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hautnah 27 S wahnsinnige Schmerzen in der Hand hat – zeitweise kann sie nicht einmal einen Stift halten. 13, 14 Jahre alt ist sie damals. „Das war für mich eine sehr schlimme Zeit“, denkt sie nachdenklich zurück. „Die Verletzung kam zu einer Zeit, in der ich mir ein Leben ohne Musik kaum mehr vorstellen konnte. Ich dachte, ich müsste das Gitarrenspiel für immer aufgeben.“ Darüber hinaus bekommt Tatyana mit ihrem Gitarrenlehrer, den sie inzwischen nicht mehr nur als Lehrer, sondern auch als Freund ansieht, Probleme: „Ich fühlte mich von ihm nicht wirklich unterstützt, als es mir so schlecht ging, bekam Zweifel an meinen Fähigkeiten. Seitdem sind wir getrennte Wege gegangen.“ Zwei Jahre kann Tatyana nicht spielen. Zwei Jahre, in denen sie sich Gedanken darüber macht, ob Musik vielleicht doch nicht der einzige Weg ist. „Ich hätte auch BWL oder Physik studieren können“, lacht sie. „Zum Glück hat sich die Verletzung nach einigen Jahren wieder beruhigt, ich hatte keine Schmerzen mehr und konnte tatsächlich wieder langsam anfangen zu spielen.“ Jetzt trifft sie auf einen neuen Gitarrenlehrer, der sie unterstützt, motiviert und so die Selbstzweifel, die sie seit ihrer Verletzung geplagt haben, nach und nach ausräumt. „Ich dachte außerdem, dass es bestimmt sehr lange dauern würde, bis ich wieder auf dem gleichen Level war wie vor den Schmerzen“, meint sie. „Doch ein, zwei Monate später war ich genau da, wo ich vorher gewesen bin.“ Nach dem Schulabschluss stellt Tatyana sich erneut die Frage, was sie aus ihrem Leben machen soll – bloß, dass dieses Mal die Musik im Fokus steht. Auch mit ihrem Bruder, der damals in Dresden studiert, unterhält sie sich darüber. Er schlägt ihr vor, eine Videokassette von ihrem Gitarrenspiel einem Musikdozenten an seiner Universität vorzuspielen. Gesagt, getan: Tatyana schickt ihm das Video, er zeigt es einem Professor. Dieser ist auf Anhieb begeistert, sagt, sie müsse unbedingt nach Deutschland kommen, um dort Musik zu studieren. Er sagt aber auch, dass sie besser nach Köln oder Weimar gehen solle, weil es dort die besseren Dozenten für klassische Gitarre gebe. Und er wolle ihr Video bei einer Reise nach Weimar einem Kollegen dort zeigen. Musikstudium in Weimar „Ich habe dann eine ganze Weile nichts mehr aus Deutschland gehört“, erzählt Tatyana. „Ich hatte es beinahe wieder vergessen.“ Sie studiert mittlerweile am Musikkonservatorium in Minsk, als sich ein Musikprofessor aus Weimar bei ihr meldet. „Er sagte mir, dass ich unbedingt bei der nächsten Eignungsprüfung vorspielen solle.“ Eine Voraussetzung: Sie muss Deutsch verstehen und sprechen können, damit sie weiß, was die Prüfer von ihr wollen. Innerhalb von acht Monaten bis zur Prüfung lernt sie deshalb mithilfe eines Privatlehrers die fremde Sprache. Wenn sie nicht übt oder in der Gitarrenklasse sitzt, paukt sie Vokabeln, immer ihr Ziel vor Augen. Die Prüfung besteht sie dann sofort – mit 18, 19 Jahren zieht sie nun ganz allein nach Weimar. „Es war eine tolle Zeit!“, sagt sie mit leuchtenden Augen. „Ich bin selbständig geworden, hatte mein eigenes Zimmer im Wohnheim, und ich konnte das machen, was ich am meisten geliebt habe: S bremissima