23.02.2017 Aufrufe

COMPACT-Magazin 03-2016

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

Weshalb konnte der Fall derartige Emotionen in<br />

der russlanddeutschen Gemeinde auslösen? Vielleicht,<br />

weil sie das Weltbild der multikulturellen Realitätsverweigerer<br />

noch nicht verinnerlicht haben. Ihre<br />

eigene Migrationsgeschichte macht viele Russlanddeutsche<br />

besonders sensibel für den Merkelschen<br />

Willkommenswahn. «Viele Russen sind auch hierhergekommen»,<br />

sagte Kostja, der bei Frankfurt wohnt und<br />

ebenfalls vor dem Kanzleramt demonstrierte. «Ich bin<br />

mit meinen Eltern herumgelaufen, wir haben darauf<br />

geachtet, dass wir bloß nicht bei Rot die Straße überquerten.<br />

Wir sind hergekommen und haben uns langsam<br />

und vorsichtig umgesehen – was und wie, wo<br />

gibt es Arbeit. Die kommen einfach hierher und Frau<br />

Merkel gibt ihnen alles: Wohnungen und so weiter.<br />

Dabei spucken sie auf alles.»<br />

«Die kommen einfach hierher, und<br />

Frau Merkel gibt ihnen alles.»<br />

Ihren Siedepunkt erreichte die Stimmung auch,<br />

weil Lisas Vergewaltigung keinesfalls ein Einzelfall<br />

ist. Im Gegenteil: Immer wieder begehen Asylbewerber<br />

und muslimische Migranten brutale Sexualstraftaten.<br />

Zur gleichen Zeit, als die Lügenpresse im Januar<br />

in Berlin auf eine «erfundene Vergewaltigung» hoffte,<br />

wurde in Kiel eine junge Frau «von drei Männern<br />

südländischen Aussehens verfolgt, (…) hinter einen<br />

Sicherungskasten gezogen und gegen ihren Willen<br />

angefasst», wie die örtliche Polizei angab. In Lehrte<br />

verfolgten zwei Männer eine 25-Jährige und forderten<br />

sie auf, «die Beine breit zu machen». Einer der<br />

Täter hatte nach Polizeiangaben einen «etwas dunkleren<br />

Teint». Auch die Polizei in Nordstadt ermittelte<br />

Ende Januar wegen einer versuchten Vergewaltigung.<br />

«Der deutsch und arabisch sprechende Gesuchte» ließ<br />

von seinem Opfer ab, nachdem er von einer Personengruppe<br />

gestört wurde. Im hessischen Friedberg entging<br />

eine 48-Jährige nur durch heftigen Widerstand<br />

einer Vergewaltigung durch zwei Männer, die «sich<br />

auf Arabisch unterhalten» hätten.<br />

Putin ist Schuld<br />

Die Nazikeule schüchterte die Russlanddeutschen<br />

nicht ein, die Proteste wurden größer – auch in anderen<br />

Städten gingen mittlerweile Tausende auf die<br />

Straße. Nachdem Moskaus Außenminister Sergej<br />

Lawrow das Thema auf seiner dreistündigen Neujahrs-Pressekonferenz<br />

kurz ansprach, mutierte Lisas<br />

Schicksal zur angeblichen Kreml-Kampagne. Von<br />

«Russen-Propaganda» schrieb die Bild-Zeitung. Der<br />

einstige Tagesthemen-Moderator Ulrich Wickert witterte<br />

die Gelegenheit für eine Verschwörungstheorie.<br />

In der Wirtschaftswoche vom 30. Januar hielt er<br />

es «nicht für ausgeschlossen, dass der russische Geheimdienst<br />

den Begriff ”Lügenpresse” in Deutschland<br />

verbreitet hat». Selbstkritische Töne waren selten.<br />

«Leider ist diese [russische] Propaganda so erfolgreich,<br />

weil es einen massiven Vertrauensverlust bei<br />

uns gibt, in Politik, Medien, Polizei und Justiz. Daran<br />

sind wir selbst schuld, nicht Moskau», betonte allerdings<br />

selbst der als Putin-kritisch bekannte Journalist<br />

Boris Reitschuster im Focus.<br />

Doch gab es die angebliche Kreml-Propaganda im<br />

Fall Lisa überhaupt? Anwalt Danckwardt gab Medien<br />

aus beiden Ländern Interviews. «Das russische Fernsehen<br />

hat meine Äußerungen jedenfalls ungeschnitten<br />

und im Originalton gesendet, teilweise sogar<br />

live. Das ZDF-Morgenmagazin hingegen hat es fertiggebracht,<br />

meine Aussagen so zu schneiden, dass<br />

sie in ihr Gegenteil verdreht wurden», sagte er der<br />

Jungen Welt.<br />

Tatsächlich hatte Berlins Staatsanwaltschaft mittlerweile<br />

endlich eingeräumt, dass Lisa sexuell missbraucht<br />

wurde – wenn auch zu einem anderen Zeitpunkt.<br />

Doch die Medien geiferten trotzdem weiter<br />

und sprachen von «Vergewaltigungslüge» (Berliner<br />

Zeitung). «Es gab weder eine Vergewaltigung noch<br />

Sex», beschwichtigte der Berliner Kurier. Der Tagesspiegel<br />

käute erneut die Darstellung wider, «vor dem<br />

Verschwinden des Mädchens sei es eventuell zu einvernehmlichen<br />

Sexualkontakten gekommen». Wie es<br />

Lisa geht, fragte keiner der Schmierenjournalisten.<br />

Sie befindet sich seit Ende Januar in stationärer psychiatrischer<br />

Behandlung. Dass ihre Peiniger vom Oktober<br />

in Untersuchungshaft säßen, ist dagegen nicht<br />

bekannt.<br />

Russlanddeutsche<br />

Rund vier Millionen Russlanddeutsche<br />

leben heute in der<br />

Bundesrepublik. Der Sammelbegriff<br />

umfasst zum einen die<br />

größte Gruppe, die als Angehörige<br />

der deutschen Minderheit –<br />

früher zumeist Wolgadeutsche<br />

genannt – in mehreren Wellen<br />

einreisten. Hinzu kommen russische<br />

Auswanderer und sogenannte<br />

jüdische Kontingentflüchtlinge.<br />

Ihre Integration gilt<br />

seit Ende der 1990er Jahre als<br />

weitgehend abgeschlossen. Bekannte<br />

Russlanddeutsche sind<br />

etwa der frühere Boxweltmeister<br />

Robert Stieglitz, der Fußball-<br />

Nationalspieler Roman Neustädter<br />

sowie die Sängerinnen<br />

Jule Neigel und Helene Fischer.<br />

Helene Fischer 2013. Foto: Sandra<br />

Ludewig/Universal Music GmbH<br />

Auch Russlands Außenminister<br />

Sergej Lawrow zeigte sich besorgt<br />

über die wachsende Migrantenkriminalität<br />

in Deutschland.<br />

Foto: Valeriy Sharifulin/MID<br />

27

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!