COMPACT-Magazin 03-2016
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<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
BRD-Sprech _ Gutmensch<br />
«Gutmensch» ist ein ambivalentes Wort, je nachdem,<br />
wer es benutzt: Handelte es sich ursprünglich<br />
um die leicht spöttische Bezeichnung eines bestimmten<br />
Menschenschlags, so wurde es einerseits von just<br />
den so bezeichneten Menschen als Selbstbeschreibung<br />
übernommen, von anderen aber zum Schimpfwort<br />
verschärft. Was die Betroffenen wiederum überhaupt<br />
nicht verstehen können und dazu führte, dass<br />
das Wort zum «Unwort des Jahres 2015» gekürt wurde.<br />
Sie glauben nämlich, «Gutmensch» heiße so viel<br />
wie «guter Mensch». In Wahrheit kann ein Gutmensch<br />
im Privatleben so gut oder böse sein wie irgendein<br />
anderer auch – den Gutmenschen als solchen erkennt<br />
man daran, dass er im politischen Bereich das Gegenteil<br />
von dem tut, was allgemein als moralisch gut gilt:<br />
Der Gutmensch ist ein Pharisäer, der Andersdenkenden<br />
gegenüber zu einem frappierenden Maß an Bösartigkeit<br />
und Arroganz fähig ist. Der Gutmensch glaubt,<br />
die Grundlage aller Moral seit Adam und Eva, nämlich<br />
die Bevorzugung des Näherstehenden (der nicht<br />
zufällig der Nächste genannt wird) gegenüber dem<br />
Fernerstehenden, sei irgendwie böse und Gott habe<br />
sich geirrt, als er sagte: «Liebe deinen Nächsten wie<br />
dich selbst»; nach Ansicht des Gutmenschen hätte er<br />
sagen müssen: «Liebe deinen Übernächsten mehr als<br />
dich und den Nächsten zusammen.»<br />
Der typische Gutmensch ist einer,<br />
der nicht selbst Opfer bringt,<br />
sondern andere dazu zwingen will.<br />
Andreas Frege alias Campino hat als Frontsänger der Toten Hosen<br />
ein beachtliches Vermögen von über 20 Millionen Euro angehäuft<br />
– trotzdem spielt er auch heute noch gerne den systemkritischen<br />
Anarcho-Punker und stachelt auf seinen Konzerten pubertäre Antifanten<br />
zum «Kampf gegen rechts» auf. Foto: imago/Future Image<br />
Gutmenschen sind Leute, die so lange «Flüchtlinge»<br />
aufnehmen werden, bis keine mehr kommen, weil die<br />
Verhältnisse in Europa dann genau denen entsprechen<br />
werden, vor denen vorher die «Flüchtlinge» geflohen<br />
sind.<br />
Vielleicht mag man dem Gutmenschen, da seine<br />
Seele mit pseudoreligiösen Wahnideen vergiftet<br />
wurde, noch jene Art Mitleid entgegenbringen, die<br />
man auch für andere Sektenopfer übrig hat – allerdings<br />
nur, sofern er selbst die Folgen seines Wahnsinns ausbadet.<br />
Der typische Gutmensch ist allerdings einer, der<br />
nicht selbst Opfer bringt, sondern andere dazu zwingen<br />
will, und als Angehöriger der Sozial-, Integrations- oder<br />
Ideologieindustrie womöglich noch daran verdient.<br />
Der Gutmensch glaubt, er sei schon deshalb edel,<br />
hilfreich und gut, weil er eine bestimmte Ideologie<br />
bejaht und es aufgrund dieser Ideologie zum Beispiel<br />
für richtig hält, Menschen aus gewaltaffinen Machokulturen<br />
in ein befriedetes Europa einwandern zu lassen<br />
und den Einheimischen Millionen von neuen Mitbewohnern<br />
zuzumuten, die sie sich nicht ausgesucht<br />
haben, und die sie sich, hätte man sie gefragt, aus<br />
guten Gründen auch nicht ausgesucht hätten.<br />
Gutmenschen vertreten grundsätzlich nur die Interessen<br />
von Minderheiten und finden es unmoralisch,<br />
dass Männer und nichtfeministische Frauen, Deutsche,<br />
Christen, Weiße und Heterosexuelle überhaupt existieren.<br />
Wenn sie aber schon existieren, so die Gutmenschen,<br />
dann sollen sie wenigstens ihren Mund<br />
halten und sich ihrer «Intoleranz» schämen – also sich<br />
schämen, dass sie überhaupt Interessen zu haben und<br />
diese gar zu artikulieren wagen.<br />
Gutmenschen sind Leute, die nicht ruhen werden,<br />
bis sie die Welt so weit «verbessert» haben, dass sich<br />
in ihr nur noch Verrückte, Perverse, Verbrecher und<br />
Schmarotzer wohlfühlen. Gutmenschen sind Leute, die<br />
das eigene Volk über die Klinge springen lassen, damit<br />
es ihrem Seelchen gut geht. Und Gutmenschen sind vor<br />
allem Leute, die es fertigbringen, sich trotzdem noch<br />
darüber zu wundern, dass das Wort «Gutmensch» ein<br />
Schimpfwort ist.<br />
Verlag Antaios, 240 Seiten, gebunden,<br />
22,00 Euro (Bestellung über<br />
antaios.de). Foto: Verlag<br />
_ Manfred Kleine-Hartlage ist<br />
Publizist und Diplom-Sozialwissenschaftler.<br />
Regelmäßig veröffentlicht<br />
er kritische Beiträge auf<br />
seinem Blog «korrektheiten.com».<br />
Sein aktuelles Buch «Die Sprache<br />
der BRD – 131 Unwörter und ihre<br />
politische Bedeutung», 2015 im<br />
Verlag Antaios erschienen, liefert<br />
die Vorlage für diese <strong>COMPACT</strong>-<br />
Serie.<br />
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