zersplitterten Initiativen<br />
müssten eine zentrale Großdemonstration zustande<br />
bringen. Als im November 1989 500.000 DDR-Bürger<br />
in Ostberlin demonstrierten, war das Schicksal von Honecker<br />
besiegelt. Das ist das Modell für einen Erfolg.<br />
Viele fragen: Was bringt es, wenn Merkel weg ist<br />
und dann die nächste Charaktermaske des Systems<br />
ans Ruder kommt? Und was bringt es, wenn wir mit<br />
einer Million vor dem Reichstag stehen und am Abend<br />
wieder nach Hause fahren? Darauf kann man nur mit<br />
Kaiser Franz antworten: Schau mer mal. Die friedliche<br />
Revolution in der DDR hat gezeigt, dass ein Großkopferter<br />
selten alleine fällt: Zuerst wurde Honecker<br />
gestürzt, dann kam Egon Krenz an die Reihe, schließlich<br />
Hans Modrow. Wenn das Volk erst einmal ein<br />
Bewusstsein seiner eigenen Kraft entwickelt hat, ist<br />
alles möglich. Zugegeben: Eine Erfolgsgarantie gibt<br />
es nicht – wer wagt, kann verlieren. Aber: Wer nichts<br />
wagt, hat schon verloren!<br />
22<br />
Die Rückkehr von 1989? Auch am Ende der DDR war Dresden<br />
eines der Zentren des Widerstandes. Hier die Pegida-Demonstration<br />
am 6. Februar <strong>2016</strong> mit über 15.000 Teilnehmern.<br />
Foto: picture alliance/Geisler-Foto
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
Geisterwähler aller Orten<br />
_ von Harry Daniel<br />
Wahlmanipulation gibt es nur in Schurkenstaaten? Keineswegs, auch in der Bundesrepublik<br />
wird immer wieder geschoben und getrickst. Die Fälle in Bremen, Stendal, Köln,<br />
Hamburg und Halle sind nur die wichtigsten aus den letzten Jahren.<br />
Ein besonders gutes Biotop für Wahlfarcen war<br />
schon immer die SPD-Hochburg Bremen. Die konservative<br />
Wählervereinigung Bürger in Wut (BIW) des Polizisten<br />
Jan Timke reicht seit ihrem ersten Wahlantritt<br />
2007 immer wieder Klage gegen die amtlichen Ergebnisse<br />
ein. Bei ihrem Debüt war die BIW mit angeblich<br />
4,99 Prozent und nur einer einzigen Stimme an<br />
der Fünf-Prozent-Hürde im Stadtteil Bremerhaven<br />
gescheitert. Nachdem sie die Neuauszählung eines<br />
Wahlbezirks gerichtlich durchgesetzt hatte, kam sie<br />
dann über die Sperrklausel.<br />
Bei den Landtagswahlen 2015 kam es zu einem<br />
politischen Déjà-vu. Die AfD scheiterte zunächst mit<br />
4,97 Prozent, wieder in Bremerhaven. Die von der rotgrünen<br />
Stadtregierung beauftragten Auszähler, Gymnasiasten<br />
im Alter von 16 bis 18 Jahren, hatten die<br />
Ergebnisse nach eigenem Ermessen manipuliert. Das<br />
Wahlgericht überprüfte allerdings nur die 100 verschwundenen<br />
Stimmzettel, die von der AfD entdeckt<br />
worden waren, Neuwahlen und vollständige Neuauszählungen<br />
wurden abgelehnt – die Alternative<br />
bekam trotzdem ihren Sitz. Ein Deal? Der hessische<br />
CDU-Abgeordnete Hartmut Honka offenbarte nach<br />
dem Skandal sein gestörtes Demokratieverständnis<br />
und twitterte: «Was ist schlimmer? Schüler fälschten<br />
Wahl oder ein Sitz mehr für die AfD?»<br />
In Stendal (Sachsen-Anhalt) kam es bei der Kommunalwahl<br />
vom 25. Mai 2014 zu schwerem Wahlbetrug.<br />
Der CDU-Kandidat Holger Gebhardt hatte bei<br />
der Briefwahl angeblich 689 Stimmen erhalten (11,3<br />
Prozent). In 37 Wahllokalen, mit über 80 Prozent Wahlbeteiligung,<br />
kam er dagegen auf nur knapp 0,5 Prozent<br />
(148 von rund 29.000 Stimmen). Wahlleiter Axel<br />
Kleefeldt (CDU) sprach zunächst von einer ordnungsgemäß<br />
abgelaufenen Wahl. Nach drei Wochen räumte<br />
er jedoch Unregelmäßigkeiten ein. Zwölf angeblich<br />
Bevollmächtigte hatten insgesamt 189 Briefwahl-<br />
Unterlagen abgeholt, in einem Fall kamen auf eine<br />
Person sage und schreibe 33!<br />
Die Polizei fand heraus, dass die Unterschriften von<br />
160 Vollmachtgebern gefälscht worden waren. Viele von<br />
ihnen waren beim Jobcenter registriert – der Arbeitsstelle<br />
des CDU-Kandidaten. Die Staatsanwaltschaft<br />
ermittelt derweil immer noch gegen Gebhardt und zwölf<br />
weitere Personen. Tilman Tögel (SPD) bezeichnet die<br />
Stendaler CDU als «Camorra von der Uchte».<br />
Proteste gegen die Wahlfälschungen vom Mai 1989 markierten<br />
den Beginn der friedlichen Revolution in der DDR.<br />
Foto: Lemo<br />
Bei der Kölner Kommunalwahl vom 25. Mai 2014<br />
sah die rot-grüne Koalition ihre Futtertröge gefährdet.<br />
Sie tauschte im Zuge des drohenden Machtverlustes<br />
die Wahlergebnisse des Briefwahlbezirks Rodenkirchen.<br />
Die 25,04 Prozent der SPD wurden einfach der<br />
CDU untergeschoben. Die Sozialdemokraten erhielten<br />
im Gegenzug die 42,25 Prozent der CDU. Dieser Betrug<br />
sicherte den Mitte-links-Parteien eine hauchdünne Ein-<br />
Stimmen-Mehrheit im Stadtrat.<br />
Auch bei der Bundestagswahl im September 2013<br />
kam es zu Unregelmäßigkeiten: In Hamburg verschwanden<br />
1<strong>03</strong>.000 Briefwähler-Stimmen – im statistischen<br />
Durchschnitt hätten es höchstens 30.000 sein dürfen.<br />
Trotz 301.884 angeforderter Wahlscheine waren angeblich<br />
nur 198.739 zurückgekommen. Nach massiver Kritik<br />
und widersprüchlichen Erklärungen des Wahlleiters<br />
tauchten auf wundersame Art und Weise 70.000<br />
Briefe wieder auf. Die Ausfallquote war damit wieder<br />
zurecht gebogen.<br />
Wie einfach es ist, Wahlen zu fälschen, zeigt<br />
eine Manipulation zugunsten der Linkspartei bei<br />
den Europawahlen 2014 in Halle. «Wahlvorsteher D.<br />
mogelte offenbar 101 Stimmen dazu. Nur weil ein<br />
Wahlhelfer aufpasste, flog der Schwindel auf.» (Focus,<br />
2.8.2014)<br />
Das Benfordsche<br />
Gesetz<br />
Bei einer Untersuchung aller<br />
Bundestagswahlergebnisse zwischen<br />
1990 und 2005 stellten<br />
die Politikwissenschaftler Christian<br />
Breunig und Achim Goerres<br />
Verstöße gegen das Benfordsche<br />
Gesetz fest. Nach dieser<br />
Auswertungsmethode, die<br />
ansonsten zur Aufdeckung von<br />
Steuerbetrügereien dient, kommen<br />
Ziffern in Zahlenkombinationen<br />
generell in unterschiedlicher<br />
Häufigkeit vor. In großen Datensätzen<br />
tritt die Ziffer 1 mit einer<br />
Wahrscheinlichkeit von 30,1 Prozent<br />
auf – die Zifer 9 hingegen<br />
nur mit 4,6 Prozent. Während die<br />
Erststimmen bei Bundestagswahlen<br />
dem Muster entsprachen,<br />
wichen die wichtigeren Zweitstimmen-Ergebnisse<br />
signifikant<br />
davon ab – und zwar jeweils zum<br />
Vorteil der in dem jeweiligen<br />
Bundesland dominanten Partei.<br />
Dies deutet darauf hin, dass deren<br />
Wahlhelfer bei der Auszählung<br />
geschummelt haben.<br />
_ Harry Daniel ist Praktikant bei<br />
<strong>COMPACT</strong> und hat Politikwissenschaften<br />
studiert.<br />
23
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
«Dieses Land muss deutsch bleiben»<br />
_ von Professor Dr. Karl Albrecht Schachtschneider<br />
24<br />
Was Horst Seehofer nicht wagt, hat jetzt die Bürgerinitiative Ein<br />
Prozent für unser Land auf den Weg gebracht: Anfang Februar reichte<br />
der renommierte Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider in<br />
ihrem Auftrag Verfassungsbeschwerde gegen die Einwanderungspolitik<br />
der Bundesregierung ein.<br />
Ein Prozent genügt<br />
Die Bürgerinitiative Ein Prozent<br />
für unser Land redet nicht, sie<br />
handelt. Während andere nur<br />
dabei zusehen, wie die Asylkatastrophe<br />
ihren Lauf nimmt,<br />
kämpfen der Sezession-Herausgeber<br />
Götz Kubitschek, der<br />
Staatsrechtler Karl Albrecht<br />
Schachtschneider, <strong>COMPACT</strong>-<br />
Chefredakteur Jürgen Elsässer<br />
und mittlerweile 25.000 weitere<br />
Unterstützer für die deutsche<br />
Souveränität, für das Recht und<br />
die Zukunft unseres Volkes. Die<br />
Idee: Wenn sich auch nur ein<br />
Prozent des deutschen Volkes<br />
zusammenschließt, gerät das<br />
System ins Wanken – 800.000<br />
engagierte Mitstreiter kann niemand<br />
mehr ignorieren. Wenn<br />
auch Sie bei Einprozent mitmachen<br />
und die Verfassungsbeschwerde<br />
unterstützen wollen,<br />
besuchen Sie uns auf einprozent.de.<br />
Gemeinsamkeit wird groß geschrieben.<br />
Foto: einprozent.de<br />
Bild rechts: Kubitschek, Schachtschneider,<br />
Elsässer bei der Pressekonferenz<br />
zur Verfassungsbeschwerde<br />
am 30. Januar. Foto:<br />
einprozent.de<br />
_ Der Text ist eine gekürzte<br />
Fassung des Vortrags von Karl<br />
Albrecht Schachtschneider vom<br />
30. Januar <strong>2016</strong>. Das Video von<br />
der gesamten Veranstaltung ist<br />
bei «Youtube» auf dem Kanal<br />
<strong>COMPACT</strong>TV zu finden.<br />
Die Gründe der Verfassungsbeschwerde sind die<br />
schweren Verletzungen der Verfassungsidentität<br />
Deutschlands. Die Verfassungsidentität ist in doppelter<br />
Weise tief verletzt – dadurch, dass das Verfassungsprinzip<br />
des Deutschen ignoriert wird. Faktisch<br />
ist Deutschland ein Einwanderungsland geworden.<br />
Wer Hilfe zu bedürfen scheint, wird ins Land gelassen<br />
– und zwar nicht einige wenige, sondern Millionen.<br />
Deutschland ist aber kein Einwanderungsland.<br />
Das ist nur in den letzten zwei Jahrzehnten von vielen<br />
in Frage gestellt worden, unter dem Stichwort «multikulturelle<br />
Gesellschaft» oder «bunte Republik». Das<br />
aber hat mit dem Grundgesetz nichts zu tun. Da ist<br />
immer die Rede vom deutschen Volk, und es heißt ja<br />
auch nicht umsonst: Deutschland.<br />
In irgendeiner Weise muss dieses Land deutsch<br />
sein und bleiben, solange nicht das Volk entscheidet,<br />
ein Einwanderungsland sein zu wollen. Die politischen<br />
Vertreter haben nicht die Befugnis zu entscheiden:<br />
Deutschland soll ein Einwanderungsland werden.<br />
Eine solche systematische, massenhafte, gewollte<br />
Rechtsverletzung ist nicht nur ungeheuerlich, sondern<br />
verletzt die Verfassungsidentität, darüber hilft<br />
auch das Schengen-Abkommen nicht hinweg. Wenn<br />
die Außengrenzen nicht gesichert sind, müssen die<br />
Binnengrenzen gesichert werden, weil die Sicherheit,<br />
die innere Sicherheit und die äußere Sicherheit eines<br />
Staates, essentielles Kriterium des Staates ist. Nicht<br />
ein einziger völkerrechtlicher Text nimmt den Einzelstaaten<br />
die Pflicht, für die Sicherheit im Lande zu sorgen.<br />
Das wäre ja auch ungeheuerlich, wenn die zum<br />
Staat organisierten Völker nicht das Recht hätten, ihr<br />
Gebiet zu sichern!<br />
Schließung der Grenzen, jetzt!<br />
Nicht einer der Asylantragsteller, die über Land hier<br />
nach Deutschland kommen, kommt legal hierher, weil<br />
nicht einer ein Einreiserecht hat. Sie müssten alle an<br />
der Grenze abgewiesen werden. Ich habe hier sehr<br />
genau geprüft, ob es irgendein Einreiserecht aus internationalen<br />
Verträgen gibt. Das gibt es nirgends. Es<br />
wäre ja auch ungeheuerlich, wenn alle Flüchtlinge das<br />
Recht hätten, in jeden Staat, in den sie flüchten wollen,<br />
einzureisen. Die UNO spricht von 60 Millionen: Welches<br />
Land sollte die aufnehmen, wenn sie ein Recht<br />
hätten, einzureisen? Man muss gar nicht prüfen, woher<br />
jemand kommt: Wenn jemand über Land kommt, hat er<br />
kein Einreiserecht aus dem Asylgrundrecht, erst recht<br />
nicht aus anderen Schutzrechten.<br />
Man lässt die Leute – registriert oder nichtregistriert<br />
– ins Land, aus Humanität. Eine Humanität gibt es<br />
und sollte es geben, aber die verwirklichen wir durch<br />
die Rechtsordnung. Es gibt keinerlei Verpflichtung völkerrechtlicher<br />
Art, jeden Menschen aufzunehmen, der<br />
aus Not oder vermeintlicher Not ins Land kommt. Das,<br />
was hier geschieht, ist eine klare Verletzung der freiheitlich<br />
demokratischen Grundordnung.<br />
Die Sicherung der Grenze ist möglich<br />
– sie muss nur gewollt sein.<br />
Wer es unternimmt diese Ordnung, die Verfassungsidentität,<br />
zu beseitigen, gegen den haben alle<br />
Deutschen das Recht zum Widerstand. Das Bundesverfassungsgericht<br />
hat das Recht und die Pflicht, andere<br />
Abhilfe zu geben, gegen solche Verfassungsverletzung.<br />
Und die fordern wir ein. Eine Maßnahme, die wir einfordern,<br />
ist naheliegend: eine wirksame Sicherung der<br />
Grenzen, notfalls durch Grenzzäune – oder in anderer<br />
Weise. Das ist technisch und polizeilich kein wirkliches<br />
Problem – es muss nur gewollt sein. Und im Übrigen<br />
beantragen wir, dass die Bundeskanzlerin und die<br />
Bundesregierung von einem bestimmten Aufgabenbereich<br />
suspendiert werden, dass also ein Sequester<br />
eingesetzt wird für den Aufgabenbereich der Grenzsicherung<br />
und den Aufgabenbereich des Aufenthaltsrechts,<br />
denn Bundeskanzlerin und Bundesregierung<br />
haben doch gezeigt, dass sie nicht in der Lage sind,<br />
diese zentralen Aufgaben zu bewältigen.
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Vergewaltigt und verhöhnt<br />
_ von Martin Müller-Mertens<br />
Die 13-jährige Lisa wird brutal sexuell missbraucht. Traumatisiert vermischt sie ihr<br />
Martyrium mit einem späterem Erlebnis, bringt Daten durcheinander. Die Widersprüche in<br />
ihrer Aussage nutzt die Presse zur Propaganda gegen Russland.<br />
Die Demonstration mit Tausenden<br />
Teilnehmern am 23. Januar vor dem<br />
Berliner Kanzleramt diffamierte die<br />
Lügenpresse als Bündnis von hysterischen<br />
Russlanddeutschen und<br />
Rechsradikalen. Foto: Reuters/Hannibal<br />
Hanschke<br />
Sie kann es immer noch kaum aussprechen: Mit<br />
erstickter Stimme berichtet Svetlana F. vom Schicksal<br />
ihrer Tochter Lisa. Von dem Blut, den Hämatomen, den<br />
Tränen. Plötzlich stocken die Worte. «Dass sie lebt, war<br />
das Wichtigste für uns.» Doch die Welt ist für Lisas<br />
Eltern wohl für immer zusammengebrochen. Der Leidensweg<br />
der 13-Jährigen hat gerade erst begonnen.<br />
Knapp zwei Wochen hielt der Fall Berlin in Atem.<br />
Am Morgen des 11. Januar verschwand Lisa auf dem<br />
Schulweg zwischen den Ortsteilen Mahlsdorf und Falkenberg.<br />
Erst 30 Stunden später tauchte sie wieder<br />
auf. Später sagte das russlanddeutsche Mädchen aus,<br />
von mehreren arabisch sprechenden Männern entführt<br />
und in einer karg eingerichteten Wohnung 30 Stunden<br />
lang vergewaltigt worden zu sein. Mittlerweile ist klar,<br />
dass sich der Fall so nicht abgespielt hat. Ende Januar<br />
präsentierte die Staatsanwaltschaft einen anderen<br />
Verlauf. Demnach hatte Lisa Angst vor einem Schulgespräch,<br />
in dem die Eltern von ihren schlechten<br />
Noten erfahren sollten. Sie fuhr zu einem 19-Jährigen<br />
Bekannten und dessen Mutter, den die Polizei als Zeugen<br />
führt. Doch auch diese Darstellung wirft Fragen auf.<br />
Missbraucht und gefilmt<br />
Tatsächlich ist Lisas Fall ein düsteres Beispiel einer<br />
Lügenkampagne – jedoch nicht seitens der 13-Jährigen,<br />
sondern der Leitmedien. Es sei «erwiesen, dass<br />
Lisa im Oktober letzten Jahres Opfer eines sexuellen<br />
Missbrauchs durch mindestens zwei, wahrscheinlich<br />
drei erwachsene Männer geworden ist», sagte Lisas<br />
Rechtsanwalt Alexej Danckwardt Ende Januar gegenüber<br />
russland.tv. «Einer dieser Täter war so dumm und<br />
hat die Tat auf Video gefilmt.» Dabei dürfte es sich um<br />
jene 20- und 22-jährigen Türken handeln, gegen die die<br />
Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt. Eine besonders<br />
schwere Straftat, denn Lisa ist nach dem Gesetz noch<br />
ein Kind. «Wir gehen von einvernehmlichem sexuellen<br />
Kontakt aus», behauptet Behördensprecher Martin<br />
Steltner trotzdem ungerührt. Eine sonderbare Darstellung:<br />
Einvernehmlich mit zwei bis drei Erwachsenen,<br />
von denen einer filmt? Danckwardt bestätigt unter<br />
Berufung auf die Mutter zudem, dass «sich der Charakter<br />
von Lisa und ihr Verhalten massiv geändert hatten.<br />
Sie hatte also mit schlimmsten inneren Spannungen<br />
zu kämpfen.»<br />
«Dass sie lebt, war<br />
das Wichtigste für<br />
uns.»<br />
Lisas Mutter Svetlana F., hier bei<br />
ihrem einzigen Fernsehinterview,<br />
glaubt weiter an die Schilderungen<br />
der Tochter. Foto: Screenshot<br />
«Spiegel-TV»<br />
25
26<br />
In Villingen-Schwenningen<br />
forderten am 24. Januar <strong>2016</strong> 1.300<br />
Russlanddeutsche unter anderem<br />
«Respekt für deutsche Kultur».<br />
Foto: picture alliance/dpa<br />
Dawai Nemzy! *<br />
Demonstrationen von Russlanddeutschen<br />
gegen die Flüchtlingspolitik<br />
der Bundesregierung<br />
seit dem 23. Januar <strong>2016</strong>.<br />
Osnabrück<br />
Gütersloh<br />
Hamburg<br />
Berlin<br />
Neustadt<br />
an der Aisch Erlangen<br />
Crailsheim Nürnberg<br />
Pforzheim<br />
Rastatt<br />
Ansbach<br />
Ortenau<br />
Ellwangen<br />
Lahr Schwäbisch Augsburg<br />
Gmünd<br />
Villingen-Schwenningen<br />
* Los, Deutsche!<br />
Quelle: <strong>COMPACT</strong>-Recherche<br />
Doch Lisa schwieg. Ihr Schmerz, ihre Angst waren<br />
vielleicht zu groß. Vielleicht begannen zu diesem Zeitpunkt<br />
die Schulprobleme. Wahrscheinlich brach sie an<br />
jenem 11. Januar einfach zusammen. Lisa floh zu ihrem<br />
Freund und dessen Mutter. Dort wurde sie offenbar aufgenommen.<br />
«Aber dass ich dann nicht mal den Versuch<br />
unternehme, die Eltern des Mädchens zu unterrichten,<br />
obwohl ich weiß, die machen sich Sorgen, das ist mir<br />
total merkwürdig», wundert sich Anwalt Danckwardt.<br />
In ihrem Trauma vermischte Lisa nun die Ereignisse.<br />
Möglicherweise fürchtete sie die Reaktion der Eltern,<br />
eventuell konnte sie zwischen Oktober und Januar<br />
selbst nicht mehr unterscheiden. Vielleicht bergen die<br />
30 Stunden ihres Verschwindens noch dunkle Geheimnisse.<br />
Immerhin bescheinigte ein weiterer Anwalt der<br />
Familie, Roman Igler, Lisa nach ihrer Rückkehr in der<br />
Berliner Zeitung «starke Hämatome am Körper».<br />
Eine Spontandemonstration von<br />
Russlanddeutschen verbot die<br />
Berliner Polizei.<br />
Nach einigen Tagen sickerten Informationen über<br />
den Fall an die Öffentlichkeit durch. Lisas Tante Marina<br />
gab dem russischen Fernsehen ein Interview. Der Sender<br />
berichtete in alarmistischem Ton, beging handwerkliche<br />
Fehler – aber im Kern referierte er den damals<br />
bekannten Stand. Denn Berlins Polizei deckelte den<br />
Fall zunächst. Lisas Familie «schien, dass die Beamten<br />
lediglich darauf aus waren nachzuweisen, dass<br />
überhaupt kein Verbrechen vorlag», so Alexander Reiser<br />
vom Berliner Spätaussiedler-Verein Vision gegenüber<br />
der Berliner Woche. Tante Marina sagte dem<br />
russischen Radiosender RSN, die Familie fürchte, das<br />
Jugendamt könnte ihr Lisa wegnehmen. Eine Spontandemonstration<br />
von Russlanddeutschen verbot die Polizei.<br />
Am 18. Januar gab die Behörde eine dürre Pressemeldung<br />
heraus. Demnach sei das Mädchen lediglich<br />
«kurzfristig als vermisst» gemeldet worden. Aufgrund<br />
des Persönlichkeitsrechts werde man keine weiteren<br />
Angaben machen. Diese Schmallippigkeit mehrte erst<br />
recht Zweifel an der Darstellung – nur zwei Wochen<br />
zuvor hatte Kölns Polizei versucht, den Grapscher-Mob<br />
vom Hauptbahnhof zu vertuschen.<br />
Die Nazikeule<br />
Nun lief die Propagandamaschine der Systempresse<br />
warm. Von einer «angeblichen Vergewaltigung»<br />
schwadronierten Berlins Lokalmedien umgehend<br />
– obgleich Lisas Aussage zu diesem Zeitpunkt<br />
durchaus glaubhaft klang. Zeitungen und TV-Sender<br />
griffen zum bewährten Instrument. Die Abendschau<br />
des gebührenfinanzierten RBB bemühte nach einer<br />
Demonstration von Russlanddeutschen vor dem Kanzleramt<br />
am 23. Januar Verfassungsschutz-Chef Bernd<br />
Palenda. Der wollte gemeinsames Handeln mit Neonazis<br />
ausgemacht haben. Kurze Zeit später meldete<br />
das Berlin Journal hingegen: «Nur zehn polizeibekannte<br />
Rechtsextremisten wurden an diesem Nachmittag<br />
gezählt.» Die Kundgebung umfasste jedoch mehrere<br />
Tausend Demonstranten. Die Berliner Zeitung unterstellte<br />
Lisas Mutter kaum verhohlen, aus politischen<br />
Gründen zu lügen. Sie «teilte auch einen Aufruf zu einer<br />
Pegida-nahen Demo im März in Berlin unter dem<br />
Motto ”Wir sind das Volk, Merkel muss weg.”»
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Weshalb konnte der Fall derartige Emotionen in<br />
der russlanddeutschen Gemeinde auslösen? Vielleicht,<br />
weil sie das Weltbild der multikulturellen Realitätsverweigerer<br />
noch nicht verinnerlicht haben. Ihre<br />
eigene Migrationsgeschichte macht viele Russlanddeutsche<br />
besonders sensibel für den Merkelschen<br />
Willkommenswahn. «Viele Russen sind auch hierhergekommen»,<br />
sagte Kostja, der bei Frankfurt wohnt und<br />
ebenfalls vor dem Kanzleramt demonstrierte. «Ich bin<br />
mit meinen Eltern herumgelaufen, wir haben darauf<br />
geachtet, dass wir bloß nicht bei Rot die Straße überquerten.<br />
Wir sind hergekommen und haben uns langsam<br />
und vorsichtig umgesehen – was und wie, wo<br />
gibt es Arbeit. Die kommen einfach hierher und Frau<br />
Merkel gibt ihnen alles: Wohnungen und so weiter.<br />
Dabei spucken sie auf alles.»<br />
«Die kommen einfach hierher, und<br />
Frau Merkel gibt ihnen alles.»<br />
Ihren Siedepunkt erreichte die Stimmung auch,<br />
weil Lisas Vergewaltigung keinesfalls ein Einzelfall<br />
ist. Im Gegenteil: Immer wieder begehen Asylbewerber<br />
und muslimische Migranten brutale Sexualstraftaten.<br />
Zur gleichen Zeit, als die Lügenpresse im Januar<br />
in Berlin auf eine «erfundene Vergewaltigung» hoffte,<br />
wurde in Kiel eine junge Frau «von drei Männern<br />
südländischen Aussehens verfolgt, (…) hinter einen<br />
Sicherungskasten gezogen und gegen ihren Willen<br />
angefasst», wie die örtliche Polizei angab. In Lehrte<br />
verfolgten zwei Männer eine 25-Jährige und forderten<br />
sie auf, «die Beine breit zu machen». Einer der<br />
Täter hatte nach Polizeiangaben einen «etwas dunkleren<br />
Teint». Auch die Polizei in Nordstadt ermittelte<br />
Ende Januar wegen einer versuchten Vergewaltigung.<br />
«Der deutsch und arabisch sprechende Gesuchte» ließ<br />
von seinem Opfer ab, nachdem er von einer Personengruppe<br />
gestört wurde. Im hessischen Friedberg entging<br />
eine 48-Jährige nur durch heftigen Widerstand<br />
einer Vergewaltigung durch zwei Männer, die «sich<br />
auf Arabisch unterhalten» hätten.<br />
Putin ist Schuld<br />
Die Nazikeule schüchterte die Russlanddeutschen<br />
nicht ein, die Proteste wurden größer – auch in anderen<br />
Städten gingen mittlerweile Tausende auf die<br />
Straße. Nachdem Moskaus Außenminister Sergej<br />
Lawrow das Thema auf seiner dreistündigen Neujahrs-Pressekonferenz<br />
kurz ansprach, mutierte Lisas<br />
Schicksal zur angeblichen Kreml-Kampagne. Von<br />
«Russen-Propaganda» schrieb die Bild-Zeitung. Der<br />
einstige Tagesthemen-Moderator Ulrich Wickert witterte<br />
die Gelegenheit für eine Verschwörungstheorie.<br />
In der Wirtschaftswoche vom 30. Januar hielt er<br />
es «nicht für ausgeschlossen, dass der russische Geheimdienst<br />
den Begriff ”Lügenpresse” in Deutschland<br />
verbreitet hat». Selbstkritische Töne waren selten.<br />
«Leider ist diese [russische] Propaganda so erfolgreich,<br />
weil es einen massiven Vertrauensverlust bei<br />
uns gibt, in Politik, Medien, Polizei und Justiz. Daran<br />
sind wir selbst schuld, nicht Moskau», betonte allerdings<br />
selbst der als Putin-kritisch bekannte Journalist<br />
Boris Reitschuster im Focus.<br />
Doch gab es die angebliche Kreml-Propaganda im<br />
Fall Lisa überhaupt? Anwalt Danckwardt gab Medien<br />
aus beiden Ländern Interviews. «Das russische Fernsehen<br />
hat meine Äußerungen jedenfalls ungeschnitten<br />
und im Originalton gesendet, teilweise sogar<br />
live. Das ZDF-Morgenmagazin hingegen hat es fertiggebracht,<br />
meine Aussagen so zu schneiden, dass<br />
sie in ihr Gegenteil verdreht wurden», sagte er der<br />
Jungen Welt.<br />
Tatsächlich hatte Berlins Staatsanwaltschaft mittlerweile<br />
endlich eingeräumt, dass Lisa sexuell missbraucht<br />
wurde – wenn auch zu einem anderen Zeitpunkt.<br />
Doch die Medien geiferten trotzdem weiter<br />
und sprachen von «Vergewaltigungslüge» (Berliner<br />
Zeitung). «Es gab weder eine Vergewaltigung noch<br />
Sex», beschwichtigte der Berliner Kurier. Der Tagesspiegel<br />
käute erneut die Darstellung wider, «vor dem<br />
Verschwinden des Mädchens sei es eventuell zu einvernehmlichen<br />
Sexualkontakten gekommen». Wie es<br />
Lisa geht, fragte keiner der Schmierenjournalisten.<br />
Sie befindet sich seit Ende Januar in stationärer psychiatrischer<br />
Behandlung. Dass ihre Peiniger vom Oktober<br />
in Untersuchungshaft säßen, ist dagegen nicht<br />
bekannt.<br />
Russlanddeutsche<br />
Rund vier Millionen Russlanddeutsche<br />
leben heute in der<br />
Bundesrepublik. Der Sammelbegriff<br />
umfasst zum einen die<br />
größte Gruppe, die als Angehörige<br />
der deutschen Minderheit –<br />
früher zumeist Wolgadeutsche<br />
genannt – in mehreren Wellen<br />
einreisten. Hinzu kommen russische<br />
Auswanderer und sogenannte<br />
jüdische Kontingentflüchtlinge.<br />
Ihre Integration gilt<br />
seit Ende der 1990er Jahre als<br />
weitgehend abgeschlossen. Bekannte<br />
Russlanddeutsche sind<br />
etwa der frühere Boxweltmeister<br />
Robert Stieglitz, der Fußball-<br />
Nationalspieler Roman Neustädter<br />
sowie die Sängerinnen<br />
Jule Neigel und Helene Fischer.<br />
Helene Fischer 2013. Foto: Sandra<br />
Ludewig/Universal Music GmbH<br />
Auch Russlands Außenminister<br />
Sergej Lawrow zeigte sich besorgt<br />
über die wachsende Migrantenkriminalität<br />
in Deutschland.<br />
Foto: Valeriy Sharifulin/MID<br />
27
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Aus dem Logbuch der Gleichschaltung<br />
_ von Nils Röcke<br />
Die GEZ-Medien werden von der Regierung instrumentalisiert,<br />
kritische Positionen sind unerwünscht, regimetreue Seilschaften<br />
erdrosseln den Pluralismus. Unser Autor weiß, wovon er schreibt,<br />
denn er arbeitet seit 30 Jahren für öffentlich-rechtliche Sender.<br />
Anruf vom Minister<br />
Erste Zweifel an der Wahrhaftigkeit meiner Arbeitgeber<br />
kamen mir vor gut 20 Jahren. Damals nahm ich<br />
ein Interview mit einem Fachmann für Reaktorsicherheit<br />
auf. Ich stellte kritische Fragen, benannte dabei<br />
zahlreiche Reaktorpannen der Vergangenheit, stellte<br />
diese in einen größeren Zusammenhang. Rund 20<br />
Minuten nach der Aufzeichnung bat mich der Abteilungsleiter<br />
in sein Büro. Er wies an, das Gespräch «keinesfalls<br />
zu senden». Denn es könne «für unnötige Irritationen<br />
in der Landespolitik sorgen». Ein Anruf aus<br />
dem Ministerium hatte ihn offenbar zu diesem Eingriff<br />
veranlasst.<br />
Szenenwechsel, diese Episode spielt viele Jahre<br />
später. Durch Zufall höre ich, wie sich Kollegen einer<br />
anderen Organisationseinheit über die Honorierung<br />
eines Moderators unterhalten. Es geht um den Ehemann<br />
der Intendantin, im Sender gestaltet er einmal<br />
wöchentlich eine Oldie-Sendung. Man sieht ihn nur<br />
äußerst selten im Funkhaus, dennoch bekommt er im<br />
Vergleich zu anderen freiberuflichen Kollegen sehr viel<br />
Geld überwiesen. Zufall? Nicht wirklich, denn die Radiochefin<br />
galt seinerzeit als die «beste Freundin» des<br />
Ehepaares. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.<br />
28<br />
Kritik unerwünscht: Wegen<br />
hoher Hürden war in der zehnten<br />
Amtsperiode des WDR-Programmausschusses<br />
nur eine einzige<br />
Programmbeschwerde erfolgreich.<br />
Foto: IMAGO<br />
Medien: Macht und<br />
Einfluss<br />
Umfrage vom Dezember 2015:<br />
Zeichnen die Medien ein zutreffendes<br />
Bild von Flüchtlingen?<br />
Ja<br />
25%<br />
NEIN<br />
53%<br />
22% unentschieden<br />
Quelle: Institut für Demoskopie<br />
Allensbach<br />
Guten Tag! Ich bin Vater von zwei Kindern, lebe in<br />
Süddeutschland und arbeite seit über 30 Jahren für<br />
den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Nach dem Lesen<br />
dieses Artikels werden Sie sicher verstehen, warum<br />
ich diese Zeilen unter Pseudonym schreibe.<br />
In diesen bewegten Tagen würde ich am liebsten<br />
in die Redaktion fahren und allen Menschen die<br />
Wahrheit entgegenrufen. Ich würde gerne sagen: «Es<br />
ist vorbei. Merkel hat es vergeigt. Wir werden überrannt,<br />
Frontex versagt auf ganzer Linie, wir können<br />
den Wahnsinn jetzt nicht mehr stoppen. Die nächsten<br />
Hunderttausend sind schon auf dem Weg. Und nur einen<br />
Bruchteil der Migranten werden wir jemals wieder<br />
los. Wir werden untergehen, wenn wir so weitermachen.<br />
Lasst uns das so senden – gleich jetzt!»<br />
Es wäre endlich mal das Gegenteil von Lügenpresse,<br />
es käme der Wahrheit deutlich näher. Unangenehme<br />
Tatsachen zu verbreiten, das macht nicht immer<br />
Freunde – und selten eine gute Stimmung. Doch<br />
es wäre verdammt nochmal unsere journalistische<br />
Pflicht. Doch nicht einmal auf der täglichen Konferenz<br />
darf ich es so offen ansprechen. Man würde mich anschließend<br />
in die braune Ecke stellen.<br />
Im NDR werden Mitarbeiter regelmäßig<br />
angewiesen, die Migrationsprobleme<br />
nicht allzu deutlich<br />
herauszustellen.<br />
Das sind nur zwei Beispiele aus einer langen Reihe<br />
von filzigen Merkwürdigkeiten, die mich über die Jahre<br />
beschäftigt haben. Zusammen mit kritischen Kollegen<br />
tat ich es als «üblichen Verschnitt wie in jedem<br />
Unternehmen» ab. Doch seit Beginn der Flüchtlingskrise<br />
kommen mir größere Zweifel. Es wird also gelogen?<br />
Ja! Zumindest wird die Wahrheit bis zur Unerträglichkeit<br />
gedehnt. Beweise? Nun, erst kürzlich verplapperte<br />
sich die Kollegin Claudia Zimmermann vom<br />
WDR in aller Öffentlichkeit. Sie sagte in einem Live-<br />
Interview mit dem niederländischen Regionalradio Limburg<br />
1: «Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks<br />
sind angewiesen, sich in der Berichterstattung<br />
zur Flüchtlingspolitik an der Linie der Bundesregierung<br />
zu orientieren.» Nachdem ihr die WDR-Studioleitung<br />
sanft und sorgfältig die Konsequenzen ihres Handelns<br />
klargemacht hatte, ruderte sie brav zurück, sprach von
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
«unangenehmen Missverständnissen». Ein Einzelfall?<br />
Wohl kaum. Im NDR weist der Wortchef einer Redaktion<br />
seine Mitarbeiter regelmäßig an, die Probleme<br />
rund um Migration nicht allzu deutlich herauszustellen.<br />
Man möge doch bitte gutgelaunt nach vorne<br />
schauen und «dem Ganzen etwas Fröhliches abgewinnen».<br />
Redaktionen stehen unter massivem Druck. Von<br />
oben der Wunsch nach Unauffälligkeit. Von unten diktieren<br />
die Sozialen Medien die Agenda. Medien wie<br />
Facebook zeichnen längst das realistischere Bild von<br />
Deutschland. Längst haben also journalistische Laien<br />
unsere Arbeit übernommen. Gebührenzahler posten<br />
Videos und Texte aus der Umgebung von Flüchtlingsheimen,<br />
sie dokumentieren Übergriffe und Gewalt in<br />
der S-Bahn. Themen, die bei uns einfach nicht mehr<br />
stattfinden dürfen.<br />
«Es gibt tatsächlich Anweisungen<br />
von oben.» <br />
Wolfgang Herles<br />
Bezeichnend für das Versagen des öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunks ist auch, dass die kritische Berichterstattung<br />
mittlerweile von Kollegen beim Privatfernsehen<br />
geleistet wird. Dort sind es aufrechte Menschen<br />
wie der erfahrene RTL-Journalist Jörg Zajonc,<br />
die unangenehme Wahrheiten offen aussprechen.<br />
Auch im SAT.1-Frühstücksfernsehen sind die Nachrichten<br />
dankenswerterweise noch nicht gleichgeschaltet.<br />
Hier hört man morgens auch mal kritische Töne, wenn<br />
Städte und Kommunen Tausende von Asylbewerbern<br />
für Millionenbeträge in Vier- oder Fünf-Sterne-Hotels<br />
einquartieren.<br />
Merkels Geheimkonferenz<br />
Auch in öffentlich-rechtlichen Häusern haben erste<br />
Führungskräfte das von oben verordnete Schmierentheater<br />
offenbar satt. So sagte Wolfgang Herles<br />
(ehemaliger Studioleiter des ZDF in Bonn) Ende Januar<br />
im Deutschlandradio: «Die Themen, über die berichtet<br />
wird, werden von der Regierung vorgegeben. (…)<br />
Es gibt tatsächlich Anweisungen von oben. (…) Das<br />
ist Regierungsjournalismus und das führt dazu, dass<br />
Leute das Vertrauen in uns verlieren.»<br />
Doch die Wahrheit ist wie ein Virus, das sich langsam,<br />
aber sicher in den Gängen unserer Sender verbreitet.<br />
Erst vor wenigen Tagen flüsterte mir ein Kollege<br />
einen Satz mit Sprengkraft ins Ohr, dass er von<br />
einem Geheimtreffen der Intendanten im Kanzleramt<br />
gehört habe. Angeblich organisiert vom Kanzleramtsminister.<br />
Persönlich habe Merkel bei dieser Zusammenkunft<br />
den Kurs für die weitere Berichterstattung<br />
ausgegeben. Der Termin war offenbar so geheim, dass<br />
mehrere Intendanten ihre Anreise in privater Disposition<br />
gebucht haben. Den Wahrheitsgehalt dieser Aussage<br />
kann ich nicht überprüfen, doch es gibt Indizien<br />
aus mehreren Häusern.<br />
Häufig fahre ich in diesen Tagen abends von der Arbeit<br />
nach Hause und zweifle mehr denn je an meinem<br />
Job. Ich schäme mich für die unter den Tisch gefallenen<br />
Meldungen des Tages, für mein Verhalten und<br />
das meiner Kollegen. Denn mit dieser gebückten Haltung<br />
verraten wir unseren Berufsstand, unsere Ideale,<br />
unser Land und unsere Demokratie. Und das dürften<br />
wir schon bald bitter bereuen.<br />
Tanz der Vampire<br />
«Die CDU ist geschafft. Sie ist<br />
weder tot noch lebendig. Eine<br />
Untote. Ein Zombie. Blutleer und<br />
ausgelaugt. Der liebevoll-spöttische<br />
Ehrenname Mutti für ihre<br />
Führerin ist verkehrt, das Gegenteil<br />
richtig. Merkel nährt nicht,<br />
sondern saugt. Sie hat aus der<br />
CDU jede Weltanschauung heraus<br />
gezutzelt. Übrig geblieben<br />
ist nichts als ein gefallsüchtiger<br />
Populismus der Mitte. Es gibt<br />
die CDU noch als Merkel-Fanclub,<br />
aber nicht mehr als lebendige<br />
demokratische Kraft. Merkel<br />
und ihre Partei haben lange<br />
keinen Schatten mehr geworfen<br />
und waren auch in Spiegeln<br />
nicht mehr zu erkennen. Jetzt<br />
erst merkt die CDU allmählich,<br />
dass die Party, auf der sie sich<br />
lange vergnügt hat, ein Tanz der<br />
Vampire gewesen ist. Der Traum<br />
von der absoluten Herrschaft<br />
über den deutschen Mainstream<br />
fällt ins Schloss wie der Sargdeckel<br />
beim ersten Sonnenstrahl.<br />
Folgt nun ein Aufstand der Vampire?<br />
Wer hat noch Saft in den<br />
Adern? Ein Gehirn, das nicht<br />
durchblutet ist, taugt nicht zum<br />
Denken.» (Wolfgang Herles,<br />
langjähriger ZDF-Frontmann, am<br />
31. Oktober 2015 auf rolandtichy.de)<br />
Wolfgang Herles entwickelte<br />
unter anderem die Sendung «Bonn<br />
direkt». Foto: Mathias Bothor/photoselection/Fischerverlag<br />
In der Asylkrise zeigten die Öffentlich-Rechtlichen<br />
am liebsten Flüchtlingsfamilien,<br />
was nicht repräsentativ<br />
war. Foto: Screenshot ARD<br />
_ Nils Röcke (Pseudonym) arbeitet<br />
seit über 30 Jahren für öffentlichrechtliche<br />
Sender wie NDR, WDR,<br />
BR, SR und ZDF. Er ist verheiratet,<br />
hat zwei Kinder und lebt in Süddeutschland.<br />
29
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Bielefeld ist überall<br />
_ von Hans-Hermann Gockel<br />
Alltag in einer deutschen Kommune: Die Verwaltung schönt die Zahl<br />
der Flüchtlinge. Die Jugendhilfe kollabiert, weil sie der Flut nicht<br />
mehr gewachsen ist. Und die Polizei spricht von Opferschutz – aber<br />
schützt eher die Täter.<br />
Es leben fast<br />
doppelt so viele<br />
Asylanten in Bielefeld<br />
wie offiziell<br />
zugegeben.<br />
Bielefeld, 14. Januar <strong>2016</strong>: Edith M. wird im Bürgerpark<br />
von einem arabisch sprechenden Mann belästigt.<br />
Er presst die Frau an sich und versucht, sie zu küssen.<br />
«Marry me!» (Heirate mich!) Erst als Passanten<br />
herbeieilen, kann sich die Rentnerin aus dem Griff des<br />
Unbekannten befreien. Er verschwindet in der nahe<br />
gelegenen Almhalle. Dort hat die Stadt Bielefeld 200<br />
Flüchtlinge untergebracht, zumeist Alleinreisende aus<br />
Nordafrika und dem arabischen Raum. Die Almhalle<br />
ist die dritte Sporthalle, die binnen fünf Wochen für<br />
Asylsuchende in Beschlag genommen wurde. Und mit<br />
Sicher heit ist sie nicht die letzte. «Wir stehen mit dem<br />
Rücken zur Wand», sagt der Baudezernent: «Wenn das<br />
so weitergeht, müssen wir jede Woche eine Turnhalle<br />
vom Netz nehmen.»<br />
Bis zu 500 Männer versuchten, sich<br />
mit Gewalt Zugang zu der Diskothek<br />
Elephant Club zu verschaffen.<br />
Foto: Elephant Club Bielefeld<br />
Im März <strong>2016</strong> leben – offiziell – 5.800 Flüchtlinge<br />
in Bielefeld. Das ist jedenfalls die Zahl, die den Bürgern<br />
genannt wird. Tatsächlich sind es fast doppelt<br />
so viele, weit mehr als 10.000. Das liegt an der «informellen<br />
Zuwanderung», was aber nur innerhalb der<br />
Verwaltung so deutlich formuliert wird. Die Bielefelder<br />
sollen davon nichts erfahren. «Informelle Zuwanderung»<br />
bedeutet: Anerkannte Asylbewerber ziehen<br />
dorthin, wo bereits Freunde oder Verwandte leben.<br />
Bielefeld beherbergt inzwischen die bundesweit<br />
größte Volksgruppe der Jesiden, ursprünglich ansässig<br />
im Norden des Iraks. In der «offiziellen» Bielefelder<br />
Flüchtlingsstatistik tauchen diese Menschen nicht<br />
mehr auf, die nun in ihrer Mehrzahl Sozialhilfe oder<br />
Leistungen nach Hartz IV beziehen.<br />
Rapefugees in Aktion<br />
Edith M. traut sich abends nicht mehr allein durch<br />
den Bürgerpark. Ihre Tochter, eine Ärztin, will mit ihr<br />
zur Polizei, das Geschehene anzeigen. Die Enkelin<br />
rät davon ab: «Das bringt nichts. Sie werden Euch<br />
dort nicht helfen.» Die Schülerin des Max-Planck-<br />
Gymnasiums weiß, wovon sie spricht. Sie war in der<br />
Silvesternacht mit Freundinnen am Boulevard unterwegs,<br />
der Bielefelder Partymeile. Dort war das Quintett,<br />
wie Dutzende Frauen in dieser Nacht, aus einer<br />
Gruppe von 150 aggressiv auftretenden Migranten<br />
heraus sexuell bedrängt und belästigt worden. Die<br />
Freundinnen baten anwesende Polizisten um Hilfe.<br />
Doch die winkten ab. Erst die Türsteher einer Diskothek<br />
griffen ein: Mit Reizgas und Feuerlöschern<br />
konnte der Mob in Schach gehalten werden.<br />
30<br />
Noch sechs Tage später wird Achim Ridder, der<br />
Sprecher der Bielefelder Polizei, erklären, es habe in<br />
der Silvesternacht am Boulevard keine Anlässe gegeben,<br />
die nicht typisch für ein Wochenend- beziehungsweise<br />
Silvestergeschehen seien. Der Pressebericht<br />
seiner Behörde habe die Vorkommnisse deshalb<br />
gar nicht erst aufgeführt. Ridder: «Warum sollten wir<br />
darüber berichten?»
Die Polizei hat nicht nur eine eigene Sicht der Dinge.<br />
Sie verschanzt sich auch gerne hinter dem Begriff<br />
«Opferschutz». Dennoch kommt alles heraus, weil<br />
es immer mehr Beamte gibt, die ungern mit einem<br />
Maulkorb durchs Leben laufen. Der konkrete Fall: Drei<br />
junge Männer, der Wortführer ein 18-jähriger Iraker,<br />
bieten am 4. Januar einer Mädchengruppe Mix-Getränke<br />
an – nicht nur mit Alkohol darin, sondern vermutlich<br />
auch mit K.-o.-Tropfen. Eine geistig behinderte<br />
14-Jährige wird bewusstlos. Ihre Freundin findet<br />
sie später auf einer dreckigen Matratze im Keller eines<br />
Wohnblocks. Alles spricht dafür, dass das Mädchen<br />
vergewaltigt wurde. Das Opfer ist so zugerichtet,<br />
dass es tagelang in einer Klinik versorgt werden muss.<br />
Der Iraker war offenbar schon lange zur Abschiebung<br />
ausgeschrieben. Das alles ist der Polizei im täglichen<br />
Pressebericht keine Zeile wert.<br />
Politisch korrekte Sprachtabus<br />
In Bielefeld ist man – um es milde auszudrücken –<br />
sehr zurückhaltend, wenn es um mutmaßliche Straftaten<br />
von Migranten und Asylbewerbern geht. Vielleicht<br />
hat die Polizeipräsidentin Dr. Katharina Giere eine Vorgabe<br />
des NRW-Innenministeriums zu sehr verinnerlicht.<br />
Der Runderlass stammt aus dem Jahre 2008.<br />
Unter der Überschrift «Leitlinien für die Polizei des<br />
Landes NRW zum Schutz nationaler Minderheiten vor<br />
Diskriminierungen» werden die Polizeibehörden angewiesen,<br />
«beim internen wie externen Gebrauch jede<br />
Begrifflichkeit» zu vermeiden, «die von Dritten zur Abwertung<br />
von Menschen missbraucht beziehungsweise<br />
umfunktioniert oder in deren Sinne interpretiert werden<br />
kann». Und: Die Herkunft von Straftätern oder Verdächtigen<br />
ist nur dann zu nennen, «wenn im Einzelfall<br />
ein überwiegendes Informationsinteresse oder ein<br />
Fahndungsinteresse besteht». Es drängt sich die Frage<br />
auf: Sollen Straftaten von Migranten – insbesondere<br />
von Asylsuchenden – damit ganz bewusst verschwiegen<br />
werden?<br />
Eine geistig behinderte 14-Jährige<br />
wurde brutal überfallen.<br />
Der Bielefelder Sozialdezernent Ingo Nürnberger<br />
(SPD) sagt offenbar ebenfalls nicht alles, was er weiß.<br />
Auch hier zunächst die Fakten. In Bielefeld gibt es regelmäßig<br />
am Rosenmontag einen Jugendkarneval im<br />
Ringlokschuppen (Eintritt nur für 14- bis 18-Jährige).<br />
Veranstalter sind das Jugendamt der Stadt, die Bezirksvertretung<br />
Bielefeld-Mitte und der Jugendring.<br />
Erst im Vorfeld der Planungen für <strong>2016</strong> erfährt die Öffentlichkeit,<br />
dass es sowohl 2014 als auch 2015 massive<br />
sexuelle Übergriffe durch Migranten gab. Mitarbeiter<br />
des Sicherheitsdienstes nennen sogar die Nationalität<br />
der Täter: Es waren Afghanen, Albaner und<br />
Iraker. Nürnberger, mit den Fakten konfrontiert, hüllt<br />
sich zunächst weiter in Schweigen. Dann endlich sieht<br />
er sich offenbar doch genötigt, die Übergriffe zu bestätigen.<br />
Zu den Nationalitäten der Täter sagt er weiterhin<br />
nichts.<br />
Am Kesselbrink-Platz in Bielefeld,<br />
einem der größten Skateparks<br />
Deutschlands, toben sich die<br />
Rapefugees nicht aus. Foto: picture<br />
alliance / Robert B. Fishman<br />
Brennpunkte<br />
Verteilung von Asylanten im Jahr<br />
2015 (in Prozent).<br />
3,4%<br />
2,0%<br />
2,5%<br />
0,9%<br />
9,4%<br />
5,0%<br />
NRW<br />
Bielefeld<br />
2,9%<br />
21,2%<br />
7,3%<br />
4,8%<br />
1,2%<br />
2,7%<br />
15,3%<br />
5,1%<br />
12,9%<br />
Im Jahr 2015 nahm NRW die<br />
Meisten und Bremen die Wenigsten<br />
Neuankömmlinge auf.<br />
Quelle: <strong>COMPACT</strong>-Recherche<br />
31
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Kollateralschaden<br />
Tod<br />
Im Zuständigkeitsbereich des<br />
Bielefelder Sozialdezernats<br />
knirscht und kracht es an allen<br />
Ecken und Enden. Das Jugendhilfesystem<br />
der Stadt steht am<br />
Rande des Zusammenbruchs.<br />
Es geht um das Schicksal eines<br />
dreieinhalb Monate alten<br />
Babys. Die Drogensucht des<br />
32-jährigen Vaters, die nach den<br />
Ermittlungen der Mordkommission<br />
«Zwilling» ein Grund für<br />
den gewaltsamen Tod des Säuglings<br />
am 24. November 2015<br />
sein dürfte, war dem Jugendamt<br />
bekannt.Ttrotzdem geschah<br />
nichts. Waren die Sozialarbeiter<br />
durch die Flüchtlingsbetreuung<br />
überlastet?<br />
Jugendamtsleiter Georg Epp, Sozialdezernent<br />
Ingo Nürnberger und<br />
dessen Referentin Kerstin Beckmann-Schönwälder.<br />
Foto: Christian Mathiesen<br />
Jugendbanden schlagen zu<br />
Allem Anschein nach hat der Mann sein Dezernat<br />
nicht im Griff. Anders sind die katastrophalen Zustände<br />
in der Bielefelder Jugendbetreuung nicht zu erklären.<br />
In mindestens einem Fall hatte das bereits dramatische<br />
Folgen für Leib und Leben eines Unbeteiligten.<br />
Der Skandal: In der Silvesternacht um 23.30 Uhr schlagen<br />
mehrere «unbegleitete minderjährige Flüchtlinge»<br />
auf dem Bahnhof der Stadt Hamm – sie liegt knapp 80<br />
Kilometer von Bielefeld entfernt – einen 40-Jährigen<br />
brutal zusammen. Der Mann wird schwer verletzt. Die<br />
Bundespolizei hat Mühe, die Täter (13, 14, 15, 16 und<br />
17 Jahre alt) zu überwältigen. Dann die Überraschung:<br />
Vier der fünf Jugendlichen, darunter der 13-Jährige,<br />
geben als Wohnsitz Einrichtungen für «unbegleitete<br />
minderjährige Flüchtlinge» in Bielefeld an.<br />
Für die Unterbringung der Jugendlichen<br />
zahlt die Stadt 5.000 Euro<br />
pro Kopf und Monat.<br />
Noch in der Nacht wird von der Bundespolizei ein<br />
Sozialarbeiter aus Bielefeld nach Hamm beordert, um<br />
zumindest den 13-Jährigen so schnell wie möglich<br />
wieder in sein Bettchen zu bringen. Keiner der Jugendlichen<br />
war offenbar von seinen Betreuern vermisst<br />
worden. Minderjährige, die unter der Obhut des<br />
Jugendamtes stehen, können in Bielefeld scheinbar<br />
machen, was sie wollen. Tag und Nacht. Sie könnten<br />
saufen, koksen, randalieren oder rauben – keinem Betreuer<br />
oder Sozialarbeiter würde es womöglich auffallen.<br />
Oder sie schlagen einen Menschen krankenhausreif.<br />
Die «unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge»,<br />
von den deutschen Behörden unter dem Verwaltungskürzel<br />
UMF geführt, bedeuten für die Betreiber entsprechender<br />
Wohngruppen einen gewaltigen Umsatz.<br />
Für Unterbringung und Betreuung zahlen die Jugendämter<br />
pro Platz etwa 5.000 Euro im Monat. Das macht<br />
60.000 Euro im Jahr. Das berichtet das in Bielefeld erscheinende<br />
Westfalen-Blatt und zitiert eine Insiderin:<br />
«Das ist ein richtiger Geschäftszweig geworden. Ich<br />
kenne Häuser, in die mehr Betten als eigentlich vorgesehen<br />
gestellt werden, weil halt jedes Bett 60.000<br />
Euro Umsatz im Jahr bedeutet.» Das Geld gehe in der<br />
Regel an Organisationen wie AWO oder Bethel, die<br />
entsprechende Wohngruppen unterhielten. Hübsche<br />
Beträge kommen da zusammen. Gibt es dafür aber<br />
auch die vom Gesetzgeber geforderte intensive Fürsorge<br />
und Betreuung? Oder handelt man inzwischen<br />
nur noch nach dem Motto: Augen zu und durch, egal<br />
was es kostet und egal, ob es etwas nützt?<br />
Bleibt noch, auf ein Wort des Bielefelder Oberbürgermeisters<br />
Pit Clausen zu verweisen – wie sein Sozialdezernent<br />
ein Mann der SPD. Clausen sprach vor<br />
100 geladenen Gästen von einem «Willkommensmärchen»<br />
in Bielefeld. Der Oberbürgermeister meinte das<br />
keinesfalls ironisch. Er meinte das ernst. Nicht nur die<br />
Rentnerin Edith M. dürfte das anders sehen.<br />
Die Belagerung hält an: Männer vor<br />
der Außenstelle des Bundesamtes<br />
für Migration und Flüchtlinge in<br />
Bielefeld. Foto: Andreas Frücht/<br />
nw.de<br />
32<br />
_ Hans-Hermann Gockel hat als<br />
TV-Journalist viele Jahre für RTL,<br />
Sat1 und N24 gearbeitet. Heute ist<br />
er freier Journalist und Produzent.<br />
Vor Kurzem ist sein Buch «Finale<br />
Deutschland – Asyl, Islam, Innere<br />
Sicherheit. Mit Klartext gegen die<br />
Gedankenfeigheit» (HHG-Verlag,<br />
19,99 Euro) erschienen.
Der Boulevard-Kanzler<br />
_ von Klaus Faißner<br />
Hier redet nur einer: Faymann und<br />
Merkel auf einer gemeinsamen<br />
Pressekonferenz in Berlin. Foto: SZ<br />
Photo/Metodi Popow<br />
Der österreichische Regierungschef ist der treueste Knappe von Angela Merkel in der<br />
aktuellen Zuwanderungspolitik. Im eigenen Volk unbeliebter als jeder seiner Vorgänger,<br />
kann er sich auf ein großes Netzwerk geneigter Lobbyisten und Medienzaren stützen.<br />
Er habe genau gewusst, was zu tun sei, erklärte<br />
Werner Faymann – «nämlich die deutsche Kanzlerin<br />
anrufen». Wir schreiben den 4. September 2015, für<br />
die Welt am Sonntag (WamS) «der wichtigste Tag in<br />
Angela Merkels Kanzlerschaft». Aus Ungarn fluten<br />
Zehntausende sogenannter Flüchtlinge auf die Grenzen<br />
der Alpenrepublik zu – was ist zu tun? «Die Kanzlerin<br />
entscheidet: Zwischen 23 Uhr und Mitternacht<br />
sagt sie zu Faymann: Wir machen es.» (WamS) Gemeint:<br />
Die Öffnung aller Grenzen in beiden Staaten,<br />
der Verzicht auf jegliche Kontrolle.<br />
Die Regierungschefin hatte keine Rücksprache mit<br />
dem Bundestag oder wenigstens den Fraktionsvorsitzenden<br />
genommen, nicht einmal CSU-Chef Horst Seehofer<br />
wurde informiert. Einzig den Kanzler des Nachbarlandes<br />
zog sie ins Vertrauen. Warum wohl? «Wenn<br />
der zu mir ins Büro kommt, dann hat er meistens keine<br />
Meinung; wenn er rausgeht, dann hat er meistens<br />
meine Meinung», soll Merkel laut Spiegel über ihren<br />
Amtskollegen gesagt haben. Faymann definiere<br />
sein politisches Credo in kleinem Kreis so: «Man muss<br />
durch einen Bienenschwarm gehen können, ohne gestochen<br />
zu werden.» Dass Faymann der Kanzlerin das<br />
Ja-Wort zur Öffnung der Schlagbäume gab, stieß in<br />
jenen Tagen in Österreich kaum auf Ablehnung, da<br />
das Land gerade in einer Art Schockstarre war. Eine<br />
Woche zuvor, am 27. August 2015, waren in einem<br />
Schlepper-Lkw auf der A4 im Burgenland 71 Tote gefunden<br />
worden. Seither hatte dieses Thema die Titelseiten<br />
beherrscht. Deshalb scheuten sich viele, die gesetzwidrige<br />
Refugee-Welcome-Politik zu kritisieren.<br />
Faymann nutzte auch gleich die Gelegenheit, um<br />
wieder einmal den ungarischen Premier Viktor Orbán<br />
anzugreifen: Dessen fast fertiggestellter Grenzzaun<br />
sei «kein Empfang für die, die Hilfe dringend brauchen».<br />
Wenige Tage später verglich der Sozialdemokrat<br />
im Spiegel Orbáns Politik mit den Judendeportationen<br />
im 3. Reich: «Flüchtlinge in Züge zu stecken<br />
in dem Glauben, sie würden ganz woandershin fahren,<br />
weckt Erinnerungen an die dunkelste Zeit unseres<br />
Kontinents.»<br />
Obergrenze als Placebo<br />
Meist nicht in Züge, sondern in Busse steckte fortan<br />
die österreichische Regierung die Asylantenmassen.<br />
Unfassbare 677.000 Einwanderer wurden nach offiziellen<br />
Zahlen zwischen dem 4. September und dem<br />
31. Dezember durch das kleine Land geschleust – das<br />
Gros nach Deutschland. Die zusätzliche Zahl der nicht<br />
Das System Faymann/Häupl ist<br />
gekennzeichnet durch ein besonders<br />
inniges Verhältnis zum Boulevard.<br />
Foto: APA/Herbert Neubauer<br />
«Wenn er rausgeht,<br />
dann hat er<br />
meistens meine<br />
Meinung.»<br />
Merkel über Faymann<br />
33
Das Aufnahmelager Spielfeld an<br />
der Grenze zu Slowenien wurde<br />
zum Symbol für den Ansturm der<br />
Illegalen auf Österreich.<br />
Foto: picture alliance/dpa<br />
«Staatsfeind».<br />
Strache über Faymann<br />
Die Flut<br />
Anzahl der Asylanträge in Österreich<br />
vom November 2014 bis<br />
November 2015<br />
11.931<br />
3.692<br />
6.393<br />
8.797<br />
erfassten und untergetauchten Illegalen ist unbekannt.<br />
Rund 90.000 der Neuankömmlinge wollten in Österreich<br />
bleiben und forderten Asyl, 2014 waren es nur<br />
28.000 gewesen. Oppositionsführer Heinz-Christian<br />
Strache von der FPÖ bezeichnete Faymann in der Folge<br />
als «Staatsfeind», forderte seinen Rücktritt und bekam<br />
dafür im Volk viel Zustimmung.<br />
Am 20. Januar sah sich die rot-schwarze Bundesregierung<br />
auch deswegen dazu veranlasst, für <strong>2016</strong><br />
eine Obergrenze von 37.500 Asylanträgen und bis<br />
2019 von maximal 127.500 zu verkünden. Mit Aussagen<br />
wie «Es gibt keine Obergrenze des Asylrechts»<br />
hatte sich Faymann bis zuletzt mit Händen und Füßen<br />
gegen jede Beschränkung gewehrt. Es war nicht das<br />
erste Mal, dass er seine Meinung änderte: Im Juni<br />
2008 hatte Faymann mit einem Brief an Kronen-Zeitung-Herausgeber<br />
Hans Dichand informell das Ruder<br />
in der SPÖ übernommen. Nachdem die Partei zuvor<br />
gegen den Willen der Bürgermehrheit keine Volksabstimmung<br />
über den EU-Vertrag von Lissabon zugelassen<br />
hatte, versprach Faymann in diesem Schreiben,<br />
sich bei künftigen EU-Vertragsänderungen für<br />
Volksabstimmungen einzusetzen. Als gut zwei Jahre<br />
später derselbe Vertrag mit Milliardenzahlungen<br />
für sogenannte Euro-Rettungsschirme gebrochen wurde,<br />
verweigerte der Ober-Sozi jedoch ein Referendum.<br />
«Ich hab‘s nicht versprochen», erklärte er lapidar.<br />
besprochen, fahren die Österreicher ihre Flüchtlinge,<br />
die weiter nach Deutschland wollen, direkt an diese<br />
drei Orte [Freilassing, Passau, Kufstein].» Der SPÖ-<br />
Kanzler will also seine eigene Haut retten, indem er<br />
die Ankommenden weiter in die Bundesrepublik durchwinkt…<br />
Seine Freundin in Berlin dürfte wenig erfreut<br />
über diesen Trick gewesen sein, zumal sie selbst es bis<br />
dato standhaft ablehnt, das Wort «Obergrenze» auch<br />
nur in den Mund zu nehmen.<br />
Auch Faymann spricht seither lieber von einem bloßen<br />
«Richtwert», was der Kanzlerin hilft, ihm selbst<br />
aber zu Hause weiter Rückhalt kostet. Dies könnte die<br />
Bundespräsidentschaftswahl am 24. April zu einem<br />
Desaster werden lassen: Nicht ausgeschlossen, dass<br />
dann erstmals ein FPÖ-Kandidat die Nase vorn hat.<br />
Ohnedies ist Faymann zu einem Malus für die eigene<br />
Partei geworden: Seit er 2008 die Führung in der SPÖ<br />
übernahm, erlebte sie sowohl auf Bundes- als auch auf<br />
Landesebene fast ausschließlich Niederlagen. Mit ihm<br />
als Spitzenkandidat sackte die SPÖ bei Nationalratswahlen<br />
von 35,3 auf 26,8 Prozent ab. Laut einer Um-<br />
34<br />
Nov<br />
2014<br />
Mai<br />
2015<br />
August<br />
2015<br />
Quelle: Statista <strong>2016</strong><br />
Nov<br />
2015<br />
Bild rechts: Die Springerpresse<br />
suggerierte nach Faymanns Obergrenze-Placebo<br />
eine «Wende» auch<br />
in Deutschland. Foto: BILD<br />
Doch die genannte Obergrenze ist ohnedies nur ein<br />
Bluff: Wie kann Wien für das laufende Jahr eine Deckelung<br />
bei 37.500 Asylbewerbern garantieren, nachdem<br />
doch bereits in den ersten drei Januarwochen 43.541<br />
Flüchtlinge über Kroatien und Slowenien – so die<br />
Frankfurter Allgemeine am 22.1. – nach Österreich<br />
eingereist sind? Des Rätsels Lösung enthüllte Welt<br />
Online am 24. Januar: «Wie zwischen Berlin und Wien
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
frage des Gallup-Instituts im Januar würden derzeit<br />
nur noch 22 Prozent die SPÖ (wie auch die ÖVP) wählen,<br />
die FPÖ hingegen 34 Prozent. Bei der Kanzlerfrage<br />
liegt er mit ebenfalls 22 Prozent klar hinter FPÖ-Chef<br />
Strache (36 Prozent). In fünf von neun Bunderländern<br />
droht der SPÖ der Absturz in die Bedeutungslosigkeit.<br />
«Aalglatter als ein Aal»<br />
Doch Faymann, der sein ganzes Erwachsenenleben<br />
in der Partei verbracht hat, weiß, wie er sich trotz zahlreicher<br />
Rücktrittsaufforderungen weiter an der Macht<br />
hält. Er sei «aalglatter als ein Aal», charakterisierte<br />
ihn einmal der ehemalige Salzburger SPÖ-Chef Wolfgang<br />
Radlegger. Er sei «mit allen Wassern gewaschen»,<br />
konstatierte der ehemalige Generalsekretär der Industriellenvereinigung<br />
Markus Beyrer. Vor allem aber kann<br />
sich der Sozialdemokrat auf Netzwerke – hierzulande<br />
spricht man von «Freunderlwirtschaft» – verlassen, die<br />
ihresgleichen suchen.<br />
«Alpen-Obama».<br />
<br />
Fellner über Faymann<br />
Anzeige<br />
Nach seiner Schulzeit – ob er überhaupt das Abitur<br />
abgelegt hat, ist umstritten – scharte er Anfang<br />
der 1980er Jahre bei den Wiener Jungsozialisten ein<br />
Grüppchen um sich, das heute im Land mit den Ton<br />
angibt: Doris Bures, derzeit Nationalratspräsidentin,<br />
Wolfgang Jansky, jahrelang Pressesprecher von Faymann,<br />
bis vor wenigen Jahren mit Bures liiert und derzeit<br />
Geschäftsführer der auflagenstarken Gratiszeitung<br />
Heute, sowie Christian Deutsch, bis 2014 Landesparteisekretär<br />
der Wiener SPÖ. 1985 zog «der Werner»<br />
mit 25 Jahren als jüngster Abgeordneter in den Wiener<br />
Landtag ein und lernte bald darauf über seinen Mentor,<br />
den damaligen Bürgermeister Helmut Zilk, den legendären<br />
Herausgeber der auflagenstarken Kronen Zeitung<br />
Hans Dichand kennen. Mit diesem sollte ihn bald<br />
eine tiefe Freundschaft verbinden. Ebenfalls in diesen<br />
Jahren verbandelte sich Faymann mit Claus Pándi, der<br />
heute in der Krone das Innenpolitik-Ressort leitet und<br />
mit seiner ehemaligen Pressesprecherin Angelika Feigl<br />
verheiratet ist. Ein weiterer Spezl seit Jugendtagen<br />
ist der Medienmacher Wolfgang Fellner, der später<br />
mehrere <strong>Magazin</strong>e und die Gratis-Tageszeitung Österreich<br />
gründete. Ende 2008, inmitten der Euphorie um<br />
den damals frisch gewählten US-Präsidenten, betitelte<br />
Fellner Faymann als «Austro-Obama». Angesichts dieser<br />
ausgezeichneten Kontakte zu den drei Boulevardzeitungen<br />
Kronen Zeitung, Heute und Österreich ist es<br />
wenig verwunderlich, dass die Neue Zürcher Zeitung<br />
den Österreicher als «Boulevardkanzler» bezeichnete.<br />
Die Inseratenaffäre<br />
Eine Hand wäscht die andere: Seit Faymann in Wien<br />
ab 1994 als Wohnbaustadtrat tätig war, bedachte er<br />
Zeitungen üppig mit Inseraten. Zur Affäre wurde diese<br />
Praxis während der Jahre 2007 und 2008, als er das<br />
Amt des Bundesministers für Infrastruktur bekleidete.<br />
Ab 2011 ermittelte die Staatsanwaltschaft Wien gegen<br />
ihn und seine rechte Hand Josef Ostermayer, damals<br />
Staatssekretär, wegen des Verdachts der Untreue und<br />
der falschen Zeugenaussage.<br />
Dabei ging es um den Vorwurf, Faymann habe sich<br />
mit teuren Anzeigenkampagnen die Gunst der Printmedien,<br />
insbesondere des Boulevards, erkauft und die<br />
Rechnungen von den staatlichen Unternehmen ÖBB<br />
(Österreichische Bundesbahnen) und ASFINAG (Autobahnen-<br />
und Schnellstraßen Finanzierungs AG) bezahlen<br />
lassen. Die Inserate seien «ein Beispiel ärgster politischer<br />
Korruption – und das auf Kosten der Steuerzahler»,<br />
meinte nach Bekanntwerden der Affäre etwa<br />
Eric Frey in der – sonst Faymann freundlich gesinnten –<br />
Tageszeitung Der Standard. Durch diese Vorgangsweise<br />
sei ein Politiker an die Spitze der Regierung<br />
gekommen, «der weder das Format noch den intellektuellen<br />
Horizont besitzt, um eine moderne Industrienation<br />
zu führen». Die durch des Kanzlers freundliche<br />
Art ausgestrahlte Anständigkeit sei «verlogen», und er<br />
verstehe wenig von Wirtschaft.<br />
Bilderberger und<br />
andere «Freunderln»<br />
Werner Faymann ist nicht nur in<br />
SPÖ- und Medienkreisen, sondern<br />
auch in der Wirtschaft seit<br />
jeher gut verankert: Er habe seinen<br />
Aufstieg genau vorbereitet<br />
und sich deshalb gezielt mit<br />
Leuten aus der Wirtschaft getroffen,<br />
meint Walter Nettig,<br />
Ex-Präsident der Wiener Wirtschaftskammer.<br />
Zu seinen Wegbegleitern<br />
und Wegbereitern<br />
gehörten hier unter anderem der<br />
ehemalige Billa-Chef Veit Schalle<br />
(Billa gehört zum Rewe-Konzern),<br />
der nunmehrige Aufsichtsratsvorsitzende<br />
der Wiener<br />
Städtischen Versicherung Günter<br />
Geyer und der inzwischen<br />
verstorbene Chef des Baukonzerns<br />
Porr, Horst Pöchhacker.<br />
Doch nicht nur im Inland hat<br />
sich Faymann sein Sicherheitsnetz<br />
aus «Freunderln» geschaffen:<br />
Sein Name steht regelmäßig<br />
auf der Teilnehmerliste der<br />
elitären Bilderberger-Konferenzen<br />
– zusammen mit David Rockefeller,<br />
Henry Kissinger oder<br />
Ex-Deutsche-Bank-Chef Josef<br />
Ackermann. Außerdem ist Faymann<br />
Mitglied beim Rotary Club<br />
Stephansplatz.<br />
Billa-Chef und Faymann-Spezi.<br />
Foto: APA/Gert Eggenberger<br />
Obwohl sich die Vorwürfe der Untreue und falschen<br />
Zeugenaussage gegen Faymann und Ostermayer im<br />
Laufe der Zeit erhärteten, stellte die mit reichlich SPÖnahen<br />
Juristen besetzte Wiener Staatsanwaltschaft<br />
die Ermittlungen im November 2013 ein. «Die Staatsanwälte<br />
sind zu reinen Bütteln der Staatsmacht geworden»,<br />
empörte sich Andreas Unterberger, einer der<br />
bekanntesten Journalisten Österreichs. Für einen der<br />
erfolgreichen Faymann-Anwälte in der Causa, Wolfgang<br />
Brandstetter, bedeutete das Näheverhältnis zu<br />
dem Ober-Sozi auch einen politischen Aufstieg: Seit<br />
2013 ist er Justizminister.<br />
_ Klaus Faißner ist Wirtschaftsund<br />
Umweltjournalist. In <strong>COMPACT</strong><br />
9/2015 schrieb er über den<br />
ungarischen Ministerpräsidenten<br />
Viktor Orbán und die Angriffe der<br />
internationalen Presse auf dessen<br />
Politik.<br />
35
Anzeige<br />
Europa im Visier:<br />
George Soros, der (un)heimliche<br />
Strippenzieher<br />
■ Mit der legendären Wette gegen das britische Pfund wurde George Soros 1992 schlagartig weltberühmt.<br />
Dieses gigantische Spekulationsgeschäft brachte dem Hedgefonds-Manager rund eine Milliarde Dollar Gewinn.<br />
Die Märkte aber sind ihm nicht genug. Ein Wort von Soros kann die Welt aus den Angeln heben. Doch agiert<br />
er vielfach aus dem Hintergrund. Als Werkzeug dient ihm dabei sein globales Stiftungsnetzwerk der Open Society<br />
Foundations. Seine großen Pläne verfolgt er konsequent, um dennoch wandlungsfähig wie ein Chamäleon zu<br />
bleiben. Nicht umsonst gilt er als der »Mann mit den tausend Gesichtern« und als Doppelnatur, als einer, der sich<br />
nicht in die Karten blicken lässt, obwohl er eine offene Gesellschaft predigt.<br />
Die einen sehen in Soros den größten Philanthropen der Gegenwart,<br />
der Milliarden für wohltätige Zwecke verschenkt. Die anderen sehen<br />
in ihm nach wie vor den rücksichtslosen Spekulanten, der stets nur<br />
in den eigenen Gewinn investiert und als superreicher Privatmann<br />
auf inakzeptable Weise politisch massiven Einfluss nimmt, der bereits<br />
ganze Volkswirtschaften in den Ruin getrieben und Revolutionen<br />
heraufbeschworen hat, der mit mächtigen Organisationen und Geheimdiensten<br />
wie der CIA kollaboriert und die Welt ins Verderben<br />
stürzt. Wie agiert Soros, und was hat er mit Europa vor?<br />
In seinem aktuellen Buch verfolgt Andreas von Rétyi die unfassbaren<br />
Aktivitäten des gigantischen Soros-Netzes und legt erstaunliche<br />
Informationen offen, die in den etablierten Medien kaum Erwähnung<br />
finden.<br />
• Wer ist George Soros wirklich?<br />
• Welche Rolle spielt Soros bei politischen Umwälzungen,<br />
wie weit bestimmt er die Zukunft der Welt mit?<br />
• Warum stoppte Präsident Putin 2015 die Aktivitäten der<br />
Soros-Stiftungen in Russland?<br />
• Lässt sich nachweisen, dass der »Soros-Krake«<br />
den Arabischen Frühling auslöste?<br />
• Was geschah tatsächlich in der Ukraine und welche Rolle<br />
spielt Soros dabei?<br />
• Ist die Welt für Soros nur eine Spielwiese, ein<br />
riesiges Spekulationsgeschäft?<br />
• Wie menschenfreundlich ist der Philanthrop wirklich?<br />
• Hat Soros seine Finger auch in Syrien im Spiel?<br />
• Löste Soros die Flüchtlingskrise aus?<br />
• Warum fördert Soros mit Millionensummen die Migration,<br />
anstatt die Ursachen zu bekämpfen?<br />
• Soll Europa vernichtet und eine neue Weltordnung errichtet<br />
werden, ganz gleich um welchen Preis?<br />
Andreas von Rétyi: George Soros •gebunden<br />
271 Seiten • zahlreiche Abbildungen • Best.-Nr. 950 200 • 19.95 €<br />
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<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Frankensteins Killer-Moskito<br />
_ von Michael Morris<br />
Gerade ist die Ebola-Hysterie verflogen, da ruft die Weltgesundheitsorganisation (WHO)<br />
den nächsten Notstand aus: Das Zika-Virus breitet sich rasend schnell in Südamerika aus<br />
und verursacht Missbildungen bei Embryonen. Was verschwiegen wird: Die drohende<br />
Pandemie hat ihren Ursprung in der Gen-Küche eines britischen Pharma-Konzerns.<br />
In Brasilien wurden laut Medienberichten im Jahr<br />
2015 rund 4.000 Kinder mit Schrumpfköpfen und geistiger<br />
Behinderung geboren. Verantwortlich dafür soll<br />
das Zika-Virus sein, das von der Moskito-Art Aedes<br />
Aegypti übertragen wird und bei Schwangerschaften<br />
auf das Ungeborene übergehen kann, wo es die sogenannte<br />
Mikrozephalie auslöst. Die Gesundheitsbehörden<br />
von Brasilien, Kolumbien, El Salvador, Jamaika und<br />
anderen angrenzenden Staaten haben die Bevölkerung<br />
bereits dazu aufgefordert, bis 2018 keine Kinder mehr<br />
zu zeugen, da die Gefahr groß sei, missgebildete Babys<br />
zur Welt zu bringen. In Brasilien werden mittlerweile<br />
200.000 Soldaten eingesetzt, die mit Insektiziden Moskitos<br />
bekämpfen. In wenigen Monaten sollen in Rio<br />
de Janeiro die Olympischen Sommerspiele stattfinden,<br />
derweil werden immer mehr schwere Zika-Infektionen<br />
gemeldet. Die WHO warnt jetzt vor der Gefahr einer<br />
weltweiten Pandemie, auch in den USA und in Europa<br />
soll es bereits erste Fälle gegeben haben.<br />
Der Aedes-Aegypti-Moskito verbreitet neben dem<br />
Zika-Virus auch noch das Dengue-, das Gelbfieber- und<br />
das West-Nil-Fieber-Virus, welches seit Jahrzehnten<br />
bekannt ist. Seit 2013 soll es jedoch auch in Asien und<br />
Südamerika für die Ausbreitung des Guillain-Barré-<br />
Virus verantwortlich sein. Dabei handelt es sich um<br />
eine Nervenkrankheit, die bei fünf Prozent der Erkrankten<br />
sogar zum Tod führt. Bis zum November 2015 galten<br />
Zika-Virus-Infektionen als harmlos, höchstens führten<br />
sie in seltenen Fällen zu Fieber, doch mit einem Mal<br />
wird das Virus als Ursache für schwere Missbildungen<br />
genannt und soll sogar immer öfter tödlich sein. Wer<br />
sich an die Rohrkrepierer Schweine- und Vogelgrippe<br />
erinnert fühlt, ist auf dem Holzweg. Hier haben wir<br />
es mit etwas wirklich Gruseligem zu tun. Was steckt<br />
also dahinter?<br />
Superviren aus der Gen-Küche<br />
Das britische Pharma-Unternehmen Oxitec besitzt<br />
zahlreiche Patente auf genmanipulierte Tiere – von<br />
Ratten bis hin zu Schimpansen, denen man menschliche<br />
Gene eingepflanzt hat–, damit sie noch besser als<br />
Versuchstiere für Impfstoffe taugen. Im Herbst 2009<br />
setzte Oxitec, unterstützt von der Bill & Melinda Gates<br />
Stiftung, transgene (gentechnisch veränderte) Gelb-<br />
Die Bevölkerung<br />
wird aufgefordert,<br />
bis 2018 keine<br />
Kinder mehr zu<br />
zeugen.<br />
Biowaffe Moskito: Die kleine Stechmücke<br />
könnte Albträume über eine<br />
geplante Bevölkerungsreduzierung<br />
Wirklichkeit werden lassen.<br />
Foto: Tom, CC BY 2.0, flickr.com<br />
37
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
zügiger finanzieller und logistischer Unterstützung der<br />
brasilianischen und der US-Regierung einen Impfstoff<br />
gegen das Zika-Virus präsentieren, das bis zu Oxitecs<br />
Versuchen kaum eine Rolle gespielt hatte.<br />
Das Tetracyclin-Desaster<br />
Doch wie kann es sein, dass sich der Überträger-<br />
Moskito weltweit ausbreitet, obwohl er keine 400<br />
Meter weit fliegen kann, wieso überträgt er nun statt<br />
dem Dengue-Virus vorwiegend das Zika- und das Guillain-Barré-Virus<br />
– und wieso darf Oxitec weiterhin gentechnisch<br />
veränderte Insekten freisetzen? Schuld an<br />
der überraschenden Ausbreitung und Vermehrung des<br />
Moskitos trotz angeblicher Eindämmung durch Oxitec<br />
sollen offiziell die vielen Touristen sein, die es aus Brasilien<br />
in andere Teile der Welt trugen. Doch die gab<br />
es auch schon vor 2015, zu einem Zeitpunkt also, als<br />
es nach Angaben der Firma noch zehn Mal so viele<br />
Mücken gegeben haben soll. Das ist also Unsinn. Was<br />
war wirklich geschehen?<br />
Ausbreitung von Zika verhindern:<br />
Städtische Mitarbeiter versprühen<br />
Insektenbekämpfungsmittel in<br />
San Salvador. Foto: Reuters/Jose<br />
Cabezas<br />
fiebermücken auf der Karibikinsel Grand Cayman aus.<br />
Sie sollten die natürliche Gelbfiebermücken-Population<br />
(Aedes Aegypti) verringern, indem sie sich mit der<br />
natürlichen Mücke paaren und dank des eingesetzten<br />
Gendefekts namens RIDL Nachkommen zeugen, die<br />
bereits im Larvenstadium absterben.<br />
2015 entließ Oxitec Millionen<br />
Frankensteinmücken in die freie<br />
Wildbahn.<br />
38<br />
Bild rechts – Prima Klima: Im<br />
brasilianischen Bundesstaat Bahia<br />
plante Oxitec die Produktion von bis<br />
zu vier Millionen transgenen Mücken<br />
pro Woche. Foto: oxitec<br />
_ Michael Morris lebt heute, nach<br />
Aufenthalten in verschiedenen<br />
europäischen Ländern, vorwiegend<br />
in den USA. Sein erstes<br />
Buch «Was Sie nicht wissen<br />
sollen» ist seit fast fünf Jahren<br />
Nummer 1 in Amazon in der<br />
Kategorie «Soziale Gerechtigkeit»<br />
und wurde zu einem Bestseller für<br />
die Themen Geldwesen und Neue<br />
Weltordnung. Es folgten die Werke<br />
«Jetzt geht’s los, Der Goldkrieg»<br />
und sein bisher umfangreichstes<br />
Werk «Was Sie nicht wissen sollen<br />
Teil 2 – Terror, Revolutionen,<br />
Kriege – Wer und was wirklich<br />
dahintersteckt!».<br />
Im Dezember 2010 wurde die genmanipulierte Oxitec-Mücke<br />
dann in Malaysia freigelassen, ab 2012 im<br />
großen Stil auch in Brasilien, angeblich um das Denguefieber<br />
einzudämmen, das sich in den letzten Jahren<br />
in tropischen Gebieten vermehrt haben soll. Seit 2013<br />
breitet sich nun in Asien durch genau jene Mücke das<br />
Guillain-Barré-Virus überraschend stark aus – und in<br />
Brasilien seit 2015 das Zika-Virus. Im Mai 2015 wurde<br />
die erste folgenschwere angebliche Zika-Virus-Infektion<br />
bekannt. Zwei Monate später gab Oxitec zu, kurz<br />
zuvor in Juazeiro im Osten Brasiliens seine Frankenstein-Mücke<br />
im großen Stil ausgesetzt zu haben. Das<br />
Unternehmen verkaufte seinen Eingriff in die Natur<br />
als großen Erfolg, denn angeblich wurde die Moskito-<br />
Population im Gebiet von Juazeiro um bis zu 93 Prozent<br />
reduziert. Komisch nur, dass es bald im Umkreis mehrerer<br />
hundert Kilometer plötzlich zu gehäuften schweren<br />
Mikrozephalie-Erkrankungen kam…<br />
Im August 2015 wurde Oxitec von der US-Firma<br />
Intrexon aufgekauft, die zusammen mit dem Pharmariesen<br />
Sanofi an Impfstoffen forscht. Zwei Monate<br />
später brachte Sanofi einen Impfstoff gegen Denguefieber<br />
auf den Markt, der angeblich 93-prozentigen<br />
Impfschutz bietet und unter anderem in Brasilien und<br />
Mexiko zugelassen wurde. Das Dengue-Virus wurde<br />
in der Nachkriegszeit vom US-Militär als biologische<br />
Waffe weiterentwickelt, jedoch angeblich nie eingesetzt.<br />
Bis zum Mai <strong>2016</strong> will Sanofi nun mit groß-<br />
Der Gendefekt RIDL der manipulierten Mücke wird<br />
durch das Antibiotikum Tetracyclin aktiviert, das man<br />
dem Futter der Mücken im Labor beimengt. Wenn die<br />
männliche Oxitec-Mücke sich dann mit der natürlichen<br />
weiblichen Mücke paart, erzeugen sie Nachkommen,<br />
die ohne das Antibiotikum Tetracyclin nicht lebensfähig<br />
sind und absterben, da Tetracyclin in der Natur<br />
laut Dr. Frankenstein nicht vorkommt – oder vorkommen<br />
sollte. Soweit die Theorie. Nun die Realität: Das
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Antibiotikum Tetracyclin wird im großen Stil in der<br />
Massentierhaltung eingesetzt. Es taucht überall auf<br />
der Erde immer öfter im Nahrungskreislauf auf und hat<br />
bereits weltweit zu Resistenzen geführt, unter anderem<br />
zu hartnäckigen Krankenhauskeimen.<br />
In Wahrheit also kommt Tetracyclin mittlerweile<br />
überall vor, weil es auch durch Erhitzung nicht zerstört<br />
wird – also selbst im Grillhähnchen überlebt – und<br />
dann vom Menschen über den Urin ausgeschieden<br />
wird, um am Ende in Flüssen, Seen und im Trinkwasser<br />
zu landen. Deshalb hatte die anerkannte Expertin<br />
Ricarda A. Steinbrecher bereits 2010 vor einem Freisetzen<br />
der Genmücken gewarnt, und Oxitec selbst hatte<br />
die Gefahren 2012 in einem internen Papier bestätigt.<br />
Dennoch entließ der Konzern im Jahr 2015 Millionen<br />
seiner Mutanten-Mücken in die freie Wildbahn. Der<br />
Nachwuchs überlebte, weil er genügend Tetracyclin<br />
fand, und der Tropensturm El Nino verteilte die Mücke<br />
(die sonst ein schlechter Flieger ist) kilometerweit und<br />
schuf die perfekten feuchtwarmen Lebensbedingungen,<br />
wodurch sie sich rasant weiter vermehrte. Mittlerweile<br />
warnt die Weltgesundheitsorganisation (WHO)<br />
vor einer weltweiten Zika-Pandemie und vor Millionen<br />
möglicher Opfer. Vor Oxitec warnt sie jedoch nicht!<br />
Die Entvölkerungs-Agenda<br />
Bill Gates hatte bereits 2009 während eines Vortrags<br />
im Rahmen der TED-Konferenz scherzhaft Malaria-Mücken<br />
im Publikum freigesetzt, was alle Anwesenden<br />
noch für einen Spaß hielten. Doch mit dem<br />
Mann ist nicht zu spaßen. Er und seine Freunde, wie<br />
Rupert Murdoch, Zbigniew Brzezinski und Ted Turner,<br />
sind bekannt dafür, die Weltbevölkerung drastisch<br />
reduzieren zu wollen, und Gates betonte immer wieder,<br />
dass Impfstoffe dafür am besten geeignet wären. Bei<br />
der TED-Konferenz im Jahr 2010 führte er aus: «Auf der<br />
Erde leben heute 6,8 Milliarden Menschen (…), diese<br />
Zahl wird auf ungefähr neun Milliarden anwachsen.<br />
Wenn wir nun bezüglich neuer Impfstoffe, im Gesundheitswesen<br />
und in der Fortpflanzungsmedizin wirklich<br />
gute Arbeit leisten, könnten wir diese um ungefähr 10<br />
bis 15 Prozent verringern.»<br />
Die Weltgesundheitsorganisation<br />
warnt vor Millionen möglicher Opfer.<br />
Tatsächlich werden seit dem Jahr 2015 Schwangere<br />
in Brasilien offenbar mit dem GlaxoSmithKline-Präparat<br />
Boostrix gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten<br />
(Tdap) geimpft, obwohl es bis dahin noch nie an<br />
Schwangeren getestet worden war. Parallel dazu fand<br />
offiziell eine Studie mit 250 schwangeren und 150 nicht<br />
schwangeren Frauen statt, denen man den Tdap-Impfstoff<br />
verabreichte. Finanziert wurde der Feldversuch von<br />
der US-Gesundheitsbehörde CDC zusammen mit der<br />
Bill & Melinda Gates Stiftung. Die Abfolge der Ereignisse<br />
wirft Fragen auf: Zuerst setzt Oxitec vermeintlich<br />
harmlose, genmanipulierte Mücken in Südamerika<br />
frei. Parallel dazu werden Schwangere mit einem Triple-<br />
Impfstoff behandelt. Mehr als 4.000 Neugeborene kommen<br />
danach behindert zur Welt, mehrere Dutzend sterben.<br />
Schuld daran ist angeblich das Zika-Virus. Sanofi<br />
bietet kurz darauf Impfstoffe an, die dagegen helfen<br />
sollen. Die WHO warnt vor der Gefahr dieser Krankheiten<br />
und sorgt dafür, dass möglichst viele Staaten und<br />
Organisationen diese Impfstoffe kaufen. Zu guter Letzt<br />
spielt der Aufruf an die Südamerikaner, wegen der Zika-<br />
Gefahr keine Kinder mehr in die Welt zu setzen, den<br />
Befürwortern der Bevölkerungsreduktion in die Hände.<br />
Impf-Schweinereien<br />
Im Jahr 2009 wurde die Angst<br />
vor einer Schweinegrippe-Pandemie<br />
geschürt, die es dann<br />
nie gab. Die Bevölkerung wurde<br />
aufgefordert, sich flächendeckend<br />
mit Tamiflu impfen zu<br />
lassen, doch viele durchschauten<br />
das falsche Spiel und verweigerten<br />
die Injektion. Auch<br />
Deutschland deckte sich mit<br />
enormen Mengen des Wirkstoffs<br />
ein. Wegen verschwindend<br />
geringer Nachfrage landeten<br />
ganze Lastwagenladungen<br />
ungenutzt in der Müllverbrennungsanlage.<br />
Von den 34 Millionen<br />
Dosen, die die Bundesländer<br />
erwarben – Kostenpunkt:<br />
330 Millionen Euro – wurden<br />
nicht mal vier Millionen genutzt.<br />
(md)<br />
Der Pharmariese GlaxoSmithKline<br />
machte 2014 einen Umsatz von<br />
23 Milliarden Pfund. Foto: Asim<br />
Hafeez/Bloomberg<br />
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<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Patriot unter Falken<br />
_ von Tino Perlick<br />
Die meisten Amerikaner haben die Nase voll von der Kriegspolitik.<br />
Für die einen ist sie zu teuer, für die anderen zu blutig. Vor diesem<br />
Hintergrund haben Außenseiter bisher die größten Chancen bei den<br />
Präsidentschaftswahlen: Bernie Sanders bei den Demokraten, Donald<br />
Trump bei den Republikanern.<br />
Dort wollen sie rein: Das sogenannte<br />
Oval Office, Amtszimmer des<br />
US-Präsidenten. Foto: White House<br />
Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs<br />
belagern das Rauhbein<br />
Donald Trump. Foto: Reuters/<br />
Brian Snyder<br />
«Europa wird schwarz werden.» Mit diesen Worten<br />
warnte Muammar al-Gaddafi die EU im November<br />
2010 vor einer Destabilisierung seiner Herrschaft.<br />
Ein Jahr darauf wurde der nordafrikanische Machthaber<br />
von Dschihadisten gelyncht. Dank NATO-Bombardement<br />
wandelte sich Libyen vom afrikanischen<br />
Staat mit dem höchsten Lebensstandard zum rechtsfreien<br />
Raum für Terroristen und offenen Transitland<br />
nach Europa. Man werde «weitere Hunderttausende»<br />
über das Mittelmeer nach Europa schleusen, drohte<br />
eine islamistische Splittergruppe der EU im November<br />
2015, sollte Brüssel sie nicht als Regierung anerkennen.<br />
Indirekt geführt wurde der NATO-Militäreinsatz<br />
von der damaligen US-Außen ministerin und jetzigen<br />
Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton. Falls sie<br />
im November <strong>2016</strong> zur Nachfolgerin von Barack Obama<br />
gewählt wird, droht eine Fortsetzung, ja Verschärfung<br />
dieser in Libyen ausprobierten Politik.<br />
Niemand symbolisiert die Verquickung von Politik<br />
und Privatwirtschaft mehr als die ehemalige First<br />
Lady Hillary Clinton, die ihre Amtsgeschäfte über eine<br />
private E-Mail-Adresse führte. Für zwölf Vorträge vor<br />
Wall-Street-Banken und Finanzkonzernen kassierte<br />
Clinton nach ihrer Zeit im State Department 2,9 Millionen<br />
US-Dollar. Ihre Stiftung bezog bis zu 25 Millionen<br />
US-Dollar allein vom Terrorsponsor Saudi-Arabien.<br />
Als Gegenleistung strich Clinton 2011 die Volksmudschaheddin,<br />
wie die Saudis erbitterte Gegner des<br />
Iran-Regimes, von der Liste offizieller Terrororganisationen.<br />
Zum Vorteil verbündeter Ölstaaten ließ Clinton<br />
auch Boko Haram ungestraft Nigeria destabilisieren,<br />
das seit dem Tod Gaddafis zu Afrikas Erdölproduzenten<br />
Nummer eins aufgestiegen ist. Erst ihr Nachfolger<br />
John Kerry erklärte den selbsternannten afrikanischen<br />
Flügel des Islamischen Staates (IS) zur Terroreinheit.<br />
Falls Clinton nominiert wird, hat ihr<br />
Sanders seine Unterstützung versprochen.<br />
Clintons Taktik, Extremisten mit Waffen auszurüsten,<br />
trug maßgeblich zur Züchtung des IS bei. Ihre<br />
Strategie zur angeblichen Bekämpfung der Terrormiliz<br />
klingt wie das Gegenteil: Die 68-Jährige will weiterhin<br />
Waffen an sogenannte gemäßigte Sunniten liefern<br />
(die in der Realität oft mit dem IS zusammenarbeiten)<br />
und Bodentruppen in Form von Special Forces zur<br />
Ausbildung der Söldnertrupps entsenden. Sie werde<br />
die US-Präsenz nach dem Vorbild des Vietnamkrieges<br />
schrittweise eskalieren, kommentiert das friedensforschende<br />
Ron Paul Institut ihren Plan. Der Sturz Assads<br />
bleibt Clintons Priorität, wie ihre Bemerkung signalisiert,<br />
Wladimir Putins durchschlagendes Eingreifen in<br />
der Region würde «die Situation ziemlich verschlechtern».<br />
Kein Wunder, dass Revolutionssponsor George<br />
Soros unlängst bereute, 2008 Obama und nicht «Killary»<br />
unter stützt zu haben.<br />
Sanders blufft<br />
40<br />
Clintons größter Konkurrent bei den Demokraten<br />
ist der bis vor Kurzem parteilose Bernie Sanders.<br />
«Krieg sollte die letzte Option sein», ist sein Credo.<br />
Die USA sollten «so entschieden wie möglich vorgehen,<br />
um die Beziehungen mit dem Iran zu normalisieren».<br />
Sein stärkstes außenpolitisches Argument ist<br />
es, 20<strong>03</strong> im Gegensatz zu Clinton nicht für den Irakkrieg<br />
gestimmt zu haben. Doch stützte der Senator aus
Vermont im selben Jahr eine Resolution, die Präsident<br />
George W. Bush die «uneingeschränkte Unterstützung<br />
und Anerkennung der Nation» zusicherte, und stimmte<br />
für mehrere Mittelaufstockungen für die Kriege beziehungsweise<br />
Besatzungen im Irak und Afghanistan.<br />
Sanders, Sohn jüdischer Einwanderer aus Polen, gab<br />
1999 seine Ja-Stimme für den NATO-Einsatz in Jugoslawien,<br />
verteidigte Israels Kriegseinsatz gegen den<br />
Gazastreifen im Jahr 2014 und kündigte an, Obamas<br />
Drohnenprogramm fortzuführen.<br />
Frühere Mitstreiter werfen Sanders vor, 1990 zum<br />
Imperialisten geworden zu sein. Auffällig ist tatsächlich,<br />
dass der Parteilose seit jenem Jahr in seinem<br />
Bundesstaat indirekt von den Demokraten unterstützt<br />
wird – sie schickten bei den Senatswahlen in Vermont<br />
bis dato keine eigenen Kandidaten mehr ins Rennen.<br />
«Unterm Strich stimmt Bernie Sanders in 98 Prozent<br />
aller Fälle mit den Demokraten”, behauptete deren<br />
Spitzenpolitiker Howard Dean 2006 gelassen. Wenn<br />
Clinton nominiert werde, könne sie auf seine Unterstützung<br />
zählen, sagt Sanders.<br />
Die Republikaner<br />
Dass der Libertäre Rand Paul, Senator aus Kentucky,<br />
bei den Republikanern chancenlos war und das<br />
Handtuch warf, verwundert nicht: In der militärverherrlichenden<br />
Partei fand seine Forderung nach einem<br />
weltweiten Rückzug der US-Truppen kaum Gehör.<br />
Aber auch Jeb Bush dümpelt bei den Umfragen<br />
unter fünf Prozent, obwohl er im Schatten seines großen<br />
Bruders George W. den Falken gibt, Bodentruppen<br />
nach Syrien schicken und das Iran-Abkommen<br />
kündigen will.<br />
Der ultrakonservative Ted Cruz hat bessere Karten.<br />
Der christliche Fundamentalist inszeniert sich auf You-<br />
Tube als Waffennarr, der Schinkenspeck brät, indem<br />
er ihn um den Lauf eines feuernden Gewehres wickelt.<br />
Das Vorbild des Senators aus Texas ist der frühere Präsident<br />
Ronald Reagan. Dementsprechend hart zeigt er<br />
sich auch gegenüber Russland, fordert auf allen Ebenen<br />
massive Sanktionen und die schnelle Verwirklichung<br />
des Raketenabwehrschirms. Obamas Bemühungen<br />
gegen den IS sind ihm zu lasch, sie kämen<br />
«außenpolitischen Presseterminen» gleich. Wie der<br />
rüde Reagan auf den schwachen Jimmy Carter folgte<br />
und die Sowjetunion besiegte, möchte Cruz nach Obamas<br />
Amtszeit den islamistischen Terrorismus niederschlagen.<br />
Cruz setzt auf Bombenteppiche und bewaffnete<br />
Kurdentruppen. Bei einer Kundgebung der Tea<br />
Party im Dezember 2015 deutete er sogar einen Atomwaffeneinsatz<br />
an: «Ich weiß nicht, ob Sand im Dunkeln<br />
leuchtet, aber wir werden es herausfinden.»<br />
Neokonservative mögen Cruz dennoch nicht, da<br />
er den Einsatz von Bodentruppen im Ausland ablehnt<br />
und mit säkularen Diktatoren kooperieren will. Der<br />
45-Jährige lobt nicht nur den ägyptischen Präsidenten<br />
Abd al-Fattah as-Sisi wegen dessen Erfolgen im<br />
Kampf gegen die Muslimbruderschaft, sondern signalisiert<br />
sogar Unterstützung für Clintons Hauptfeind<br />
in Damaskus: «Wenn wir Assad stürzen, wird ISIS Syrien<br />
übernehmen.»<br />
Marco Rubio spricht moderater als Cruz. Das macht<br />
ihn für viele Wähler attraktiv – und zu einem besonders<br />
gefährlichen Kandidaten. Denn der 44-jährige<br />
Senator von Florida rechtfertigt die Interventionen im<br />
Irak und Libyen und ist auch sonst stramm auf geo-<br />
Donald Trump 2015 auf der Conservative<br />
Political Action Conference<br />
(CPAC) in National Harbor, Maryland.<br />
Foto: Gage Skidmore, CC BY-<br />
SA 2.0, flickr.com<br />
Auch in der Schweiz gibt es Trump-<br />
Versteher: Zeitschriftencover vom<br />
27.1.<strong>2016</strong>. Foto: Weltwoche<br />
«Ich weiß nicht, ob<br />
Sand im Dunkeln<br />
leuchtet, aber wir<br />
werden es herausfinden.»<br />
Ted Cruz<br />
41
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Wallstreet-Kandidat<br />
Ende Januar <strong>2016</strong> gab Medienmogul<br />
Michael Bloomberg bekannt,<br />
die Chancen einer Kandidatur<br />
zu prüfen. Mit geschätzten<br />
27 Milliarden US-Dollar ist<br />
auch er unabhängig und um ein<br />
Vielfaches vermögender als Donald<br />
Trump. Nachdem er 2001<br />
von den Demokraten zu den Republikanern<br />
gewechselt war, ist<br />
Bloomberg seit 2007 parteilos.<br />
Er unterstützte den Irakkrieg und<br />
stellte sich 2004 hinter George<br />
W. Bushs Wiederwahl. Nachdem<br />
er 2008 neutral geblieben<br />
war, befürwortete Bloomberg<br />
2012 Präsident Obama. Bloomberg<br />
ist ein Verfechter von Immigration<br />
und setzt sich für<br />
die Einbürgerung illegaler Einwanderer<br />
ein. «Länder, die im<br />
21. Jahrhundert von der Globalisierung<br />
wegrennen», warnte er<br />
2007, «werden auf Jahrzehnte<br />
hinaus einen hohen Preis dafür<br />
zahlen – wie die Länder, die im<br />
20. Jahrhundert vor dem Kapitalismus<br />
wegrannten.»<br />
Michael R. Bloomberg. Foto: Rubenstein,<br />
CC BY 2.0, Wikimedia Commons<br />
strategischer Linie. Rubio will das ukrainische Regime<br />
mit Waffen ausstatten, Dschihadisten in Syrien aufrüsten,<br />
Luftschläge über dem Irak intensivieren und<br />
die Saudis in ihrem Stellvertreterkrieg mit dem Iran<br />
im Jemen durch Special Forces unterstützen. Bei allen<br />
Republikanern gehört Kritik am Iran-Abkommen<br />
zum Standardrepertoire. Lob für Israel ist für Kandidaten<br />
parteiübergreifend Pflicht. Der 44-jährige Rubio<br />
will die Debatte über eine Zwei-Staaten-Lösung im<br />
Nahen Osten gar ein für alle Mal beenden. Wie Cruz<br />
und Clinton bezieht auch er außenpolitische Empfehlungen<br />
von der Beratungsfirma Beacon Global Strategies,<br />
einem Interessenkonglomerat aus dem Geheimdienst-<br />
und Verteidigungssektor.<br />
«Wir können nicht länger der Weltpolizist<br />
sein.» Donald Trump<br />
Patriotismus ist Trump<br />
Establishment-Republikaner zittern vor der klaren<br />
Kante des finanziell unabhängigen Immobilien-<br />
Tycoons Donald Trump, der zwar einen hurrapatriotischen<br />
Kurs verfolgt, der Welt und Amerika aber<br />
kostspielige Auslandsabenteuer zukünftig ersparen<br />
möchte. Gewürzt mit seinen politisch inkorrekten Aussagen<br />
spricht er damit Millionen von vor allem bitterarmen<br />
Amerikanern an. Machtmenschen wie der Medienmogul<br />
Rupert Murdoch teilen Trumps Islamkritik.<br />
Benjamin Netanjahu bezeichnet Trump als einen<br />
«hervorragenden Anführer». Den IS will der Milliardär<br />
durch gezielte Luftangriffe auf deren Öl-Infrastruktur<br />
bezwingen und diese von amerikanischen Firmen wiederaufbauen,<br />
sprich kontrollieren, lassen. Auch das<br />
Militär müsste unter Trump keine Sparmaßnahmen<br />
befürchten. Selbst Schullehrer will der bekennende<br />
Militarist bewaffnen. Trotz dieser Positionen wird der<br />
Milliardär vom US-Establishment gehasst, und zwar<br />
wegen seiner klaren Ablehnung der Zuwanderung und<br />
seiner Sympathien für Putin.<br />
Dass er Immigration generell ablehnt, gibt Trump<br />
offen zu. Vorwürfe, er sei deshalb «gefährlich», hält er<br />
für Heuchelei: Clinton habe als Außenministerin «Hunderttausende<br />
durch ihre Dummheit getötet». Trump<br />
will Flüchtlinge innerhalb einer Flugverbotszone in<br />
Syrien belassen. Die Menschen aufzunehmen könnte<br />
sich als «trojanisches Pferd» erweisen und kommt<br />
für ihn nicht in Frage. Angela Merkel sei «wahnsinnig»<br />
und müsse sich für ihre Migrationspolitik «schämen».<br />
Trump will die heuchlerische Menschenrechtspolitik<br />
der USA beenden und wieder auf die Unterstützung<br />
stabiler Diktatoren setzen. Seiner Ansicht<br />
nach wären Libyen und der Irak heute unter Gaddafi<br />
und Saddam Hussein natürlich besser dran. Im Unterschied<br />
zu Cruz strebt Trump sogar eine partnerschaftliche<br />
Beziehung mit Russland an. «Wenn Putin ISIS die<br />
Hölle heiß machen will», so Trump, «bin ich 100 Prozent<br />
dafür. Ich kann gar nicht begreifen, wie irgendwer<br />
dagegen sein könnte.» Ob die Ukraine der NATO beitritt,<br />
sei ihm egal, behauptete Trump wiederholt unter<br />
dem Verweis auf Europas und vor allem Deutschlands<br />
Zuständigkeit. Schon 2000 schrieb der gebürtige New<br />
Yorker, Amerika solle aufhören, sein Geld in europäische<br />
NATO-Basen zu pumpen. «Wir können nicht länger<br />
der Weltpolizist sein.»<br />
2011 stürzten die USA den libyschen<br />
Staatschef Gaddafi.<br />
Foto: Archiv<br />
V wie Victory: Diese Drohung ist bei<br />
Hillary Clinton sehr ernst gemeint.<br />
Foto: Reuters/Kevin Lamarque<br />
42<br />
_ Tino Perlick ist Kulturwissenschaftler.<br />
In <strong>COMPACT</strong> 02/<strong>2016</strong><br />
portraitierte er den britischen<br />
Labour-Chef Jeremy Corbyn.
Die Reichen und die Superreichen<br />
_ von Marc Dassen<br />
Bittere Armut hier, schwindelerregende Vermögen dort – nie zuvor war Wohlstand so<br />
ungerecht verteilt wie heute. Das belegt die Organisation Oxfam in ihrer neuesten Studie<br />
und fordert: Schluss mit Steuerprivilegien für Großkonzerne. Doch ihre Untersuchungen<br />
führen in die Irre und verschweigen das Wesentliche.<br />
Der deutsche Dichter Heinrich<br />
Heine schrieb im März 1841 durchaus<br />
ehrerbietig: «Geld ist der Gott<br />
unserer Zeit, und Rothschild ist sein<br />
Prophet.» Foto: Nigel Betts, Wikipedia<br />
Die 62 reichsten Menschen der Welt besitzen genauso<br />
viel wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung,<br />
was aktuell 3,6 Milliarden Menschen entspricht – so<br />
lautet eine zentrale Aussage des aktuellen Oxfam-<br />
Berichts mit dem Arbeitstitel «Eine Wirtschaft für<br />
das eine Prozent», der am 18. Januar anlässlich des<br />
Weltwirtschaftsforums im Schweizer Alpenidyll Davos<br />
vorgestellt wurde. Das «eine Prozent» – rund 70<br />
Millionen Erdenbürger – verfügt demnach über mehr<br />
Vermögen als die restlichen 99 Prozent der Weltbevölkerung.<br />
Drastischer lässt sich das Endstadium eines<br />
kranken Wirtschaftssystems nicht beschreiben.<br />
Die 62 Personen an der Spitze der Pyramide entsprechen<br />
0,000001 Prozent der Menschheit, ihr Vermögen<br />
summiert sich auf 1,76 Billionen US-Dollar –<br />
also 1.760 Milliarden. Würde man 100-Dollar-Noten<br />
aufeinanderstapeln, würde diese Summe einen Geldturm<br />
von 1.750 Kilometer Höhe ergeben – eine wahrhaft<br />
astronomische Dimension. Die Bankenrettungspakete<br />
für Griechenland, die bisher umgerechnet 270<br />
Milliarden Dollar umfassten, könnten die Herren fast<br />
aus der Portokasse bezahlen. In den letzten fünf Jahren<br />
vermehrte sich der Reichtum dieser 62 Multimilliardäre<br />
laut Oxfam um satte 45 Prozent, was über 540<br />
Milliarden Dollar entspricht. Gleichzeitig wurde die<br />
arme Bevölkerungshälfte um knapp eine Billion Dollar<br />
ärmer. Der altbekannte Spruch «Das Geld ist nicht<br />
weg, es ist nur woanders» wird hier bittere Realität.<br />
Laut den Autoren der Studie leben derzeit 700 Millionen<br />
Menschen von weniger als zwei Dollar am Tag und<br />
damit laut Definition der Weltbank in extremer Armut.<br />
Ruf nach dem Weltfinanzamt<br />
Die Kritik an der ungerechten Verteilung des weltweiten<br />
Reichtums tut Not, heute mehr denn je. Irritierend<br />
dagegen ist, welche Gründe die Nichtregierungsorganisation<br />
Oxfam für die Kluft zwischen Arm<br />
und Reich angibt: Sie sieht nämlich die «unzureichende<br />
Besteuerung von großen Vermögen» sowie<br />
die «Steuervermeidung von Unternehmen und reichen<br />
Einzelpersonen» als die Wurzel allen Übels. Die<br />
Forderungen nach mehr Gerechtigkeit beschränken<br />
sich darauf, Steueroasen trockenzulegen, Konzerne<br />
zu Steuertransparenz und fairer Entlohnung zu ermutigen<br />
und eine «legitime zwischenstaatliche Steuerinstitution<br />
auf UN-Ebene» aufzubauen, die «alle Länder<br />
umfasst». Damit liefert Oxfam eine Steilvorlage<br />
für kontrollwütige Globalisten, die nichts lieber wol-<br />
700 Millionen<br />
Menschen leben<br />
heute von weniger<br />
als zwei Dollar am<br />
Tag.<br />
_ Marc Dassen ist Redakteur bei<br />
<strong>COMPACT</strong>-<strong>Magazin</strong> und schreibt<br />
regelmäßig zu Themen aus Politik<br />
und Zeitgeschichte. In <strong>COMPACT</strong><br />
2/<strong>2016</strong> stellte er die Top Ten der<br />
schlimmsten Lügenjournalisten<br />
Deutschlands vor.<br />
43
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
44<br />
Die Schatzkammern<br />
der Royals<br />
Das Vermögen von Herrscherhäusern<br />
und Diktatoren wird bei<br />
Forbes grundsätzlich nicht aufgeführt.<br />
So fehlt zum Beispiel<br />
die saudische Königsfamilie mit<br />
ihrem beträchtlichen Öl-Imperium,<br />
das sich laut rantfinance.com<br />
auf insgesamt 14 Billionen<br />
Dollar summiert. Das wahre<br />
Vermögen der britischen Königin<br />
Elizabeth II. versteckt sich hinter<br />
sogenannten Nominee Accounts<br />
der Bank of England. Die<br />
letzte Schätzung der Nachrichtenagentur<br />
Reuters kommt auf<br />
rund 35 Milliarden Dollar. Das<br />
dürfte stark untertrieben sein,<br />
wenn man bedenkt, dass sie mit<br />
Ländereien in der Größenordnung<br />
von 2.500 Quadratkilometern<br />
als größte Landbesitzerin<br />
der Erde gilt – nominell gehören<br />
ihr auch immer noch Kanada,<br />
Australien und etwa 50 weitere<br />
Commonwealthstaaten rund<br />
um die Welt.<br />
Königin Elisabeth II. ist das Oberhaupt<br />
der britischen Royals und<br />
die dienstälteste Monarchin der<br />
Geschichte. Foto: John Swannell<br />
len, als jenseits nationaler Souveränität einen globalen<br />
Umverteilungs- und Steuerungsmechanismus für<br />
die Weltwirtschaft zu installieren. Die nachträgliche<br />
Umverteilung wird als Allheilmittel verkauft – doch<br />
echte Lösungen müssen bei der Frage ansetzen, wie<br />
diese ungeheuren Vermögen überhaupt entstehen –<br />
und wer sie verwaltet.<br />
Auf der Forbes-Liste von 2015 – dem Verzeichnis<br />
für Superreiche, das Oxfam zur Berechnungsgrundlage<br />
macht – liefern sich Unternehmer, Neureiche und<br />
Börsenspekulanten ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Vertreten<br />
sind Namen wie die des Microsoft-Gründers Bill<br />
Gates (Platz 1 mit knapp 80 Milliarden US-Dollar),<br />
des Telekom-Giganten Carlos Slim Helu (Platz 2 mit<br />
77 Milliarden US-Dollar) und des Großinvestors Warren<br />
Buffet (Platz 3 mit 72 Milliarden US-Dollar). Die<br />
Koch-Brüder – schwerreiche amerikanische Industrielle<br />
und Großspender der Republikaner – bringen es gemeinsam<br />
sogar auf über 85 Milliarden. Mark Zuckerberg<br />
– der gerade 31-jährige Facebook-Gründer – landet<br />
mit seinen rund 34 Milliarden immerhin noch auf<br />
Platz 16, knapp hinter den Chefs von Konzernen wie<br />
Amazon, Wal-Mart, Zara oder L’Oréal. Etwas abgeschlagen<br />
auf Platz 29 rangiert auch der berüchtigte<br />
Börsen-Tycoon George Soros mit stattlichen 24 Milliarden<br />
Dollar Privatvermögen. Je weiter man in der<br />
Forbes-Liste aufsteigt, umso zweifelhafter die Zahlen<br />
und umso größer die Geheimniskrämerei. Es sei bekannt,<br />
dass «die reichsten Teile der Bevölkerung (…)<br />
am wenigsten auskunftsfreudig» sind und dazu neigen,<br />
«ihre Vermögen in Befragungen zu unterschätzen»,<br />
erklärt Oxfam.<br />
Auffallend ist, dass die große Mehrzahl der dort<br />
gelisteten Milliardäre als Unternehmer in Handel, Industrie<br />
und der Internet-Branche tätig sind. Und hier<br />
liegt der Hund begraben: Die schillerndsten Namen<br />
der modernen Hochfinanz tauchen weder bei Forbes<br />
noch im Oxfam-Report auf. So etwa die Rothschilds,<br />
Rockefellers, Warburgs, Morgans und weitere superreiche<br />
Clans des anglo-amerikanischen Establishments<br />
sowie die britische Königsfamilie. Es drängt<br />
sich der Verdacht auf, dass es die Oxfam-Aktivisten<br />
besonders auf die abgesehen haben, die ihr Vermögen<br />
tatsächlich noch im produzierenden Gewerbe verdienen,<br />
mit Fleiß und Unternehmergeist Imperien errichteten<br />
und Millionen Arbeitsplätze schufen. Jene aber,<br />
die den ererbten Reichtum seit Generationen lediglich<br />
durch Zinsen, Kreditvergabe und Hütchenspiele an<br />
den Finanzmärkten der Welt vermehren, kommen ungeschoren<br />
davon. Kritik am Geldsystem? Fehlanzeige.<br />
Der Club der Billionäre<br />
Das Vermögen der Bankiersdynastie Rothschild –<br />
aufgestiegen von Geldwechslern zu internationalen<br />
Großfinanziers und mittlerweile in siebter Generation<br />
tätig – schätzte der Spiegel in einem Artikel von<br />
Anfang 2012 auf etwa 350 Milliarden Dollar. Das Portal<br />
celebritynetworth.com gibt aktuell 400 Milliarden<br />
an, also locker das Fünffache eines Bill Gates und<br />
etwa genau so viel wie die jährliche Wirtschaftsleistung<br />
Österreichs. Bedenkt man, dass das Kapital des<br />
Rothschild-Imperiums in komplexen Verschachtelungen<br />
auf direkte Nachkommen verteilt und in unzähligen<br />
Firmenbeteiligungen, Immobilien und Kunstschätzen<br />
versteckt ist, dürfte diese Schätzung noch<br />
untertrieben sein.<br />
Vertreter der Hochfinanz tauchen<br />
im Oxfam-Report nicht auf.<br />
Die Rockefeller-Dynastie gründete sich auf der<br />
Ende des 19. Jahrhunderts mit skrupellosen Methoden<br />
ausgebauten Monopolstellung der Standard Oil<br />
Company, dem seinerzeit weltgrößten Ölkonzern, der<br />
heute in viele kleinere Firmen (Shell, BP, Exxon Mobil)<br />
aufgeteilt ist. Das von Patriarch David Rockefeller<br />
verwaltete Vermögen soll laut celebritynetworth.com<br />
rund 350 Milliarden Dollar betragen. Auch hier sind<br />
die tatsächlichen Zahlen ein wohlgehütetes Geheimnis.<br />
Ein ehemaliger Vermögensverwalter namens Robert<br />
Gaylon Ross Senior – Autor der Buchreihe Who<br />
is Who of the Elite – will aus Insiderkreisen wissen,<br />
dass die Rockefellers schon 1998 tatsächlich etwa 11<br />
Billionen Dollar und die Rothschilds sogar etwa 100<br />
Billionen Dollar besaßen. Diese Zahlen bleiben bis<br />
auf Weiteres spekulativ – mit einer baldigen Offenlegung<br />
der tatsächlichen Vermögenswerte der modernen<br />
Hochfinanz ist auch kaum zu rechnen.<br />
John Davison Rockefeller Senior (1839–1937, rechts) gilt als einer<br />
der reichsten Männer der Weltgeschichte und sah sich gern als<br />
Wohltäter. Foto: Archiv
<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />
Dossier _ Seite 46–52<br />
Revoltiert!<br />
Er ist der bedeutendste Theoretiker der Multikulti-Kritik in Frankreich: Renaud Camus<br />
hat den Großen Austausch der Bevölkerung durch Masseneinwanderung auf den Begriff<br />
gebracht. Er sieht die Gefahr einer Kolonisierung Europas und ruft zur Verteidigung<br />
unserer Kultur und Lebensweise auf. Nun sind erstmals seine wichtigsten Essays auf<br />
Deutsch erschienen.<br />
Foto: Erich Lessing Culture and<br />
Fine Arts Archives<br />
45
<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />
Wie ich zum Patrioten wurde<br />
_ Interview mit Renaud Camus<br />
Renaud Camus gilt als der wichtigste Vordenker des identitätsbewussten<br />
Frankreich, die Lügenpresse bezeichnet ihn wegen<br />
seiner Ablehnung der Einwanderungsgesellschaft als rechtsextrem.<br />
Dabei war er über Jahrzehnte als avantgardistischer Schriftsteller<br />
anerkannt. Wie damals sind es auch heute die gesellschaftlichen<br />
Tabus, die ihn reizen.<br />
bei nun um Vercingetorix [gallischer Freiheitsheld], Arminius<br />
[germanischer Heerführer], Jeanne d’Arc, Andreas<br />
Hofer, Gandhi, Bourguiba [Kämpfer gegen die<br />
französische Kolonialherrschaft in Tunesien] oder Lumumba<br />
[Revolutionsführer im Kongo] gehandelt hat.<br />
In meinen Augen sind es eher die Akteure und Propagandisten<br />
der aktuellen, nach 1940–44 «zweiten»<br />
Kollaboration, die man als «Rechtsextremisten» bezeichnen<br />
sollte: die Junckers, Merkels, Wallströms<br />
[Margot Wallström, schwedische Außenministerin]<br />
– all jene, die sich zu Kollaborateuren und Komplizen<br />
der Eroberung ihrer Länder gemacht haben, der Kolonisierung<br />
Europas durch Afrika.<br />
Freund Andy Warhols<br />
46<br />
Renaud Camus ist in Deutschland,<br />
im Unterschied zu Frankreich, noch<br />
kaum bekannt. Foto: privat<br />
Gerade erschienen: Renaud Camus,<br />
«Revolte gegen den Großen Austausch»,<br />
Verlag Antaios, 224 Seiten,<br />
19 Euro. (antaios.de)<br />
Foto: Verlag Antaios<br />
Was für eine Beziehung gibt es zwischen dem<br />
Renaud Camus der siebziger und achtziger Jahre<br />
und dem Mann, der heute in den französischen<br />
Medien häufig als «Rechtsextremist» oder als<br />
«Vordenker des Front National» hingestellt wird?<br />
Die Bezeichnung «Rechtsextremist» ist natürlich<br />
nichts weiter als ein rein polemisches Etikett, mit dessen<br />
Hilfe die Betreiber des Großen Austausches, der<br />
Auflösung der Völker und der Zivilisation ihre Widersacher<br />
zu diskreditieren versuchen. Sie benutzen solche<br />
Vokabeln als Vorwand, um jemanden wie mich zu<br />
isolieren und in der Versenkung verschwinden zu lassen.<br />
Ich für meinen Teil betrachte mich in keiner Weise<br />
als «rechtsextrem»: Das ist weder meine literarische<br />
noch meine politische oder geistige Familie. Zu<br />
keinem Zeitpunkt der Geschichte der Menschheit ist<br />
jemand zum Mitglied oder Sympathisanten der «extremen<br />
Rechten» geworden, bloß weil ihm die Freiheit<br />
und Unabhängigkeit seines Volkes und das Überleben<br />
seiner Zivilisation am Herzen lag – egal, ob es sich da-<br />
Es ist freilich wahr, dass sich viele Leute, die mich<br />
schlecht kennen und deshalb zur extremen Rechten<br />
zählen, darüber wundern, dass ausgerechnet jemand<br />
wie ich ein avantgardistischer Autor sein konnte, nicht<br />
nur in formaler Hinsicht, sondern auch, was die Wahl<br />
meiner Sujets anging. Man denke etwa an mein bisher<br />
einziges ins Deutsche übersetztes Buch Tricks aus<br />
den siebziger Jahren, zu dem Roland Barthes ein Vorwort<br />
beisteuerte und das fünfundvierzig homosexuelle<br />
Begegnungen in Paris, New York oder San Francisco<br />
nach 1968 in einer äußerst direkten, rein deskriptiven<br />
und sachlichen Sprache beschreibt, genauso, wie sie<br />
sich zugetragen haben. Vierzig Jahre später beschreibe<br />
ich den Austausch des Volkes und der Zivilisation,<br />
wie er sich in Frankreich und in ganz Europa zuträgt.<br />
Es handelt sich um ein und dieselbe Vorgehensweise:<br />
das Einfache einfach zu beschreiben, das Offensichtliche<br />
direkt anzusprechen, die Tatsachen sachlich<br />
zu behandeln.<br />
Das ist das Geheimnis, warum der Autor der Tricks,<br />
der Freund Andy Warhols, der Aussteller moderner<br />
Kunst zum Verächter, vor allem aber zum «Logotheten»,<br />
wie Roland Barthes es nannte, zum Wortgeber,<br />
zum Beschreiber des Großen Austausches wurde. Hier<br />
wie dort handelt es sich um absolut dasselbe Prinzip,<br />
um denselben Kampf und das gleiche Werkideal.<br />
Ich war stets der Meinung, dass es die wesentliche<br />
Aufgabe eines jeden Schriftstellers sei, sich in<br />
jene verborgenen Bereiche der Gesellschaft und der<br />
Sprache zu begeben, in denen sich Dinge zutragen, die<br />
nicht ausgesprochen, erwähnt, beobachtet, beschrieben<br />
werden dürfen; Dinge also, denen die Gesellschaft<br />
nicht ins Gesicht blicken will. Dort, wo die Leerstellen<br />
und Löcher im Gewebe der Wirklichkeit sind, muss der<br />
Autor eine Sprache finden. Das war vor vierzig Jahren<br />
womöglich die Homosexualität, heute ist es die Auf-
<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />
lösung des Volkes, die unaussprechbar geworden ist.<br />
Insofern ist es interessant zu beobachten, wie sich der<br />
Puritanismus der Sprache, das Verbot, das «Das-sagtman-nicht»<br />
und der Tabubruch vom Sexus zur Rasse,<br />
von der Erotik zur Politik verschoben haben. Offenbar<br />
gibt es eine Konstante der Repression, des Zwanges<br />
und der Hemmung, die den historischen Gegebenheiten<br />
entsprechend ihre Vorzeichen wechselt.<br />
Die Ignoranz der medialen Kaste<br />
Gab es einen markanten Wendepunkt in Ihrem<br />
Leben, der dazu geführt hat, dass Sie sich der Politik<br />
und dem Problem des Großen Austausches<br />
zugewandt haben?<br />
Ich wurde in dem Moment zum Patrioten, als mir klar<br />
wurde, dass man mir verbieten will, einer zu sein. Und<br />
ich habe mich erst für meine Identität als Franzose und<br />
Europäer zu interessieren begonnen, als ich bemerkte ,<br />
dass es verboten war, darüber zu sprechen. Ich selbst<br />
bin von Natur aus nicht im Mindesten chauvinistisch<br />
veranlagt. Ich liebe die englische Lyrik ebenso sehr<br />
wie die französische, die deutsche Musik ebenso sehr<br />
wie die französische, und die italienische Architektur<br />
gefällt mir sogar um einiges besser als die französische.<br />
Ich bin ein großer Anglophiler und halte die englische<br />
Landschaftsgärtnerei für die vielleicht höchste,<br />
zumindest für die exquisiteste Leistung der Zivilisation.<br />
Ich habe also einen guten Teil meines Lebens<br />
verbracht, ohne mir viele Gedanken über Patriotismus<br />
oder die französische Identität und ähnliche Dinge<br />
zu machen.<br />
Die Realität des Großen Austausches wurde mir<br />
Ende des letzten Jahrhunderts zunehmend bewusst.<br />
Ich brauchte nicht mehr zu tun, als meine Augen zu<br />
öffnen. Das, was ich in aller Deutlichkeit sah, schien<br />
jedoch den politischen Diskurs in keiner Weise zu berühren;<br />
es gab keinerlei Beziehung mehr zwischen<br />
der Wirklichkeit und der Politik. Dort gab es lediglich<br />
eine fiktive Welt, die sich zu ihrer Aufrechterhaltung<br />
eine eigene politisch-soziologische Sprache erschaffen<br />
hatte: Ich habe dafür den Neologismus «fauxel»<br />
geprägt, womit ich die Herrschaft der Realitätsinversion,<br />
das Reich des Falschen bezeichne.<br />
Wohlverstanden: Der Große Austausch belastet<br />
mein eigenes privates Leben nicht allzu sehr, wohl<br />
viel weniger als den Durchschnitt meiner Landsleute.<br />
Ich lebe auf dem Land, in einem Dorf, in dem es (noch)<br />
nicht sehr viele außereuropäische Einwanderer gibt,<br />
auch wenn ich dort schon einmal eine von Kopf bis<br />
Fuß verschleierte Frau gesehen habe, was in diesen<br />
Breiten noch ein ungewohntes Schauspiel ist.<br />
«Ich wurde in dem Moment zum Patrioten,<br />
als mir klar wurde, dass man<br />
mir verbieten will, einer zu sein.»<br />
Aber ich finde es empörend, wenn sich die Zeitungen<br />
über die Wähler des Front National mokieren,<br />
die für Marine Le Pen stimmen, obwohl es «in deren<br />
Dörfern (…) doch keinen einzigen Einwanderer<br />
gibt». Der Patriotismus ist dieser medialen Kaste derart<br />
fremd geworden, dass sie nicht begreifen kann,<br />
warum wir die Invasion unseres eigenen Landes beklagen,<br />
obwohl die Invasoren noch nicht unsere Küche<br />
besetzt halten und uns kein direktes, persönliches<br />
Unrecht zufügen. Würde man einen Reporter des heutigen<br />
Staatsfernsehens nach Domrémy im Jahre 1428<br />
schicken, so würde er Jeanne d’Arc ein Mikro unter<br />
die Nase halten und fragen: «Ich verstehe Sie nicht,<br />
Mademoiselle. Was haben Sie denn gegen die Engländer?<br />
Es gibt in Ihrem Dorf doch gar keine!» (…)<br />
Der andere Camus<br />
Renaud Camus, geboren 1946 in<br />
Chamalières, kommt ursprünglich<br />
aus der Linken und war Anfang<br />
der 1970er Jahre Mitglied<br />
der Sozialistischen Partei; 1982<br />
gab er François Mitterrand seine<br />
Stimme. Wenn er in jenen<br />
Jahrzehnten politisch engagiert<br />
war, dann vor allem an der<br />
Seite der Schwulenbewegung.<br />
Für Tricks, eine Sammlung homoerotischer<br />
Prosaskizzen aus<br />
dem Jahre 1978, schrieb kein<br />
Geringerer das Vorwort als Roland<br />
Barthes (1915–1980) , einer<br />
der Gründerväter des Poststrukturalismus,<br />
der heute anstelle<br />
des Marxismus das ideologische<br />
Fundament der Neuen<br />
Linken bildet.<br />
2013 nannte ihn die Wochenzeitung<br />
Le Point in Anspielung auf<br />
seinen berühmteren Namensvetter<br />
Albert Camus «ce Camus<br />
qui n’aime pas l’étranger», «der<br />
Camus, der den Fremden nicht<br />
mag». In einem kurzen Gastauftritt<br />
geistert Camus auch durch<br />
Michel Houellebecqs 2015 erschienenen<br />
Roman Unterwerfung,<br />
der eine islamische<br />
Machtübernahme im Frankreich<br />
der nahen Zukunft schildert.<br />
Entgegen der Darstellung in der<br />
Mainstreampresse hält der Publizist<br />
Distanz zum Front National.<br />
Dessen Vorsitzende Marine<br />
le Pen hat Camus’ Zentralbegriff<br />
des Großen Austausch<br />
als «verschwörungstheoretisch»<br />
abgetan.<br />
Website: renaud-camus.net<br />
Bild oben: Der berühmtere Namensvetter<br />
Albert Camus (1913–1960).<br />
Bild links: Brennpunkt Calais: Im<br />
dortigen Lager kommt es regelmäßig<br />
zu gewalttätigen Angriffen<br />
zumeist afrikanischer Asylforderer.<br />
Fotos: Archiv<br />
_ Interview: Martin Lichtmesz.<br />
Stark gekürzter Auszug aus<br />
Renaud Camus, «Revolte gegen<br />
den Großen Austausch», 224<br />
Seiten, 19 Euro (antaios.de).<br />
47
Der Große Austausch der Bevölkerung<br />
_ von Renaud Camus<br />
48<br />
Millionen Zuwanderer strömen über die offenen Grenzen zu uns – die<br />
Kolonisierung und Islamisierung Europas durch Afrikaner und Araber<br />
hat begonnen. Dies klar auszusprechen, ist der erste Schritt zur<br />
notwendigen Revolte.<br />
Integration,<br />
Assimilation,<br />
gemeinsame<br />
Staatsbürgerschaft<br />
– Begriffe aus der<br />
Vergangenheit.<br />
Der «Große Austausch»: Das ist keine Hypothese ,<br />
kein Konzept, keine Theorie, sondern die simple Feststellung<br />
einer Tatsache. Dieser Begriff umschreibt ein<br />
allumfassendes Phänomen, das bei weitem gewichtigste,<br />
das Frankreich und Europa seit dem Ende des<br />
20. Jahrhunderts heimsucht und vielleicht für immer<br />
verändern wird, einen laufenden Prozess, an dessen<br />
Ende die Auflösung der Völker und der Zivilisation steht.<br />
Man kann diese ungeheure Erschütterung auch<br />
anders beschreiben: als ethnische und kulturelle Substitution,<br />
als demographische Überschwemmung, als<br />
Gegen-Kolonisation, als Eroberung Europas durch<br />
Afrika, eine spiegelbildliche Kopie der einstigen Eroberung<br />
Afrikas durch die Europäer, die allerdings gravierendere<br />
Folgen hat und viel tiefer reicht.<br />
Kolonisation statt Integration<br />
Man kann argumentieren, dass es keinen unmittelbaren<br />
Austausch im strengen Sinne gebe und dass<br />
der ständige Zufluss von Neuankömmlingen in unaufhaltsamen<br />
Flutwellen nicht zwangsläufig nach einem<br />
halben Jahrhundert zum simultanen Verschwinden der<br />
Europäer auf ihrem eigenen Boden führen müsse; es<br />
gibt unzählige Faktoren, die über eine bloße Substitution<br />
im strengen Sinne hinausweisen. Es bleibt jedoch<br />
dabei: Die unterschiedlichen Geburtenraten in Verbindung<br />
mit der kontinuierlichen Zufuhr von Einwanderern<br />
bewirken, dass die Beziehungen und Proportionen zwischen<br />
den einzelnen Altersgruppen auf der einen Seite<br />
eine Bevölkerungsgruppe zeigen, die in Relation zu<br />
der vorangehenden Generation schrumpft, und auf der<br />
anderen Seite eine, deren Präsenz und Gewichtigkeit<br />
ohne Unterlass wächst. Wir können diese Entwicklung<br />
inzwischen mit dem bloßen Auge sehen: Unzählige<br />
Häuser und Plattenbauten, Straßen, die einst vertraut<br />
waren, ein Stadtviertel nach dem anderen, Eisenbahnund<br />
U-Bahn-Abteile, Klassenzimmer, Schulen, Veranstaltungsorte,<br />
ganze Städte, immer größere Landstriche<br />
sind nicht mehr wiederzuerkennen, da die alteingesessene<br />
Bevölkerung sie verlassen hat oder kaum<br />
noch frequentiert und durch eine andere ersetzt wurde.<br />
Ich denke hierbei gar nicht so sehr an die Farbe<br />
der Augen oder der Haut oder an verschiedene Haartypen.<br />
Ich denke an die Art, sich zu kleiden, an die<br />
Sitten, die in einem Haus oder einer Stadt Gültigkeit<br />
haben, an Verhaltensmuster, an Interessen, an kulinarische,<br />
musikalische, ästhetische, soziale Geschmäcke.<br />
Weit entfernt davon, sich im Laufe der Zeit einander<br />
anzugleichen, spitzen sich die Unterschiede vielmehr<br />
zu. Integration, Assimilation, gemeinsame Staatsbürgerschaft:<br />
Worte und Ausdrücke wie diese stammen<br />
aus einer Zeit, die längst der Vergangenheit angehört.
Niemand glaubt mehr an sie. Nationen können Individuen<br />
integrieren, wie es Frankreich im Lauf seiner<br />
Geschichte oft gemacht hat. Sie können aber keine<br />
ganzen Völker absorbieren. Die Neuankömmlinge verspüren<br />
keine Begierde, in den einheimischen Bevölkerungen<br />
aufzugehen. Diese Auszutauschenden, die<br />
vor ihnen zurückweichen und die abgestumpft sind<br />
durch die Ideologie des Austausches, eine demente<br />
Form des dogmatischen Antirassismus, scheinen es<br />
für eine Art Frage der Ehre oder der Schande zu halten,<br />
alle Nachteile willig in Kauf zu nehmen und dabei<br />
die Verachtung, die ihnen entgegenschlägt, masochistisch<br />
zu ertragen.<br />
Mit der Zeit werden die Einwanderer und ihre Nachkommen<br />
mehr und mehr sie selbst, das heißt, sie entsprechen<br />
immer mehr dem, was ihre Herkunft ihnen<br />
vorschreibt, mag sie noch so weit zurückliegen. Nun<br />
steigt sie wieder umso lebendiger aus den Tiefen<br />
empor. Sie sind mehr als je zuvor bereit, die Überzeugungen,<br />
den Habitus und die Sitten ihrer Vorfahren<br />
anzunehmen, da sie ja sehen können, dass nichts die<br />
Bevölkerungsteile am absteigenden Ast der demographischen<br />
Unterwanderung stärker ängstigt und demoralisiert.<br />
Diese fühlen deutlich, dass sie allmählich<br />
selbst zu Fremden werden, die sich nicht mehr unter<br />
ihresgleichen bewegen können. Deshalb werden die<br />
realen oder angeblichen Zeichen der betonten Wiederkehr<br />
der Ursprünge zu Hilfsinstrumenten der Machtentfaltung<br />
und zur triumphalen, aggressiven Selbstaffirmation<br />
seitens derer, die die Ausgetauschten ersetzen<br />
sollen: die Schleier, die Bubus, die Dschellabas,<br />
die Bärte, die demonstrative Religiosität und natürlich<br />
die Moscheen. Im Laufe dieses Übergangs lösen sich<br />
die Luftschlösser all jener auf, die glauben konnten<br />
oder wollten, dass man ein Volk verändern kann, ohne<br />
seine Zivilisation zu ändern; dass man mit einer anderen<br />
Bevölkerung immer noch dieselbe Nation haben<br />
kann; dass ein Messer, bei dem man zuerst den Griff<br />
und dann die Klinge austauscht, immer noch dasselbe<br />
Messer ist.<br />
Die Lügen der Multikulti-Lobby<br />
Es fällt auf, dass sich bei den Anhängern der Ideologie<br />
des Austausches im Hinblick auf ihre eigene,<br />
unmittelbare Zukunft allmählich eine gewisse Unsicherheit<br />
bemerkbar macht: denn diejenigen, die die<br />
Auszutauschenden ersetzen sollen und die sie mit<br />
einem solchen Eifer gefördert haben, scheinen im Alltag<br />
ihre eigene Doktrin demonstrativ zu widerlegen,<br />
was an sich eine begrüßenswerte Sache und sogar ein<br />
Grund zur Hoffnung wäre, wenn der Große Austausch<br />
nicht unterdessen ungestört weiterlaufen würde, und<br />
zwar auf ganz andere Weise, als es sich seine Betreiber<br />
vorgestellt oder erträumt haben. Sie werden dem<br />
Schicksal nicht entgehen, unter den ersten Opfern seiner<br />
Folgen zu sein, angesichts des Ausmaßes der Verachtung,<br />
die ihnen und ihrer Geisteshaltung seitens<br />
derer, die sie hofiert haben, entgegenschlägt.<br />
Die Ideologie des Austausches ist nichts anderes<br />
als die aggressivste und virulenteste Form des dogmatischen<br />
Antirassismus. Sie ist seine zeitgemäße Verkörperung.<br />
Indem sich diese Ideologie als «antirassistisch»<br />
bezeichnet, gibt sie sich implizit als eine Moral<br />
aus, wenn nicht sogar als die Moral selbst. Sie ist<br />
jedoch wohlgemerkt weder antirassistisch noch moralisch,<br />
und sie kann es auch gar nicht sein. Denn keine<br />
Moral kann ihre Grundlagen und ihre letzten Ziele<br />
Etwa 3.000 Migranten leben in<br />
Zelten und Baracken am Eingang<br />
des Kanaltunnels in Calais und<br />
starten immer wieder Durchbruchsversuche<br />
durch den Absperrzaun<br />
oder bedrohen LKW-Fahrer. Die Polizei<br />
hat einheimische Anarchisten<br />
der No-Border-Gruppe teilweise<br />
als Rädelsführer identifiziert. Foto:<br />
Reuters/Juan Medina<br />
Die Auszutauschenden<br />
sind bereit, die<br />
Verachtung<br />
masochistisch zu<br />
ertragen.<br />
Chaotische Zustände: Der «Dschungel»,<br />
das schmutzigste Lager in<br />
Calais. Foto: Twitter<br />
49
<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />
50<br />
De Gaulles Warnung<br />
«Es ist sehr gut, dass es gelbe,<br />
schwarze und braune Franzosen<br />
gibt. Sie zeigen, dass Frankreich<br />
offen ist für alle Rassen<br />
und dass es eine universelle Berufung<br />
hat. Aber unter der Bedingung,<br />
dass sie eine Minderheit<br />
bleiben. Sonst wäre Frankreich<br />
nicht mehr Frankreich. Wir<br />
sind vor allem ein europäisches<br />
Volk von weißer Rasse, griechischer<br />
und römischer Kultur und<br />
christlicher Religion. Dass man<br />
sich da nichts vormacht! (…)<br />
Die Leute, die die Integration<br />
anpreisen, haben ein Kolibrihirn,<br />
auch wenn sie sonst viel wissen<br />
mögen. Versuchen sie doch<br />
einmal, Öl und Essig miteinander<br />
zu mischen. Schütteln Sie<br />
die Flasche. Binnen kurzer Zeit<br />
werden sie sich wieder trennen.<br />
Araber sind Araber, Franzosen<br />
sind Franzosen. Glauben Sie<br />
denn wirklich, dass der französische<br />
Volkskörper zehn Millionen<br />
Muslime aufnehmen kann, die<br />
morgen zwanzig Millionen und<br />
übermorgen vierzig sein werden?»<br />
(Aus einem Gespräch, das<br />
de Gaulle am 5. März 1959 geführt<br />
hat. Quelle: Alain Peyrefitte,<br />
C’était de Gaulle [deutsch:<br />
Das war de Gaulle], Fayard<br />
1994.)<br />
Terrorangst: Nach den zwei verheerenden<br />
Anschlagswellen im Januar<br />
und November 2015 patrouillierten<br />
Soldaten durch die französischen<br />
Städte, hier im Pariser Quartier Saint-<br />
Denise am 18.11.2015. Foto: dpa<br />
in der unablässigen Propagierung der Ersetzung von<br />
Lebewesen und Dingen sehen, die unter dem Gesichtspunkt<br />
ihrer Eignung zur Ersetzbarkeit bewertet werden.<br />
Ganz im Gegenteil strebt eine wahrhafte Moral<br />
danach, unersetzliche Lebewesen herauszubilden und<br />
den Respekt vor ihrer natürlichen Unersetzlichkeit zu<br />
kultivieren.<br />
Eine wahrhafte Moral kann es sich auch nicht<br />
leisten, sich von der Wahrheit zu lösen, die für jede<br />
Moral eine notwendige Bedingung ersten Ranges ist.<br />
Die Ideologie des Austausches jedoch basiert auf der<br />
Lüge. Es ist wie in dem Witz vom geborgten Kessel,<br />
den Freud so gerne zitierte. Der Mann, der ihn seinem<br />
Nachbarn in beschädigtem Zustand zurückbringt, hat<br />
drei Entschuldigungen: Erstens war der Kessel schon<br />
beschädigt, als ich ihn entliehen habe; zweitens ist er<br />
doch gar nicht beschädigt, und drittens habe ich diesen<br />
Kessel niemals ausgeliehen. Erstens habe es nur sehr<br />
wenig Einwanderung nach Frankreich gegeben und<br />
außerdem sei sie rückläufig; zweitens habe es immer<br />
schon enorm viel Einwanderung gegeben, Frankreich<br />
und Europa seien immer schon Einwanderungsländer<br />
gewesen, das sei doch überhaupt nichts Neues und es<br />
lohne sich gar nicht, darüber zu reden; drittens habe es<br />
bereits so viel Einwanderung gegeben, dass die gegenwärtige<br />
Situation irreversibel sei: Man könne nichts<br />
anderes mehr tun, als sich mit der Lage anzufreunden –<br />
oder die Koffer zu packen, wenn sie einem nicht passe.<br />
Falsches und echtes Mitleid<br />
Der unglückselige Migrant, mit dem wir das Menschsein<br />
teilen, wird von den Schleppern ebenso und noch<br />
mehr verdinglicht, als er es von der Ideologie des globalen<br />
Austausches ohnehin schon wird, der höchstselbst<br />
er es zu verdanken hat, auf Straßen und Meere<br />
hinausgetrieben worden zu sein. Dass dieser Unglückliche<br />
zu Recht zu beklagen ist, kann nicht bestritten<br />
werden. Indes: Diesem augenblicklichen Mitleid nachzugeben,<br />
indem man der Masse der Migranten blindlings<br />
die Häfen und die Pforten öffnet, bedeutet, dazu<br />
beizutragen, dass die Gewalt, das Misstrauen, die<br />
Abstumpfung und das Elend in unserer Gesellschaft<br />
vermehrt werden – den Beweis dafür erbringt die elementare<br />
direkte Beobachtung. Es ist das Wohl dieser<br />
Gesellschaft und der Millionen Individuen, aus denen<br />
sie sich zusammensetzt, dem unsere primäre Sorge zu<br />
gelten hat, und zwar entschieden mehr als dem Wohl<br />
derer, die ihr nicht angehören. Diese verdienen gewiss<br />
unser Mitleid wie jedes andere lebende Wesen auch,<br />
aber nicht in Form einer Öffnung der Grenzen, denn<br />
diese erzeugt sehr rasch noch mehr allgemeines und<br />
dauerhaftes Leid. Die Moral darf nicht auf sentimentale<br />
Reflexe reduziert werden. Sie muss das Für und<br />
Wider abwägen und gewissenhaft die moralischen Folgen<br />
ihrer Entscheidungen bedenken.<br />
Die Ideologie des Großen Austausches<br />
ist weder antirassistisch<br />
noch moralisch.<br />
Außerdem wäre das eine ziemlich eigenartige<br />
Moral, die uns bei jeder Gelegenheit dazu auffordert,<br />
uns jeglichen moralischen Urteils zu enthalten.<br />
Dies aber verlangt der Antirassismus des Austausches,<br />
mit ständiger Berufung auf scheinbar ethische<br />
Gründe. Ein Verbrechen kann noch so schwer, ein Delikt<br />
noch so bösartig sein: Die institutionalisierte Ideologie<br />
des Austausches nötigt uns, die Tat vor allem unter<br />
soziologischen Gesichtspunkten zu betrachten – das<br />
heißt, sie zu «verstehen» und möglichst rasch zu entschuldigen,<br />
da die Untaten dieses oder jenes Täters<br />
stets auf «Rassismus», «Ausgrenzung» und «Diskriminierung»<br />
zurückzuführen seien. Dadurch wird er zum<br />
essentiell Unschuldigen, denn der Rassismus, dessen<br />
Zielscheibe er angeblich ist, gilt satzungsgemäß als der<br />
einzig wahre Schuldige an seinen Handlungen. Daher<br />
sind die Schuldigen unschuldig, weil sie sozusagen<br />
aufgrund ihrer bloßen Herkunft ewige Opfer sind, auch<br />
wenn sie zu Tätern werden; man wagt es nicht, an dieser<br />
Stelle von Rasse zu sprechen, da ja dieses Wort<br />
am besten die Paradoxie des Antirassismus zu erkennen<br />
gäbe, in dessen Begriff es implizit enthalten ist<br />
und dessen ursprünglicher Sinn sich inzwischen komplett<br />
ins Gegenteil verkehrt hat: Er macht nämlich seine<br />
moralischen Urteile über die Menschen von ihrer ethnischen<br />
Zugehörigkeit abhängig und tut also genau das,<br />
was er zu verdammen vorgibt. Und auch die Opfer sind<br />
keine wirklichen Opfer, wenn sie sozusagen genetisch,<br />
atavistisch, der Rasse der Schuldigen angehören. Es<br />
ist eben immer wieder dasselbe Spiel.
<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />
Zweierlei Fremdherrschaft<br />
Die damit einhergehende Pseudomoral – deren Prämissen,<br />
wie gesagt, falsch und schlecht, daher also<br />
unmoralisch sind, obwohl sie sich auf moralische Kategorien<br />
berufen – gibt das Gebot als wahr, schön und<br />
gut aus, dass die einheimischen Völker die ihnen aufgezwungenen<br />
Ungerechtigkeiten kampflos hinnehmen<br />
sollen: also ihre Eroberung durch ethnische Überschwemmung,<br />
ihre Preisgabe durch die herrschenden<br />
Eliten, die Macht im Dienst der Ideologie des Austausches<br />
(ob sich diese nun als konservativ oder links<br />
bezeichnet, macht dabei keinen Unterschied). Die<br />
Ahnen der Völker, die uns heute überschwemmen,<br />
haben sich einst ebensolchen Invasionen von Fremden,<br />
die andere Zivilisationen, andere Kulturen oder<br />
Unkulturen und andere Religionen im Gepäck tragen,<br />
mit aller Kraft widersetzt. Warum machen die Europäer<br />
in der gleichen Lage nicht dasselbe? Was hält<br />
sie davon ab, sich dagegen zu erheben?<br />
Die heutige Kolonisation Europas<br />
reicht viel tiefer als die frühere<br />
Kolonisation Afrikas.<br />
Ein Grund ist wohl, dass sich die Invasoren in einer<br />
neuartigen, trügerischen Form präsentieren und sie<br />
durch ihre Misere und ihre Hilfsbedürftigkeit, die<br />
manchmal real, manchmal gespielt ist, etwas erreichen,<br />
das ihre Vorgänger, die häufig aus denselben<br />
Breitengraden kamen wie sie, durch Macht und Herrlichkeit<br />
nicht dauerhaft in ihren Besitz nehmen konnten<br />
– trotz der sieben Jahrhunderte in Spanien. Weil<br />
Europa nicht wahrhaben will, dass es zwischen tausenden<br />
und hunderttausenden Flüchtlingen und illegalen<br />
Einwanderern pro Jahr einen fundamentalen Qualitätsunterschied<br />
gibt, versteift sich der Kontinent lächerlicherweise<br />
auf die Vorstellung, es mit einem bloßen<br />
Menschenrechtsproblem oder einer humanitären Krise<br />
zu tun zu haben, während alles darauf hindeutet, dass<br />
es sich in Wahrheit um eine Invasion handelt.<br />
Man hat mich zuweilen dafür kritisiert, dass ich von<br />
der Kolonisierung Europas spreche. Die einen empfanden<br />
diesen Begriff deshalb als unpassend, weil unsere<br />
Kolonisten friedlich und waffenlos seien; die anderen,<br />
weil die Eroberer doch gar nichts kolonisierten, wenn<br />
«kolonisieren» eine produktive Tätigkeit impliziert.<br />
In Wahrheit gebärden sie sich immer weniger friedlich,<br />
und sie lassen zunehmend ihre Machtansprüche<br />
erkennen, die Ansprüche von Eroberern. Sie sind kurz<br />
davor, direkt zu verlangen, dass man sich ihren Wünschen<br />
füge und ihre Forderungen erfülle. Und wenn sie<br />
auch nichts Produktives geleistet haben, so haben sie<br />
immerhin gezeigt, dass sie zur Ausbeutung imstande<br />
sind, wenn man etwa die wahnwitzigen Kosten der<br />
Masseneinwanderung betrachtet. Europa ist auf eine<br />
Weise von Afrika kolonisiert worden, wie es selbst nie<br />
kolonisiert hat. Europa hat in der Vergangenheit vor<br />
allem erobert. Folgt man dem antiken Paradigma, dann<br />
bedeutet die Gründung einer Kolonie vor allem, Teile<br />
seiner Bevölkerung in Massen zu exportieren. Das hat<br />
Frankreich, um es einmal deutlich zu sagen, niemals<br />
getan, mit Ausnahme Kanadas im 17. und 18. Jahrhundert<br />
und Algeriens zwei Jahrhunderte später. Man<br />
weiß, wie das geendet hat.<br />
Die Unabhängigkeit der Völker lässt sich jedoch viel<br />
leichter verwirklichen, wenn die Kolonisierung einen<br />
rein nominellen, wirtschaftlichen, militärischen und<br />
administrativen Charakter hat. Wir selbst erleiden eine<br />
Kolonisation, die viel tiefer reicht, weil sie demogra-<br />
Die Folgen der Multikulti-Politik.<br />
Bild links: Viele Banlieues sind<br />
zu gesetzlosen Zonen geworden,<br />
in denen die Polizei den Straßenbanden<br />
nicht mehr Herr wird.<br />
Bild rechts: Die Islamisierung<br />
schreitet voran. Da die Moschee in<br />
der Rue Myrha in Paris überfüllt ist,<br />
beten die Muslime auf dem Pflaster<br />
davor. Fotos: Archiv<br />
Muslime<br />
in Frankreich<br />
Prognostizierte muslimische Bevölkerungsentwicklung<br />
in Frankreich<br />
von 1990–2<strong>03</strong>0<br />
10,3<br />
6.860<br />
568<br />
1<br />
7,5<br />
4.704<br />
1990 2010 2<strong>03</strong>0<br />
Anzahl Muslime in Tausend<br />
Anteil Muslime an Gesamtbevölkerung<br />
in Prozent<br />
Quelle: Zusammenstellung aus<br />
Material der Onlinepräsentation<br />
des Pew Forum on Religion &<br />
Public Life (2011)<br />
51
<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />
Die wahren Feinde<br />
Nicht ganz zu Unrecht werfen<br />
manche ihrer Gegner den Rechten<br />
vor, es sich in der Benennung<br />
«des Moslems» oder «des<br />
Ausländers» zu einfach zu machen,<br />
ja gar einen Sündenbock<br />
zu suchen. Natürlich aber sind<br />
die einwandernden Massen Teil<br />
des Gesamtproblems, und keineswegs<br />
nur als Opfer zu betrachten.<br />
Sie sind Schachfiguren<br />
eines größeren Spiels. Ebenso<br />
ist der Islam als Kitt und mobilisierender<br />
Faktor dieser Einwanderermassen<br />
ein zentrales<br />
Problem, das den Großen Austausch<br />
beschleunigt und ihn blutiger<br />
und brutaler macht. Das<br />
wahre Problem sind aber die<br />
«Austauscher». (…) Die Initiatoren,<br />
Vertuscher und Förderer des<br />
Gesamtprozesses sind die wahren<br />
Feinde jener, die den Großen<br />
Austausch verhindern wollen.<br />
Sie sind die wahren Feinde der<br />
europäischen Völker. Dazu gehören<br />
nationale und internationale<br />
Konzerne, die sich durch<br />
das Fehlen von Einwanderungsgrenzen<br />
eine Lohnkostenminderung<br />
und vom Abbau ethnokultureller<br />
Gemeinschaften eine Erleichterung<br />
ihres Wirtschaftstreibens<br />
erwarten. Sodann jene<br />
migrationsfreundlichen politischen<br />
Parteien, die in den Migranten<br />
einen Stimmenimport<br />
entdeckt haben. (…) Eine Szene<br />
aus Intellektuellen und Kulturproduzenten<br />
lebt im Großen<br />
Austausch einen ethnomasochistischen<br />
Wahn aus, der als<br />
Schuldkult den gesamten Westen<br />
befallen hat. (Martin Sellner<br />
im aktuellen Buch von Renaud<br />
Camus, Revolte gegen den Großen<br />
Austausch)<br />
phischen Charakter hat, was bei der Kolonisation Afrikas<br />
nicht der Fall war; da sie enorme Bevölkerungstransfers<br />
zur Grundlage hat, könnte sie sehr bald irreversibel<br />
werden. Es gibt jetzt schon sechsmal so viele<br />
Afrikaner in Europa als es Europäer gibt, die jemals in<br />
Afrika gelebt haben. Darum muss rasch gehandelt werden.<br />
Der irrsinnige Pendelschlag von Kolonisation und<br />
Gegen-Kolonisation muss gestoppt und in der Mitte, im<br />
Mittelmeerraum, fixiert werden. Daher sollte uns ein<br />
antikolonialistischer Geist leiten – antikolonialistisch<br />
und widerständig.<br />
Wir müssen eine kritische Masse<br />
bilden, die dem Widerstand Handlungsspielraum<br />
eröffnet.<br />
Das Fanal zum Widerstand<br />
Das erste Ziel, das sehr rasch erreicht werden<br />
könnte, wenn eine ausreichend große Zahl an Franzosen<br />
und anderen Europäern es wirklich wollte, wäre<br />
eine kritische Masse zu bilden, die gut sichtbar ist<br />
und die dem Widerstand gegen den Großen Austausch<br />
einen echten Handlungsspielraum eröffnet,<br />
seinen Entscheidungen Nachdruck verleiht und auf<br />
den Lauf der Geschichte einwirken kann. Sie muss in<br />
der Lage sein, unseren bedrückten Landsleuten wieder<br />
Mut und Selbstvertrauen einzuflößen und ihnen<br />
ein Sprachrohr in die Hand zu geben, um ihre Ablehnung<br />
des kommenden Großen Austausches kundzutun,<br />
ihre Entschlossenheit, den Lauf der Dinge umzukehren.<br />
Es nützt nichts, sich in Aktionen und Demonstrationen<br />
zu stürzen, mögen sie so spektakulär sein,<br />
Das Gesicht des Widerstands: General Christian Piquemal (75) war<br />
Kommandeur der Fremdenlegion und diente drei Präsidenten als<br />
Berater. Seine Verhaftung am 6. Februar <strong>2016</strong> bei einer Demonstration<br />
des französischen Pegida-Ablegers in Calais sorgte für<br />
Empörung. Foto: privat<br />
wie sie wollen, wenn sie nicht die Möglichkeit bieten<br />
können, aus ihnen augenblicklich politisches und,<br />
ich würde sogar sagen: historisches Kapital zu schlagen<br />
– denn es geht nicht mehr um Politik allein. Dazu<br />
braucht man natürlich Geld, ebenso wie Kompetenz,<br />
Hingabe, Zeit und den starken Willen, der geballten<br />
Arroganz der Austauscher und der Austauschenden<br />
die Stirn zu bieten. Wir müssen zu einer unumgänglichen,<br />
manifesten, evidenten Kraft heranwachsen,<br />
um sicherzustellen, dass selbst die Medien, für die wir<br />
ein fleischgewordener Albtraum werden müssen, es<br />
nicht länger vor unseren Landsleuten verbergen können:<br />
Es gibt eine Bewegung, die sich der Eroberung<br />
konsequent entgegenstellt und der sich jeder jederzeit<br />
anschließen kann!<br />
Brigitte Bardot bekennt sich schon<br />
seit fast 30 Jahren zum Front<br />
National. Für Härtefälle hat sie sich<br />
eine Mistgabel besorgt. Foto: Peter<br />
Basch<br />
52<br />
_ Der Text ist ein stark gekürzter<br />
Auszug aus Renaud Camus,<br />
«Revolte gegen den Großen<br />
Austausch», gerade erschienen<br />
im Verlag Antaios. Übersetzung:<br />
Martin Lichtmesz
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
Unsere Handball-Helden<br />
_ von Bernd Schumacher<br />
Die Schale ist zu Hause: Siegerehrung<br />
bei der Handball-WM in Polen.<br />
Foto: picture alliance / Camera4<br />
Es war ein bewegender Moment an diesem 31. Januar in Krakau: Zwei Dutzend Männer<br />
stehen stramm und singen unsere Nationalhymne mit stolzgeschwellter Brust und aus<br />
voller Kehle. Unsere Sportskanonen, vom Gegner gefürchtet und in der Heimat verehrt,<br />
sind Europameister!<br />
Nach dem Triumph unserer Fußballer in Rio, als<br />
auf der ganzen Welt schwarz-rot-goldene Fahnen geschwenkt<br />
wurden, ist der Titel der Handball-Nationalmannschaft<br />
ein kleinerer, aber doch kaum weniger<br />
bedeutender Erfolg. Fast zehn Jahre ist es her, dass<br />
Deutschland den EM-Pokal zum letzten Mal in Händen<br />
hielt – und das, obwohl Handball eine der wenigen<br />
originär deutschen Sportarten ist. 1917 und 1919 legten<br />
Berliner Turnlehrer den Grundstein. Heute versammeln<br />
sich zu den Turnieren in schöner Regelmäßigkeit<br />
die germanischen Völker aus der Mitte und dem Norden<br />
Europas. Dazu kommen Slawen aus Ost und Süd<br />
sowie Franzosen und Spanier.<br />
Als ob ein Regisseur hinter den Kulissen der Krakauer<br />
Tauron Arena gewirkt hätte, begann der erste<br />
Akt der Heldengeschichte mit einer Pleite. Die erste<br />
Begegnung gegen Spanien ging verloren, die Partien<br />
gegen Schweden und Russland arteten zu Zitterpartien<br />
aus und gingen beide mit nur einem Tor Vorsprung<br />
an die deutsche Truppe. Irgendwie schlug man sich<br />
durch. Knapp gegen Slowenien, knapper gegen Dänemark:<br />
Nervenkitzel garantiert. Als ob eine unsichtbare<br />
Hand die Spieler führte, schwangen sie sich immer<br />
zu neuen Kraftakten auf, die ihnen niemand zugetraut<br />
hätte. Schließlich war die deutsche Sieben<br />
– das jüngste Team, voller Nobodys – als Außenseiter<br />
ins Turnier gestartet.<br />
Mit Blut, Schweiß und Toren<br />
Dass sie eine Chance auf den Titel haben würden,<br />
glaubten wohl nur die mitgereisten Schlachtenbummler.<br />
Denn erst 2014 hatte Bundestrainer Dagur<br />
Sigurdsson die Baustelle übernommen und innerhalb<br />
kurzer Zeit eine schlagkräftige Truppe geformt. Dabei<br />
traf der Isländer unkonventionelle Personalentscheidungen,<br />
verprellte den einen oder anderen Bundesliga-Star,<br />
aber ließ sich nicht von seiner Vision einer<br />
Mannschaftsarchitektur abbringen. Der Internationale<br />
Handballbund erlaubt den Einsatz von ausländischen<br />
Spielern in einer Nationalmannschaft. Aber der Deutsche<br />
Handballbund verzichtet und setzt konsequent auf<br />
nationale Kräfte. Neben Leitwölfen wie Steffen Weinhold<br />
und Martin Strobel liefen Nachwuchskräfte wie<br />
Finn Lemke und Rune Dahmke auf. Ihnen gemeinsam<br />
sind der athletische Bau, die hohe Körperlichkeit des<br />
Spiels und ein unstillbarer Heißhunger auf den Sieg.<br />
Richtige Fans brauchen keine<br />
Klatschpappen. Foto: Facebook<br />
Die deutsche<br />
Nationalmannschaft<br />
verzichtet<br />
konsequent auf<br />
ausländische<br />
Spieler.<br />
53
54<br />
Aufbäumen für den Sieg: Rückraumspieler<br />
Julius Kühn wurde erst<br />
während der EM nachnominiert.<br />
Foto: picture alliance / Camera4<br />
Rangliste der<br />
Europameister<br />
Rang Land<br />
Titel<br />
1. Schweden 4<br />
2. Frankreich 3<br />
3. Dänemark 2<br />
4. Deutschland 2<br />
5. Russland 1<br />
(Stand: 31. Januar <strong>2016</strong>)<br />
Quelle: Wikipedia<br />
_ Bernd Schumacher ist der<br />
Fußballspezialist und Sportexperte<br />
von <strong>COMPACT</strong>. In Ausgabe 2/<strong>2016</strong><br />
schrieb er über Jürgen Klopp, der<br />
als Coach des FC Liverpool mit<br />
deutschen Tugenden die englische<br />
Liga aufmischt.<br />
Unsere Handball-Nationalmannschaft stellte unter<br />
Beweis, dass die berühmten deutschen Tugenden leben.<br />
Der Wille zum Sieg trug unsere Jungs von Spiel zu<br />
Spiel, von Triumph zu Triumph. Je stärker der Gegner,<br />
desto größer die Kampfkraft. Und die jungen Wölfe<br />
schlugen hart zu. Die Fußball-Nationalelf gehörte bei<br />
Welt- und Europameisterschaften stets zu den zahmsten.<br />
Die Handballer des Jahrgangs <strong>2016</strong> sind deutlich<br />
anders unterwegs. Für sie gab’s kein Pardon, sie rempelten,<br />
fielen den gegnerischen Angreifern in den Arm,<br />
zogen die Notbremse, wenn das eigene Tor in Gefahr<br />
war. Kreisläufer Hendrik Pekeler kassierte 22 Strafminuten,<br />
vier Gelbe und eine Rote. Nicht immer schön,<br />
aber immer wirkungsvoll. Die jungen Deutschen gaben<br />
nie auf und rangen dem Gegner den Sieg mit Blut,<br />
Schweiß und Toren ab – bei jedem Spiel aufs Neue.<br />
Unsere Männer stellten unter<br />
Beweis, dass die berühmten<br />
deutschen Tugenden leben.<br />
Die Bewährungsprobe kam im Viertelfinale gegen<br />
Dänemark. Nur drei Minuten vor Schluss gelang der<br />
Ausgleich gegen die nordischen Platzhirsche, die fast<br />
das ganze Spiel über geführt hatten. 30 Sekunden später<br />
verwandelte Tobias Reichmann einen Siebenmeter<br />
eiskalt zur Führung. Unglaubliche 26 Treffer erzielte<br />
der Rechtsaußen im gesamten Turnier – Trefferquote:<br />
90 Prozent. Die harte Belastungsprobe dann im<br />
Halbfinale gegen Norwegen. Nur 19 Sekunden vor<br />
Schluss erzielte der Kieler Rune Dahmke den Ausgleich<br />
zum 27:27. In der hochdramatischen Verlängerung<br />
waren es dann abermals die deutschen Tugenden,<br />
die die Entscheidung brachten: Durchhaltevermögen,<br />
eiserner Wille, Mannschaftsgeist, dazu jede<br />
Menge Kraft und Schnelligkeit. Nur fünf Sekunden vor<br />
Abpfiff erzielte der Nachrücker Kai Häfner das Siegtor<br />
zum 34:33 – eine unglaubliche Leistung der jüngsten<br />
Mannschaft des Turniers.<br />
Wie aus einem Guss<br />
Im Finale erschien dann alles plötzlich ganz leicht.<br />
Das hoch favorisierte Spanien mutierte vom Angstgegner<br />
fast zum Sparringspartner. Schon in den ersten<br />
zehn Minuten hatten sich die Männer in Weiß einen<br />
Vier-Tore-Vorsprung herausgespielt. Das Märchen<br />
von Krakau ging weiter, in der zweiten Halbzeit waren<br />
sich die deutschen Anhänger sicher: Dort unten spielt<br />
der neue Europameister, und er kommt aus der Heimat.<br />
Die Jungs wirkten geradezu übermächtig. In den<br />
acht Spielen des Turniers waren sie immer wieder bis<br />
an ihre körperlichen Grenzen gegangen, doch jetzt lief<br />
alles wie von selbst. Vorne wirkte die Angriffsmaschine,<br />
Kai Häfner donnerte sieben Bälle ins gegnerische<br />
Netz, aber anders als bei den Herzschlagspielen hielt<br />
auch die Abwehr: Der spanische Topstar Raúl Entrerrios<br />
verzweifelte ein ums andere Mal an den Muskelmännern<br />
aus Gummersbach, Wetzlar und Lübbecke.<br />
Ex-Nationalspieler Steffen Kretzschmer brachte<br />
es als Kommentator auf den Punkt: Die Führung<br />
sei so deutlich, «weil hinten eine deutsche Mauer<br />
steht!» Abwehrriese Finn Lemke (2,10 Meter) brüllte<br />
in der Kabine seinen Kampfruf heraus: «Heute nicht!<br />
Heute kann uns niemand schlagen! Heute ist unser<br />
Tag!» Und tatsächlich: Nach 60 Spielminuten war<br />
der Triumph perfekt, das Turnier hatte seinen Über-
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
Deutschland im<br />
Freudentaumel<br />
raschungssieger, der deutsche Sport ein neues Märchen.<br />
Die «Bad Boys» aus Germany hatten allen gezeigt,<br />
was möglich ist, wenn die letzten Reserven<br />
mobilisiert werden. Der geniale Taktiker Dagur Sigurdsson<br />
hatte nie die Nerven verloren und seinen<br />
Schützlingen ein ums andere Mal eingeschärft: «Nie<br />
Frustration zeigen, immer konzentriert bleiben, nie<br />
übermütig werden.»<br />
«Heute nicht! Heute kann uns<br />
niemand schlagen! Heute ist unser<br />
Tag!»<br />
Als die Nationalhymne erklang, sangen die Hünen<br />
ohne Ausnahme einträchtig mit, kein Wunder, denn<br />
keiner musste mit sich ringen, ob sein Migrationshintergrund<br />
ihn von einem lautstarken Bekenntnis zu<br />
Deutschland abhalten könnte. Bundestrainer Dagur<br />
Sigurdsson hob die schwarz-rot-goldene Flagge vom<br />
Boden auf und sang voller Inbrunst – dem Wikinger<br />
aus Island fiel das inmitten seiner germanischen Krieger<br />
nicht schwer. Der Gänsehautmoment übertrug sich<br />
in die deutschen Wohnzimmer – man konnte wieder<br />
stolz darauf sein dazuzugehören. Selbst der ARD-<br />
Mann schwärmte, dass «dieser Erfolg nur möglich<br />
wurde, weil wieder auf deutsche Talente gesetzt wird<br />
und nicht mehr nur ausländische Spieler eingesetzt<br />
werden.» So machen es die Spanier, die Kroaten, die<br />
Skandinavier sowieso. Während man sich als französischer<br />
Fußball-Fan im falschen Film wähnt, wenn<br />
auf dem Rasen nur Söhne Afrikas herumlaufen, und<br />
Jogi Löws Team immer «bunter» wird und nur noch<br />
«Die Mannschaft» heißen soll, wissen die Freunde<br />
des deutschen Handballs genau, was sie bekommen:<br />
eine starke Truppe aus einem Guss. Schon in diesem<br />
Sommer wird die deutsche Mannschaft bei den Olympischen<br />
Spielen in Rio als Favorit auflaufen – und ihre<br />
Gegner wieder das Fürchten lehren.<br />
Ehemaliger Handball-Nationalspieler<br />
Stefan Kretzschmar: «Ich<br />
bin beeindruckt, wie ich beeindruckter<br />
noch nie war.»<br />
Basketballer und NBA-Champion<br />
Dirk Nowitzki: «Wahnsinn,<br />
Jungs. Gooold. Gratulation. Feiert<br />
schön!!!»<br />
Fußball-Legende Franz Beckenbauer:<br />
«Sie sind nicht als Topfavorit<br />
ins Rennen gegangen, sondern<br />
als Außenseiter. Ich muss<br />
alle Hüte, die ich habe, ziehen!»<br />
Fußball-Weltmeister Bastian<br />
Schweinsteiger: «EUROPA-<br />
MEISTER!! Ihr seid der absolute<br />
Wahnsinn! Glückwunsch.»<br />
Tennisspielerin Andrea Petkovic:<br />
«Man kann ja keine ganze<br />
Mannschaft heiraten.»<br />
Fotos (v. l. n. r.): Torwart Andreas<br />
Wolff, Bundestrainer, Dagur<br />
Sigurdsson, Altstar Stefan Kretzschmar.<br />
Fotos: picture alliance, Jens<br />
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Rihanna beweist mit ihrem neuen «Anti»-Album stimmliche Vielfalt<br />
und Virtuosität. Aber viele Kritiker äußerten sich ratlos. Vielleicht,<br />
weil sie die Künstlerin zu sehr auf Musik reduzieren?<br />
sind von einem riesigen Blutfleck überzogen. Vor dem<br />
Hintergrund von Rihannas schwerer Kindheit – Diskriminierung<br />
in der Schule, daheim ein betrunkener, prügelnder<br />
Vater – fordert das Bild: Schaut unter die Oberfläche!<br />
Motto des Albums: «Manchmal sind die Sehenden<br />
die Blindesten». Und umgekehrt.<br />
Albträume<br />
Rihanna, die 2005 als strahlend-exotische Energiebombe<br />
begann, pure Lebensfreude, Music of the<br />
Sun zu tanzen schien – spätestens seit der Prügelattacke<br />
ihres Ex-Lovers Chris Brown verdüsterte sich<br />
ihr Werk: Trauer und Gewalt flossen in Songtexte und<br />
Videoclips. Im letzten Jahr kamen zwei Polit-Apokalypsen<br />
hinzu: American Oxygen und Bitch better have<br />
my money, als Reaktion auf die Krawalle in Ferguson.<br />
2012 erschien ihr bis dahin letztes Album. Mit<br />
der Ankündigung von Anti durch finstere diaRy-Clips<br />
schien sie sich endgültig von der Sonnen- zur Nachtgöttin<br />
gewandelt zu haben, einen autobiographischen<br />
Trip in die Abgründe der Kindheit vorzubereiten. Ende<br />
Januar kam Anti endlich raus, als Download auf Tidal,<br />
dem Portal ihres Mentors Jay Z. Der wollte eigentlich<br />
nur einen Song des Albums freischalten, als Appetizer.<br />
Aber wegen einer technischen (?) Panne stand plötzlich<br />
das gesamte Album zum Herunterladen bereit…<br />
Rihannas Reaktion: Sie gab Anti offiziell zum Gratis-<br />
Download frei. Alle 13 Songs, die ganzen 43 Minuten.<br />
Innerhalb der folgenden Nacht nutzten 1,4 Millionen<br />
Fans das Angebot, Anti erreichte damit bereits<br />
Platin-Status.<br />
56<br />
Ob Musik, Film, Performance,<br />
Text, Mode, Schmuck, Parfum,<br />
Tattoos – nichts ist sicher vor ihrer<br />
Ausdruckswut. Rihanna ist ein<br />
Gesamtkunstwerk. Foto: Twitter<br />
«Manchmal sind<br />
die Sehenden die<br />
Blindesten».<br />
_ Von Harald Harzheim ist gerade<br />
das Buch «Gesamtkunstwerk<br />
Rihanna», Kai Homilius Verlag, 128<br />
Seiten, 9,95 Euro erschienen.<br />
Die Kamera fährt durch dunkle Korridore, in geheimnisvolle<br />
Räume voll rätselhafter Personen, riesiger<br />
Insekten. Am Ende des Labyrinths: ein Kind – hinter<br />
dem Spiegel oder in einem alten Bett, daneben längst<br />
verstaubtes, verschüttetes Spielzeug. Düsterer Sound<br />
und eisiges Schweigen. Ein Labyrinth der Angst, das in<br />
die verborgensten Winkel der Kindheit führt. Als wäre<br />
man in einem Schauerfilm von David Lynch. Derartige<br />
Videos tauchen seit vergangenem Herbst im Internet<br />
auf. Anti diaRy von Rihanna. Werbung für ihr kommendes<br />
Album Anti. Fast zur gleichen Zeit publiziert: dessen<br />
Cover. Darauf ein Originalfoto der kleinen Riri mit<br />
nacktem Oberkörper. Das betont Schutzlosigkeit. Um<br />
den Kopf herum trägt sie eine Krone. Aber, so tief ins<br />
Gesicht gezogen wie eine Augenbinde, verhindert sie<br />
jedes Sehen. Die Krone ist mit Blindenschrift bestanzt.<br />
Die vervielfachte Umrandung des Körpers illustriert<br />
seine Erschütterung. Kopf, Schultern und Hintergrund<br />
Nun sind die Anti-Songs keine Reise in die Kindheit,<br />
aber vielleicht Wiederfinden des inneren Kindes.<br />
Vor allem sind sie dunkel. Der Sender n-tv meinte gar,<br />
sie seien «zum Pulsader-Aufschlitzen». Der minimalistische<br />
Song Good Night, Gotham spielt auf Gotham City<br />
an, in dem nachts Batman Verbrecher durch Straßenschluchten<br />
jagt. Liebesverwundung besingt Rihanna<br />
in Work. Einzige Betäubungsoption: endlose Arbeit.<br />
«Dann wach ich auf und alles fühlt sich falsch an / Ich<br />
steh bloß auf und mach mich bereit zur Arbeit, Arbeit,<br />
Arbeit.» Aber Workoholism ist nicht die einzige Droge.<br />
James Joint erzählt vom Marihuanarausch inmitten<br />
von Stress, Arbeit und flüchtiger Liebe. Die Songs spielen<br />
mit verschiedensten Musikstilen und Gesangsstimmen,<br />
nichts wiederholt sich. Rihanna experimentiert,<br />
verweigert sich Erwartungen und Schubladen. Ein Kritiker<br />
stellte erschrocken fest, dass sie sich in Anti geradezu<br />
auflöse. «Gespenst im Spiegel / Ich kenne Dein<br />
Gesicht, aber es ist verschwommen / Und ich kann<br />
meinen Körper nicht spüren / Ich verlasse das Hier und<br />
Jetzt», singt sie in Never Ending.
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
Urlaub im Schurkenstaat<br />
_ von Peter Wiegrefe<br />
Nordkorea schottet sich streng gegenüber der Außenwelt ab, die wenigen Touristen<br />
dürfen sich nicht frei bewegen. Weil die westlichen Medien das sozialistische Land grau<br />
in grau zeichnen, wollte ich mir ein eigenes Bild machen: Meine Reise hinter den letzten<br />
Eisernen Vorhang begann in Pjöngjang.<br />
Schon der Landeanflug macht klar, dass das kein<br />
gewöhnlicher Urlaub wird. Neugierig drücke ich meine<br />
Nase an das Flugzeugfenster, Reihe 13, Sitz F, um<br />
ein paar erste Blicke auf die Silhouette Pjöngjangs zu<br />
erhaschen, die rechts unterhalb unserer Tupolev 204<br />
vorbeizieht. Air Koryo JS222, vor gut einer Stunde vollbesetzt<br />
in Peking gestartet, nimmt Kurs auf die letzten<br />
Meter seines Fluges ins Herz Nordkoreas.<br />
Plötzlich herrscht Hektik im Flieger: Die Stewardessen<br />
spurten auf dem Gang auf und ab. Sie befehlen<br />
den Passagieren in den linken Sitzreihen, die Fensterläden<br />
zu schließen. Verwunderte Blicke streifen meine<br />
Augen. Schulterzucken. Was soll denn das jetzt?<br />
Pjöngjang liegt doch rechts! Und die Sonne scheint<br />
auch von rechts in die Kabine. Warum also links die<br />
Läden schließen? Keiner weiß es. Keiner sagt, warum.<br />
Gerüchte machen die Runde. Gerüchte, die nach<br />
der Landung zusätzliche Nahrung erhalten: Gegenüber<br />
des nagelneuen Flughafenterminals von Pjöngjang<br />
entdecken wir ein Großaufgebot militärischer<br />
Anlagen – Artillerie, Fahrzeuge, Bunker. Wahrscheinlich<br />
wollten unsere Gastgeber schlicht nicht, dass wir<br />
«Langnasen» Fotos davon schießen.<br />
Bei der Einreise erfolgt die obligatorische Passkontrolle.<br />
Außerdem wollen die Zöllner unsere Handys<br />
sehen, machen sich Notizen und begutachten mitgebrachte<br />
Druckerzeugnisse. Das war es dann aber<br />
auch schon. Wir sind drin.<br />
Jetzt wird es Zeit, die Uhren umzustellen. Um die<br />
Erinnerung an die Schmach der japanischen Fremdherrschaft<br />
zu tilgen, die auf der koreanischen Halbinsel<br />
von 1905 bis 1945 währte, ordnete Staatschef<br />
Kim Jong-un im August 2015 nämlich an, die Uhren<br />
um eine halbe Stunde zurückzustellen. Seitdem<br />
verfügt Nordkorea über seine eigene Zeitzone: Hier<br />
Die Staatsphilosophie<br />
Chu’che<br />
bezeichnet wörtlich<br />
übersetzt Eigenständigkeit<br />
oder<br />
Autarkie.<br />
Denkmal koreanischer Stärke – der<br />
Chu’che-Turm leuchet die ganze<br />
Nacht. Foto: Autor<br />
57
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
gerottet und geben im Chor ein schneidiges Gebrüll<br />
von sich. Ihre weiße Oberbekleidung lässt sie dabei<br />
fast wie Gespenster durch die Nacht wabern. Die<br />
Beleuchtung der überdimensionalen Führerbilder am<br />
Rand des Platzes verstärkt diesen Eindruck zusätzlich.<br />
Surreal. So etwas habe ich noch nie gesehen. Kim junior<br />
scheint mir die Verblüffung anzumerken. «Die proben<br />
für die große Parade am 10. Oktober», erklärt er<br />
lächelnd. «Da feiern wir den 70. Gründungstag unserer<br />
Partei, der Partei der Arbeit Koreas.»<br />
58<br />
Nordkoreas Frauen brauchen keinen<br />
Gender-Gaga. Foto: Autor<br />
Autobahn werktags zum Feierabendverkehr.<br />
Foto: Autor<br />
Der Himmelssee auf 2.700 Meter.<br />
Foto: Autor<br />
Der nächste<br />
Koreakrieg soll in<br />
den USA stattfinden.<br />
herrscht «Pjöngjang-Zeit». Außerdem leben wir ab<br />
sofort nicht mehr im Jahr 2015, sondern 104 Chu’che,<br />
dem 104. Jahr nach der Geburt des Staatsgründers<br />
Kim Il-sung. «Chu’che» – wörtlich übersetzt «Eigenständigkeit»<br />
oder «Autarkie» – bezeichnet die hiesige<br />
Staatsphilosophie.<br />
Die Suche nach dem fünften Stock<br />
In Nordkorea ist es für Ausländer unmöglich, auf<br />
eigene Faust und ohne staatliche Kontrolle durchs<br />
Land zu tingeln. Jeder Tourist, jede Reisegruppe erhält<br />
ihre eigenen Führer, abgestellt von der staatlichen<br />
Reiseagentur KITC. Das muss man akzeptieren –<br />
oder zu Hause bleiben. Die Namen unserer Führer sind<br />
leicht zu merken. Zwei von Dreien heißen Kim – Kim<br />
senior und Kim junior. Der Dritte ist einfach der, der<br />
nicht Kim heißt. In ein paar Tagen werden wir herausfinden,<br />
dass seine Kollegen bei der KITC ihn wegen<br />
seines Bauchansatzes «Bärchen» getauft haben, und<br />
ihn fortan ebenfalls «Bärchen» nennen. Jetzt ist erst<br />
einmal abtasten angesagt. Beschnuppern. Auf beiden<br />
Seiten. Ein Punkt ist Reiseleiter «Bärchen» besonders<br />
wichtig: keine koreanischen Zeitungen zerreißen,<br />
zerknittern oder bekritzeln. Zumindest keine, die ein<br />
Bild von Machthaber Kim Jong-un, seinem Vater Kim<br />
Jong-il oder seinem Großvater Kim Il-sung enthalten…<br />
«Das ist verboten», mahnt er eindringlich. Alles klar.<br />
Halten wir uns lieber dran…<br />
Zwei Stunden später: Zum ersten Mal setze ich einen<br />
Fuß auf Pjöngjanger Asphalt und laufe ein paar<br />
Meter. Doch plötzlich zucke ich zusammen. Hinter mir<br />
durchschneidet lautes Geschrei die Szene. Es klingt<br />
wie Parolen, Kampfrufe. Ich blicke mich um – und erstarre:<br />
Hunderte, wirklich Hunderte Menschen – weiße<br />
Hemden, schwarze Hosen, weiße Baseballmützen<br />
– haben sich keine 50 Meter neben uns zusammen-<br />
Wir feiern unsere Ankunft mit einem üppigen<br />
Abendessen im Hotel Yanggakdo, gelegen auf einer<br />
Insel inmitten des Flusses Taedong, der Pjöngjang in<br />
zwei Teile trennt. Danach geht es auf nächtliche Entdeckungstour<br />
zu den Prunkplätzen der Stadt. Dabei<br />
statten wir auch dem berühmten Mansudae-Monument<br />
einen obligatorischen Besuch ab. Hier, auf einer<br />
Anhöhe gelegen, wachen die mehr als 20 Meter<br />
hohen Bronzestatuen von Kim Il-sung und Kim Jongil<br />
mit freundlich lächelndem Blick über ihr Reich. Im<br />
Hintergrund säumt ein Wandbild des Berges Paektu,<br />
des heiligen Bergs der Koreaner, die Fassade des Revolutionsmuseums.<br />
Links und rechts wird die Kulisse<br />
von beeindruckend lebensecht wirkenden Figurengruppen<br />
flankiert. Sie symbolisieren Szenen aus dem<br />
koreanischen Befreiungskampf. Eine ganz besondere<br />
Atmosphäre umgibt diesen taghell erleuchteten Ort,<br />
um den herum alles umso finsterer erscheint. Sehr feierlich<br />
– eine Kathedrale der Chu’che-Ideologie! Ein<br />
Hort der religiösen Verehrung gottgleicher Gestalten.<br />
Befremdlich. Aber gerade deshalb faszinierend.<br />
Zurück im Hotel, wundern wir uns, warum im Aufzug<br />
der Knopf für den fünften Stock fehlt – und warum<br />
die Anzeige beim Passieren desselben direkt von<br />
4 auf 6 springt. Abermals brodelt die Gerüchteküche.<br />
Das fünfte Stockwerk als Kommandozentrale zur Bespitzelung<br />
der Hotelgäste? Schon möglich. Die Notausgangstür<br />
des Stockwerks im Treppenhaus ist verriegelt.<br />
Und hat keine Klinke…<br />
Unterirdische Paläste<br />
Der nächste Tag beginnt neblig. Um sechs Uhr klingelt<br />
der Wecker. Den hätte ich allerdings gar nicht stellen<br />
müssen, denn vom Bahnhof aus schallt muntere<br />
Morgenmusik über die Stadt, durchs offene Fenster<br />
meines Zimmers im 42. Stock, bis direkt an mein Bett.<br />
So also begrüßt Pjöngjang den Tag… Ich reibe mir den<br />
Schlaf aus den Augen und schaue hinaus.<br />
Aus über 100 Metern Höhe, über dem Scheitel<br />
des Taedong, wirkt die Hauptstadt überraschend<br />
normal. Von hier oben fällt vor allem die starke Häufung<br />
himmelstürmender Hochhäuser ins Auge, etwa<br />
ein Viertel davon sind sehr modern und offensichtlich<br />
erst seit Kurzem fertiggestellt. Das gigantomanische,<br />
pfeilförmige, 330 Meter hohe Ryugyong-Hotel und der
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
170 Meter messende Chu’che-Turm mit seiner stilisierten<br />
Flamme an der Spitze sind nicht zu übersehen. Auch<br />
andere Prunkbauten wie die Große Studienhalle des<br />
Volkes, der Kim Il-sung-Platz oder das Stadion 1. Mai,<br />
mit 150.000 Plätzen die größte Fußballarena der Welt,<br />
wissen zu glänzen. Noch vor gut fünf Jahrzehnten muss<br />
es hier gänzlich anders ausgesehen haben. Im Koreakrieg<br />
hatten die Amerikaner mehr als 420.000 Bomben<br />
auf Pjöngjang abgeworfen und eine einzige Trümmerwüste<br />
hinterlassen. Nach diesem Inferno war es<br />
erklärtes Ziel des Wiederaufbaus gewesen, Pjöngjang<br />
zu einer sozialistischen Musterstadt erblühen zu lassen.<br />
Pjöngjangs Straßenbahnen<br />
stammen aus Erfurt und Dresden.<br />
Erst bei genauerem Hinsehen, auf dem Boden<br />
der Tatsachen sozusagen, fällt auf, dass die breiten<br />
Straßenzüge kaum befahren sind und, ebenso wie<br />
die hochgeschossenen Plattenbauten, allesamt nicht<br />
mehr taufrisch wirken. Dennoch stehen an fast jeder<br />
Kreuzung Verkehrspolizisten und dirigieren im schneidigen<br />
Ballett die spärlich gesäten Autos über den Asphalt.<br />
Das öffentliche Verkehrsnetz Pjöngjangs scheint<br />
dagegen gut frequentiert. Busse, Straßenbahnen und<br />
zwei Metrolinien mit 17 Stationen verkehren regelmäßig<br />
zwischen den einzelnen Stadtbezirken. Die<br />
U-Bahnhöfe gleichen unterirdischen Palästen. Prunkvoll.<br />
Ästhetisch. An der Grenze zum Kitsch. Viele der<br />
Busse stammen aus Vorwendebeständen ehemaliger<br />
Ostblockländer. Die meisten haben weit mehr als eine<br />
Million Kilometer auf dem Buckel. Die Straßenbahnen<br />
sind aus Erfurt und Dresden, die U-Bahnzüge aus<br />
West-Berlin. «Die haben wir in den 90ern billig abgestaubt»,<br />
grinst «Bärchen» bei unserer gemeinsamen<br />
Metrofahrt in 80 Metern Tiefe. Wer angesichts dessen<br />
nun verfallende Rostlauben vor Augen hat, sieht<br />
sich allerdings getäuscht. Denn die Nordkoreaner geben<br />
auf ihre «Beute» aus Europa mächtig acht. Technisch<br />
wie optisch präsentiert sich das Gros der Verkehrsmittel<br />
in einem sehr vorzeigbaren Zustand.<br />
Gänsehaut pur<br />
Auf den Straßen stechen die vielen Soldaten ins<br />
Auge. Von etwa 24 Millionen Nordkoreanern stehen<br />
fast zwei Millionen unter Waffen. Das spiegelt sich<br />
natürlich in der öffentlichen Wahrnehmung wider,<br />
auch wenn die Soldaten meist unbewaffnet auftreten.<br />
Ihre massive Präsenz ist Ausdruck einer politischen<br />
Leitlinie, die sich «Songun» nennt – «Militär zuerst».<br />
Songun ist vor allem der Angst vor imperialistischer<br />
Bedrohung durch die USA geschuldet. Nur logisch,<br />
dass die Propagandaplakate in der Hauptstadt<br />
ebenfalls die Yankees als Hauptgegner ausgemacht<br />
haben – und dabei ziemlich martialisch klar machen,<br />
dass mit Nordkorea nicht zu spaßen ist. Aber das wissen<br />
wir ohnehin schon. Mit seinem kleinen Grundkurs<br />
für politische Staatskunde hat uns Kim senior bereits<br />
tags zuvor die Fronten klargemacht: «Der Krieg von<br />
gestern, der Korea-Krieg, ist von den USA provoziert<br />
worden und hat Korea zerstört. Der Krieg von morgen<br />
wird nicht mehr in Korea, sondern in den USA stattfinden.<br />
Korea hat Atomwaffen. Die USA müssen lernen,<br />
in Frieden mit uns zusammenzuleben – oder sterben!»<br />
Bäm. Das sitzt. Die eiserne Miene, die der Mann mit<br />
dem Seitenscheitel bei diesen Worten aufsetzt, jagt<br />
sogar mir, der ich sicher kein Freund der US-Politik bin,<br />
eine Gänsehaut über den Rücken. Kein Zweifel: Die<br />
meinen das echt ernst!<br />
Reisetipps<br />
Die staatliche Reiseagentur<br />
KITC unterhält ein Büro in der<br />
nordkoreanischen Botschaft in<br />
Berlin (Glinkastraße 5-7). Allerdings<br />
ist die Buchung über einen<br />
lizensierten Reiseveranstalter<br />
unkomplizierter. Diese arbeiten<br />
direkt mit der KITC zusammen<br />
und kümmern sich in der Regel<br />
um Formalitäten wie Visa:<br />
www.juchetravelservices.com<br />
www.nord-korea-reisen.de<br />
www.nordkoreareisen.de<br />
Die Visakosten belaufen sich<br />
auf etwa 50 Euro.<br />
Alle Veranstalter haben unterschiedliche<br />
Gruppen- und Einzeltouren<br />
im Programm, von der<br />
zweitägigen Individualreise über<br />
Wandertouren im Kumgang-Gebirge<br />
bis zu Gruppenreisen etwa<br />
für Luftfahrt- oder Eisenbahn-<br />
Enthusiasten.<br />
Kosten: Individualreise ab etwa<br />
900 Euro (zwei bis drei Nächte),<br />
Gruppentour ab rund 1.000<br />
Euro (drei Nächte). Eine siebentägige<br />
Luftfahrt-Tour gibt es<br />
etwa bei Juche Travel ab circa<br />
2.000 Euro.<br />
Inbegriffen: alle Leistungen innerhalb<br />
Koreas (Übernachtung,<br />
Transport, Mahlzeiten, ein Getränk<br />
pro Mahlzeit).<br />
Touren starten in der Regel ab<br />
Peking, Shenyang oder Wladiwostok.<br />
Die Anreise dorthin<br />
muss selbst organisiert und bezahlt<br />
werden (auch eventuelle<br />
Visa für China beziehungsweise<br />
Russland). Im Normalfall bekommt<br />
man das Visum für Nordkorea<br />
erst in China/Russland<br />
ausgehändigt.<br />
Vorlauf: Je früher, desto besser!<br />
Etwa sechs Monate sind empfehlenswert,<br />
insbesondere bei<br />
Gruppenreisen. Die Bearbeitung<br />
der Visa dauert etwa drei bis<br />
vier Wochen.<br />
Kim-Statuen in Hamhung.<br />
Foto: Autor<br />
_ Der Reisebericht wird in der<br />
nächsten <strong>COMPACT</strong>-Ausgabe fortgesetzt.<br />
– Peter Wiegrefe ist freier<br />
Journalist und lebt am Bodensee.<br />
59
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<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
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64<br />
Preußische Allgemeine Zeitung.<br />
Die Wochenzeitung für Deutschland.
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
Autoren und Agenten<br />
_ von Helmut Roewer<br />
Zu Sean Connerys Zeiten durften<br />
die Helden noch rauchen. Foto:<br />
Verleih<br />
Meisterspione des 20. Jahrhundert (Teil XII und Schluss): James Bond ist eine Kunstfigur<br />
– doch die Schriftsteller, die ihn und andere britische Helden schufen, spielten durchaus<br />
eine Rolle im Dienste Ihrer Majestät.<br />
Zum Abschluss meiner Serie über die Topspione<br />
will ich einen erwähnen, den es gar nicht gab. Eine<br />
pure Erfindung sollte man denken, doch ganz so ist es<br />
nicht: 007, die Spitzenkraft im Dienste des MI6, wurde<br />
von einem echten Agenten erfunden.<br />
Es begann vor 110 Jahren. In merry old England<br />
hatte soeben, im Januar 1906, die liberale Partei<br />
mit dem Versprechen, die Kolonialkriege in Übersee<br />
augenblicklich zu beenden und sich um die soziale<br />
Schieflage der arbeitenden Bevölkerung zu kümmern,<br />
einen Erdrutschsieg eingefahren. Diese Rechnung war<br />
ohne die tonangebende Schicht der Waffenhändler,<br />
Zeitungsleute und Spitzenmilitärs gemacht worden. In<br />
diesen Kreisen setzte man auf Krieg. Nach den Kap-<br />
Provinzen in Südafrika war der neue Wunschgegner<br />
das Deutsche Reich.<br />
Um auch die Öffentlichkeit auf diesen Wunschgegner<br />
einzustimmen, begann die Schlacht auf dem Papier.<br />
Das Monster Deutschland wurde aufgeblasen<br />
und die Gilde der britischen Spitzenschreiber von der<br />
Leine gelassen. Es waren genau zwei Romane, die<br />
das Gewünschte vollbrachten. In beiden ging es um<br />
das kriegslüsterne Deutschland, das heimlich gegen<br />
das friedliche England zur Invasion schritt. Doch zum<br />
Glück gab es jedes Mal den aus dem Nichts auftauchenden<br />
Helden, der durch todesmutiges, listiges Einschreiten<br />
den Inselstaat vor den sogenannten Hunnen<br />
bewahren konnte.<br />
Die neununddreißig Stufen<br />
Neben dem Roman Das Rätsel der Sandbank – dazu<br />
ausführlich in meinem Artikel in <strong>COMPACT</strong> 8/2014 –<br />
begeisterte vor allem das Buch Die neununddreißig<br />
Stufen seine Auftraggeber. Mit heimlichem staatlichen<br />
Sponsoring wurde es ein Bestseller der Sonderklasse,<br />
in alle gängigen Weltsprachen übersetzt, und<br />
man kann es heute noch kaufen. Sein Autor John Buchan<br />
mischte beim Krieg gegen die Buren in Südafrika<br />
mit, bevor er als Spitzenfeder in die imperialistische<br />
Pressure-Group des vom Diamantenkönig Cecil<br />
Rhodes finanzierten Round Table einstieg. Hier saßen<br />
die Vordenker der One World, wie wir sie heute kennen.<br />
Als Großbritannien dann 1914 tatsächlich im erwünschten<br />
Krieg gegen Deutschland war, wechselte<br />
Buchan ins echte Nachrichtendienstgeschäft bei<br />
den britischen Expeditionsstreitkräften in Nordfrankreich.<br />
Und weil er sich dort bewährte, ernannte man<br />
den jungen Mann zum Direktor der Nachrichtenabteilung<br />
im britischen Propagandaministerium. Auch das<br />
Der Weg vom<br />
Journalismus zur<br />
Geheimdiensttätigkeit<br />
war vorgezeichnet.<br />
_ Helmut Roewer (*1950) war<br />
von 1994 bis 2000 Chef des<br />
Thüringer Landesamtes für<br />
Verfassungsschutz. – Die erste<br />
Folge von «Meisterspione des 20.<br />
Jahrhunderts» war in <strong>COMPACT</strong><br />
11/2014 zu lesen. Mittlerweile kann<br />
die gesamte Serie als eDossier<br />
auf shop.compact-magazin.com<br />
heruntergeladen werden.<br />
61
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
62<br />
007 war ein Jugo!<br />
Heißester Favorit für den «wirklichen»<br />
James Bond ist der Jugoslawe<br />
Dusko Popov (1912–<br />
1981). Ian Fleming lernte ihn<br />
während des Zweiten Weltkrieges<br />
in einem Casino in Lissabon<br />
kennen, vermutlich ist sein erster<br />
007-Roman Casino Royal davon<br />
inspiriert. Popov studierte in<br />
den 1930er Jahren in Freiburg<br />
im Breisgau und wurde danach<br />
ein Agent sowohl für die Nazis<br />
wie für ihre Gegner. «Als Doppelspion<br />
Tricycle bekam er wichtigste<br />
Informationen von den<br />
Deutschen, die er an die Briten<br />
weitergab. So war es Popov zu<br />
verdanken, dass die Alliierten in<br />
der Normandie landen konnten.<br />
Er hatte die Deutschen nach Calais<br />
geschickt. Und auch Pearl<br />
Harbor hätte Popov, zumindest<br />
erzählt er das so, verhindern<br />
können, hätten die Amerikaner<br />
auf seine Berichte gehört», fasst<br />
Johannes Samlenski zusammen,<br />
der seit drei Jahren zu dem bekennenden<br />
Lebemann recherchiert.<br />
Der Jugoslawe hat seine<br />
Erinnerungen 1974 in seinem<br />
Buch Superspion. Der Doppelagent<br />
im 2. Weltkrieg (Heyne)<br />
veröffentlicht. Nicht alles darin<br />
kann man glauben. «Popov<br />
war ein Playboy und Angeber.<br />
Er schmückte seine Geschichten<br />
gerne aus», rät Samlenski<br />
zur Vorsicht. Aber schreiben<br />
konnte er, das muss man ihm<br />
lassen! (je)<br />
007-Vorbild: Dusko Popov.<br />
Foto: Archiv<br />
007-Erfinder: Ian Fleming.<br />
Foto: Archiv<br />
Der stolze<br />
Auslandsdienst MI6<br />
war löchrig wie ein<br />
Schweizer Käse.<br />
wurde ihm von der Krone gedankt: Buchan sollte es<br />
noch mal bis zum Gouverneur von Kanada und zum<br />
Lord Tweedmore bringen. Die beabsichtigte Wirkung<br />
beider Romane war, dass England in den Jahren vor<br />
1914 zu einer nie dagewesenen Hochrüstung schritt<br />
und 1908 zwei gegen Deutschland gerichtete Geheimdienste<br />
aufbaute, die es heute noch gibt: MI5 (Inland,<br />
Spionage- und Terrorabwehr) und MI6 (Ausland).<br />
Sag niemals nie<br />
Diese enge Verknüpfung von Nachrichtendiensttätigkeit,<br />
Propaganda und Romanerfolg gilt auch für<br />
den Schöpfer von James Bond, Ian Fleming. Bei ihm<br />
war die Reihenfolge der Lebensstationen etwas anders<br />
als bei Buchan: Bei Fleming kam zuerst der Geheimdienst<br />
und dann der Roman.<br />
Fleming entstammte dem Establishment: Schulausbildung<br />
an der Nobelschmiede Eton, Militärexamen<br />
in Sandhurst. Das prädestinierte ihn in den Zwischenkriegsjahren<br />
für einen Korrespondentenjob in<br />
Moskau, und zwar für die Times, das publizistische<br />
Flaggschiff des britischen Imperialismus. Der Weg<br />
vom Journalismus zur Geheimdiensttätigkeit war damit<br />
vorgezeichnet. Bei Kriegsausbruch 1939 meldete<br />
sich Fleming zum Marinenachrichtendienst, 1941<br />
wurde er Verbindungsmann zu den Amerikanern, und<br />
1943/44 wurde er Chef einer Kommando-Gang der<br />
Royal Marines. Aus diesen Erfahrungen stammten die<br />
Versatzstücke, die ihn bald berühmt machen sollten.<br />
Mit Kriegsende 1945 kehrte Fleming ins Journalistenfach<br />
zurück. Auf der Insel herrschte nach dem<br />
Rausch des Endsiegs über Hitler die Ernüchterung. Der<br />
angebliche Kriegsheld Winston Churchill wurde durch<br />
das englische Volk trotz allen Propagandarummels im<br />
August 1945 Knall auf Fall als Premier abgewählt. Die<br />
Leute wollten nur noch eines: in Ruhe gelassen werden<br />
und sich endlich mal wieder satt essen können.<br />
Doch mit Letzterem war es nicht so besonders gut bestellt.<br />
Lebensmittelrationierung dauerte in England<br />
länger als im kurz und klein geschlagenen Deutschland.<br />
Hierfür gab es einen triftigen Grund: Großbritannien<br />
hatte in beiden Weltkriegen zwar zu den Siegern<br />
gehört, war aber dennoch finanziell ausgeblutet.<br />
Der Schuldendienst Richtung Amerika ruinierte den<br />
Staatshaushalt, in Indien und anderswo stand der antikoloniale<br />
Befreiungskampf vor dem Durchbruch und<br />
die Royal Navy wurde eingemottet. Das alte stolze<br />
«England rules the waves» empfanden viele nur noch<br />
als bittere Farce.<br />
Gegen soviel Depression hilft nur Propaganda, und<br />
die musste jetzt her. Mit der deutschen Gefahr war<br />
kein Hund mehr hinter dem Ofen hervorzulocken, daher<br />
versuchte man es wieder mit dem Duft der großen<br />
weiten Welt. Flemings Hauptmotiv von den englischen<br />
Agenten, die den ganzen Globus dominieren,<br />
hatte den Vorteil, dass es kein Mensch auf Stichhaltigkeit<br />
überprüfen konnte. Nur Experten wussten, dass<br />
das Gegenteil zutraf: Der stolze Auslandsdienst MI6<br />
– dessen Existenz damals noch nicht offiziell zugegeben<br />
wurde – war löchrig wie ein Schweizer Käse, zersetzt<br />
von Überläufern. Die einen saßen den Amerikanern<br />
auf dem Schoß (gute Verräter), die anderen wurden<br />
aus der Lubjanka in Moskau ferngesteuert (böse<br />
Verräter). Nein, mit solchen Leuten war beim besten<br />
Willen kein Staat zu machen.<br />
James Bond rettete den Ruf der ramponierten Behörde.<br />
Der Agent Ihrer Majestät war ein Mann in seinen<br />
besten Jahren, der niemals alt wurde und immer<br />
den richtigen Spruch auf den Lippen hatte, wenn er<br />
nicht gerade irgendwo die Welt retten musste. 1953<br />
betrat er mit Casino Royal die Bühne. Die Kritiker waren<br />
sich einig: Das ist Schrott. Aber wie so oft wurde<br />
diese Rechnung ohne das Publikum gemacht. James<br />
Bond – das war der Stoff, aus dem die Träume sind.<br />
Lieber heute Nacht als nie. Oder muss es heißen: Lieber<br />
heute nackt als nie? Wer weiß das schon.<br />
Autor Fleming starb 1964. Wie so viele Briten seiner<br />
Zeit, die es zu Wohlstand gebracht hatten, verbrachte<br />
er den Herbst seines Lebens an der französischen<br />
Riviera. Man kann es verstehen. Nie wieder<br />
Minzsoße. Das ist eine Frage des guten Geschmacks.<br />
Doch anders als sein Vater starb der Ziehsohn Bond<br />
bis heute nie. Bald fanden sich neue Adoptivväter,<br />
John Gardner war der fleißigste. Die sorgten dafür,<br />
dass Bond blieb, was er war. Nur eines konnten sie<br />
nicht verhindern: dass Hollywood aus dem charmanten<br />
Helden mit seiner überlegenen Ironie einen verbitterten<br />
Killer machte. Man sieht: Auch ein Bond wird<br />
älter. Schade, dass ich ihm nie begegnet bin.<br />
Der Leser fragt mit einer gewissen Ungeduld: Und<br />
wer war denn nun dieser Bond eigentlich in Wirklichkeit?<br />
Die Antwort lautet: Fragen Sie den <strong>COMPACT</strong>-<br />
Filmexperten Harald Harzheim, denn diese Antwort<br />
gehört nicht mehr in mein Fach. (siehe Infobox)
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
General im Fadenkreuz<br />
_ von Wolfgang Effenberger<br />
Vor 50 Jahren warf Charles de Gaulle die NATO-Truppen aus seinem Land – und zog sich<br />
damit den Hass der US-amerikanischen Eliten zu. Dass eine europäische Nation ihre<br />
Verteidigungspolitik selbst bestimmen wollte, kam für Washington nicht in Frage.<br />
Vor seinem Volk hat sich Charles de<br />
Gaulle, hier 1963 in Marne, nie verstecken<br />
müssen. Foto: Gnotype, CC<br />
BY-SA 3.0, Wikimedia Commons<br />
Am 7. März 1966 gab der damalige französische<br />
Staatspräsident Charles de Gaulle (1890–1970) zur<br />
Überraschung der westlichen Welt Frankreichs Austritt<br />
aus der militärischen NATO-Struktur bekannt. Daraufhin<br />
zogen französische Soldaten aus den gemischten<br />
Einheiten und Stäben ab. Zum 1. Juli 1966 forderte<br />
Paris die Alliierten auf, alle Einrichtungen des<br />
Nordatlantikpaktes in Frankreich bis zum 1. April 1967<br />
zu räumen. Der Spiegel schrieb damals: «Charles de<br />
Gaulle hat zum Sturm auf die atlantische Bastille geblasen.<br />
Das verhasste Symbol der Unfreiheit steht<br />
diesmal nicht, wie 1789, mitten in Frankreichs Metropole,<br />
sondern in Rocquencourt bei Paris: SHAPE,<br />
die von US-Vier-Sterne-General Lemnitzer befehligte<br />
Zentrale der Nato-Verteidigung in Europa, ist für den<br />
Staats-General das Wahrzeichen unerträglicher amerikanischer<br />
Bevormundung.»<br />
Aber nicht nur SHAPE, sondern auch alle anderen<br />
Militäreinrichtungen der westlichen Verbündeten<br />
mussten nun binnen Kürze abziehen: Das NATO-Hauptquartier<br />
wurde nach Brüssel/Belgien, die Befehlszentrale<br />
für Mitteleuropa (AFCENT) nach Brunssum/Niederlande<br />
und das Europa-Kommando der US-Streitkräfte<br />
(USEUCOM) nach Stuttgart verlegt.<br />
In Washington schrillten die Alarmglocken. Das<br />
Hamburger Nachrichtenmagazin referierte die Reaktionen<br />
des damaligen Präsidenten Lyndon B. Johnson:<br />
«Bislang hatte Johnson alle Animositäten de Gaulles<br />
wohlwollend übergangen: Er nahm hin, dass der Franzose<br />
Rotchina anerkannte und die amerikanische Intervention<br />
in Vietnam verdammte; er reagierte nicht, als<br />
de Gaulle den ”Dollar-Kolonialismus” Washingtons<br />
und die Gewaltherrschaft Moskaus in einem Atemzug<br />
nannte.» Mit dem Austritt aus der Militärstruktur<br />
der NATO aber sei «das Match zwischen den Präsidenten<br />
in Washington und Paris in ein entscheidendes<br />
Stadium getreten».<br />
Ein Patriot und Europäer<br />
Was hatte den Franzosen zu diesem mutigen und<br />
außergewöhnlichen Schritt bewegt? Auskunft gibt hier<br />
die Biografie des unbeugsamen Staatsmanns. Nach<br />
dem deutschen Blitzkrieg gegen Frankreich und der<br />
Kapitulation am 22. Juni 1940 hatte sich der Panzergeneral<br />
nach London abgesetzt. Dort gründete er am<br />
25. Juni das Komitee Freies Frankreich. Zugleich wurde<br />
er Chef der Freien Französischen Streitkräfte (FFL)<br />
und des Nationalen Verteidigungskomitees. Daraufhin<br />
wurde de Gaulle von der deutschfreundlichen Vichy-<br />
Regierung im nicht besetzten Süden Frankreichs wegen<br />
Hochverrats in Abwesenheit zum Tode verurteilt.<br />
Der britische Premier Winston Churchill traute der<br />
formellen Neutralität der Vichy-Regierung nicht und<br />
befahl die «Operation Catapult» zur Ausschaltung<br />
der französischen Flotte. Am 3. Juli 1940 wurden die<br />
im Hafen von Mers-el-Kébir liegenden Kriegsschiffe<br />
versenkt, über 1.000 französische Seeleute fanden<br />
den Tod. Am gleichen Morgen startete die «Operation<br />
Grasp», bei der alle in britischen Gewässern<br />
befindlichen französischen Schiffe gekapert und beschlagnahmt<br />
wurden. Es versteht sich, dass dadurch<br />
de Gaulles Vertrauen in die anglo-amerikanische Politik<br />
nachhaltig erschüttert war.<br />
Nach der Landung der Alliierten in der Normandie<br />
im Sommer 1944 wurde de Gaulle bis 1946 Chef<br />
der Provisorischen Regierung Frankreichs. Schon 1958,<br />
bevor er – mit 78 Prozent der Stimmen! – zum Präsidenten<br />
der Republik gewählt wurde, lehnte er als<br />
Ministerpräsident die Unterstellung der französischen<br />
Mittelmeerflotte unter das NATO-Kommando ab. Er<br />
modernisierte das Land und setzte der internationa-<br />
«Charles de Gaulle<br />
hat zum Sturm auf<br />
die atlantische<br />
Bastille geblasen.»<br />
Spiegel<br />
De Gaulle und Adenauer, 1958.<br />
Foto: Bundesarchiv<br />
63
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
Freund<br />
der Deutschen<br />
Charles de Gaulle verhinderte<br />
durch seine Freundschaft mit<br />
Konrad Adenauer eine Wiederholung<br />
der Politik Georges Clémenceaus,<br />
der nach dem Ersten<br />
Weltkrieg als Premier das ohnehin<br />
schwierige Verhältnis Frankreichs<br />
zu Deutschland vergiftet<br />
hatte.<br />
Bei seinem Staatsbesuch in<br />
Deutschland im September 1962<br />
begeisterte er die Bevölkerung<br />
durch seine deutschen Sprachkenntnisse,<br />
die er sich während<br />
seiner Kriegsgefangenschaft<br />
1916 bis 1918 in Bayern – übrigens<br />
mit fünf erfolglosen Ausbruchsversuchen<br />
– angeeignet<br />
hatte. Auf Deutsch wandte er<br />
sich auch in Ludwigsburg mit einer<br />
vielbeachteten Rede an die<br />
deutsche Jugend – ein Meilenstein<br />
in den deutsch-französischen<br />
Beziehungen! Vier Monate<br />
später wurde der bilateralen<br />
Freundschaftsvertrag unterzeichnet<br />
– und prompt einige<br />
Monate später auf US-Druck<br />
durch eine Präambel entschärft.<br />
Die von Adenauer geführte Bundesregierung<br />
schwankte ständig<br />
zwischen Washington und Paris<br />
hin und her.<br />
len Dominanz der Supermächte mit dem Aufbau der<br />
Force de frappe Frankreich als unabhängige Atom-<br />
Großmacht entgegen. Die Politiker aus dem Umkreis<br />
der US-dominierten Bilderberg-Denkfabrik kritisierten<br />
diesen Schachzug scharf. Warum? Hauptziel der Bilderberger<br />
war und ist es, die Souveränität der freien<br />
Nationen Europas auszuhöhlen und sie einer britischamerikanischen<br />
Weltregierung zu unterwerfen. Ihnen<br />
passte nicht, dass Frankreich dank der Force der frappe<br />
nicht mehr so leicht zu erpressen war.<br />
De Gaulle hatte schon früh durchschaut, dass es<br />
Washington und London vor allem um die Anbindung<br />
der westeuropäischen Länder an die transatlantischen<br />
Pfeiler ging: NATO und EU (damals Europäische Wirtschaftsgemeinschaft<br />
– EWG). Schon in den ersten<br />
Monaten des Jahres 1947 hatten die USA aus Resten<br />
ihrer Kommandostrukturen des Zweiten Weltkriegs ihr<br />
pazifisches Militärkommando PACCOM und das europäische<br />
US-Militärkommando EUCOM installiert. Am<br />
4. April 1949 wurde die NATO mit dem Ziel gegründet,<br />
«die Russen draußen, die Amerikaner drinnen und die<br />
Deutschen unten zu halten», so der erste NATO-Generalsekretär<br />
Lord Ismay. Und schon im Dezember desselben<br />
Jahres verabschiedete die NATO den Kriegsplan<br />
Dropshot, mit dem 1957 die Sowjetunion angegriffen<br />
werden sollte. Diese imperialen Ambitionen verärgerten<br />
de Gaulle zutiefst. Für ihn ging Europa «vom<br />
Atlantik bis zum Ural». In den besonderen Beziehungen<br />
Großbritanniens zu den USA sah er eine Gefahr, weshalb<br />
er dessen Beitritt zur EWG zu verhindern suchte.<br />
Regime Change in Paris<br />
1965, fünf Jahre vor seinem Tod, soll Charles de<br />
Gaulle von US-Präsident Johnson auf eine Todesliste<br />
gesetzt worden sein. Erwiesen ist zumindest, dass sich<br />
französische Extremisten, die de Gaulle bereits 1962<br />
hatten ermorden wollen, weil er der Unabhängigkeit<br />
Algeriens zugestimmt hatte (fiktional von Frederick<br />
Forsyth in seinem Roman Der Schakal verarbeitet), in<br />
jenem Jahr mit einem Plan an die CIA wandten: Einer<br />
der ihren, ein verdienter Militär, sollte mit einem vergifteten<br />
Ring nach Paris geschickt werden. Beim Händedruck<br />
mit de Gaulle sollte eine mit Curare getränkte<br />
Spitze ausfahren… Einzelheiten wurden zehn Jahre<br />
später im US-Kongress berichtet und sind im britischen<br />
Guardian in der Ausgabe vom 16. Juni 2015 nachlesbar.<br />
Auch die gewalttätige Revolte vom Mai 1968, die<br />
das Land wochenlang lahmlegte, wird von einigen<br />
Kommentatoren als Inszenierung von US-Strippenziehern<br />
gesehen, die den anarchokommunistischen<br />
Rädelsführern wie Daniel Cohn-Bendit zur Seite standen.<br />
Dokumente dazu werden in dem 2009 erschienen<br />
Buch von Vincent Nouzille Des secrets bien gardés:<br />
Les dossiers de la Maison-Blanche et de la CIA sur la<br />
France et ses présidents 1958–1981 (Wohl gehütete<br />
Geheimnisse: Die Dossiers des Weißen Hauses und<br />
der CIA über Frankreich und seine Präsidenten 1958–<br />
1981) diskutiert.<br />
De Gaulle konnte den Umsturzversuch zunächst<br />
abwehren und sich in Neuwahlen triumphal behaupten,<br />
trat jedoch nach einem verlorenen Referendum<br />
ein Jahr später zurück. Eine Schlüsselrolle bei dieser<br />
Abstimmung spielte Valéry Giscard d’Estaing,<br />
ein enger Freund von Henry Kissinger und wie dieser<br />
ein Bilderberger, der – als Konservativer! – überraschend<br />
die Linke Nein-Parole bei diesem Plebiszit<br />
unterstützte. 1974 wurde er selbst Staatspräsident<br />
und trieb die Europäisierung in einer Weise voran, die<br />
nie die Zustimmung des Generals gefunden hätte.<br />
Der Film «Der Schakal» (1973) basiert auf dem Attentatsversuch<br />
1962. Fotos: Filmverleih<br />
Erschienen im Kai Homilius Verlag.<br />
Foto: Verlag<br />
64<br />
_ Wolfgang Effenberger (* 1946)<br />
erhielt als junger Pionieroffizier<br />
Einblick in das «atomare Gefechtsfeld»<br />
in Europa. Zusammen mit<br />
dem ehemaligen CDU-Staatssekretär<br />
Willy Wimmer verfasste<br />
er 2014 das Buch «Wiederkehr der<br />
Hasardeure – Schattenstrategen,<br />
Kriegstreiber, stille Profiteure». Im<br />
Oktober 2015 referierte er auf der<br />
<strong>COMPACT</strong>-Konferenz «Freiheit für<br />
Deutschland».
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
BRD-Sprech _ Gutmensch<br />
«Gutmensch» ist ein ambivalentes Wort, je nachdem,<br />
wer es benutzt: Handelte es sich ursprünglich<br />
um die leicht spöttische Bezeichnung eines bestimmten<br />
Menschenschlags, so wurde es einerseits von just<br />
den so bezeichneten Menschen als Selbstbeschreibung<br />
übernommen, von anderen aber zum Schimpfwort<br />
verschärft. Was die Betroffenen wiederum überhaupt<br />
nicht verstehen können und dazu führte, dass<br />
das Wort zum «Unwort des Jahres 2015» gekürt wurde.<br />
Sie glauben nämlich, «Gutmensch» heiße so viel<br />
wie «guter Mensch». In Wahrheit kann ein Gutmensch<br />
im Privatleben so gut oder böse sein wie irgendein<br />
anderer auch – den Gutmenschen als solchen erkennt<br />
man daran, dass er im politischen Bereich das Gegenteil<br />
von dem tut, was allgemein als moralisch gut gilt:<br />
Der Gutmensch ist ein Pharisäer, der Andersdenkenden<br />
gegenüber zu einem frappierenden Maß an Bösartigkeit<br />
und Arroganz fähig ist. Der Gutmensch glaubt,<br />
die Grundlage aller Moral seit Adam und Eva, nämlich<br />
die Bevorzugung des Näherstehenden (der nicht<br />
zufällig der Nächste genannt wird) gegenüber dem<br />
Fernerstehenden, sei irgendwie böse und Gott habe<br />
sich geirrt, als er sagte: «Liebe deinen Nächsten wie<br />
dich selbst»; nach Ansicht des Gutmenschen hätte er<br />
sagen müssen: «Liebe deinen Übernächsten mehr als<br />
dich und den Nächsten zusammen.»<br />
Der typische Gutmensch ist einer,<br />
der nicht selbst Opfer bringt,<br />
sondern andere dazu zwingen will.<br />
Andreas Frege alias Campino hat als Frontsänger der Toten Hosen<br />
ein beachtliches Vermögen von über 20 Millionen Euro angehäuft<br />
– trotzdem spielt er auch heute noch gerne den systemkritischen<br />
Anarcho-Punker und stachelt auf seinen Konzerten pubertäre Antifanten<br />
zum «Kampf gegen rechts» auf. Foto: imago/Future Image<br />
Gutmenschen sind Leute, die so lange «Flüchtlinge»<br />
aufnehmen werden, bis keine mehr kommen, weil die<br />
Verhältnisse in Europa dann genau denen entsprechen<br />
werden, vor denen vorher die «Flüchtlinge» geflohen<br />
sind.<br />
Vielleicht mag man dem Gutmenschen, da seine<br />
Seele mit pseudoreligiösen Wahnideen vergiftet<br />
wurde, noch jene Art Mitleid entgegenbringen, die<br />
man auch für andere Sektenopfer übrig hat – allerdings<br />
nur, sofern er selbst die Folgen seines Wahnsinns ausbadet.<br />
Der typische Gutmensch ist allerdings einer, der<br />
nicht selbst Opfer bringt, sondern andere dazu zwingen<br />
will, und als Angehöriger der Sozial-, Integrations- oder<br />
Ideologieindustrie womöglich noch daran verdient.<br />
Der Gutmensch glaubt, er sei schon deshalb edel,<br />
hilfreich und gut, weil er eine bestimmte Ideologie<br />
bejaht und es aufgrund dieser Ideologie zum Beispiel<br />
für richtig hält, Menschen aus gewaltaffinen Machokulturen<br />
in ein befriedetes Europa einwandern zu lassen<br />
und den Einheimischen Millionen von neuen Mitbewohnern<br />
zuzumuten, die sie sich nicht ausgesucht<br />
haben, und die sie sich, hätte man sie gefragt, aus<br />
guten Gründen auch nicht ausgesucht hätten.<br />
Gutmenschen vertreten grundsätzlich nur die Interessen<br />
von Minderheiten und finden es unmoralisch,<br />
dass Männer und nichtfeministische Frauen, Deutsche,<br />
Christen, Weiße und Heterosexuelle überhaupt existieren.<br />
Wenn sie aber schon existieren, so die Gutmenschen,<br />
dann sollen sie wenigstens ihren Mund<br />
halten und sich ihrer «Intoleranz» schämen – also sich<br />
schämen, dass sie überhaupt Interessen zu haben und<br />
diese gar zu artikulieren wagen.<br />
Gutmenschen sind Leute, die nicht ruhen werden,<br />
bis sie die Welt so weit «verbessert» haben, dass sich<br />
in ihr nur noch Verrückte, Perverse, Verbrecher und<br />
Schmarotzer wohlfühlen. Gutmenschen sind Leute, die<br />
das eigene Volk über die Klinge springen lassen, damit<br />
es ihrem Seelchen gut geht. Und Gutmenschen sind vor<br />
allem Leute, die es fertigbringen, sich trotzdem noch<br />
darüber zu wundern, dass das Wort «Gutmensch» ein<br />
Schimpfwort ist.<br />
Verlag Antaios, 240 Seiten, gebunden,<br />
22,00 Euro (Bestellung über<br />
antaios.de). Foto: Verlag<br />
_ Manfred Kleine-Hartlage ist<br />
Publizist und Diplom-Sozialwissenschaftler.<br />
Regelmäßig veröffentlicht<br />
er kritische Beiträge auf<br />
seinem Blog «korrektheiten.com».<br />
Sein aktuelles Buch «Die Sprache<br />
der BRD – 131 Unwörter und ihre<br />
politische Bedeutung», 2015 im<br />
Verlag Antaios erschienen, liefert<br />
die Vorlage für diese <strong>COMPACT</strong>-<br />
Serie.<br />
65
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
Harzheims Klassiker_ Napoleon<br />
66<br />
Aufführung der restaurierten Version:<br />
Napoleons Italienfeldzug als<br />
filmisches Triptychon.<br />
Foto: hollywoodandallthat.com<br />
Plakat zu «Napoleon» (1927). Foto:<br />
Wikipedia<br />
_ Harald Harzheim ist der Filmklassiker<br />
von <strong>COMPACT</strong>-<strong>Magazin</strong>.<br />
Mitte der 1920er Jahre plante der französische<br />
Regisseur Abel Gance, das Leben Napoleon Bonapartes<br />
zu verfilmen. Wer seine Werke kannte, ahnte damals<br />
schon: Das wird kein solides Stück für den Geschichtsunterricht.<br />
Der Cineast dachte in der Größen ordnung<br />
eines Homer. Revolutionierten dessen Illias- und Odyssee-Gesänge<br />
die antike Literatur, so sollte Napoleon<br />
das Medium Film neu erfinden. Gleich dem französischen<br />
Kaiser wollte Gance neues Terrain erobern, in<br />
seinem Fall ästhetisches. Dazu befreite er die Kamera<br />
von allen Fesseln, nahm sie runter vom Stativ und montierte<br />
sie auf Kräne, Schaukeln und den Rücken rasender<br />
Pferde. Wie einen Schneeball warf er sie für eine<br />
Szene sogar durch die Luft. Sie war kein fester, distanzierter<br />
Standpunkt für das Publikum mehr, sondern<br />
wurde mitten durchs Geschehen gewirbelt.<br />
Für Napoleons Italienfeldzug sprengte Gance das<br />
damalige Leinwandformat. Mit drei synchron laufenden<br />
Kameras und (später ebenso synchronisierten)<br />
Filmprojektoren visualisierte er die Schlacht als Triptychon<br />
und schuf so den ersten Breitwandfilm vor dessen<br />
eigentlicher Erfindung. Statt eines Panoramamotivs<br />
zeigte jedes der drei Bilder manchmal aber auch ein<br />
anderes Motiv der Schlacht, assoziativ miteinander<br />
verbunden, jeweils mit anderer Kolorierung. So ist der<br />
Zuschauer an drei Orten gleichzeitig. Das Foto (oben)<br />
zeigt eine Aufführung: In der Mitte marschiert die<br />
Armee zwischen den Felsen. Links und rechts: Feldherr<br />
Napoleon beobachtet das Geschehen. Die drei<br />
Färbungen in blau, weiß und rot ergeben die Trikolore.<br />
Regisseur Gance wollte das Medium<br />
Film neu erfinden.<br />
Nachdem der Regisseur bereits neun Stunden<br />
Material belichtet hatte, brachen die Produzenten den<br />
Dreh ab. Der Film kam 1927 in die Kinos und überforderte<br />
das Publikum gründlich, wurde zum kommerziellen<br />
Desaster. Er geriet in Vergessenheit, bald blieben<br />
bloß noch Fragmente greifbar. 1984 gelang Francis<br />
Ford Coppola eine vierstündige Rekonstruktion des<br />
Stummfilm-Klassikers. Arthur Honeggers Original-<br />
Soundtrack wurde durch eine Komposition von Coppolas<br />
Vater Carmine ersetzt. Die Präsentation in New<br />
York wurde zum Riesenerfolg. Inzwischen gibt es eine<br />
fast sechsstündige Restaurationskopie.
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