COMPACT-Magazin 03-2016
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Aufbäumen für den Sieg: Rückraumspieler<br />
Julius Kühn wurde erst<br />
während der EM nachnominiert.<br />
Foto: picture alliance / Camera4<br />
Rangliste der<br />
Europameister<br />
Rang Land<br />
Titel<br />
1. Schweden 4<br />
2. Frankreich 3<br />
3. Dänemark 2<br />
4. Deutschland 2<br />
5. Russland 1<br />
(Stand: 31. Januar <strong>2016</strong>)<br />
Quelle: Wikipedia<br />
_ Bernd Schumacher ist der<br />
Fußballspezialist und Sportexperte<br />
von <strong>COMPACT</strong>. In Ausgabe 2/<strong>2016</strong><br />
schrieb er über Jürgen Klopp, der<br />
als Coach des FC Liverpool mit<br />
deutschen Tugenden die englische<br />
Liga aufmischt.<br />
Unsere Handball-Nationalmannschaft stellte unter<br />
Beweis, dass die berühmten deutschen Tugenden leben.<br />
Der Wille zum Sieg trug unsere Jungs von Spiel zu<br />
Spiel, von Triumph zu Triumph. Je stärker der Gegner,<br />
desto größer die Kampfkraft. Und die jungen Wölfe<br />
schlugen hart zu. Die Fußball-Nationalelf gehörte bei<br />
Welt- und Europameisterschaften stets zu den zahmsten.<br />
Die Handballer des Jahrgangs <strong>2016</strong> sind deutlich<br />
anders unterwegs. Für sie gab’s kein Pardon, sie rempelten,<br />
fielen den gegnerischen Angreifern in den Arm,<br />
zogen die Notbremse, wenn das eigene Tor in Gefahr<br />
war. Kreisläufer Hendrik Pekeler kassierte 22 Strafminuten,<br />
vier Gelbe und eine Rote. Nicht immer schön,<br />
aber immer wirkungsvoll. Die jungen Deutschen gaben<br />
nie auf und rangen dem Gegner den Sieg mit Blut,<br />
Schweiß und Toren ab – bei jedem Spiel aufs Neue.<br />
Unsere Männer stellten unter<br />
Beweis, dass die berühmten<br />
deutschen Tugenden leben.<br />
Die Bewährungsprobe kam im Viertelfinale gegen<br />
Dänemark. Nur drei Minuten vor Schluss gelang der<br />
Ausgleich gegen die nordischen Platzhirsche, die fast<br />
das ganze Spiel über geführt hatten. 30 Sekunden später<br />
verwandelte Tobias Reichmann einen Siebenmeter<br />
eiskalt zur Führung. Unglaubliche 26 Treffer erzielte<br />
der Rechtsaußen im gesamten Turnier – Trefferquote:<br />
90 Prozent. Die harte Belastungsprobe dann im<br />
Halbfinale gegen Norwegen. Nur 19 Sekunden vor<br />
Schluss erzielte der Kieler Rune Dahmke den Ausgleich<br />
zum 27:27. In der hochdramatischen Verlängerung<br />
waren es dann abermals die deutschen Tugenden,<br />
die die Entscheidung brachten: Durchhaltevermögen,<br />
eiserner Wille, Mannschaftsgeist, dazu jede<br />
Menge Kraft und Schnelligkeit. Nur fünf Sekunden vor<br />
Abpfiff erzielte der Nachrücker Kai Häfner das Siegtor<br />
zum 34:33 – eine unglaubliche Leistung der jüngsten<br />
Mannschaft des Turniers.<br />
Wie aus einem Guss<br />
Im Finale erschien dann alles plötzlich ganz leicht.<br />
Das hoch favorisierte Spanien mutierte vom Angstgegner<br />
fast zum Sparringspartner. Schon in den ersten<br />
zehn Minuten hatten sich die Männer in Weiß einen<br />
Vier-Tore-Vorsprung herausgespielt. Das Märchen<br />
von Krakau ging weiter, in der zweiten Halbzeit waren<br />
sich die deutschen Anhänger sicher: Dort unten spielt<br />
der neue Europameister, und er kommt aus der Heimat.<br />
Die Jungs wirkten geradezu übermächtig. In den<br />
acht Spielen des Turniers waren sie immer wieder bis<br />
an ihre körperlichen Grenzen gegangen, doch jetzt lief<br />
alles wie von selbst. Vorne wirkte die Angriffsmaschine,<br />
Kai Häfner donnerte sieben Bälle ins gegnerische<br />
Netz, aber anders als bei den Herzschlagspielen hielt<br />
auch die Abwehr: Der spanische Topstar Raúl Entrerrios<br />
verzweifelte ein ums andere Mal an den Muskelmännern<br />
aus Gummersbach, Wetzlar und Lübbecke.<br />
Ex-Nationalspieler Steffen Kretzschmer brachte<br />
es als Kommentator auf den Punkt: Die Führung<br />
sei so deutlich, «weil hinten eine deutsche Mauer<br />
steht!» Abwehrriese Finn Lemke (2,10 Meter) brüllte<br />
in der Kabine seinen Kampfruf heraus: «Heute nicht!<br />
Heute kann uns niemand schlagen! Heute ist unser<br />
Tag!» Und tatsächlich: Nach 60 Spielminuten war<br />
der Triumph perfekt, das Turnier hatte seinen Über-