COMPACT-Magazin 03-2016
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<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Kollateralschaden<br />
Tod<br />
Im Zuständigkeitsbereich des<br />
Bielefelder Sozialdezernats<br />
knirscht und kracht es an allen<br />
Ecken und Enden. Das Jugendhilfesystem<br />
der Stadt steht am<br />
Rande des Zusammenbruchs.<br />
Es geht um das Schicksal eines<br />
dreieinhalb Monate alten<br />
Babys. Die Drogensucht des<br />
32-jährigen Vaters, die nach den<br />
Ermittlungen der Mordkommission<br />
«Zwilling» ein Grund für<br />
den gewaltsamen Tod des Säuglings<br />
am 24. November 2015<br />
sein dürfte, war dem Jugendamt<br />
bekannt.Ttrotzdem geschah<br />
nichts. Waren die Sozialarbeiter<br />
durch die Flüchtlingsbetreuung<br />
überlastet?<br />
Jugendamtsleiter Georg Epp, Sozialdezernent<br />
Ingo Nürnberger und<br />
dessen Referentin Kerstin Beckmann-Schönwälder.<br />
Foto: Christian Mathiesen<br />
Jugendbanden schlagen zu<br />
Allem Anschein nach hat der Mann sein Dezernat<br />
nicht im Griff. Anders sind die katastrophalen Zustände<br />
in der Bielefelder Jugendbetreuung nicht zu erklären.<br />
In mindestens einem Fall hatte das bereits dramatische<br />
Folgen für Leib und Leben eines Unbeteiligten.<br />
Der Skandal: In der Silvesternacht um 23.30 Uhr schlagen<br />
mehrere «unbegleitete minderjährige Flüchtlinge»<br />
auf dem Bahnhof der Stadt Hamm – sie liegt knapp 80<br />
Kilometer von Bielefeld entfernt – einen 40-Jährigen<br />
brutal zusammen. Der Mann wird schwer verletzt. Die<br />
Bundespolizei hat Mühe, die Täter (13, 14, 15, 16 und<br />
17 Jahre alt) zu überwältigen. Dann die Überraschung:<br />
Vier der fünf Jugendlichen, darunter der 13-Jährige,<br />
geben als Wohnsitz Einrichtungen für «unbegleitete<br />
minderjährige Flüchtlinge» in Bielefeld an.<br />
Für die Unterbringung der Jugendlichen<br />
zahlt die Stadt 5.000 Euro<br />
pro Kopf und Monat.<br />
Noch in der Nacht wird von der Bundespolizei ein<br />
Sozialarbeiter aus Bielefeld nach Hamm beordert, um<br />
zumindest den 13-Jährigen so schnell wie möglich<br />
wieder in sein Bettchen zu bringen. Keiner der Jugendlichen<br />
war offenbar von seinen Betreuern vermisst<br />
worden. Minderjährige, die unter der Obhut des<br />
Jugendamtes stehen, können in Bielefeld scheinbar<br />
machen, was sie wollen. Tag und Nacht. Sie könnten<br />
saufen, koksen, randalieren oder rauben – keinem Betreuer<br />
oder Sozialarbeiter würde es womöglich auffallen.<br />
Oder sie schlagen einen Menschen krankenhausreif.<br />
Die «unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge»,<br />
von den deutschen Behörden unter dem Verwaltungskürzel<br />
UMF geführt, bedeuten für die Betreiber entsprechender<br />
Wohngruppen einen gewaltigen Umsatz.<br />
Für Unterbringung und Betreuung zahlen die Jugendämter<br />
pro Platz etwa 5.000 Euro im Monat. Das macht<br />
60.000 Euro im Jahr. Das berichtet das in Bielefeld erscheinende<br />
Westfalen-Blatt und zitiert eine Insiderin:<br />
«Das ist ein richtiger Geschäftszweig geworden. Ich<br />
kenne Häuser, in die mehr Betten als eigentlich vorgesehen<br />
gestellt werden, weil halt jedes Bett 60.000<br />
Euro Umsatz im Jahr bedeutet.» Das Geld gehe in der<br />
Regel an Organisationen wie AWO oder Bethel, die<br />
entsprechende Wohngruppen unterhielten. Hübsche<br />
Beträge kommen da zusammen. Gibt es dafür aber<br />
auch die vom Gesetzgeber geforderte intensive Fürsorge<br />
und Betreuung? Oder handelt man inzwischen<br />
nur noch nach dem Motto: Augen zu und durch, egal<br />
was es kostet und egal, ob es etwas nützt?<br />
Bleibt noch, auf ein Wort des Bielefelder Oberbürgermeisters<br />
Pit Clausen zu verweisen – wie sein Sozialdezernent<br />
ein Mann der SPD. Clausen sprach vor<br />
100 geladenen Gästen von einem «Willkommensmärchen»<br />
in Bielefeld. Der Oberbürgermeister meinte das<br />
keinesfalls ironisch. Er meinte das ernst. Nicht nur die<br />
Rentnerin Edith M. dürfte das anders sehen.<br />
Die Belagerung hält an: Männer vor<br />
der Außenstelle des Bundesamtes<br />
für Migration und Flüchtlinge in<br />
Bielefeld. Foto: Andreas Frücht/<br />
nw.de<br />
32<br />
_ Hans-Hermann Gockel hat als<br />
TV-Journalist viele Jahre für RTL,<br />
Sat1 und N24 gearbeitet. Heute ist<br />
er freier Journalist und Produzent.<br />
Vor Kurzem ist sein Buch «Finale<br />
Deutschland – Asyl, Islam, Innere<br />
Sicherheit. Mit Klartext gegen die<br />
Gedankenfeigheit» (HHG-Verlag,<br />
19,99 Euro) erschienen.