COMPACT-Magazin 03-2016
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Der Boulevard-Kanzler<br />
_ von Klaus Faißner<br />
Hier redet nur einer: Faymann und<br />
Merkel auf einer gemeinsamen<br />
Pressekonferenz in Berlin. Foto: SZ<br />
Photo/Metodi Popow<br />
Der österreichische Regierungschef ist der treueste Knappe von Angela Merkel in der<br />
aktuellen Zuwanderungspolitik. Im eigenen Volk unbeliebter als jeder seiner Vorgänger,<br />
kann er sich auf ein großes Netzwerk geneigter Lobbyisten und Medienzaren stützen.<br />
Er habe genau gewusst, was zu tun sei, erklärte<br />
Werner Faymann – «nämlich die deutsche Kanzlerin<br />
anrufen». Wir schreiben den 4. September 2015, für<br />
die Welt am Sonntag (WamS) «der wichtigste Tag in<br />
Angela Merkels Kanzlerschaft». Aus Ungarn fluten<br />
Zehntausende sogenannter Flüchtlinge auf die Grenzen<br />
der Alpenrepublik zu – was ist zu tun? «Die Kanzlerin<br />
entscheidet: Zwischen 23 Uhr und Mitternacht<br />
sagt sie zu Faymann: Wir machen es.» (WamS) Gemeint:<br />
Die Öffnung aller Grenzen in beiden Staaten,<br />
der Verzicht auf jegliche Kontrolle.<br />
Die Regierungschefin hatte keine Rücksprache mit<br />
dem Bundestag oder wenigstens den Fraktionsvorsitzenden<br />
genommen, nicht einmal CSU-Chef Horst Seehofer<br />
wurde informiert. Einzig den Kanzler des Nachbarlandes<br />
zog sie ins Vertrauen. Warum wohl? «Wenn<br />
der zu mir ins Büro kommt, dann hat er meistens keine<br />
Meinung; wenn er rausgeht, dann hat er meistens<br />
meine Meinung», soll Merkel laut Spiegel über ihren<br />
Amtskollegen gesagt haben. Faymann definiere<br />
sein politisches Credo in kleinem Kreis so: «Man muss<br />
durch einen Bienenschwarm gehen können, ohne gestochen<br />
zu werden.» Dass Faymann der Kanzlerin das<br />
Ja-Wort zur Öffnung der Schlagbäume gab, stieß in<br />
jenen Tagen in Österreich kaum auf Ablehnung, da<br />
das Land gerade in einer Art Schockstarre war. Eine<br />
Woche zuvor, am 27. August 2015, waren in einem<br />
Schlepper-Lkw auf der A4 im Burgenland 71 Tote gefunden<br />
worden. Seither hatte dieses Thema die Titelseiten<br />
beherrscht. Deshalb scheuten sich viele, die gesetzwidrige<br />
Refugee-Welcome-Politik zu kritisieren.<br />
Faymann nutzte auch gleich die Gelegenheit, um<br />
wieder einmal den ungarischen Premier Viktor Orbán<br />
anzugreifen: Dessen fast fertiggestellter Grenzzaun<br />
sei «kein Empfang für die, die Hilfe dringend brauchen».<br />
Wenige Tage später verglich der Sozialdemokrat<br />
im Spiegel Orbáns Politik mit den Judendeportationen<br />
im 3. Reich: «Flüchtlinge in Züge zu stecken<br />
in dem Glauben, sie würden ganz woandershin fahren,<br />
weckt Erinnerungen an die dunkelste Zeit unseres<br />
Kontinents.»<br />
Obergrenze als Placebo<br />
Meist nicht in Züge, sondern in Busse steckte fortan<br />
die österreichische Regierung die Asylantenmassen.<br />
Unfassbare 677.000 Einwanderer wurden nach offiziellen<br />
Zahlen zwischen dem 4. September und dem<br />
31. Dezember durch das kleine Land geschleust – das<br />
Gros nach Deutschland. Die zusätzliche Zahl der nicht<br />
Das System Faymann/Häupl ist<br />
gekennzeichnet durch ein besonders<br />
inniges Verhältnis zum Boulevard.<br />
Foto: APA/Herbert Neubauer<br />
«Wenn er rausgeht,<br />
dann hat er<br />
meistens meine<br />
Meinung.»<br />
Merkel über Faymann<br />
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